09/2016

Besichtigungstour zu den skurrilsten -Distributionen Titelthema Ein wilder Ritt Distributionen

28 Seit den frühen 90ern schießen die Linux-Distributionen wie Pilze aus dem Boden. Das Linux-Magazin blickt

zurück auf ein paar besonders erstaunliche oder schräge Exemplare. Kristian Kißling www.linux-magazin.de © Antonio Oquias, 123RF Oquias, © Antonio

Auch wenn die Syntax anderes vermu- samer Linux-Distributionen aufzustellen, Basis für Evil Entity denkt (Grün!), liegt ten lässt, steht der Name des klassischen denn in den zweieinhalb Jahrzehnten falsch. Tatsächlich basierte Evil Entity auf Linux-Tools »awk« nicht für Awkward kreuzte eine Menge von ihnen unseren und setzte auf einen eher düs- (zu Deutsch etwa „tolpatschig“), sondern Weg. Während einige davon noch putz- ter anmutenden -Desktop für die Namen seiner Autoren, nämlich munter in die Zukunft blicken, ist bei an- (Abbildung 3). Alfred Aho, Peter Weinberger und Brian deren nicht recht klar, welche Zielgruppe Als näher am Leben erwies sich der Fo- Kernighan. Kryptische Namen zu geben sie anpeilen oder ob sie überhaupt noch kus der Distribution, der auf dem Ab- sei eine lange etablierte Unix-Tradition, am Leben sind. spielen von Multimedia-Dateien lag – sie heißt es auf einer Seite des -Wiki wollten doch nur Filme schauen. [1], die sich mit den Namen traditioneller Linux für Zombies Linux-Tools beschäftigt. Je kaputter, desto besser Denn, steht dort weiter, häufig halten Apropos untot: Die passende Linux- Entwickler die Namen ihrer Tools für Distribution für Zombies ließ sich recht Auch [4], der Name steht selbsterklärend oder sie glauben, dass einfach ermitteln. Sie heißt Undead Linux je nach Übersetzung für „gleichgültig“ sie die User ohnehin nicht interessieren. aka Evil Entity [3] und hauchte 2003 oder „nichtig“, wurde einst von seinem Dieser Denkschule folgen offensichtlich trotzdem ihr Leben aus. Das heißt, die Hauptentwickler schon für tot erklärt. viele Macher der mehr als 500 Linux-Dis­ zugehörigen Domains sind frei, mögli- Das Ganze stellte sich aber als April- tributionen weltweit (Abbildung 1, [2]). cherweise geistern im Bittorrent-Univer- scherz heraus [5], die totgeglaubte Dis- Bereits die frühen Vertreter trugen wahl- sum noch Kopien umher, auf der Suche tribution schaffte es kürzlich gar auf den weise kryptische Abkürzungen (LSD, LST, nach Gehirnen von Linux-Nutzern. Evil Titel der Ausgabe 04/16 der Linux-Ma- DLD) oder recht merkwürdige Namen wie Entity, das „böse Wesen“, ist übrigens gazin-Schwester „Linux User“. Yggdrasil (Abbildung 2). der Erzfeind der Comicfigur Scooby Hervorstechende Features der Rolling Re- Das Linux-Magazin nimmt das Jubiläum Doo und laut einem Wikia-Eintrag eine lease sind ein eigenes Buildsystem, ein „25 Jahre Linux“ zum Anlass, eine (zu- „schwebende Masse dunkelgrüner Ten- selbst entwickeltes Paketsystem namens gegeben unvollständige) Typologie selt- takel“. Wer sofort an Suse als perfekte Xpbs und der Verzicht auf . An 09/2016 Titelthema Distributionen

29 www.linux-magazin.de © GFDL, Andreas Lundqvist (initially), Muhammad Herdiansyah (continued) Muhammad Herdiansyah (initially), Lundqvist © GFDL, Andreas Abbildung 1: Nur ein kleiner Ausschnitt aus dem umfangreichen Stammbaum der Linux-Distributionen. Die Grafik wartet unter [http://futurist.se/gldt/]. dessen Stelle setzt Void-Linux, das darauf Schweißausbrüche auslösen – doch völ- nicht, beschwert sich gleich einer in den besteht, kein Fork einer anderen Distribu- lig unberechtigt. Im Gegenteil. Das einzig 666 (!) Kommentaren auf der About-Seite tion zu sein, auf [6]. teuflische an der leichtgewichtigen Li- [12]: „Als spiritueller Satanist finde ich Einen absoluten Sonderfall bietet Damn nux-Distribution, die von CDs oder USB- [die Distribution] beleidigend. Wenn die Vulnerable Linux (DVL, [7]). Wie ein gu- Sticks bootet, ist der Verzicht auf eine Themes mehr in Richtung Satanismus ter Wein wird das infektiöse Linux selbst grafische Oberfläche (Abbildung 4). Das gingen und weniger in Richtung düstere nach seinem Ableben immer besser. macht aber nichts, dient sie doch erfahre- Bilder und Heavy Metal, wäre ich wo- Thorsten Schneider, ein Dozent der Uni nen Admins als Router- und Firewall-Sys- möglich interessierter.“ Neben verletzten Bielefeld, hatte 2007 Version 1.0 von DVL tem und inzwischen auch als dedizierter Gefühlen macht das Zitat die Stoßrich- als Admin-Albtraum voller Sicherheits- Server für Anwendungen. tung der Satanic Edition deutlich – sie lücken veröffentlicht, damit Sicherheits- Der Fokus liegt auf der Sicherheit: Die zielte auf Heavy-Metal-Fans. forscher mit ihr experimentieren. Seit meisten Binaries sind mit GCC Stack Auf der Webseite warten Wallpaper 2012 entwickelt offenbar niemand mehr Smashing Protection übersetzt, der mit Feuer, Totenköpfen und halbnack- das auf Debian und Kernel setzt auf GR-Security und Pax. ten Frauen in beliebiger Reihung sowie basierende DVL weiter, womit die Zahl Aktuell arbeiten die Macher ganz bo- Heavy-Metal-inspirierte Musiksamm- der nicht behobenen Sicherheitslücken denständig an Ver- naturgemäß wächst – in diesem Fall eine sion 1.8.0, Exorzisten klassische Win-Win-Situation. dürfen also zu Hause bleiben. Am Abgrund Höllen­ Suicide Linux [8] klingt zunächst wie spektakel eine ironiebegabte und aufstrebende Li- nux-Distribution mit optimistischer Aus- Dringt Devil-Linux nur richtung und Zukunftsplänen, entpuppt dem Namen nach in sich aber bei der Recherche als feuchter religiöse Gefilde vor, Traum für masochistisch veranlagte Sys- tauchen andere Distri- admins. Genau genommen handelt es butionen gleich rich- sich um ein Debian-Paket, das bei jedem tig ein. Denkt man falsch eingegeben Befehl mit Rootrechten zumindest sofort, ein »rm ‑rf /« absetzt und so sämtliche wenn die Rede auf 3.0 -

Daten auf der Festplatte löscht. Schwarze die Satanic - BY Pädagogik [9] für Linux-Admins, wenn Edition (Abbildung 5, man so will. [11]) kommt. CC © Ralfk, Auch der Name Devil-Linux [10] dürfte Ein Linux für Teufels- Abbildung 2: Yggdrasil gehörte zu den frühen Linux-Distributionen und ließ bei zart besaiteten Usern höllische anbeter sei das aber sich von einer CD starten. 09/2016 Titelthema Sabily lautete der Name der in Frankreich produzierten Ubuntu Muslim Edition [14], die aber 2011 den Gebetsteppich einrollte. Wohl auch, weil sich die ein- zelnen Tools problemlos im Standard- Distributionen Ubuntu nachinstallieren lassen. Laut Wikipedia [15] installierte Sabily arabi- 30 sche Sprachpakete vor und brachte Pro- gramme für Koranstudien, einen islami- schen Kalender sowie eine Erinnerungs- software für Gebetszeiten mit.

www.linux-magazin.de Weitere Versionen von Sabily waren ge-

© www.abclinuxu.cz plant, faktisch ist aber Ubuntu 11.10 mit Unity-Desktop die letzte angebotene. Das erhält schon länger keinen Support mehr, weshalb Distrowatch die Distribution für tot erklärt. Mit Ojuba-Linux [16] exis- tiert ein leicht angestaubtes Pendant zu Sabily, das auf Fedora basiert. Die letzte Version dieser arabischen Distribution Abbildung 3: Ein tschechisches Blog erlaubt noch einen nachträglichen Eindruck von Evil Entity, das Enligh­ mit einigen islamischen Tools stammt tenment als Desktopumgebung nutzte, aber inzwischen nicht mehr unter uns weilt. vom März 2014.

lungen, die Namen wie „Music for the Edition (Abbildung 6, [13]) als „schla- Wellness und Pasta Damned“ oder „Distro of the Beast“ tra- fend“ ein, immerhin erhält das zugrunde gen. Das Ganze war wohl nur zeitweise liegende Ubuntu 12.04 noch bis April Viele Deutsche halten Buddhismus ja witzig, übrig blieb auf der Webseite die 2017 Updates. für praktizierte Wellness, auch bei Bodhi Undead-Live-CD (Version 666.9) mit ei- Dans Guardian sorgt dafür, dass die Kin- Linux [17] wird nicht sofort klar, wie nem völlig veralteten Ubuntu 10.10 und der beim Surfen nicht aus Versehen beim viel Religion und wie viel Wellness in Gnome 2 als Desktop. Echt teuflisch! eben beschriebenen Teufelszeug landen, der Ubuntu-basierten Distribution steckt. an Bord sind christliche Tools wie Xiphos Religiös angehaucht sind vor allem die Himmel hilf! (Bibelstudien) und Open LP (Präsentati- Begriffe. Bodhi kann sich auf denselben onsplattform für Kirchen). Die meisten Wortstamm wie Buddha stützen und Christen haben es da etwas besser. Zwar Pilger zur Webseite kommen übrigens steht für den buddhistischen Erkennt- schätzt Distrowatch die Ubuntu Christian aus den USA, gefolgt von Polen. nisvorgang. Auch der Moksha-Desktop (Abbildung 7) deutet auf diese Richtung hin, das Wort steht in den indischen Re- ligionen ungefähr für Erlösung und Er- leuchtung. Auf der anderen Seite kommt mit Enlight­ enment 17 auch ein „erleuchteter“ Desk- top zum Einsatz, womöglich ist Moksha also einfach eine Übersetzung des Wor- tes. Spezielle religiöse Software installiert Bodhi jedenfalls nicht vor, die aktuelle Version 3.2 ist im März 2016 erschienen, Buddha gefällt das. Mit weit weniger Wohlgefallen dürfte hingegen seine nudelige Gottheit, das fliegende Spaghetti-Monster [18], auf seine Anhänger und die Landschaft der Linux-Distributionen als solche schauen. Das Linux für Pastafaris, einst von Linux Format halb im Scherz angekündigt [19], bleibt wohl weiterhin ein parmesanbe- streuter Wunsch. Bislang hat sich kein Abbildung 4: Nicht nur beim Booten verzichtet Devil-Linux auf eine grafische Oberfläche. siebtragender Entwickler oder Pirat ge- 09/2016 Titelthema funden, um die zentralen Glaubensin- halte auf einem Linux-Desktop zu ver- sammeln. Wäre das Ganze eine Art religiöser (Distributions)-Wettbewerb, läge wohl der Buddhismus nach Punkten vorn. Distributionen Denn nur wartet mit einem aktuellen Glaubensbekenntnis auf. 31 Betreut surfen mit Kim Jong-un www.linux-magazin.de Religion und Ideologie sind mitunter zwei Seiten derselben Medaille [20]. Das lässt Abbildung 5: Die Ubuntu Satanic Edition (Webseite) zielt vor allem auf Heavy-Metal-Anhänger ab, hat aber sich nicht nur an Zeitrechnungen able- leider bereits Rost angesetzt. Dafür ist freie Heavy-Metal-Mucke eingebaut. sen. Während Europäer das Jahr 2016 nach Christi Geburt zählen, befinden sich gierung Internetcafés in Nanchang 2008 mit Trolltech, um einen Ableger für Em- die Nordkoreaner laut Chuch’e-Ideologie dazu zwingen wollte, von Windows auf bedded-Systeme zu schaffen. im Jahre 105 nach Kim Il-sungs Geburt. Red Flag zu wechseln. Ein Sprecher von 2006 soll schließlich über Ein Fakt, dem auch der Kalender von Red Flag erklärte jedoch, das gelte nur einen Marktanteil von 80 Prozent unter Red Star OS [21] Tribut zollt, einem auf für die Server-Seite, um die Nutzerzahlen den Linux-Distributionen verfügt haben. Fedora basierenden Linux-Derivat, das besser zu bewältigen und einen Viren- Nachweisen lässt sich das nicht. Der 2014 OS X ähnelt und im nordkoreanischen schutz zu erhalten. angemeldete Konkurs der Firma Red Flag Intranet zu Hause ist. Ins richtige Internet Um China autark von Windows zu ma- Software lässt aber Zweifel an der landes- will der Chef seine Bürger nicht lassen, chen und zugleich ein sicheres Betriebs- weiten Linux-Beflaggung aufkommen, auch sonst lässt sich eher von „betreuter system zu erhalten, begann die Akademie ein IDC-Analyst machte den geringen Be- Computerarbeit“ sprechen. der Wissenschaften 1999 mit der Arbeit kanntheitsgrad und die Konkurrenz von Zu den Features von Red Star OS 3.0 ge- an Red Flag Linux. In den folgenden Jah- Red Hat und Suse Linux Enterprise für hört es, Dokumente und Bilder mit einem ren entstand eine passende Firma, er- die Pleite mitverantwortlich [23]. Wasserzeichen zu versehen, das die ver- schienen mehrere kommerzielle Releases Damit ist die Linux-Geschichte in China schlüsselte Seriennummer der Festplatte und schloss die Firma Partnerschaften allerdings nicht zu Ende. Im Jahr 2014 als Basis verwendet. So lässt sich für das unter anderem mit Compaq, Oracle und wies die chinesische Regierung ihre Be- Regime nachvollziehen, welchen Weg ein HP. Die Distribution setzte auf KDE als hörden an, für neu angeschaffte Rechner Dokument auf den Rechnern der Nutzer Desktop, es gab zudem ein Abkommen künftig kein mehr zu nutzen. nimmt. Im Zweifelsfall kann der einge- baute Virenscanner auch mit Hilfe einer schwarzen Liste bestimmte Dokumente zensieren. Die Hacker sind nicht sicher, ob das Sys- tem auch Hintertüren enthält, schließen aber nicht aus, dass diese tief im System versteckt sind oder über Updates auf die Rechner gelangen. Sie bescheinigen Red Star OS aber auch, dass die Entwickler viel Gehirnschmalz in das System ge- steckt haben. Für Fans ideologisch auf- geladener Kunst liegen auch einige inte- ressante Wallpaper bei (Abbildung 8).

Unter der roten Flagge

Für Red Flag Linux (Abbildung 9, [22]), einem seit 1999 in China entwickelten Linux-Derivat auf Fedora-Basis, gibt es keine Berichte über eingebaute Überwa- chungstechnologien. Allerdings berich- © Distrowatch tete „Associated Press“ 2008, dass die Re- Abbildung 6: Die Christian Edition setzt auf verschiedene Sorten von Bibelstudien-Software. 09/2016 Titelthema Kernel setzt. Freesco hat nichts mit der SCO Group [30] zu tun, sondern steht für Free Cisco und möchte eine Firm- ware-Alternative für kommerzielle Cisco- Router sein. Um das System zu starten, Distributionen genügt es, die Datei »fresco.Version« auf eine Floppydisc zu kopieren. 32 Zum Einsatz kommt ein recht betagter Kernel der 2.0-Reihe, die letzte Version 0.4.5 stammt vom März 2014. Seitdem sucht der Hauptentwickler übrigens nach [31] www.linux-magazin.de einem Nachfolger , der die zugrunde liegende Bibliothek modernisiert. Etwas größer, aber noch immer extrem

© Jeff Hoogland, Github.com © Jeff klein, ist (TCL, [32]), Abbildung 7: Moksha-Radiance ist eines der Themes für den Moksha-Desktop. dessen neueste 64-Bit-Varianten es als Core Pure (12 MByte) und Tiny Core Pure Der neue Stern am Linux-Himmel heißt die Distribution auf die Guano-Desktop- (24 MByte) gibt. Sie tragen die Versions- [24]. Das gibt es in verschiedenen Umgebung, einen LXDE-Fork. Wenn aber nummer 7.2 und stammen vom Juli 2016. Versionen, eine davon ist ein offizielles die Rechner auf Kuba so alt sind wie die TCL betrachtet sich nicht als eigenstän- Ubuntu-Derivat. dort herumfahrenden Autos, dürfte selbst dige Linux-Distribution, sondern bietet der schlanke Guano-Desktop bei einigen lediglich einen Kernel mit Busybox und Cuba libre angegrauten Modellen an seine Perfor- einem elementaren FLTK-Desktop (Ab- mancegrenzen stoßen. bildung 10) an. Ebenfalls auf Ubuntu basierte -Li- Auch Damn Small Linux [33] ist mit nux [25], eine kubanische Linux-Vari- Die lieben Kleinen seinen 50-MByte-Images tatsächlich ver- ante, ursprünglich kam Gentoo zum Ein- dammt platzsparend, allerdings datiert satz. Noch 2009 sah Hector Rodriguez, Kein Problem, auch dafür gibt es Linux- die letzte Release 4.4.11 vom 27. Septem- Chef der Informatik-Universität in Ha- Distributionen. Eine der ersten, HJ LUs ber 2012 und die Webseite ist inzwischen vanna (UCI), eine Linux-Verbreitung von Boot-Root [27], lief 1991 auf 5,25-Zoll- nicht mehr erreichbar. 20 Prozent in Kuba und peilte für 2014 Disketten. Um das Linux von der Fest- Das bootfähige Image des alten Eisfair die Marke von 50 Prozent an. platte zu starten, musste der Benutzer [34] mit Kernel 2.22.0 bringt ebenfalls Doch auch Nova habe den Betrieb ein- noch den Master Boot Record per Hand nur 54 MByte auf die Wage, wird aber gestellt, heißt es im entsprechenden nachjustieren. Die Popularität von Boot- aktiv entwickelt. Die ISOs der aktuel- Distrowatch-Eintrag, die Webseite sei Root hielt sich daher in Grenzen. len Versionen des Nachfolgers Eisfair-ng nicht mehr erreichbar. Das stimmt zwar, MCC Interim Linux [28] dürfte dagegen vom Februar belegen hingegen bereits dennoch erschien im Herbst 2015 laut einigen Linux-Veteranen ein Begriff sein, 260 MByte (64 Bit) beziehungsweise 190 Softpedia [26] eine neue Version 5.0 von das MCC stand für Manchester Compu­ MByte (32 Bit). Es gibt sie unter anderem Nova, und die UCI gab Ende Mai 2016 ting Centre. Die Diskettensammlung für Versionen des . bekannt, auf diese zu wechseln. stellte ab 1992 eine Unlizenzierte Windows-Versionen exis- rudimentäre Unix- tieren auf Kuba zwar weiterhin, aber zu- Umgebung bereit. mindest für Universitäten und Behörden Lang, lang ist’s her, wünscht sich Kuba einen Wechsel auf selbst in seiner Linux. Selbst wenn das Land die Lizenz- kleinsten Variante gebühren an zahlen könnte würde der Kernel und wollte, verhinderte auch das lang- heute wohl kaum jährige Embargo der USA gegen Kuba, auf eine Diskette dass Windows offiziell auf die Insel ge- passen. langte. Erst ab 2015 lockerten die USA Das ist wahrschein- das Embargo lich der Grund, wa- Welches Ubuntu die Nova Lightweight rum Freesco [29], Edition 2015 verwendet, ließ sich nicht das verspricht von herausfinden, Ubuntu 14.04 dürfte für einer Diskette mit den Job in Frage kommen. Laut Softpedia 1,44 MByte Spei- soll jedenfalls der mitgelieferte Installer cherplatz zu star- Abbildung 8: Idyll mit Flakgeschützen: Nordkoreas Linux-Macher verstehen die Installation vereinfachen und setzt ten, auf einen alten volles Rohr was von Romantik. Abbildung 9: Auch die rote Fahne von Red Flag Linux flatterte nur eine Dekade lang.

Namensauffällig und zugleich beliebt bei Kollektion verschiedener Linux-Distribu- Admins ist die österreichische Distribu- tionen. Es gibt tion [35], gesprochen „Grummel“. n offizielle Puppy-Linux-Distributionen, Es handelt sich um ein Debian-basiertes die das Puppy-Team betreut, Rettungssystem, dessen kleine 64-Bit- n woof-built Puppy-Linux-Distributio- Variante 230 MByte groß ist. Da sie offi- nen, die für spezielle Zwecke ange- ziell vom November 2014 stammt, sahen passt sind, sich die Entwickler dazu gezwungen, das n inoffizielle Derivate (so genannte Pup­ Projekt per Blogeintrag als am Leben zu lets), meist von Puppy-Enthusiasten melden [36]. neu gemastert. Bleibt noch das wohl bekannteste Mini- Größenmäßig bewegen sich die ISOs im Linux, Name: Puppy (Abbildung 11, niedrigen 200-MByte-Bereich. Meist bie- [37]). Das sei keine Linux-Distribution, ten sie einen vollständigen Linux-Desk- schreiben die Entwickler, sondern eine top, wenn auch mit recht rudimentären

Abbildung 10: Tiny Core Linux ist modular und braucht in der einfachsten Variante sehr wenig Platz. 09/2016 Titelthema Der namenlose Distributions-Erfinder er- klärt freimütig, dass sein Linux ein Witz sei. Die Idee entstand im 4chan-Channel [42]. Der alleinige Unterschied der Dis- tribution zu einem gewöhnlichen Puppy Distributionen sind einige mitgelieferte Justin-Bieber- Wallpaper. Dass die Distribution auf 34 Lucid 525 basiere, sei Teil des Witzes, erklärt der Macher. Tatsäch- lich war Justin Bieber im Distributions- Entstehungsjahr 2011 gerade einmal 17

www.linux-magazin.de Jahre alt und damit ein „Welpe“. Updates für die Distribution gab es nie. Biebian war jedoch nicht die erste Distri- bution, die sich einem Teenie-Star wid- mete. Die Macher von Biebian nannten Abbildung 11: Puppy gehört zu den Klassikern unter den Linux-Winzlingen und heißt nach einem Chihuahua. das lilagetränkte Hannah Montana Linux (HML) als ihr Vorbild. Programmen. Dafür macht auch Puppy hielt Nerdopolis, einen Fan von Display- alte Rechner wieder vollständig nutz- manager Wayland und Rebecca Black zu- Sitcom-Linux bar. Der Name der Distribution basiert gleich, nicht davon ab, seiner Wayland- übrigens auf dem des putzigen kleinen Test-Distribution den Namen Rebecca Die Disney-Sitcom Hannah Montana mit Chihuahua von Hauptentwickler Barry Black OS [40] zu verpassen. Miley Cyrus in der Hauptrolle wurde Kauler, der – eine traurige Geschichte Die Debian-basierte Zusammenstellung zwischen 2006 und 2010 gedreht und er- – eines Tages plötzlich spurlos in die gibt es für 32- und 64-Bit-Systeme, sie freute sich bei einem meist sehr jungen Wildnis entschwand. startet eine Wayland-Live-Session. Sie und überwiegend weiblichen Publikum bringt neben Wayland-Toolkits und ‑An- großer Beliebtheit. Die Figur war bei Gettin’ down on Friday wendungen einige Desktop-Shells und Mädchen laut einer Umfrage von 2011 Compositors auf Wayland-Basis mit, beliebter als Barbie, es gab Filme und Um nun nicht in allzu tiefer Traurigkeit etwa Hawaii, Orbital, Papyros und den Videospiele und eben auch die nicht ganz zu versinken, zeigt Listing 1 Auszüge Weston Example Desktop. Die letzte Ver- ernst gemeinte Linux-Distribution. eines aufmunternden kleinen Songs na- sion 4.7.16 erschien kürzlich. Durchaus HML [43] basierte auf und mens Friday. „Obwohl ihre Mutter an nützlich das Ganze. brachte KDE 4.2 mit. Das Themeing der Qualität des Textes zweifelte, gab sie ging wesentlich weiter als bei Biebian, dem Willen ihrer Tochter nach“, heißt es Bieberismus es schloss neben Wallpapers auch das im Wikipedia-Eintrag [38] zu Rebecca Grub-Menü, den Bootsplash und den Blacks Liedchen. Weniger trifft das auf Justin Bieber Linux Anmeldebildschirm ein (Abbildung 13). Historisch betrachtet eine falsche Ent- [41] aka Biebian zu, das dem singenden Der Installationsassistent begrüßte die scheidung. Der Song der 13-Jährigen Teeniestar gewidmet ist (Abbildung 12). entzündeten Augen mit Lila und Neon- ging viral, das zugehörige Video [39] erhielt die meisten Negativbewertungen aller Zeiten. Friday wurde wahlweise als „schlechtester Song aller Zeiten“, „bi- zarr“ und „unbeholfen“ bezeichnet. Das

Listing 1: Friday

01 [...] 02 Everybody's lookin' forward to the weekend, weekend 03 Friday, Friday 04 Gettin' down on Friday 05 Everybody's lookin' forward to the weekend 06  07 Partyin', partyin' (Yeah) 08 Partyin', partyin' (Yeah) 09 Fun, fun, fun, fun 10 Lookin' forward to the weekend 11 [...] Abbildung 12: Die Webseite von Justin Bieber Linux, das auf einem 4chan-Gag basiert. 09/2016 Titelthema grün, selbst die Icons waren teilweise angepasst. Ein Youtube-Video [44] zeigt HML in seiner ganzen Pracht, der Macher schreibt: „Ich hab es installiert, damit ihr es nicht müsst.“ Distributionen Das Leben ist ein Ponyhof 35 Hat man sich erst mal an die grafischen Zumutungen von Hannah Montana Linux gewöhnt, schockiert auch Pony

OS 3.0 mit seinem knallbunten Pony- www.linux-magazin.de Hintergrund und den entsprechenden Icons nicht mehr. Da es sich allerdings nicht um ein Linux handelt – die Macher Abbildung 13: Die Macher von Hannah Montana Linux haben sich beim Theme ziemlich reingehängt. verwenden einen eigenen Kernel –, soll der Link auf das Video [45] genügen. ten Kandidaten, die nicht so recht einzu- Jedenfalls heißt das Linux inzwischen ordnen sind. [46], aktuell ist die Version 15.2. Special Agents Was die Macher von Hiweed Linux 2004 Es basiert auf Debian Unstable und ver- geraucht haben, lässt sich forensisch wendet mit dem Deepin Desktop Envi- Während sich die oben genannten Linuxe nicht mehr nachvollziehen. Da es sich ronment einen selbst entwickelten Desk- mehr oder weniger gut in bestimmte Ka- jedoch um eine chinesische Distribution top (Abbildung 14). Auch sonst haben tegorien pressen lassen, gibt es noch die handelt, basiert der Name womöglich die Entwickler viele Werkzeuge speziell einen oder anderen merkwürdig benann- auf einem sprachlichen Missverständnis. für die Distribution gebaut. 09/2016 Titelthema er im einfachsten Fall die Hintergrund- bilder ändert. Kritiker haben das immer wieder moniert, dabei zeigen sich aber auch durchaus positive Effekte. In diesem evolutionären Prozess entstan- Distributionen den auch viele nützliche Programme und innovative Features, seien es neue Pa- 36 ketmanager, Desktops oder Initsysteme. Da kann es schon mal passieren, um im evolutionären Bild zu bleiben, dass ab und an ein Dodo dabei ist. Vor allem

www.linux-magazin.de aber erstaunt die schiere Masse an Dis- tributionen, die mit Linux als Basis in den letzten Jahrzehnten das Licht der Welt erblickt haben. Und immer noch kommen weitere hinzu. Anzumerken sei zudem, dass viele der vorhandenen Systeme gar keine breite Masse an Nutzern ansprechen wollen. Sie sind vielmehr dazu optimiert, einen bestimmten Zweck zu erfüllen, ganz im Abbildung 14: Die Macher vom Deepin-Linux haben einen eigenen Desktop entwickelt. Sinne der Unix-Philosophie: „Do one thing and do it well.“ n Auch Yello Dog Linux [47] war eine und verzichten auf den Einsatz von Sys- Zeit lang bekannt wie ein gelber Hund, temd. Zugleich, und das ist wohl der denn es lief nicht nur auf Apples Power- wichtigste Punkt, bieten sie Software Infos PC-Architektur, sondern auch auf der aus Performancegründen nur als statisch [1] Debian-Wiki: Playstation 3 von Sony. Es eignete sich gelinkte Binärdateien an. Wo es geht, [https://​­wiki.​­debian.​­org/​­WhyTheName] besonders für den Betrieb auf Clustern. komme die Libc zum Einsatz, um [2] Linux-Stammbaum: Die letzte bekannte Version 7.0 erschien die Größen ihrer statisch gelinkten Bina- [http://​­futurist.​­se/​­gldt/] 2012, ließ sich aber nur in Verbindung ries zu reduzieren. Stali soll einen besse- [3] Undead Linux aka Evil Entity: mit einem recht kostspieligen IBM Power­ ren Fußabdruck im Speicher erzielen, da [https://​­distrowatch.​­com/​­table.​­php?​ linux 7R2 Server verwenden, den die es auf dynamisches Linken verzichtet. ­distribution=evilentity] Amerikaner aktuell für um die 20 000 Zugleich folgt das Projekt einer eigenen [4] Void Linux: [http://​­www.​­voidlinux.​­eu] US-Dollar anbieten. „Suckless“-Philosophie, die auf der Web- [5] Todesanzeige für Void-Linux: seite nachzulesen ist [50]. [http://​­www.​­voidlinux.​­eu/​­news/​­2014/​­04/​ Kann das weg? Während die beiden letztgenannten ­void‑is‑dead.html]​­ Distributionen endlich wieder Ordnung [6] Initsystem Runit: Andere Linux-Distributionen versuch- im Dateisystem schaffen möchten, lässt [http://​­www.​­linux‑magazin.​­de/​­Ausgaben/​ ten indes neue Marschrichtungen ein- Chaos [51] dies eher nicht vermuten. ­2014/​­05/​­Runit/] zuschlagen, um Dinge zu ändern, die Tatsächlich steht der Begriff Chaos aber [7] : sie für falsch halten. Zu nennen ist hier für Clustered High Availability Opera- [https://​­distrowatch.​­com/​­table.​­php?​ etwa Gobolinux [48], das das Dateisys- ting System, von dem System erschien ­distribution=dvl] tem als Datenbank für den Paketmana- 2005 die letzte Ausgabe. Die Spezial- [8] Suicide Linux: [https://​­qntm.​­org/​­suicide] ger verwenden und die bekannte Filesys- distribution kam im High Performance [9] Schwarze Pädagogik: tem Hierarchy (FSH) über Bord werfen Computing zum Einsatz und verwandelte [https://​­de.​­wikipedia.​­org/​­wiki/​ möchte. Die Macher erhoffen sich davon gewöhnliche i586-Rechner mit Hilfe ei- ­Schwarze_P%C3%A4dagogik] „ein sauberes System“. Als Desktop ver- ner Live-CD in einen funktionierenden [10] Devil-Linux: [http://​­www.​­devil‑linux.​­org] wendet Gobolinux Enlightenment. Die Open-Mosix-Knoten. Das klappte schon [11] Ubuntu SE: [http://​­ubuntusatanic.​­org] letzte Release stammt vom May 2014, damals, ohne die Festplatte zu berühren, [12] About-Page von Ubuntu SE: Distrowatch bezeichnet die Distribution allein über den Arbeitsspeicher. [http://​­ubuntusatanic.​­org/​­news/​­about/] aber als weiterhin aktiv. [13] Ubuntuce: [http://​­ubuntuce.​­com] Auf einer Mission sind auch die Macher Resümee [14] Sabily: [https://​­distrowatch.​­com/​­sabily] der Static [49], ab- [15] Wikipedia-Eintrag zu Sabily: gekürzt Stali (nicht Stalin). Wie schon Justin Bieber Linux macht deutlich: Jeder [https://​­en.​­wikipedia.​­org/​­wiki/​­Sabily] die Gobolinux-Entwickler ignorieren Depp kann ohne großen Aufwand eine [16] Ojuba Linux: [https://​­en.​­wikipedia.​­org/​ sie die offizielle Dateisystem-Hierarchie eigene Linux-Distribution bauen, indem ­wiki/​­Ojuba_Linux] 09/2016 Titelthema [17] Bodhi Linux: based‑gnu‑linux‑os‑to‑get‑a‑gorge- [39] Friday-Video: [https://​­www.​­youtube.​­com/​ [http://​­www.​­bodhilinux.​­com] ous‑lightweight‑edition‑491941.​­shtml] ­watch?v=kfVsfOSbJY0]​­ [18] FSM: [https://​­de.​­wikipedia.​­org/​­wiki/​ [27] HJ LUs Boot-Root: [40] Rebecca Black OS: [https://​­sourceforge.​ ­Fliegendes_Spaghettimonster] [https://​­lwn.​­net/​­Articles/​­91371/] ­net/​­projects/​­rebeccablackos/] [19] Linux für Pastafaris: [28] MCC Interim Linux: [https://​­en.​­wikipedia.​ [41] Justin Bieber Linux: [http://​­www.​­linuxformat.​­com/​­content/​ ­org/​­wiki/​­MCC_Interim_Linux] [http://​­biebian.​­sourceforge.​­net] Distributionen ­new‑distro‑announcement] [29] Ein-Disketten-Linux Freesco: [42] Biebian-Ankündigung: [20] Religion und Ideologie: [http://​­freesco.​­sourceforge.​­net] [http://​­www.​­murga‑linux.​­com/​­puppy/​ 37 [https://​­de.​­wikipedia.​­org/​­wiki/​­Ideologie#​ [30] SCO Group: [https://​­en.​­wikipedia.​­org/​ ­viewtopic.​­php?​­t=68377] ­Ideologie_und_Religion] ­wiki/​­SCO_Group] [43] Hannah Montana Linux: [http://​ [21] Red Star OS: [https://​­de.​­wikipedia.​­org/​ [31] Nachfolgersuche: ­hannahmontana.​­sourceforge.​­net] [44] HML im Video: [https://​­www.​­youtube.​ ­wiki/​­Red_Star_OS] [http://​­www.​­freesco.​­info/​­support‑forum/​ www.linux-magazin.de [22] Red Flag Linux: ­viewtopic.​­php?​­f=1&​­t=17703] ­com/​­watch?v=aFbKja6rKm0]​­ [http://​­www.​­redflag‑linux.​­com/​­en/ [32] Tiny Core Linux: [45] Pony OS: [https://​­www.​­youtube.​­com/​ ​­about.​­php?​­class1=1&​­class2=2] [http://​­tinycorelinux.​­net] ­watch?v=ssEiNhD_5Dk]​­ [23] Red Flag meldet Konkurs an: [33] DSL: [https://​­de.​­wikipedia.​­org/​­wiki/​ [46] Deepin-Linux: [https://​­www.​­deepin.​­org] [http://​­www.​­zdnet.​­com/​­article/​ ­Damn_Small_Linux] [47] : [https://​­de.​­wikipedia.​ ­chinas‑home‑​grown‑linux‑os‑shutters/] [34] Eisfair: [http://​­www.​­eisfair.​­org] ­org/​­wiki/​­Yellow_Dog_Linux] [24] Kylin: [https://​­en.​­wikipedia.​­org/​­wiki/​ [35] Grml: [https://​­grml.​­org] [48] Gobolinux: [http://​­www.​­gobolinux.​­org] ­Kylin_(operating_system)] [36] Grml lebt: [http://​­blog.​­grml.​­org/​­archives/​ [49] Static Linux Distribution: [http://​­sta.​­li] [25] Nova-Linux: [http://​­www.​­nova.​­cu]; Web- ­394‑Is‑Grml‑still‑alive.​­html] [50] Suckless-Philosophie: seite ist selten erreichbar [37] Puppy: [http://​­puppylinux.​­org] [http://​­suckless.​­org/​­philosophy] [26] Nova 5.0: [http://​­news.softpedia.​­ ​ [38] Rebecca Black: [https://​­de.​­wikipedia.​­org/​ [51] Chaos: [https://​­en.​­wikipedia.​­org/​­wiki/​ ­com/​­news/​­cuba‑s‑national‑ubuntu‑​ ­wiki/​­Rebecca_Black] ­CHAOS_(operating_system)]