FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 16. MAI 2010, NR. 19 KUNSTMARKT 51

Keine Angst vorm Neuen Robert und Ethel Scull sammelten Pop-Art, lange bevor sie in die Museen kam. Eine New Yorker Ausstellung zeigt jetzt einen Teil ihrer legendären Kollektion. Aus New York berichtet Lisa Zeitz

So sah George Segal im Jahr 1965 das „Portrait of Robert and Ethel Scull“ in Gips und mit Sofa. Heute steht die Skulptur im Aichi Prefectural Museum of Art in Nagoya in Japan. © The George and Helen Segal Foundation / Licensed by VAGA, New York, NY

ine sehenswerte Ausstel- Schwiegervaters so erfolgreich aus, pressions“, die er als geometrische Limonengrün aneinander – es Parties in und George Segal porträtierte die lung in der Acquavella Ga- dass sie sich bald ein schickes Löcher in den Wüstenboden sägte. ist die Rede von Andy Warhols in ihrer Villa am Strand beiden 1965 als Gipsfiguren in ei- lerie auf Up- Apartment an der Fifth Avenue Als Warhol im Jahr 1963 den allererstem Auftragsporträt. von East Hampton. Als nem Environment: Sie sitzt ganz in per East Side rekonstru- leisten konnten. Beide interessier- Auftrag erhielt, ein Porträt von Glamourös, aber zugäng- Robert Scull einmal vorge- Weiß mit dunkler Sonnenbrille auf Eiert derzeit einen Teil der histori- ten sich für Kunst und begannen, Ethel Scull zu schaffen, schleppte lich zugleich wirkt die worfen wurde, er sei ein einem altmodischen Samtsofa, er schen Sammlung von Robert und Werke der sogenannten Abstrak- er sein überraschtes Modell in ei- modebewusste Lady, Emporkömmling, der steht hinter ihr, hinterfangen von ei- Ethel Scull. Mit Leihgaben aus be- ten Expressionisten wie Willem de nen Passfotoautomaten am Times und das passte zum Kunst dazu benutze, gesell- ner monochromen roten Fläche. deutenden Privatsammlungen wie Kooning, Clyfford Still, Mark Square und brachte hundert Dol- Stil des Paares in je- schaftlich aufzusteigen, ant- Im Jahr 1973 ging die Ehe in die denen von Steven Cohen oder Pe- Rothko and zu lar in Münzen mit. Später setzte nen Jahren: Die wortete Scull: Ja, dazu benutze Brüche, und fünfzig Werke aus der ter Brant und aus Museen in Los kaufen. Anfang der Sechziger ent- er 36 Siebdrucke auf Leinwänden Sculls waren be- er lieber Kunst als sonst irgendet- Sammlung kamen bei Sotheby’s in Angeles, Zürich und Japan sind 44 deckten sie die jungen Popkünstler in Himbeerrot, Zitronengelb und rühmt für ihre was. New York unter den Hammer. Werke von 23 Künstlern zusam- und wurden eifrige Sammler von Sie machten mehr als zwei Mil- mengekommen. Weil sich die Rauschenberg, Johns und Warhol. lionen Dollar Umsatz; so viel hatte Werte, die hier versammelt sind, Nur wenige Jahre später begeis- zeitgenössische Kunst bis dahin im dreistelligen Millionenbereich terten sie sich für Land Art, förder- noch nie zuvor eingespielt. Rau- bewegen, ist das Wachpersonal für ten Walter de Maria und Micha- schenbergs Gemälde „Thaw“, für die Dauer der Ausstellung diskret el Heizer und finanzierten das Scull einst 900 Dollar bezahlt aufgestockt worden. zum Beispiel Heizers hatte, brachte nun 85 000 Dollar. Robert und Ethel Scull wurden „Nine Nevada De- Der Künstler war darüber sehr ver- auch „Mom and Pop of Pop“ ge- ärgert, und er griff den Sammler nannt – der Tante-Emma-Laden an: „Ich arbeite mich kaputt, und der –, was zugleich ein we- du machst den Profit!“ Die Aukti- nig klingt wie deren Eltern. Zu ei- on war eine Sensation. Zwar hat sie ner Zeit, als Künstler wie Jasper damals das Preisniveau für zeitge- Johns, Roy Lichtenstein und Andy nössische Kunst angehoben, aber Warhol nur einem kleinen Kreis dem Ansehen der Sculls hat sie vor bekannt waren, standen die Sculls allem in Künstlerkreisen geschadet. schon regelmäßig in den Ateliers, Dass Jackson Pollock in der um sich Werke für die eigene Sammlung fehlt, schrieb der legen- Sammlung zu sichern. Die beiden däre New Yorker Galerist Leo sind aus der New Yorker Kunstge- Castelli der Sparsamkeit der Sculls Willem de Koonings schichte der sechziger und siebzi- John Chamber- „Police Gazette“ von 1955, zu: „Ich hatte mal einen großarti- ger Jahre nicht wegzudenken. lains „Zaar“ von 1959 in Öl, Lackfarbe und Kohle auf Leinwand, gen Pollock für sie, aber die Robert Scull, der eigentlich spreizt sich in lackiertem gehört heute in die Sammlung von Steven and 100 000 Dollar dafür lagen weit Ruby Sokolnikoff hieß, war 29 Jah- Stahl 174 Zentimeter breit. Alexandra Cohen. über ihrem Budget.“ Dafür sind re alt, als er 1944 Ethel Redny, die © 2010 The Willem de Kooning Foundation / bei Acquavella andere Leckerbis- Die fulminante Plastik steht jetzt Artists Rights Society (ARS), New York 23 Jahre alte Tochter eines New im Nasher Sculpture Center in Dallas. sen versammelt, unter ihnen Tom Wesselman, , Yorker Taxiunternehmers, heirate- Foto David Heald / © 2010 John Chamberlain / te. Er baute die Taxiflotte seines Artists Rights Society (ARS), New York , , , Lee Bontecou und . Willem de Koo- nings gestische Malerei „Police Gazette“ von 1955 korrespondiert mit John Chamberlains „Zaar“ von 1959, geschaffen aus zerbeul- ten Autoblechen. ist mit mehreren Hauptwerken vertreten: zum Bei- spiel mit einer „Double Flag“ – die viel größer ist als die einzelne Flag- ge aus der Sammlung von Michael Andy Warhols „“ von Crichton, die gerade in New York 1963, Acryl und Siebdruck auf Leinwand, für rund 28 Millionen Dollar verstei- 254 mal 365 Zentimeter groß, ist heute im gert worden ist! –, mit einer seiner gemeinsamen Besitz des Metropolitan Mu- Zielscheiben („Target“) und mit ei- ner herrlichen Landkarte der Verei- seum of Art, des Whitney Museum und nigten Staaten von 1961, die schon des Metropolitan Museum, als Schenkung 1963 als Geschenk der Sculls in die von Ethel Redner Scull im dem Jahr 2001. Die phänomenale, mehr als drei Meter breite „Map“ der Vereinigten Staaten von Sammlung des MoMA gelangte. © 2010The Foundation for the Visual Arts / Jasper Johns aus dem Jahr 1961 haben die Sculls schon 1963 dem Museum of Bis 27. Mai. Der prächtige Katalog kostet Artists Rights Society New York Modern Art in New York geschenkt. © Jasper Johns /Licensed by VAGA, New York, NY 75 Dollar.