Antisemitismus im Sport. Eine Analyse des Fußballs an Fallbeispielen

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Dominik GIEGERL

am Institut für Geschichte Begutachter: Univ.-Doz. Dr. Klaus Hödl

Graz, 2020

Danksagung

… in erster Linie möchte ich mich bei meinen Eltern Hermann und Helga bedanken, die es mir ermöglich haben zu Studieren und mich während meiner gesamten Studienzeit auf jeglicher Ebene unterstützt haben. Danke Papa! Danke Mama!

… ich möchte mich bei meinem Betreuer Dr. Klaus Hödl für seine Zeit, seine fachliche Unterstützung und das positive Feedback recht herzlich bedanken.

… ich möchte mich bei meiner Familie und meinen Freunden bedanken, die mich durch die Zeit des Studiums bestmöglich begleitet und unterstützt haben.

… ich möchte mich bei meiner Freundin Anja für das Korrekturlesen der Arbeit, die stets aufmunternden Worte und jegliche weitere Hilfe bedanken!

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ...... 5 1. Einleitung ...... 6 2. Begriffsbestimmung ...... 8 2.1. Antisemitismus – Der Versuch einer Definition ...... 8 2.2. Begriffsentstehung ...... 10 2.3. Formen des Antisemitismus ...... 11 2.3.1. Christlicher Antijudaismus ...... 11 2.3.2. Rassenantisemitismus ...... 12 2.3.3. Sekundärer Antisemitismus ...... 14 2.3.4. Antizionismus ...... 15 3. Jüdinnen und Juden im Sport ...... 17 3.1. Der Arierparagraph ...... 19 3.2. Der jüdische Körper – nicht für den Sport gemacht? ...... 20 3.3. Jüdischer Sport in Österreich ...... 24 4. Fußball und Antisemitismus ...... 25 4.1. Kapitel Fußball ...... 25 4.2. Antisemitismus im Fußball ...... 29 4.3. Formen des Antisemitismus ...... 31 4.3.1. Verbaler Antisemitismus ...... 32 4.3.2. Visueller Antisemitismus ...... 33 4.3.3. Antisemitismus als Israelkritik ...... 34 4.4. Antisemitismus im deutschen Fußball ...... 36 4.5. Israelische Spieler im deutschen Fußball ...... 37 5. Jüdischer Fußball in Österreich...... 38 5.1. Der Sportclub Hakoah ...... 39 5.1.1. Der Sportklub Hakoah nach dem Anschluss Österreichs ...... 43 5.1.2. Der SC Hakoah nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart ...... 44 5.1.3. Die Heimstätten des SC Hakoah Wien ...... 46 5.1.4. Die Fußballsektion des Sportklub Hakoah ...... 48 5.1.5. Professionalismus im Fußball ...... 53 5.1.6. Antisemitismus gegen den SC Hakoah ...... 54 5.2. Hakoah Graz ...... 54 5.3. Austria Wien – Judenklub? ...... 56

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5.4. Das Ende des jüdischen Fußballs in Österreich ...... 59 5.5. Antisemitismus im österreichischen Fußball ...... 60 5.6. Israelische Fußballer in Österreich ...... 62 6. Jüdischer Fußball international ...... 63 6.1. Ajax Amsterdam ...... 64 6.1.2. Das Verhältnis zwischen Ajax und den Juden ...... 65 6.1.3. Antisemitismus gegen Ajax Amsterdam ...... 69 6.2. Tottenham Hotspur ...... 71 6.2.1. Geschichte Tottenhams ...... 72 6.2.2. Über das Wort „Yid“ ...... 73 6.2.3. Antisemitismus im englischen Fußball ...... 76 6.2.4. Antijüdische Sprechchöre und Fangesänge gegen Tottenham Hotspur ...... 78 6.3. FC Bayern München ...... 81 6.3.1. Die Gründung des FC Bayern München ...... 81 6.3.2. Berufsfußball in Deutschland ...... 84 6.3.3. Kurt Landauer und der FC Bayern ...... 87 6.3.4. Der FC Bayern unter dem nationalsozialistischen Regime ...... 91 6.3.5. Das Verhältnis des FC Bayern und der Münchner Löwen zum Regime ...... 94 6.3.6. Der FC Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg ...... 95 6.3.7. Der Umgang mit der jüdischen Geschichte ...... 97 7. !Nie wieder - Erinnerungstag im Deutschen Fußball ...... 102 Fazit ...... 104 Literaturverzeichnis ...... 107

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Logo SC Hakoah Wien; Quelle: https://www.hakoah.at/ ...... 39

Abbildung 2: Logo der Fangruppe "F-Side"; Quelle: Schulze-Marmeling, Dietrich; Fahrräder, Juden, Fußball: Ajax Amsterdam. In: Schulze-Marmeling, Dietrich (Hrsg.); Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball. Göttingen 2003...... 67

Abbildung 3: Choreographie zum 125. Geburtstag Kurt Landauers; Quelle: Wolff, Julien; FC Bayern gedenkt seines ehemaligen Präsidenten. 02.02.2014. In: https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/article124464819/FC- Bayern-gedenkt-seines-ehemaligen-Praesidenten.html ...... 99

Abbildung 4: Choreographie zur Erinnerungsarbeit an Kurt Landauers; Quelle: tz; Südkurve: Das steckt hinter der Super-Choreo. In: tz. URL: https://www.tz.de/sport/fc-bayern/bayern- muenchen-ehrt-seinen-ex-praesidenten-kurt-landauer-3345307.html...... 100

Abbildung 5: Banner zum Aktionstag 2019 beim Spiel Hertha BSC gegen Schalke 04; Quelle: Götz, Sina; Die Bundesliga erinnert an NS-Opfer. In: SZ. URL: https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-erinnerungstag-holocaust-rassismus- 1.4306019 ...... 103

Abbildung 6: Fans des SC Freiburg beteiligen sich am Aktionstag 2019; Quelle: Lorenzen, Ralf; „Nie wieder!“ – Erinnern und verhindern. Gedenken in den Stadien an NS-Opfer unter Sinti und Roma. In: zdf.de. URL: https://www.zdf.de/sport/fussball-erinnerungstag-27-januar- nie-wieder-100.html ...... 103

Abbildung 7: Choreographie der Bayern-Fans am Aktionstag 2020 zu Ehren Hugo Railings; Quelle: Quelle: Faszination Fankurve; „Gegen das Vergessen“ – Choreographie in Südkurve München. In: URL: https://www.faszination-fankurve.de/index.php?head=Gegen-das- Vergessen-Choreografie-in-Suedkurve- Muenchen&folder=sites&site=news_detail&news_id=21335...... 103

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1. Einleitung

Wenn ich zu meinen Hobbies befragt werden, so kann ich meist nur mit einer Antwort dienen, die „Fußball“ lautet. Hierfür wurde mir so manch ungläubiger Blick zuteil, weshalb ich oft auch „Sport“ nachwerfe. Neben meiner „Karriere“, die ich nicht als eine solche bezeichnen würde, als aktiver Fußballer im Meisterschaftsbetrieb und der Nachwuchstrainertätigkeit sind meine Wochen und Wochenenden oft schon verplant. Meine freie Zeit widme ich auch oft anderen Sportarten, mal als Aktiver, mal als Passiver am Smartphone, vor dem Fernseher oder im Stadion. So war für mich bereits seit langem klar, dass ich meine Leidenschaft für die Sportart Fußball und Sport im Allgemeinen irgendwie mit meiner Diplomarbeit verbinden möchte, da dies meiner Meinung nach in meinem Studium viel zu kurz kam oder gar nicht thematisiert wurde. Durch den Vortrag „Antisemitismus im Fußball“ von Florian Schubert, der von der Studienvertretung Geschichte organisiert wurde und aufgrund der Corona-Pandemie online stattfand, wurde mein Interesse auf diesen Themenbereich gelenkt. Nach kurzer Recherche war mir klar, dass ich dieses, noch relativ unerforschte Gebiet der Geschichte, idealerweise in meiner Diplomarbeit behandeln könnte. Durch die Einarbeitung in das Themengebiet wurde ich auch immer mehr auf antisemitische Vorfälle aufmerksam, die durch die mediale Berichterstattung auch einer breiten Bevölkerungsschicht auffielen. Bekannte Beispiele wären die Beschädigungen von Portraits von NS-Opfern, die im Rahmen der Ausstellung „Gegen das Vergessen“ auf der Wiener Ringstraße ausgestellt und mit Hakenkreuzen beschmiert oder beschädigt wurden. Ein anderes Beispiel ist der Angriff auf Elie Rosen, den Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Graz, der von einem Unbekannten mit einem Holzprügel attackiert wurde. Tage zuvor ist die Grazer Synagoge mit Parolen beschmiert worden, zudem sind Fenster des jüdischen Gebetshauses mit Betonstücken beworfen worden. Ein Trend, der auch vom Forum gegen Antisemitismus und von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien beobachtet wurde. So stieg die Anzahl der antisemitischen Vorfälle seit 2010 permanent an.

Im Rahmen meiner Diplomarbeit möchte ich den Fokus auf den Antisemitismus im Sport und im Speziellen auf die Sportart Fußball richten. Zu Beginn werde ich hierfür den Begriff des Antisemitismus mit Hilfe der Literatur eingrenzen versuchen und arbeite die verschiedenen Auswüchse des Antisemitismus heraus. Danach lenke ich den Blick auf den jüdischen Sport und das Vorurteil, dass jüdische Körper nicht für sportliche Höchstleistungen gemacht sind. Im darauffolgenden Kapitel widme ich mich dem Zusammenhang zwischen der Sportart Fußball und dem Antisemitismus und untersuche die vorkommenden Formen in den Stadien und auf den Fußballplätzen. Einen großen Teil meiner Diplomarbeit nimmt der jüdische Fußball in 6

Österreich ein. Neben der heute noch existenten Austria Wien, die als jüdischer Verein bezeichnet wird und wurde, nimmt der jüdische Verein Sportclub Hakoah Wien, der als der größte Allround-Sportverein der Welt bezeichnet wurde, einen prominenten Platz ein. Grund dafür sind die aus heutiger Sicht unglaublichen Erfolge und der breite öffentliche Präsenz, vor allem der Fußballsektion. Der zweite große Teil dreht sich um den jüdischen Fußball auf internationalem Parkett. Hierfür analysiere ich den niederländischen Rekordmeister Ajax Amsterdam und die Tottenham Hotspur, jene beiden Vereine, die heute am häufigsten als jüdische Vereine bezeichnet werden. In der Diskussion um jüdische Vereine, ist der FC Bayern München nicht unbedingt der erste genannte Verein. Dennoch sind die Errungenschaften jüdischer Fußballer und Funktionäre für die Geschichte der Bayern unerlässlich.

Ziel dieser Diplomarbeit ist es, den Sport und vor allem die Sportart Fußball hinsichtlich des Antisemitismus zu analysieren und den Einfluss der jüdischen Bevölkerung im Bereich des Sports zu untersuchen.

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2. Begriffsbestimmung

Im Zentrum dieser Diplomarbeit stehen die unterschiedlichen Ausformungen des Antisemitismus im Sport und im Speziellen in der Sportart Fußball. Bevor ich diese einer Analyse unterziehen werde, bedarf es am Beginn der Arbeit einer Klärung und Definition, aber auch einer Abgrenzung von verschiedenen Begrifflichkeiten rund um die Thematik des Antisemitismus.

2.1. Antisemitismus – Der Versuch einer Definition

Wie bereits aus der Kapitelüberschrift zu erahnen ist, handelt es sich hierbei um den Versuch einer Annäherung, da es bis heute keine allgemein gültige Definition des Begriffs Antisemitismus gibt.

Der Begriff Antisemitismus wird im Duden mit a) „Abneigung oder Feindschaft gegenüber den Juden“ und b) „[politische] Bewegung mit ausgeprägt antisemitischen Tendenzen“1 definiert. Diese Definition ist eine äußerst breite und wenig Konkrete. Sie liefert keinerlei Aufschluss darüber, inwieweit sie sich von anderen, ähnlichen Begriffen abgrenzt. Ebenso verwendet diese Definition die Begriffe Antisemitismus und Judenhass synonym, was im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch thematisiert wird.

Eine, meiner Meinung nach, äußerst umfassende wie auch komplexe und differenzierte Definition bietet der Bericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus des (deutschen) Bundesministeriums des Inneren:

„Erstens, Antisemitismus meint Feindschaft gegen Juden als Juden, das heißt der entscheidende Grund für die artikulierte Ablehnung hängt mit der angeblichen oder tatsächlichen jüdischen Herkunft eines Individuums oder einer Gruppe zusammen, kann sich aber auch auf Israel beziehen, das als jüdischer Staat verstanden wird. Zweitens, Antisemitismus kann sich unterschiedlich artikulieren: latente Einstellungen, verbalisierte Diffamierungen, politische Forderungen, diskriminierende Praktiken, personelle Verfolgung, existenzielle Vernichtung. Drittens, Antisemitismus kann in verschiedenen Begründungsformen auftreten:

1 Duden-online; URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Antisemitismus [zuletzt abgerufen am: 05.08.2020). 8

religiös, sozial, politisch, nationalistisch, rassistisch, sekundär und antizionistisch.“2

Eine andere Definition beschreibt den Antisemitismus aus heutiger Betrachtung als „alle historischen Erscheinungsformen der Judenfeindschaft.“3 Weiter heißt es in dieser Definition, dass es sich beim Begriff des Antisemitismus, der erst 1879 aufkam, „um eine neue Form einer sich wissenschaftlich verstehenden und rassistisch begründeten Ablehnung von Juden“4 handelt. Bei der Neueinführung des Begriffs drückt sich eine neue Auffassung den Juden gegenüber aus. Sie werden nicht mehr vorrangig über die religiöse Zugehörigkeit, sondern als Volk, Nation oder Rasse definiert.5 Ähnlich beschreibt Klaus Dorn den Terminus in seinem „Basiswissen Theologie: Das Judentum“.6 Er meint, dass der Antisemitismus davon ausgeht, dass es eine Rasse der Semiten gibt, wobei aber nur das Judentum gemeint ist.7 Allerdings zählen unter anderem auch das Hebräische, das Arabische, das Aramäische und weitere bereits ausgestorbene Sprachen zur Gruppe der semitischen Sprachen.8

Der in der NS-Forschung sehr anerkannte Autor Wolfgang Benz, der auch langjähriger Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin war, hat ebenso eine Definition zum Begriff Antisemitismus geliefert:

„Antisemitismus […] im modernen Sprachgebrauch die Gesamtheit judenfeindlicher Äußerungen, Tendenzen, Ressentiments, Haltungen und Handlungen unabhängig von ihren religiösen, rassistischen, sozialen oder sonstigen Motiven. Nach der Erfahrung nationalsozialistischer Ideologie und Herrschaft wird Antisemitismus als ein gesellschaftliches Phänomen verstanden, das als Paradigma für die Bildung von Vorurteilen und die politische Instrumentalisierung daraus konstruierter Feindbilder dient."9

2 Bundesministerium des Inneren; Antisemitismus in Deutschland. Erscheinungsform, Bedingungen, Präventionsansätze. Berlin 2011. S.10. 3 Bergmann, Werner; Was heißt Antisemitismus. 27.11.2006. In: Bundeszentrale für Politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37945/was-heisst-antisemitismus?p=all. [zuletzt abgerufen am: 05.08.2020]. 4 Ebenda. 5 Vgl. Ebenda. 6 Dorn, Klaus; Basiswissen Theologie: Das Judentum. Paderborn 2016. 7 Vgl. Ebenda. S.75. 8 Vgl. Jaap, Tanja; Woher kommt das Wort „Antisemitismus“ In: Anne-Frank-Haus Amsterdam (Hrsg.); „Alle Juden sind …“ – 50 Fragen zu Judentum und Antisemitismus. Mühlheim an der Ruhr 2008. S.43. 9 Benz, Wolfgang; Bilder vom Juden. Studien zum alltäglichen Antisemitismus. München 2001. S.129. 9

Eine ausführlichere Definition führt Wolfgang Benz in seinem Buch „Antisemitismus und «Islamkritik»“ an, die als Arbeitsdefinition vom European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia (EUMC)10 ausgearbeitet wurde:

„Der Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein. Oft enthalten antisemitische Äußerungen die Anschuldigung, die Juden betrieben eine gegen die Menschheit gerichtete Verschwörung und seinen dafür verantwortlich, dass die Dinge nicht richtig laufen´. Der Antisemitismus manifestiert sich in Wort, Schrift und Bild sowie in anderen Handlungsformen, er benutzt negative Stereotype und unterstellt negative Charakterzüge.“11

Anhand dieser unterschiedlichen Definitionen wird sichtbar, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, den Begriff zu verstehen und zu deuten. In meiner Arbeit werde ich, wenn nicht anders vermerkt, die von Wolfgang Benz übernommene Definition des EUMC verwenden.

2.2. Begriffsentstehung

Der Begriff „Antisemitismus“ selbst kam erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf und wurde maßgeblich vom deutschen Journalisten Wilhelm Marr geprägt, auch wenn er diesen nicht erfunden hat.12 Marr wurde durch zahlreiche judenfeindliche Artikel sowie Flugblätter, aber vor allem durch sein Buch „Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum“13 bekannt.14 Dieses im Jahr 1879 erschienene Buch war „der erste antisemitische Besteller“15. Was allerdings doch verwunderlich ist, ist der Umstand, dass Marr viele jüdische Freunde hatte und dreimal eine jüdische Frau heiratete.16 Wie bereits erwähnt, ging man ursprünglich davon aus,

10 Die EUMC ist die Vorgängerorganisation der heutigen FRA (European Union Agency for Fundamental Rights; dt.: Agentur der Europäischen Union für Grundrechte), die ihren Sitz in Wien hat. 11 Benz, Wolfgang; Antisemitismus und „Islamkritik“. Bilanz und Perspektive. Berlin 2011. S.58. 12 Vgl. Brunner, Otto; Conze, Werner; Koselleck, Reinhart (Hrsg.); Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd.1. Stuttgart 1974/72. S.129. 13 Marr, Wilhelm; Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum. Vom nichtconfessionellen Standpunkt aus betrachtet. Bern 1879. 14 Vgl. Jaap, Tanja; Woher kommt das Wort „Antisemitismus?“ S.43-47. 15 Ebenda. S.45. 16 Vgl. Ebenda. S.45. 10

dass die Bezeichnung „semitisch“ die semitische Sprachfamilie umfasst, also die Hebräer, Syrer, Assyrer, Babylonier, Araber und andere. Gemeinhin meinte man aber mit dem Wort „Semiten“ ab circa der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland die Juden, wobei dies als ein abwertender Begriff zu verstehen ist.17

2.3. Formen des Antisemitismus

Es wurde bereits im Laufe dieses Kapitels ersichtlich, dass Antisemitismus nicht gleich Antisemitismus ist. Der Begriff ist einem historischen Wandel unterlegen und wurde von verschiedenen Einflussfaktoren sozialer, religiöser, kultureller und ökonomischer Dimension beeinflusst.

Da ich mich bereits bei der Definition auf die von Wolfgang Benz berufe, verbleibe ich auch bei den Unterscheidungsformen an das von Benz angeführte vierteilige Schema.

In den folgenden Unterkapiteln werden einzelne Aspekte aus der Historie des Antisemitismus- Begriffs aufgegriffen:

2.3.1. Christlicher Antijudaismus

Die Feindschaft gegenüber Juden reicht bis in die Antike zurück. Seit dem frühen Christentum hat sich ein negatives Judenbild verbreitet. Zudem wurden zahlreiche antijüdische Klischees und Mythen verbreitet.18 Ein für die Juden verlorengegangener Krieg wurde von den Anhängern des bereits zuvor gekreuzigten Jesus von Nazareth als Strafe für die Sünden der Juden angesehen. Das über das jüdische Volk gekommene Unheil wurde als Strafe Gottes für die Ablehnung von Jesus, als des von Gott geschickten und von den Propheten verkündeten Messias, gedeutet.19

Durch dies sowie den Zuschuss der christlichen Theologie wurde der Antijudaismus über einen größeren Raum verbreitet. Das damals noch junge Christentum sah sich selbst als das „Wahre

17 Vgl. Lehr, Reinhard; Was ist Antisemitismus? – Entstehung des Begriffs und konkreter Inhalt. In: Pototschnig, Franz; Putzer, Peter; Rinnthaler, Alfred (Hrsg.); Semitismus und Antisemitismus in Österreich. Ein Unterrichtsversuch. 2. Auflage, München 1988. S.19f. 18 Vgl. König, Julia; Judenfeindschaft von der Antike bis zur Neuzeit. 23.11.2006. In: Bundeszentrale für Politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37951/von-der-antike-bis-zur- neuzeit?p=all. [zuletzt abgerufen am: 10.08.2020]. 19 Vgl. Bein, Alex; Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems. Bd.1. Stuttgart 1980. S.46-49. 11

Israel“ an und bezichtigte die Juden als Verräter und Kreuziger von Jesus Christus. Dadurch wurden sie als Feinde des wahren Glaubens sowie als „Erzfeind“ ihrer Religion dargestellt.20

Durch den Vorwurf des Mordes an Jesus, dem Messias, und somit der Verweigerung des göttlichen Heilsplans wurden die Juden „als gottlos, amoralisch, verbrecherisch wahrgenommen und mit Heiden, Ketzern und Häretikern auf die gleiche Stufe gestellt.“21 In der Auffassung der Alten Kirche waren die heimatlosen Juden durch ihren Mord am Erlöser dazu verdammt, in der Welt herumzuirren, was die Wahrheit des Christentums bezeugen soll.22

Ab dieser Zeit zogen sich Ausschreitungen der christlichen Bevölkerung gegenüber Juden wie ein roter Faden durch die Geschichte. Beispielhaft seien hier die von kirchlichen Würdenträgern angestifteten Angriffe auf Juden aus dem 4. Jahrhundert und die zwangsweisen Bekehrungen und Massaker samt Massentaufen von Juden in Frankreich und Nordafrika angeführt. Im Mittelalter wurden die Juden auch wegen ihren Riten, sei es die Einhaltung des Sabbats oder die konforme Zubereitung der Speisen, immer mehr an den äußersten Rand der Gesellschaft gedrängt. Einen erheblichen Teil zur sich immer weiter ausbreitenden Judenfeindschaft trugen auch diverse Legenden und Erzählungen bei. In diesen wollte man die Boshaftigkeit der Juden den Christen gegenüber beweisen und dichtete ihnen Ritualmorde und den Hostienfrevel an. Zur Last gelegt, und häufig belegt, wurde den Juden vor allem der Raub von christlichen Kindern, um im Anschluss daran eine Parodie der Passion Christi durchzuführen und deren Blut für rituelle oder magische Zwecke zu gewinnen.23 Ebenso nicht vergessen werden dürfen die Kreuzzüge ab dem 11. Jahrhundert, wo es insbesondere im Rahmen des ersten Kreuzzuges Ausschreitungen gegenüber Juden gegeben hat.24

2.3.2. Rassenantisemitismus

„In der Geschichte der Judenfrage bedeutet die Entstehung des modernen Antisemitismus in den siebziger Jahren des 19. Jahrhundert den Abschluß einer jahrhundertelangen Entwicklung und zugleich den Anfang einer neuen Epoche. Schon die Tatsache, daß für den Judenhaß nun ein eigenes Wort entstand, zeigt, daß die Judenfrage in ein neues Stadium getreten war.“25

20 Vgl. König; Judenfeindschaft von der Antike bis zur Neuzeit. 21 Vgl. Benz, Wolfgang; Was ist Antisemitismus? München 2004. S.65. 22 Vgl. König; Judenfeindschaft von der Antike bis zur Neuzeit. 23 Vgl. Benz; Was ist Antisemitismus? S.66-70. 24 Vgl. Bein; Die Judenfrage. S.78-80. 25 Ebenda. S.217. 12

Wie bereits in Kapitel 2.2. erwähnt, wurde der Begriff Antisemitismus erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt. Diese Zeit wird entweder als „moderner Antisemitismus“ oder als „Rassenantisemitismus“ bezeichnet. Einerseits grenzte man sich durch den neuen Begriff vom mittelalterlichen Judenhass ab und etablierte ihn dadurch gleichzeitig in der Gesellschaft. Andererseits zog man mit diesem Begriff eine Verbindungslinie zur damals modernsten Wissenschaft, der Naturwissenschaft, indem man den Begriff an die Rassenkunde, dem führenden Forschungsgebiet der Biologie, anlehnte. Durch das Suffix „-ismus“ gliederte man sich in den damaligen Sprachgebrauch ein.26 Es kann also gesagt werden, dass sich die Feindschaft gegenüber Juden von einer religiösen Begründung, die von der Antike bis zum 19. Jahrhundert vorherrschte, in eine rassische Begründung transformierte.

Als einer der Gründerväter der antisemitischen Rassentheorie gilt der Franzose Joseph Arthur von Gobineu mit seinem Werk „Essai sur l’inégalité des races humaines“ (deutsch: Essay über die Ungleichheit der menschlichen Rassen). In diesem Werk versuchte der Autor durch die Rasse die Ursachen für geschichtliche Ereignisse zu finden. Er gab an, dass nicht die subjektiven Eigenschaften einzelner Personen oder der Schaffenstrieb der Menschen für historische Ereignisse verantwortlich waren, sondern das Naturgesetz, dass die Rasse der entscheidende Faktor ist.27

In früherer Zeit, etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts, kam der Begriff der „Judenfrage“ auf, der einer Lösung bedurfte. Die Lösung der „Judenfrage“, auch wenn man diese nicht als solche bezeichnete, war im christlichen Judenhass die Taufe, also die „Bekehrung“ zum christlichen Glauben. In der antisemitischen Rassentheorie genügte diese Maßnahme allerdings nicht mehr, denn, wer jetzt rassisch betrachtet ein Jude sei, bleibe dies auch ein Leben lang.28

Das, was die antisemitische Rassenlehre ausmacht, ist der Umstand, dass das Andersartige, also die Juden, zum Anders- und dann zum Minderwertigen gemacht wurden. Die Minderwertigkeit der Juden wurde bereits im antiken und mittelalterlichen Antisemitismus betont, sie wurden als „Verneiner des Glaubens […], als Gottesmörder, Ungläubige und ewige Nonkonformisten; als Wucherer und Händler“29 bezeichnet, allerdings wurden diese negativen Eigenschaften nun naturhaft verwurzelt. Da die Rasse nun das alleinig Entscheidende war, war diese auch durch

26 Vgl. Ebenda. S.217f. 27 Vgl. Ebenda. S.218f. 28 Vgl. Benz, Wolfgang; Antisemitismus: Zum Verhältnis von Ideologie und Gewalt. In: Salzborn, Samuel (Hrsg.); Antisemitismus – Geschichte und Gegenwart. Bd.2. Giessen 2004. S.41f. 29 Bein; Die Judenfrage. S.231. 13

nichts veränderbar, sie wurde als unumstößlich angesehen. Mit dem rassischen Antisemitismus kommt auch eine Typcharakterisierung der Juden auf. Während im Mittelalter noch der Judenhut sowie der Judenbart als Merkmale für Juden verstanden wurden, war es ab dem 17. Jahrhundert, aber vor allem in den beiden nachfolgenden Jahrhunderten, die gekrümmte Nase, die zum Identifikationszeichen für Juden wurde. Damit wurde einerseits das Böse, durch die „Übertragung der Teufelskarikatur auf das Judenantlitz“30 hervorgehoben, andererseits wurde der Jude dadurch auch zu einer „visuellen Wirklichkeit und zu einer von der Natur bestimmten Gegebenheit“31. Durch die Unabänderlichkeit der Rasse konnte in dieser Form des Antisemitismus auch keine Duldung in der Gesellschaft möglich sein. Durch Dinge wie die (Zwangs-)Taufen von Juden, Mischehen oder die bloße Akzeptanz, wurde die eigene (reine) Rasse, unterwandert und bedroht. So konnte es für die jüdische Bevölkerung keinen Platz mehr in dieser Gesellschaft geben. Einziger Ausweg waren die „Konzentration auf ein eigenes Gebiet“32 oder deren Vernichtung.33

2.3.3. Sekundärer Antisemitismus

„Judenhass nicht trotz, sondern wegen Auschwitz.“34

„Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen“35

Diese beiden einleitenden Zitate geben bereits grob Auskunft darüber, was den Sekundären Antisemitismus, der unter anderem auch „Antisemitismus nach Auschwitz“36 genannt wird, ausmacht. Der Sekundäre Antisemitismus differiert im Gegensatz zu den beiden vorhin angeführten Ausprägungen des Antisemitismus vor allem in folgenden Positionen: Da die Massenvernichtung der Juden durch das Ende des Zweiten Weltkriegs beendet wurde, bedarf es einer Reaktion darauf. Des Weiteren ist es eine Form des Judenhasses ohne die tatsächliche

30 Ebenda. S.234. 31 Ebenda. 32 Ebenda. S.235. 33 Vgl. Ebenda. S.230-235. 34 Gessler, Philipp; Sekundärer Antisemitismus. 21.11.2006. In: Bundeszentrale für Politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37962/sekundaerer-antisemitismus?p=all. [zuletzt abgerufen am: 12.08.2020]. 35 Ebenda. Anmerkung: Zitat des israelischen Psychoanalytikers Zvi Rex. 36 Bergmann, Werner; Antisemitismus in Deutschland von 1945 bis heute. In: Salzborn, Samuel (Hrsg.); Antisemitismus. Geschichte und Gegenwart. Giessen 2004. S.51. 14

Anwesenheit dieser. Ebenso wird dieser Antisemitismus nicht durch Konflikte mit der jüdischen Bevölkerung innerhalb eines Staates ausgelöst.37 Diese Form des Judenhasses entwickelte sich als „Reflex auf den Holocaust“38 aus Schuld- und vor allem Schamgefühlen sowie aus dem Versuch der Schuldumkehr.39 Diese Einstellungen zum jüdischen Volk wurden auch in empirischen Studien belegt. So meinte etwa der deutsche Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno, dass Juden als eine Menge angesehen werden, durch deren bloße Existenz die Schuld an den Verbrechen immer aufrechterhalten bleibt. Die Juden werden zu „Störenfrieden der Erinnerung“, wie Werner Bergmann sie nennt, weshalb sie selbst den Antisemitismus hervorrufen würden. Um die ablehnende Gesinnung den Juden gegenüber abzulegen, müssten diese die Ansprüche an die Erinnerung der Verbrechen aufgeben und sich mit den Deutschen versöhnen.40

2.3.4. Antizionismus

Der Begriff des Zionismus stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts und wurde maßgeblich vom aus Wien stammenden jüdischen Schriftsteller Nathan Birnbaum geprägt. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff „Zionsliebe“ und wurde durch die zionistische Bewegung, der Theodor Herzl vorstand, politisch aufgeladen. Ebenso war der Name Zion die Bezeichnung für einen Hügel in Jerusalem.41 Die zionistische Bewegung, welche sich wie der Begriff im 19. Jahrhundert herausbildete, hat sich als Ziel die Schaffung eines Staates für alle Jüdinnen und Juden in Palästina gesetzt.42 Der Antizionismus stellt sich also als eine Gegnerschaft der zionistischen Bewegung dar.

Der Begriff des Antizionismus steht häufig im Dunstkreis des Begriffs des Antisemitismus. Vielfach verschwimmen die Grenzen dieser beiden Begriffe. In der Wissenschaft überwiegt die Meinung, dass für den Antizionismus keine notwendige Verbindung zum Antisemitismus bestehen muss und umgekehrt. Also kann man einerseits antisemitische Ansichten vertreten,

37 Vgl. Ebenda. S.51f. 38 Benz, Wolfgang; Antisemitismus und Islamkritik. S.32. 39 Vgl. Ebenda. 40 Vgl. Bergmann, Werner; Sekundärer Antisemitismus. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.); Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd.3. Berlin/ 2010. S.300-302. 41 Vgl. Bein; Die Judenfrage. S.273. 42 Vgl. Pfahl-Traughber, Armin; Antizionistischer und israelfeindlicher Antisemitismus. Definitionen – Differenzierungen – Kontroversen. 30.04.2020. In: Bundeszentrale für Politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/307746/antizionistischer-und-israelfeindlicher- antisemitismus. [zuletzt abgerufen am:13.08.2020]. 15

aber kein Antizionist sein und andererseits antizionistische Positionen einnehmen, ohne ein Antisemit zu sein. Allerdings werden die Begriffe immer noch synonym für Judenfeindschaft verwendet.43

Im Kontext des Begriffs Antizionismus muss miterwähnt werden, dass es verschiedene Strömungen gibt: den jüdischen Antizionismus, den rechtsradikalen Antizionismus, den stalinistischen und poststalinistischen Antizionismus und den islamistischen Antizionismus.44

Beginnend mit dem jüdischen Antizionismus ist erwähnenswert, dass sich die Gegnerschaft des Zionismus gewandelt hat. Vor der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 war dieser eher dem liberalen und sozialistischen Lager zuzuordnen. Danach war diese Ablehnung nur noch in Form von religiöser Gegnerschaft existent, da sich viele liberale und sozialistisch geprägte Juden als Angehörige ihres jeweiligen Nationalstaates sahen.45

Die Form des rechtsradikalen Antizionismus beruht stark auf den Grundfesten des Antisemitismus. Weitere Kennzeichen sind Rassismus, Antimarxismus und Demokratiefeindlichkeit. Ebenso sind Anhänger des rechtsradikalen Antizionismus für ältere nationalsozialistische Verschwörungen sowie für gegenwärtige Verschwörungstheorien empfänglich. Heutzutage werden von dieser Gruppierung Behauptungen aufgestellt, wie beispielsweise, dass die US-amerikanischen Politik durch Juden gesteuert wird oder, dass die Holocausterinnerungen für eigennützige Zwecke genutzt werden. Besonders verbreitet ist diese Form des Antizionismus unter rechtpopulistischen und/oder rechtsradikalen Parteien und Politikern in Westeuropa.46

Die nächste Strömung der Antizionisten ist die des stalinistischen sowie poststalinistischen Antizionismus. Über diese Form ist zu sagen, dass der Zionismus wie auch der Antisemitismus abgelehnt wurde, dennoch setzte Stalin zur Bekämpfung innenpolitischer Gegner antisemitische Untergruppierungen ein. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unterstützte die Sowjetunion die Staatgründung Israels, ließ diese Zuneigung allerdings wieder fallen, als klar wurde, dass sich der neue Staat in keinster Weise politisch an die Sowjetunion binden wollte. Bis auf wenige Ausnahmen, wurden Juden in der Sowjetunion verfolgt. Die Tradition

43 Vgl. Harket, Håkon; Der neue Antisemitismus. In: Eriksen, Trond Berg; Harket, Håkon; Lorenz, Einhart (Hrsg.); Judenhass. Die Geschichte des Antisemitismus von der Antike bis zur Gegenwart. Göttingen 2019. S.567f. 44 Vgl. Keßler, Mario; Antizionismus. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.); Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd.3. Berlin/New York 2010. S.21-24. 45 Vgl. Ebenda. S.21f. 46 Vgl. Ebenda. S.22. 16

des stalinistischen Antizionismus wurde auch auf die Tschechoslowakei und in abgeschwächter Form später auch auf die DDR übertragen.47

Entstanden aus dem arabisch-nationalen Antizionismus, der sich gegen eine Landnahme Palästinas und ab der Gründung des Staates Israel gegen dessen Existenz wehrte, ist der islamistische Antizionismus. Bedingt durch den immer stärker werdenden politischen Islam knüpft diese Form des Judenhasses stark an antisemitische Verschwörungstheorien an.48

3. Jüdinnen und Juden im Sport

Für viele Menschen unterschiedlicher Herkunft oder Religion nimmt der Sport heutzutage einen wichtigen Teil ihres Lebens ein. Dem war nicht immer so. Erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kam es zu einem Aufschwung der sportlichen Betätigung im deutschsprachigen Raum und damit auch in Österreich. Durch die immer fortschreitende Durchdringung der sportlichen Betätigung in alle gesellschaftlichen Schichten, waren auch jüdische Bevölkerungsteile in organisierten Vereinen jeglicher Sportarten vertreten.49 Der Sport diente der jüdischen Bevölkerung als ein Mittel zur Inklusion und Integration. Durch die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten in Vereinen konnte man die Zugehörigkeit zur Gesellschaft demonstrieren, ob bewusst oder unbewusst. Die in dieser Zeit aufkommende Sportbegeisterung schwappte klarerweise auch auf den jüdischen Teil der Bevölkerung über. Man fühlte sich als ein Teil der nationalen Begeisterung und nicht auf die Religion reduziert.50

Zeitgleich mit der Industrialisierung folgte mit der Gründung zahlreicher Vereine in diversen Sportarten, vor allem in den 1890er- und frühen 1900er-Jahren, das moderne Sportzeitalter in Österreich. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern verliefen die Gründungen zunächst eher schleppend und nahmen erst im genannten Zeitraum Fahrt auf. Durch die Gründung zahlreicher Sportvereine sowie -verbände kam es auch zu einer immer stärker werdenden Differenzierung von diesen. So wurde nicht nur zwischen Sportarten und der

47 Vgl. Ebenda. S.22f. 48 Vgl. Ebenda. S.23f. 49 Bunzl, John (Hrsg.); Hoppauf Hakoah. Jüdischer Sport in Österreich. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Wien 1987. S.18-20. 50 Vgl. Brenner, Michael; Warum Juden und Sport? In: Brenner, Michael; Reuveni, Gideon (Hrsg.); Emanzipation durch Muskelkraft. Juden und Sport in Europa. Göttingen 2006. S.8. 17

Standeszugehörigkeit ihrer Mitglieder differenziert, sondern auch nach deren religiösen Zugehörigkeit und der politisch-ideologischen Einstellung.51

Eine der ersten organisierten Sportarten war der Turnsport, der auf den Brandenburger Friedrich Ludwig Jahn zurückgeht, welcher als Vater des Turnsports gilt. In Österreich gingen die Vereinsgründungen im Turnsport erst nach der Revolution von 1848 vonstatten, da die deutsche Turnbewegung immer in Verbindung mit nationalen und liberalen Strömungen stand. Von dauerhaftem Bestand waren diese Vereine allerdings erst ab den 1860er-Jahren. Diese Vereine lassen sich als vom Mittel- und Kleinbürgertum gestützt sowie ideologisch an die deutsche Turnbewegung angelehnt charakterisieren. Jedoch unterstützten auch die politischen Vorkommnisse der 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts diese Entwicklung. Durch das Ausscheiden Österreichs aus dem Deutschen Bund 1866 und damit einhergehend, der Trennung von Deutschland und dem Ausgleich mit Ungarn im darauffolgenden Jahr, befürchteten viele Deutschösterreicher ihre Stellung als führende Nation in der Habsburgermonarchie zugunsten der Magyaren einbüßen zu müssen. Die Vision eines einheitlichen Deutschlandes wurde zwar nicht auf politischer, aber auf sportpolitischer Ebene verwirklicht. Im Jahr 1868 wurden die österreichischen Turnervereine als „Turnkreis 15 (Deutschösterreich)“ zusammengefasst und der gerade gegründeten Deutschen Turnerschaft quasi einverleibt. Somit stand der österreichische Turnverband unter der Schirmherrschaft des deutschen Turnverbandes, obwohl es sich nicht um die gleichen Staaten handelte.52 Im Gegensatz zum deutschen Turnerverband, bei dem eine überwiegend politisch gemäßigte Stimmung herrschte, war die Stimmung im österreichischen Pendant zunehmend antiliberal und antisemitisch. Was sich anfänglich so äußerte, dass Vereine Juden die Mitgliedschaft verwehrten, obwohl ein derartiger Ausschluss in den Statuten nicht verankert war, endete mit dem Arierparagraphen im Jahr 1887, welchen ich im nächsten Unterkapitel ausführen werden.53

51 Vgl. Norden, Gilbert; „Deutschnational gesinnte Turner, sozialdemokratische Schwimmer, christliche Radfahrer …“ Die Differenzierung des Vereins- und Verbandssports nach ideologisch-politischen und konfessionellen Gesichtspunkten in Österreich der Kaiserzeit. In: Gießauf, Johannes; Iber, Walter M.; Knoll, Harald (Hrsg.); Fußball, Macht und Diktatur. Streiflichter auf den Stand der historischen Forschung. Innsbruck 2014. S.69f. 52 Vgl. Ebenda. S.70f. 53 Vgl. Lechner, Michael; “Wie von einem anderen Stern” – Jüdischer Fußball in Wien (1909-1938). Eine Kultur- und Sportgeschichte. Saarbrücken 2010. S.23f. 18

3.1. Der Arierparagraph

Durch die vorhin beschriebene antisemitische Stimmung führte der „Erste Wiener Turnverein“ in seiner Vereinssatzung den Arierparagraphen ein. Dieser schloss alle nichtdeutschen Mitglieder aus, was fast der Hälfte aller Mitglieder entsprach. Damit waren etwa 480 Juden und 20 andere „Nichtdeutsche“ gezwungen, aus dem Verein auszutreten. Die Einführung des Arierparagraphen des „Ersten Wiener Turnverein“ veranlasste eine Vielzahl anderer Vereine es ihm gleichzutun und den Arierparagraphen in ihre Satzung aufzunehmen. Als Resultat dieser antisemitischen Stimmung wurde 1889 ein eigener Verband gegründet, der „Deutsche Turnerbund“. Der eigentlich österreichische Verband nahm auch Mitgliedervereine aus dem Deutschen Reich auf. Alle anderen Vereine verblieben anfänglich noch im „Turnkreis 15“, bis dieser auch von bekennenden Antisemiten übernommen wurde, um 1901 einen eigenen Verband zu gründen und sich der „Deutschen Turnerschaft“ zu unterstellen. Nach weiteren Querelen und Streitigkeiten gründete sich aus dem „Turnkreis 15“ ein eigener radikal antisemitischer Verband, der sich „Turnkreis Deutschösterreich“ nannte. Als Reaktion darauf radikalisierte sich der „Deutsche Turnerbund“ und führte einen Dietwart54 ein, der die ideologische Schulung der Vereinsmitglieder leitete. Das Motto des „Deutschen Turnerbundes“ lautete: Rassenreinheit, Volkseinheit und Geistesfreiheit.55 Ein Ausschnitt aus einer Stellungnahme des Bundesdietwart der Deutschen Turnerschaft lautet wie folgt:

„Der Deutsche Turnerbund (1919) hat drei Hochziele aufgestellt und sich die Aufgabe gesetzt, sie zu Grundpfeilern deutschen Volkslebens zu machen. Sie sind: Rassenreinheit; Volkseinheit; Geistesfreiheit. Sie stellen eine Drei-Einheit dar, in der eines ohne die zwei anderen nicht sein kann. Für unser Volk bedeuten sie: Größte Einheitlichkeit in deutsch-nordischem Blute; Straffste Zusammenfassung aller in Mitteleuropa angesiedelten Deutschen dieses selbe Blutes zu einem machtvollen Staatswesen unter Ausschluss aller Fremdstämmigen; Denen und Leben nach dem Gesetzten seiner blutsgebundenen, besonderen Art unter dem Verantwortungsgefühl gegen Gott, Blut und Volk.“56

54 Ein Dietwart ist und war eine Funktion innerhalb eines Turnverbandes. Er war für die Leitung der völkischen Erziehung der Mitglieder, durch Vermittlung von völkischem Wissen verantwortlich. Der Dietwart war auch der Stellvertreter des Vereinsvorsitzenden und das politisch aktive Vorstandsmitglied. URL: http://tsg1888.de/der- turn-und-sportverein-von-1933-1945.html Heutzutage ist ein Dietwart eine Funktion innerhalb eines Turnvereines, der sich um die Festgestaltung, Festreden oder die Jugendbetreuung kümmert. https://www.enzyklo.de/Begriff/Dietwart 55 Vgl. Ebenda. S.71f. 56 Bunzl, John (Hrsg.); Hoppauf Hakoah. S.81. 19

Wie man aus dem Vorangegangenen herauslesen kann, war der Turnsport ein überaus politisches Thema. Der Großteil der restlichen Sportbewegung schmückte sich damit, politikferne Bewegungskultur zu betreiben. Zwar war der Einfluss deutschnationaler Strömungen weniger, dennoch konnte man diesen deutlich in einigen Sportarten vernehmen. So gab es beispielsweise den „Deutschalpenländischen Fußballverband“, zu dem insgesamt 15 Mannschaften aus Kärnten, Oberösterreich, der Steiermark und Tirol gehörten, der den Arierparagraph in seinen Statuten führte. Eine höhere Dichte an deutschnational eingestellten Vereinen konnte der Radsport aufweisen, bei dem oft bereits die Vereinsnamen auf die ideologische Einstellung hindeuteten. Ab dem Sommer 1896 führte der Gau IV „Kärnten“ den Arierparagraphen ein. Diesem Beispiel folgte der mitgliederstärkste Gau „Niederösterreich“ am Ende desselben Jahres, als man sich entschied, dass nur „jeder unbescholtene deutsche Radfahrer arischer Abstammung“57 Mitglied werden könne.

Ebenso lässt sich im Fechtsport ein Arierparagraph finden. Der „Deutsche Fechtgau Ostmark“ hatte sich vom „Deutschen und Österreichischen Fechterbund“ abgespaltet, da dieser den Arierparagraphen nicht in die Statuten aufnehmen wollte. Die dem deutschnationalen Lager zugehörigen Vereine haben bereits vor dem Zusammenschluss zum „Deutschen Fechtgau Ostmark“ ihre rassistische Meinung kundgetan, indem sie nicht an Turnieren teilgenommen haben, da für sie die Gefahr bestehe, dass es zu einem Aufeinandertreffen mit Juden und Nicht- Deutschen kommen könnte.

Als weitere Sportarten, in denen deutschnationale Vereine und Verbände eine gewichtige Rolle spielten, können hier der Rodelsport, die Alpinistik sowie der Schwimmsport genannt werden. Die „Sektion Wien des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins“ hatte ebenfalls den Arierparagraphen in ihrer Satzung enthalten. Andere Vereine, wie der „Österreichische Gebirgsverein“ oder die „Akademische Sektion Wien des DÖAV“ nahmen auch ohne den in der Satzung enthaltenen Arierparagraphen keine Juden als Mitglieder auf.58

3.2. Der jüdische Körper – nicht für den Sport gemacht?

Der Anteil an Beiträgen jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Entwicklung der modernen Gesellschaft und Kultur ist unbestreitbar. Im Gegenteil dazu stehen Leistungen aus

57 Norden, Gilbert; „Deutschnational gesinnte Turner, sozialdemokratische Schwimmer, christliche Radfahrer …“ S.77. 58 Vgl. Ebenda. S.74-80. 20

dem sportlichen Bereich, die wenig, bis gar nicht im kollektiven Gedächtnis präsent sind. Dem war nicht immer so. So wussten in den 1930er-Jahren Österreicher sicher von den Erfolgen der Wiener Hakoah, vorrangig im Fußball, aber auch im Ringen und Schwimmen zu berichten. Ebenso wäre es in Ungarn gewesen, wo es viele Olympioniken jüdischen Glaubens gab. Oder die Hagibor Prag, die die Wasserballmeisterschaft 1928 in der Tschechoslowakei gewann. Weitere Beispiele sind die Leistungen des jüdischen Boxers Max Baer, der aus den USA stammte oder die ausgeprägte jüdische Sportcommunity im Polen der 1930er-Jahre. Hierbei war der jeweilige Sportverein auch mit einer bestimmten politischen Richtung und Einstellung verbunden. Betar mit den rechtsnationalen Zionisten, Hapoel mit den sozialistischen Zionisten, Maccabi das Auffangbecken aller anderen Zionisten.

Juden waren, wie ein beträchtlicher Teil der Gesamtbevölkerung, ebenso an der allgemeinen Sportbegeisterung beteiligt. Dabei galt dies im Judentum nicht als selbstverständlich. So wurde jene Freizeit, die nicht dem Studium der heiligen Schrift gewidmet wird, als Zeitverschwendung bezeichnet. Seit dem Mittelalter sind Texte von Rabbinern erhalten, die von der Fragestellung von Ballspielen am Schabbat handelt, woraus aber keine eindeutige Regelung abgeleitet werden kann. Aus einem Bericht eines Rabbiners, aus Mantua um 1560 stammend, geht hervor, dass eine Art des Tennisspiels betrieben wurde, worauf auch gewettet wurde. Um nicht gegen die Schabbat-Regeln zu verstoßen, bekam der Gewinner Lebensmittel statt einer Geldsumme. Ebenso durfte am Schabbat nur mit der Hand und nicht mit einem Schläger gespielt werden, um das Netz nicht zu beschädigen und folglich reparieren zu müssen, was unerlaubte Arbeit gewesen wäre. Klarerweise durfte auch nicht während der Predigt des Rabbiners gespielt werden. Woher stammt also das heutzutage geltende Vorurteil des unsportlichen Juden?59

Der Grundstein für die Sportbegeisterung im Allgemeinen und für den Turnsport im Speziellen wurde maßgeblich von „Turnvater“ Jahn und seinen Gleichgesinnten im 19. Jahrhundert gelegt. Unter ihnen waren keine Jüdinnen oder Juden. Die Turnbewegung bewegte sich im wahrsten Sinne des Wortes oft im Umfeld des Nationalismus und Antisemitismus, weshalb die Juden gewissermaßen bereits von Beginn an ausgeschlossen wurden. Diese Ablehnung wurde in Sportvereinen, Jugendbewegungen und studentischen Verbindungen auch auf vereinsrechtlicher Basis vollzogen. Ab diesem Punkt beginnt die stereotype und klischeehafte Beschreibung des jüdischen Körpers als von vornhinein nicht gleichwertig, die vor allem von antisemitischen Kräften geschürt wurde.60

59 Vgl. Brenner, Michael; Warum Juden und Sport? S.7-9. 60 Vgl. Ebenda. S.9. 21

Gegen diese Stereotypisierung des jüdischen Körpers und vor allem des jüdischen Volkes wandte sich der Zionismus. Diese von Theodor Herzl begründete und entwickelte Strömung hatte die Idee der Errichtung eines jüdischen Staates, optimalerweise in Palästina. Besonders empfänglich für diese Strömung waren die Juden Osteuropas. Die führenden Zionisten, wie auch andere Vertreter einer jüdisch-nationalen Linie, hielten es für unmöglich, dass die Integration von Juden in die österreichische Gesellschaft gelingen könne, weswegen sie diese ablehnten und eine nationale und kollektive Entwicklung einer jüdischen Minderheit forderten. Liberale, assimilierte Juden fürchteten bei einer zu starken Isolation einen Ausschluss vom öffentlichen und kulturellen Leben, welches sie gewohnt waren.61 Neben den Auswanderungsvorhaben verfolgten die Zionisten aber auch Pläne über die „Umwertung aller Werte“62, wie Nietzsche es ausdrückte. Theodor Herzl formulierte es mit „aus Judenjungen junge Juden machen“63, die osteuropäischen Zionisten wollten „den neuen jüdischen Menschen durch die körperliche, geistige und wirtschaftliche Hebung“64 schaffen.

Der zweite Mann, der die zionistischen Bestrebungen massiv vorantrieb, war der Arzt und Schriftsteller Max Nordau. Er präzisierte die drei genannten Forderungen beim Zionistenkongress 1898, „Wir müssen trachten, wieder ein Muskeljudentum zu schaffen“65 und prägte damit diesen Begriff maßgeblich. Zwei Jahre später drückte er es in einer jüdischen Turnzeitung so aus, dass das Turnen für kein anderes Volk eine derartig wichtige Erziehungsmaßnahme zur körperlichen und charakterlichen Ausbildung und zur Förderung des Selbstbewusstseins sei. Ein drittes Mal versuchte er noch beim Zionistenkongress 1901 seine Maxime der jüdischen Sportbewegung anzubringen.66

Max Nordau konstatierte, dass vor allem die osteuropäischen Juden die Antithese des von den Zionisten verfolgten Muskeljudentums waren. Die eigene Wahrnehmung der vermeintlichen körperlichen Schwäche machte Nordau an der Existenz in den Ghettos fest. So sei es

„auch für viele, selbst stolze Juden eine keines Beweises bedürfende Tatsache, daß der Jude körperlich unbeholfen, kläglich ungeschickt, bejammernswert schwächlich ist, daß er zwei linke Hände hat, fortwährend über die eigenen Beine stolpert, lieber schief und krumm als gerade steht usw.“67

61 Vgl. Bunzl, John; Hoppauf Hakoah. S.17. 62 Brenner, Michael; Warum Juden und Sport? S.9. 63 Ebenda. 64 Ebenda S.10. 65 Ebenda. 66 Vgl. Ebenda. S.9f. 67 Hilbrenner, Anke; Kobchenko, Kateryna; Körper und Sport. Zur Konstruktion von Körperbildern mithilfe des Sports. In: Handbuch der Sportgeschichte Osteuropas. 11.01.2017. URL: 22

So wurde der erste jüdische Turnverein weltweit 1895 in Konstantinopel auf Ansinnen der Ashkenasim68, die aus antisemitischen Gründen aus dem deutschen Turnverein ausgeschlossen wurden, gegründet.69

Der erste in Westeuropa gegründete jüdische Turnverein wurde am 22.Oktober 1898 in Berlin von 48 jungen, jüdischen Männern ins Leben gerufen und trug den Namen „Jüdischer Turnverein Bar Kochba Berlin. Diese Gründung sollte eine Reihe weiterer folgen lassen, sodass 1903 ein eigener Dachverband für jüdische Sportvereine, die Jüdische Turnerschaft, gegründet wurde. Der Verband war keineswegs eine nationale Angelegenheit im Deutschen Reich, sodass die Anzahl der Vereine bis zum Ersten Weltkrieg auf 89 und die darin eingeschriebenen Mitglieder auf circa 9300 stieg. Auch wenn die Internationalisierung voranschritt, blieb Berlin der Dreh- und Angelpunkt der jüdischen Turnbewegung.70 In einer Festschrift zum zehnjährigen Jubiläum des Bar Kochba Berlin, die den Titel „Körperliche Renaissance der Juden“ trug, erschienen Texte verschiedener Mediziner, die die Arbeit des Vereins und des Verbandes in einen historischen Kontext einordneten. Dabei differenzierte Dr. Max Besser zwischen anthropologischen, konstant körperlichen Merkmalen und solchen, die das Resultat von historischen Vorgängen sind. Erstere seien unabänderlich, zweitere hingegen sind wandelbare historische Körper. Im konkreten Bezug auf die Juden bedeutet das, dass die jüdischen Körper sich historisch degeneriert haben. Der Turnsport solle diese Veränderungen wieder rückgängig machen.71

In eine ähnliche Kerbe schlug der Berliner Arzt Dr. Moritz Jastrowitz mit seinem „Muskeljuden und Nervenjuden“ betitelten Beitrag in der Festschrift. Er verwies auf den nicht degenerierten Kern der, in diesem Fall gemeinten deutschen Juden, positive Eigenschaften hat, durch die Geschichte verdeckt wurde und nun wieder sichtbar gemacht werden sollte. Was die Autoren in ihren Ausführungen eint, kann in zwei Punkten zusammengefasst werden. Die Veränderungen der jüdischen Körper sind einerseits mit der Verfolgung der Juden und damit dem Drängen in die wirtschaftliche Sparte des Handels erklärbar. Dadurch sind körperlich

http://www.iosregensburg.de/fileadmin/doc/Sportgeschichte/Hilbrenner_Kobchenko_Koerper_Sport.pdf. [zuletzt abgerufen am 08.10.2020]. S.9. 68 Die sefardischen Juden unterscheiden sich nicht durch ihren Glauben von den Aschkenasim. Aber durch ihre jeweils oft sehr verschieden verlaufene, sich fast über 2000 Jahre erstreckende Geschichte in unterschiedlichen geografischen, politischen und kulturellen Räumen haben sich bei ihnen Besonderheiten herausgebildet, die den „anderen“ als fremd und eigenartig erscheinen. Handbuch Jüdische Kulturgeschichte. URL: http://hbjk.sbg.ac.at/kapitel/sefardim-vs-aschkenasim/ [zuletzt abgerufen am: 08.10.2020] 69 Hilbrenner, Anke; Kobchenko, Kateryna; Körper und Sport. S.9. 70 Vgl. Widmann, Daniel; Jüdische Körper zum Ansehen: Jüdische Turner und ihre Körperutopien im Deutschen Kaiserreich. In: Brenner, Michael; Reuveni, Gideon (Hrsg.); Emanzipation durch Muskelkraft. Juden und Sport in Europa. Göttingen 2006. S.29f. 71 Vgl. Ebenda. S.30f. 23

anspruchsvolle Arbeiten den Juden verwehrt geblieben. Andererseits sei diese Veränderung im deutschen Judentum auch durch negative Folgen der Moderne und der Emanzipation ausgelöst worden. Die Autoren kritisieren „nervöse Leiden“ unter den Juden, die durch eine zu große Beanspruchung des Gehirns im Alltag ausgelöst wurde. Begründet kann das durch die berufliche Struktur des deutschen Judentums werden, in dem es, den Autoren zufolge, zu viele Akademiker und zu wenig Handwerker gibt. Zudem bedrohe die mehrheitliche Wohnsituation in den Städten, die psychische und physische Gesundheit des Einzelnen.72

Ein Indiz für ein neues Selbstvertrauen und Selbstverständnis der jüdischen Sportbewegung kann in der Namensgebung der Vereine gesehen werden. Aus dem Hebräischen übersetzt bedeuten die Namen der Vereine „Hagibor“ und „Hakoah“, der Held und die Kraft. Am eindrucksvollsten ist dies aber beim jüdischen Turnverein „Bar Kochba“ in Berlin zu beobachten. Max Nordau erklärt in seiner Schrift über das Muskeljudentum, dass „Bar Kochba“ der Name eines Helden war, der keine Niederlage kennen wollte. Er verkörperte das kriegsharte und waffenfrohe Judentum.73

3.3. Jüdischer Sport in Österreich

Wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, passierte die Modernisierung der Gesellschaft nicht nur in den Bereichen der Arbeitswelt, der Technisierung oder der Kultur, sondern auch im Sport mit dem Entstehen von Massenkulturen. Die jüdische Sportbewegung konzentrierte sich größtenteils auf die Hauptstadt der damals noch bestehenden Habsburgermonarchie Wien, da der überwiegende Teil der jüdischen Bevölkerung dort beheimatet war. Von den ungefähr zwei Millionen Einwohner Wiens um 1900, waren etwa 140.000 jüdischer Religion. Durch den bereits angesprochenen Arierparagraphen kam es vermehrt zur Gründung konfessionell ausgerichteter Sportvereine. In der öffentlichen Wahrnehmung waren jüdische Vereine kaum bis gar nicht im Gedächtnis der Bevölkerung vorhanden, was sich erst mit deren sportlichen Erfolgen änderte. Diese sind zu einem Großteil mit dem Verein Hakoah verbunden, der gewissermaßen stellvertretend für den jüdischen Sport und jüdische Sportlerinnen und Sportler

72 Vgl. Ebenda. S.30-32. 73 Vgl. Reuveni, Gideon; Sport und die Militarisierung der jüdischen Gesellschaft. In: Brenner, Michael; Reuveni, Gideon (Hrsg.); Emanzipation durch Muskelkraft. Juden und Sport in Europa. Göttingen 2006. S.53. 24

stand. Diesem Verein ist ein eigenes Kapitel gewidmet, weshalb ich ihn hier nicht in die Betrachtung miteinbeziehe.74

4. Fußball und Antisemitismus

4.1. Kapitel Fußball

Bevor ich zu den antisemitischen Auswüchsen im Fußball kommen, möchte ich einen kurzen Exkurs in die Geschichte des Fußballs unternehmen. Er zielt auf die Entstehung des modernen Fußballs, wie wir ihn in den Grundzügen heute kennen, aber vor allem auch auf die verschiedenen globalen Ausprägungen in der Vormoderne ab.

Seit jeher gilt unter Fußballfreunden, dass England das Mutterland des Fußballs sei.75 Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass das erste Regelwerk für den Fußballsport an der Universität von Cambridge im Jahr 1848 verfasst wurde. Mit diesen sogenannten „Cambridge Rules“ wurden die Sportarten Fußball und Rugby getrennt. Ebenso auf der britischen Insel verorten lassen sich der älteste bis heute bestehende Fußballclub der Welt, der Sheffield FC, der 1857 gegründet wurde, sowie der bis heute älteste noch bestehende Profifußballverein der Welt, der Notts County Football Club, der im Jahr 1862 entstanden ist und in der Saison 2020/21 in der fünftklassigen Vanarama National League spielt. Die Argumentation bezüglich Englands als Mutterland des Fußballs wird auch oft damit begründet, dass im Jahr 1863 der erste Fußballverband der Welt, die Football Association (FA) in London gegründet wurde. Ebenso kann sich die FA damit rühmen, mit dem FA-Cup, der erstmals 1871/72 ausgespielt wurde, den ältesten Fußball-Wettbewerb der Welt auszutragen.76 Somit kann die Aussage, dass England das Mutterland des Fußballs sei, bejaht werden, wenn man diese soweit ergänzt, dass es sich um den „modernen Fußball“ handelt. Als Vergleichswert möchte ich hier den ältesten Fußballverein Österreichs anführen, der 1894 gegründet wurde, der First Vienna Football Club.77

74 Vgl. Marschik, Matthias; „Muskel-Juden“. Mediale Repräsentation des jüdischen Sports in Wien. In: Schulze- Marmeling, Dietrich (Hrsg.); Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball. Göttingen 2003. S.263-266. 75 Vgl. Neumann, Fritz; Fussball. Was Sie immer schon wissen wollten. Wien-München 1998. S.7. 76 Vgl. Gifford, Clive; Malam John (Hrsg.); Fussball. Göttingen 2019. S.7. 77 Vgl. First Vienna Football Club; Die Geschichte des First Vienna FC 1894. URL: https://www.firstviennafc.at/vereinsgeschichte.html. [zuletzt abgerufen am: 26.08.2020]. 25

„Fußball ist nicht erfunden worden. Fußball hat sich entwickelt.“78 Durch den Entwicklungsprozess der Sportart, kann kein eindeutiges Datum als Beginn genannt werden. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass sich das Fußballspiel aus Kampfspielen entwickelt hat, bei denen ein Ball mit Händen und Füßen bewegt wurde.79 Die ersten fußballähnlichen Spiele kamen im antiken China auf. Dabei kommt es zu unterschiedlicher Auffassung, wann dieses Spiel erstmalig ausgetragen wurden. In der Literatur findet man Daten zwischen der Regierungszeit Hung-Ti´s80, die sich vor etwa 2700 Jahren datieren lässt, und jener der Han Dynastie81, die sich von circa 200 v. Chr. bis 200 n.Chr. erstreckte. Dieses Spiel nennt sich, Tsu Chu (oder auch Ts‘uh Küh), was übersetzt „einen Ball mit den Füßen treten“ bedeutet. Ziel des Spiels war es, einen Ball, der mit Federn oder Haaren befüllt wurde, durch ein kleines Loch in ein Netz zu befördern.82

Ebenso im asiatischen Raum verorten lässt sich ein ähnliches Ballspiel. Das japanische Kemari hat allerdings nicht den Charakter eines Fußballspiels, sondern lässt sich mit dem „Gaberln“83 vergleichen.84

Aber auch in der europäischen Antike lassen sich Ballspiele finden, die in einigen Bereichen Gemeinsamkeiten mit dem heutigen Fußballspiel aufweisen. Wie etwa das Spiel Episkyros, von dem der griechische Autor Julius Pollux berichtete. So gab es bei diesem Wettkampf zwei gleich große Mannschaften, deren Ziel es war, einen Ball über eine Torlinie zu befördern. Hierfür durften sie allerdings die Hände benutzen.85

Im Mittelalter wurden auch im westlichen Europa fußballähnliche Spiele praktiziert. Diese wurden teilweise brutal und chaotisch auf ganzen Straßenzügen in belebten Städten gespielt. Unter anderem gab es zahlreiche Beschwerden von in den Straßen ansässigen Händlern.86 Dies veranlasste den englischen König Edward II. 1314 dieses Spiel zu verbieten: „In Anbetracht

78 Neumann, Fritz; Fussball. S.7. 79 Vgl. Ebenda. 80 Vgl. Ebenda. 81 Vgl. Gifford; Malam (Hrsg.); Fussball. S.7. 82 Vgl. Ebenda. 83 Gaberln ist das österreichische Wort für „den Ball hochhalten.“ Beim Kemari, dass vor allem von Angehörigen des kaiserlichen Hofes gespielt wurde, war es das Ziel, sich den Ball so lange wie möglich mit dem Fuß zuzuspielen, ohne dass dieser den Boden berührt. 84 Vgl. Lunari, Iliana; Kemari – Der historische Fußball in Japan. 17.12.2018. In: Sumikai. URL: https://sumikai.com/nachrichten-aus-japan/kultur/kemari-der-historische-fussball-in-japan-237116/. [zuletzt abgerufen am: 19.09.2020]. 85 Vgl. Giossos, Yiannis, Sotiropoulos, Aristomenis, Souglis, Athanasios, Dafopoulou, Georgia; Reconsidering on Early Types of Football. In: Baltic Journal of health and physical activity. Volume 3. No. 2. 2011. S.129-134. 86 Gießauf, Johannes; „Es darf schon einmal einer bluten.“ Wie Europa kickte, bevor es den Fußball erfand. In: Gießauf, Johannes; Iber, Walter M.; Knoll, Harald (Hrsg.); Fußball, Macht und Diktatur. Streiflichter auf den Stand der historischen Forschung. Innsbruck 2014. S.58f. 26

des großen Lärms in der Stadt, verursacht durch das Drängeln um einen großen Ball, wodurch viele böse Dinge entstehen können.“87 Der Sohn Edwards II., Edward III. verbot ebenso das Ballspiel, allerdings wurde bereits zwischen jenem mit der Hand gespielten und jenem mit dem Fuß gespielten unterschieden. Zwischen dem Verbotsdekret Edwards II. und 1667 wurde der Fußball durch königlich oder lokal begrenzte Verordnungen über dreißig Mal mit Strafandrohungen verboten. Im Besonderen wurde der damalige Fußballsport von klerikaler Seite abgelehnt, da es zu Beschädigungen an Gotteshäusern kam, auch wenn die Spieler aus dem innerkirchlichen Umfeld entstammten. Wie bereits mehrfach ausgeführt, war der Fußball dieser Zeit von einer äußersten Brutalität mit zahlreichen schweren Verletzungen gekennzeichnet, ebenso wird über Todesfälle berichtet.88

Andere dem heutigen Fußballspiel einem mehr, einmal weniger ähnliche Spiele gab es etwa auch in der Normandie und der Bretagne im 12. Jahrhundert. Hier wurde ein Spiel namens „Soule“ gespielt, bei dem der Ball auch mit den Füßen gekickt werden durfte. Den Namen des Spiels wollen Linguisten im lateinischen Wort „Cepulla“ (lateinisch: Zwiebel) abzuleiten wissen. Auch in England des 14. Jahrhunderts werden die Bälle abschätzig mit einer Zwiebel verglichen. In ähnlicher Zeit wie die Verbote auf der britischen Insel, wurden auch die Fußballvarianten des 14. Jahrhunderts von der französischen Krone verachtet und zeitweise sogar verboten. Angedrohte Strafen, wie die Exkommunikation von kirchlicher Seite oder Bußgelder von weltlicher Herrschaft, konnten der Beliebtheit des Spiels im Volk wenig anhaben.89

Aber auch in Italien soll es Vorfahren des heutigen Fußballs geben. So taucht etwa im 15. Jahrhundert der Begriff „Calcio“ auf, der so viel wie „treten“ oder „Fußtritt“ bedeutet. Heutzutage wird mit diesem Begriff der Fußball an sich bezeichnet.90 Besonders spielfreudig waren junge Männer in der toskanischen Stadt Florenz, die den „calcio fiorentino“ prägten. Durchschlagende Beliebtheit erlang das Ballspiel mit der seit 1527 wieder in Florenz ansässigen und einflussreichen Familie der Medici, auch wenn es bereits zuvor praktiziert wurde. Gespielt wurde zwischen dem Dreikönigstag und dem Faschingsdienstag, dem ersten Sonntag im Mai, sowie am Gedenktag Johannes des Täufers. Allerdings wurden auch familiäre Feste wie Geburtstage und politisch wichtige Ereignisse, wie Staatsbesuche oder Siegesfeiern, für die Durchführung des „calcio fiorentino“ genutzt. Durch die Inszenierung rund um das eigentlich

87 Gifford; Malam (Hrsg.); Fussball. S.7-9. 88 Vgl. Gießauf, Johannes; „Es darf schon einmal einer bluten.“ S.58-63. 89 Vgl. Ebenda. S.66. 90 Vgl. Neumann; Fussball. S.8f. 27

nur für den Adel bestimmte Spiel, konnte man das vom Sport ausgeschlossene Volk begeistern und die Veranstaltung zu einem Massenphänomen ausbauen. Zu dieser Inszenierung zählten unter anderem aufwendige Aufmärsche der Mannschaften vor Beginn des sportlichen Wettkampfs mit Trompeten, Trommlern und Fahnen.91

Hierbei gilt es allerdings zwei Varianten des „calcio fiorentino“ zu unterscheiden. Einerseits gab es den herkömmlichen „calcio diviso“, der teilweise auch von der einfachen Bevölkerung praktiziert werden durfte. Auf der anderen Seite gab es den „calcio a livrea“ oder „Gala-calcio“, bei dem die Vorstellung der Spieler zeremoniell begangen wurde und von ähnlich langer Dauer war wie das Spiel selbst. Die Medici wussten diese höfischen Festtage zu inszenieren, stellten ihre prachtvollsten Kostüme zur Schau und boten theaterähnliche Kulissen sowie Schauspiele dar.92

Nicht nur die weltliche Macht war vom „calcio fiorentino“ begeistert, sondern auch die klerikalen Mächte erfreuten sich am Ballspiel. So soll sogar Papst Leo XI, dessen Pontifikat kein ganzes Monat dauerte, ein Anhänger des „calcio“ und in seiner Jugend selbst Spieler gewesen sein. Mit dem durch Kinderlosigkeit ausgelösten Ende der Medici-Dynastie ist auch die Begeisterung für den „calcio fiorentino“ erkaltet. Die Nachfolge der Medici traten das spätere Kaiserpaar Maria Theresia und Franz-Stephan von Lothringen an, die die Faszination ihrer Vorgänger für das Ballspiel nicht teilten.93

Noch heute erinnern 54 Männer, je 27 in einer Mannschaft und in historische Kostüme aus dem 16. Jahrhundert gekleidet, am 24. Juni jeden Jahres, dem Festtag des Florentiner Stadtpatrons, Johannes dem Täufer an das historische Fußballspiel. Hierzu wird eigens eine Sandarena vor der Kirche Santa Croce aufgebaut, in der die beiden Mannschaften versuchen, den Ball im gegnerischen Sektor unterzubringen. Die Regeln, die erstmalig um 1580 von Giovanni de‘ Bardi umrissen wurden, sind Francesco de Medici gewidmet und umfassen neben der Organisation des Wettkampfs, bei dem es sich um die Ermittlung des Jahresgewinners zwischen den vier historischen Altstadtbezirken handelt, auch die Spielfeldmaße und Aufstellung der Mannschaften. Diese besteht aus drei Gruppen zu je fünf Angreifern, fünf sogenannten Zerstörern, vier Mittläufern und drei Defensivspielern. Das rechteckige Spielfeld misst 172 x 86 florentinische Armlängen, was in etwa einer Größe von 100 x 50 Metern und damit im Groben den heutigen Maßen eines Fußballspielfeldes entspricht. Der Ball, der vorrangig mit

91 Vgl. Gießauf, Johannes; „Es darf schon einmal einer bluten.“ S.48f. & S.53f. 92 Vgl. Ebenda. S.53f. 93 Vgl. Ebenda. S.48-50. 28

dem Fuß zu bewegen ist, darf zwar mit der Faust gespielt werden, das Werfen oder die Verwendung der offenen Hand ist allerdings verpönt. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass diese Spiele von einer mäßigen spielerischen Attraktivität geprägt waren, da die meiste Zeit mit Raufereien um den Ball verbracht wurden. Regeltechnisch war quasi alles außer Tritte gegen den Kopf und am Boden liegende Gegner erlaubt. Somit lässt sich der „calcio fiorentino“ als eine Mischung zwischen Fußball, Rugby und Ringen darstellen.94

Wie am Beginn dieses Kapitels erwähnt, lässt sich der Beginn des modernen Fußballs in England verorten. Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Regeln immer mehr konkretisiert und geändert. Darunter auch durchaus kuriose zu finden, wie etwa das das Spielfeld frei von Bäumen und Sträuchern sein müsse.95 Der Weltfußballverband FIFA wurde 1904 gegründet und hat zurzeit 211 Mitgliedsverbände, die in sechs kontinentalen Verbänden organisiert sind.

4.2. Antisemitismus im Fußball

Nicht nur in den im Fernsehen zu sehenden prunkvollen und ausverkauften Arenen in Deutschland, Österreich oder sonst wo, sondern auch auf den spartanischen Sportplätzen im fußballerischen Unterhaus sind Fußballer Beschimpfungen ausgesetzt. Während die Spieler ihre verbalen Kämpfe am Feld untereinander austragen, sind sie gegen die Beschimpfungen jeglicher Art von Zuschauerseite machtlos. Das einzige legale Mittel zur Versiegung dieser Beschimpfungen sind Tore und Siege.

„Der Antisemitismus ist die älteste Diskriminierungsform im Fußball. Er verändert sich – verschwunden war er nie.“96 Der Hass gegen die jüdische Bevölkerung hat im Fußball Tradition, wie mehrere Autoren zu berichten wissen. Hier wird häufig mit antisemitischen Stereotypen gespielt, die von den Fankurven ins Stadion gebracht werden. Der im Stadion hervorgebrachte Antisemitismus kann aber auch dort verinnerlicht werden und nach außen in die Gesellschaft getragen werden.97

Aber auch von den Rängen, mögen es vollbesetzte Tribünen im Stadion oder Stehplätze hinter metallenen Werbetafeln am dörflichen Sportplatz sein, kommt es zu Beschimpfungen der

94 Vgl. Ebenda. S.47f. & S.51ff. 95 Vgl. Ebenda. S.11. 96 Blaschke, Ronny; Judenhass im Fußball. 19.03.2015. In: Bundeszentrale für politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/202637/judenhass-im-fussball. [zuletzt abgerufen am: 13.10.2020]. 97 Vgl. Ebenda. 29

gegnerischen Fangruppen und Spieler. Oftmals werden hierzu rassistische, diskriminierende oder antisemitische Beschimpfungen verwendet. Hier ist anzumerken, dass es im Hinblick auf antisemitische Beschimpfungen äußerst wenige Untersuchungen gibt und vorrangig rassistische Vorfälle behandelt werden. Antisemitische Vorfälle werden als normal eingestuft und verharmlost. Die neutrale Bezeichnung „Jude“ wird im Kontext des Fußballs als normale Form im Sprachgebrauch abgetan und auch weitergegeben, ohne den antisemitischen Gehalt der Äußerung zu hinterfragen.98 Oft werden rassistische und antisemitische Beschimpfungen als Provokationsmittel gebraucht, dass sich nicht direkt gegen Juden oder die angesprochene Gruppe wendet. Diese Beleidigungen, die sich gegen den Schiedsrichter oder die gegnerische Mannschaft oder einzelne Spieler daraus richten, vermitteln antisemitische Ansichten und Stereotypen.99 Des Weiteren sei hier erwähnt, dass der Antisemitismus die älteste Form der Diskriminierung im Kontext des Fußballsports ist. Wie wir noch sehen werden, waren jüdische Sportvereine, wie die Hakoah in Wien, bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts von antisemitischen Anfeindungen betroffen.100

Bis in die Gegenwart hinein, gibt es nur sehr wenige Veröffentlichungen, die das Problem des Antisemitismus im Fußball als für sich stehendes Problem betrachten und noch weniger Studien thematisieren die durch Fußballfans ausgelösten Ursachen dafür. In den meisten Publikationen wird der Antisemitismus unter dem Mantel des Rassismus geführt, worüber es zahlreiche Untersuchungen gibt. In den letzten Jahren hat man sich in der Forschung vermehrt dem Thema der Homophobie und des Sexismus im Fußball gewidmet. All jene, die sich mit antisemitischen Vorfällen beschäftigt haben, haben diese nicht als Hauptgegenstand ihrer Untersuchung thematisiert, warnen allerdings vor der Normalisierung des Antisemitismus im Sprachgebrauch und dessen Verwendung. In der Forschung gibt es zweierlei Positionen, wie die antisemitischen Äußerungen gedeutet werden können. Einerseits findet der Antisemitismus, der im Alltag unterdrückt wird, „im Stadion ein Ventil, das kollektiv und anonym im Fanblock geöffnet werden kann.“101 Andererseits meinen mehrere andere Autoren, dass „das Stadion eine Art

98 Vgl. Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. Tradition und Tabubruch. Göttingen 2019. S.53f. 99 Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus; Antisemitismus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen. In: Bundesministerium des Innern (Hrsg.) URL: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/heimat-integration/expertenkreis- antisemitismus/expertenbericht-antisemitismus-in-deutschland.pdf?__blob=publicationFile&v=7 S.252. 100 Vgl. Endemann, Martin; Sie bauen U-Bahnen nach Auschwitz. Antisemitismus im Deutschen Fußball. In: Dembowski, Gerd; Scheidle, Jürgen (Hrsg.); Tatort Stadion. Rassismus, Antisemitismus und Sexismus im Stadion. Köln 2002. S.80. 101 Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. Tradition und Tabubruch. S.54. 30

Brennglasfunktion übernehme und hier, stellvertretend und verstärkt, gesellschaftspolitische Konflikte ausgetragen werden.“102

Schubert führt einen interessanten Beitrag103 von Michael Reichelt an, der den Zusammenhang zwischen antisemitischen Äußerungen und einem möglichen antisemitischen Weltbild untersucht hat. Hier unterscheidet er den Gebrauch des Begriffs „Jude“ in drei Kategorien. Die erste Kategorie umfasst klassische und traditionelle judenfeindliche und antisemitische Bedeutungen, was auf ein rechtsextremes Weltbild hinweist. In die zweite Kategorie fallen Bedeutungsübertragungen, wie Reichelt sie nennt. Hierbei übernimmt das Wort „Jude“ eine synonyme, jugendsprachliche Bedeutung für ein anderes Schimpfwort, Reichelt führt hier beispielsweise „Wichser“ an. Die dritte der eingeteilten Kategorien stellt eine neue Bedeutung und gleichzeitige Verengung des Ausspruchs „Du Jude!“ synonym mit „Du Opfer!“ dar. In der ersten Kategorie wird das Wort „Jude“ bewusst aus ideologischen oder politischen Motiven abwertend und abfällig verwendet, was bei den beiden anderen Kategorien nicht klar zuordenbar ist. Die zweite und dritte Kategorie haben den Umstand gemein, dass sie oft in spontanen Situationen oder als Reaktionen verwendet werden, was darauf hindeutet, dass keine politischen oder ideologischen Motive enthalten sind. Was Schubert an der Einteilung Reichelts allerdings kritisiert, ist der Umstand, dass für die getätigten Äußerungen nur Vermutungen über den vermeintlichen antisemitischen Hintergrund angestellt werden. Auch wenn diese Vermutungen von einer hohen Wahrscheinlichkeit sind, kann dies nicht als endgültiger Beweis angesehen werden, bis sich die äußernden Personen zu den Aussprüchen erklärt haben.104

4.3. Formen des Antisemitismus

Der Antisemitismus kommt im Kontext des Fußballs allgemein und bei Fußballspielen im Speziellen in vielschichtiger Form vor. Ein Großteil der Ausdrucksformen wird durch verbale oder visuelle Form artikuliert. Die Formen der antisemitischen Beschimpfungen und Angriffe beginnen und enden nicht an den Stadiontoren der Fußballarenen, sondern spielen sich sowohl vor als auch nach den Spielen im Umfeld der Stadien sowie auf den An- und Abfahrtswegen

102 Ebenda. S.55 103 Reichelt, Michael: Das Lexem »Jude« im jugendlichen Sprachgebrauch. Eine Untersuchung am Beispiel sächsischer Fußballplätze, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 18 (2009). S. 17-42. 104 Vgl. Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. Tradition und Tabubruch. S.57f. 31

aber auch in virtueller Form in Internetforen oder ähnlichem ab. Antisemitismus wird seltener von Einzelpersonen, eher von kleineren Gruppen der Fans hervorgebracht.105

4.3.1. Verbaler Antisemitismus

Der verbal artikulierte Antisemitismus ist die am häufigsten vorkommende Form und äußert sich in (Fan-)Gesängen einer größeren Anzahl an Personen oder in Rufen von Einzelpersonen. Hierbei wird die gegnerische Mannschaft, einzelne Spieler oder die gegnerische Anhängerschaft in den meisten Fällen als „Jude oder Juden“ beschimpft. Eine Variante davon ist der mehrmalige und wiederholte Gesang, der aus dem Vereinsnamen des gegnerischen und dem angehängtem Zusatz -Jude besteht.106 Viele dieser Beschimpfungen entspringen Klischees und Vorurteilen über Juden, die über Jahrhunderte weitergetragen wurden. Dem jüdischen Volk wird seit dem Mittelalter nachgesagt, gierig zu sein, was daher stammt, dass es den Christen aus religiösen Gründen nicht erlaubt war, Geld zu verleihen und dies mit Zinsen zurückzuverlangen. Diese Aufgabe wurde den Juden zuteil.

„Seither müssen sie mit dem Vorurteil des ewigen Wohlstandes leben. Die Fans stilisieren ihre Gegner zum geldgierigen Kapitalisten, während die eigene Mannschaft die Rolle des Außenseiters annahm. Dieses Feindbild gegenüber Juden existiert in der Gegenwart noch immer.“107

Ein bekannter, aber umso abscheulicherer Gruppengesang ist das sogenannte U-Bahn-Lied. Hierbei wird auf das von den Nationalsozialisten betriebene Konzentrationslager Auschwitz, das im heutigen Polen liegt, Bezug genommen. Die wörtliche Strophe lautet: „Eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von ‚Name der Stadt des gegnerischen Vereins‘ bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir.“ Es kommt zu keiner direkten Beschimpfung der gegnerischen Fans als Juden, sondern es wird ihnen das Schicksal gewünscht, das vielen Jüdinnen und Juden über sich ergehen lassen mussten.108

105 Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus; Antisemitismus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen. S.253. 106 Vgl. Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. S.202. 107 Blaschke, Ronny; Im Schatten des Spiels. Rassismus und Randale im Fußball. Göttingen 2008. S.135. 108 Vgl. Endemann, Martin; Sie bauen U-Bahnen nach Auschwitz. Antisemitismus im Deutschen Fußball. S.80. 32

Eine weitere Anspielung auf das Schicksal vieler Jüdinnen und Juden in den Konzentrationslagern ereignete sich bei einem Spiel zwischen den Kickers Offenbach und der zweiten Mannschaf der Sportgemeinschaft Eintracht Frankfurt (Kurzform, die auch bei eigenen Schlachtgesängen verwendet wird: SGE), bei denen die Anhänger und Spieler der Mannschaft aus dem deutschen Finanzzentrum mit „Judenschweinen“ und „Zyklon B für die SGE“ – Rufen beleidigt wurden.109 Zyklon B wird in diesem Kontext als Anspielung auf das Massenvernichtungsgas der Nationalsozialisten, welches in den Konzentrationslagern zur Tötung eingesetzt wurde, verwendet. Diese Chemikalie, die in der Industrie bei der Ungezieferbekämpfung angewandt wird, bewirkt durch das Einatmen ein Lahmlegen der Zellatmung, was zu einer inneren Erstickung führt.110 Die Bezeichnung Zyklon B wurde bereits in den 1980er-Jahren von rechtsextremen Fans des Berliner Fußballvereins Hertha BSC als Name für einen Fanklub verwendet.111

4.3.2. Visueller Antisemitismus

Die visuelle Form der antisemitischen Äußerungen ist eine noch wirksamere und Aufmerksamkeit erregende als die der verbalen Äußerung. Der visuelle Antisemitismus im Dunstkreis des Fußballs wird durch Transparente oder ähnliches im Stadion oder Schmierereien und Graffitis im Stadionumfeld deutlicher sichtbar. Diese Form des Antisemitismus ist durch die heutigen technischen Möglichkeiten einfacher und wirksamer zu verbreiten, als das beispielsweise durch die verbale Form geschehen kann.112

Etwas, das die Verbreitung visueller, antisemitischer Botschaften beschleunigt, ist die Anonymität, in der diese Form ausgelebt wird. Für Spruchbänder, Transparente oder Sticker und Aufkleber mit antisemitischem Gedankengut, ist es schwer, jemanden zur Verantwortung zu ziehen. In den meisten Fällen lassen sich die, im weitesten Sinne, Besitzer der Transparente oder Aufkleber der Sticker nicht eruieren. Ein weiterer Punkt bei dieser hervorgebrachten Form des Antisemitismus ist der, dass sich die Zahl der Personen, die sich zu einer Äußerung bekennen, nicht oder nur sehr mühsam ermitteln lässt. Ein am Zaun, der den Stehplatzbereich

109 Vgl. Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus; Antisemitismus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen. S.253. 110 Vgl. Blaschke, Ronny; Judenhass im Fußball. & o.A.; Zyklon B. In: Wikipedia. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Zyklon_B. [zuletzt abgerufen am: 13.10.2020]. 111 Vgl. Blaschke, Ronny; Judenhass im Fußball. 112 Vgl. Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus; Antisemitismus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen. S.253. 33

vom Spielfeld trennt, aufgehängtes Transparent oder Spruchband steht stellvertretend für den gesamten Bereich der hinter ihm stehenden Fans, auch wenn nur ein kleiner Teil dieselbe Meinung wie auf dem Plakat vertritt.113

Eine des Öfteren gebrauchte Variante des visuellen Antisemitismus ist die gewollte Doppeldeutigkeit, wie folgendes Beispiel, das sich im März 2012 beim Spiel des FC St. Pauli gegen den FC Energie Cottbus zugetragen hat, zeigt. Als Teil einer Choreographie und Botschaft an die eigene Mannschaft hielten die Fans aus Ostdeutschland einzelne Buchstaben hoch, die den Satz „Ein Sieg heilt alle Wunden“ bilden sollten. Bevor der ganze Satz zu lesen war, konnte man für ein paar Augenblicke nur einen Teil des Satzes, nämlich „Sieg heil“ lesen, was eine eindeutige nationalsozialistische Haltung zeigt.114 Wäre es bei diesen beiden Wörtern geblieben, hätte es sicher Reaktionen der gegnerischen Fans und Zuschauer und im Anschluss an das Spiel Ermittlungen seitens der Polizei und des Deutschen Fußballbundes gegeben. So aber konnte man seine rechtsextreme Ausrichtung zeigen und straffrei davonkommen.

In dieselbe Kategorie kann der Vorfall vom Mai 2013 eingeordnet werden. Beim Spiel des TuS Sachsenhausen gegen den SV Babelsberg 03 wurde ein Transparent mit den Worten „Gas geben Sachsenhausen“ aufgehängt, was wieder die angesprochene Doppeldeutigkeit erzeugen soll. Einerseits kann dies als Anfeuerung der eigenen Mannschaft verstanden werden, andererseits allerdings auch als Anspiel auf die Gaskammern, durch die abertausende den Tod fanden.115 All das geschah vor dem Hintergrund, dass das Datum des Spiels der 8. Mai war, der als Ende des Zweiten Weltkriegs gesehen wird. Darüber hinaus ist Sachsenburg ein Ortsteil der Stadt Oranienburg, im heutigen Bundesland Brandenburg, wo von 1936 bis 1945 ein Konzentrationslager der Nationalsozialisten eingerichtet war.116

4.3.3. Antisemitismus als Israelkritik

Die beiden ersten von mir angeführten Arten des Antisemitismus sind unterschiedliche Artikulationsformen. Die dritte zeichnet sich dadurch aus, dass sie unabhängig von ihrer Form

113 Vgl. Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. S.206. 114 adminc; “Wenn Fußball zur Nebensache wird…“ 25.02.2012. In: Magischer FC – Ein Sankt-Pauli-Blog. URL: https://www.magischerfc.de/2012/03/wenn-fusball-zur-nebensache-wird/. [zuletzt abgerufen am: 12.10.2020]. 115 Vgl. Ebenda. S.208-210 116 Vgl. Fröhlich, Alexander; „Gas geben Sachsenhausen.“ Rechtsextreme Fußballfans sorgen mit Plakat für Eklat. 10.05.2013. In: Der Tagesspiegel. URL: https://www.tagesspiegel.de/sport/gas-geben-sachsenhausen- rechtsextreme-fussballfans-sorgen-mit-plakat-fuer-eklat/8189482.html. [zuletzt abgerufen am: 12.10.2020]. 34

des Vorbringens ist, da sie eine inhaltliche Komponente enthält. Eine neuere Form des Judenhasses im fußballerischen Umfeld wird oftmals als Kritik am Staat Israel artikuliert. Diese Stimmung geht allerdings nicht zwangsläufig von den Fans in den Stadien aus, sondern kommt auch aus der Gesellschaft. So stimmten mehr als ein Viertel der Befragten bei einer 2014 veröffentlichten Studie, die Kämpfen im Gaza-Streifen folgte, der Aussage „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat.“ zu. In den Fußballstadien äußert sich diese Israelkritik oftmals so, dass Fans sich solidarisch mit Palästina zeigen. In jüngerer Vergangenheit gab es hierzu auch mehrere Vorfälle. Zur selben Zeit, als die Kämpfe zwischen Palästina und Israel tobten, kam es zu Anfeindungen beim Freundschaftsspiel zwischen OSC Lille und Maccabi Haifa im Zuge der Sommervorbereitung in Salzburg. Um die zwanzig Jugendliche stürmten mit Palästinafahnen aufs Spielfeld und sorgten für einen Spielabbruch.

In derselben Woche gab es auch zwei ähnliche Vorfälle in Deutschland. Beim Freundschaftsspiel zwischen Maccabi Nethanya und einem Dortmunder Nachwuchsteam zeigten anwesende Neonazis, die dem Umfeld der Partei Die Rechte zuzuordnen waren, Palästinenserfahnen und eine schwarz-weiß-rote Fahne des Deutschen Kaiserreichs. Ebenso waren Parolen wie „Nie wieder Israel“ oder „Juden raus aus Palästina“ zu hören. Beim freundschaftlichen Aufeinandertreffen von Hannover 96 und Lazio Rom hörte man aus dem rechten Fanklubs Legion Germania „Eine Bombe auf Israel.“117

Ebenso als eine klare Kritik am Staate Israel kann folgender Vorfall angesehen werden. Bei mehreren Spielen der Amateure von Hannover 96, die maximal in der vierthöchsten Leistungsstufe am Meisterschaftsbetrieb teilnahmen, war eine schwarze Fahne mit dem Aufdruck „h.amas“ in angedeuteten arabischen Schriftzeichen zu lesen. Angeblich sollte diese Abkürzung für Hannover-Amateure stehen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass an die palästinensische Organisation Hamas erinnert werden soll.118 Die Hamas ist eine radikale islamische Palästinenserorganisation, die die Existenz des Staates Israel ablehnt und eine Errichtung eines islamischen Staates Palästina anstrebt. Im westlichen Europa ist sie vor allem durch Konfrontationen mit Israel und verübte Terroranschläge bekannt.119

117 Vgl. Blaschke, Ronny; Judenhass im Fußball. 118 Vgl. Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. S.207. 119 Vgl. DiePresse.com; Kurz erklärt: Wer ist die Hamas? In: Die Presse. 17.09.2017. URL: https://www.diepresse.com/5287153/kurz-erklart-wer-ist-die-hamas. [zuletzt abgerufen am: 24.10.2020]. 35

4.4. Antisemitismus im deutschen Fußball

In diesem Kapitel stelle ich stellvertretend für viele antisemitische Vorfälle im deutschen Fußball einige beispielhaft vor.

Beginnen möchte ich mit dem vielleicht in Deutschland bekanntesten Beispiel antisemitischer Beleidigungen, welches sich am 4. September 1996 in Zabrze beim Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die heimische Nationalelf aus Polen ereignete. Angereiste Neonazis hängten ein Transparent mit dem Satz „Schindler Juden - Wir grüßen euch“ auf und stimmten die Strophe „Wir sind in Polen, um Juden zu versohlen“ an.120 Dies waren nicht die einzigen Zwischenfälle im Stadion von Zabrze, das bei seiner Eröffnung den Namen Adolf-Hitler- Kampfbahn getragen hat. Als weiteren Tiefpunkt dieser Aneinanderreihung antisemitischer Vorfälle kann das Zeigen des Hitlergrußes bei der deutschen Nationalhymne sowie die Zeile „Hindenburg liegt bei Auschwitz“ bezeichnet werden. Dies kann dadurch erklärt werden, dass das Konzentrationslager Auschwitz nur etwa 50 Kilometer von Zabrze entfernt liegt und die Stadt früher den Deutschen Namen Hindenburg O.S. (für die Region Oberschlesien) trug.121

Häufig werden auch Vereine Opfer antisemitischer Verunglimpfungen, die durch finanziell potente Sponsoren unterstützt werden. Ein solcher Verein ist der dritte, der abgelaufenen Bundesligasaison und Champions League-Teilnehmer RasenBallsport Leipzig. Bereits seit der Gründung gibt es Proteste gegen diesen Verein, der in der Kurzform RB Leipzig gerufen wird, da das RB an dessen Sponsor Red Bull, dem österreichischen Unternehmen von Dietrich Mateschitz, erinnert. Von der ostdeutschen Neonaziszene wurde diese Abkürzung in Rattenball umgewandelt. Bezug wird auf den NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“ sowie die Bezeichnung „goldene Ratten“ für die jüdische Bevölkerung aus dem ausgehenden 19.Jahrhundert genommen. Die Bezeichnung hat durch die häufigen Proteste Einzug in den Sprachgebrauch von Anhängern von Traditionsvereinen genommen, auch wenn diese oftmals keine Kenntnis von der antisemitischen Lesart haben und auch keine antijüdischen Motive verfolgen. In den Bekanntheitsgrad dieser Bezeichnung haben auch diverse bearbeitete Wappen in den sozialen Medien miteingespielt. Diese zeigen anstelle der von den Getränkedosen des Energydrinks bekannten roten Bullen, rote Ratten, die auf ihren Schnauzen Euromünzen

120 Vgl. Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus; Antisemitismus in Deutschland – aktuelle Entwicklungen. S.254. 121 Vgl. Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. S.134. 36

balancieren, was wieder die Ablehnung gegen diese Art von „künstlich entstandenen“ Fußballvereinen und den Neid aufgrund des potenten Geldgebers zeigt.122

Leider zeugt ein sich jüngst ereigneter Vorfall davon, dass antisemitische Angriffe nicht der Vergangenheit angehören. Seit dem 8. Oktober 2020 war die Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung – Jüdische Sportstars im deutschen Sport bis 1933 und danach“ in der Bochumer Innenstadt zu sehen. Die Ausstellung zeigt die Lebens- und Leidensgeschichte besonders herausragender jüdischer Sportler, unter ihnen auch die Fußballer Julius Hirsch und Gottfried Fuchs, sowie der Mitbegründer des DFB und Gründer des Sportmagazin Kicker, Walther Bensemann. Die vom Zentrum für Deutsche Sportgeschichte gestaltete Wanderausstellung ist 2015 auf Initiative der DFB-Kulturstiftung im Rahmen der Europäischen Makkabi Games entstanden. In der Nacht vom 9. auf den 10. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, wurden die ausgestellten Plexiglasfiguren der Leichtathletin Lilli Hennoch und der Turnolympiasieger Alfred und Gustav Felix Flatow zerstört. Bereits in der Vorwoche war die Figur von Bensemann beschädigt und die des Brüderpaares mit antisemitischen Parolen beschmiert worden. Durch die vorherige Besudelung und die besondere Bedeutung des Datums der Tat, geht man von einem antisemitischen Motiv aus. Beim Bochumer Oberbürgermeister löste die Aktion Fassungslosigkeit aus. Dennoch betonte er weiterhin, dass die Stadt sich weiterhin tolerant und weltoffen bleiben wird, weshalb solche Erinnerungen an öffentlichen Plätzen geplant sind.123

Ein bemerkenswerter Umstand ist jener, dass all diese Formen des Antisemitismus, unabhängig von der Art und Weise, wie diese geäußert werden, im überwiegenden Maße ohne jüdische Spieler auskommen. So gab es in jüngerer und älterer Vergangenheit nur etwas mehr als eine Hand voll Spieler mit jüdischer Religion.

4.5. Israelische Spieler im deutschen Fußball

In der deutschen Bundesliga waren bis in die 2000er-Jahre nur zwei israelisch-stämmige Fußballer engagiert. Shmuel Rosenthal war nicht nur der erste Israeli in Deutschland, sondern auch der erste israelische Spieler in Europa, der mit einem Profivertrag ausgestattet wurde. Er

122 Vgl. Blaschke, Ronny; Judenhass im Fußball. [zuletzt abgerufen am: 13.10.2020]. 123 Vgl. Petersen, Jörn; DFB entsetzt: Ausstellung über jüdische Sportler zerstört. 11.11.2020. In: Kicker. URL: https://www.kicker.de/dfb-entsetzt-ausstellung-ueber-juedische-sportler-zerstoert-789496/artikel. [zuletzt abgerufen am: 12.11.2020]. 37

spielte in der Saison 1972/73 für Borussia Mönchengladbach. Nach David Pizanti, der von 1985 bis 1987 für den 1. FC Köln spielt, sollte es etwa zwanzig Jahre dauern, bis wieder ein Spieler aus Israel in der höchsten deutschen Liga spielt. Neben Roberto Damian Colautti, der 2007 nach Mönchengladbach kam, tat es ihm sein Landsmann Gal Alberman ein Jahr später gleich; sie blieben bis 2010 dort. Neben Gil Vermouth, der eine Saison für den 1. FC Kaiserlautern spielte, war Almog Cohan, der für den 1. FC Nürnberg und den FC Ingolstadt 05 spielte, der am längsten engagierten Israeli in der deutschen Bundesliga.124

Gegenwärtig125 sind in der deutschen Bundesliga zwei israelische Spieler tätig. Einer davon ist der Torwart Omer Hanin, der bei Mainz 05 unter Vertrag steht, bisher allerdings nur in der zweiten Mannschaft in der viertklassigen Regionalliga zum Einsatz kam. Der zweite israelische Spieler ist Munas Dabbur, der vormals für RB Salzburg stürmte und über den FC Sevilla zur TSG 1899 Hoffenheim kam. Dabbur ist ein arabischstämmiger Israeli, weshalb ihm zeitweise Einberufungen in die Nationalmannschaft Israels verwehrt blieben.126

5. Jüdischer Fußball in Österreich

Der bedeutendste Teil des fußballerischen Geschehens in Österreich spielte sich im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts in Wien ab. Neben den aus heutiger Sicht beinahe unglaublichen Erfolgen der Hakoah, war mit den Wiener Amateuren ein zweiter großer jüdisch geprägter Verein in Wien aktiv. Im Gegensatz zur Hakoah konnten die Wiener Amateure ihren Status der wichtigsten Fußballvereine in Österreich bis heute behalten. Seit der Umbenennung 1926 wird dieser Verein unter dem Namen Austria Wien geführt.

124 Vgl. Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. S.259. 125 Stand: 13.10.2020 (Transfermarkt geschlossen). 126 Vgl. transfermarkt.at; In: URL: https://www.transfermarkt.at/1- bundesliga/gastarbeiterdetail/wettbewerb/L1?saison_id=2020&land_id=74 [zuletzt abgerufen am: 13.10.2020]. 38

5.1. Der Sportclub Hakoah

Die Gründung des SC Hakoah hatte mehrerlei Gründe. Einerseits war es die Bestrebung der Gründer der Hakoah die antisemitische Stereotypisierung der körperlichen Schwäche der jüdischen Gemeinschaft entgegenzutreten und diese zu entkräften. Andererseits hatte sie allerdings auch einen praktikableren Grund. Durch die Diskriminierung von Jüdinnen und Juden durch den Arierparagraphen in nichtjüdischen Sportvereinen, sah man sich fast dazu gezwungen, den jüdischen Mitbürgern Abbildung 1: Logo SC Hakoah Wien eine sportliche Betätigung in einem explizit jüdischen Sportverein zu ermöglichen.127 Die Geschichte der Hakoah Wien ist die des damalig weltweit größten Allround-Sportvereins.

Der am 26. September 1909 in Wien gegründete Sportklub Hakoah rief am 25. Juni desselben Jahres in Dr. Blochs österreichischer Wochenzeitung zur Gründung eines jüdischen Sportklubs auf:

„Ein jüdischer Sportklub ist in Bildung begriffen, der einem längst fühlbaren Mangel im Sportleben Wiens abhelfen will. Allgemein bringt man diesem Plane das lebhafteste Interesse entgegen. Es soll insbesondere das Fußballspiel, dann Leichtathletik […] und auch Schwerathletik gepflegt werden. Erstklassige Spieler und begeisterte Freunde des Sports, zahlreiche ausübende und unterstützende Mitglieder sind bereits gewonnen. Zwei komplette Mannschaften sind bereit, ihre Körper im Training zu stählen. Diesem Verein die ersten Schwierigkeiten zu ebnen und sein Bestehen zu sichern, fordern, die unterzeichneten Proponenten alle Diejenigen, welche an der vornehmen Arbeit der körperlichen Hebung des jüdischen Volkes teilnehmen wollen, auf, dem jüdischen Klub als ausübende oder unterstützende Mitglieder beizutreten. Gleichzeitig laden wir alle Interessenten zu der Sonntag den 27. d. M. im Lesesaale der ‚Lese- und Redehalle jüdischer Hochschüler’ stattfindenden Besprechung ein. Beginn präzise 1/2 10 Uhr vormittags. Dr. Fritz Löhner, L. Weisz, S. Rufeisen, S. Bendedikt, W. Ullman S. Weinberger Zuschriften sind zu richten an S. Wenberger, Beamter, II., Rembrandtstraße 19, Tür 9.“ 128

127 Vgl. Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia; „Die Hakoah lebt!“ In: Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia (Hrsg.); „… mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck 2009. S.10f. 128 Bunzl, John (Hrsg.); Hoppauf Hakoah. S.40f. 39

Die Gründungszeit des Sportclub Hakoah fiel in eine gesellschaftspolitisch interessante und für den Verein günstige Zeit hinein. im Gründungsjahr der Hakoah, 1909, war der Sport am besten Weg, ein Massenphänomen zu werden und gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen. Diesen Status und die vollkommene Akzeptanz in der Gesellschaft sollte der Sport im Gesamten erst nach dem Ersten Weltkrieg erlangen. Außer den auf akademischer Ebene betriebenen Sportarten, wie der Fecht- oder Pferdesport, hatten andere Sportarten, darunter auch der Fußballsport mit ihrem Image von Primitivität und Schmucklosigkeit zu kämpfen.129

So gab es im Gründungsjahr der Hakoah bereits seit 1899 den „Ersten Wiener jüdische Turnverein“, dem bis kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs sieben weitere folgen sollten. Aber auch am Fußballsektor tat sich einiges. Im Jahr 1907 gab es über 70 Fußballvereine in Wien. Die ausgetragenen Spiele lockten nicht selten über 10.000 Zuschauer auf die Sportplätze und wurden zu gesellschaftlichen Großereignissen.130

Bei der Gründung des Sportclubs Hakoah sind folgende Punkte für wichtig erachtet und niedergeschrieben worden:

• „Sammlung aller jüdischen Sportler, denen die Aktivität in anderen Vereinen durch versteckten oder offenen Antisemitismus oder den Arierparagraphen unmöglich ist; • Schulung der körperlichen bzw. der auf die Gestaltung der Körperfunktionen bezogenen Kräfte und damit der Wehrfähigkeit und des Selbstbewußtseins der Juden; • demonstrativer Nachweis gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber Juden ebenso wie den Nicht-Juden, daß Juden in der Körperkraft und in der Fähigkeit zum allseitig gebildeten Menschen anderen Teilen der Bevölkerung nicht nachstehen; • Förderung des jüdischen Nationalbewußtseins.“131

Aus diesen genannten Punkten lässt sich klar die von Max Nordau geforderte Schaffung eines „Muskeljudentums“ herauslesen. Neben der Förderung des Selbstbewusstseins der Jüdinnen und Juden solle es auch eine kollektive Verbesserung des nationalen Bewusstseins der Juden als Gesamtheit geben. Ebenso soll mit der damalig vorherrschenden Stereotypisierung aufgeräumt werden, dass das jüdische Volk in ihren körperlichen Voraussetzungen anderen

129 Vgl. Bunzl, John; Hakoah Wien: Gedanken über eine Legende. In: Brenner, Michael; Reuveni, Gideon (Hrsg.); Emanzipation durch Muskelkraft. Juden und Sport in Europa. Göttingen 2006. S.111. 130 Bunzl, John (Hrsg.); Hoppauf HakoahS.18f. 131 Ebenda. 40

Kulturen und Religionen nicht unterlegen sei und die Juden als für den Sport ungeeignet gelten. Daneben sollte den jüdischen Bürgern eine Möglichkeit für die Ausübung ihrer sportlichen Betätigung gegeben werden, die ihnen durch den Arierparagraphen in zahlreichen Vereinen und den ihnen entgegengebrachten offenen und versteckten Antisemitismus genommen wurde.

Die Gründer der Hakoah haben sich entgegen der damals gelebten Tugenden der Sportvereine, die den Elitegedanken und damit die Heraussiebung der am besten geeigneten Sportler verfolgten, und für einen Massensportverein entschieden, um allen Juden, ob männlich oder weiblich, die Möglichkeit einer sportlichen Beschäftigung zu geben. Neben der sportlichen Komponente, bei der vor allem die Jugend mit neuer Stärke statt der Minderwertigkeit ausgestattet werden sollte, wurde auch die politische Komponente nicht außer Acht gelassen. Die Hakoah bekannte sich seit ihrer Gründung stets zum Zionismus und zum jüdischen Volkstum. So wurde auch durch Seminare und diverse Veranstaltungen die zionistische Idee weiterverbreitet und gefestigt.132

Die Gründungsphase des jüdischen Sportclubs Hakoah lief allerdings nicht friktionsfrei ab, was nur bedingt an der antisemitischen Stimmung dieser Zeit lag. Zwar gab es verbale Beschimpfungen gegnerischer Zuschauer sowie mehrmalig körperliche Angriffe durch Steinwürfe, viel mehr waren es ein Mix aus Interessenlosigkeit, Reserviertheit und Ablehnung aus der jüdischen Gemeinschaft Wiens. Durch die Teilnahmslosigkeit an den Vorhaben der Hakoah, vor allem der bürgerlichen Schicht, fehlte es an materieller wie auch moralischer Unterstützung, was sich anfänglich auch negativ auf den Zulauf von jugendlichen Mitgliedern auswirkte. Viele strenggläubige, orthodoxe Juden waren vom öffentlichen Bekenntnis zum Judentum und zum Zionismus irritiert und wollten in ihrer gewohnt angepassten Stellung der Wiener Gesellschaft verbleiben. Die Hakoah bekannte sich bewusst zur politischen Strömung des Zionismus, ganz im Gegenteil zu den ebenso jüdisch geprägten Wiener Amateuren, die sich als unpolitisch bezeichnen lassen. Durch die politische Dimension entwickelte sich ein Gefühl des Zusammenhalts bei der Hakoah, weshalb der Zulauf an jugendlichen Mitgliedern stärker wurde.133

Obwohl der Sportklub Hakoah innerhalb einer relativ kurzen Zeit über 1500 Mitglieder und eine große Zahl an Anhängern generieren konnte, kann die Hakoah nicht als alleiniger Repräsentant des jüdischen Sports betrachtet werden. In der Vereinigung des Jüdischen Turn- und Sportverbandes organisierten sich zahlreiche andere jüdische Turn- und Sportvereine in

132 Vgl. Lechner, Michael; „Wie vom anderen Stern“ – Jüdischer Fußball in Wien (1909-1938). S.28f. 133 Vgl. Ebenda. S.28-31. 41

Wien. Als ein Alleinstellungsmerkmal, das die Wiener Hakoah derart bekannt machte, ist die Öffentlichkeitsarbeit und die Repräsentation innerhalb der Wiener und nicht nur der jüdischen Gesellschaft anzusehen.134

Der Erfolg kann ebenso damit begründet werden, dass sich die Hakoah als ein Sportartenübergreifender Verein konzipierte. Neben der im nächsten Unterkapitel besprochenen Fußballsektion gründete sich 1911 die Leichtathletiksektion der Hakoah. Daneben wurden bis zum Kriegsbeginn 1914 noch die Sektionen Schwimmen, Ringen, Fechten, Hockey, und Wintersport & Tourismus ins Leben gerufen.135

Nicht nur auf sportlicher Ebene, sondern wie zu erahnen sein sollte auf allen Ebenen des damaligen Lebens, war der Erste Weltkrieg ein großer Einschnitt. Für die Hakoah bedeutete der Krieg beinahe die Einstellung des gesamten Spielbetriebs, da viele Mitglieder für den Kriegsdienst eingezogen wurden. Nach der Beendigung des Ersten Weltkriegs waren in kurzer Zeit wieder elf Sportsektionen installiert worden. Neben allen bereits vor dem Krieg bestehenden Sektionen kamen nun die Sportarten Handball, Tennis, Schach und Orchester hinzu.136

Prinzipiell war die Hakoah ein auf Basis jüdischer Identität und auf liberalen Prinzipien strukturierter Verein. Nichtjuden konnten nicht Mitglied des Vereins werden und wurden nur als Trainer zugelassen. Später allerdings, konnten jene, die den jüdischen Rahmen nicht ablehnten, Mitglieder der Hakoah werden, auch ohne ihre sonstigen politischen oder ideologischen Prinzipien über Bord zu werfen.137

Des Weiteren erwähnenswert ist der Umstand, dass sowohl Männer als auch Frauen in der Ausübung der verschiedenen Sportarten nicht eingeschränkt wurden, was am Beginn des 20. Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit darstellte. Durch die eher offene Vereinsgestaltung trat man auch allgemeinen Sportverbänden, wie etwa dem Österreichischen Fußballbund, bei, die nicht konfessionell beschränkt waren.138

134 Vgl. Bunzl; Hoppauf Hakoah. S.24-26. 135 Vgl. Ebenda. S.46. 136 Vgl. Löscher, Monika; „… aus den verlachten Judenjungen sind nun doch junge Juden geworden …“. Hakoah Wien und Bar Kochba Berlin – ein Vergleich. In: Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia (Hrsg.); „… mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck 2009. S.29. 137 Vgl. Bunzl, John; Hakoah Wien: Gedanken über eine Legende. S.115f. 138 Vgl. Lechner; „Wie vom anderen Stern“ S.33. 42

5.1.1. Der Sportklub Hakoah nach dem Anschluss Österreichs

Die Folgen des Einmarschs und Anschlusses waren für die jüdische Bevölkerung und ihre sportlichen Gewohnheiten enorm. Der gesamte Sport wurde neu organisiert. Erste Maßnahmen waren beispielsweise die Eingliederung der Sport- und Turnfront in den Deutschen Reichsbund für Leibesübungen, das Verbot von jüdischen Vereinen und der Ausschluss der jüdischen Bevölkerung von Schwimmbädern.139 Aber auch die nichtaktiven Funktionäre wurden ihren Positionen enthoben. Nach dem Anschluss wurden der Hakoah alle Sport- und Vereinsstätten entzogen sowie deren Vermögen auf die Makkabi Wien - Jüdischer Turn- und Sportverein, eine Zwangsvereinigung, in der alle jüdischen Sportvereine eingegliedert wurden, übertragen.140 Zugleich wurde ein sogenanntes Stillhalteabkommen beschlossen, sodass alle organisatorischen Tätigkeiten der Vereine zum Stillstand kommen, was einem Verbot des Vereinslebens gleichkam. Im Zuge der nationalsozialistischen Reorganisation verfügte der Stillhaltekommissar eine drastische Reduktion der über 600 Vereinigungen. Der Weiterbestand wurde vorerst nur zionistischen Vereinen gewährt, wie dies die Makkabi Wien war, da diese auf die Auswanderung der jüdischen Bevölkerung und die Errichtung eines jüdischen Staates abzielten. Mit den 1941 beginnenden Deportationen wurden schließlich alle jüdischen Organisationen aufgelöst.141 Neben den sportlichen Aktivitäten wurde auch das gesamte Vereinsleben unterbunden, wie auch die Vereinslokale beschlagnahmt. Gegen die Zahlung einer hohen Geldsumme an die Gestapo, wurde es der nun ehemaligen Hakoah ermöglicht, 144 der errungenen Pokale und Wimpel nach Israel zu schicken.142 Nach der finanziellen und materiellen Übergabe des Vermögens der Hakoah erging am 16. November 1938 der Antrag auf Vereinsauflösung. Nach der Löschung aus dem Vereinskataster wurde der Akt über die Auflösung der Hakoah am 19. März 1940 endgültig geschlossen.143

139 Vgl. Bunzl; Hoppauf Hakoah. S.23. 140 Vgl. John, Michael; „Körperlich ebenbürtig …“ Juden im österreichischen Fußballsport. In: Schulze- Marmeling, Dietrich (Hrsg.); Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball. Göttingen 2003. S.248f. 141 Vgl. Betz, Helene Susanne; Vgl. Betz, Helene Susanne; Von der Platzeröffnung bis zum Platzverlust. Die Geschichte der Hakoah Wien und ihrer Sportanlage in der Krieau 1919-1945. In: Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia (Hrsg.); „… mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck 2009. S.164. 142 Vgl. Ebenda. S.165f. 143 Vgl. Ebenda. S.166f. 43

5.1.2. Der SC Hakoah nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart

Trotz der widrigen Umstände während der Kriegsjahre kam der Sport in Wien nie gänzlich zum Erliegen. So kam es auch am 10. Juni 1945 zur Wiedergründung der Wiener Hakoah durch ehemalige noch in Wien lebende Mitglieder. Als erster Präsident der Nachkriegszeit wurde bei der konstituierenden Sitzung, in Anwesenheit von Vertretern der sowjetischen Alliierten Isaak Blumfeld gewählt. Als sein Vertreter agierte Dr. Hirschler, der die Sitzung leitete.144 Die Wiedergründung der Hakoah stellte nicht nur für den Verein selbst, sondern auch für die jüdische Community einen Hoffnungsschimmer nach dem Krieg dar, war sie doch die erste jüdische Einrichtung, die nach dem Krieg wiedergegründet wurde. Ihren vereinsrechtlichen Status erlangte die Hakoah allerdings erst 1946 mit dem Widerruf des Auflösungsbescheids wieder.145 Bereits vorweggenommen werden kann der Traum, den die (Wieder-)Gründer der Hakoah nach dem Zweiten Weltkrieg hatten, den SC Hakoah wieder zu einem Allroundsportverein gleicher Größe wie in der Zwischenkriegszeit zu machen. Allein durch die zahlenmäßige Verringerung waren derartige Vorhaben utopisch. Die Zahl der in Wien lebenden Juden hat sich zwischen den Vorkriegsjahren und denen danach drastisch reduziert. Von etwa 170.000 Menschen jüdischer Bevölkerung waren nur mehr um die 7.500 übriggeblieben, was sich klarerweise auch auf die Mitgliederzahl der Hakoah auswirkte. Während die Zahl der aktiven Sportler rund 2.000 betrug, waren es danach nur um die 300. Besonders besorgniserregend war die Zahl der nur noch um die hundert Nachwuchssportler über alle Sektionen hinweg.146 Aufgrund dessen und anderer Gründe war es für die damaligen Funktionäre nicht erstrebenswert gleich an frühere Erfolge anzuschließen, weshalb man sich auf die Grundaufgabe, die Verbesserung der körperlichen Verfassung von den nach dem Krieg in Wien befindlichen Jüdinnen und Juden beschränkte.

„… sie war der erste und einzige Sammelpunkt für all die Entwurzelten.“147 Mit diesen Worten unterstrich der Ehrenpräsident der Hakoah, Arthur Baar, anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Hakoah, die Bedeutung des Vereins in der Nachkriegszeit. Die Intention der Wiederbelebung der Hakoah war weniger die Anknüpfung an erfolgreiche Vorkriegsjahre, sondern viel mehr ein positives Signal des Weitermachens. Ein Signal an die vom Krieg

144 Vgl. Bunzl; Hoppauf Hakoah. S.141f. 145 Vgl. Lucas, Stefanie; „… der erste und einzige Sammelpunkt für all die Entwurzelten.“ Die Wiederbelebung der Hakoah in der ersten Nachkriegsdekade. In: Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia (Hrsg.); „… mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck 2009. S.185f. 146 Vgl. Bunzl; Hoppauf Hakoah. S.145f. 147 Lucas, Stefanie; „… der erste und einzige Sammelpunkt für all die Entwurzelten.“ S.201. 44

psychisch wie auch physisch geschädigte Bevölkerung, dass es ab jetzt bergauf ging. Durch die Hakoah konnte das Leid der Shoa und damit verbunden auch der teilweise Verlust der Familie oder Angehörigen ein wenig kompensiert werden.148

In einem Interview aus dem Jahr 1987 gibt der Ehrenpräsident Erich Sinai über die Entwicklungen der Hakoah nach Kriegsende Auskunft. Bereits nach dem Wiederaufbau des Sportclubs gab es, obwohl die Hakoah ein ausgewiesen jüdischer Verein ist, Aufnahmen nicht- jüdischer Vereinsmitglieder. Nach der Auflösung der Fußballsektion ist die Schwimmsektion die mitgliederstärkste. Ebenso gibt er an, dass es einerseits ein Überangebot an Freizeitaktivitäten für Kinder und Jugendliche gibt, andererseits gibt es am Ende der 90er-Jahre seiner Einschätzung nach 300-400 jüdische Jugendliche in Wien.149

Wie aus den vorangegangenen Ausführungen hervorgegangen ist und wie auch der Titel des Buchs zum 100-jährigen Jubiläum des SC Hakoah lautet, ist dieser für viele Jüdinnen und Juden mehr als ein Sportverein. Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde analysiert, welche Aufgaben die heutige Hakoah, neben der Möglichkeit zur sportlichen Betätigung zur Förderung der Gesundheit und des gesellschaftlichen Miteinanders, hat. Hierzu wurden Experteninterviews mit dem Hakoah-Präsidenten, Paul Haber, und dem Ehrenpräsidenten Erich Sinai und dessen Frau geführt. Die Ergebnisse über die Aufgaben und Ziele der Hakoah lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Ein Ziel sollte es sein, ein positives Bild des „Jüdischen“ zu vermitteln. Es soll ein positives Bild der jüdischen Kultur und der jüdischen Bevölkerung Wien vermittelt werden, das zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Juden beiträgt. Als zweites Ziel kann die Schaffung eines kulturellen Rahmens ausgemacht werden. Es soll ein Zugang zur jüdischen Kultur, auch für die nicht-jüdische Bevölkerung, ermöglicht werden. Des Weiteren soll die Hakoah eine integrative Wirkung innerhalb der jüdischen Gemeinde haben. Sie soll ein Treffpunkt für die heterogene jüdische Bevölkerung in Wien sein. Ein viertes Ziel wurde unabhängig von den Experteninterviews angeführt und fußt auf den Vereinszielen bei der 1909 erfolgten Gründung der Hakoah. So soll auch das alte Ziel, nämliche die Demonstration der körperlichen Leistungsfähigkeit erreicht werden. Die Hakoah soll die Möglichkeit bieten, die antisemitischen Vorurteile des körperlich nicht ebenbürtigen Juden auszuräumen. So solle dies im Rahmen von Wettkämpfen mit Erfolgen bewiesen werden.150

148 Vgl. Ebenda. 149 Vgl. Bunzl, John; Hoppauf Hakoah. S.159-161. 150 Vgl. Paulischin, Vincent; Identität und Sport. Die Bedeutung des SC Hakoah für seine Mitglieder heute. In: Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia (Hrsg.); „… mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck 2009. S.266-268. 45

Die heutige Hakoah unterhält mit den Sportarten , Bowling, Judo, Karate, Leichtathletik, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Ski & Touristik neun verschiedene Sektionen.151

Der wahrscheinlich wichtigste Meilenstein in jüngerer Vergangenheit, nicht nur für die Weiterführung des Sportbetriebs, sondern auch aus historischer und emotionaler Sicht, war die Eröffnung der S.C. Hakoah Karl Haber Sport- und Freizeitanlage. Damit wurde das von der Hakoah gepachtete Areal, welches ihr von den Nationalsozialisten 1938 entzogen wurde, wieder übergeben. Mit dem Tag der Eröffnung, dem 11. März 2008, genau 70 Jahre nach dem Anschluss, konnte auch den Schrecken des Hitler-Regimes und seiner traurigen Begleitumstände vor allem für die jüdische Bevölkerung gedacht werden. Die Inbetriebnahme der Sportanlage, welche neben multisportiven Außenanlagen auch über eine Sporthalle, Fitnessräumlichkeiten und ein Vereinsgebäude verfügt, bekam durch die Anwesenheit des damaligen Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer, des damaligen Wiener Bürgermeisters Michael Häupl und Mitgliedern der Israelitischen Kultusgemeinde einen besonderen Stellenwert.152

5.1.3. Die Heimstätten des SC Hakoah Wien

Die Anfänge der Hakoah spielten sich nördlich des Wiener Stadtzentrums im Bereich der Taborstraße, Augartenstraße und Rembrandtstraße ab. Allerdings müssen diese Fußballspiele gegen sogenannte wilde Klubs, die wie die Hakoah zu diesem Zeitpunkt noch nicht dem Fußballverband angehörten, sehr wild und chaotisch verlaufen sein, denn „Jeden Sonntag mussten die Torstangen, die in einer Fischerhütte aufbewahrt waren, zum Spielfeld getragen werden, das die Mitglieder mit Kalk und Bürste markierten.“153

Um dem gesamten Verein eine wirkliche Heimstätte zu geben, wurde anfangs der Trainingsplatz des Vienna Cricket and Football Clubs gemietet, ehe man sich im Bezirk Floridsdorf nach einer fixen Sportstätte umsah. Daraufhin wurde der Birner-Platz, benannt nach der Besitzerin des Grundstücks, der zwischen Schrebergärten und einem Mistablagerungsgebiet gelegen ist, langfristig angemietet. Wie bereits erwähnt, nahm die stetig wachsende Sportbegeisterung auch den Sportclub Hakoah nicht aus, was sich mit steigendem

151 Vgl. o.A. https://www.hakoah.at/sektionen [zuletzt abgerufen am: 29.09.2020]. 152 Feiger, Thomas; Vom Krieauer Sportplatz 1922 zum „S.C. Karl Haber Sport- und Freizeitzentrum“ 2008. In: Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia (Hrsg.); „… mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck 2009. S.320f. 153 Vgl. Baar, Arthur; 50 Jahre Hakoah Wien. Tel Aviv 1959. S.42. 46

Zuschauerinteresse an Hakoah-Spielen belegen lässt. So musste man sich, obwohl man den Birner-Platz renovierte und ihn mit Umkleidekabinen ausstattete, bald wieder auf die Suche nach einer neuen Heimstätte machen. 154

Der erste Blick für einen neuen Sportplatz der Hakoah fiel auf ein Grundstück nahe der Donaubrücke in Floridsdorf, das dem Donauregulierungsfonds gehörte. Diese war, unter anderem auch deswegen, weil ihnen die Hakoah zusicherte, dass ein nahegelegenes Gymnasium den Sportplatz mitbenutzen durfte, bereit, das Grundstück zu vermieten. Jedoch scheiterte dieses Projekt an der sozialdemokratischen Bezirksvertretung Floridsdorfs, da diese die Bodenständigkeit der Hakoah bemängelte und vergab es anderweitig. Neben der Hakoah suchten zu dieser Zeit zahlreiche Sportvereine eine Trainings- und Spielmöglichkeit. Die Hakoah hatte mehrere Wiesen im Prater im Auge, die allesamt dem gewünschten Ausmaß von circa 30.000 m2 entsprachen. Nach zähem Ringen bekam man gegen Ende des Jahres 1919 die Zustimmung, ein Areal zwischen der Krieau und dem Praterkai pachten zu können. In der Zeit von Mai 1921 bis in den Frühling des Folgejahres wurde die Sportanlage, die neben einem Fußballplatz, einem Handball- sowie Hockeyfeld, eine 400 Meter lange Laufbahn, einen Sprungplatz, sechs Tennisplätze, Garderoben samt Duschen, ein Buffet und Plätze für 20.000 bis 25.000 Zuschauer bietet, erbaut. Nach der Fertigstellung im April 1922 konnte das Stadion der Hakoah während der Pessach- und Osterfeiertage mit einem Fußballturnier feierlich eröffnet werden.155

Wie eindrucksvoll, und für diese Zeit von enormer Größe, das Hakoah Stadion war, geht aus dem Bericht des jüdischen Sportlers Felix Simmenauer hervor, der anlässlich des Makkabi- Turnfestes aus Berlin anreiste:

„Wie wir bei unserer Ankunft feststellten – vor Neid platzend, könnte man gut und gerne sagen, da wir in Berlin keinen eigenen Sportplatz hatten – verfügten die Hakoahner nicht nur über Sportplatz mit Aschebahn und grünem Fußballfeld in der Mitte, da stand eine Tribüne. Die 5.000 Sitzplätze umfasste und auf den terrassenförmigen Schrägen ringsum war Platz für zusätzliche 20.000 Zuschauer. […] Sorgen dieser [finanziellen] Art hatte die Hakoah nicht. Der Erlös der Eintrittskarten zu den Spielen ihrer berühmten Fußballmannschaft füllte allemal ihre Vereinskasse; außerdem verfügte der Club über eine verlässliche Zahl großzügiger Mäzene.“156

154 Vgl. Ebenda. S.34f. 155 Vgl. Betz, Helene Susanne; Von der Platzeröffnung bis zum Platzverlust. S.151-155. 156 Ebenda, S.156. 47

5.1.4. Die Fußballsektion des Sportklub Hakoah

Im Gründungsaufruf als erstgenannte Sportart kommt der Fußballsektion innerhalb der Hakoah eine besondere Stellung zu, wie sich im Laufe dieses Kapitels noch zeigen wird.

Um den Jahreswechsel 1909 auf 1910 folgte das Ansuchen auf die Aufnahme in den Fußballverband. Bedingungen hierfür waren eine polizeiliche Meldung, eine mit allen zum Sport benötigten Utensilien ausgerüstete Mannschaft sowie ein Protokoll der Generalversammlung mit den Namen der gewählten Ausschussmitglieder. Damit durfte der Verein in der viertklassigen Leistungsstufe, der II-C-Klasse, einsteigen.157

Bereits in der ersten Saison die die Fußballsektion in einem Meisterschaftsbetrieb bestritt, stellten sich erste Erfolge ein. Durch die zionistische Prägung verließen viele jüdische Fußballer ihren ursprünglichen Verein und wechselten zur Hakoah, die aus einem großen Pool talentierter Fußballer schöpfen konnte, weshalb 1911 auch der Aufstieg in die dritte Leistungsstufe gelang. Nach einem weiteren Aufstieg in der Saison 1912/13 in die zweite Klasse, verpasste man in der darauffolgenden Saison den abermaligen Aufstieg nur knapp. Wie bereits erwähnt, stellte der Erste Weltkrieg eine Zäsur für den gesamten Sportbetrieb der Hakoah dar. Davon betroffen waren nicht nur die sportlichen Ambitionen, sondern auch die finanziellen Rahmenbedingungen verschlechterten sich für den Verein in dieser Zeit. Da man von den im Kriegsdienst befindlichen Mitgliedern keine Beiträge einheben wollte und die Jugendlichen im Verein nicht die nötige Summe aufbringen konnten, mussten die Funktionäre anderweitig versuchen Geld aufzutreiben, um die Miete für den damaligen Sportplatz aufzutreiben, was ihnen auch gelang. Aus Eigeninitiative einiger Mitglieder wurde ein Kriegsausschuss eingerichtet, der die an den Fronten stationierten Hakoahner mit den „Hakoah-Nachrichten“ versorgte. Dadurch konnte das Zusammengehörigkeitsgefühl des Vereins weiter gestärkt werden. Des Weiteren konnte man dadurch nach dem Krieg eine große Anzahl an neuen Mitgliedern lukrieren.158

Die nach dem Krieg folgende Meisterschaftssaison 1919/20 konnte von der Hakoah erfolgreich gestaltet werden, was den erstmaligen Aufstieg in die höchste österreichische Spielklasse bedeutete. Die Leistungen in den nachfolgenden Saisonen waren mit dem vierten Platz, dem zweiten Endrang und dem siebenten Platz 1922/23 wechselhaft. Die nächste Saison konnte die Hakoah trotz der internationalen Erfolge, auf die ich anschließend eingehen werde, nur auf dem

157 Vgl. Lechner; „Wie vom anderen Stern. S.34. 158 Vgl. Ebenda. S.46-48. 48

sechsten Rang beenden, was zu einer gewissen Unzufriedenheit führte. Doch diese Unzufriedenheit sollte bald dem erfolgreichsten Jahr der Vereinsgeschichte weichen, denn der SC Hakoah wurde österreichischer Fußballmeister der Saison 1924/25.159 In einem Kommentar der klubeigenen Zeitschrift war zum Meistertitel folgendes zu lesen:

„Dies sei‚ die Führung des klarsten Beweises, dass wir Juden auch körperlich jedem anderen Volke ebenbürtig sind.‘ Der Erfolg […] ‚wird erst von Späterlebenden voll erkannt […] Zum ersten Male gelang es Juden, auch in der schwersten sportlichen Disziplin zu siegen.‘“160

Des Weiteren verkündete die Zeitschrift „Jüdischer Sport“ anlässlich der Erfolge der Hakoah und des Internationalen Zionistenkongresses: „Aus den verlachten Judenjungen sind nun doch junge Juden geworden.“161

Hierbei ist anzumerken, dass es sich zwar um die österreichische Meisterschaft handelte, eigentlich aber nur Mannschaften aus Wien und der nahen Umgebung in der höchsten Spielklasse zugegen waren.

Fast noch mehr Bedeutung und Aufsehen als mit dem österreichischen Fußballmeistertitel erreichten die Kicker des SC Hakoah Wien mit ihren internationalen Auftritten. Nach dem Aufstieg in die erste Liga trat man eine Reise nach Nord- und Ostdeutschland an. Nach Siegen gegen die in Leipzig, Zwickau, Dresden und Plauen ansässigen Vereine kam es beim Spiel in Chemnitz zu einem Zwischenfall mit einem Schiedsrichter, der eindeutig eine antisemitische Haltung vertrat und die Zuschauer zu gewalttätigen Handlungen gegen die Österreicher aufforderte. Nach einem ähnlichen Vorfall und einer Niederlage gegen den Altonaer Sportverein aus Hamburg konnten die Spiele gegen Mannschaften aus Hannover und Braunschwieg siegreich gestaltet werden. Zu einem weiteren Besuch wurde die Hakoah am Silvestertag 1922 nach Frankfurt eingeladen, um gegen die dortige Eintracht ein Freundschaftsspiel zu bestreiten. Hierbei wurde die Hakoah besonders für ihre gepflegte und technisch versierte Art des Fußballspielens gelobt.162

Den bedeutsamsten internationalen Erfolg konnte die Hakoah gegen den englischen Pokalfinalisten West Ham United im Mai und September 1923 feiern. Es kam bereits einer Sensation gleich, dass die Mannschaft aus dem Königreich die Einladung der Hakoah annahm,

159 Vgl. Ebenda. S.49-61. 160 John, Michael; „Körperlich ebenbürtig …“ S.238. 161 Ebenda. 162 Vgl. Bunzl, John; Hoppauf Hakoah. S. 66f. 49

denn es war britischen Mannschaften nach dem Ersten Weltkrieg nicht erlaubt, in verfeindeten Ländern Spiele auszutragen. Die erste Begegnung auf der Hohen Warte in Wien fand vor mehr als 40.000 Zuschauern statt und endete mit einem 1:1 Unentschieden. Da sich die Hakoah- Mannschaft sehr gastfreundlich zeigte, wurde sie im Herbst für ein Rückspiel eingeladen. Vor einer ähnlichen Zuschauerkulisse konnten die Wiener sensationell mit 5:0 gewinnen. Im Nachgang der Partie sollte der Hakoah Präsident Dr. Körner diesen Tag als erfolgreichsten in der Vereinsgeschichte bezeichnen.163

Die weitesten und zugleich auch beeindruckendsten Reisen, wie aus verschiedenen Berichten von Zeitungen und Spielern hervorgeht, waren jene in die USA im Frühjahr 1926 und im Jahr darauf. Dabei wurden die Hakoahner nicht nur vom New Yorker Bürgermeister, sondern auch vom damaligen US-Präsidenten Calvin Coolidge zu einem Empfang eingeladen. Neben der Anerkennung durch die politischen Würdenträger, wurde die Hakoah auch von der Bevölkerung begeistert empfangen. Einerseits aufgrund des Umstands, dass New York damals, und auch in der Gegenwart, die größte jüdische Gemeinschaft weltweit beheimatet. Viele der dort lebenden jüdischen Gemeinden sind selbst nach dem Krieg in die USA immigriert oder Nachfahren europäischer Migranten. Andererseits waren die insgesamt zehn ausgetragenen Spiele 1926 professionell organisierte Events mit Showcharakter.164 Bei diesem Gastspiel der Hakoah gegen die New York Stars wurde mit 46.000 Zuschauern ein Rekord für Fußballspiele in den USA aufgestellt, der erst 1977 bei einem Spiel der Cosmos New York, mit den auch abseits des Fußballs bekannten Persönlichkeiten Pelé und Franz Beckenbauer, gebrochen wurden.165

So beträchtlich der Imagegewinn durch die USA-Tournee auch war, so beträchtlich war auch der Verlust für die Hakoah. Allerdings handelt es sich um keinen finanziellen Schaden, sondern um einen personellen. Neben der allgemeinen Bewunderung die dem Club zufiel, wurden auch die ausnahmslos jüdischen Spieler bewundert. Zu dieser Zeit waren mitteleuropäische Spieler, vor allem aus der ehemaligen Donaumonarchie, Italien und England, das Maß aller Dinge im Fußballsport.166 So verließen die Hakoah nach der Reise in die USA insgesamt 15 Spieler, die von ihren neuen Vereinen lukrativ entlohnt wurden. Neben den Löhnen ihrer Vereine verdienten sich einige Spielern einen Nebenverdienst mit Auftritten bei showähnlichen

163 Vgl. Lechner; „Wie vom anderen Stern.“ S.52f. 164 Vgl. Hachleitner, Bernhard; Bannerträger jüdischer Stärke. Die Wiener Hakoah als Vorbild für hunderte Vereine in aller Welt. In: Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia (Hrsg.); „… mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck 2009. S.136. 165 Vgl. Bunzl, John; Hoppauf Hakoah. S.66. 166 Vgl. Ebenda. S.67. 50

Veranstaltungen. So war der größte internationale Erfolg der Anfang vom Ende für die erfolgreichste Hakoah Sportsektion.167 Insgesamt unternahm die Mannschaft der Hakoah zwischen 1913 und 1936 22 Reisen, um Spiele gegen andere Mannschaften zu bestreiten. Diese Gastspiele, in manchen Fällen ganze Tourneen, führte den jüdischen Sportverein in über 20 Staaten.168

An die großen nationalen und internationalen Erfolge konnte die Hakoah Wien nach ihrer zweiten USA-Reise nicht mehr anschließen. Während man in der Saison 1926/27 noch den neunten Platz unter 13 Mannschaften belegte, folgte mit dem vorletzten Endrang in der folgenden Saison der Abstieg aus der höchsten Spielklasse. Trotz der vielen jungen, talentierten Spieler wollte man mit dem Zukauf von Legionären so bald als möglich wieder in der obersten Liga mitspielen, was auch gelang. Durch diese kurzfristige Planung konnte allerdings kein langfristiger Erfolg aufgebaut werden. Somit stieg man nach nur einer Saison in der Erstklassigkeit wieder in die zweite Liga ab. Mit dem abermaligen Aufstieg in der Saison 1930/31, sehr wechselhaften Leistungen in der ersten Liga und dem Abstieg 1937 konnte die Hakoah endgültig als Fahrstuhlmannschaft169 bezeichnet werden. In der im Nachgang gesehen letzten Saison der Hakoah konnte man sich für den Wiederaufstieg rüsten. Das letzte Spiel der Hakoah sollte am 7. März 1938 das 2:2 Unentschieden gegen Straßenbahn sein. Durch den Einmarsch der Hitler-Truppen konnte das Fußballcupspiel gegen Simmering nicht mehr stattfinden.170 Alle bis dahin erzielten Ergebnisse der Hakoah wurden für ungültig erklärt und annulliert. In einer Ligaversammlung wurde dies auch für den Fußball beschlossen. Alle anderen in der gleichen Liga befindlichen Vereine begründeten dies damit, dass durch die weitere Berücksichtigung der Hakoah-Ergebnisse „der Würde der nationalsozialistischen Sportler nicht entsprochen“171 werde.172

Der Sportplatz der Hakoah in der Krieau wurde der SS-Standarte 90 zugewiesen, das Stadion im Wiener Prater wurde von der Wehrmacht Anfang März 1938 beschlagnahmt und in eine Kaserne und ein Anhaltelager umgebaut.173

167 Vgl. Hachleitner; Bannerträger jüdischer Stärke. S.137f. 168 Vgl. Bunzl; Hoppauf Hakoah. S.65. 169 Als Fahrstuhlmannschaft werden Sportvereine bezeichnet, die häufig und in relativ kurzer Zeit, durch Auf- oder Abstiege, in verschiedenen Spielklassen oder Ligen spielen. 170 Vgl. Lechner; „Wie vom anderen Stern.“ S.70-73. 171 Ebenda. S.97 172 Vgl. Ebenda. S.97. 173 Vgl. Ebenda. S.96 51

Aus heutiger Sicht betrachtet hatte der SC Hakoah aus Wien eine große jüdische Sportbewegung weltweit ausgelöst. Dazu trug besonders die erfolgreiche Fußballmannschaft ihren Teil bei. Durch ihre Tourneen und Reisen wurde die Idee eines zionistischen Sportvereins in die Welt getragen. Davon zeugen hunderte von Vereinen, die den Namen Hakoah trugen. Vor allem der Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland zwang viele Hakoahner auszuwandern. Es waren zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach sie, die einen gesellschaftlichen und sportlichen Treffpunkt für Auswanderer bildeten. In den USA, ausgehend von den Gastspielen der Wiener Hakoah 1926 und 1927, waren Hakoah- Mannschaften in den diversen Ligen äußerst erfolgreich. Bis zu einer anfänglichen Professionalisierung des Fußballs in Nordamerika waren Mannschaften von europäischen Einwanderern tonangebend. Beispielsweise gewann die New York Hakoah die Meisterschaft der American Soccer League 1959 vor den Ukrainian Nationals, den Uhrik Truckers und den Italians. Aber auch am australischen Kontinent, nahm der Fußball eine ähnliche Entwicklung wie in Nordamerika, wenn auch zeitlich etwas versetzt. So waren aber auch hier in den 50er- und 60er-Jahren die Hakoah Melbourne und die Hakoah Sydney erfolgreiche Mannschaften. Die Hakoah Mannschaften verteilten sich quer über den Erdball, wie der Club Nauticó Hacoja aus Argentinien, der FC Hakoah Zürich oder der schwedische Verein Hakoah SK zeigen. Bis in die Gegenwart konnten sich die wenigsten Ableger der Wiener Hakoah halten.174

5.1.4.1. Die Fußballsektion des SC Hakoah nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Fußballsektion der Hakoah war nicht nur die erfolgreichste und bekannteste vor dem Krieg, sie war auch die erste Sportart, die danach wieder betrieben wurde. Gemäß ihrer Ligazugehörigkeit vor dem Krieg, spielte die Fußballmannschaft der Hakoah in der zweiten Leistungsstufe. Zum damaligen Zeitpunkt spielten viele „Displaced Persons“, die auf eine Einreise nach Palästina warteten, bei der Hakoah. Mit der Gründung des Staates Israel 1948 verließen diese Wien und brachten die Hakoah in personelle Schwierigkeiten, weshalb im Vorstand entschieden wurde, auch mit nichtjüdischen Spielern anzutreten, was zu Meinungsverschiedenheiten im Vorstand führte. Vor allem Präsident Hirschler kritisierte, dass „das jüdische Selbstverständnis des Vereins zugunsten sportlicher Erfolge hintangestellt

174 Vgl. Hachleitner; Bannerträger jüdischer Stärke. S.140-147. 52

wurde“.175 Daraufhin wurde die Fußballsektion der Hakoah vom restlichen Verein gänzlich ausgegliedert.176 1950 gründete sich der eigenständige Verein AC Hakoah-Freunde, mit dem Ziel eine ausschließlich jüdische Mannschaft zu stellen und die Wiedervereinigung mit dem Stammverein zu ermöglichen, was allerdings misslang. Während die Hakoah-Freunde sich 1953 mit dem SC Mariahilf fusionierten, konnte der SC Hakoah keine eigene Fußballsektion aufbauen, weshalb die nationalen wie auch internationalen Erfolge aus Zwischenkriegszeit Vergangenheit blieben.177

5.1.5. Professionalismus im Fußball

Österreich war in den 1920er- und 1930er-Jahren mittonangebend im weltweiten Fußballsport. Das lässt sich nicht nur aus der sportlichen Perspektive so betrachten, sondern auch aus der finanziellen. Denn Österreich war nach England, wo es den Profifußball bereits am Ende des 19. Jahrhunderts gegeben hat, eines der ersten Länder am europäischen Festland, das den Professionalismus im Fußball einführte. Dies beendete den scheinbar noch bestehenden Amateurfußball, der auch aufgrund der ausufernden Bezahlung der Spieler nicht mehr wirklich existierte.178 Besonders die Sozialdemokraten waren ein großer Gegner des professionellen Sporttums, da ihrer Meinung nach der Sport als Massen- und Volkssport betrieben werden sollte und nicht vom Leistungsgedanken geprägt werden dürfte. Auch innerhalb der Hakoah war der Gedanke einer Ausgliederung der Fußballsektion umstritten. Besonders der damalige Präsident der Hakoah, Dr. Körner bedauerte seine Zustimmung zum Professionalismus, da dieser keine Rechtfertigung mit den eigenen Vereinszielen zulassen würde.179

Mit der Machtübernahme Hitlers war auch der seit 1924 offiziell erlaubte Profifußball in Österreich Geschichte. Alle Verträge wurden gekündigt, da die Nationalsozialisten den bezahlten Fußball als eine Unart des Jüdischen ansahen. Ebenso mussten alle Berufsfußballer in bürgerliche Berufe eintreten. Das Ende des Profifußballs bedeutete aber nicht das Ende des Fußballs oder einer Fußballmeisterschaft. Diese wurde umstrukturiert und in Bereichsklasse Ostmark umbenannt. Nachdem in der ersten österreichischen Fußballliga nur Vereine aus Wien

175 Lucas, Stefanie; „… der erste und einzige Sammelpunkt für all die Entwurzelten.“ S.189. 176 Vgl. John, Michael; „Körperlich ebenbürtig …“ S.252f. 177 Vgl. Lucas, Stefanie; „… der erste und einzige Sammelpunkt für all die Entwurzelten.“ S.189. 178 Vgl. Schölnberger, Pia; Die Hakoah in der medialen Tagesberichterstattung 1920 bis 1928. In: Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia (Hrsg.); „… mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck 2009. S.98. 179 Vgl. Bunzl, John; Hoppauf Hakoah. S.54f. 53

oder dem Umland teilnahmen, waren nun Vereine aus allen Bundesländern zugelassen. Die organisatorische Struktur der deutschen Fußballmeisterschaft sah vor, dass bis zum 20. März in jedem der 16 Reichsgaue eine separate Meisterschaft ausgespielt wird. Danach spielen sich diese Gaumeister in Hin- und Rückspielen sowie im KO-System den deutschen Meistertitel aus. Deshalb konnte bis dato mit Rapid Wien 1941 ein nicht-deutscher Verein den deutschen Meistertitel erringen.180

5.1.6. Antisemitismus gegen den SC Hakoah

Der aufkommende Antisemitismus in den 1920er-Jahren wurde auch für die Hakoah aufgrund mehrerer Angriffe zu einem Problem. Am Beginn der Zwischenkriegszeit waren die diversen antisemitischen Beschimpfungen und Vorfälle gegen Hakoah-Mitglieder weder geplant noch organisiert. Mit Beginn der 30er-Jahre, in denen die Weltwirtschaftskrise ihren Lauf nahm, kam es vermehrt zu planmäßigen antisemitischen Angriffen, die auch von körperlicher Natur waren. Besonders die Schwimmsektion der Hakoah war antisemitischen Vorfällen jeglicher Art ausgesetzt. Zwei Vorfälle sind hierbei zu erwähnen. Nach antisemitischen Angriffen bei den Schwimmmeisterschaften 1931 in Linz kam es auch im Jahr darauf beim Stromschwimmen in Krems zu gezielten Attacken. Bei zweiterer wurden die Schwimmer der Hakoah mit den Worten „Saujuden“ und „Juda verrecke“ beschimpft. Ebenso wurden deren Autos mit rotem Eisenlack übergossen. Der Hakoah-Schwimmer Fritz Lichtenstein wurde vor den Augen einer 13-jährigen Klubkollegin niedergeschlagen und mit Steinen beworfen. Die Hakoah-Sportler waren aber auch sportlicher Schikane ausgesetzt. So wurden alle ihre bei diesem Wettkampf erschwommenen Siege aufgrund eines angeblichen Formalfehlers nichtig gemacht.181

5.2. Hakoah Graz

Neben der österreichweit bekannten und wegen ihrer nationalen und international gefeierten Erfolge der Hakoah Wien, gab es auch andernorts in Österreich Vereine der Hakoah. Die Hakoah in der steirischen Landeshauptstadt war sowohl zeitlich als auch von ihrer Mitgliederstärke die zweite hinter ihrem Stammverein in Wien. Fast zehn Jahre nach der

180 Vgl. Lechner, Michael; „Wie vom anderen Stern.“ S.101. 181 Vgl. Betz, Helene Susanne; Von der Platzeröffnung bis zum Platzverlust. S.160f. 54

Hakoah Wien, wurde am 3. April 1919 die Hakoah Graz von den Brüdern Nikolaus und Milan Freiberger gegründet.182

In der jüdischen Gemeinde wurde das Vorhaben der Gründung eines jüdischen Sportvereins beim zehnjährigen Jubiläum folgendermaßen beschrieben:

„in allen Sportkreisen Steiermarks mit geringschätzigem Achselzucke abgetan und der Neugründung ein baldiges Ende prophezeit. Auch in der jüdischen Gemeinde fan die Hakoah sehr geteilte Aufnahme. Begeistert war vor allem die Jugend […]. Weniger begeistert waren die älteren Jahrgänge. Der Wunsch, auch weiterhin mir in der Masse der Bevölkerung unterzutauchen und als Juden so wenig als möglich vor die Oeffentlichkeit zu treten […].“183

Die ersten Sektionen, in denen bei der Hakoah Graz Sport betrieben wurde, waren die Fußball- und Leichtathletiksektion. Bis Mitte der 1920er kamen mit Fechten, Schwerathletik, Turnen, Wintersport, Kultur, Schach, Boxen, Handball, Schwimmen und Tennis zehn weitere hinzu.184

Als einen Grund für den raschen Erfolg der Hakoah Graz im Ringen um Beliebtheit und Mitglieder mit dem Jüdischen Turnverein Makkabi Graz, kann, neben der allgemein wachsenden Sportbegeisterung und speziell der im Fußball, auch in einer Statutenänderung gesehen werden. Bei der Generalversammlung am Beginn des Jahres 1922 wurden die Bestimmungen dahingehend geändert, dass offiziell alle zionistischen und nationaljüdischen Tendenzen vermieden werden, um ein Verein zu sein, der für alle politischen Richtungen im Judentum offensteht.185

Ähnlich ihrem Wiener Pendant erlebte die Hakoah Graz in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts ihre Blütezeit. Neben antisemitischen Beschimpfungen seitens der gegnerischen Zuschauer hatte die Hakoah auch mit Vandalismus auf ihrem Sportplatz zu kämpfen. Als man im Begriff war, in der ersten steirischen Fußballliga teilzunehmen, wurde dies seitens des GAK und des Leobener Sportvereins versucht zu verhindern. Nur der damalige steirische Meister F.C. Sturm (heute: SK Sturm Graz), unterstützte das Aufstiegsvorhaben der Hakoah. Während der Leobener Sportverein weiterhin stur Spiele gegen den jüdischen Verein boykottierte, und aus dem Verband austrat, lenkte der GAK schlussendlich doch ein und verblieb in der

182 Vgl. Halbrainer, Heimo; „Keine ausschließliche Turn- und Sportbewegung.“ Jüdischer Sport in der Steiermark am Beispiel des Jüdischen Turnvereins „Makkabi“ und der „Hakoah“. In: Gerald Lamprecht (Hrsg.); Jüdisches Leben in der Steiermark. Marginalisierung – Auslöschung – Annäherung. Innsbruck 2004. S. 178. 183 Mayer, Thomas; Orte der Begegnung und des Kampfes. Hakoah in den Bundesländern. In: Betz, Susanne Helene; Löscher, Monika; Schölnberger, Pia (Hrsg.); „… mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck 2009. S.48f. 184 Vgl. Ebenda. S.48-56. 185 Vgl. Halbrainer, Heimo; „Keine ausschließliche Turn- und Sportbewegung.“ S. 179. 55

Meisterschaft. Die Hakoah war zwischen der Mitte und dem Ende der 1920er-Jahre, zusammen mit den beiden genannten Vereinen aus der steiermärkischen Landeshauptstadt, die beste Amateurmannschaft Österreichs und bewegte sich auf dem ungefähren Leistungsniveau der im Mittelfeld der ersten Liga platzierten Wiener Profimannschaften. Der leistungsmäßige Einbruch der Hakoah kam mit Ende des Pachtvertrags für ihren Sportplatz, der Abwanderung junger, talentierter Spieler und dem damit verbundenen Abstieg in die zweite Liga 1935. Das zwangsläufige Ende kam für die Hakoah Graz mit dem Anschluss im März 1938. Auf Anweisung der Gestapo Graz mussten sie ihren sportlichen Betrieb einstellen und wurden am 14. November 1938 offiziell aufgelöst.186

Neben der Hakoah Wien und der Hakoah Graz gab es ebenso in Leoben, Innsbruck und Linz Ableger des zionistischen Sportvereins.187

5.3. Austria Wien – Judenklub?

Wie in der Einleitung des Kapitels erwähnt, gab es neben der explizit jüdisch ausgerichteten Hakoah noch die Wiener Amateure, die als Judenklub bekannt war. Heute ist dieser Verein als F.K. Austria Wien bekannt und noch immer als Judenklub geltend.

Entstanden ist der Verein Austria Wien aus einer Abspaltung der Fußballsektion des Vienna Cricket Club 1911. Damals noch nannte sich dieser Fußballverein Wiener Amateur Sportverein, kurz, die Amateure. Der erste Präsident war der assimilierte Wiener Jude, Erwin Müller. Im November 1926 folgte dann die Umbenennung in F.K. Austria Wien. Den Ruf als Judenklub bekam dieser Verein bereits in seiner Anfangszeit verliehen. Grund dafür waren viele jüdisch- stämmige Spieler und noch mehr Funktionäre. Den Verein unterstützten vor allem liberale Bürger und zahlreiche Intellektuelle. So unterschied sich auch die Klientel der beiden Judenklubs in Wien. Während sich die Amateure/Austria Wien mehrheitlich auf das eingesessene Wiener Judentum, das auch Geschäftsleute aus der Innenstadt enthielt, stützte, wurde die Hakoah eher von osteuropäischen, jüdischen Zuwanderern unterstützt.188 Neben verbalen Scharmützeln zwischen den Zuschauern gab es allerdings wenig Berührungspunkte. „Und – wenn Hakoah gegen Amateure gespielt hat, da war immer Rivalität. Da ist es auf der

186 Vgl. Ebenda. S.48-56. 187 Vgl. Ebenda. S.48. 188 Vgl. John, Michael; „Körperlich ebenbürtig …“ S.237f. 56

Tribüne zugegangen, da sind Juden gesessen, dort Juden, es ist vorgekommen, dass sie sich gegenseitig geschimpft haben.“189

Bis heute noch bergen die Duelle der beiden größten und erfolgreichsten Klubs aus Wien, der Wiener Austria und Rapid Wien enorme Brisanz. Diese Rivalität war bereits vor 100 Jahren nicht anders. Neben den der Austria zugeschriebenen Eigenschaften des liberalen, bürgerlichen Innenstadtklubs, wird Rapid Wien als ein bodenständiger Arbeiterklub vom Stadtrand charakterisiert und beschrieben. Diese Beschreibung soll sich auch in der Spielform der beiden Vereine widergespiegelt haben. Während sich die Austria dem technisch versierten Fußballspiel verschrieben hat, soll Rapid eher durch Kampfgeist und Siegeswillen zu den Erfolgen gekommen sein.190 Ebenso bezeichnete man Rapid als „Vorstadtklub im besten Sinn“,191 während die Amateure/Austria als „Team des Gagenfußballs benebelt vom stickigen Kaffeehausdunst“192 bezeichnet wurden. Dies rührt aus dem Umstand her, dass die Austria am Beginn ihrer Zeit quasi „heimatlos“ war und ihr Sekretariat oft in Kaffeehäusern einquartierte. Im heutigen modernen Fußball können diese Attribute nicht mehr gelten, auch wenn sie oftmals von den Medien und den Fans in passenden Momenten hervorgekramt werden.

Die Unterschiede und zugewiesenen Eigenschaften waren bereits vor ihrem Auftreten in den beiden größten Wiener Fußballklubs im kulturellen Bereich existent. So wurde die kulturelle Zusammensetzung Wiens mit den Gegensätzen Zentrum und Vorstadt, elitäre und populäre Kultur sowie Schriftlichkeit und Oralität beschrieben. Hierbei tritt die jüdische Bevölkerung vor allem mit textlichen Beiträgen am Ende des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts zur Eliten- und bürgerlichen Kultur in Erscheinung.193

„Im Profibereich ist es in Österreich so, dass [es] nach 1945 kaum noch Juden gegeben hat, das heißt, da findet das eher auf einer symbolischen Ebene statt, wo es halt bestimmte, ja Selbstbilder oder kulturelle Zuschreibungen gibt, an einzelne Klubs. Und im Zuge dessen gibt es im Prinzip einen Verein, der so als jüdisch etikettiert wird. […] Das ist die Wiener Austria. Da gibt’s, […] immer wieder, bis heute, […] Sprechchöre, die halt darauf Bezug nehmen und wo halt klar ist, es ist halt etwas, was negativ besetzt ist.“194

189 Ebenda. S.236. 190 Vgl. Lechner; „Wie vom anderen Stern“ S.83. 191 John, Michael; „Körperlich ebenbürtig …“ S.237f. 192 Ebenda. 193 Vgl. Rosenberger Jakob; Spitaler Georg; Performative jüdische Identitäten im Wiener Fußball der Zwischenkriegszeit. Das Beispiel des Sportklub Rapid. In: Hödl, Klaus (Hrsg.); Nicht nur Bildung, nicht nur Bürger. Juden in der Populärkultur. Innsbruck 2013. S.63. 194 Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. S.406. 57

Wenn man auf die Vergangenheit der beiden Vereine aus heutiger Sicht zurückblickt, kann gesagt werden, dass Behauptungen, dass die Austria der Judenverein und Rapid „stets ein arisch geführter Verein“195 war, teilweise falsifiziert werden können. Einerseits bestand beim „Arbeiterklub“ Rapid keine institutionelle Bindung zur organisierten Arbeiterbewegung in Österreich und ihre Funktionäre stammten aus den lokalen Kleinunternehmen, waren Angestellte oder städtische Beamte und Journalisten. Ebenso bekannte man sich zum Profitum, welches die Nationalsozialisten später als jüdisch bezeichneten. Andererseits stimmt die These des arischen Fußballvereins Rapid dahingehend nicht, da sich jüdische Funktionäre und Spieler im Verein befanden.196 Unter ihnen war Wilhelm Goldschmidt, der 1899 den Antrag eingebracht hat den 1. Wiener Arbeiter Fußball-Club in Sportklub Rapid umzubenennen, und somit quasi der Namensgeber für den heutigen Verein ist. Allerdings wurde er, wie auch andere Spieler von den Nazis ermordet. Als Präsident standen dem SK Rapid in den 20er-Jahren Hans Fischer und Leo Deutsch vor, die aus jüdischen Familien stammten.197

Was in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen werden darf, ist der Umstand, dass etwa die Hälfte der Rapid-Funktionäre in den Jahren des Zweiten Weltkriegs Mitglieder der NSDAP waren, während es davor nur deren zwei waren. Nach dem Ende des Kriegs gaben viele der Funktionäre an, ihre Mitgliedschaft solle sie vor persönlichen und beruflichen Konsequenzen fernhalten und den Verein schützen. Unter den circa 14 Spielern zwischen 1938 und 1945 gab es keinen, der Mitglied der NSDAP war.198

Nicht nur aus dem Fanlager gab es immer wieder über antisemitische Vorfälle zu berichten. Auch von prominenter Seite wurde dieses Feuer der Ablehnung nicht ausgelöscht, sondern wieder entfacht. Dem Mitglied der Jahrhundertelf und Jahrhundertspieler von Rapid, Hans Krankl, soll nach einem Derbysieg seines Vereins gegen die Wiener Austria folgendes gesagt haben: „Heute hamms den Judenbuam gegeben!“ Für diesen Satz entschuldigte er sich später wieder.199

195 Wieselberg, Lukas; Rapid unter dem Hakenkreuz. 08.03.2011. URL: https://sciencev2.orf.at/stories/1678035/index.html. [zuletzt abgerufen am: 05.10.2020]. 196 Vgl. Rosenberger Jakob; Spitaler Georg; Performative jüdische Identitäten im Wiener Fußball der Zwischenkriegszeit. S.65-68. 197 Vgl. Wieselberg, Lukas; Rapid unter dem Hakenkreuz. [zuletzt abgerufen am: 05.10.2020]. 198 Vgl. Ebenda. 199 Vgl. Vogl, Gerhard; Wortgefechte. Sprachliche Gemeinheiten aus Politik, Kunst, Wirtschaft und Sport. Wien 2013. In: URL: https://books.google.at/books?id=DDZ3DwAAQBAJ&pg=PT75&dq=heut+hammas+den+judenbuam+gegeben &hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiY_N7gvqftAhUHiYsKHSb- AGcQ6AEwAHoECAAQAg#v=onepage&q=heut%20hammas%20den%20judenbuam%20gegeben&f=false. [zuletzt abgerufen am: 05.10.2020]. 58

In jüngerer Vergangenheit gab es ebenfalls antisemitische Vorfälle rund um Austria Wien. Um die Jahrtausendwende begann der austro-kanadische Großindustrielle Frank Stronach Austria finanziell massiv zu unterstützen. In einem Interview wird beschrieben, wie dieser einige Klischees, die auch über Juden verbreitet werden, erfüllen würde. So wurde ein Davidstern auf die Fassade des Austria Wien-Stadions gesprüht, und mit dem Spruch „Franz Strohsacksynagoge“ versehen. Der Investor hieß ursprünglich Franz Strohsack, lies dann aber seinen Namen in Frank Stronack (andere Schreibweise: Stronach) ändern.200

Auch in den letzten Jahren gibt es bei Derbys der Wiener Austria gegen Rapid Wien immer wieder antisemitische Sprechchöre wie „Haut’s die Juden eini!“, obwohl die Austria seit langer Zeit keinen jüdischen Spieler mehr beheimatet.201

5.4. Das Ende des jüdischen Fußballs in Österreich

Mit dem Anschluss Österreichs ans Deutsch Reich und der Machtübernahme der Nationalsozialisten nahm die ungefähr 40-jährige Periode der jüdischen Mitgestaltung des sportlichen Lebens, wie auch in allen anderen Lebensbereichen, in Österreich ein abruptes Ende. Als eine der ersten Maßnahmen auf sportlicher Ebene wurde die „Österreichische Sport- und Turnfront“ in den „Deutschen Bund für Leibesübungen“ übernommen. Am 13. März 1938 wurde Folgendes von Fritz Müller, dem Bundesführer des Deutschen Turnerbundes, im Neuen Wiener Tagblatt abgedruckt:

„Kameraden! Deutsch-Österreich ist nationalsozialistisch geworden. Die Bundesführung erwartet von jedem Turner und jeder Turnerin, dass sie sich restlos dem Aufbau des vierten Österreich zur Verfügung […]. Turner! Tausende von euch haben in der heutigen Nacht mitgeholfen, dass die nationalsozialistische Revolution in Österreich in beispielhafter Ruhe und Ordnung verlaufen ist. Nun erwarten uns neue gewaltige Aufgaben!! Wir werden nach diesen Tagen der Freude daran gehen, mit unserem vollen Einsatz an die Lösung der uns gestellten Aufgaben zu schreiten. Heil Hitler. Die Bundesführung. Müller, Michel, Bauer.“202

Man verfügte darüber hinaus, dass die christlich-deutsche Turnerschaft aufgelöst werden sollte, alle Juden aus den Verbänden ausscheiden und rein jüdische Verbände nicht dem Deutschen

200 Vgl. Schubert, Florian; Antisemitismus im Fußball. S.S.414. 201 Vgl. John, Michael; Schulze-Marmeling Dietrich; „Hauts die Juden!“ Antisemitismus im europäischen Fußball. In: Beiersdorfer, Dietmar (Hrsg.); Fußball und Rassismus. Hamburg 1994. S. 135. 202 Lechner, Michael; „Wie vom anderen Stern.“ S. 96. 59

Turnerbund angehören dürfen. Alle verbliebenen Vereine und Verbände wurden mit regimetreuen Funktionären besetzt.203

Ein, aus heutiger Sicht, legendäres Länderspiel, welches jedoch in keiner Länderspielstatistik aufscheint, ist das sogenannte Anschlussspiel vom 3. April 1938, welches im Stadion im Wiener Prater zwischen der Ostmark, also dem ehemaligen Österreich und dem Deutschen Reich, ausgetragen wurde. Es sollte das letzte Länderspiel des Österreichischen Fußballbundes für viele Jahre sein, denn die Auflösung des ÖFB war bereits Ende März fixiert, da wie vorhin erwähnt, der Verband und seine Vereine in den „Deutschen Reichsbund für Leibesübungen“ übertragen wurde. Das letzte Länderspiel sollte indes nochmals die Stärke des österreichischen Fußballnationalteams eindrucksvoll belegen. Vor Beginn entschied sich das österreichische Nationalteam, auf Geheiß seines Kapitäns, Matthias Sindelar, entgegen der sonstigen Tradition nicht mit schwarz-weißen Dressen aufzulaufen, sondern mit rot-weiß-roten, was eine symbolische Bedeutung hatte. Die letzte österreichische Nationalelf der Zwischenkriegszeit dominierte die gesamten 90 Minuten mit der typischen Wiener (Fußball-)Schule, die sich durch technisch beschlagene Spieler, Spielwitz und schnellem Kurzpassspiel auszeichnete. Die zahlreichen Torchancen wurden von den Österreichern absichtlich nicht genutzt, um nicht gegen das Deutsche Reich zu gewinnen, was fast schon einer Verhöhnung der anwesenden Nationalsozialisten gleichkam. In der zweiten Halbzeit verwerteten die Österreicher ihre Chancen und gewannen das Spiel durch Tore von Sesta und Sindelar mit 2:0 und blamierten zugleich die neuen Machthaber.204

5.5. Antisemitismus im österreichischen Fußball

Nach ausführlicher Recherche und Rücksprache mit offiziellen Mitarbeitern der Österreichischen Fußballbundesliga sowie des Österreichischen Fußballbundes kann ich von zwei antisemitischen Vorfällen in jüngerer Vergangenheit berichten.205

Wie mir der Leiter der Abteilung Marketing/PR, der seit 2015 für die Österreichische Fußballbundesliga arbeitet, mitteilte, ereignete sich einer bei einem Ligaspiel am 23. April 2016. Beim Spiel zwischen dem Mattersburger Sportverein und der Austria Wien kam es zu

203 Vgl. Bunzl, Hoppauf Hakoah. S.133. 204 Vgl. Lechner, „Wie vom anderen Stern.“ S. 100. 205 Vgl. E-Mail-Verkehr mit Mitarbeitern der Österreichischen Bundesliga sowie des ÖFB. Auf Wunsch kann Einblick genommen werden. 60

antisemitischen Äußerungen von mindestens einem burgenländischen Fan. Das Spiel, das mit dem ungewöhnlich deutlichen und hohen Ergebnis von 9:0 endete, stand im Nachgang der Partie nicht im Vordergrund. In der Übertragung des Pay-TV-Senders Sky waren klar die Rufe „Jude, Jude, Jude“ und kurz darauf „Scheiß Judenverein“ zu vernehmen. Seitens des SV Mattersburg wurden die Vorfälle umgehend aufs Schärfste verurteilt und man versicherte die volle Hilfe zur lückenlosen Aufklärung. Ausgelöst wurden die Rufe höchstwahrscheinlich durch zwei, völlig zurecht gegebener, roter Karten für zwei Mattersburger Spieler.206

Im Nachgang des Spiels wurde seitens des Senat 1 der Bundesliga, welcher der Strafsenat ist, eine Anzeige gegen den SV Mattersburg erstattet. Hierbei wurde der Verstoß gegen den §112 der ÖFB Rechtspflegeordnung begangen und mit 4000€, wovon 2000€ bedingt auf eine Probezeit von sechs Monaten sind, geahndet.207 §112 der ÖFB Rechtspflegeordnung ist genauer beschrieben § 112 Rassismus, der sich in Absatz 1 dadurch definiert: „Wer die Menschenwürde einer anderen Person durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äußerungen in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Herkunft verletzt, …“208 Weiter dazu in Absatz 3: „Wenn Anhänger einer Mannschaft bei einem Spiel ein Vergehen nach Abs. 1 begehen, wird der betreffende Verein, ohne dass ihn ein schuldhaftes Verhalten oder ein schuldhaftes Unterlassen trifft, mit einer Geldstrafe in der Höhe von € 1.500,-- bis € 15.000,-- belegt.“209

Der jüngste bekannte Vorfall ereignete sich am 10. Oktober 2019 bei einem Länderspiel des ÖFB-Nationalteams gegen jenes aus Israel, was die Relevanz des Vorfalls verstärkt. Von Teilen der Zuschauer, die sich in der Fankurve befanden, wurden Fangesänge „Wer nicht hüpft der ist ein Jude“ angestimmt, wie aus mehreren privaten Handyvideos deutlich hörbar wird. Seitens der anwesenden Polizei wurden keine derartigen Vorkommnisse gemeldet. Daraufhin betonte der ÖFB-Präsident Leo Windtner nochmals, dass man von derartigen Gesängen in Kenntnis gesetzt wurde und man mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und den Fans versuchen wird, für die Thematik zu sensibilisieren.210

206 Vgl. Kurier-online; „Juden“ – Rufe: Die Liga ermittelt gegen Mattersburg. 25.04.2016. In: kurier.at. URL: https://kurier.at/sport/fussball/juden-rufe-die-liga-ermittelt-gegen-mattersburg/195.150.324. [zuletzt abgerufen am: 11.11.2020]. 207 Vgl. E-Mail mit einem Mitarbeiter der Österreichischen Fußball-Bundesliga. 208 ÖFB; ÖFB Rechtspflegeordnung. In: ÖFB Rechtspflegeordnung. URL: https://noefv.at/OeFB- Rechtspflegeordnung-gueltig-ab-1-7-2017-EF.pdf?:hp=2496;131;de. [zuletzt abgerufen am: 11.11.2020]. 209 Ebenda. 210 Vgl. Sander, Georg; Antisemitische Fangesänge bei Österreich vs. Israel. 15.10.2019. In: 90minuten.at. URL: https://www.90minuten.at/de/red/magazin/nachspielzeit/2019/oktober/antisemitische-fangesaenge-bei- oesterreich-vs-israel/. [zuletzt abgerufen am: 11.11.2020]. 61

Seitens des ÖFB wurde mir von einem Mitarbeiter, der für die präventive Fanarbeit zuständig ist, mitgeteilt, dass seine Stelle vor und nach dem Spiel mit der Israelitischen Kultusgemeinde in Kontakt stand, um etwaige Vorfälle zu besprechen. Wie aus den verschiedenen Medienberichten zu entnehmen, bestätigte er mir, dass die Fans „Wer nicht hüpft, der ist ein Jude“ gesungen haben. Dies wurde zum Anlass für antisemitische Sprechchöre genommen. Nach dem Spiel wurde ihnen von der Israelitischen Kultusgemeinde mitgeteilt, dass sich diese dadurch nicht beleidigt gefühlt haben. Laut Aussagen der Israelitischen Kultusgemeinde wäre die Zeile „Wer nicht hüpft, der ist ein Christ“ genauso nicht diskriminierend. Mit seinen Ausführungen möchte der Mitarbeiter die Sprechchöre keineswegs verteidigen, sondern ein größeres Bild des Vorfalls zeichnen, damit alle Komponenten miteinbezogen werden. Ebenso teilte er mir mit, dass man ständig in Kontakt mit den eigenen Fans ist und speziell vor jenem gegen Israel den Kontakt mit den Fanclubs gesucht hat, um auf die Wichtigkeit, gegen Antisemitismus vorzugehen, mitzuteilen. Der Gesang beim besagten Länderspiel sei auch nicht von der organisierten Fanszene ausgegangenen, wie ihnen der Vorsänger, der sich stellvertretend für die Fankurve gegen jede Form der Diskriminierung ausspricht. Da es keinerlei Strafen oder Anzeigen von der UEFA oder den örtlichen Behörden gegeben hat, wurde nach dem Spiel keine Nachbearbeitung mit den Fans durchgeführt.211

Bei der Anführung dieser Liste besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Im Laufe der Recherche wurde mir klar, dass die Dunkelziffer der antisemitischen, aber auch der rassistischen Beschimpfungen, denen durch mediale Berichterstattung Beachtung geschenkt wird, in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Anzahl der Vorfälle steht. Meiner Einschätzung und auch meiner persönlichen Erfahrungen als Fußballer und Stadiongänger nach, geht die Anzahl der beanstandeten antisemitischen Vorfälle Richtung null, auch wenn diese Tatsache und nicht zu leugnen sind.

5.6. Israelische Fußballer in Österreich

In der österreichischen Bundesliga sind aktuell vier israelische Spieler bei Vereinen unter Vertrag. Dies sind Dor Hugi, der bei SKN St. Pölten spielt, Alon Turgeman steht bei Austria

211 Vgl. E-Mail-Verkehr mit einem Mitarbeiter des ÖFB, der für die Präventive Fanarbeit zuständig ist. 62

Wien unter Vertrag, Eliel Peretz ist Mittelfeldspieler beim Wolfsberger AC aus Kärnten und Josef Ganda spielt beim niederösterreichischen Verein Admira Wacker.212

In jüngerer Vergangenheit sorgte ein in diesem Sommer zu Real Valladolid in die erste spanische Fußballiga gewechselter israelischer Stürmer für Aufsehen in Österreich. Auch wenn Shon Weissmann nur ein Jahr beim Wolfsberger AC unter Vertrag stand, hinterließ er bleibenden Eindruck. Im Sommer wurde der Israeli für etwa eine halbe Million Euro Ablöse von Maccabi Haifa verpflichtet. Durch seine herausragende Torquote von 30 Toren in 31 Ligaspielen in der Österreichischen Bundesliga und zwei Treffern in der Gruppenphase der Europa League konnte Weissmann gewinnbringend verkauft werden.213 In Interviews und bei seinen Auftritten im Fußballdress hat Weissmann seine jüdische Religion nie versteckt. Nach seinen zahlreichen Torerfolgen betet er stets mit den Händen vor den Augen das jüdische Glaubensbekenntnis, das „Schma Israel“.214 Über antisemitische Beschimpfungen oder Vorfälle gegen Shon Weissmann ist nichts bekannt.

6. Jüdischer Fußball international

Noch heute werden Vereine als jüdische Vereine oder schlicht als jüdisch bezeichnet. Neben der bereits ausführlich beschriebenen Austria Wien aus Österreich gibt es auch im internationalen Fußball als jüdisch bezeichnete Vereine. In Gesprächen mit Fußballkollegen über meine Diplomarbeit ist der am weitesten verbreitete jüdische Verein Ajax Amsterdam aus den Niederlanden. In meinem fußballaffinen, persönlichen Umfeld wurde auch Tottenham Hotspur aus London als ein jüdischer Verein genannt. Genauere Ausführungen, woher dieser Ruf stammt und ob Juden tatsächlich prägend für diesen Verein waren, konnten mir nicht genannt werden.

Aus den Ausführungen von Jon Stratton ist zu entnehmen, dass es neben den bereits erwähnten mehr oder weniger bekannten Beispielen in weiteren europäischen Ländern Vereine gibt, die als jüdische Vereine bezeichnet werden. In Deutschland ist der FC Bayern München, der erfolgreichste Verein des Landes, der jüdische Verein. Weiters werden MTK Budapest aus

212 Vgl. transfermarkt.at; URL: https://www.transfermarkt.at/spieler- statistik/legionaere/statistik/stat/land_id/74/land/127. [zuletzt abgerufen am: 13.10.2020]. 213 Vgl. Ebenda. 214 ORF Kärnten; Israelischer Stürmer wird heimisch. In: kärnten.orf.at. URL: https://kaernten.orf.at/stories/3016231/#:~:text=F%C3%BCr%20Shon%20Weissmann%20passen%20Fu%C3% 9Fball,hier%20in%20K%C3%A4rnten%20zum%20Star. [zuletzt abgerufen am: 13.10.2020]. 63

Ungarn sowie Widzew Lodz aus Polen als jüdische Vereine beschrieben. Der Autor erwähnt auch einen außereuropäischen Club, der als jüdisch beschrieben wird, und zwar Club Atlético Atlanta aus der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires.215

6.1. Ajax Amsterdam

Ajax Amsterdam, dessen vollständiger Name Amsterdamsche Football Club Amsterdam lautet, wurde am 18. März 1900 gegründet und spielte ab der Saison 1911 in der ersten niederländischen Fußballliga. Mit insgesamt 34 nationalen Meistertiteln ist der Verein der erfolgreichste seines Landes. Im Jahr 1934 bezogenen „De Meer“-Stadion wurden Generationen von Fußballfans mit zahlreichen Titeln beglückt. Mit der Generation um Johan Cruyff und zahlreichen weiteren Nationalspielern Hollands, die auch für ihr Land äußerst erfolgreich kickten, konnte man von 1971 bis 1973 drei Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister gewinnen. Mit einer neuen Generation von jungen Eigenbauspielern, darunter Edwin van der Sar, Patrick Kluivert, Edgar Davids oder den de Boer-Zwillingen, die aus der eigenen Fußballakademie stammten, für die Ajax auch bekannt ist und beneidet wird, konnte man 1995 letztmalig die Champions League, den Nachfolgewettbewerb des Europapokals der Landesmeister, gewinnen.216

Das Wappen von Ajax Amsterdam trägt seit 1928 den Kopf des griechischen Helden Ajax. Der Sage nach soll er ein mächtiger Mann gewesen sein, der gegen Troja kämpfte. Er soll körperlich stark und groß wie eine Mauer gewesen sein, zudem äußerst temperamentvoll. Nach einem Rededuell, das er gegen Odysseus verlor, soll er aus Ärger dessen Schafherde getötet haben. Da er sich einbildete im Bock seinen Besieger zu erkennen, peitsche er diesen zu Tode. Als er sich jedoch beruhigte, erkannte er, dass er sich all das bloß eingebildet hatte und nahm sich das Leben. Bei einer Modernisierung des Logos im Jahr 1990 wurde der Ajax mit insgesamt elf Strichen gezeichnet, die die elf am Platz spielenden Spieler symbolisieren sollen.217

215 Vgl. Stratton, Jon, Playing the Jew. Anti-Semitism and football in the twenty-first century. In: Jewish Culture and History. Volume 16 Issue 3. 2015. S.294. 216 Ajax Amsterdam; History. In: Ajax Amsterdam.nl. URL: https://english.ajax.nl/club/history/. [zuletzt abgerufen am: 20.11.2020]. 217 Vgl. Rey, Claudia; Fünf Fakten zu Ajax Amsterdam: Putzmittel, kürzere Ferien und ein Finne. 30.04.2019. In: Neue Zürcher Zeitung. URL: https://www.nzz.ch/sport/champions-league-5-fakten-zu-ajax-amsterdam- ld.1478499#back-register. [zuletzt abgerufen am: 20.11.2020]. 64

6.1.1. Die Geschichte der Juden in Amsterdam

Die Geschichte über die Juden von Ajax ist zu Beginn keine Geschichte des Fußballs, sondern viel mehr die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Amsterdam. Bereits seit dem Mittelalter gibt es jüdische Gruppen in den heutigen Niederlanden. Die nördlichen Provinzen der Niederlande schlossen sich Ende des 16. Jahrhunderts zur Utrechter Union zusammen und setzten der Verfolgung aus Glaubenswegen ein Ende, was den dort ansässigen Juden eine für diese Zeit unglaubliche Freiheit zukommen ließ. Der Umstand, dass die Religionsfreiheit gewahrt blieb, in Verbindung mit dem Weltwirtschaftszentrum Amsterdam war ein großer Anziehungspunkt für sephardisch jüdische Einwanderer von der Iberischen Halbinsel, die als gebildet galten. Ausgelöst durch Verfolgungen folgten ab Mitte des 17. Jahrhunderts vor allem aschkenasische Juden aus Deutschland und Polen, die als weniger gebildet galten, ihren Brüdern im Glauben nach Amsterdam. Um 1800 war deshalb ungefähr ein Zehntel der Amsterdamer Bevölkerung jüdischen Glaubens. In der beruflichen Ausübung standen den jüdischen Bürgern nicht alle Türen offen. So durften sie nur in zunftfreien Berufssparten, wie der Diamantenindustrie, den Zuckerraffinerien oder den Druckereien einer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Ebenso waren viele im Einzelhandel sowie im Bankgewerbe tätig. Durch die in Frankreich initiierte Revolution, durften Juden ab 1796 gleichberechtigte Staatsbürger werden. Bis hin zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht lebten an die 140.000 Juden in den Niederlanden, davon etwa 80.000 in der Hauptstadt Amsterdam. Diese bewohnten zu einem Großteil die traditionellen Judenviertel im Osten und Süden der Stadt. Nach der Befreiung des NS-Regimes lebten nur mehr an die 5.000 jüdische Bürger in der Stadt, die nun mit einer antisemitischen Stimmung zu kämpfen hatten, wie sie sie vor dem Krieg nicht kannten. Diese nahm erst wieder ab, als die nicht-jüdischen Bürger durch bildliche Dokumente mit dem Schicksal der jüdischen Mitbürger konfrontiert wurden.218

6.1.2. Das Verhältnis zwischen Ajax und den Juden

Ein Grund dafür, dass Ajax Amsterdam als jüdischer Verein bezeichnet wird, könnte am Standort seines ehemaligen Stadions liegen. Ajax erste Heimstätte war ein Fußballplatz im

218 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Fahrräder, Juden und Fußball: Ajax Amsterdam. In: Schulze-Marmeling, Dietrich (Hrsg.); Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball. Göttingen 2003. S.391-398. 65

Norden der Stadt, ehe man von 1907 bis 1934 im sogenannten Holzstadion am Middenweg im Osten Amsterdams kickte. Das „De Meer“-Stadion, in dem der größte niederländische Verein von 1934 bis 1996 seine Heimspiele austrug, lag ebenso im Osten der Stadt, die vor dem Zweiten Weltkrieg als Jerusalem des Westens bezeichnet wurde, wo ein großer Teil der jüdischen Community lebte. Deshalb war Ajax kein jüdischer Klub, hatte aber eine große jüdische Fanbase, auch wenn die klare Mehrheit der Anhängerschaft christlichen Glaubens war.219 Hans Knoop erklärt sich die jüdische Identität von Ajax aus Sicht der Auswärtigen so: „Wenn Ajax gegen Teams aus eher provinziellen Regionen spielte, mussten die Gästefans vom Hauptbahnhof mit der Straßenbahn zum Stadion fahren. Sie fuhren durch das jüdische Viertel. So sahen viele Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben Juden.“220

Ajax war in der Zwischenkriegszeit keineswegs der einzige jüdische Sportverein in Amsterdam. Insgesamt gab es fünf bekannte, jüdische Vereine. Von diesen war AED der Verein der jüdischen Arbeiterschaft, während APGS der Verein der niederländischen Polizei war. Der erfolgreichste Verein war Blauw-Wit, der in blau-weißen Dressen, den Nationalfarben Israels nachempfunden, spielte und der Verein der assimilierten Juden der Mittelschicht aus dem Süden der Stadt war. Der einzige heute noch bestehende jüdische Verein ist WV-HEDW, der sich aus einer Fusion dreier jüdischer Vereine bildete.221

Als Grund für die besondere Beziehung zwischen Ajax und der jüdischen Gemeinde in Amsterdam kann einerseits die geographische Gegebenheit genannt werden, die das Stadion und die nahegelegenen traditionellen Judenviertel Amsterdams betreffen. Andererseits, so gaben es einige Spieler an, kann die Unternehmungslust und der Drang nach Unterhaltung genannt werden, da die jüdische Bevölkerung offen für Unterhaltung wie Theater, Casinos oder eben Fußball war.222

Einen äußerst skurrilen und unerwarteten Weg nahm die Beziehung zwischen Ajax und den Juden der Stadt, die eine historisch gewachsene und liebenswürdige war, in den 80er-Jahren. Die Mitglieder der als gewalttätig bekannten Fangruppe der „F-Side“ (sie werden in der deutschen Sprache meist als „Rang F-Gruppe“ bezeichnet), reagierten auf die ihnen

219 Vgl. Ebenda. S.399. 220 Buchheister, Hendrik; Denn sie wissen nicht, was sie singen. 04.10.2013. In: Spiegel Sport. URL: https://www.spiegel.de/sport/fussball/juedische-identitaet-bei-tottenham-hotspur-und-ajax-amsterdam-a- 925333.html. [zuletzt abgerufen am: 20.11.2020]. 221 Vgl. Ebenda. 401. 222 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Fahrräder, Juden und Fußball: Ajax Amsterdam. S.400f. 66

entgegengebrachten antisemitischen Beleidigungen, indem sie selbst eine jüdische Identität annahmen, mit der sie beschimpft wurden.223

Einen äußerst skurrilen und unerwarteten Weg nahm die Beziehung zwischen Ajax und den Juden der Stadt, die eine historisch gewachsene und liebenswürdige war, in den 80er-Jahren. Die Mitglieder der als gewaltbereit bekannten Fangruppe der „F-Side“ (sie werden in der deutschen Sprache meist als „Rang F- Gruppe“ bezeichnet), reagierten auf die ihnen entgegengebrachten antisemitischen Beleidigungen, indem sie selbst eine jüdische Identität annahmen, mit der sie beschimpft wurden.224 Bei dieser Annahme Abbildung 2: Logo der Fangruppe "F-Side“ einer Ersatzidentiät nahm man sich ein Beispiel an den Fans der Tottenham Hotspur, wie ein Sprecher dieser Ultra-Gruppierung bestätigte, die mit den Beschimpfungen ähnlich umgingen, was ich später noch genauer erläutern werde. So wurden beispielsweise israelische Fahnen mit ins Stadion genommen. Er fügt dem hinzu, dass die Fangruppierung keine wirkliche Verbindung zu Juden oder Israel hätten.225 Dennoch sind Davidsterne und israelische Staatsflaggen im Fanblock der Ajax-Fans, die sich selbst als „Joden“ bezeichnen, keine Ausnahme.226 Das Logo der Fangruppierung ist dementsprechend ein Davidstern mit dem Buchstaben „F“ in der Mitte. Dieser wird auch als Ajax-Stern bezeichnet. Auch aus diesem Grund rührt die Tatsache, dass sowohl Ajax als auch die Juden als religiöse Gruppe, sowie der Davidstern und der Ajax-Stern synonym betrachtet werden. Davon zeugen die Berichte zweier Amsterdamer. Ein städtischer Rabbi berichtet darüber, dass ihm fremde Menschen auf der Straße „Ajax“ zuriefen, da sie ihn als jüdischen Geistlichen ausmachen. Ein Amsterdamer Juwelier, der Davidsterne verkauft, wurde mehrmals gefragt, ob er auch Ajax-Sterne verkaufen würde.227

223 Vgl. Stratton; Playing the Jew. S.307. 224 Vgl. Stratton; Playing the Jew. S.307. 225 Vgl. Efron, John; Wo ein Yid kein Jude ist: Ein seltsamer Fall von Fan-Identität beim englischen Fußballklub Tottenham Hotspur. In: Brenner, Michael; Reuveni, Gideon (Hrsg.); Emanzipation durch Muskelkraft. Juden und Sport in Europa. Göttingen 2006. S.244. 226 Vgl. Müller, Tobias; Davidsterne als Fliegerbomben. 22.03.2011. In: Zeit Online. URL: https://www.zeit.de/sport/2011-03/ajax-amsterdam-ado-davidstern/komplettansicht. [zuletzt abgerufen am: 23.11.2020]. 227 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Fahrräder, Juden, Fußball: Ajax Amsterdam. S.411 67

Ein sich bis heute beständig haltender Mythos ist jener, dass die Niederländer die Retter der Juden im Zweiten Weltkrieg waren. Noch heute glauben vor allem viele Israelis daran, auch wenn dieser Mythos dekonstruiert wurde und wird. Es wird häufig darauf vergessen, dass Anne Frank, die als ein Symbol für diesen Mythos gilt, von Niederländern nach Auschwitz gebracht wurde.228 Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings jener Umstand, dass die Niederländer dennoch Widerstand leisteten und insgesamt an die 25.000 Juden versteckt hielten. Zu diesem Mythos trug auch die Tatsache bei, dass einige jüdische Mitglieder und Fans von Ajax bei Funktionären Unterschlupf fanden, da der Verein kein jüdischer Verein war.229

Johan Cruyff gilt für viele Fußballinteressierte noch heute als einer der besten Fußballspieler und -trainer der Welt, da er viele, heute alltägliche Dinge, initiierte und umsetzte. Nicht nur, aber auch weil er des Hebräischen mächtig war, war er ein Liebling der jüdischen Anhänger von Ajax und ein Star in Israel. Ein israelischer Fußballanalytiker und -philosoph sagte einmal über ihn, dass er als jener Mann angesehen werde, der Anne Frank gerettet hat. Als während des Golfkriegs viele Israelis vor den TV-Geräten saßen, in Angst vor einem Raketenangriff seitens der Iraker, soll eine Nachrichtensendung unterbrochen worden sein, um über eine Herzoperation von Cruyff zu informieren. Johan Cruyff steht als Nicht-Jude für die Besonderheit eines Ajax-Juden. Durch sein jüdisches Umfeld, mit dem er sich umgab, füllte er diese Bezeichnung vollends aus.230

Zu einem für Außenstehende bizarren Ereignis kam es beim UEFA-Cup-Spiel von Ajax Amsterdam im Jahr 1999, das man auswärts gegen Hapoel Haifa in Israel bestritt. Vom Vereinsvorsitzenden der Israelis wurde dieses Spiel als „jüdisches Derby“ bezeichnet.231 Zu diesem Spiel reiste auch die F-Side an. Wie es ihrer selbstbezeichneten jüdischen Identität entsprach, ließen sie wissen, dass sie nach Hause kommen und die gegnerischen Fans als Cousins begrüßen würden.232 Der israelische Journalist Eli Shvidler bezeichnete Ajax als den wahrscheinlich jüdischsten Verein der Welt und sicherlich den beliebtesten in Israel. Nachdem das Hinspiel mit 3:0 für Ajax endete, wurde das Heimstadion von Ajax, die Amsterdam Arena, im Rückspiel mit Ajax-Fahnen, die mit einem Davidstern versehen wurden, behangen. Berichten zufolge spielte Ajax dieses Rückspiel äußerst schlecht und verlor auch zurecht. Nach

228 Vgl. Gerstenfeld, Manfred; Review: Interested in Football. Reading about the Holocaust. In: Jewish Political Studies Review. Vol. 21 No. 3/4. 2009. S.226. 229 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Fahrräder, Juden, Fußball: Ajax Amsterdam. S.402 & S.414. 230 Vgl. Ebenda. S.414f. 231 Vgl. Stratton; Playing the Jew. S.297. 232 Vgl. Brenner, Michael; Jüdische Identität für den Lieblingsverein. 30.04.2019. In: SZ.de. URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/ajax-amsterdam-tottenham-hotspur-champions-league-1.4425326. [zuletzt abgerufen am: 21.11.2020]. 68

dem 1:0 für Hapoel begannen die Fans im Stadion die Auswärtsmannschaft zu feiern und zu beklatschen. Auch die Fans der F-Side schrien der Mannschaft von Hapoel „Juden! Juden!“ zu und würdigten deren Leistung mit Applaus.233

6.1.3. Antisemitismus gegen Ajax Amsterdam

Wie bereits ausgeführt, muss sich sowohl der Verein als auch dessen Fans mit antisemitischen Beschimpfungen herumschlagen. Diese ziehen weitere Kreise als die, ohne despektierlich zu klingen, bloße Bezeichnung als Juden.

Bei Spielen gegen die Amsterdamer wurden beispielsweise schon Fotos von jüdischen Kindern gezeigt, darunter auch ein Foto von Anne Frank, um Ajax zu verspotten. Für diese Aktion, sowie die Fangesänge, die das Verbrennen der Juden glorifizieren „Die brennen am besten“, waren Fans des FC Utrecht verantwortlich. Die Fans von Vitesse Arnheim ließen bei einem Spiel am 27. Jänner 2008, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag wissen, „Lang lebe Zyklon B“ und spielten auf jenes Pestizid an, das die Nationalsozialisten in den Konzentrationslagern verwendeten, um Juden zu töten. Auch von den Fans von ADO Den Haag gibt es einen antisemitischen Vorfall zu berichten. Am 22. Februar 2019 wurde die De Dokwerker-Statue, die einen Hafenarbeiter darstellen soll, mit gelber und grüner Farbe übergossen. Dieses Denkmal wurde zur Erinnerung an den Generalstreik im Februar 1941, der gegen die deutsche Besatzung protestierte, aufgestellt. Neben den Beschädigungen am Denkmal wurden in verschiedenen Straßen Amsterdams gelbe und grüne Hakenkreuze gefunden. Seitens des Den Haager Vereins räumte man ein, dass die Wahrscheinlichkeit hoch sei, dass die eigenen Fans für die Vandalenakte verantwortlich waren, da die Vereinsfarben gelb und grün sind.234 Leider schaffte es der Verein bereits zuvor mit einem antisemitischen Vorfall in die Schlagzeilen der nationalen und internationalen Berichterstattung. Nach einem Sieg von ADO Den Haag gegen Ajax Amsterdam feierten die Fans zusammen mit den Spielern dieses seltene und hocherfreuliche Ereignis. Auf der Theke im Vereinsheim stehend, fordert der Publikumsliebling Alexander Immers, der von den Fans Lex genannt wird, zum Mitmachen auf. Leise und immer lauter werdend wiederholt er „Wir gehen jetzt auf Judenjagd“, wieder und wieder. Zu seiner Entschuldigung sagt Immers, dass er durch den Sieg euphorisiert war

233 Vgl. Kuper, Simon; Ajax, the Dutch, the War. Football in Europe During the Second World War. London 2003. S.193. 234 Vgl. Curtis, Michael; Antisemitism and European Football. In: Antisemitism Studies. Vol. 3 No 2. S.282f. 69

und mit seinen Aussagen nur Ajax als Verein und nicht die Juden als religiöse Glaubensgemeinschaft gemeint habe. Es war nicht der erste und wird auch nicht der letzte antisemitische Vorfall in der höchsten niederländischen Fußballiga, der Ehrendivisie, gewesen sein. Dementsprechend milde fiel auch das Strafmaß aus. Eine Sperre von vier Spielen sowie eine Geldstrafe von zehn Prozent eines Monatsgehaltes wurden Lex aufgebrummt. Auch der niederländische Fußballverband der KNVB (Koninklijke Nederlandse Voetbal Bond) ist nicht ganz von der Kritik auszunehmen, da der Verband seinen eigenen Regelkatalog und die darin enthaltenen, vorgesehenen Strafen nicht wirklich ausschöpft. Beispielsweise sieht dieser vor, dass der Schiedsrichter bei antisemitischen Beleidigungen ein Spiel abbrechen könnte, was allerdings noch nie geschehen ist. Ebenso überdenkenswert ist jene Regelung, die besagt, dass alle diskriminierenden Äußerungen, die in einem Stadion getätigt werden, Sache der Stadt, der Polizei und Staatsanwaltschaft sind, während alle beleidigenden Aussagen vom Verband behandelt werden. Hier ist es schwierig eine Trennlinie zu finden und Vorfälle klar einem der beiden Bereiche zuzuordnen, weshalb die Kompetenz der Verantwortlichkeit oft im Graubereich liegt.235

Unabhängig von der Stadt, in der Ajax spielt, unabhängig, welche Mannschaft ein Auswärtsspiel bei Ajax bestreiten muss, man ist beinahe jeden Spieltag mit antisemitischen Vorfällen konfrontiert. Seien dies Sprechchöre wie „Hamas, Hamas, Jews to the gas“, „Jews you have to kill” oder Zisch-Geräusche, die die Gaskammern symbolisieren und nachahmen sollen, in denen unzählige Juden einen qualvollen Tod fanden.236

In diesem Zusammenhang darf die Reaktion der Ajax-Fans keineswegs unterschlagen werden, da diese nichts zur Beruhigung der Situation beiträgt, sondern das genaue Gegenteil, wiederkehrende Vorfälle gegen sich, verursacht. Oftmals nehmen die Fans des Amsterdamer Vereins Bezug auf den Mai 1940, in dem die deutsche Luftwaffe Angriffe auf Rotterdam flog und damit die Stadt nahezu dem Erdboden gleichmachte. Vor dem Finale des niederländischen Fußballpokals 2011 gegen Feyernoord Rotterdam, in dessen Stadion das Endspiel ausgetragen wurde, zeigte sich der Ajax-Anhang mit T-Shirts, die die Trophäe sowie die Konturen der Stadt Rotterdam zeigten. Dabei wird eine Szene aus jenem Mai nachgestellt, da die Stadt von zwei Jagdbombern überflogen wird, aus denen Davidsterne fallen. Garniert wird das T-Shirt mit der unter dem Bild stehenden Zeile „Die Juden kommen“.237

235 Vgl. Herrmann, Moritz; Antisemitismus auf der Biertheke. 15.05.2011. In: 11 Freunde. URL: https://11freunde.de/artikel/antisemitismus-auf-der-biertheke/411326. [zuletzt abgerufen am: 21.11.2020]. 236 Vgl. Gerstenfeld, Manfred; Review: Interested in Football. S.226. 237 Vgl. Müller; Davidsterne als Fliegerbomben. 70

Die vorangegangenen Beispiele könnten noch um zahlreiche erweitert werden. Eine Lösung des antisemitischen Problems ist leider noch lange nicht in Sicht. Die angenommene jüdische Identität ist ein Faktum beim Verein, auch wenn der ehemalige Ajax-Präsident Michel van Praag meinte: „Ajax ist kein jüdischer Klub. Diese Fans sind so sehr Juden wie ich Chinese bin.“238 Auch wenn die tatsächliche Anzahl jüdischer Ajax-Fans abgenommen hat, so werden die Fans nicht davon ablassen, die jüdischen Symbole und ihre Selbstbezeichnung als Juden durch die Stadien der Niederlande und Europas zu tragen. Die Idee und auch manche Vereinsverantwortliche sind der Meinung, dass der Impuls von den eigenen Fans ausgehen müsse, da sich die gegnerischen Anhänger dadurch provoziert fühlen würden. Allerdings werden die Fans einen Teufel tun, sich ihre Kultur von der Vereinsspitze vorgeben zu lassen. Zudem berichten führende Ajax-Ultras, dass die gegnerischen Fanszenen trotz der eigenen Unterlassung, sie noch immer als Juden beschimpfen würden. So meint Moritz Herrmann, dass man die jüdische Symbolik nicht verbieten kann, nur weil man sich vor dessen Reaktionen scheut. Es spielt keine Rolle, ob die jüdische Identität der Fans Wirklichkeit ist oder nicht, da man dem Antisemitismus freien Lauf lassen würde. „Wer hier Maß anlegt, stellt die absurde Behauptung auf, es dürfe sich nur zu Judentum, Zionismus oder Israel bekennen, wer prakti- zierender Jude ist. Dem ist aber nicht so. Empathie kann jeder.“239 Ebenso ist er der Meinung, dass Philosemitismus keinen Antisemitismus legitimieren würde. Jemand, der antisemitische Gedanken hegt, hegt diese auch, wenn er nicht mit offensichtlich Jüdischem konfrontiert wird. Deshalb sei es besser, den Antisemiten zu provozieren, um dessen Haltung ans Licht zu bringen.240

6.2. Tottenham Hotspur

Der Fußballverein Tottenham Hotspur FC, wie der volle Name lautet, wurde 1882 von jungen Männern des Hotspur Cricket Clubs und der ansässigen Schule unter dem Namen Hotspur FC gegründet. Nachdem der Verein 1884 in den heutigen Clubnamen umbenannt wurde, wechselten die Vereinsfarben mehrmals. Als ersten großen Erfolg konnte Tottenham den Gewinn des FA-Cups, dem ältesten Fußballbewerb der Welt, verbuchen. Damit gewann erstmals ein Verein, der nicht Teil der Football League war und nicht aus dem Norden oder den

238 Schulze-Marmeling, Dietrich; Fahrräder, Juden, Fußball: Ajax Amsterdam. S.411. 239 Herrmann, Moritz; Antisemitismus auf der Biertheke. [zuletzt abgerufen am: 23.11.2020]. 240 Vgl. Ebenda. 71

Midlands der Insel kam. Nach dem erstmaligen Aufstieg in die höchste Liga im Jahr 1909 folgten wechselhafte Jahrzehnte mit einem weiteren FA-Cup-Sieg und mehreren Auf- und Abstiegen. Im Jahr 1951 konnte man erstmalig den Meistertitel der Football League erringen. In der Saison 1960/61 konnte man als erste Mannschaft seit über sechzig Jahren das Double aus Meisterschaft und FA-Cup erspielen. 1963 schrieb man mit dem Sieg im Europapokal der Pokalsieger britische Fußballgeschichte, da Tottenham der erste siegreiche Verein Großbritanniens war. Mit insgesamt acht FA-Cup-Siegen, vier Siegen im League Cup und insgesamt drei europäischen Titeln zog man 2019 nach 118 Jahren an der White Hart Lane ins New Tottenham Hotspur Stadium, das am Standort des alten Stadions gebaut wurde.241

6.2.1. Geschichte Tottenhams

Tottenham Hotspur ist jener professionelle Fußballverein am Beginn des 20. Jahrhunderts, der sich in England der größten Beliebtheit unter Menschen jüdischer Religion erfreute. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war das Interesse seitens der jüdischen Gemeinde vorhanden. In der Zwischenkriegszeit wuchs die Zahl der jüdischen Zuschauer an der White Hart Lane, dem Stadion Tottenhams im Norden Londons, beträchtlich an.242

Die jüdische Geschichte Tottenham Hotspurs ist eine lange. Wie bereits erwähnt, ist der Verein 1882 gegründet worden. Schätzungen zufolge kann davon ausgegangen werden, dass in London heutzutage ungefähr 200.000 Personen jüdischer Bevölkerung leben, die meisten davon im Norden der Stadt, der Heimat der Tottenham Hotspur. Hiermit ist ein natürliches Potential an Fans für den Verein bereits gegeben. Vor allem vor und nach dem Zweiten Weltkrieg erfreute sich der Verein einer wachsenden Zahl an Anhängern. Doch den Norden Londons muss sich Tottenham Hotspur mit dem Erzrivalen Arsenal London teilen. Bemerkenswert ist der Umstand, dass Arsenal heute die Mehrheit der jüdischen Fußballfans hinter sich weiß und Tottenham nur der Verein mit den zweitmeisten jüdischen Fans ist und dennoch seit jeher als jüdischer Verein bezeichnet wird. Darüber hinaus hatte der FC Arsenal mit David Dein einen jüdischen Mehrheitseigentümer.243

241 Vgl. Tottenham Hotspur; Year By Year. In: tottenhamhotspur.com. URL: https://www.tottenhamhotspur.com/the-club/history/year-by-year/. [zuletzt abgerufen am: 19.11.2020]. 242 Vgl. Dee, David; Sport or Shul? Physical recreation, Anglo-Jewry and the Jewish Sabbath, ca. 1890-1939. In: Jewish Historical Studies. 2012. Vol.4. S.16. 243 Vgl. Efron, John; Wo ein Yid kein Jude ist: S.239. 72

In einer 2014 durchgeführten Befragung der Dauerkarteninhaber wollte der Klub selbst die religiöse Zugehörigkeit der Fans eruieren. Bei einer Gesamtanzahl von über 11.000 Befragten gaben 9,97 Prozent der Dauerkarteninhaber an, jüdisch zu sein.244

Doch woher kommt die vermeintlich jüdische Identität der Tottenham Hotspurs? Einerseits kann dies sicher durch die Gegenwart der jüdischen Gemeinde in Nord-London erklärt werden, aber auch durch jüdische Spieler und Trainer. In Bezugnahme auf die Eigentümer kann gesagt werden, dass erst nach der Selbstbezeichnung als Juden die Eigentümerschaft jüdischer Abstammung war. Mit den jüdisch-stämmigen Geschäftsleuten Irving Scholar, der von 1982 bis 1991 Klubeigentümer war, Alan Sugar, der von 1991 bis 2001 Besitzer der Spurs war und mit Daniel Levy, der seit 2001 die Geschicke des Klubs leitet, war der Klub in der jüngeren Vergangenheit von jüdischen Besitzern geprägt.245

Die Bezeichnung der Spurs als jüdischer Verein durch die gegnerischen Fans begann am Beginn der 1970er Jahre. Zu Beginn waren dies fast schon freundschaftlich gemeinte Sprechchöre wie „Does your rabbi know you`re here?“ zu Deutsch: „Weiß dein Rabbi, dass du hier bist?“ Allerdings blieb es nicht bei dieser im Vergleich noch harmlosen Aussage, worauf ich später noch eingehen werden.246

6.2.2. Über das Wort „Yid“

Wie die Fans von Ajax Amsterdam, so bezeichnen sich auch die Fans der Tottenham Hotspur selbst als Juden oder als jüdisch. Doch Fans, die der jüdischen Religion angehören, spielten bei der Entstehung der Selbstbezeichnung als Juden nur eine untergeordnete Rolle. Erst im Laufe der 1970er-Jahre kam der Gebrauch des Wortes „Yid“ auf. Es waren zuerst die nichtjüdischen Anhänger, die diesen Begriff für sich selbst verwendeten. Durch die Verwendung der Begriffe „Yid“ oder „Yiddos“, betonten die Tottenham-Fans den Außenseiterstatus, den sie von den gegnerischen Fans erhalten haben. Es waren also nichtjüdische Engländer, die sich als Juden darstellten, während jüdische Engländer nicht als solche identifiziert werden wollten.247 Ein

244 Vgl. Poulton, Emma; Towards understanding: antisemitism and the contested uses of meanings of ‘Yid’ in English football. In: Ethnic in Racial Studies. 2016. S.1985. 245 Vgl. Ebenda. 246 Vgl. Ebenda. S.1992. 247 Vgl. Efron, John; Wo ein Yid kein Jude ist. S.239f. 73

weiterer Begriff, der in die jüdische Selbstbezeichnung fällt, ist jener der „Yid-Army“, also der Yid-Armee, den sich die Spurs-Fans selbst verliehen haben.248

Die Bezeichnung „Yid“ und seine Bedeutung in diesem Kontext unterlagen einem Wertewechsel, wie John Efron es nannte. Das bedeutet in dem Fall, die Vereinnahmung eines allgemein üblichen und bekannten Schimpfworts. Dieses Schimpfwort unterliegt dann einer Umdeutung seines Sinnes. Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass nicht nur der Begriff selbst umgedeutet wird, sondern mit ihm auch das damit angehängte kulturelle Universum. Um diesen Prozess zu verdeutlichen, möchte ich zwei von Efron angeführte Beispiele hier vorstellen, die der besseren Verständlichkeit dienlich sein sollen. Es handelt sich um die Begriffe „queer“ und „Nigger.“ Ersterer war eine abwertende Bezeichnung für Homosexuelle. Dieser Begriff wurde, wie oben beschrieben, gesamtheitlich umgedeutet. Nach dieser Umdeutung wird der Begriff auch von der homosexuellen Community selbst gebraucht, um die eigene Politik und Kultur zu beschreiben. Durch diese Verwendung erhielt „queer“ eine derartige Anerkennung, dass dieses Gebiet als ein eigener Teilbereich der cultural studies anerkannt ist.249

Der Begriff „Nigger“, hat meiner Meinung nach, das volle Entwicklungsstadium einer Umdeutung nach Efron noch nicht gänzlich durchlebt. Während es in westeuropäischen Breiten noch wenig bis gar nicht akzeptabel erscheint, dieses Wort zu verwenden, wird es vor allem in afro-amerikanischen Vierteln in den USA verwendet. Ein Anwalt beschrieb es als „das übelste, dreckigste, gehässigste Wort, das die englische Sprache für die Schwarzen hat.“250 Dennoch gebrauchen viele Amerikaner den Ausdruck nicht, um sich der rassischen Unterordnung zu unterwerfen, sondern, ganz im Gegenteil, sie herauszufordern.251

In eine ähnliche Kerbe schlug der mittlerweile verstorbene italienische Schriftsteller Umberto Eco, der für das vorliegende Phänomen den Begriff „rhetorischer Codewechsel“ kreierte. In diesem fußballspezifischen Beispiel benutzen Fans oder Fangruppen die gegen sie gerichteten Schimpfwörter oder Schlachtgesänge für die Selbstdarstellung. Neben dem von den Spurs-Fans genannten Begriff „Yid“ ist auch aus Deutschland ein ähnliches Beispiel vorhanden. Die Schalke-Fans besingen, und feiern sich regelrecht selbst mit dem Gesang „Wir sind Schalker, asoziale Schalker, schlafen unter Brücken oder in der Bahnhofsmission.“252 Durch mehrere

248 Vgl. Stratton; Playing the Jew. S.294. 249 Vgl. Efron; Wo ein Yid kein Jude ist. S.241f. 250 Ebenda. S.242. 251 Vgl. Ebenda. S.241f. 252 Vgl. Heßbrügge, Rolf; Das Y-Wort. In: 11 Freunde. 29.01.2020. URL: https://11freunde.de/artikel/das-y- wort/1352718?komplettansicht=. [zuletzt abgerufen am: 19.11.2020]. 74

solcher Fangesänge spielen sie mit den ihnen zugeschriebenen Vorurteilen, entkräften diese und nutzen sie zeitgleich für die eigene Motivation. Darüber hinaus hat diese Einstellung auch eine positive Wirkung auf die Mannschaft, wie deren Kapitän Benjamin Stambouli bestätigt.253

In dieselbe Kategorie fällt das Wort „Yid“, das jiddischer Herkunft ist und schlicht Jude bedeutet. Im Jiddischen unterliegt der Ausdruck absolut keiner abwertenden Bedeutung und wird vor allem als Bezeichnung für nähere Bekannte und Freunde verwendet. Aufzupassen gilt es allerdings bei der wortwörtlichen Verwendung des Begriffs Yid im Englischen oder Jid im Deutschen. Ein kurz ausgesprochener Vokal kann als antisemitische Bedeutung angesehen werden, während die lange Aussprache eine neutrale Bedeutung aufweist. Da Juden in Europa erstmalig einen gegen sie abschätzig verwendeten Begriff umdeuteten, wirkt die Etablierung umso komplizierter und bemerkenswerter. Für den Kontext, in dem wir uns bewegen, bedeutet das, dass nicht-jüdische Fans den Begriff für ein jüdisches Selbstverständnis und Selbstvertrauen geschaffen haben.254

John Efron führte Anfang der 2000er-Jahre mehrere Interviews mit Tottenham-Fans bezüglich deren jüdischer Selbstbezeichnung als Yids. Ein Interviewpartner sprach über den Zeitpunkt der Übernahme der Yids-Sprechchöre für eigene Zwecke, um die der gegnerischen Fans wirkungslos zu machen und verstummen zu lassen. Der besagte Spurs-Fan gab ein Spiel im April 1976 an. Das besagte Spiel war das North-London-Derby, wie es in Fußballfachkreisen genannt wird, zwischen Tottenham und Arsenal. Bei diesem Spiel wurde die Fankurve Arsenals von Tottenham-Fans gestürmt, sodass die Fans der Gunners255 auf die Tribünen hinter den Polizeikräften ausweichen mussten. Diesen Affront wollten sich die Fans der Arsenal-Fankurve nicht gefallen lassen und begannen mit „Yiddos, Yiddos“-Sprechchören. Diese wurde von den Tottenham-Fans mit „Yiddos haben die Nordkurve eingenommen! Yiddos haben die Nordkurve eingenommen!“ beantwortet. Seit diesem Tag beantworten die Tottenham-Fans antijüdische Sprechchöre gegen sich mit „Yiddos, Yiddos“.256

Die Frage, wie der Begriff Yid und Tottenham Hotspur zueinander gefunden haben, ist nicht gänzlich geklärt. Hierfür gibt es mehrere Erklärungsansätze. Einige Befragte einer Interviewserie gaben schlicht an, dass dies durch die breite jüdische Fanszene ausgelöst wurde. Ein anderer Ursprung könnte eine Comedyserie aus den 60er- und 70er-Jahren sein. In der Serie

253 Vgl. Nussdorfer, Florian; Stambouli steht auf „asoziale Schalker“. In: Reviersport. 26.10.2018. URL: https://www.reviersport.de/artikel/stambouli-steht-auf-asoziale-schalker/. [zuletzt abgerufen am: 19.11.2020]. 254 Vgl. Ebenda. S.242-243. 255 Der FC Arsenal London wird oft mit seinem Spitznamen „Gunners“ genannt. 256 Vgl. De Maere, Dominik Piotr; From Yiddos to Yids. How anti-Semitic is English football today? Bachelor paper. Mai 2017. S.12 & Vgl. Efron; Wo ein Yid kein Jude ist. S.248. 75

„Till Death Us Do Part“ beklagt die Hauptfigur Alf Garnett, ein englischer Nationalist und Rassist den durch Einwanderung von Schwarzen und der Stärke der Labour Party verursachten Verfall Großbritanniens. Er wird oft in seinem Wohnzimmer sitzend mit einem West Ham United-Schal um den Hals dargestellt, in dem er über den Fußball und seinen Verein schwadroniert, der es den Yids beim nächsten Mal wieder zeigen werde.257

Neben der Selbstbezeichnung als „Yids“ und „Yid-Army“ gebrauchen die Spurs-Fans den Terminus auch für ihre Spieler, um sie zu motivieren. Dies gilt nicht nur für gegenwärtige Spieler, sondern auch für ehemalige, und zukünftige. Ehemalige deswegen, wenn sie bei den Fans ein derartiges Standing und Beliebtheitslevel erreicht haben und nach ihrem Vereinswechsel noch als „Yid“, also einer von ihnen, bezeichnet wird. Ebenso geht man bei gegnerischen Spielern vor, von denen man glaubt, dass sie zum eigenen Verein wechseln werden. Das bekannteste Beispiel ist Jürgen Klinsmann. Nach dessen Wechsel von Monaco zu den Tottenham Hotspur wurde er zur Melodie von Mary Poppins mit der Zeile „Chim chiminee, chim chiminee, chim chim churoo, Jürgen was a German, but now he is a Jew!“ besungen.258

6.2.3. Antisemitismus im englischen Fußball

Während die Problematik rund um den Rassismus in den letzten Jahren sehr gut erforscht wurde, ist eine Fokussierung auf den Antisemitismus in der akademischen Debatte größtenteils ausgeblieben. Zumindest in der medialen Darstellung sind rassistische Vorfälle in viel höherer Frequenz vorhanden, als es antisemitische sind. Dennoch ist der Antisemitismus im englischen Fußball existent, wie ich an drei Beispielen, aus unterschiedlichen Bereichen des Fußballsports, zeigen möchte.

Beginnen möchte ich mit einem Vorfall, der die Vorstandsriege des ehemaligen englischen Premier League Clubs Wigan Athletic betraf. Der Clubvorsitzende Dave Whelan wurde aufgrund der Aussage in einem Zeitungsinterview, dass „Juden mehr Geld jagen als alle anderen“ vom englischen Fußballverband FA zu einer Geldstrafe und einem vorübergehenden Verbot von jeglichen fußballerischen Aktivitäten verurteilt. In diesem Interview verteidigte

257 Vgl. Efron; Wo ein Yid kein Jude ist. S.247f. 258 Vgl. von Lowtzow, Caroline; Wortgefechte. Fankultur bei Tottenham Hotspur. 24.04.2006. In: Bundeszentrale für politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/gesellschaft/sport/fussball-wm- 2006/73632/wortgefechte- [zuletzt abgerufen am: 19.11.2020]. & Vgl. Efron; Wo ein Yid kein Jude ist. S.257. 76

Whelan die Bestellung des neuen Trainers Malky Mackay, der bei seinem vorherigen Club entlassen wurde, weil er ähnliche jüdische Stereotypen per SMS verbreitete.259

Der zweite Vorfall betrifft den französischen Stürmer Nicolas Anelka, der in der Saison 2013/14 für West Bromwich Albion spielte. Er feierte ein Tor gegen West Ham United mit dem sogenannten „Quenelle-Gruß“, der als umgekehrter Nazi-Gruß gilt. Bei diesem Gruß wird der ausgestreckte rechte Arm Richtung Boden gestreckt und der linke Arm abgewinkelt über den rechten Oberarm gelegt. Anelka, der bereits zuvor durch anderweitige Skandale aufgefallen ist, wurde von der Premier League für fünf Spiele gesperrt. Bekanntheit erlangte diese Geste durch den französischen Comedian Dieudonne M´bala M´bala, einem Bekannten Anelkas, der ein antizionistischer Aktivist ist und auch schon wegen Anstiftung zum Rassenhass gegen Juden verurteilt wurde.260

Bereits mehrfach durch antisemitische Parolen auffällig geworden sind Fans des Londoner Clubs FC Chelsea. Michael Curtis gab einen Vorfall vom 13 Dezember 2018 an. Dieser soll sich bei einem Europa-League-Spiel in Belgrad gegen Brighton and Hove in Belgrad zugetragen haben.261 Dies kann meiner Meinung nach aus folgenden Gründen nicht richtig sein. Erstens würde ein Spiel dieser beiden aus dem gleichen Land stammender Vereine in der Gruppenphase europäischer Vereinsbewerbe nicht möglich sein. Zweitens würde ein solches Spiel höchstwahrscheinlich nicht in der serbischen Hauptstadt Belgrad ausgetragen werden, sondern in einem der beiden Heimstadien. Drittens wäre es mir äußerst suspekt vorgekommen, wenn Brighton and Hove Albion in einem europäischen Wettbewerb spielte, da diese erst vor kurzem in die Premier League aufgestiegen waren. Nach kurzer Internetrecherche bestätigte sich mein Verdacht, dass dieses Spiel so nie stattgefunden hat. An diesem Datum fand ein Europa-League-Spiel des FC Chelsea statt, nämlich in Budapest gegen den FC Vidi, bei dem es tatsächlich zu antisemitischen Gesängen kam. Im darauffolgenden Februar wurden die Chelsea-Fans für dasselbe Vergehen in Malmö zu einer Strafe von 11.000 Pfund durch die UEFA verurteilt. Das alles geschieht vor dem Hintergrund, dass der Besitzer des Vereins, Roman Abramowitsch, ein milliardenschwerer Oligarch israelischer Herkunft und jüdischen Glaubens ist. Daraufhin wurde von Vereinsseite eine Kampagne gestartet, um derartigen Vorfällen vorzubeugen. Man wollte beispielsweise mit dem „Pitch for Hope“ einen Wettbewerb ins Leben rufen, der vor allem junge Menschen ermutigen soll, Vorschläge für die Verhinderung von Antisemitismus zu initiieren. Auch Roman Abramowitsch selbst setzt sich

259 Vgl. Poulton; Towards understanding. S.1981f. 260 Vgl. Ebenda. S.1982. 261 Vgl. Curtis, Michael; Antisemitism and European Football. S.281f. 77

für seine israelischen Wurzeln ein. Er spendete 30 Millionen Pfund für die Aufarbeitung der Ereignisse des Holocaust, die im Imperial War Museum in London voranschreitet. Ebenso soll eine Holocaust-Galerie zum Museum hinzugefügt werden.262

Durch das Engagement des FC Chelsea forderte dieser die Abkehr von den Yids-Sprechchören durch die Tottenham-Fans. Durch mehrere Aktionen sollte es den Spurs-Fans verboten werden sich selbst mit diesen eigentlich antisemitischen Gesängen zu feiern. Man ging sogar so weit, dass man Fans warnte, den Begriff „Yid“ zu gebrauchen. Die öffentliche Verwendung des Terminus könne möglicherweise auf eine strafbare Handlung hinauslaufen, wodurch die Fans mit einer Bestrafung rechnen müssten und mit einem Fußballverbot263 belegt werden könnten. Die Tottenham-Fans antworteten bei ihren Spielen trotzig mit „We sing what we want“ und „Yids-Army“-Sprechhören auf die drohenden Strafen. Dies sollte nicht wirklich der Deeskalation der Situation zuträglich sein. Im Oktober 2013 wurden drei Tottenham-Fans aus der Fankurve entfernt, verhaftet und wegen angeblich rassistisch motivierten Verhaltens angeklagt. Auslöser dieser Aktion waren „Yids“-Sprechchöre im Stadion. Einen Tag vor dem Strafprozess, der im März 2014 stattfinden sollte, wurde dieser von der Strafverfolgungsbehörde CPS eingestellt. Grund für die Einstellung der Strafverfolgung war das nicht ausreichende Beweismaß sowie der Kontext, in dem das Wort verwendet wurde.264

Der Klub selbst, nimmt zu dieser Thematik nur sehr spärlich Stellung, man sei mit den Fans über den weiteren Umgang und der Verwendung des Begriffs „Yid“ in Gesprächen. Allen Fans der Spurs, die für die Verwendung des Begriffs verhaftet oder angeklagt werden, bietet der eigenständige Verein Tottenham-Hotspur-Supporters-Trust rechtliche Hilfe an, da er der Meinung ist, dass das Wort von Spurs-Fans nicht als Schimpfwort gebraucht wird.265

6.2.4. Antijüdische Sprechchöre und Fangesänge gegen Tottenham Hotspur

Im nachfolgenden Kapitel möchte ich einige Beispiele von Sprechchören anführen, mit denen die Fans die Mannschaft und der Klub Tottenham von den gegnerischen Fans konfrontiert wurde.

262 Vgl. Ebenda. S.281f. 263 Ich nehme an, dass hier mit Fußballverbot ein Stadionverbot gemeint ist. 264 Vgl. Poulton; Towards understanding. S.1986-1988. 265 Vgl. Holden, Kit; Dürfen sich Fans selbst antisemitisch beleidigen? 09.10.2013. In: Zeit Online. URL: https://www.zeit.de/sport/2013-10/tottenham-hotspur-schimpfwort-yid. [zuletzt abgerufen am: 19.11.2020]. 78

Bei einem Gruppenspiel der UEFA Europa-League in Rom, das zwischen Lazio Rom, das für seine rechtsradikalen Fans bekannt ist, und Tottenham Hotspur ausgetragen wurde, kam es zu einem tätlichen Angriff auf Fans der Spurs. Die sich in einem Pub befindlichen englischen Fußballanhänger wurden von mit Helmen oder das Gesicht verhüllenden Masken ausgestatteten Unbekannten attackiert, wobei zehn Spurs-Fans verletzt wurden. Während des Spiels wurden von den Laziali Spruchbänder mit „Free Palestine“ enthüllt sowie die Engländer mit Sprechchören wie „Juden, Tottenham“ bedacht.266

Es gibt aber auch über zahlreiche Vorfälle zu berichten, die die jüdische Lebensweise, die sich für Nicht-Juden stark von der eigenen unterscheidet, ins Visier nehmen. Bei derartigen Sprechchören kommt häufig die Unkenntnis über die jüdischen Lebensbereiche zum Vorschein, welche sich oftmals auf Vorurteile oder Stereotypen stützt.

Ein Vorfall ereignete sich in den 80er-Jahren bei einem Auswärtsspiel der Spurs bei Manchester City. Dabei sollen die Fans der Citizens267 zur Melodie von „Coming Round the Mountain“ Folgendes gesungen haben: „We`ll be running round Tottenham with our pricks out! Singing I`ve got a foreskin, haven´t you? Fucking Jew!” Sinngemäße auf Deutsch übersetzt: „Wir laufen mit unseren Schwänzen durch Tottenham! Wir singen, ich habe eine Vorhaut, und du? Scheiß Juden!“268 Ein anderer Augenzeuge berichtete von Gesängen „Wir haben Vorhäute! Wir haben Vorhäute, ihr nicht!“ Was beide Augenzeugen berichteten, ist die Reaktion der Tottenham- Fans. Sie stellten sich mit Blickrichtung zu den gegnerischen Fans auf und ließen ihre Hosen runter und enthüllten ihre beschnittenen Geschlechtsteile.269

Auf einen anderen Teil des jüdischen Lebens, nämlich die jüdische Esskultur, zielte ein von Tottenham oft gehörter Reim ab: „Tottenham boys, Tottenham boys – no pork pies or saveloys“, zu Deutsch: „Jungs aus Tottenham, Jungs aus Tottenham – Keine Schweinefleischpasteten und Zervelatwürste.“ Ein von Chelsea-Fans gereimtes Lied über die jüdischen Essgewohnheiten lautet: „Tiptoe, past the Tottenham, with some roast pork and a bacon sandwich“, was sinngemäß übersetzt „Pass auf in Tottenham oder bleib ihm gleich fern, mit Schweinebraten oder Specksandwich, sie sehn’s dort nicht gern“ bedeutet.270

Im Repertoire der antijüdischen Fangesänge fehlt auch das vielleicht dunkelste Kapitel der jüdischen Geschichte nicht. Es gibt auch Sprechchöre beziehungsweise Fangesänge, die sich

266 Vgl. Stratton; Playing the Jew. S.300. 267 Die Mannschaft von Manchester City trägt den Spitznamen „die Citizens“. 268 Vgl. Poulton; Towards understanding. S.1986. 269 Vgl. Efron; Wo ein Yid kein Jude ist. S.249. 270 Vgl. Ebenda. S.250f. 79

mit Anspielungen auf den Holocaust befassen: „Spurs are on their way to Auschwitz! [or Belsen] Sieg Heil! Hitler’s gonna gas ‘em again! You can’t stop them, the Yids from Tottenham, The Yids from White Hart Lane.“271 Hierbei bedarf es meiner Meinung nach keiner Übersetzung. Ein anderer, von Chelsea-Fans gesungener Song, den ich ebenfalls nicht übersetzen werde, lautet: „Good old Adolf Hitler, He was a Chelsea fan, One day he went to White Hart Lane, And all the Jew Boys ran. At last he got a few of them, Up against a wall, At first he laughed a little bit, And then he gassed them all. [. . .]“ Zu all diesen abscheulichen Fangesängen ist bei den Spielen gegen Tottenham Hotspur auch manchmal ein Zischen zu hören, das das Geräusch des austretenden Gases in den Vernichtungsstätten nachahmen soll.272 Als ein derartiges Gezische von den Manchester United Fans angestimmt wurde, reagierten die Fans der Spurs mit einer ähnlich abscheulichen Aktion. Viele von ihnen bastelten aus herausgerissenen Blättern des Programmhefts im Stadion Papierflieger und warfen diese in die Luft. Die Papierfliegeraktion wurde mit einer eigenen Abwandlung des Liedes „Those Magnificant Men in Their Flying Machines“ und den sogenannten „Munich songs“ besungen, um an den Flugzeugabsturz der Mannschaft von Manchester United vom Jahr 1958 in München zu erinnern.273

Wie lange sich die Tottenham-Fans noch selbst als „Yid“ bezeichnen werden und wollen, ist ungewissen. Denn sowohl der Druck auf eine Abkehr der Bezeichnung wird nicht nur von außen größer, sondern auch von innen. Laut einer Umfrage unter mehr als 23.000 Spurs-Fans waren mit 94 Prozent eine überwiegende Mehrheit der Meinung, dass „Yid“ ein rassistischer Terminus ist. Des Weiteren sollen Gesänge, wenn nicht ganz verbannt, wenigstens weniger oft angestimmt werden. Deshalb könnten Stadionlieder wie „We sang it in France, We sang it in Spain, We sing in the sun and we sing in the rain, They tried to stop us, but look what we do, Cos the thing I love most is being a Yid.“ bald der Vergangenheit angehören.274

271 Vgl. Poulton; Towards understanding. S.1991. 272 Vgl. Efron; Wo ein Yid kein Jude ist. S.251f. 273 Vgl. Ebenda. S.252f. 274 Vgl. Heßbrügge, Rolf; Das Y-Wort. [zuletzt abgerufen am: 19.11.2020]. 80

6.3. FC Bayern München

6.3.1. Die Gründung des FC Bayern München

Die Geschichte des FC Bayern München beginnt nicht am 27. Februar 1900, der das Gründungsdatum des Vereins darstellt, sondern einige Jahre früher. Denn im äußersten Südwesten der heutigen Bundesrepublik Deutschland treffen sich einige junge Männer, die an der Entwicklung des süddeutschen Fußballs und des noch zu gründenden FC Bayern München eine gewichtige Rolle spielen werden.275 Noch bevor der FCB das Licht der Welt erblickte, gab es den Verband Süddeutscher Fußball-Vereine (VSFV), der im Herbst 1897 in Karlsruhe gegründet wurde. In diesem waren Vereine aus Karlsruhe, Frankfurt am Main, Mannheim, Heilbronn und einig weitere vertreten. Allerdings fällt auf, dass zu dieser Zeit Süddeutschland nicht das heutige Bundesland Bayern mit der Hauptstadt München inkludiert, denn es waren keine Vereine aus München bei der Gründung anwesend, auch wenn es dort seit geraumer Zeit bereits Fußballvereine gab. Die genannten Vereine befinden sich im Gebiet der heutigen Bundesländer Baden-Württemberg, Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz. Im Jahr 1898 wurde erstmalig eine Meisterschaft dieses Verbandes ausgetragen, die der FC Freiburg für sich entschied.276

Ein Monat vor der Gründung des FC Bayern wurde auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) beim 1. Allgemeinen Deutschen Fußballtag in Leipzig gegründet. Immer noch war der bayrische Fußball mit nur einem Delegierten, der von drei Vereinen entsandt wurde, unterrepräsentiert. Auf Ansinnen von Gus Manning, sollten Josef Pollack, Sohn eines jüdischen Kaufmanns, mit dem er in Freiburg die 1. Süddeutsche Landesmeisterschaft gewann, und Franz John, mit welchem er bereits in Pankow (Berlin) einen Fußballverein gründete, das Werben um eine Aufnahme des MTV 1879, in dessen Fußballabteilung beide spielten, in den VSFV zu intensivieren. Deshalb bat Manning John in einem Brief:

„… denn Bayern, der größte Bundesstaat Süddeutschlands fehlt uns noch immer im Verbande. […] Du musst nun auf jeden Fall alles dransetzen, um den MTV zu veranlassen, dem Verbande beizutreten, dann kommen die anderen von selbst nach

275 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. Göttingen 2017. S.20-25. 276 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. In: Schulze-Marmeling, Dietrich (Hrsg.); Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball. Göttingen 2003. S.54. 81

[…] Mit diesem Auftrag hatte denn mein sportliches Münchner Leben von allem Anfang an, seinen Inhalt bekommen.“277

Der Antrag für einen Beitritt in den Verband, der von John und Pollack eingebracht wurde, wurde abgelehnt. Als Grund für eine Nichtaufnahme in den Verband gab der Vereinsvorstand die Bindung an die Turnerschaft an. Die beiden sahen für die weitere Entwicklung nur die Trennung vom MTV 1879 und die Gründung eines eigenen Fußballvereins als Lösung, da der Sport in München ähnlichen großen und auch kleineren Städten hinterherhinkte. Um die Trennung zu vermeiden, wurde für den 27. Februar 1900 eine Versammlung einberufen.278

Bei dieser Versammlung wurden den Revoluzzern einige Forderungen genehmigt, unter anderem auch einen späteren Beitritt zum süddeutschen Verband. Das war Pollack und John zu wenig, da sie sich um die sportliche Entwicklung der Fußballer sorgten. So machten sich elf Fußballer, die genaue Anzahl einer Fußballmannschaft, auf den Weg in ein Lokal nahe des Münchner Marienplatzes, um den FC Bayern München zu gründen. Die Gründungsurkunde, die bereits Tage zuvor angefertigt wurde, wurde von 17 Personen unterzeichnet, um einer Abspaltung vom MTV zuvorzukommen. Im Nachhinein ist diese Absichtserklärung zur Gründungsurkunde geworden. Die ersten Klubfarben des FCB sind ganz nach den Farben der bayrischen Landesflagge, blau und weiß. Paradoxerweise trägt der heutige Erzrivale des FC Bayern, der nunmehr drittklassige TSV 1860 München diese Farben. Der erste Präsident des FC Bayern München wird Franz John, der erste Schriftführer Josef Pollack, der jüdischer Abstammung ist. Diese beiden standen, wie oben erwähnt, in engem Kontakt mit Gus Manning, der ebenfalls jüdischer Herkunft war. Unter den 17 Gründungsmitgliedern findet sich mit Benno Elkan, der bereits in Dortmund an der Gründung des ersten Fußballvereins der Stadt beteiligt war, ein weiterer Jude. Durch diese Reihe von Persönlichkeiten ist der Anfang und somit nur ein kleiner Teil der jüdischen Geschichte des FC Bayern München erzählt. 279

Wie aus den vergangenen Ausführungen deutlich herauszulesen, war der FC Bayern kein Produkt aus einheimischen, fußballbegeisterten jungen Männern, sondern ein Sammelsurium mehrerer in München Zusammengekommener. Auch die Gründer und ersten Funktionäre des bayrischen Hauptstadtklubs stammen nicht aus München. Franz John stammt aus einem kleinen Ort in der Nähe von Berlin. Josef Pollack war, wie bereits erwähnt, sowohl als Fußballer als

277 Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.26. 278 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.26-28. 279 Vgl. Ebenda. S.28-30. 82

auch als Funktionär bei einem Verein seiner Heimatstadt Freiburg tätig. Der FC Bayern konnte in seinen Anfangsjahren als ein Klub der „Zuagroasten“280 bezeichnet werden. In seinem ersten offiziellen Spiel konnte der FC Bayern München den 1. FC München mit 5:2 besiegen. Mit einigen neuen Spielern aus Berlin und vor allem aus Freiburg konnte der FCB gleich die ersten Erfolge einfahren. Mit dem 7:1 Sieg im Juli 1900 gegen den MTV 1879 München, von dem man sich ja unabhängig gemacht hat, konnte man nicht nur einen Prestigeerfolg einfahren, sondern wurde auch bald der führende Fußballverein der Stadt. Beheimatet war der FC Bayern damals im Bezirk Schwabing, das als Künstler- und Intellektuellen-Treffpunkt der Stadt galt. So waren der Club bald als Protz- und Kavaliersklub verschrien, wozu auch der elitäre Kleidungsstil der Spieler beitrug.281

Die Gründungsväter des FC Bayern sollten allerdings nicht allzu lange mehr in München verbleiben, um die Entwicklung weiterhin mitgestalten zu können. Neben den Gastspielern aus Freiburg, die wieder dorthin zurückkehrten, kehrten auch Franz John, Benno Elkan, Josef Pollack und Gus Manning München bald den Rücken zu. Der erste Präsident des Vereins, Franz John etwa kehrt 1904 nach Pankow zurück, um ein Fotoatelier und -labor zu betreiben. Bei seinem Heimatverein dem VfB Pankow bleibt er dem Fußball weiterhin erhalten. Für seine Verdienste um beim FC Bayern wird er zum Ehrenvorsitzenden ernannt und erhält die goldene Ehrennadel. Benno Elkan, aus Dortmund stammend, widmet sich bereits ein Jahr nach der Gründung des FC Bayern dem Studium der Bilderhauerei, welches ihn unter anderem nach Paris und Rom führt. Da er von den Nationalsozialisten mit einem Berufsverbot belegt wurde, emigriert er nach London. Josef Pollack zieht es 1903 in die USA, wo er sich als Unternehmer übt. Dort ist er eng mit der ansässigen jüdischen Community verbunden. Gus Manning tut es seinem Kompagnon aus Münchner Zeiten gleich und emigriert zwei Jahre später in die Vereinigten Staaten, wo er sich seinem Arztberuf widmet. Anders als Pollack, ist Manning auch in Amerika mit dem Fußball in Verbindung. Durch seine gewonnenen Erfahrungen aus Berlin, Freiburg und München beteiligte er sich an der Gründung eines Fußballverbands. So wird er 1912 der Präsident der American Amateur Football Associaction. Um die Anerkennung des Weltfußballverbandes FIFA zu erreichen, fusionierten sich der Verband Mannings mit der Association 1913 zur United States Football Association. Auch hier kann

280 Als ein „Zuagroaster“, zu Deutsch „Zugereister“, wird im Dialekt jemand bezeichnet, der an einem Ort lebt, an dem er nicht geboren wurde. o.A.; Österreichisches Wörterbuch. URL: https://www.oesterreichisch.net/wort/2978/zuagroaster. [zuletzt am: 28.10.2020]. 281 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.55-58. 83

Gus Manning als Pionier angesehen werden, denn er wird der erste Präsident des US- amerikanischen Fußballverbandes, der heute United States Soccer Federation heißt.282

Aber auch der Verband Süddeutscher Fußballvereine, der sich ab 1914 Süddeutscher Fußball- Verband (SFV) nannte, befand sich nach Anlaufschwierigkeiten im Aufwind. 1901 waren es nur zwölf Vereine, drei Jahre später bereits 71. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieg sollen bis zu 574 Vereine, was knapp die Hälfte aller bundesweiten Vereine darstellt, mit einer Mitgliederzahl von knapp 60.000 im SFV organisiert worden sein, was diesen Verband, zusammen mit dem Berliner zum klaren Spitzenreiter im deutschen Fußball machte.283

Was für den FC Bayern heute die verschiedenen Sommertrainingslager oder internationalen Freundschaftsspiele zu Werbe- und Expansionszwecken in den USA oder im asiatischen Raum sind, waren früher internationale Gastspiele bei und gegen Vereine aus Europa. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs absolvierte der FCB insgesamt 50 internationale Spiele. Das erste von diesen wurde gleich einmal gegen den Deutschen Fußball Club Prag, der mit zahlreichen österreichischen und ungarischen Nationalspielern bestückt war, mit 8:0 verloren. Von den ersten zehn internationalen Spielen gingen neun verloren. Dabei war man teilweise hoffnungslos unterlegen, wie die Ergebnisse von 1:5, 0:10, 1:11 oder 0:13 vermuten lassen. Besonders häufig bestreiten die Bayern internationale Gastspiele gegen Schweizer Vereine. Mit einem 2:2 gegen den FC Zürich konnte man das erste Mal nicht verlieren, mit dem 3:2 Erfolg gegen die Old Boys Basel im zwölften Versuch den ersten Sieg feiern. Aus den Ergebnissen lässt sich erahnen, dass bei diesen Spielen nicht unbedingt der Erfolg das vorrangige Ziel war. Vielmehr sollte den eigenen Spielern dadurch die Möglichkeit gegeben werden, sich auf taktischer, spielerischer wie auch körperlicher Ebene weiterzuentwickeln. Besonders ins Auge sticht der Umstand, dass viele der internationalen Freundschaftsspiele gegen Vereine aus dem bürgerlichen und intellektuellen Milieu stammen, wo zahlreiche jüdische Spieler am Spielbericht standen.284

6.3.2. Berufsfußball in Deutschland

Der Fußballsport im Allgemeinen erfreute sich einer immer stärker werdenden Beliebtheit, was sich auch in der steigenden Anzahl von Aktiven, als auch in der Anzahl jener, die den Fußball

282 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.35-39. 283 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.56. 284 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.43-45. 84

passiv als Zuschauer verfolgten, niederschlug. Der Fußball wurde zu einem Massenphänomen, zum kommerziellen (Profi-)Sport. Durch die steigenden Zuschauerzahlen stiegen auch die Erwartungen an die Fußballer. Diese konnte man mit einem höheren Trainingsaufwand erfüllen. Die vorhin angesprochenen internationalen Spiele, die vor allem den FCB und den 1. FC Nürnberg betrafen, und die steigende Anzahl an Trainingsaktivitäten gingen auf Kosten der eigentlichen Berufstätigkeit. Der entgangene Lohn wurde in monetärer Form durch Handgelder beglichen, durch die Bereitstellung eines Wohn- und/oder Arbeitsplatzes oder der Vortäuschung einer Scheintätigkeit kompensiert. Dem FC Bayern war es seitens des DFB lediglich erlaubt, einen geringen Betrag pro Spiel an seine Fußballer zu leisten, ein Lohnausgleich war gänzlich untersagt. Der Deutsche Fußballbund vertrat, im Gegensatz zu seinen Pendants in Österreich, der Tschechoslowakei, Ungarn oder Frankreich, rigide den Amateurismus. So beschließt der DFB 1925 nicht nur die Ablehnung des Profifußballs für alle Zeiten, sondern auch Einschränkungen beim Spielverkehr mit professionellen ausländischen Vereinen. Dadurch sollten die zu dieser Zeit mittonangebenden Vereine aus Österreich und Ungarn vom Weg des Amateursports überzeugt werden. Auch beim FC Bayern, der beim DFB durch den meinungsstarken Präsidenten Kurt Landauer vertreten wird, konnte man mit den neuen Bestimmungen nicht warm werden. Er fürchtet durch die fehlenden Auswärtsfahrten an fußballerischer Leistungsfähigkeit einzubüßen. Ebenso steht er den Vorstellungen des DFB diametral entgegen, dass die Spieler, die durch die steigenden Anforderungen einen immer größeren Aufwand betreiben müssen, diesen auch gerecht entlohnt bekommen müssten. Dabei hat Landauer gar nicht den Vollprofessionalismus gefordert, da dieser aus dem Amateursport heraus nicht einfach zu bewerkstelligen gewesen wäre. Ebenso fürchteten sich die Vereine beim Vollprofessionalismus vor externen Geldgebern, die aufgrund ihres Vermögens die Macht über die Spieler hätten. Vor dem Beginn der Saison 1927 mussten die Vereine sogar einen Amateurschutzvertrag unterschreiben, denn der Professionalismus sei als „ein untrügliches Zeichen des Niederganges des Volkes“285 anzusehen. Auch zwischen den Landesverbänden gibt es große Auffassungsunterschiede über die Thematik des Amateur- oder Profifußballs. Jedoch wird der Amateursport auch von jüdischen Funktionären kritisiert, was nicht gleichbedeutend ist, dass der Professionalismus ein jüdisches Projekt ist, da alle ehrgeizigen Vereine damit konfrontiert wurden, unabhängig von der religiösen Zusammensetzung der Klubverantwortung.286

285 Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.104f. 286 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.94-96. & S.99-109. 85

In vielen Vereinen hatte das Wort von Juden ein starkes Gewicht, wenn es um die Einführung des Profi- beziehungsweise Berufsfußballs ging. Das führte dazu, dass Otto Nerz, der von 1926 bis 1936 Bundes-Fußballlehrer des DFB, heute der Trainer des Nationalteams, war, im Juni 1943 im Berlin „Das 12 Uhr Blatt“ schrieb, dass bereits vor 1933 kein judenfreundlicher Wind im Deutschen Fußballbund wehte.287

„Besonders in der Berufsspielerfrage machten die Juden und ihre Hörigen der oberen Führung das Leben dauernd sehr schwer. In der Krise vor 1933 war die Gefahr der Verjudung im Fußball sehr groß. Die großen vereine waren stark verschuldet und vielfach waren Juden die Gläubiger. Die Tendenz zum Berufsfußball war sehr groß, und der damalige Staat konnte der Sportführung keinen Halt geben, weil er selbst dem Juden hörig war.“288

Wie der Autor Nils Havemann selbst zugibt, ist die Metapher des Windes etwas abschwächend für den vorherrschenden Antisemitismus. Ebenso gibt er zu, dass diese Meinung nicht repräsentativ für den gesamten Fußballverband ist, dennoch eine eindeutige Ablehnung des DFB der Einführung des Berufsfußballs gegenüber zeigt. Der DFB wollte den Einfluss der Juden im Fußball zurückdrängen, wenn nicht sogar ausschalten, da er fürchtete, dass diese seine Geschäfte gefährden würden. Somit war die Motivation dahinter nicht wie von Nerz ausgeführt rassisch-ideologisch, sondern von ökonomischer Natur, wie Havemann betont. Der DFB wollte seine Bestrebungen nicht mit dem Ausschluss von Jüdinnen und Juden durchsetzen, sondern man betonte, dass jüdische Mitbürger als leitende Funktionäre in Vereinen und Verbänden nicht tragbar sind. Havemann führt weiter aus, dass sich der DFB durch die Frage des Berufsfußballertums in die Enge getrieben fühlte, wodurch seit jeher bestehende Feindbilder und Stereotypen über (geld-)gierige Juden wieder hervorgeholt werden. Mit der Förderung des Profifußballs durch Juden würde diese die Ideale, wie Selbstlosigkeit, Kameradschaft und Solidarität zerstören.289

Dietrich Schulze-Marmeling sieht die Argumentation von Nils Havemann äußerst kritische. Er lässt die Argumentation, dass die Sanktionen gegen die jüdischen Funktionäre als Abwehr des Berufsfußballs gesehen werden, nicht gelten. Schulze-Marmeling nennt die angeblichen

287 Vgl. Havemann, Nils; Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz. Frankfurt/Main 2005. S.160. 288 Ebenda. S.160. 289 Vgl. Ebenda. S.160f. 86

ökonomischen und nicht rassistischen Motive „Konkurrenzantisemitimus“. Er erklärt diese Argumentationskette so, dass einerseits die angeblichen ökonomischen Motive nur funktionierten, weil eine antisemitische Grundstimmung innerhalb des Funktionärskörpers bereits vorhanden war. Andererseits aber auch, wen man alles, das mit Geld und Profit zu tun hat, als jüdisch betrachtet.290

6.3.3. Kurt Landauer und der FC Bayern

Die beiden Thematiken FC Bayern München und Juden sind vor allem in früherer Vergangenheit eng miteinander verknüpft gewesen. Diese Verknüpfung der Thematiken wurde erst in den letzten Jahren aus der Vergessenheit geholt. Oft ist die jüdische Vergangenheit des Weltvereins mit dem Namen Kurt Landauer verbunden. Auch wenn dieser stellvertretend dafür eintritt, ist er keineswegs der einzige Zusammenhang. Dennoch möchte ich der Person Kurt Landauer und seinem Wirken einen gewissen Platz in meiner Diplomarbeit einräumen.

Kurt Landauer, der am 18.7.1884 als Sohn von jüdischen Kaufmannsleuten in Planegg nahe München geboren wurde, war als Siebzehnjähriger das erste Mal mit jenem Verein in Berührung gekommen, den er in den nächsten fünfzig Jahren maßgebend prägen sollte. Am Beginn seiner Bayernkarriere trat er dem Verein als aktiver Fußballer bei, die aufgrund einer zu beginnenden Banklehre in Lausanne nur von kurzer Dauer sein sollte.291 Er beendete seine Lehre zum Bankangestellten in Florenz und kehrte 1905 in seinem Heimatstadt München zurück, um im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten. Im Jahr 1913 wurde Kurt Landauer der Präsident des FC Bayern München, was er durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs nur bis zu dessen Beginn blieb.292 Nach der Beendigung des Ersten Weltkriegs übernahm Kurt Landauer 1919 wiederum das Amt des Präsidenten des FC Bayern München. Die abermalige Präsidentschaft Landauers erwirkte in den Reihen des FC Bayern eine Aufbruchsstimmung. Verknüpft waren diese auch mit dem damaligen Trainer der Münchner, dem Engländer William J. Townley. Dieser wurde von Landauer bereits im Dezember 1913 verpflichtet und sollte auch nach dem Krieg die fußballerischen Geschicke des FCB als Trainer leiten. Der zuvor beim Karlsruher FV und der SpVgg Fürth engagierte Übungsleiter war bis Jänner 1921 Trainer des FC Bayern München. Nach dessen Abgang zum SV Waldhof Mannheim wechselte er im Jahr

290 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.109f. 291 Vgl. FC Bayern München; Ehrenpräsident Kurt Landauer. In: Offizielle Webseite des FC Bayern München. URL: https://fcbayern.com/de/club/fcb-ev/kurt-landauer-%E2%80%A0 [zuletzt abgerufen am: 03.11.2020]. 292 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.60. 87

darauf noch nach Hamburg zur Hamburger Victoria, was Walther Bensemann, dem Gründer des Fußballmagazins „Kicker“, das bis heute noch besteht, veranlasst Folgendes über William Townley zu schreiben: „Damit scheidet der Mann aus Süddeutschland, der dem Fußballsport seine jetzige Technik gegeben hat.“293 Dies ist dahingehend als besonders anzusehen, da Townley keine Titel mit dem FC Bayern vorweisen kann, ganz im Gegenteil zu seinen Stationen in Karlsruhe, wo er Süddeutscher Meister wurde, und in Fürth, wo er Ostkreismeister, quasi gleichbedeutend mit dem Bayrischen Meistertitel, wurde. Bensemann führt weiter aus, dass er den Bayern ein feines, durchdachtes Spiel eingeimpft hatte.

„Die Siegeszüge von Prag, Karlsruhe und Fürth sind zwar nicht wiederholt worden; […]. Trotzdem konnte das Training nicht durchschlagen: das Material war nicht auf der Höhe. (…) Wo die Jahrgänge schlecht sind, versagt auch der beste Lehrer, und die F.A. Bayern wird erst in 1-2 Jahren, wenn die Junioren in der ersten Elf stehen, die Früchte der Townley´schen Arbeit pflücken können.“294

Der Herausgeber der Fußballzeitschrift sollte recht behalten. Durch William Townleys Initiative wurde die Ausbildung des Fußballnachwuchses intensiviert. In der Person von Kurt Landauer, dem damaligen Präsidenten, fand er einen großen Unterstützer der Jugendarbeit, der deren Bedeutung und Wichtigkeit für die Zukunft erkannte. Ab Mitte der 1920er-Jahre sollte sich der von der britischen Insel importierte Kombinationsfußball 295, der sich durch ein sauberes Passspiel auszeichnet, bezahlt machen, da man sich allmählich an die Spitze des deutschen Fußballs heranarbeitete. Allerdings war Townley nicht der Begründer der Münchner Nachwuchsabteilung. Diese hatte bereits seit 1901 Bestand und wurde in der Zeit der Weimarer Republik (1918-1933) deutlich ausgebaut. Unter dem Motto „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“ wurden im Stadtteil Schwabing Jugendspielplätze geschaffen, die bis zu 30 Mannschaften zugleich aufnehmen konnte, installiert. Mit den Ausmaßen von 535 Mitgliedern, die sich in der Saison 1927/28 auf fünf Junioren-, 17 Jugend- und 14 Schülermannschaften aufteilten, könnte man heutzutage locker von einer Fußballakademie sprechen. Unter der Ägide von William Townley, wurden die Bestrebungen um den Nachwuchsfußball intensiviert, was

293 Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.87. 294 Ebenda. 295 Anmerkung: Unter Fußballkennern und -liebhabern zeichnet sich der englische Fußball, vor allem ab der zweiten Liga, aber teilweise auch in der erstklassigen Premier League, durch einen vermehrt kämpferischen und körperbetonten und weniger spielerisch ansprechenden Fußball aus. Als ein solcher Spielstil wird der Kick and Rush dargestellt. Dieser definiert eine Art des Fußballspiels, bei der der Ball von den Verteidigern hoch in die gegnerische Hälfte, zu den oft großgewachsenen und körperlich kräftigen Stürmern befördert wird. 88

als die Grundsteinlegung für den Gewinn der ersten deutschen Fußballmeisterschaft 1932 angesehen werden kann.296

Den ersten Meistertitel hatte der FCB, neben Präsident Kurt Landauer, zu großen Teilen auch seinem damaligen Trainer, einem Österreicher, Richard Dombi zu verdanken. Nach Trainerstationen bei Hertha BSC Berlin, Gradjanski Agram, einem Verein aus dem kroatischen Zagreb, dem Vienna Football Club und dem FC Barcelona, betreut Dombi vor seinem Engagement bei den Bayern noch KS Warszawianka in Polen und die deutschen Vereine Sportfreunde Stuttgart, TSV 1860 München sowie den VfR Mannheim. Durch seine vielen Stationen in halb Europa ist der österreichische Trainer äußerst begehrt und dementsprechend teuer. Seinen Verdienst soll er allerdings nahezu zur Hälfte in die Betreuung der Spieler investiert haben. In der Meistersaison 1931/32 gewann man mit einem Punkt Vorsprung vor dem 1. FC Nürnberg die Südoststaffel, worauf man sich im Finale um die Süddeutsche Meisterschaft Eintracht Frankfurt mit 2:0 geschlagen geben musste. Dieses Finalspiel wurde nach 80 Minuten aufgrund eines Platzsturms seitens des Bayernanhangs abgebrochen, da man sich vom Schiedsrichter betrogen fühlte. Der FCB verzichtete auf ein Wiederholungsspiel, da man durch den Finaleinzug, die Teilnahme an der Endrunde um die gesamtdeutsche Meisterschaft sicherstellte. Im Finale stand man dann wiederum Eintracht Frankfurt gegenüber. Die Mannschaft aus der Finanzmetropole konnte ebenso wie der vom Juden Kurt Landauer geführte Verein, als Judenverein bezeichnet werden, da die Hauptgeldgeber jüdische Schuhfabrikanten waren. Dieses Finale sollte der letzte massenrelevante Beitrag des jüdischen Fußballs in Deutschland bedeuten. Vor dem am 12. Juni 1932 ausgetragenen Finale, wird die Bayern-Mannschaft von Trainer Dombi abgeschirmt und professionell vorbereitet. Das Endspiel gewinnt der FC Bayern München vor mehr als 50.000 Zuschauern im Nürnberger Stadion und darf sich erstmalig Deutscher Fußballmeister nennen. Nach der Verleihung der Meistertrophäe wird im Mannschaftshotel gefeiert. Am Tag darauf gibt es einen Konvoi mit Kutschen der die Mannschaft durch die Stadt zum Rathaus am Marienplatz führt. Heute noch werden die Titel- und Meisterfeiern des FC Bayern am Marienplatz abgehalten. Die Pokale oder Meisterschalen werden dann den tausenden Zuschauern vom Rathausbalkon aus präsentiert. Nach den Glückwünschen des Oberbürgermeisters Sargnagel soll Landauer geantwortet haben, dass man lieber anständig verlieren wolle als unter Missachtung der Regeln zu gewinnen. Zu einer Zeit, in der die Vertreibung der Juden aus dem Fußball bereits vorangeschritten war, gewinnt der FC Bayern München mit einem jüdischen Präsidenten,

296 Vgl. Ebenda. S.70f. & S.87 89

einem jüdischen Trainer sowie einem jüdischen Jugendfunktionär erstmalig die Deutsche Meisterschaft.297 Die zweite Periode der Präsidentschaft Kurt Landauers dauerte vom Frühjahr 1919 bis ins Frühjahr 1933 und wurde in den Jahren 1921/1922 aufgrund des Erbes des Familienbetriebs kurz unterbrochen. Unter dem umtriebigen Landauer gewann der FC Bayern sowohl national als auch international an Renommee, da er nicht, wie von vielen Mitgliedern und Fans gefordert, den Bau eines eigenen Stadions förderte, sondern stattessen in die sportliche Entwicklung der Mannschaft und der Jugend investierte.298

Offiziell beendet Kurt Landauer am 22. März 1933 mit einem Schreiben an den Vorstand seine Präsidentschaft. Wie aus der Vereinszeitschrift hervorgeht, tut er dies im Interesse des Clubs. Mit seinem eigenen Rücktritt kommt er den Nationalsozialisten zuvor, die den FCB wohl gezwungen hätten, Landauer abzusetzen. Damit tut er es vielen jüdischen Fußballfunktionären in dieser Zeit gleich. Auch in seinem beruflichen Umfeld hat Landauer mit den Umwälzungen zu kämpfen. Er wird einen Monat nach seinem Rücktritt als Bayernpräsident von seinem Posten bei einer Münchner Zeitung durch die Arisierungen der Medien gekündigt. Der Nachfolger Landauers beim FCB wird sein langjähriger Assistent Siegfried Hermann, der das Amt nur bis zum September 1934 innehat.299

Die gewalttätigen Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung gipfelten im Jahr 1938 in der Nacht vom 9. auf den 10. November und wurden in der Wissenschaft später als Reichspogromnacht oder Reichskristallnacht bekannt. Neben der Zerstörung von jüdischen Geschäften und Gotteshäusern wurden an die 30.000 Juden festgenommen und in Konzentrationslager gebracht. Unter den Inhaftierten war auch Kurt Landauer, der ins KZ Dachau, das etwa 20 Kilometer nordwestlich von München entfernt liegt, gebracht. Die menschenunwürdigen Haftumstände seien hier ausgespart; Landauer musste diese 33 Tage ertragen und wurde daraufhin wieder freigelassen. In der Zeit des Auswanderungsverbotes, das vom Neujahrstag 1938 bis zum Monatsersten des Oktobers 1939 Bestand hatte, gelang Kurt Landauer, wie auch in etwa 170.000 anderen Menschen die Flucht ins Ausland. Landauer schaffte es in der Schweiz, genauer gesagt in Genf, wo er Kontakte zum dort ansässigen Fußballverein Servette Genf unterhielt, unterzukommen.300 Im Exil in Genf kam er auch wieder mit dem FC Bayern in Berührung, der 1943 dort ein Freundschaftsspiel abhielten, dem Landauer beiwohnte. So begrüßten die Bayern-Spieler ihren ehemaligen Präsidenten auf der

297 Vgl. Ebenda. S. 114-123. 298 Vgl. FC Bayern München; Ehrenpräsident Kurt Landauer. [zuletzt abgerufen am: 04.11.2020] 299 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.183f. & S.203f. 300 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.71-74. 90

Tribüne, was für diese nicht gefahrenlos war. Ein direktes Zusammenkommen der Spieler und des früheren und späteren Präsidenten wurde von der Gestapo verhindert.301 Von seinen insgesamt fünf Geschwistern überlebte das Naziregime nur seine Schwester Henny, die mit ihrem Ehemann 1934 nach Israel emigrierte. Aus seinem Schweizer Exil kehrte Kurt Landauer am 26. Juni 1947 nach München zurück. Seine dritte Amtszeit als Präsident des FC Bayern München beginnt am 19. August 1947 und dauerte bis Mai 1951. Mit der Unterbrechung 1921/22 wäre es sogar seine vierte Amtszeit. Hierbei unterscheiden sich allerdings die Zählweisen.302

Über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in die auch die letzte Periode der Landauer´schen Präsidentschaft fällt ist in Kapitel 6.3.6. nachzulesen.

Kurt Landauer heiratete nach dem Ausscheiden aus dem Vorstand des FCB 1955 seine ehemalige Haushälterin Maria Baumann und lebte fortan in München-Schwabing. Kurt Landauer stirbt am 21. Dezember 1961 im Klinikum Schwabing und wird im Familiengrab am Neuen Israelitischen Friedhof in München beigesetzt.303

Mit den Errungenschaften Karl Landauers, darunter der erste Deutsche Meistertitel, der Wiederaufbau des Vereins nach dem Nationalsozialismus mit der neuen Heimat an der Säbener Straße wirkt sein Schaffen bis in die Gegenwart noch nach.

6.3.4. Der FC Bayern unter dem nationalsozialistischen Regime

Im Jahr nach dem errungenen Meistertitel kam es nicht nur für den FCB zu einschneidenden Ereignissen, sondern auf gesamtgesellschaftlicher wie auch auf politischer Ebene. Zu Beginn des Jahres, Ende Jänner, wurde Adolf Hitler von Reichpräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Zwei Tage später wird der Reichstag aufgelöst und es beginnen die ersten Übergriffe auf jüdische Geschäfte und deren Inhaber. Am Tag des Reichstagsbrandes werden mit einer Notverordnung die Grundrechte der Weimarer Republik ausgeschaltet. Tags darauf, am 28. Februar, beginnt das nationalsozialistische Regime die kommunistische sowie die den Sozialdemokraten nahestehenden Arbeiter Turn- und Sportbund aufzulösen und zu

301 Vgl. br.de; Kurt Landauer im Porträt. Der Vater des Erfolgs. 14.10.2014. In: Das Erste. URL: https://www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/kurt-landauer-der-film/portraet-kurt-landauer-100.html [zuletzt abgerufen am: 05.11.2020]. 302 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.71-75. 303 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.303 & S.316. 91

schließen. Bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 wird die NSDAP stimmenstärkste Partei und beginnt wenige Tage später mit der Entmachtung der bayrischen Regierung, weshalb dem Ministerpräsidenten nur noch der Rücktritt überbleibt.304

Am Jahresbeginn 1933 lebten in München knapp 11.000 Bürger jüdischen Glaubens, womit man zahlenmäßig hinter Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln und Leipzig die sechstgrößte jüdische Community in Deutschland aufwies. Allerdings war der prozentuale Anteil der jüdischen Bevölkerung in München stets unter dem der anderen gelegen, was sich auch in der öffentlichen Wahrnehmung widerspiegelte. Auch wenn die Präsenz jüdischen Lebens in München unterrepräsentiert war, so wurde die Historie der Stadt, insbesondere im künstlerischen und kulturellen Zusammenhang stark von jüdischem Einfluss geprägt.305

Eines der ersten Spiele, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten vom FC Bayern ausgetragen wurde, war das Derby gegen den Stadtrivalen TSV 1860 München am 12. März 1933. Das Spiel, das von den Münchner Löwen, so der Spitzname von 1860 München, der sich aus dem Vereinswappen ableitet, mit 2:1 vor etwa 18.000 Zuschauern gewonnen wurde, war nicht die einzige Großveranstaltung in München an diesem Tag. Unglaubliche 150.000 Menschen sollen am Oberwiesenfeld, auf den Besuch des Reichskanzlers Adolf Hitler gewartet haben.306 Ein Grund für die große Begeisterung für den Führer könnte aus dem Umstand herrühren, dass seine Partei, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) am 24. Februar 1920 im berühmten Hofbräuhaus in München gegründet wurde. Drei Jahre später, im November 1923 starteten Hitler und Erich Ludendorff einen rechtsextremistischen Putschversuch. Auf einer Versammlung in einem Wirtshaus proklamiert Hitler eine provisorische deutsche Nationalregierung und bläst zu einem Marsch auf Berlin, ganz nach dem Vorbild des faschistischen Diktators Benito Mussolini aus Italien. Dieser Marsch wird jäh gestoppt und endet mit einer Schießerei. Vier tote Polizisten und 16 tote Putschisten sind zu beklagen. Die antijüdische Stimmung in München setzt früher als im Rest Deutschlands ein, weshalb Hitler nur eine verhältnismäßig milde Strafe von fünf Jahren ausfasst. Bei der bayrischen Landtagswahl 1924 erleiden die demokratischen Parteien unisono große Verluste zugunsten der Nationalsozialisten, weshalb der spätere Führer am Ende des Jahres bereits wieder aus dem Gefängnis entlassen wird. Die antisemitische Stimmung findet vor allem im Umfeld der Universität nährhaften Boden, was zur Folge hat, dass Professuren nicht mit jüdischen Professoren besetzt werden. Reihenweise verlassen Wissenschaftler, aber auch viele

304 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.128f. 305 Vgl. Ebenda. S.66 306 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.128. 92

Intellektuelle und Kulturschaffende die Stadt an der Isar, darunter auch bekannte Literaten wie Bertolt Brecht 1925 oder Thomas Mann 1933.307

Wie bereits oben erwähnt, kam Landauer seiner eigenen Absetzung zuvor und erspart dem Verein die Demütigung seiner Entlassung.

Das nationalsozialistische Regime führt seinen antisemitischen Kurs fort und beschließt ein Verbot jüdischer Waren, jüdischer Geschäfte, sowie jüdischer Ärzte und Rechtsanwälte ab dem 1. April 1933. Auch auf sportpolitischer Ebene richtet man sich immer mehr der Nazipropaganda nach aus. Einige Turn- und Sportverbände übernehmen den „Arierparagrafen“ und schließen alle jüdischen Mitglieder aus. Federführend hierbei ist die Deutsche Turnerschaft, die all ihre Vereine verpflichtet, bis zum Turnerfest im Juli alle jüdischen Mitglieder aus den Vereinen auszuschließen. Rassenideologisch betrachtet Hitler Juden nicht als Zugehörige einer Glaubensrichtung. Juden werden durch das Blut bestimmt. Jude ist somit jener, dessen Eltern Juden sind, auch wenn ein Teil der Großeltern jüdischen Blutes ist. Der Deutsche Fußballbund ist darum bemüht, der Arisierung der Turnerschaft nicht hinterherzuhinken. Dadurch beginnen auch die Regionalverbände bald mit dem Ausschluss der jüdischen Bevölkerung. Beim süddeutschen Verband wird dazu Anfang April eine Erklärung von 13 Vereinen unterzeichnet, darunter auch jene, die als Judenklubs verschrien sind, wie der FC Bayern, Eintracht Frankfurt oder der Karlsruher FV.308

Nach dem Ausscheiden Landauers aus dem Vorstand war Kontinuität an der Spitze des FC Bayern ein Fremdwort. So gab es zwischen 1933 und 1947, dem Beginn der dritten Präsidentschaft Landauers, insgesamt acht verschiedene Bayern-Präsidenten.309 Die ersten drei Nachfolger von Landauer II waren allesamt keine Parteimitglieder der NSDAP, was diese nicht wirklich befriedigte. Erst mit der Installation von Oberregierungsrat Dr. Keller als Bayern- Präsident konnte ein tragbarer Kandidat gefunden werden. Mit der 1943 beginnenden Präsidentschaft von Josef Sauter konnte ein Wunschkandidat der Nationalsozialisten und der bekennenden Nazis im Verein reüssieren. Dadurch änderte sich auch die zuvor angezweifelte Treue des FCB dem Regime gegenüber. Bei Spielen der Bayern waren nun Funktionäre der Partei anwesend, SA-Kapellen spielten auf und in der gleichgeschalteten Presse wurden die Erfolge des Vereins gewürdigt.310

307 Vgl. Ebenda. S.76-79. 308 Vgl. Ebenda. S.132-135. 309 Vgl. FC Bayern München; Ehrenpräsident Kurt Landauer. [zuletzt abgerufen am: 05.11.2020]. 310 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.68f. 93

6.3.5. Das Verhältnis des FC Bayern und der Münchner Löwen zum Regime

In der Zeit des Nationalsozialismus büßten die Münchner Bayern erheblich an ihrem vorher erarbeiteten Erfolg ein. Bereits vor der politischen Umwälzung zugunsten der Nationalsozialisten war den Bayern der Neid der Löwen sicher. Der Erfolg des FCB wurde auch mit dem kaufmännischen Geschick erklärt, woraus sich Neid und antisemitische Abneigung entwickelten. Potenziert wurde dies vor allem mit dem Fakt, dass Juden einen positiven Einfluss auf die Erfolge des FCB hatten. Auch der jüdische Präsident selbst, Kurt Landauer, war der rivalisierenden Seite aufgrund seiner unpolitischen Haltung ein Dorn im Auge. Auch von Seiten der Stadt wurden die Bayern benachteiligt. So beschwerte sich der langjährige Bayern-Präsident bei der Stadt, dass auf dem Sportplatz an der Dantestraße, wo der FCB seine Heimspiele austrug, parteipolitische Veranstaltungen, die nichts im entferntesten etwas mit der körperlichen Ertüchtigung zu tun hatten, abgehalten wurden.311 Ganz anders war dies beim Lokalrivalen TSV 1860 München zu vernehmen. Die Löwen setzten viel früher als die Bayern den Nationalsozialisten loyal eingestellte Personen in ihrem Vorstand ein. Beispielhaft hier zu nennen sei der Vorstandsvorsitzende Dr. Emil Ketterer, der von 1936 bis zum Ende der NS-Herrschaft den Vereinsvorsitz innehatte. Ketterer war bereits seit 1923 Parteimitglied der NSDAP, Mitbegründer des Nationalsozialistischen Ärztebundes und Abgeordneter der Partei im Münchner Stadtrat. So kann auch von Ketterer berichtet werden, dass der dem Münchner Oberbürgermeister, einem Nationalsozialisten, vermeldete, dass

„das Führerprinzip (im Verein) immer stark ausgeprägt war und dass ein prozentual großer Anteil der Mitgliedschaft sehr früh bei der Fahne Adolf Hitler zu finden war. Siehe große Zahl der Blutordensträger. Im Gegensatz zu anderen Vereinen seien im TSV 1860 Juden nie hochgekommen.“312

Unter anderem auch aus diesem Grund durften sich die 60er der Unterstützung des Regimes sicher sein. Den Bayern wurde stets vorgeworfen, ein Judenclub gewesen zu sein und die Nazifizierung aktiv zu behindern. Wie in Kapitel 6.3.2. nachzulesen, war der FC Bayern unter Kurt Landauer ein großer Verfechter der Einführung des professionellen Fußballs. Auch die

311 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.220f. 312 Ebenda. S.222. 94

von den Nationalsozialisten vorangetriebene Reamateurisierung des Fußballs wurde den Bayern, im Hinblick auf die Gunst und Zuneigung des Regimes, zum Verhängnis.313

6.3.6. Der FC Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg

Zum wiederholten Mal lag es an Kurt Landauer, seinen Herzensverein in die Erfolgsspur zu führen. Die Alliierten standen dem doch nationalsozialistischem Lager zuzuordnendem deutschen Sportlandschaft mit großer Skepsis gegenüber. Sie vermuteten in den Sportvereinen eine Verbreitungsmöglichkeit der Nazilehren. Dem gegenüber stellten sich vor allem Vereinsfunktionäre aus dem sozialdemokratischen Lager und des FC Bayern mit einem Juden an der Spitze. Durch seine erzwungene Emigration und seine demokratische Gesinnung verleiht er dem FCB den Alliierten gegenüber Glaubwürdigkeit. Ganz im Gegenteil zum Stadtrivalen, den Münchner Löwen vom TSV 1860. Die ehemalige Regimetreue wurde ihnen nun zum Verhängnis. Durch zahlreiche Vereinsfunktionäre, die auch Parteimitglied der NSDAP waren, musste man sich mit dem Misstrauen der Stadtverwaltung und der Alliierten herumschlagen. Während der Lokalrivale um die Unterstützung der Stadt schwer ringen musste, konnte sich der FCB, in Person von Landauer, für zukünftige Projekte in Position bringen, indem er sich aktiv an der Entnazifizierung und der Redemokratisierung beteiligte. Eines dieser Projekte war die Suche nach einer neuen Heimat samt optimierter Trainingsbedingungen. Aufgrund der vorangegangenen Kooperationen beim Wiederaufbau, konnte man die Stadt überzeugen, einen Teil der Spielplätze an der Säbener Straße zu erhalten.314 Bis heute ist das Gelände an der Säbener Straße das Trainingszentrum für die Profis. Auf mehr als 80.000qm2 finden sich neben zahlreichen Trainingsplätzen und Fitnessräumlichkeiten auch Räume zur medizinischen Versorgung und Rehabilitation. Bis zur Eröffnung des FC Bayern Campus im Jahr 2017 beheimatete das Trainingszentrum an der Säbener Straße auch alle Jugend- und Damenmannschaften des FCB.315

Kurz nach Kriegsende wird im deutschen Fußball die Oberliga gegründet. Die 16 beigetretenen Vereine fassen den Beschluss, den Amateurstandpunkt fallen zu lassen, was zum Wohlgefallen des FC Bayern passiert. Landauer fungiert auch bei der Einführung des Vertragsspielers als Sprachrohr und hatte eine wesentliche Rolle als Vorsitzender der Interessensgemeinschaft der

313 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.69f. 314 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.286f. 315 Vgl. FC Bayern München; Säbener Straße – Heimat des FC Bayern München. In: Offizielle Webseite des FC Bayern München. URL: https://fcbayern.com/de/club/saebener-strasse. [zuletzt abgerufen am 05.11.2020]. 95

süddeutschen Vertragsspieler. Diese Regelung wird 1949 auf alle westlichen Besatzungszonen ausgeweitet sowie die Parameter und die Bezahlung des Halbprofitums geregelt. Ein weiteres Anliegen, das Landauer in seiner zweiten Amtszeit am Herzen gelegen ist, ist die Macht der Verbände, der sich die Vereine beugen müssen. Am 1949 neu gegründeten Süddeutschen Fußballverband kritisiert Landauer, dass nun nicht mehr die Vereine Mitglieder des Verbandes sind, sondern die Landesverbände Süddeutschlands sind Mitglieder des Süddeutschen Fußballverbandes: „Wir haben also keinen Verband der Vereine mehr, sondern nur mehr einen Verband der Verbände.“316 Die Unterrepräsentation der Oberligavereine veranlasst einige über eine Abspaltung nachzudenken, was letztendlich mit einer Einigung der Parteien vermieden werden konnte. Ab Mai 1949 werden auch wieder internationale Spiele für deutsche Vereine erlaubt. Ein alter Bekannter, Gus Manning, der nun im FIFA-Exekutivkomitee sitzt, war mitverantwortlich, dass der DFB wieder in den Weltverband aufgenommen wird. Beim ersten Nachkriegsländerspiel im November 1950 kommen 115.000 Zuschauer, was bis heute einen Rekord darstellt, ins ehemalige Adolf-Hitler-Stadion in Stuttgart, das nun Neckarstadion hieß. Man war also auch von fußballerischer Seite am Weg zurück zur Normalität.317

Der FC Bayern allerdings befand sich in einer für den Verein schwierigen Zeit. Auch Kurt Landauer ist nicht mehr unumstritten. Beim Festabend des 50-jährigen Vereinsjubiläums betonen alle Redner die zahllosen Errungenschaften aber auch die Sturheit und Dickköpfigkeit des Präsidenten, die es in den harten Nachkriegsjahren brauchen würde. Für die anstehenden Neuwahlen im Vorstand betonen Landauer und sein Stellvertreter Siegfried Herrmann, sich nochmals zur Verfügung zu stellen, mit der Einschränkung, dies nur mehr für ein Jahr zu tun. Auf der Versammlung, die im Mai 1951 stattfand, sollen sich die evolutionären Kräfte, in Form der Handballsektion, zu einer ungewöhnlich hohen Anzahl von 150 Mann (von insgesamt 370 Stimmberechtigen) zusammengefunden haben und mit einigen Abkömmlingen der Fußballsektion den Leiter der Handballsektion, den 39-jährigen Julius Scheuring zum Präsidenten des FC Bayern München gemacht haben. Ob es allerdings allein den Handballern zu verdanken ist, dass der ehrwürdige Landauer nicht mehr als Präsident gewählt wurde, ist umstritten, da es bereits im Vorfeld Streitereien im Vorstand gegeben hat und Landauer vor allem bei den jüngeren Mitgliedern nicht mehr unumstritten war. Als Folge dieser Versammlung beschließt der FC Bayern, dass der Präsident aus der Fußballabteilung kommen muss. Obwohl Landauer die Ausbootung aus seinem Herzensverein schwer getroffen haben dürfte, kam es nie zum endgültigen Bruch mit dem FCB. Bereits drei Monate nach der

316 Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.292. 317 Vgl. Ebenda. S.292-295. 96

Versammlung kam es zur Versöhnung mit der neuen Vereinsspitze, die ihm für seine verdienstvollen Jahre als Präsidenten und seine nun 50-jährige Mitgliedschaft im Verein dankte.318

6.3.7. Der Umgang mit der jüdischen Geschichte

„Der lange Marsch zur eigenen Geschichte“ nennt Dietrich Schulze-Marmeling das letzte Kapitel seines Buches über den FC Bayern und seine jüdische Geschichte. Wenn man sich die vorhergehenden Seiten vornimmt, kann man die Titelei des Kapitels verstehen, denn Juden waren seit Anbeginn des Vereins prägend für diesen. Dennoch wird aus diesem Kapitel ersichtlich, dass der Weg zur jüdischen Geschichte ein bis heute kurzer war, denn er wird erst in den letzten Jahren mit aller Tiefe begangen.

Die ersten fußballerischen Helden der Nachkriegsgenerationen dürften die Münchner Franz Beckenbauer und Gerd Müller gewesen sein. Neben ihren Erfolgen beim FC Bayern, mit dem sie unter anderem zwischen 1974 und 1976 drei Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister holten (heute: Champions League), gewannen sie mit der deutschen Nationalmannschaften 1972 den Europameistertitel und 1974 den Weltmeistertitel im eigenen Land. Mit diesen Erfolgen rückt die dunkle Nazi-Vergangenheit in den Hintergrund, was auch das Buch „Geschichte des deutschen Fußballsports“ von Carl Koppehel, seines Zeichens Presswart des DFB von 1937 bis 1945 und von 1951 bis 1958, belegt. Auf 28 Seiten, die den Zeitraum von 1933 bis 1945 beschreiben sollen, kommt das Wort „Nationalsozialismus“ genau ein einziges Mal vor. Keine Spur von den Juden, die einen wesentlichen Beitrag für die Entwicklung des deutschen Fußballs bis 1933 geleistet haben. Keine Spur ihres Ausschlusses. Neben wenigen Juden, die gezwungener Weise unabdinglich für die Historie des DFB waren, werden die meisten schlicht unterschlagen. Die wenigen die der Autor für erwähnenswert hielt, wurden nicht als Juden bezeichnet. Ebenso fand das Wort selbst keine Verwendung. Beim FC Bayern München war das Mitgestalten im Verein nicht an die Religion gebunden. Umso erstaunlicher wie auch erschreckender ist es, dass in der Festschrift zum 50-Jahr-Jubiläum mit keinem Wort die Juden des Vereines im Allgemeinen und Kurt Landauer im Speziellen Erwähnung finden. Die beiden genannten Fußballer tragen mit ihren errungenen Pokalen,

318 Vgl. Ebenda. S.298-305. 97

klarerweise nicht absichtlich, zum Vergessen der Vergangenheit bei.319 Man könnte es auch blind vor Erfolg nennen.

Auch wenn die Zeit des Nationalsozialismus zum 75-jährigen Vereinsjubiläum des FC Bayern München bereits 30 Jahre beendet ist, nimmt man in dem von Kurt Schauppmeier verfassten Werk von dieser Zeit nur äußerst spärlich Kenntnis. Zum Machtwechsel der Nationalsozialisten im Jahr 1933 steht im Buch folgender Satz: „Die Machtübernahme der Nationalsozialisten wirkte sich auch auf den FC Bayern aus, dessen erster Vorsitzender Kurt Landauer die Leitung des Clubs abgab.“320 Es finden sich keine weiteren Äußerungen dazu, warum Kurt Landauer nicht mehr Präsident war, dass er in ein Konzentrationslager gebracht wurde oder dass er die Weltkriegszeit im Exil verbringen musste. Gerade Landauer war es, der sich meiner Meinung nach eine Würdigung verdient hätte, denn er war bis zu diesem Zeitpunkt einer der prägendsten Menschen in der Geschichte des Fußballklubs. In der offiziellen Chronik des Vereins zum 90. Geburtstag wird mittels zwei Sätzen nur unwesentlich mehr über den genannten Zeitraum berichtet: „Unter dem nationalsozialistischen Regime geriet auch das Vereinsleben in Stocken. Kurt Landauer musste aus rassenpolitischen Gründen in die Schweiz emigrieren.“321 Weiterhin bleibt noch einiges im Unbekannten. Bereits etwas Konkreter fällt die Beschreibung der Ereignisse in den 1930er- und 1940er-Jahren in der Ausgabe zum 100-jährigen Jubiläum des FC Bayern München aus:

„Am 30. Januar 1933 übernimmt Diktator Adolf Hitler die Macht. In den folgenden Monaten wird nicht nur sportlich alles auf den Kopf gestellt. Präsident Landauer, der jüdischer Abstammung ist, tritt am 22.März 1933 zurück. Die Vereinsführung versucht noch eine ganze Weile, sich den neuen Begebenheiten entgegen zu stellen, da der FC Bayern sehr viele jüdische Mitglieder hat. Dies bringt dem Verein in der Folgezeit noch viel Ärger ein.322

Diese Ausführungen sind etwas weitgreifender, wenn auch nicht ganz zufriedenstellend, da man die jüdischen Mitglieder ausschließlich im negativen Zusammenhang mit dem NS-Regime darstellt und nicht auf die positive Beeinflussung des Vereins durch sie eingeht. Auch wenn man nicht davon sprechen kann, dass sich der Verein für seine Historie schämt, so verbreitet

319 Vgl. Ebenda. S.318-321. 320 Schulze-Marmeling, Dietrich; „Das waren alles gute Leute“ - Der FC Bayern und seine Juden. S.78. 321 Ebenda. S.78. 322 Ebenda. 98

man diese nicht gerade populäre und gibt darüber hinaus auch in den Medien keine gute Figur ab. Nach einer Niederlage in der Champions League gegen Olympique Lyon erkundigt sich eine britische Journalistin der Londoner Zeitschrift „Totally Jewish“ bei der Pressestelle der Bayern über deren Geschichte während der NS-Zeit und den damaligen Präsidenten Kurt Landauer. Durch die Niederlage gezeichnet, bekommt die Journalistin vom Bediensteten der Presseabteilung zu hören, dass dies „alter Scheiß sei, der mich nicht interessiert.“323 Alles in allem gibt der FC Bayern also eine überaus schlechte Figur ab, wenn es um seine Vergangenheitsbewältigung geht. Davon zeugt eine nicht angenommene Einladung zur Tagung „Juden und Sport. Zwischen Integration und Exklusion“, die 2002 an der Universität München stattfand und vom Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur organisiert wurde.324

„Erst Mitglieder des Fanklubs "Schickeria" holten Landauer und das jüdische Erbe des Vereins in den vergangenen Jahren aus der Vergessenheit, …“325 Wie aus diesem Zitat klar herausgeht, spielt vor allem ein Fanklub eine überaus bedeutende Rolle in der Geschichtsaufarbeitung beim FC Bayern München. Der 2002 gegründete Fanklub, der mit Megaphon, Doppelhaltern und Fahnen in der Südkurve der Allianz Arena für Stimmung sorgt, ist für seine wohltätigen und karitativen Aktionen bekannt.326 In Abbildung 3 ist eine Choreographie eines Bundesligaspiels aus dem Jahr 2009 über die gesamte Südkurve der Allianz Arena zu sehen, die von der Schickeria organisiert wurde.

Abbildung 3: Choreographie zum 125. Geburtstag Kurt Landauers

323 Ebenda. S.79. 324 Vgl. Ebenda. S.77-79. 325 Krügel, Christian; „Stolz auf die jüdische Vergangenheit.“ 26.05.2011. In: Süddeutsche Zeitung. URL: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/fc-bayern-muenchen-stolz-auf-die-juedische-vergangenheit-1.1101845 [zuletzt abgerufen am: 06.11.2020]. 326 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.329-331. 99

In Abbildung 3 ist eine Choreographie eines Bundesligaspiels aus dem Jahr 2009 über die gesamte Südkurve der Allianz Arena zu sehen, die von der Schickeria organisiert wurde.

In Abbildung 3 ist eine Choreographie eines Bundesligaspiels aus dem Jahr 2009 über die gesamte Südkurve der Allianz Arena zu sehen, die von der Schickeria organisiert wurde. Mit den Worten auf den Transparenten „Der FC Bayern war sein Leben. Nichts und niemand konnte dies ändern! 125 Jahre Kurt Landauer“ wurde an den 125 Geburtstag des Bayern-Präsidenten gedacht.

Die Fangruppen des FC Bayern München zeigten sich auch nach dieser beeindruckenden Choreographie zum Geburtstag Landauers weiterhin engagiert. Der Fanclub „Schickeria“ wurde 2014 für seine Erinnerungsarbeit zum ehemaligen Präsidenten Kurt Landauer mit dem Julius-Hirsch-Preis des Deutsche Fußballbundes ausgezeichnet.327 Der Julius-Hirsch-Preis wird seit 2005 vom DFB an Vereine, Institutionen oder Einzelpersonen verliehen, die sich besonders gegen Antisemitismus und Diskriminierung einsetzen. Julius Hirsch war ein deutscher Nationalspieler und wurde 1943 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.328

Abbildung 4: Choreographie zur Erinnerungsarbeit an Kurt Landauers

327 Vgl. DFB; „Schickeria“-Fan: “Wir sind nicht die Stimmungsclowns der Logen“. 06.12.2019. In: Deutscher Fussball-Bund. URL: https://www.dfb.de/preisewettbewerbe/news/news- detail/full/1/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=106936&cHash=b4150df00b156ac9a1167363c852656a. [zuletzt abgerufen am: 25.11.2020]. 328 Vgl. DFB; Julius Hirsch Preis 2020 für HAWAR.help. 02.09.2020. In: Deutscher Fussball-Bund. URL: https://www.dfb.de/news/detail/julius-hirsch-preis-2020-fuer-hawarhelp- 218727/?no_cache=1&cHash=8cf6578cd5e68048ed62ba8db2313484. [zuletzt abgerufen am: 25.11.2020]. 100

Im Rahmen der 2014 durchgeführten Aktionen gab es eine beeindruckende Choreographie (Abbildung 4) mit Kurt Landauer „Der FC Bayern und ich gehören nun einmal zusammen und sind untrennbar miteinander verbunden“.

Aber nicht nur Personen aus dem Umfeld des FC Bayern nehmen sich der Thematik der Juden beim FCB an. Eine Gruppe junger Leute entschließt sich, Kurt Landauer in filmischer Form wieder aufleben zu lassen. Hierbei konnten sie anfangs nicht mit der Unterstützung des Vereins rechnen, wovon zwei unbeantwortete Schreiben an die Geschäftsstelle des FCB zeugen. Der Kontakt konnte erst bei der Gedenkveranstaltung anlässlich des 125. Geburtstages Kurt Landauers im Konzentrationslager Dachau hergestellt werden. Während die offiziellen Vereinsfunktionäre anfänglich noch zögerlich reagieren, findet das Filmteam bei den sogenannten „Montagskickern“, die sich aus ehemaligen Spielern und Funktionären zusammensetzen, Gehör. Schlussendlich können sich auch die Bayern-Verantwortlichen, in Person des nunmehrigen Präsidenten Uli Hoeneß, mit dem Projekt anfreunden und beteiligen sich daran. Der Film, der den Titel „Kick it like Kurt“ trägt, ist den Filmkritiken gemäß mehr als eine filmische Biographie des ehemaligen Bayern-Präsidenten, sondern auch eine den Werten Toleranz, Fairness und Weltbürgertum vermittelnde Geschichte.329

Der FC Bayern bemühte sich danach immer mehr um die Aufarbeitung seiner jüdischen Vergangenheit. Neben dem Besuch der KZ-Gedenkstätte in Dachau, sei hier auch noch die Spende in Höhe von 25.000 Euro an den TSV Maccabi in München zu nennen, die für den Bau des Kurt-Landauer-Sportplatzes verwendet wird. Bei deren Einweihung im Frühjahr 2010 sind neben dem Bayern Präsidenten Uli Hoeneß auch der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude und die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland Charlotte Knobloch anwesend. Das erste Fußballspiel am neu eingeweihten Sportplatz bestreitet der TSV Maccabi gegen eine Legendenmannschaft des FC Bayern mit bekannten Fußballern wie Carsten Jancker, Andi Brehme oder Giovane Elber.330

Kurt Landauer wurde bereits 1922 zum Ehrenpräsidenten des FC Bayern gewählt. Weitere Ehrungen seitens des Vereins waren die Benennung der Freifläche vor der Allianz Arena in Kurt-Landauer-Platz. Seit Mai des Vorjahres gibt es am Trainingsgeländer des FC Bayern an der Säbener Straße eine Bronzestatue des ehemaligen Präsidenten.331 Der lange Weg zur

329 Vgl. Schulze-Marmeling, Dietrich; Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. S.329. 330 Vgl. Ebenda. S.332f. & S.339-341. 331 Vgl. FC Bayern München; Zum 135. Geburtstag. Bayern gedenken Kurt Landauer. In: Offizielle Website des FC Bayern München. URL: https://fcbayern.com/de/news/2019/07/bayern-gedenken-kurt-landauer. [zuletzt abgerufen am: 06.11.2020]. 101

eigenen Vergangenheit wurde vom Verein zeitlich eine lange Periode ohne die Errungenschaften der jüdischen Mitglieder und Funktionäre geschrieben. Erst auf Ansinnen der Fans kam der Stein auch beim offiziellen FC Bayern ins Rollen. Neben den vorhin genannten Erkenntnissen unterstützte der FC Bayern in Kooperation mit der Evangelischen Versöhnungskirche der KZ-Gedenkstätte Dachau auch das Projekt „verehrt – verfolgt – vergessen: Opfer des Nationalsozialismus beim FC Bayern München“.332

7. !Nie wieder - Erinnerungstag im Deutschen Fußball

Abschließen möchte ich meine Diplomarbeit mit der Aktion „!Nie Wieder“. Dies ist eine Aktion, die im Jahr 2004 in der Versöhungskirche im KZ Dachau von Fußballfreunden ins Leben gerufen wurde, um auch in diesem Bereich an die schrecklichen Taten zu erinnern und zu informieren. Jedes Jahr werden rund um den 27. Jänner, dem Internationalen Holocaust- Gedenktag und dem Tag der Befreiung des KZ Auschwitz, in den Bundesligastadien Deutschlands, aber auch in der Schweiz, Österreich und Italien Aktionen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gesetzt. Dabei werden unter anderem Texte in den Stadien verlesen. Neben den Vereinen selbst nehmen auch viele Fankurven an der Aktion teil. In den Abbildungen 5 bis 7 sind einige Aktionen aus den letzten Jahren zu sehen.

Abbildung 5: Banner zum Aktionstag 2019 beim Spiel Hertha BSC gegen Schalke 04.

332 Vgl. FC Bayern Museum; Wanderausstellung „verehrt – verfolgt – vergessen“. In: FC Bayern Museum. URL: https://fcbayern.com/museum/de/ausstellung/wanderausstellung. [zuletzt abgerufen am: 06.11.2020]. 102

Abbildung 6: Fans des SC Freiburg beteiligen sich am Aktionstag 2019

Abbildung 7: Choreographie der Bayern-Fans am Aktionstag 2020 zu Ehren Hugo Railings

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Fazit

Nachdem nun der Antisemitismus im Sport und im Speziellen in der Sportart Fußball ausführlich bearbeitet wurde, gilt es ein abschließendes Fazit zu ziehen.

Am Ende des 19. Jahrhunderts durchdrang die Begeisterung für sportliche Aktivitäten einen großen Teil der Bevölkerung, weshalb dies auch auf die jüdischen Bevölkerungsteile zutraf. Die nationalistische Prägung des Turnsports begünstigte die zunehmend antisemitische Stimmung in den Vereinen, weshalb Vereine jüdischen Bürgern die Mitgliedschaft verwehrten und einen Arierparagrafen in ihren Vereinsstatuten verankerten. Durch diesen Paragrafen wurde vielen sportbegeisterten Jüdinnen und Juden die Grundlage ihrer Ausübung entzogen.

Gegen die stereotype Beschreibung des jüdischen Körpers als nicht gleichwertig, wandte sich der Zionismus, unter dessen Begründer Theodor Herzl war. Ziel dieser Bewegung war es, neben der Errichtung eines jüdischen Staates, die körperliche, geistige und wirtschaftliche Hebung der jüdischen Bevölkerung zu erwirken. Max Nordau, ebenso wie Herzl ein führender Zionist, prägte den Begriff des Muskeljudentums, das es seiner Meinung nach zu erschaffen galt. Parallel dazu wurden die ersten jüdischen Turnvereine ins Leben gerufen, von denen der erste in Berlin gegründet wurde.

Anschließend habe ich mich dem Antisemitismus im Fußball zugewandt und die verschiedenen Formen der Äußerungen analysiert. Die am häufigsten vorkommende Form des Antisemitismus ist die des verbalen Antisemitismus. Hierbei werden die Beschimpfungen durch verbale Mittel wie Fangesänge einer Gruppe oder Rufe Einzelner vermittelt. Diese Form thematisiert inhaltlich häufig das Vorurteil der (geld-)gierigen Juden. Des Weiteren wird diese Form des Antisemitismus häufig mit dem Holocaust und dem Schicksal der Juden in den Konzentrationslagern in Verbindung gebracht. Die wirksamere und Aufsehen erregendere Form des Antisemitismus im Fußball ist die des visuellen Antisemitismus, da sie leichter zu dokumentieren und weiterzuverbreiten ist. Diese Form drückt sich meist durch Spruchbänder oder Transparente im Stadion aus. Hierbei sind die Urheberschaft sowie die Akzeptanz der hinter der Äußerung auf den Tribünen stehenden Anhängerschaft oft schwierig zu eruieren. Durch die häufig vorhandene Doppeldeutigkeit der Aussagen ist eine strafrechtliche Verfolgung nahezu ausgeschlossen. Die dritte der von mir bearbeiteten Äußerungsformen des Antisemitismus bezieht sich nicht auf die Form des Hervorbringens, sondern auf ihren Inhalt. Hier handelt es sich oft um eine Kritik am Staat Israel, die sich durch die Unterstützung für einen palästinensischen Staat ausdrückt. 104

Große Augenmerk in meiner Analyse habe ich auf den SC Hakoah Wien gelegt. Durch die Anlegung als Massensportverein entwickelte man sich am Höhepunkt, in den 1920er-Jahren zum weltweit größten Allroundsportverein. Der Weg bis dahin verlief nach der Gründung noch schleppend, da man die Akzeptanz innerhalb der jüdischen Gemeinde Wiens von großer Reserviertheit geprägt war. Schnell konnten in den zahlreichen Sektionen, die sich quer über das Feld der Sportarten verstreuten, Erfolge in Form von Meistertiteln errungen werden. Am meisten Beachtung wurde aber der Fußball-Sektion der Hakoah geschenkt. Da man während des Ersten Weltkriegs stets Kontakt zu seinen Mitgliedern hielt, konnte man auch nach Beendigung von diesem, schnelle Erfolge verbuchen. Den größten konnte man mit dem Gewinn der Österreichischen Fußballmeisterschaft 1924/25 erreichen. Zudem konnte man durch zahlreiche Auslandsreisen internationale Reputation erlangen. Der größte Sieg im Ausland war jener 5:0-Erfolg gegen West Ham United aus London, nachdem man sich im Hinspiel in Wien vor 40.000 Zuschauern noch mit 1:1 trennte. Man tätigte ganze Tourneen mit zahlreichen Freundschaftsspielen in den USA oder Ägypten. Meiner Einschätzung und den Berichten zufolge waren dies internationale Reisen zu Marketingzwecken, wie es heute internationale Topmannschaften nach Asien oder die USA machen, um neue Märkte zu erschließen. Einen großen Einschnitt erlebte die Sportbegeisterung bei der Wiener Hakoah klarerweise durch den Anschluss ans Deutsche Reich. Dieser ging sogar so tief, dass der Verein im Jahr 1940 endgültig aufgelöst wurde. In der Nachkriegszeit konnte man an die sportlichen Erfolge der Zwischenkriegszeit nicht mehr anschließen. Durch die Emigration vieler bekannter Mitglieder konnte die Begeisterung der Hakoah beinahe in die ganze Welt getragen werden, wovon Ableger der Hakoah vor allem in den USA, aber auch Argentinien und Australien zeugen.

Die Austria Wien, aufgrund der zahlreichen Erfolge aus der Vergangenheit noch heute einer der beliebtesten Vereine in Österreich, gilt als jüdischer Verein. Tatsächlich wurde der Verein vom liberalen Bürger- und Unternehmertum Wiens unterstützt. Meiner Meinung nach wurde der Ruf als Judenklub vor allem durch die Rivalität zu Rapid Wien, das sich selbst als Arbeiterverein vom Stadtrand positionierte, geprägt. Wie aus meiner Analyse hervorging, waren bei beiden Vereinen jüdische Funktionäre und Spieler engagiert. Allerdings ist die Austria auch heute noch mit dem Image des Judenklubs behaftet und mit antisemitischen Vorfällen konfrontiert.

Im zweiten großen Themenblock habe ich drei internationale Beispiele von jüdischen Vereinen, Ajax Amsterdam, Tottenham Hotspur und FC Bayern München untersucht. Die Bevölkerung der niederländischen Hauptstadt war bereits seit dem Mittelalter bis zu einem Zehntel jüdisch.

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Aus meinen Untersuchungen ging hervor, dass die Sympathien der jüdischen Bevölkerung zu einem Teil durch den Standort des Ajax-Stadions zu erklären sind. Da dieses im Osten der Stadt lag, wo auch die traditionellen Judenviertel der Stadt beheimatet waren, war eine Bezeichnung als jüdischer Verein naheliegend. In den 80er-Jahren reagierte die Fan-Gruppe „F-Side“ auf die antisemitischen Beschimpfungen gegen sie mit der Annahme einer eigenen jüdischen Identität. So wurden israelische Flaggen, Davidsterne und die Selbstbezeichnung als „Joden“ zur Tagesordnung. Bei vielen Spielen von Ajax Amsterdam gab und gibt es abscheuliche Beschimpfungen gegen den Verein, die auch mit dem Holocaust und dem Schicksal der Juden in den Konzentrationslagern verbunden wurden und werden. Neben Vorfällen von gegnerischen Fangruppen gibt es auch von gegnerischen Spielern antisemitische Vorfälle zu berichten. Eine Lösung dieses gesellschaftlichen Problems ist nicht in Sicht. Als zweites Beispiel meiner Analyse habe ich Tottenham Hotspur ausgewählt, da dieser Verein neben Ajax, der international bekannteste ist. Da im Norden ein beträchtlicher Teil der jüdischen Bevölkerung Londons lebte und lebt, ist ähnlich wie bei Ajax ein natürliches Fanpotential in dieser Bevölkerungsgruppe vorhanden. Der Umstand, dass den Spurs heute noch das Emblem des jüdischen Vereins anhaftet, ist dadurch außergewöhnlich, dass die Mehrheit der jüdischen Fans Arsenal London, dem Erzrivalen auch aus dem Norden Londons, zuzurechnen ist. Neben der geographischen Komponente, den Tottenham mit Ajax gemein hat, ist aus meiner Analyse hervorgegangen, dass das jüdische Image von beiden Fanlagern aktiv weitergetragen wird. Wenn sich Ajax-Fans als „Joden“ bezeichnen, ist dessen Tottenhams Pendant die Bezeichnung „Yid“. Dieses Wort wurde in der Gesamtheit seiner Bedeutung umgedeutet. Allerdings sollen die Tottenham-Fans diese Selbstbezeichnung unterlassen, da dies antisemitische Gesänge seien. Ähnlich wie die Ajax-Fans werden auch die Anhänger der Spurs mit antisemitischen Fangesängen verspottet, die auf den Holocaust anspielen. Der dritte Verein, den ich hinsichtlich seiner jüdischen Vergangenheit untersucht habe, ist der deutsche Rekordmeister FC Bayern München. Bereits dessen Gründung war maßgeblich von jüdischen Fußballinteressierten beeinflusst. Alle Erfolge des FCB waren bis in die 1950er-Jahre maßgeblich von Kurt Landauer, der jüdischer Abstammung ist und insgesamt vier Mal Präsident des Clubs war, geprägt. Was den FC Bayern des Weiteren auszeichnet, ist jener Sachverhalt, dass man sich lange gegen das nationalsozialistische Regime stemmte. Aus meiner Analyse ging hervor, dass sich der Verein lange seiner jüdischen Vergangenheit verwehrte. Erst ein durch Fans initiiertes Projekt ließ den Verein tätig werden.

Abschließend kann festgehalten werden, dass einer breiten Öffentlichkeit der jüdische Einfluss im Sport, im Speziellen im Fußball, nicht oder nur in sehr rudimentärer Form bekannt ist. 106

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