UNTERNEHMEN Die Quittung

er Mann ist bekannt dafür, das Unmögliche zu wagen und dabei nicht nach rechts oder links zu schauen. DUnd er hat noch einige Rechnungen offen in der deut- schen Autoindustrie. (46) wurde einst bei DaimlerChrysler fortgejagt, weil er die Wahrheit gespro- chen hatte („Mercedes ist ein Sanierungsfall“). Bei Volks- wagen ging er selbst, nachdem er die Wahrheit erfahren hatte (Martin Winterkorn wird neuer Chef). Jetzt kann Bernhard eine Rechnung begleichen. Er tritt in die Dienste des Private-Equity-Unternehmens Cerberus, ein Job, der zwar nach Vorhölle klingt, ihm aber wohl himm- lische Verdienste beschert. Und der ihm die Möglichkeit er- öffnet, einen Teil seines Ex-Arbeitgebers zu erwerben. DaimlerChrysler-Chef (53) bietet seine kri- selnde US-Tochter feil. Seit Mitte März sind für Bewerber die wichtigsten -Zahlen einzusehen, Wolfgang Bern- hard dürfte sie bereits gesichtet haben. Cerberus ist bren- nend interessiert, ebenso wie Blackstone und auch andere Private-Equity-Firmen. Der größte Autobauer der Welt, Ge- neral Motors, sondiert die Lage, der kanadische Zulieferer Magna verhandelt mit der Daimler-Führung – und selbst der indische Autoaufsteiger Tata hat Emissäre entsandt. Würde Zetsche mit einem der Interessenten handelseinig, wäre ein teures Abenteuer für die Schwaben beendet, nach FOTOS: WOLFGANG WILDE, WINFRIED ROTHERMEL/AP, JEFF KOWALSKY/DPA/PA knapp zehn Jahren vergeblichen Sanierens. Eine gigantische Geldvernichtung, die – und das ist der eigentliche Skandal – typisch ist für Daimler. Von 1985 bis heute hat der Konzern, das zeigen die Bilanzen, mehr als 60 Milliarden Euro ver- brannt. Aufsichtsräten zufolge ist die Summe sogar be- deutend höher. Generationen von Strategen, Sanierern und Visionären arbeiteten sich an Daimler ab – ohne Erfolg. Der frühere Firmenchef Edzard Reuter (79), dessen Idee von einem integrierten Technologiekonzern grandios schei- terte, ging als größter Kapitalvernichter in die deutsche Nachkriegsgeschichte ein. Bis ihm sein Nachfolger Jürgen Schrempp (62) dieses Etikett streitig machte, als seine Welt AG zusammenbrach. Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte Deutschlands einst strahlendster Industriekonzern zum Synonym für Missmanagement werden?

Die Ära Reuter: Edzard Reuter regierte von 1987 bis 1995. Er scheiterte mit seiner Idee vom Technologiekonzern. 34 managermagazin 4/2007 Unternehmen DaimlerChrysler

DAIMLERCHRYSLER 20 Jahre strategische Irrfahrt und Managementfehler haben den Autokonzern verwundbar gemacht. Dutzende Milliarden Euro sind verbrannt worden. Was soll jetzt aus Mercedes werden?

Die Ära Schrempp: Jürgen Schrempp Die Ära Zetsche: Dieter Zetsche steht

FOTOS: führte Daimler von 1995 bis 2005. seit 2006 an der Spitze. Ihm misslang die automobile Welt AG. Seine Vision: zurück zu den Wurzeln. managermagazin 4/2007 35 Unternehmen DaimlerChrysler

technologie versammeln, zu Land und in der Luft, zum Wohle Mercedes und der ganzen Republik. Geprägt durch seinen Vater Ernst, der als Bürgermeister Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg die Völker der Welt zu Hilfe ruft, mag sich Edzard Reuter nie auf die Rolle des Managers reduzie- ren lassen. Unternehmensstrategie ist für ihn erst dann gelungen, wenn sie sich auch für sein Heimatland auszahlt. So treffen sich am 1. September 1984 Edzard Reuter und Heinz Dürr (heute 73), Vorstandschef der AEG, im ver- träumten Litzelstetten am Bodensee. Reuter bringt seine Vision mit – und viel Cash. Dürr bietet neue Technologien, hat aber kaum Geld. Die beiden Jugend- freunde aus Stuttgarter Tagen beschlie- ßen beim Spaziergang vis-à-vis der Insel Mainau, gemeinsam die Welt zu erobern. Aus AEG wird vorübergehend „XYZ“, so lautet der Codename für die bis da- hin spektakulärste Firmenübernahme Fingerzeig: AEG-Chef Dürr und Daimler-Lenker Reuter wollten die Welt erobern der deutschen Wirtschaftsgeschichte, die am 14. Oktober 1985 vollzogen wird. Rund 2,5 Milliarden Mark kostet Daim- ler der Erwerb, sehr viel Geld damals. Die Daimler-Tragödie hat viele Facet- schäft auf Dauer bestehen zu können? In der Folge steigert sich der Daimler- ten: Die Unternehmensspitze ließ sich Droht die Gefahr einer feindlichen Chef in einen wahren Kaufrausch: Nicht von Größenwahn und Arroganz leiten, Übernahme? nur AEG, auch der Raumfahrtkonzern Manager waren überfordert oder wur- MBB geht in Daimler-Besitz über, die den falsch eingesetzt, der Aufsichtsrat I. DER GRÖSSENWAHN Flugzeugbauer Dornier und Fokker, der übte seine Kontrollfunktion nachlässig Das 15-seitige Strategiepapier, das Ed- Triebwerksspezialist MTU, das System- aus, Warner wurden immer wieder igno- zard Reuter im Sommer 1984 an seine haus Cap Gemini. Selbst von der Metall- riert. Es ist ein automobiles Wunder, Vorstandskollegen schickt, schließt mit gesellschaft kann der Autobauer die dass die Marke Mercedes das alles über- einer brisanten Frage: Sollen wir an- Finger nicht lassen und spendiert 480

standen hat. gesichts der problematischen Ertrags- Millionen Mark für eine 10-Prozent- FOTOS: NORBERT NORDMANN, HANS-RUDOLF SCHULZ/KEYSTONE, THOMAS EINBERGER/ARGUM Nach einer Trennung von Chrysler und Wachstumsentwicklung auf unse- Beteiligung. „Unser Autogeschäft allein wäre der Konzern an jenem Punkt an- ren traditionellen Arbeitsgebieten eine verhieß uns keine verlässliche Perspek- gelangt, an dem er 1985 und 1995 auch Diversifikation in Erwägung ziehen? tive mehr“, rechtfertigt sich Reuter heu- schon gestanden hat. Es ist eine ver- Als der damalige Daimler-Finanz- te. „Deshalb sind wir auch nicht mit trackte und vertraute Situation, die al- vorstand diese Zeilen formuliert, trägt Fiat zusammengegangen, was lange dis- ten Sorgen sind wieder da, das Dilemma er längst einen Traum in sich. Reuter kutiert wurde. Wir suchten nach echten nämlich, das stets der Quell aller groß- träumt von einem integrierten Techno- Technologielieferanten.“ spurigen Pläne war: Ist Mercedes allein logiekonzern mit Weltgeltung. Unter Aber musste das gleich in Größen- groß genug, um im globalen Autoge- dem Stern soll sich deutsche Spitzen- wahn ausarten? „Natürlich habe ich

1985 1985 MTU: Start Dornier: Bei Im Zeitraffer der Kauforgie. den Verhand- Milliardengräber und Wurde zu lungen mit akzeptablen der Familie sonstige kapitale Preisen an ließ Daimler Fehlschläge in mehr als Private- sich über den zwei Jahrzehnten Equity-Firmen Tisch ziehen. Daimler-Geschichte. verkauft.

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bauern ein zweites Mal, dass ihre Schaf- fenskraft nicht genügt. Er will mehr, er will mit der Firma in die Welt hinaus. Es beginnt das große Fressen Teil 2: Mit- subishi, Hyundai und vor allem Chrysler – ein Konzern entsteht, in dem die Sonne niemals untergeht. Als das Chrysler-Geschäft perfekt ist, erhält Schrempp massenweise Gratula- tionsschreiben. Eines aus den Vereinig- ten Staaten, von Jack Welch, ist ihm be- sonders wichtig. Der legendäre Vor- mann von General Electric gratuliert zu einem „bahnbrechenden Abschluss“. Ein Daimler-Aufsichtsrat formuliert es so: „Schrempp war aufgestiegen zu einer grandiosen Managementfigur.“ Er hielt Vorträge über Fusionen und die Welt AG, war dem Himmel plötzlich sehr nahe. „So hat er sich feiern lassen als Su- per-Macher.“ Bei Daimler macht sich nach dem Chrysler-Deal eine Wir-können-alles- Stimmung breit. Eine Weltarroganz, die Großes Daumenkino: Merger-Mann Schrempp und Chrysler-Partner Eaton (r.) den Schluss nahelegt, die Car Guys aus Möhringen hätten eine intelligente Lö- sung für das CO2-Problem gefunden: einen Hybridmotor, der zur Hälfte mit mich seither gefragt: Edzard, hast du hat. Vertraut mit den Details dieses Ge- Testosteron läuft. dich womöglich nur durch den gewal- schäftsfelds, beginnt der Neue 1995 mit Just in diesen Tagen nun holt die tigen Berg von flüssigen Geldmitteln den Aufräumarbeiten, schließt, verkauft Vergangenheit die Tagträumereien der verlocken lassen, der bis 1987 in unserer und wickelt Firmenteile ab. Selbst bei Herren Reuter und Schrempp wieder Bilanz angewachsen war? Eindeutig seinem einstigen „Lovebaby“ Fokker ein. Chrysler steht zum Verkauf, und in nein“, sagt Reuter. „Zwar haben wir bei macht er keine Ausnahme. Der Flug- Nürnberg schließt das einstige AEG- AEG Fehler gemacht, insgesamt aber zeugbauer wird geschlossen. Stammwerk für immer seine Pforten. war unser Weg richtig. Er ist nur viel „Konzentration auf das Kerngeschäft“, zu früh durch Herrn Schrempp wieder lautet die Losung. Schrempp ist bald II. DIE GELDVERNICHTUNG FOTOS: SVEN SIMON, JOCHEN ECKEL/DPA/PA, B. WILD/BW PHOTOAGENTUR, FRANK KLEEFELDT/DPA/PA verlassen worden.“ wieder da, wo Reuter mit seinen Visio- Joachim Zahn hatte das Geldhorten in Aus „Wahnhalla“, wie die Mitarbeiter nen einst begann. Im Überschwang lässt den 70er Jahren zum obersten Ziel der die Konzernzentrale in Möhringen un- sich Schrempp zu der kühnen Behaup- Daimler-Finanzer gemacht. Die Philo- ter Reuter nennen, wird bald „Bullshit tung verleiten: „Daimler-Benz braucht sophie des damaligen Vorstandschefs: Castle“. Der neue Hausherr heißt Jür- mich mehr als ich Daimler-Benz.“ Es müsse stets genug Geld in der Kasse gen Schrempp. Er hat sich als Sanierer Kurz darauf hat er eine Erleuchtung, sein, um den Totalausfall einer von da- der Dasa einen Namen gemacht, also je- die nicht neu für das eigene Haus er- mals zwei Mercedes-Baureihen problem- nes Konzernteils, an den sein Vorgänger scheint: Das Autogeschäft ist allein und los verkraften zu können. Rund 15 Mil- die allein flugunfähigen Neuerwerbun- auf Dauer zu klein, befindet er. Schrempp liarden Mark seien notwendig, schätzte gen Dornier, MTU und Co. angedockt erklärt den stolzen schwäbischen Auto- Zahn. Mindestens.

1985 1991 1993 AEG: Die Cap Gemini: Metall- Unsanierbare Daimler hat gesellschaft: – allein die viel zu teuer Als Folge der Bahnfirma gekauft Krise musste Adtranz hat und wurde Daimler rund mehr als eine von den 180 Millio- Milliarde Euro Franzosen nen Euro verbrannt. ausgetrickst. abschreiben.

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7.5.1998 quote von 21,8 auf solide 27,0 Prozent 20 dürre Daimler-Jahre Daimler-Benz kündigt Fusion mit Chrysler an. nach oben. Unter anderem ließ der Vor- Kurze Euphorie, andauernde Enttäuschung 90 standschef die Pensionsrückstellungen Aktienkurs in Euro 14.2.2007 neu kalkulieren. Er setzte den Zinsfuß Schrempps Nachfolger 80 von sehr vorsichtigen 3,5 Prozent auf Februar 1985 Dieter Zetsche stellt 6 Prozent hoch. Allein das brachte einen Ausbau des Chrysler zum Verkauf. 70 Konzerns beginnt. Gewinnanstieg um 4,9 Milliarden Mark. 60 1993 plünderte Reuter die Konten 1.9.1987 zwecks Verlustausgleichs so arg, dass Edzard Reuter wird 50 sich die „Börsen-Zeitung“ zu einem ver- Vorstandschef. zweifelten „Tiefer geht’s einfach nicht“ 40 hinreißen ließ. Sie sollte sich irren. Bevor Reuters Nachfolger Schrempp 30 1996 das wahre Ausmaß des Milliarden- 26.5.1995 28.7.2005 20 desasters offenbarte, beriet er sich mit Daimler- Jürgen Schrempp Daimler- Schrempp erklärt Obersparer Zahn. Vier Milliarden Mark Benz übernimmt Vor- Chrysler Rücktritt zum 10 wolle er auf den Buchwert der kriseln- standsvorsitz. Jahresende. den Luft- und Raumfahrttochter Dasa 0 ’86 ’87 ’88 ’89 ’90 ’91 ’92 ’93 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 abschreiben, schlug Schrempp vor. 1985 Quelle: Thomson Financial, Datastream 2007 Doch der Pensionär riet wieder einmal zur Vorsicht. „Nehmen Sie lieber sechs“, soll Zahn empfohlen haben. So reich war die Daimler-Benz AG, Kalkulation ist vor allem für die Reuter- Schrempp folgte dem Rat. Allerdings dass etwa 1983 das Zinsergebnis allein Jahre nicht möglich. Aber die Fehlinves- nur, um zwei Jahre später voll ins Risiko für eine Umsatzrendite von 3,3 Prozent titionen – Gewinne, Verluste und Wie- zu gehen. Erst kaufte er 1998 Chrysler, genügte – und damit für eine höhere derverkaufswerte eingerechnet – addie- dann im Jahr 2000 ein Drittel der Mit- Marge als 2006 das gesamte Konzern- ren sich auf rund 60 Milliarden Euro. subishi-Anteile. Allein die Chrysler- ergebnis vor Steuern. Hätte ein Anleger zu Reuters Amts- Aktien wurden bei der Fusion mit rund So meisterhaft versteckten die Stutt- antritt 10 000 Euro in Daimler-Aktien in- 36 Milliarden Euro bewertet. garter ihre Gewinne, dass Mitte der vestiert, wären die Papiere zum Ende der Als Profiteur ging vor allem einer aus 80er Jahre nur die Höhe der Steuern ei- Ära Schrempp nur noch rund 8800 Euro der Fusion hervor: Schrempp selbst, nigermaßen verlässlich die Ertragskraft wert gewesen. Zum Vergleich: Bei einem der sich das Gehalt vom Aufsichtsrat in verriet. In der Steuerbilanz konnten Investment in BMW-Aktien wären aus den Folgejahren vervielfachen ließ. Die die Buchhalter nicht so tricksen wie im der Anlage fast 40 000 Euro geworden. Aktionäre dagegen mussten büßen. Hät- nach Handelsrecht erstellten Konzern- Dabei wies der Konzern bis zu te die Daimler-Aktie sich vom 31. De- abschluss. Die Folge: Die Steuern waren Schrempps Amtsübernahme nicht ein- zember 1997 an gemäß den Kapitalkos- zum Teil dreimal so hoch wie der Jahres- mal einen Verlust aus. Ein bisschen Bi- ten verzinst, hätte sie bis zu Schrempps überschuss – ein sicheres Zeichen dafür, lanzakrobatik hier, ein Griff in die Scha- Abtritt Ende 2005 auf 108 Euro steigen dass unsichtbare Milliarden auf die tulle mit dem Zahngold, solide Erträge müssen. Stattdessen fiel sie von 63 Euro Daimler-Konten gehäuft worden waren. aus dem Autogeschäft als Ausgleich; auf 43 Euro. Ein Desaster für den Mann, So solide stand der Autokonzern da, schon stand wieder ein Jahresüber- der sich zu Beginn seiner Amtszeit als dass er auch die Jahre der großen Ka- schuss in der Bilanz, über den sich man- Mister Shareholder-Value feiern ließ. pitalvernichter Reuter und Schrempp cher Konkurrent gefreut hätte. Wie viel Geld er mit seinen Projek-

überstehen sollte. Zusammen zwischen Wie groß der Spielraum in der Bilanz ten genau vernichtete, das gab auch FOTOS: GEERAERTS/LAIF, GETTY IMAGES, FRITZ STOCKMEIER/ARGUM 100 und 120 Milliarden Euro hätten die war, zeigte sich etwa 1989, als Reuter Schrempp nur ungern preis. Um das Er- beiden vergeudet, rechnen Daimler- kurzerhand die Bilanzierungsregeln än- gebnis der Dasa zu schönen, verzichtete Aufsichtsräte vor. Mehr als eine grobe derte. Schon schnellte die Eigenkapital- zum Beispiel die Konzernzentrale auf

1993 1998 1998 Fokker: Chrysler: : Teures Flug- Hochzeit im Kleines Auto, abenteuer, Himmel und turmhohe spektakuläre bodenlose Verluste – bis Schließung, Scheidung – heute rund alles in allem für bis zu 8 Milliarden 1,1 Milliarden 40 Milliarden Euro Miese in Euro Kosten. Euro. den Büchern.

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Forderungen gegen die Tochter. Und die zerne stünden längst vor dem Ruin. Stuttgart-Möhringen und das Schulungs- Verluste des Mini-Mercedes Smart ver- Daimler aber hat unlängst wieder eine zentrum auf dem Lämmerbuckel, eine unzierten nur während der Entwick- recht solide Bilanz für 2006 veröffent- Art Konzernheiligtum. lungsphase die Bilanz. Nach dem Ver- licht: 3,2 Milliarden Euro Jahresüber- Milliarden flossen so in die Kasse. kaufsstart vervielfachte sich das Minus, schuss, trotz Chrysler-Krise; gern ver- Man wolle „das Rating nicht weiter ge- und plötzlich wies der Konzern für seine weist Konzernchef Dieter Zetsche auf fährden“, begründete Finanzchef Bodo Beteiligungen nur noch den Umsatz aus. die nach wie vor beachtliche Nettoliqui- Uebber die Verkäufe intern. Gewinn oder Verlust blieben unsichtbar. dität von 6,4 Milliarden Euro. Das Rating, mit dem Finanzagenturen Warum die Smart-Zahlen dem Kon- Intern aber sieht die Konzernspitze die Kreditwürdigkeit eines Unterneh- zernchef so peinlich waren, ist inzwi- die Lage längst nicht so gelassen. Seit mens beurteilen, ist in den vergangenen schen bekannt. Der Zweisitzer Fortwo 2003 macht Daimler nach und nach vie- Jahren stetig gesunken, von A1 auf ein und seine erfolglosen Brüder Roadster les zu Geld, was nicht unbedingt über- äußerst mäßiges Baa1. Auch deshalb und Forfour häuften bislang satte acht lebenswichtig ist. MTU Aero Engines, lehnten es rebellierende Vorstände 2004 Milliarden Euro Verlust an. MTU Friedrichshafen, die Hälfte der ab, der kriselnden Tochter Mitsubishi Erst AEG, dann Fokker, Chrysler, EADS-Anteile, etliche Immobilien, dar- mit einer weiteren Milliardengabe zu Mitsubishi und Smart. Andere Kon- unter die frühere Konzernzentrale in helfen. Der Daimler-Anteil an der Toch- Unternehmen DaimlerChrysler ter wäre auf mehr als 50 Prozent gestie- War Reuter an der Steuerung Dutzen- gen, Mitsubishi samt Verschuldung in Im Innern stark 35 der eigenständiger Traditionsfirmen ge- der Bilanz erschienen. Das Rating wäre Operative Ergebnisse von Daimler scheitert, so mangelte es Schrempp an weiter belastet worden, Daimler hätte im Vergleich (in Milliarden Euro)* 30 einem steten, nachhaltigen Vorgehen. höhere Kreditzinsen bezahlen müssen. Es dominierte eine Mischung aus Passi- Kerngeschäft Mercedes- 25 Wie sagte Edzard Reuter, damals Pkw und Nutzfahrzeuge vität und Überreaktion. „Man ließ es noch Finanzvorstand, in den 80er Jah- 20 erst laufen und schickte dann, als die ren: „Immer noch ähnelt die Kraft Visionen** 15 Zahlen schon viel zu schlecht waren, die unseres Hauses weniger einer Plastik Ledernacken“, sagt ein Daimler-Mann. 10 von Giacometti als einem Gemälde von Lange berauschte sich das Manage- Rubens, aber die Figur ist noch sehr viel 5 ment an den Synergien in einem globa- muskulöser geworden.“ len Autoverbund. Dumm nur, dass die 0 25 Jahre später wirkt die einst üppige nie in nennenswertem Umfang realisiert Quelle: –5 Rubens-Figur ausgezehrt wie nach einer mm-Recherche, wurden. Zwar gab es 17 Fusionscouncil, Geschäftsberichte Serie von Brigitte-Diäten. –10 Hunderte gemeinsame Arbeitsgruppen, ’92 ’94 ’96 ’98 ’00 ’02 ’04 mehr als 1200 Einzelprojekte – die längs- III. DAS ÜBERFORDERTE 1990 2006 te Postmerger-Praline der Welt –, aber *Kumuliert; **Chrysler, Mitsubishi, AEG, MANAGEMENT EADS etc. (ohne Finanzdienstleistungen). das wahre Leben sah anders aus. Der Treffpunkt ist eines dieser mon- Die Mercedes-Leute fürchteten um dänen Seeblick-Refugien, von denen so das Image ihrer Premiummarke und viele den Genfer See umschließen. Im bei den Chrysler-Leuten. Die sind alle, weigerten sich oft, Technikteile in Konferenzraum des „Beau-Rivage“ in aus unterschiedlichen Gründen, da- Chrysler-Modelle einzubauen oder sie Lausanne sitzen die 17 Vorstände von gegen. Auf der Daimler-Seite lässt gemeinsam mit dem Partner zu ent- DaimlerChrysler um einen ovalen Tisch. Schrempp die Nissan-Freunde erst zu wickeln. Auch Chrysler sperrte sich. Die Chrysler-Fraktion hat es panorama- Wort kommen, als das Meinungsbild Die hochwertigen Mercedes-Komponen- mäßig besser erwischt; die Amerikaner sich schon verfestigt hat; er selbst ten waren den Amerikanern häufig auch blicken auf den See, die Daimler-Leute äußert sich gar nicht. nach Abzug der Größenvorteile zu teuer. größtenteils gegen die Wand. Der Rest ist bekannt: Der Deal wurde Sie bangten um ihre Wettbewerbsfähig- Es handelt sich nicht nur wegen der abgeblasen; drei Wochen später schloss keit auf dem US-Massenmarkt. malerischen Örtlichkeit um keine ge- Nissan mit ab. DaimlerChrysler „Die Organisation hatte zu wenig Zug. wöhnliche Sitzung. Hinterher werden musste für seine Asienpläne am Ende Aber Schrempp hat nicht gepusht“, klagt einige Teilnehmer sagen: Ja, an diesem mit dem Milliardengrab Mitsubishi vor- ein Weggefährte. „Er hätte die Koopera- 10. März 1999 habe sich wohl entschie- liebnehmen; Renault-Nissan hingegen tion als Einziger durchsetzen können.“ den, dass die Welt AG scheiterte. avancierte zum Erfolgsmodell. Stattdessen überließ der Konzernchef Die Fusion mit dem Autobauer Nis- Der Alpha-Manager Schrempp war im wichtigsten Gremium für den Zusam- san steht zur Entscheidung an. Schon umgekippt, und das ohne Elchtest. menschluss, dem sogenannten Execu- 1997 hat Lkw-Vorstand Kurt Lauk (60) „Hätte er sich am Anfang der Sitzung tive Automotive Committee, Mercedes- mit den Japanern über ein Nutzfahr- klar zur Fusion bekannt, wäre die Sache Chef Jürgen Hubbert die Leitung, einem zeugbündnis verhandelt, später sind anders ausgegangen“, glaubt ein Augen- ausgewiesenen Bremskraftverstärker in auch die Pkw einbezogen worden. Alles zeuge des Meetings. „Aber er hat den dem Bündnis mit Chrysler. scheint auf gutem Weg: Nissan ist zwar Konflikt mit den Chrysler-Leuten ge- Immer wieder zeigte sich, dass das FOTOS: HARRY MELCHERT/DPA, THOMAS EINBERGER/ARGUM, KAI-UWE KNOTH/AP hoch verschuldet, verfügt aber über eine scheut.“ Daimler-Management, so exzellent es attraktive Modellpalette. Die Fusion mit Chrysler hatte besetzt schien, angesichts der Vielzahl DaimlerChrysler-Chef Schrempp, ein Schrempp mutig vorangetrieben. Als es neuer Baustellen überfordert war. Anhänger des Nissan-Deals, möchte jedoch um die Umsetzung seiner hoch- Die knappe Managementkapazität, die Meinung jedes Vorstandsmitglieds fliegenden Welt-Auto-Pläne ging, kam hatte Reuter schon im Mai 1995 einge- hören. Er beginnt auf der Seeblick-Seite, ihm der nötige Drive abhanden. räumt, sei „sicher einer der Knackpunk-

2000 2004 2007 Mitsubishi: Toll Collect: EADS: Lange Ständiger Re- Das Maut- Zeit ein Bom- paraturbedarf, Desaster kos- benerfolg, ist als weitere tete viel Re- die Daimler- Milliarden fäl- nommee und Beteiligung lig waren, kam viel Geld – nun in das Ende mit rund 750 Mil- schwersten Schrecken. lionen Euro. Turbulenzen.

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Drängen von Nutzfahrzeugchef Eckhard Cordes an die Freightliner-Spitze. Schon Mitte 2000 hatte der zu Chrysler be- orderte Controller Jürgen Walker vor ei- nem drohenden Sanierungsfall gewarnt. Alles bestens, wiegelte der damalige Chrysler-Chef Jim Holden ab. Walker wagte keinen offenen Konflikt. Rechtzeitige Umkehr? Undenkbar im selbstgefälligen Makrokosmos Daimler. „Diesem Vorstand und keinem seiner Mitglieder wird es auch nur für eine Sekunde einfallen, mitten auf dem Strom das Ruder herumzuwerfen.“ Sprach Edzard Reuter vor Daimler- Führungskräften anno 1993. „Wenn ich einen Fluss durchschwim- me – das Wasser ist kalt, mit Eisschollen drauf –, und ich habe drei Viertel der Strecke hinter mir, dann schwimme ich doch nicht zurück.“ Sagte Jürgen Schrempp im Jahr 2004.

IV. DIE LASCHEN AUFSEHER Seit an Seit: Ex-Chef Schrempp (r.) und sein Aufsichtsratsvorsitzender Kopper Nach knapp 18 Jahren Agendasetzen und Worterteilen, im hohen Aufseher- alter von 71 Lenzen, gibt es doch noch einmal eine Premiere: In der Aufsichts- te gewesen“: „In den neuen Unterneh- Allein, es nützte nichts: Chrysler ist ratssitzung am 27. Februar dieses Jahres mensbereichen ist ein stärkerer Bedarf immer noch ein Sanierungsfall, auch in Stuttgart nutzte Hilmar Kopper zum vorhanden, als wir es ursprünglich er- Mitsubishi konnte nicht gerettet werden, ersten Mal in seiner Kontrolleurszeit bei wartet hatten.“ und Hyundai war vor allem daran inter- DaimlerChrysler das Zweitstimmrecht, Stets mussten im globalen Nirgend- essiert, Daimler-Technik abzukupfern. das ihm als Aufsichtsratsvorsitzenden wo des Daimler-Reichs Löcher gestopft Die Daimler-Organisation hat sich in zusteht. und milliardenschwere Sanierungspro- all den Jahren des Auf-, Um- und Abbau- Die Kontrolleure stimmten darüber gramme aufgelegt werden: von „Dolo- ens als wenig lernfähig erwiesen. Reuter ab, ob sich Chrysler Kleinwagen vom res“ (Dasa) über „Flite“ (Freightliner), scheiterte, weil der integrierte Techno- chinesischen Autobauer Chery fertigen „Global Excellence“ (Lkw) bis zu „Core“ logiekonzern mit mehr als 30 Geschäfts- lassen sollte. Die Arbeitnehmer votier- (Mercedes) und aktuell „Project X“ feldern nicht führbar war. Sein Nachfol- ten dagegen, die Kapitalvertreter da- (Chrysler). Alles unter dem Notarzt- ger Schrempp musste am Ende das Glei- für – Koppers Doppelstimme war mithin motto, das Schrempps frühe Amtsjahre che auch für seine Welt AG einräumen. entscheidend. Der Vorschlag ging durch. prägte: „Stop the bleeding.“ Dass Daimler aus all den Schadens- Solch elektrisierendes Schauspiel der Schrempps Welt AG erforderte das fällen zu wenig lernt, liegt an seinem Corporate Governance bietet Daimler Managen (und Sanieren) eines runden Wesen: Die schwäbische Autofirma ist nur selten. Dass das Management so Dutzends Auto- und Lkw-Marken in ein monolithischer Koloss, der selten viele Milliarden versenken konnte, liegt Europa, Amerika und Asien, das Mode- Gegenpositionen zulässt. Der Vorteil: auch am Versagen der Aufsichtsräte. rieren vier höchst unterschiedlicher Fir- Alle laufen in die gleiche Richtung. Der Das war schon unter Edzard Reuter menkulturen: Daimler und Chrysler so- Nachteil: Man erkennt zu spät, dass es so. Der damalige Aufsichtsratschef wie die Minderheitsbeteiligungen Mit- die falsche ist. Alfred Herrhausen (Deutsche Bank) be- subishi (Japan) und Hyundai (Korea). Die Konzernchefs regieren mit Kü- fürwortete das Konzept des Techno- Die Daimler-Manager pendelten im chenkabinetten; Jasager werden ge- logiekonzerns, drängte Reuter sogar zu firmeneigenen Gulfstream-Jet oder fördert, Bedenkenträger gemaßregelt. einer höheren Beteiligung am späteren Airbus A 319 zwischen der Chrysler- Als der frühere Freightliner-Finanz- Milliardengrab AEG. Zentrale und der Holding in Stuttgart, chef Rainer Schmückle auf drohende Stets aufs Neue ließen sich die reisten zur Abstimmung mit den Fern- Verluste bei der Lkw-Tochter hinwies, Kontrolleure von den optimistischen FOTO: JOSE GIRIBAS ostpartnern nach Tokio und Seoul. glaubte Konzernchef Schrempp lieber Prognosen des Vorstands blenden. Pein- Es kam zu einem gewaltigen Turn- den Ausreden von Freightliner-Lenker licher noch: Reuters Vorstandsvertrag around humaner Ressourcen. Bei Daim- Jim Hebe; Schmückle wurde zu Adtranz wurde frühzeitig verlängert. Am Ende ler schien jeder alles können zu müssen. versetzt – und kam erst später auf sagte der Herrhausen-Nachfolger Kop-

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Wachsender Abstand Wie die Konkurrenz DaimlerChrysler abhängt

Toyota: Kauft nicht, wächst einfach. Die Umsatzrendite (Ebt) Börsenkursentwicklung Japaner konzentrieren sich auf ihre Stär- in Prozent, Stand: 2006* Vergleich seit DaimlerChrysler-Fusion 300 ken. Höchst effiziente Entwicklung und Toyota Produktion, Topqualität. Toyota verdient Toyota 8,9 Renault längst mehr als alle Konkurrenten. Bald BMW 8,4 BMW 250 schon könnte das Unternehmen GM als Renault 7,7 VW weltgrößten Autohersteller ablösen. DaimlerChrysler 2,6 DaimlerChrysler 200 BMW: Hat nach dem Rover-Debakel auf 1,7 VW Vollgas geschaltet – und im Alleingang Quelle: Rekordgewinne in Serie eingefahren. Der *Toyota: Geschäftsjahr zum 31.3. Unternehmen 150 große Vorteil von BMW: Die Quandt- Familie schützt als Großaktionärin vor Nur der Börsenkurs schoss dank des einer Übernahme. Porsche-Einstiegs nach oben. 100

Volkswagen: Ähnlich aggressive Renault: Carlos Ghosn versucht sich an Kaufstrategie wie Daimler: Erst kam der zweiten Welt AG. Renault hat nach 50 Seat, dann folgten Skoda,ˇ Lamborghini und nach 44,3 Prozent der Nissan-Anteile und Bentley. Vieles ging schief, vor allem übernommen und den maroden Konzern Quelle: Thomson Financial, Datastream 0 bei Seat und den Luxusanbietern. höchst erfolgreich saniert. Aktuell ’99 ’00 ’01 ’02 ’03’04 ’05 ’06 Und die Kernmarke VW rutschte ab. schwächeln allerdings gleich beide Partner. November 1998 = 100 2007

per Reuter sogar den Aufsichtsrats- dem DaimlerChrysler noch 15 Prozent patienten. Die aktuelle Krise ist schon vorsitz zu und hatte Mühe, von seinem hält, trudelte unter Bischoffs Aufsicht in das dritte teure Debakel seit der Fusion. Versprechen wieder abzurücken. die schwerste Krise seiner Geschichte. Ordentlich Geld verdient hat Chrysler In der Ära Schrempp hatten sich die nur ganz zu Anfang. Danach kam es Chefs von Vorstand, Aufsichtsrat und V. DIE BEDROHUNG DES wie bei so vielen Daimler-Übernahmen. Gesamtbetriebsrat in einem Dreier- KERNGESCHÄFTS Die neuen Konzernteile kosten erst bund zusammengeschlossen und Har- Die Daimler-Manager sind sicher schon viel Geld, dann viel Zeit und Nerven – monie zur Geschäftsgrundlage erhoben. unbequemer geflogen in ihrem Leben. schließlich müssen sie wieder weg. Opposition im Aufsichtsrat mutierte Im werkseigenen Airbus A 319 können Mehr als 50 Milliarden Euro hat zur lästigen Randerscheinung, so ein- sie ihre Beine lang machen, sie können Daimler unter Reuters und Schrempps fach wegzuwischen wie eine Fliege von ihre Sessel per Knopfdruck in Liege- Führung in Firmenkäufe investiert; ge- der Windschutzscheibe. position bringen, und die Küche bietet bracht haben die Investitionen jedoch Dass der glücklose Schrempp so lange gehobene Restaurantklasse. wenig. Seit 1990 hat der alte Kern des im Amt blieb, liegt vor allem an der Doch als sich jüngst wieder eine Konzerns, also Mercedes-Pkw und die engen Beziehung zu seinem Duzfreund Mercedes-Truppe mit Ziel Detroit in die Nutzfahrzeugsparte, 33,7 Milliarden Eu- Hilmar. Schrempp und Kopper, sagt ein Lüfte erhob, war die Stimmung an Bord ro Gewinn eingespielt. Der zugekaufte ehemaliger Vorstand, „waren symbio- gedrückt. Die Manager und Ingenieure Rest – Finanzdienstleistungen bleiben tisch vereint“. Beide hatten sich aus ein- hatten lange geglaubt, die Zeit der Not- ausgeklammert – kommt auf mickrige 1,3 fachen Verhältnissen in die Topetagen hilfe sei vorbei: Chrysler sei saniert, Milliarden Euro (siehe Grafik Seite 42). der deutschen Wirtschaft hochgearbei- Konzernchef Zetsche habe einst als Immer wieder musste die Marke mit tet. So etwas schweißt zusammen. Chrysler-Chef einen prima Job gemacht. dem Stern wichtige Manager nach Tokio Auf der Hauptversammlung am 4. Ap- Aber jetzt leisten sie wieder alle zwei oder Detroit abgeben. Als die Zahlen bei ril wird nun der ehemalige Konzernvor- Wochen für ein paar Tage Sanierungs- Chrysler immer schlechter ausfielen, stand Manfred Bischoff (64) Kopper beistand. „Das ist reine Pflichterfüllung, wurden die besten Autoleute, Dieter Zet- nachfolgen. Der Neue kann als Referenz Enthusiasmus verspürt da niemand – sche und Wolfgang Bernhard, zu Chrys- sieben Jahre Chefkontrolleurstätigkeit auch die amerikanischen Kollegen nicht“, ler entsandt. Zuvor hatte Finanzexperte bei EADS vorweisen, als einer von zwei sagt einer der Vielflieger. Jürgen Walker nach dem Rechten ge- Chairmen. Die Aktionäre werden die- Die US-Autokunden meiden die sprit- sehen. Topmann Rolf Eckrodt bastelte sen Arbeitsnachweis kaum mit Applaus fressenden Chrysler-Modelle. Das Un- erst an der Bahnfirma Adtranz, einem quittieren: Der Luftfahrtkonzern, an ternehmen entwickelt sich zum Dauer- AEG-Überbleibsel, herum, dann an

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kühl und konsequent. Während sein Vorgänger Schrempp noch auf mehrere erstklassige Autoexperten im Vorstand zurückgreifen konnte, kann Zetsche nur auf einen bauen – und das ist er selbst. Noch ist Chrysler (als Teil von Daim- ler) nicht Geschichte. Doch wenn die Bedingungen halbwegs stimmen, wird Zetsche Chrysler verkaufen. Zu gern würde er noch vor der Hauptversamm- lung eine Lösung präsentieren. Aber die Gespräche dürften schwie- rig werden. Ausgeklügelte Übernahme- modelle gibt es zwar. Etwa das des von Cerberus geführten Konsortiums, nur einen Teil von Chrysler selbst zu kaufen. Der Rest soll an General Motors gehen. Aber auf Chrysler lasten eine höchst unsichere Ertragslage und milliarden- schwere Aufwendungen für die Gesund- heitsversorgung der Mitarbeiter. Gerade die Private-Equity-Investoren erwarte- ten von Daimler eine hohe Mitgift, heißt es in Finanzkreisen. Gelingt der Verkauf Blecherne Zeit: DaimlerChrysler-Chef Zetsche will gute Autos bauen – und sonst nichts trotzdem, dann ist der Konzern wieder das, was er 1985 war: ein Hersteller von Autos, Lastern und Bussen, größer als früher, aber nicht mehr so reich. Mitsubishi, wo ihn der spätere Smart- die Stuttgarter Weinsteige hinabfließen, Ein solcher Premiumhersteller, das Chef Ulrich Walker unterstützte und kündigte Bernhard an. So ähnlich kam hat nicht zuletzt BMW in den vergange- sechs Wochen vor dem Ausstiegs- es auch; Bernhard konnte das Schau- nen Jahren bewiesen, kann durchaus beschluss auch noch der bei Smart spiel allerdings nicht mehr beobachten. allein klarkommen. Zetsche: „Die Ge- grandios gescheiterte Andreas Rensch- Er verlor seinen Job wenig später. genthese ist nicht belegt worden.“ Grö- ler nach dem Rechten sehen sollte. Erst Hubberts Nachfolger Cordes und ßenvorteile lassen sich durch Koopera- Es sei niemals Cash von Mercedes zu Zetsche bekamen Mercedes wieder in den tionen erzielen; die Modellpalette lässt Chrysler geflossen, behauptet der Kon- Griff. Zu einem hohen Preis: Fast 10 000 sich zudem noch nach unten abrunden. zern. Trotzdem: Teilweise wirkte es so, Mitarbeiter mussten gehen, ausgestattet So denkt Zetsche darüber nach, ein als schicke Mercedes seine Silberpfeile mit zum Teil üppigen Abfindungen. weiteres Auto im A-Klasse-Segment zu mit schwer beladenem Anhänger auf bauen, um Kunden unter 45 Jahren von eine Formel-1-Strecke. So sehr verlor VI. EINE ZUKUNFT OHNE BMW und Audi herüberzulotsen. Mercedes an Boden im Vergleich zur CHRYSLER? Doch die Gefahr einer feindlichen Konkurrenz. Die Marke Audi stieg zum Zwei schmerzliche Dekaden hat Daimler Übernahme ist so groß wie lange nicht. Liebling der Autokritiker auf. BMW zog durchlitten, 20 Jahre Missmanagement So verriet Zetsches Vorgänger Jürgen bei der Rendite weit davon und verkauft ertragen – und das Desaster überstan- Schrempp jüngst in kleiner Runde, er inzwischen sogar mehr Autos als Merce- den. Aber kann der Konzern allein über- halte die Lage des Konzerns für äußerst des. Toyota hängte Daimler in Sachen leben, mit seiner Marke Mercedes und bedrohlich. Für Finanzinvestoren wäre Qualität ab. wenig mehr? Oder droht ihm ein Schick- Daimler nach einem Chrysler-Verkauf Der langjährige Mercedes-Chef Jür- sal, das die Schwaben seit jeher fürchten ein lohnendes Ziel: „Die Summe der gen Hubbert war zuletzt mit seiner Auf- wie den Besuch benachbarter Bajuwa- Einzelteile ist nach wie vor mehr wert gabe überfordert. Er ignorierte die War- ren-Horden: eine feindliche Übernahme? als der gesamte Konzern.“ nungen über häufige Pannen, verlor die Alles, und das macht die Sache nicht Der beste Schutz sei ein hoher Bör-

Kontrolle über die Entwickler und ließ leichter, hängt vor allem an einem senkurs, sagt Zetsche. Mit 54 Milliarden FOTO: HARRY MELCHERT/DPA/PA sich weitgehend von Vertriebsvorstand Mann: Dieter Zetsche. Ein gemütlich Euro wird die DaimlerChrysler AG der- Joachim Schmidt und dem Chef des dreinblickender Mann mit Glatze, run- zeit an der Börse bewertet. Noch haben DaimlerChrysler-Vertriebs in Deutsch- den Brillengläsern und einem Schnauz- sich Finanzinvestoren an einer Über- land, Eckhard Panka, steuern. bart, der ihm etwas Clowneskes gibt. nahme dieser Dimension nicht versucht. Als Wolfgang Bernhard 2004 Hubbert Zetsche führt den Konzern, und er Allzu weit aber sind sie nicht mehr da- ablösen sollte, war die stolze Marke zum führt Mercedes, und zwar – konträr zu von entfernt. Peter Brors/ Sanierungsfall geworden. Es werde Blut seinem Erscheinungsbild – knallhart, Michael Freitag/Dietmar Student

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