Reformation

Das EKD-Magazin zum Themenjahr der Lutherdekade und Musik Nummer 4 · 2012 Musikfest Erzgebirge Ideenplattform der EKD 66. MDR Musiksommer 2012 Reformation500 Jahre Dresdner Kreuzchor Thüringer Bachwochen Orgelmuseum Malchow Schloss Friedenstein, Gotha Michaeliskloster Hildesheim Thomanerchor Leipzig 19. Thüringer Jazzmeile 15. Telemann-Tage Museum Neues Heinrich-Schütz-Haus Lutherhaus Bachhaus Eisenach Verans Internet www.musikfest-erzgebirge.de Interpretieren« »­Dirigieren. Internationaler Meisterkurs www.geistreich.de/FokusMusik in evangelischen Kirchen Anregendes undAktuelles zuMusik www.greifswalder-bachwoche.de Festival geistlicher Musik www.mdr.de/musiksommer »Auf denSpurenLuthers« Martin www.luther2017.de Themenjahr 2012: Musik www.kreuzchor.de ­einer derältesten Deutschlands Gemischtstimmiger Knabenchor, www.thueringer-bachwochen.de »Luther unddieMusik« 30.03. www.orgelmuseum-malchow.de Exponate aus Mecklenburg www.stiftung-friedenstein.de Die undihre Lieder »Mit Lust undLiebe singen« 05.05. www.michaeliskloster.de dienst undKirchenmusik Evangelisches Zentrum für Gottes- www.thomanerchor.de mit 800-jähriger Geschichte Weltweit bekannter Knabenchor www.jazzmeile.org 03.10. www.eisenach.de 07. www.kreis-sonneberg.de ausstellung inRauenstein, Thüringen 27.05.2012–06.01.2013 Gesangbuch- www.heinrich-schuetz-haus.de Ausstellungen undKonzerte www.lutherhaus-eisenach.de » 23.02. www.bachhaus.de »Bach, Luther&dieMusik« Sonderausstellung ab25.02.2012 reifswalder Bachwoche Greifswalder eean Kantatentexte« ­Telemanns –

15.07.2012 inEisenach t 2. 121 i Jena –27.11.2012 in

0.821 Ausstellung –05.08.2012 – –22.04.2012 unter dem Thema

altungen Tipps

61.02 Ausstellung 16.11.2012 Schloss

Windsbacher Knabenchor Vocalconsort Berlin Sächsisches Vocalensemble RIAS-Kammerchor Norddeutscher Figuralchor Musica Münchner MotettenChor Lautten Compagney Konzertchor Darmstadt Kammer Kammerchor Himlische Cantorey Gli Freiburger Barockorchester Ensemble Movimento Network forJazz &Christian Network Ensemble Dresdner Kammerchor Concerto Köln Concerto +14 Chorwerkruhr Cantus Cölln Calmus Ensemble Balthasar-Neumann-Chor A Akademie für A Chöre und E nsemble Internet Thüringischer SWR Vokalensemble Staats- und Domchor Berlin Solistenensemble Kaleidoskop musikFabrik thesinus Consort Berlin thesinus Consort www.windsbacher-knabenchor.de www.vocalconsort-berlin.de www.task-ev.de www.saechsisches-vocalensemble.de www.rias-kammerchor.de www.norddeutscher-figuralchor.de www.crescendo-jazz.org www.muenchner-motettenchor.de www.lauttencompagney.de www.konzertchor-darmstadt.de www.kammerchor-saarbruecken.de www.musikpodium.com www.himlischecantorey.de www.gli-scarlattisti.de www.barockorchester.de www.ensemble-movimento.de www.amarcord.de www.dresdner-kammerchor.de www.concerto-koeln.de www.concertoplus14.com www.chorwerkruhr.de www.cantuscoelln.com www.calmus.de www.balthasar-neumann.com www.athesinus-consort.de www.akamus.de www.swr.de/vokalensemble www.staats-und-domchor-berlin.de www.kaleidoskopmusik.de www.musikfabrik.org www.musica-alta-ripa.de Scarlattisti A Chor lta Ripa Tipps Amarcord Stuttgart Saarbrücken Akademischer lte Musik Berlin s Spirituality Singkreis

Hedwig Christian Finke psychologin, München Barbara Distler-Harth Fallersleben P Erlangen ­Theologe, P Hildesheim Fritz Baltruweit Hildesheim ­Theologe, Jochen Arnold Eckart A Hannover P A Zweite A Medialis Offsetdruck GmbH, Berlin Druck Bresgott,Klaus-Martin Reinhard Mawick Redaktion Etc. pp., Berlin Entwurf, Layout, Fotoredaktion Sergius Pabst Illustration Andreas Schoelzel, Lothar Veit Benny Golm, ­ Theresa Becherer, MarinaRosso, Fotografie Ernst undNancy Rahn([email protected]) Campenhausen, Angelika Beer, Antje ­Mawick unter Mitarbeitvon Jan von in Deutschland ( Kirchenamt derEvangelischen ­ Verantwortlich für den Inhalt Impre 5.000 Stück (Erste Auflage 50.000) Jonny Reinhard Mawick Gudrun Mawick Freiburg imBreisgau Konrad Küster Theologe undKirchenmusiker, Leipzig Christoph Erlangen Klaus-Martin Bresgott,Klaus-Martin Reinhard Detlef Jürgen Henkys Konrad Klek Theologe Gunter Kennel Sven Hiemke Leipzig Christoph Wolff Freiburg imBreisgau Meinrad Walter Uwe Steinmetz Dieter Sell Stephan Schaede Clara Rempe Nancy Rahn utorenverzeichnis etra Denker eter Bubmann etra- ssum Angela Ahrens P Giese echstein Gafga ltenmüller uflage Berlin ­, ­Krummacher Journalist, Bremen Stéphane Lelarge, ­ Studentin, TelAviv Dramaturg, Berlin Kirchenmusiker, Theologe Germanistin, Berlin Musikwissenschaftler, Kirchenmusikerin, Journalistin, Hamburg Kirchenmusiker, Kirchenmusiker, Musikwissenschaftler, EKD Theologe, Berlin Musiker, Berlin Kirchenmusiker, Berlin Musikwissenschaftler, Kirchenmusiker, Theologin, Villigst Musikwissenschaftler, Kirchenmusiker, Musiker, Nürnberg Theologe, Hannover Theologe, Loccum : Jochen ): Arzt, Hannover Soziologin, Entwicklungs- ­Arnold, Kirche

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EKD 2012 Reformation und Musik

EKD 2012 Reformation und Musik Fotos Titel / Rückseite Theresa Becherer, Ostermorgen in Jüterbog, Nikolaikirche und Rockgottesdienst in Zossen, E-Werk Liebe Leserin, lieber Leser, Calvin, 2010 Melanchthon ) unddemThemenheftReformation­ auf themenorientierte Inhalte und Erkundun­ Lutherdekade präsent–einplattformunabhängiges Por­ kirchen-App« fürKunstundKultur indenKirchenderGegenwartaufdemWeg der In eigener Sache Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Präses Nikolaus Schneider, Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Magazins, dem ich eine große Verbreitung wünsche. für die Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EKD lebhafte EinblickeindaskirchenmusikalischeLebendes21. reformatorischen DeutungderMusikaufdenGrundgehen,zumanderenaberauch 2011 bietet dieses Magazin ein Ensemble von Texten, die zum einen der spezifischen Deutschland ( ­Musik großen Reformationsjubiläum2017 imJahre2012 dasThemaReformationund heute nicht mehr selbstverständlich kirchlich sozialisiert sind. schaft unddamiteinewichtigeVerbindung zuvielenMenschen,auchdenen,die neuen KontaktzurKirche.DieMusikisteineBrückezwischenKircheundGesell- hervorgehoben. In der Kirchenmusik finden viele Menschen einen ersten oder einen Jahre 2010dieKirchealsKulturträgerininDeutschlandaufdemGebietderMusik den gottesdienstlichen Bereich hinaus. Nicht umsonst hat der Deutsche Kulturrat im durch GebetundLobgesang«.HeutereichtdasWirken derKirchenmusikweitüber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort, und wir wiederum mit ihm reden dar, dass im Gottesdienst nichts anderes geschehen solle, den heutigen Tag. In seiner berühmten Torgauer Kirchweihpredigt 1544 legte Luther Singen undMusizierenvielerMenscheninChörenInstrumentalkreisenbisauf sche Kirchenmusik durch die Jahrhunderte hervorbrachte und durch das begeisterte ther selbstzurückgehen,durchdieVielzahl derKompositionen,dieevangeli- unendlich vielgewonnen:durchdenevangelischenChoral,dessenAnfängeaufLu- rauf rief der: die Dienerkamenzurückundmeldeten:»HerrBürgermeister,siesingenalle.«Da­ die Abtrünnigen, alsodie, die sangen,festzustellenund zur Ordnung zu rufen. Doch So schicktederLemgoerBürgermeisterimJahre1533 Ratsdienerindie­ cken. DiesforderteerauchvomRatderStadtLemgo,dieinseinem­ te dieneueLehreabundbemühtesich,sieinseinemHerrschaftsgebietzuunterdrü- benheit aus den Anfängen der Reformation: Der lippische Landesherr Simon an ein Kennzeichen der evangelischen Gemeinden. DasillustrierteineschöneBege- Und seine Lieder sangdie ganze Gemeinde. Der Gemeindegesang war vonBeginn nur insDeutsche,sondernauchzentralebiblisch-theologischeErkenntnisseinLieder. Musik war der Herzschlag Reformation. übersetzte die Bibel nicht Ich freuemichsehr, dassdieLutherdekadegenauaufderHälfteihresWeges zum Aus heutigerSichtkönnenwirdenSatzfröhlichumdrehen.DieChristenheithat aufihrerAgendahat.ZumviertenMalpräsentiertdieEvangelischeKirchein »Ei, es ist alles verloren!« EKD ) zum Themenjahr ein Magazin. Nach zwei Personenheften (2009 ) zum Themenjahr ein Magazin. Nach zwei Personenheften (2009 Die EKD ist im mobilen Inter­ gen. net mit der kostenlosen »Kultur

tal fürdenschnellenZugriff Erhältlich im iTunes-Store »denn dass unser lieber Jahrhunderts geben. ­Erarbeitung dieses Territorium lag. Freiheit imJahr Kirchen, um V. lehn- ­

Kulturbüros stätten Wege zumHandwerk 80 Ausbildung und Ausführung Reinhard Mawick Lernen: Thomanerchor viel mehr und singen inderausbildung und Lothar Veit imGespräch mitArnim Juhre 67 Musik undIch Karl-Heinz Ott, Katia Saalfrank, Nikolaus Schneider 64 tina Gedeck, Georg Kallweit, AnnaDepenbusch, AnnedeWolff von Weizsäcker, SimonHalsey, Frank-Walter Steinmeier, Mar- Schütz, Peter Frey, Luk Perceval, Margot Käßmann Marianne Birthler Luzia Braun, Max, Hermann Ulrich Wickert, Wolfgang Schäuble, Wolfgang Niedecken, Izabela Gogolewska gospelundKirche 42 Eckart Altenmüller Eine-Welt-Musik35 Musik undKirche Max Reger Bartholdy tian Bach torius, Heinrich Schütz 24 Komponisten –Boten derReformation Thomaskantors leiden schaftliches Leid inder Johannespassion desgroßen Henkys und Poesie beiDietrich Bonhoeffer und Jochen Klepper 56 56 Musik ist für mich / Mein Lieblingslied Bubmann derne? Begeistern undbegeistert sein! 45 Musik undalltag wann MusikinderKirche? ums von Christus, alsSeufzen desGeistes undBotin desEvangeli- Tiefe bewegung derReformation Vater derLieder Mit dem Dichter Luther begann die Sing- 8 Musik undEvangelium Inhalt oder Keyboard? sing nicht soschnell deinglaubenslied , Leonhard Lechner Athesinus, Michael Prae- Anne- Sophie Mutter, Dieter Falk, Sven Plöger, SashaWaltz, Wolf Biermann, Pascal von Wroblewsky, Helmchen, Martin Musik alsGabeGottes und Trost des Herzens, als Zeugnis Jochen Arnold Jonny Pechstein Klänge zum Themenjahr Klänge 21 gebet in g-moll

Hedwig Gafga 2 glanzdesHimmelsauf derErden 52 30 30 28 28 32 32 Friedrich II. von Preußen, Felix Mendelssohn Johannes Brahms, Josef Gabriel Rheinberger, Ernst Uwe Steinmetz 60 60 Pepping, Hugo Distler 39 Mein liebesBuch 39 6 Für dieOrgel Wer machte eigentlich 16 Fritz Baltruweit Petra-Angela Ahrens Stefan Krawczyk, IngaRumpf, Michael Nancy Rahn 26 26 Kirchenmusikalische Ausbildungs- 1 ak ü issDne Danke für diesesDanke! 41 Konrad Klek 75 800 Jahre glauben, singen, Johann Crüger, Johann Sebas- Stephan Schaede Überirdische Schönheit und Gunter Kennel 9 Kirchenmusik der Mo- 49 CD Petra Denker -Produktionen des 7 Bisinalle Ewigkeit 77 6 gänsehautgefühl 36 Meinrad Walter 8 zwei große Lied 18 58 58

ute Schendel Gunther Gudrun Mawick 1 a Klingen Das 71 Ludwig Güttler,

Dieter Sell 72 Jazz ist 72 11Ton der 62 47 Orgel Richard Jürgen Peter EKD -

aus Minden(Westfalen) angefertigt. Er eigenen Lieblingslied hat SergiusPabst sik fürdaseigeneLebenundnachdem der Frage nachder Bedeutung der Mu- Straßenmaler gezeichnetenPorträtszu nen undFotografenTheresaBecherer, schen Abbildbarkeit hat die Fotografin- von MusikunddieFrageihrerfotografi- führte DiskussionumdieErlebbarkeit spräch zukommen.Diegemeinsamge- Thema Fotografie und Gestaltung in Berlin zum der renommiertenOstkreuzschulefür seinen Schülerinnen undSchülern von lassen, mit Professor Ludwig Rauch und Gestalter unddasRedaktionsteam leiten heft erzählenzukönnen,habensichdie eigene Geschichten indiesem Themen- Bilder undindemWunsch, mitBildern Zugang zum Faszinosum der Musik? ganz eigeneSpracheundeineneigenen Fantasie derLeserein?Oderhateseine den Text, greiftdamitaberauchindie lustration? IsteseineHilfestellungfür mation undMusik?DientesnurderIl- einer derartigenPublikationüberRefor- bunden. Welche AufgabehateinBildin Bebilderung vonText undMusikver- eng mit derFrage nach der adäquaten Die EntstehungdiesesThemenheftesist Die Fotos diesesHeftes Bildprogramm abg auflebt. farbig sen altver trautes Format hier wieder viel- Form des Sammelbildes gegenüber, des- setzt den Geschichten der Fotografen die falt des Erlebens von Musik geben. von derVielfalt derBlickeundViel- Bildgeschichten, dieeinenEindruck Blick genommen.Entstandensindvier re –Ascoltare(SingenHören)inden rinnen und Sängern das Thema Rosso hat gemeinsam mit jungen Sänge- im PorträtRosemarieFischer.Marina tiert –Wasist,wasbleibt.Lebensmelodie ringischen DorfRodameuschelporträ- Rosemarie Fischer aus dem kleinen thü- Lelarge hatdielangjährigeOrganistin – tiv dem inneren Erleben vonMusik nach Instru ment,spürtBennyGolmassozia- gen ist–KlangraumKircheKlangbild in Berlinund Brandenburg nachgegan- tagonisten inverschiedenenKirchen fältigen Abbild der Musikund ihrer Pro- den Serien geführt. Kapitel diesesThemenheftesbegleiten- schiedlichen Wegen zuihrendievier rina Rossoschließlichaufsehrunter- Benny Holm,StéphaneLelargeundMa- Stéphane an sich.inaußersich. Die mitleichterHandnachArtder Überzeugt von der eigenen Kraft der Während TheresaBechererdemviel- Reformation und Musik ins Ge- Klaus-Martin Bresgott Canta-

EKD 2012 Reformation und Musik

EKD 2012 Reformation und Musik – 5. Mai bis 5. August in Gotha, Gotha, in 5. bis August 5. Mai – ren sondern auch selbst singen. nen, die Inhalte der Bücher nicht nur hö- bar. DieBesucherderAusstellung kön- Sitz imLebenwirdexemplarisch erfahr- Der GebrauchderGesangbücherundihr lichen Alltags ein. Gesangbücher alsBegleiterdesmensch- und lädtzueinerNeuentdeckungder Kirchenlieder inWort undMusikvor schönsten undbekanntesten deutschen der« stelltHerkunftundWerdegang der singen –DieReformationundihreLie- Die Ausstellung»MitLustundLiebe Lebensbegleiter Mit Lust singen ter-Verlag, Kassel. EKD nathan Brell und anderen. Frank Schwemmer, DanielStickan,Jo- Johann SebastianBachbisHugoDistler, re – von Johann Walter, Heinrich Schütz, Sätzen fürKantoreienund(Bläser-) Chö- und neuen,eigenshierfürentstandenen die gesamteLutherdekade.In212alten begleiten diese einmaligeStafette und 77 alteundneueLiederderReformation sonntags, sonderntäglichzumKlingen. klingt 2012bringtdasLandnichtnur mation Frau Musicaspricht … ChorbuchRe for- Kirche klingt–77Lieder Chorbuch Reformation formation, ihreeinzigartigeLied-und sam daskulturhistorischeGutderRe- einander derMusizierendengemein- che undGesellschaftbringenimMit- Kirchen durch ganz Deutschland. Kir- Gottesdiensten undSoireeninoffenen zip verbundenes BandvonKonzerten, mation und Musik ein im Dominoprin- Lutherdekade zumJahresthemaRefor- jahres 2012 zieht sich im Rahmen der Musik. Durchalle366Tage desSchalt- vielfältiger Tradition zumKlingen:ihre lerischen SchatzderReformationin densten Musici bundesweit einen künst- 366 + 1, Kircheklingt2012dieverschie- Im MiteinanderTausender bringenmit Kirche klingt2012 366plus1 Schloss Friedenstein Schloss Herausgegeben vomKulturbüroder inKooperationmitdemBärenrei- Das Konzertband 366 + 1, Kirche 366 +1, EG ganisatorisch begleitetwird,sindalle büro derEKDinitiiertwurdeundor- Bärenreiter-Verlag, 328 Seiten, Leitlieder des Projektes erklingen. und überträgtGottesdienste, in denen ten Projekt Das Gesangbuch greifenundmitsingen. schauer undHörerauchzuHause zum den FernsehgottesdienstenkönnenZu- gen, zusingen,gemeinsamsingen…In hinuntersingen, vorsingen,weitersin- lassen sichdahersingen,hinaussingen, blüht seineSpracheauf:NeueLieder chenlied erfunden.BisindieWortwahl reformiert undsodasevangelischeKir- ther zentral.ErhatdieMusikalsGesang Neue Lieder, um die ging es Martin Lu- Kirche klingti Fernsehgottesdienste EUR ISBN Lutherisches Verlagshaus, 324 Seiten, Arnold und Klaus-Martin Bresgott. gestalten sowie Anregungen für die Praxis. schichte, KurzporträtsderKomponisten tenden Liedervorgestellt:derenGe- band chenjahr In ab 20 Exemplare ab 10(Staffelpreise: Exemplare EUR die Osterbotschaft in die Welt trägt. nacht das besondere Konzert klingen werden,erklingtinderOster- 366 Tagen desJahres366Konzerteer- Geheimnis Osterns:Währendanden Tagen 367Konzerteerklingen,istdas Erzgebirge undinSachsen.Dassan366 Mitteldeutschland, zurWeihnacht im seeküste, umdenReformationstagin im SommerentlangderNord-undOst- Frühjahr durchdiesüdlichenGefilde, zu OrtdurchdieBundesrepublik–im das klingendeBandTag fürTag vonOrt 2012 inZittau.Dazwischenziehtsich in Augsburg,endendam31.Dezember dem Tag –beginnendam1.Januar2012 Motettensammlung zumKlingen:anje- plare Kirche klingt – 77 Liederfür das Kir- An diesemProjekt,dasvomKultur- In der Reihe gemeinsamgottesdienst 19,90 19,90 24,95 ZDF 978-3-7859-1065-8 EUR 366 + 1, Kircheklingt2012beglei- schließtsichdembundeswei- herausgegeben vonJochenM. 14,95) werden die77dasKonzert- 366 + 1, Kirche klingt 2012 an EUR 16,95, Exem- ab40 m ZDF plus 1, das EUR BA 6918, 6918, 19,95, 19,95, Projektes sinddieeigensfürdasJahr meinden beteiligt.EinBindeglieddes Landeskirchen mitinsgesamt367 Ge- – Termine 9. Dezember in Meldorf, Dom – – 26. Oktober in Innsbruck, – Internet: www.ekd-366plus1.de Informationen Konzert zuweitergereichtwird. Chronik das Band begleiten, die von Reformation. Darüberhinauswirdeine Woche. HierfürerscheintdasChorbuch den dieklingendeÜberschriftfüreine 2012 ausgewähltenLeitlieder. Diesebil- Die Nacht ist vorgedrungen Befiehl du deine Wege 18. November in Berlin, Nikolai kirche Was Gott tut, das ist wohlgetan Christuskirche Gott ist gegenwärtig Evangelische Kirche 26. August 2012 in Warnemünde, Tipps zum Themenjahr Tipps 3 4 und dieRücklagensindaufgebraucht. vorher ihreKircheinOrdnunggebracht benstellig werden. Oft hat die Gemeinde bringen, bei großenkann er schonsie- höherer fünfstelligerEurobetragaufzu- Bei kleineren Orgeln istfast immer ein alle dreißigbissechzigJahreeinmalvor. Sanierung derOrgelfällig.Daskommt und »Tricks« abstellenlässt,istofteine klang nichtdurch kleine Maßnahmen die ZuhörermerkenundsichderMiss- nicht mehrstimmt.Wenn esdannauch Organist merktschnell,wennetwas nicht mehrverkehrssicherist,aberein der diese irgendwann stilllegt, weil sie – ter gottesdienstlicher Musik. Kriterien und Gestaltungsprinzipien gu- rende PraktikersindaufderSuche nach Visionäre undspartenübergreifend agie- musikalischen Erlebens? munikationswissenschaftliche Aspekte der von Wort und Musik, aber auch kom- Gattungen, das Verhältnis und Miteinan- chen Stilrichtungenundmusikalischen Welche Rollespielendieunterschiedli- gottesdienstlicher Situation aus? thetisch-künstlerischem Anspruchund Gottesdienst im Spannungsfeld von äs- Was machtdieQualitätvonMusikim Musik imGottesdienst Hildesheim bekannt gemacht.DasPoporatorium ner großenkirchlichenÖffentlichkeit A Tribute to hat ihn ei- mal fürdenEchonominiert.DieCD de alserfolgreichsterProduzentsechs- res (FachblattMusikmagazin)undwur Falk istdreifacherKeyboarderdesJah- Kunze (König der Löwen und andere). Dieter FalkaufeinenText vonMichael Gebote desMusikersundProduzenten torium: das neuePoporatoriumZehn woodfilm, genausofüreinneuesOra- te am Berg Sinai? Stoff für einen Holly- und derOffenbarungZehnGebo- Auszug der Kinder Israel aus Ägypten Wer kennt sienicht,dieGeschichtevom Biblisches Poporatorium Z Es gibtzwarkeinen Eine Herkulesaufgabe Orgelsanierung

ehn Gebote 11. bis 13. Juni 2012 im Michaeliskloster Tipps zum Themenjahr Tipps TÜV füreine­

Orgel, - che inDeutschland(EKD)dieStiftung zen, wurdevonderEvangelischenKir ihrer historischenOrgelnzuunterstüt- der internationaleMusicalsolistenund gefähr zweistündigenPerformance,bei ßen Showdown.DasHerzstückderun- Meer. Hierkommteszumerstengro- busch undstehenzitterndamRoten tes ErscheinenimbrennendenDorn- Abgründe der Sklaverei,erleben Got- Musik undAdjuvanten Hildburghausen und Jugendchören dabei sein. rinnen und Sänger aus Gospel-, Kirchen- In Hannoverwerdenallein3.000Sänge- laden mitzumachen.Partizipationpur! näheren undweiterenUmgebungeinge- den fürjedeAufführungChöreausder und dem dreißigköpfigen Orchester wer viele. NebendenzehnGesangssolisten Werk: Eskönnenvielemitmachen.Sehr die StiftungaufSpendenangewiesen. gelprojekte unterstützenzukönnen,ist der Stiftungzufinden.UmweitereOr derleitlinien sindaufderInternetseite derjahr gestelltwerden.AntragundFör Förderanträge fürdaskommendeKalen- 30. JunieinesKalenderjahreskönnen den jährlichvergeben.Jeweilsbiszum tung vorgestellt.DieFörderungenwer te werden auf der Internetseite der Stif- Euro geben.DiegefördertenProjek- 37 FörderzusageninHöhevon256.000 die nochjungeStiftungseit2010schon Orgelklang gegründet.Insgesamtkonnte erforderlichen Mittel aufzubringen? Wie schafftesdanneineGemeinde,die – nahezubringen. sche Vergangenheit ihrerHeimatwieder um den Menschenvor Ort die musikali- schen Stätten zusammen – nicht zuletzt, gen Laien- und Hochkultur an histori- verbinden dieseTraditionen undbrin- ben übernommen.DieAdjuvantentage Heute haben KirchenchöredieseAufga- fried Heinrich Stölzel und anderen auf. ten vonGeorgPhilippTelemann, Gott- hier HandwerkerundBauerndieKanta- met. Im17. und18. henden Laienmusik Thüringens gewid- Die Adjuvantentagesindderhochste- mitreißende Chöre.Toll an diesem ments, einfühlsameSoloballadenund enthält voluminöseOrchesterarrange­ 8. und 9. September in Hildburghausen Um Kirchengemeinden beim Erhalt Gebannt schauendieZuhörerin Jahrhundert führten - - - - -

tember: – – – – Termine Tanz um das Goldene Kalb. beim DurchzugdurchsRoteMeer, beim diger Teil vonihr: im Palast des Pharao, Chor. Erkommentiertundisteinleben- Instrumentalisten dabeisind,bildetder Internet: www.stiftung-orgelklang.de Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover Stiftung Orgelklang Informationen net bestellt werden. können imStiftungsbürooderInter Informationsmaterial undBriefmarke gelprojekte imLandgefördertwerden. können deren Arbeit und damit viele Or gebenen Briefmarkedurch die Stiftung Durch den Erwerb einer jüngst herausge- – 14. bis 30. September in Bremen Tim Günther. phani, KammerSinfonieBremen und Bartholdy) mitBremerKantorei St. Philharmonisches Konzertam 30. Schäfer und Athesinus Consort Berlin. Krea­tur (ThomasJennefelt)mitJens »Paulus. DasängstlicheHarrender Neues Musiktheateram23. und Kulturgottesdiensten. geschichte mitVorträgen, Diskussionen seine TheologieinMusikundKirchen- lädt zurVeranstaltungsreihe Paulusund Die Kulturkirche St. Musik undPaulus Bremen 29. April in Braunschweig 26. Februar in Mannheim 12. Februar in Düsseldorf 29. ­ Januar 2012 in Hannover Paulus (FelixMendelssohn

Stephani in Bremen ­September:

Sep- Ste- - -

EKD 2012 Reformation und Musik

EKD 2012 Reformation und Musik – Segmentierung. leben istebensoThemawieihre heutige Stellung im mitteleuropäischen Kultur Musikkultur. Ihrezeitweisezentrale und denWirkungen protestantischer sik inderprotestantischenFrömmigkeit Eine Untersuchung der Stellung der Mu- Der Protestantismus und die Musik im Hier und Heute. dern dieWort-Ton-Beziehung derMusik und Musik in verschiedenen Themenfel - vertiefen imThemenjahrReformation Symposien innerhalbderLutherdekade Quer durchs Land Fünf Symposien gebracht. Angesprochenwerdensowohl mit Gesang und Chormusik zum Klingen versitäts- und Hansestadt Greifswald den PlätzenundamHafenwirddieUni- den Kirchen und Konzertsälen sowie auf 2012 andemChorfestteilzunehmen.In sind eingeladen,vom24.bis26.August Schweden, Litauen, Lettland und Estland benachbarten OstseeländernPolen, Chören Norddeutschlandssowieden 3.000 Mitwirkendeausübereinhundert und Vorpommerns gebildethat.Über deskirchen Nordelbiens,Mecklenburgs aus denbisherigenevangelischenLan- Nordkirche, diesichzuPfingsten2012 Dreiklang ist das erste große Chorfest der Chorfest derNordkirche Dreiklang des Element.Siehoffen,vermehrt Musik inderKircheisteinerfrischen- Chorszene überhaupt,denn­ sich dieVeranstalter eineBelebungder die ArbeitindenGemeindenwünschen Gospelhappening geben.MitBlickauf Hagen und andere ein unvergessliches wie DieterFalk,DavidThomas,Nina nale und nationale Gospel- und Popstars aus Deutschland und Europa, internatio- cher werdenerwartet,wenn150Chöre nen undSänger70.000Citybesu- zur Gospelhauptstadt.6.000Sängerin- 2012 wirddieRuhrgebietsmetropole kommt nachDortmund.Vom 1.bis3.Juni Der Rhythmen imRuhrpott Gospelkirchentag 20. bis 22. Januar 2012 in 6. Internationale

­Gospelkirchentag

moder­ ne -

Kirchen parallelGospelkonzertestatt- nacht, beiderindreißigDortmunder tung undeinerDortmunderGospel- Freitag miteinerEröffnungsveranstal- Bach als Lutheraner Abschlussveranstaltung, zuderauch endet derGospelkirchentagmiteiner sikszene ankündigtsind.AmSonntag »Top-Stars« aus der internationalen Mu- zerts inderWestfalenhalle 1,fürdas tagabend ganzimZeichendesGalakon- shops imTagesverlauf stehtderSams- finden werden. Nach zahlreichen Work- – protestantische Choral. ger derneuenGlaubensinhalte warder Elternhaus nachsich.Wesentlicher Trä- Kernbereichen wieKirche,Schule und Umformung von Strukturen in sozialen Die Reformationzogeinetiefgreifende Musik-, Sozial- und Bildungsgeschichte Der Lutherische Choral in der – tik? Ist Bach ein Lutheraner? übersetzung erwächst,oderinderMys- Prägung, dieausderverwendetenBibel- ken derLibrettisten,inlutherischen sen Grundlage–impietistischenDen- »fünfter Evangelist«.Worin bestehtdes- Johann ­ Kulturbüro der werden. Kooperationspartnersinddas Eric-Ericson-Kammerchor chaelis Hamburg, und der schwedische musikdirektor derHauptkircheSt. konnte ChristophSchöner, Kirchen­ ten UweSteinmetzsein.AlsDirigen­ on desinternationalenJazz-Komponis- aufführung einerAuftragskompositi- ger. Einer derHöhepunktewirddieUr alle begeistertenSängerinnenundSän- nen SingenöffnetsichdasChorfestfür auch indenAteliersoderbeimOffe- nenlernen undvorstellenkönnen.Aber bände, nationalundinternational,ken- sich dieChöreverschiedenerChorver punkt bildet die Nacht der Chöre, in der sentieren. EinenbesonderenSchwer Ensembles, diesichinKonzertenprä- kleine Chörealsauchanspruchsvolle festival es zueinerKooperationmitdemChor jetzt aufzuweisen:InDortmundkommt Vergleich zu seinen»Vorgängern« schon heit hatderGospelkirchentag2012im heranführen zu können. Eine Besonder Ju­ gendliche an die christliche Popmusik 19. bis 21. September in Halle 24. bis 28. Februar in Eisenach Der Gospelkirchentagbeginntam Klangvokal. Sebastian Bachgiltvielenals EKD , dasInstitutfür ­verpflichtet

Mi- t - - - - - Gemeinsam mitPascalvonWroblewsky gleich wird366 Jahr Wo liegen die Zukunftsperspektiven für Musik in Kirche und Gemeinde – Spiritualität im modernen Jazz. borg) istdasFestivalaufdenSpuren der ter (Paris) und Johannes Landgren (Göte- den, EfratAlony(Haifa),Peter Bannis- und Band,UweSteinmetz Freun- Reformation und Musik im Hier und Jazz Jazz erst recht – 21. ßen SoziologiederKirchenmusikim werden neuePotenzialeeinerzeitgemä­ aus Gemeinde, Schuleund Beispiel kirchlicher­ die KirchenmusikinDeutschland?Am Internet: www.chorfest-dreiklang.de Informationen merns zu Gast sein. der OstseeküsteMecklenburg-Vorpom- gesamt sechsWochen indenKirchenan für vierWochen inNordelbienundins- chenchorverband e.V. tät Greifswald und der Nord­ Kirchenmusik GreifswaldderUniversi- Internet: www.creative-kirche.de Pferdebachstraße 31, 58455 Witten gGmbH Hattingen-­Witten Kirchen­kreis Creative Kirche im Evangelischen Informationen zusammenbringt. nen undSängerMusikbegeisterte stars, Amateure,Gospelchöre,Sängerin- pelfestival, dasinternationaleGospel- chentag istDeutschlandsgrößtesGos- ein Gottesdienstgehört.DerGospelkir 14. und 15. Dezember in Bielefeld 25. bis 28. Oktober in Erlangen Dreiklang isteingebundenindas udr ausgelotet. Jahr­hundert Reformation undMusik2012.Zu-

Chor Dr

+ eikl 1, Kircheklingt2012 fest 2012 Tipps zum Themenjahr Tipps Handlungsfelder ang elbische Kir ­Diakonie 5 - -

Reformation und Musik und Reformation Musik und Reformation

EKD 2012 EKD 2012

6 Kolumnentitel Kolumnentitel 7 Vater der Lieder Mit dem Dichter Luther begann die Singbewegung der Reformation

Doktor Martinus schrieb Choräle, die deim Hause sein / wie ein Reben voll Trauben fein / und dein Kinder um deinen Tisch / wie Ölpflanzen gesund und frisch.« bis heute zu den Klassikern in unserem Das sind Bilder, über die zu streiten wäre. Auch die Lieder­ Gesangbuch zählen. Sie sind herb, titel holpern bisweilen ein wenig arg daher: Was fürchtest Du, Feind Herodes, sehr. Das geht nicht gerade flüssig über die Lip- urwüchsig und kunstvoll. Stephan Schaede pen. Erst Paul Gerhardt hat in hinreißender Eleganz und Bild- kraft die Empfindungen des protestantischen frommen Ichs in seinem Zwiegespräch mit Gott und der Schöpfung ins Zen- Spielen die Engel im Himmel Mozart? Der evangelische Theo- trum gerückt. Erst ihm, nicht Martin Luther, ist in den Sinn loge Karl Barth meinte das. Albrecht Goes, der württembergi­ gekommen, ein Lied mit den Worten einzuleiten: »Herr, ich sche Pfarrer und Literat, sprach sich hingegen für Johann will gar gerne bleiben, wie ich bin, dein armer Hund …« Luther ­Sebastian Bach aus. Im Himmel würden Chöre wie Herrscher, weiß nichts von »Narzissus«, »Tulipan« und »Salomonis Sei- des Himmels, erhöre das Lallen! mit Pauken und Trompeten de«. Er spricht lieber von einer »festen Burg«, »dem kommen- gesungen. Martin Luther hätte da wohl so oder so Zweifel­ an- den Reich«, von »Pein«, »Feuer«, »Teufel« und »Christus«. Er gemeldet. Er mochte Pauken und Trompeten nicht. Das sei redet von »uns« und dem »wir« der Gemeinde, die sich im Ge- »himmlisches Feld Geschrei«, ja sei ein scheußliches »Got- sang selbst ins Bild darüber setzt, wie Gott sie in schwieriger tes-Ehr-Schreien«. Auch die Orgelpfeifen waren sein Fall Zeit beschützt. So hat Luther Psalmen umgedichtet und ver- nicht, von denen er meinte: »Sie plärren und schreien.« Selbst tont, altkirchliche Hymnen ins Deutsche übertragen, biblische darauf an, »dass ein Mensch nicht nur mit Worten, sondern mit das 16. Jahrhundert hinübergerettet. Das wirkt bis heute. Ist es Streichinstrumente schloss er für den Himmel aus. Es sei Erzähllieder geschrieben und geistliche Kinderlieder verfasst. dem Sinn und Verstand des Herzens singt« und Lieder hören ein Zufall, dass ausgerechnet das Osterlied Christ ist erstan- schrecklich, ein Lied immer nur auf einer Saite zu fiedeln, be- Letztere lagen ihm besonders am Herzen. kann. Luther führt es am Abendmahl vor Augen. Es sei wun- den von allen Lutherliedern am stärksten unter die Haut geht? klagte er sich einmal bitterlich. Martin Luther zog ein sanftes derbar, wenn die Einsetzungsworte über Brot und Wein gesun- Luther hat diese »Osterleise« – »Leise« von dem die Strophe vielstimmiges Saiteninstrument vor. Er liebte und spielte die Denn Kinder sind die Zukunft der Gemeinde. Auch deshalb gen würden. Aber »wer sie nicht ins Herz fasst, dem hilft es abschließenden »Kyrieleis« – unter der Rubrik Lieder, von den Laute und hatte die Offenbarung des Johannes auf seiner Sei- setzte sich Luther für eine Liederschule von Kindheit an ein. nicht, wenn tausend Prediger … sich toll und thöricht schrei- Alten gemacht in sein Wittenberger Gemeindegesangbuch auf- te; singen doch da die Engel mit Saiteninstrumenten, nämlich Für jedes Kind sollte es zwar keine Flöte, aber die ordentli- en«. Der Klang allein entscheidet also nicht schon über das genommen. Das Deutsch ist sperrig und mag fremd wirken. Harfen neue Lieder (Offenbarung 5, 8 f). che Schulung im Liedgesang geben. »Kinder müssen … singen Lied. Es muss verstanden werden. Deutschsprachige geistli- Seine Energien aber sind hoch. Die Arbeit mit Konfirmandin- und die Musica mit der ganzen Mathematica lernen.« Lieder, che Lieder gab es schon vor Luthers Zeiten. Das deutsche geist- nen und Konfirmanden bestätigt das. Hinter dieser »Osterlei- Neue Lieder, um die ging es Martin Luther zentral. Er hat davon war Luther überzeugt, prägen stärker als jeder gespro- liche Lied hat er also nicht erst erfunden. Allerdings wurden se« verblasst für Jugendliche ohne jedes Pardon nicht nur so die Musik als Gesang reformiert und so das evangelische Kir- chene Text. Mit ihren gedichteten Texten fahren sie in die See- die Lieder, die er vorfand, nur draußen vor der Tür gesungen, manches neue geistliche Lied. chenlied erfunden. Bis in die Wortwahl blüht seine Sprache le hinein. Sie können, wie Luther urteilt, »dem jungen Volk« wenn Menschen pilgerten, über das Land prozessierten oder auf: Neue Lieder lassen sich ansingen, aussingen, besingen, da- zentrale biblische Einsichten vor Augen führen, bevor es über- Becherer Theresa ihre Angehörigen zu Grabe trugen. Da hatte offensichtlich das Die von Luther und seinen Freunden komponierten und ge- hersingen, hinaussingen, hinuntersingen, mitsingen, nachsin- haupt lesen kann. Sie sind eine Art Kinderstunde und Volks- Konzil zu Basel 1435 ganze Arbeit geleistet, als es verbot, wäh- dichteten Lieder reformierten den Gottesdienst. Sie entfalteten

gen, übersingen, untersingen, vorsingen, zusingen und, Gott katechismus, über den die Zehn Gebote, die Texte des Abend- 7 und 9 rend des Gottesdienstes geistliche Lieder in der Volksspra- darüber hinaus eine ganz eigene Macht. Der Macht von Fan- / sei es geklagt, leider auch zersingen … Martin Luther selber mahls oder das komplizierte Glaubensbekenntnis spielend in che zu singen. Im Gottesdienst durfte die Gemeinde hin und liedern in Fußballstadien vergleichbar, feuerten sie die Refor- sang leidenschaftlich gern und gut. Sein Anspruch war hoch. das Gedächtnis Eingang finden. Das ist das eine. Das andere wieder ein Kyrie eleis, ein Halleluja oder Hosianna anstim- mationsbewegung vor allem in den Städten an. Gott und das Das machte Eindruck. Der Nürnberger Meistersinger Hans ist: Singen ist etwas Intimes. Die Seele muss sich trauen kön- men. Nur verstand da kaum jemand, was er sang. Darüber hat Leben gemeinsam zu besingen, das schweißt zusammen und Sachs nannte ihn die »Wittenbergische Nachtigall«. Nicht nur nen. Das will früh geübt sein. Mit Liedern gibt sich der singen- sich eine berühmte Flugschrift aus der Reformation lustig ge- macht stark. Das hatten doch schon die ersten Christen zum eiten 6 S eiten Fotos diesen reformatorischen Vogel, auch ein Kirchenvolk erkennt de Mensch nämlich seinen Mitmenschen preis – zeigt sich, macht. Sie dokumentiert. Die Reformation schaute nicht nur Morgenanbruch des Sonntags so erfahren. Gesänge schmie- man an seinen Liedern. Davon war Luther durchdrungen. Ge- zeigt seine Stimmung, zeigt seine Überzeugungen. Immer wie- dem Volk kirchenmusikalisch aufs Maul. Sie übte sich in klu- den Bündnisse, Bündnisse nicht nur mit Zeitgenossen. Singen meindegesangbuch nannte er deshalb sein erstes geistliches der kommt Luther darauf zu sprechen. Im Lied greifen Text ger Musikkritik, ohne der Gemeinde ihre Freude am Halleluja- verbündet, so glaubt Luther, auch über die Zeiten hinweg mit Wittenberger Liederbuch von 1529. Das ist Programm. Die Ge- und Melodie ineinander, verstärken sich, packen das Herz singen zu nehmen. den biblischen Gestalten, mit König Salomo und seinen hohen meinde soll singen. An diesem Programm haben viele mitge- der Singenden und das derer, die hören, noch einmal ganz Liedern, mit Mose als Sänger des Meerliedes (2. Mose 15), mit wirkt. Luther schrieb eher bescheiden wenig. Nicht einmal ­anders als bei gesprochenen Texten. Luther formulierte es ein- Diese Freude kommt in Luthers Auferstehungsgesang dem Lied der Deborah, mit Zacharias, mit Simeon und seinem

vierzig geistliche Lieder sind von ihm überliefert. Paul Ger- mal so: Christus steige in unvergleichlicher Kraft in die Tiefen Musik und Reformation Musik und Reformation Christ ist erstanden voll auf ihre Kosten. So gelang es Luther, schönen Lebensabgesang. Wer ein Christ sei, der singe mit der hardt hat da erheblich mehr zu Papier gebracht. Auch ist nicht des singenden Herzens hinein und aus den Tiefen der singen- den muttersprachlichen Gemeindegesang für den Gottesdienst lieben Jungfrau auch ein Magnifikat. Luther vergisst nicht, mit alles überelegant formuliert, was Luther dichtete. So mancher den Herzen wieder empor. Das kann natürlich nur glücken, neu zurückzuerobern. Es ist eine echte Rückeroberung. Luther einem schrägen Seitenblick gegenüber dem römischen Mari-

Reim knittelt sich großzügig zusammen. »Dein Weib wird in wenn die Sprache der Lieder verstanden wird. Es kommt also EKD 2012 EKD 2012 hat dabei so manchen mittelalterlichen deutschen Gesang in enkult zu notieren: »Maria sagt nicht, man werde ein Liedlein

Die Fotostrecke »Klangraum Kirche – Klangbild Instrument« von ­ Seite 6/7 Immer hoch hinaus: Der Staats- und Domchor Berlin Theresa ­Becherer prägt das Kapitel »Musik und Evangelium« (Seiten 6 bis 23). auf dem Weg ins Konzert – Berlin, Villa Elisabeth 8 Musik und Evangelium Zum Bildprogramm des gesamten Heftes siehe Text auf Seite 2. Seite 9 Gleich geht’s los: Ostergottesdienst – Jüterbog, Liebfrauenkirche Musik und Evangelium 9 von ihrer Tat singen.« Überhaupt tut es die Melodie allein frei- ist das Singen aus.« Melancholische Trauer, das war für Lu- lich nicht. Luther warnt: »Faule Bäuche, böse Wölfe, gottlose ther das Ende vom Lied. Er beschwört gegen jene schwarzen Säue« hätten »wahrlich treffliche, schöne Musik oder Gesän- Stimmungen, die er aus eigener Anschauung nur zu gut kann- ge, besonders in den Stiften und Pfarren, aber viele unsauber, te, die Gemeinde, gegen den Tod anzusingen. »Die Kunst sol- abgöttische Texte damit geziert.« Der richtige Text erst macht len die Christen können, das man Te deum laudamus singe, Ton der Tiefe für Luther eine Kirchenmusik, die diesen Namen verdient. wenn es am übelsten gehe …« Und er ergänzt an anderer Stelle: »Wir singen … weder Trauerlieder noch Klagegesänge bei un- Ein Glück, dass es da die »lieben Psalmen« gibt. Die kön- seren Toten, sondern tröstliche Lieder von Vergebung der Sün- Musik als Gabe Gottes und nen stilbildend wirken. Luther hat sie als Theologieprofessor den, von Ruhe, Schlaf, Leben, Auferstehung der verstorbenen immer wieder für Studierende ausgelegt und als Mönch in den Christen, womit unser Glaube gestärkt und die Leute zu rech- Stundengebeten verinnerlicht. Das brachte ihn auf die Idee, ter Andacht ermuntert werden.« Trost ­des Herzens, als Zeugnis das deutsche Psalmlied zu erfinden. Sieben Psalmlieder sind von ihm überliefert. Ein feste Burg ist unser Gott, diese »Mar- Über die Psalmlieder und alle anderen Lieder kommt es Lu- seillaise des Reformationsliedgutes« wird heute noch auf den ther zuletzt auf eines an. Das ist der Kern von Reformation und Feldern der südamerikanischen Befreiungstheologie gesun- Musik, wenn Luther befragt werden soll: »Im ­Singen« muss von Christus, als Seufzen gen. Es lohnt über die erste Strophe hinaus die Texte genauer »Christus unser Psalm, Lied und Gesang werden. Da kehrt anzuschauen. Mit Psalm 12 als Vorlage dichtet Luther als zwei- sich dann das Liedlein um, das man singe. Das Liedlein­ Mit- te Strophe seines Liedes Ach Gott, vom Himmel sieh darein: ten im Leben wir sind im Tod« werde »zum Lied: Mitten im des Geistes und Botin »Ihr Herz nicht eines Sinnes ist in Gottes Wort gegründet. Der Tod, wir sind im Leben«. Wo das geschehe, urteilt Luther, singe­ wählet dies, der andere das; sie trennen uns ohn alle Maß und ein Mensch voller Ungeduld nicht nur zur Adventszeit Nun gleißen schön von außen.« Soll noch einmal jemand in Beru- komm, der Heiden Heiland! An Weihnachten übrigens hat es fung auf die Reformation sagen, die Vielstimmigkeit und Plu- den Reformator dann doch hingerissen. Da blitzt auf, was bei des Evangeliums ralität von Meinungen bei einheitlicher kirchenvioletter Ver- Paul Gerhardt zur Regel werden sollte, da kommt Luther auf packung sei Kennzeichen evangelischer Freiheit! Luther lässt sein eigenes Gemüt zu sprechen. »Ach mein herzliebes Jesu­ Gott selbst in diesem Lied gegen diese Auffassung einschrei- lein, mach dir ein rein, sanft Bettelein, zu ruhen in meins Her- ten: »Mein heilsam Wort soll auf den Plan!« Erst Herzens­ zens Schrein, dass ich nimmer vergesse dein.« Johann Sebasti- einigkeit in Kernüberzeugungen stiftet Freiheit. Das dritte be- an Bach sollte mit diesem Choral die erste Kantate seines Weih- Das gesungene Osterzeugnis ist der schickt.« (Goldstein) Die neuere Forschung testet in diesem rühmte Psalmlied Aus tiefster Not schrei ich zu Dir verstand nachtsoratoriums abschließen, mit verhaltenen Pauken und Zusammenhang den »Chill-Effekt« (Gänsehaut): Über die Luther als Trostlied. Man muss es wie den 130. Psalm, der ihm Trompeten nur im Zwischenspiel, aber nicht beim Gesang! Am Herzschlag von Luthers Theologie der Messung von Hautwiderstand beziehungsweise Puls und zugrunde liegt, eben von Anfang bis Ende singen. Klagelieder Ende hatte der Luther gelesen und war bei diesem Choral ge- Herzfrequenz können bestimmte musikalische Ereignisse waren ganz auffällig Luthers Sache nicht. »Wir können nicht warnt. Wie auch immer: Es wäre doch gelacht, wenn nicht we- Musik. Sein neues Lied bezeugt letzte, in ihrer emotionalen Wirkung am Menschen überprüft wer- eher singen, als es uns wohl geht, wo es uns aber übel geht, nigstens die Harfenengel im Himmel Martin Luther spielten. heilige Dinge und der Sound der frohen den. Von solchen Methoden wusste Martin Luther sicher noch nichts, doch in seiner zweiten Psaltervorrede von 1528 Botschaft drängt hinaus in alle Welt. ­beschreibt er das menschliche Herz als »ein Schiff auf einem Auf der Suche nach Ursprung und Quelle wilden Meer«, welches »die Sturmwinde von den vier Orten der Welt treiben«, und weiter heißt es dort: »Hier stößt Furcht protestantischer Musiktheologie und und Sorge vor zukünftigem Unfall; dort fähret Grämen her und Traurigkeit von gegenwärtigem Übel. Hier weht Hoffnung und Klangpoesie. Jochen Arnold Vermessenheit von zukünftigem Glück; dort bläset her Sicher- heit und Freude in gegenwärtigen Gütern. Denn wer in Furcht und Not steckt, redet ganz anders von Unfall, als der in Freu- Musik berührt die Herzen den schwebt. Und wer in Freuden schwebt, redet und singet »Musik scheint von allen Künsten die zu sein, die uns am un- ganz anders, als der in Furcht steckt …« mittelbarsten berührt, und auch die, die am leichtesten Lust und Ekstase hervorruft«, schreibt der amerikanische Musik- Vier Gefühlsräume liegen einander gegenüber wie Licht psychologe Robert Jourdain in seinem Buch Das wohltempe- und Schatten: Freude und Trauer in der Gegenwart sowie rierte Gehirn (2001) und benennt damit das, was viele Men- Hoffnung und Angst im Blick auf die Zukunft. Dies könnte bis schen als besondere Qualität, ja beinahe als Alleinstellungs- heute eine Spur sein, die psychologische Wirkung von Mu- merkmal von Musik verstehen. Auch die Reformatoren – allen sik näher zu bestimmen. Emotionale Eigenschaften lassen voran Martin Luther – haben sich ähnlich geäußert. Er nennt sich in nahezu jeder Art von Musik feststellen. Aber gibt es die Musica eine »Herrin und Regiererin des menschlichen auch so etwas wie eine natürliche Neigung der Musik zur Re- Hertzen« (WA 50, 370) und preist die Musik als »eine Regiere- ligion? In einer Reportage der Zeitschrift GEO (2007) heißt es rin« des menschlichen Herzens. Nichts, so Luther, sei auf Er- dazu: »­Jubel, Klage, Gebet, Feier, Beschwörung: Die Anlässe, Theresa Becherer Theresa

den »kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Fröhlichen traurig, die Stimmen zu erheben, sind so vielfältig wie die Lieder der die Verzagten beherzt zu stimmen … denn die Musica.« Da- ­Völker. ­Eines jedoch eint dabei alle Menschen und Kulturen: Foto mit nimmt Luther nicht nur Einsichten der modernen Musik- die Überzeugung, dass Gesang eine Verbindung zu höheren therapie und Neurologie vorweg, sondern trifft damit auch ein Mächten schafft.« heutiges Grundbedürfnis: Musik soll berühren und begeistern, Freude machen und zur Ekstase führen. Versuchen wir, dieser Spur zu folgen: Für Luther gehört die Musik zu den segensreichsten Gaben der Schöpfung. Er be- Wie geschieht es, dass Musik Gefühle auslöst? Neurolo- zeichnet sie deshalb als »Heil bringende und fröhliche Krea-

Reformation und Musik und Reformation Musik und Reformation gen sprechen von sogenannten »Thrills« und meinen damit tur« und beschreibt die Welt als klingende Schöpfung: »ICH ein »feines, nervöses Zittern, welches durch intensive Gefühle­ wollte von Herzen gern diese schöne und köstliche Gabe Got- oder Erregung (Freude, Angst et cetera) verursacht wird und tes, die freie Kunst der Musica, hoch loben und preisen. Ers-

EKD 2012 EKD 2012 ein leichtes Schauern oder Kribbeln durch den ganzen Körper tens weil diese Kunst von Anfang der Welt allen Kreaturen von

10 Kolumnentitel Früh übt sich: Rockgottesdienst – Zossen, E-Werk Musik und Evangelium 11 die Instrumentalmusikgeschätztundsichdabeiimmerwie- und einenDienstinKirche Gesellschaftleisten,durch 12 rin, dass wir nicht nur mit Instrumenten, sondern mit unserem Ein zentralerAspektmenschlichen Musizierensbestehtda­ den sieanderezumHören,Singen undMusizierenanimieren. sorgt, dass (Kirchen-) che folgtdemgöttlichenSchöpfungsauftrag, wennsiedafür im weitestenKontextein,denmansichdenkenkann.DieKir Kunst­ Festlegung auf eine bestimmte Stilistik verbunden wäre! voller, innovativerKirchenmusik,ohnedassdamiteinestarre Musica« ( kommene WeisheitGottesinseinemwunderbarenWerkder erkennt man…mitgroßerVerwunderungdiegroßeundvoll - sica durchdieKunstgeschärftundpoliertwird,dasieht lich miteinander. Denn,soLuther, »woaberdienatürlicheMu- ter und menschlichesKunstwerkkorrespondierenalsotreff- das sinnlich und leiblich vermittelt ist. Göttlicher Gabecharak- dung undPraxisalseinBeziehungs-Bildungsgeschehen, ziehungen. DerletzteAspektbeschreibtmusikalischeAusbil- von Generationzuweitergegeben,sieeröffnetBe- bedarf alsKunstdersorgfältigenAusbildung.d)Musikwird Lust und zur Freude, sie kann und darf begeistern. c) Musik enreichtum desSchöpfers.b)MusikdientdemMenschenzur sik isteinekunstvolleErfindungGottes,sieoffenbartdenIde- sikverständnis desLuthertumsaufdenPunktbringen:a)Mu- Bibel besingt,sindvierzentraleAspektebenannt,diedasMu- spieler.« Johann Walter dichtet dazu: es heißt:»VonJubalsind hergekommen alle Leier- und Flöten- wir einenMusiker, denBardenJubal(1. der auf die Bibel bezogen. Schon auf ihren ersten Seiten finden führung gelangen und nicht nur ein Notenpapier schmücken! musiziert aktivfürsichundandere.MusikwillzurAuf- sondern auchAufgabedesMenschen.DerMenschsingtund Vögel zuentdecken.DochistdieMusiknichtnurGabeGottes, die Schönheit der Schöpfung und den lieblichen Gesang der Menschen andieHandnimmtundinNaturführt,umdort die Musica sogar als Personvorgestellt,dieeinem Engel gleich Allmacht undEinheit.ZuweilenhabensichdieReformatoren Dreieinigkeit oderderTonraum derOktavalsZeichenseiner das perfekteZeitmaßdesDreiertaktsalsSymbolfürGottes nung unddesewigenGottessei.DazugehörtezumBeispiel nen undsiesomiteinklingenderSpiegelderSchöpfungsord- der MusikunmittelbareSpurenTranszendenz innewoh- tion, jabisins18. theoretiker desMittelaltersunddieTheologenderReforma­ ohne Stimmklang.Erstehtdamitnichtallein.FürdieMusik- von sich gebe.« ist mitnichten nichts in der Welt, das nicht ein Schall und Laut Gott gegeben und vonAnfangmitallen geschaffen ist,dennda

Die schöpfungstheologische Verortung der Musik als Mit diesem Gedicht,dasdenersten»Berufsmusiker«inder Luther und seinKantor Johann Walter habendaherauch Für LutheristdieWelt erfülltvonMusik,nichtsinihrist dadurch die Kunst sich weit gemehrt.« erfunden und sein Söhn’ gelehrt, der hat der Geiger, Pfeifer Art dem Jubal künstlich offenbart, die Musica, zur Lust und Freud »So hat Gott bald, bei Adams Zeit Musik und Evangelium form ordnetdenkulturellenAuftragderKirchenmusik WA

50, 372). Welch eine Ermutigung zu anspruchs- Jahrhundert hinein,waresunstrittig,dass Musiker anständigausgebildet werden Mose 4, 21), vondem - Die reformatorischenÄußerungenzurMusiklassensichnicht Kirchenmusik als lebendiges Christuszeugnis formance«, dieaufFreude dererzielt,diedavonhören. bendiger Stimme(vivavoce), sieisteinelebendige»Per meint: DieVerkündigung desEvangeliumsgeschiehtmit le- rührte auchkräftigandenEmotionen. SingenundSagen mann erzählteNeuigkeitenin verständlicherSpracheund schen derLutherzeitleichtnachvollziehbar war. DerSpiel- von SingenundSagen(Spielmannsformel),dasfürdieMen - voneinander ablösen. liche Form der Mitteilung: Gehalt und Gestalt lassen sich nicht und fröhlichist.«DerfrohenBotschaftentsprichteinefröh ­ Mär, gute Neuzeitung, gut Geschrei, davonmansinget,saget ein griechisch Wort, und heißt auf deutsch gute Botschaft, gute zum Septembertestament(1522) schreibter: »Euangelion ist gigen ÄußerungenLuthersdeutlichwird.InseinerVorrede nere Verwandtschaft mitderMusik,wieanvieleneinschlä- Vielmehr hatdasEvangeliumselbstKlangqualität,jaeinein- auf eineschöpfungstheologischeBegründungbeschränken. tet dazu ( Gott daszurück,waservonihmempfangenhat.Lutherdich- gibt, vereintmitderganzenSchöpfung(vgl.Ps148),imLob lob gelangt die Musik an ihr eigentliches Ziel. Der Mensch Klang zugleichgehörtwerden.«( Gottes Güte und Gnade,in denen schöne Worte und lieblicher lich mit dem hellen klingenden Predigen und Rühmen von sängen undWorten[verboetMusica]zugleichzuloben,näm- dazu gegeben, »dass er sollt können und wissen, Gott mit Ge - meint, diemitderStimmevereinigteRedeseidemMenschen weitere Qualität,dieAffinitätzumLobpreisGottes.­ meisten ReformatorenbesitztderGesangallerdingsnocheine halte vergegenwärtigtundlebendiggemachtwerden.Fürdie letzt auchreligiöse Erfahrungen ausgedrückt und biblische In- Sprachvermögen. DurchMusikundGesangkönnennichtzu- Singen dieEntwicklungderSprechstimmeundfördertdas regelrechten »Sozialisationsschub«. Darüber hinaus stärkt das ren. DennimgemeinsamenSingenerfahrenKinderofteinen gen umeineKulturdesSingenszustärkenund intensivie- nostizierten »KrisedesSingens«giltesdaher, dieBemühun- Liedern indeutscherSprache.Angesichtseinervielfachdiag- formation wäregarnichtdenkbarohneFlugblättermitneuen lag dasSingendenReformatorensehramHerzen,ja,dieRe- sammenklingen von Wort und Ton in der Vokalmusik. Deshalb (vox) mit der Rede (sermo) gegeben.« Menschen aber ist allein vor den andern Kreaturen die Stimme hört man allein den Laut und Klang, ohne Rede und Wort. Dem gen Tierenaber,Saitenspielen und andernInstrumenten,da se Tendenz derMusikzurSpracheso:»Indenunvernünfti- che eineintimeVerbindung ein.MartinLutherbeschreibtdie- monie und Rhythmus der Musik gehen dabei mit der Spra- zur Aufführungkommt.Stimmklang,Tonhöhe, Melodie,Har schon beim Singen eines einfachen Liedes ein bestimmter Text dass wirnichtnurwieeinVogel zwitschernkönnen,sondern konkrete TöneundMelodienerzeugen.Auffälligistdabei, Körper unddermenschlichenStimmespezifischeKlänge,ja und sagt ihm ein ewigen Dank.« den ehrt und lobt auch mein Gesang Seins Lobes sie nicht müde macht. »Dem singt und springt sie [die Nachtigall] Tag und Nacht Im HintergrundstehtdabeieinqualifiziertesVerständnis Der ästhetische»IdealfallvonMusik«istdemnachdasZu- EG 319, 4): WA

50, 372) MitdemGottes- Luther - -

EKD 2012 Reformation und Musik Foto Theresa Becherer

EKD 2012 Reformation und Musik Teil bisheutedie Kirchenmusik»nur«alsTrägerin vonGebet tion ist ein»lutherisches« Novum, dainanderen Kirchen zum gelium auchdurchdieMusik.« ( Luther auch in einer Tischrede sagt: nicht nur als atmosphärische Begleitungbetrachtetwird, wie Singen hier essenziell zur Verkündigung selbst gerechnet, also und -gesungen werden, das Evangelium! Pflichtübung nachSchema hier aufdasmitteilendeSubjektab.»MitLust«,alsonichtals zukommen. ImBlickaufdiefreudigeEmotionhebt­ dringt hinausindieWelt, damitesauchanderehörenundda- tes Wirklichkeit. Der»Sound«desbefreiendenEvange­ schen HimmelundErde,verbindetdenMenschenmitGot - hält. DasneueLiedgibtZeugnisvondenletztenDingenzwi - die uns am Glauben und im Leben,am Hoffen und in der Liebe das Musik angelangt.DerösterlicheBezugistunverkennbar. Esist andere auch hören und herzukommen.« muss fröhlichundmitLustdavonsingensagen,dasses fel. Wersolchesmiternstglaubt,derkann’snichtlassen,er er für unsgegeben hat zur Erlösung von Sünden,Tod und Teu- und MutfröhlichgemachtdurchseinenliebenSohn,welchen Lied. Singetdem Babstschen Gesangbuch(1545): »SingetdemHerrneinneues Luther schreibt dazu programmatisch in seiner Ewiger G lanz: Feier der Osternacht – Jüterbog,St. Für den christlichenGottesdienstwesentlichist, dass das Hier sindwiramHerzschlagvonLuthersTheologieder Christ isterstanden,diegesungeneBotschaftvonOstern, HERRN alleWelt.DennGotthatunserHerz F, sollundkannesweitergesagt WA TR »So predigt Gott das Evan-

Nikolai 2, 11, 1258) Diese Posi- Vorrede zum Luther liums angekommen. wir bei der seelsorglich-therapeutischen Dimension der schichten desMenschenzum Klingen zubringen.Damitsind ­Musik, umdieheilsameKraft des EvangeliumsindenTiefen- Antwort, vonKlage,Verkündigung undLob.Siebraucht die che geschiehtimlebendigen Wechselspiel vonAnredeund sie. DieKommunikationdesEvangeliumsimRaumderKir – siebezeugtChristus,jaChristussichselbstdurch beliebiges Zwischending, das grundsätzlich verzichtbarwäre teilt. KirchenmusikistdaherfürdieevangelischeKirchekein Christus selbstistes,dersichdurchsieGemeindemit - lich auch!–,sondernverkündigenChristus.Jamehrnoch: der Christenheit–dassindundbleibensieselbstverständ - che LiedersindalsonichtnurTräger derKlageunddesLobs das EvangeliumeinefacettenreicheKlanggestalt.Geistli - (Lobgesängen) undvomGeistinspiriertenLiedernbekommt Weise musikalischmit- und auszuteilen.InPsalmen,Hymnen die Luther 1534 folgendermaßen übersetzt hat: serbriefes (3, hat diesePositionineinerpointiertenAuslegungdesKolos- und Gottesverehrung verstanden wurde. Ihre biblische Basis Gottes Wort unddie christliche Botschaft sind auf vielfache In aller Weisheit »Lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen und singet dem Herrn in eurem Herzen.« Liedern tröstlichen /holdseligengnadenreichen) ist (das mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen 16), den »Einsetzungsworten der Kirchenmusik«, / lehret und vermahnt euch selbst Musik und Evangelium ­Musik 13 - Kirchenmusik als inspirierender Geistesklang Psalmmotette oder romantische Psalmkantate und so weiter Dem depressiven Organisten Matthias Weller rät er, sich an Himmelskunst »Ja der heilige Geist lobet und ehret selbst diese edle Kunst – vertont wurden, eröffnen Räume für unterschiedliche Le- die Orgel zu setzen und folgenden Satz zu sagen: »Aus, Teu- Der Volksmund singt: »Himmel und Erde werden vergehn. / als seines eigenen Amts Werkzeug, in dem er in der heiligen benssituationen in Freude und Trauer, Angst und Hoffnung. fel, ich muß itzt meinem Herrn Christo singen und spielen.« Aber die Musica bleibet besteh’n.« Dürfen wir, nach allem, Schrift bezeuget, dass seine Gaben, die die Bewegung und den Für die Kirchenmusik wurde der Psalter so zum Inspirations- (WA Br 7, 104–106). An dieser Seelsorge hat die ganze christ- was gesagt worden ist, auch diese kühne – wahrlich letzte – Anreiz zu allerlei Tugend und guten Werken, durch die Musi- ort schlechthin und damit zugleich zur Kraft- und Orientie- liche Gemeinde Anteil. Martin Rößler schreibt: Das »Lied ver- Behauptung aufstellen, dass die Musik im Unterschied zu al- ca den Propheten gegeben werden. Wie wir denn im Prophe- rungsquelle christlicher Spiritualität. Bis heute können die bindet die Einsamen mit der Gemeinde, die diese Lieder bei ih- len anderen Künsten, ja im Gegensatz zu allem Geschaffenen ten Elisa sehen, welcher, so er weissagen soll, befiehlt er, dass Psalmen als Schule der Poesie betrachtet werden und Musi- ren Zusammenkünften singt und betet, ein Band zwischen ei- unvergänglich sei und damit an das göttliche Wort heranreicht man ihm ein Spielmann bringen soll. Und da der Spielmann ker wie Poeten dazu anregen, geistliche Lieder zu dichten: ein- ner sichtbaren und einer latenten Kirche.« (Mt 24, 35: Himmel und Erde vergehen, aber meine Wort verge- auf der Saiten spielet, kam die Hand des HERRN auf ihn et ce- fache Singsprüche und Kanons, aber auch Nachdichtungen hen nicht)? In der Johannesoffenbarung, bei etlichen Prophe- tera« (WA 50, 372) ganzer Psalmen in zeitgenössischer Sprache bis hin zu Psalm- Noch eine weitere Bedeutung der Kirchenmusik ist in Lu- ten (Jes 25, 6– 9) und in einschlägigen Psalmen besteht darü- kantaten und Gospels. Sie haben bis heute therapeutische und thers Vorrede genannt: »Darum will ich jedermann, und son- ber kein Zweifel, dass in der Ewigkeit das Lob Gottes gesungen Mit dieser Beschreibung bietet Luther eine »geist-volle«, rituelle Kraft. Luther schreibt dazu: »Wiederum bezeugt die derlich den jungen Leuten, diese Kunst befohlen und sie hier- wird. In Offenbarung 19, 1 jubeln die Erlösten: »Halleluja. Das gleichsam prophetische Bestimmung der Kirchenmusik. Got- Schrift, dass durch die Musica der Satan, welcher die Leute mit vermahnt haben, dass sie ihnen diese köstliche, nützli- Heil und die Herrlichkeit und die Kraft sind unseres Gottes«. tes Geist ist das erste Subjekt, er macht sich die Musik und den zu Untugend und Laster treibt, vertrieben werde, wie denn im che und fröhliche Kreatur Gottes teuer, lieb und wert sein las- Spielmann zu seinem Werkzeug und stellt damit natürliche Könige Saul angezeigt wird. Wenn über ihn der (böse) Geist sen, durch welcher Erkenntnis und fleißige Übung sie zuzeiten Auf diesen Hymnus nimmt Johann Walter wohl Bezug, Gaben von Menschen in seinen Dienst. Die Musik ist damit der Gottes kam, so nahm David die Harfe und spielte mit seiner böse Gedanken vertreiben und auch böse Gesellschaft und an- wenn er einen hohen Lob und Preis der löblichen Kunst der Predigt gleichgeordnet. Michael Heymel schreibt: »Derselbe Hand, so erquicket sich Saul, und es wurde besser mit ihm, dere Untugend vermeiden können … .« (WA 50, 373) Damit Musica dichtet, der fast alle Motive des bisher Gesagten – emo- Heilige Geist, der … die Worte der Predigt in Gottes Wort ver- und der böse Geist wich von ihm. Darum haben die heiligen kommt die Dimension religiöser Bildung und ethischer Ori- tionale Qualität, seelsorgliche Kraft, Kunstcharakter, Affini- wandelt und dadurch Glauben weckt, ist auch in der Musik am Väter und Propheten nicht vergebens das Wort Gottes in man- entierung durch Musik in den Blick, die bekanntlich auch tät zum Wort und zum Lob Gottes und so weiter – nochmals Werk: im gesungenen Wort spricht Gott zu allen, die seinem cherlei Gesänge, Seitenspiele gebracht, davon wir köstliche Phi­lipp Melanchthon wichtig war: Er schreibt in seiner Vor- bündelt: Wort mit aufgeschlossenem Herzen zuhören.« Dem Psalter als Gesänge und Psalmen haben, welche sowohl mit Worten als rede zu Georg Rhaus »Officia de nativitate« (1544): »Deshalb Sprach- und Lebensbuch geistlichen Singens kommt eine be- auch mit Gesang und Klang die Herzen der Menschen bewe- lasst uns dem Beispiel derer folgen, die die Musik nicht ver- »Die Music ist ein’ himmlisch Kunst sondere Bedeutung zu. Der Heilige Geist, schreibt Luther, be- gen.« (WA 50, 371) achten, ja, mehr noch, lasst uns den Eifer zum Singen anfeu- Sie offenbart des Geistes Brunst reite mit dem Psalter »sowohl die Worte als auch die Affek- ern und die Jugend und das Volk durch beispielhafte und lieb- Kein Kunst auf Erd wird ihr vergleicht te vor, mit denen wir den himmlischen Vater anreden und bit- Auffallend ist, dass Luther das Beispiel des singenden und liche Lieder einladen, damit sie durch musikalische Beschäf- Aus Gottes Reich sie nimmer weicht ten sollen im Blick auf das, was er in den übrigen Büchern spielenden David pointiert gegen die Krankheit des Saul setzt. tigung zum Nachdenken über Gott entflammt werden!« Von [der Schrift] zu tun und nachzuahmen gelehrt hat, damit kei- Auch seinen eigenen Anfechtungen ist er musikalisch begeg- daher ist es gut, wenn Netzwerke für Kinderchorarbeit entste- Die Music Freud dem Menschen bringt ner etwas vermissen kann, was ihm zu seinem Heil ­nötig ist.« net. Auf der Coburg entdeckt er Ps 118, 17: »Non moriar, sed hen, die das Singen an Schulen und »Singschulen« fördern. All Traurigkeit vom Herzen dringt … (WA 5, 23) vivam«, Worte, die ihm neu zum Trost werden. Luther hat Den Reformatoren ging es allerdings um sehr viel mehr: Um Solch Tugend hat sie ohne Zahl auch an anderen musikalische Seelsorge geübt, in dem Wis- eine musikalische Vergegenwärtigung und Vergewisserung Sie ist ein Arzt in Leid und Qual Psalmen, die in unterschiedlichsten Stilen – von der Gre- sen, dass durch das aktive Musizieren eine Heilung einsetzen des Evangeliums. gorianik über das reformatorische Psalmlied, die barocke kann, die den Menschen neu zu sich und zu Gott finden lässt. Alles was lebt hat Gott begabt Über Lieder können Inhalte des christlichen Glaubens Mit dieser Kunst ihr Herz gelabt … leichter gelernt und besser memoriert werden als durch ein Die Music mit Gott ewig bleibt stures Einpauken von Lehrwissen. Dies gilt auch noch heute:­ Der andern Künst’ sie all vertreibt Um dem wachsenden Traditionsabbruch zu wehren, könnte das geistliche Lied – gleich in welcher Stilistik – ein geeigne- Im Himmel nach dem jüngsten Tag tes, gleichsam spielerisches Mittel sein, um das Evangelium wird sie erst gehen in rechter Waag’ … auch im Unterricht zu vermitteln und einzuprägen. So könn- Dort werden all Cantores sein ten Kirche und Familie, Sonntags- und Alltagsspiritualität, Gebrauchen dieser Kunst allein Unterricht und Gottesdienst besser verbunden werden. Dazu passt ein Vorschlag, der, angeregt von den südwestdeutschen Sie werden all mit Ruhm und Preis Landeskirchen, mittlerweile fast alle Kirchen der EKD erreicht Gott loben hoch mit ganzem Fleiß. hat. Eine sogenannte Kernliederliste soll dazu dienen, dass Und danken seiner großen Gnad, eine »eiserne Ration« von 33 zentralen Liedern in Kindergär- Die er durch Christ erzeiget hat ten, Konfirmandenunterricht, Jugend- und Chorarbeit leben- dig bleibt, damit im Gottesdienst und vor allem bei Trauun- Sie singen all ein Liedlein neu gen und Beerdigungen der Gesang nicht verstummt. Damit soll Von Gottes Lieb und hoher Treu. der Reichtum evangelischen Singens nicht geschmälert, son- Solchs Singen ewig nicht vorgeht dern ernst genommen werden, dass wir in einer Gesellschaft wie in Apocalipsi steht. leben, in der das geistliche Singen eben keine Selbstverständ- lichkeit mehr ist. Amen. Amen das Wahrheit sei. Theresa Becherer Theresa

Fassen wir mit Peter Bubmann zusammen: »Der Heilige Dazu uns Gott sein Gnad verleih.« Geist ist die Lebenskraft Gottes. Er führt zum Glauben, lässt Foto die Wahrheit Gottes in Jesus Christus erkennen. Er bringt Men- In diesen Lobgesang des neuen Liedes uns schon hier und schen ›zur Gemeinschaft der Heiligen‹ zusammen und ermög- heute hineinzunehmen, ist die Aufgabe und die große Ver- licht Menschen trotz ihrer Schuld und Sünde die Umkehr zum heißung der Kirchenmusik. Nicht zufällig trägt ein erfolgrei- Leben. Er lässt aufstehen gegen den Tod. Er ist Vorspiel der cher Film aus Schweden, der die vielfachen Qualitäten der Ewigkeit bereits im Heute und lässt die endzeitliche Erlösung Kirchenmusik rühmt, den vielsagenden Titel Wie im Himmel anklingen. Musik im Heiligen Geist hat Anteil an allen diesen (2004). Wer könnte sich etwas Schöneres vorstellen, als schon

Reformation und Musik und Reformation Musik und Reformation Geisteswirkungen. Als spirituelle Musik erleuchtet sie Men- hier und jetzt durch die Klänge und den Gesang der Kirchen- schen zum Glauben, vermittelt starke Gemeinschaftserfahrun- musik einen Vorgeschmack des Himmels zu erleben und da- gen, stärkt ihren Lebensmut, tritt für das Recht aller Menschen mit zugleich Gott das zurückzugeben, was er uns durch die

EKD 2012 EKD 2012 ein und läßt Auditionen des ewigen Lebens erklingen.« Musik geschenkt hat?

Keinen Einsatz verpassen: 14 Kolumnentitel Der Staats- und Domchor Berlin – Berlin, Villa Elisabeth Musik und Evangelium 15 »verkündigen« zulassen. gute Gründe, die Orgel auch in Zukunft ist oft spannungsvoll. Dabeigibt es Doch das Verhältnis zwischen ­ Klang gehen dannHandinHand. essenziell. Gesprochenes Wort und für einengelungenen Gottesdienst Musik undPredigt inder­ Das stimmige Zusammenwirken von 16 nen Klerikalisierung der Kirche wurde auch das Singen eine 3) dieZielrichtungdesirdischen Singens.Mitderallgemei- im höhernChor.«nennteinbekanntesLied( letzte BuchderBibelbezeugt. »… rekt vorGottesThron–einfach nurnochgesungen,wieesdas predigt, gebetet oder ein Sakrament gereicht, da wird – di- himmlischen verweist.ImHimmel aber wird nichtmehrge- steht dieVorstellung, dassderirdischeGottesdienstaufden die GemeindesogarmitdemMusikbegriff»Chor«.Dahinter dienste ganzohne.Siesangen.Anfänglichbezeichneteman mehr alstausendJahrehinwegfeiertenChristenihreGottes - chen wirdennüberhaupteinInstrumentinderKirche?Über board mitLautsprecherverstärkungtut’s auch.Warum brau- gegenpolige, billige Lösung heißt heute: Ein wegtragbares Key- hohem AufwandaufLuftkissenfahrbareOrgelin­ altehrwürdigen Kloster Alpirsbach wurde so jüngst eine mit räume entworfen,ohneeinenOrgelstandorteinzuplanen.Im haben moderneArchitektenbisweilenambitioniertKirchen- Baugrundriss hatsoetwasnichtvorgesehen.Auchnach1945 erstes dieFrage,wodasInstrumentüberhaupthinpasst.Der In vielenaltenKirchenstelltsichbeiOrgelbauprojektenals Kirche die Orgelgehört wie derAltar, istleichtzurelativieren. in Frage:1.DieOrgelspielt;2.Gemeindesingt.Dasszur tät? Zwei kirchliche Selbstverständlichkeiten stehen durchaus mit. Eine Zukunftsvision, vielleicht mancherorts schon Reali- sich eineStropheanundsingtdannbeidenWiederholungen speichert hat und auf Knopfdruck abspielt. Die Gemeinde hört also mit einem Orgelautomaten zu rechnen, der Lieder einge- sage kommtvorinGottesdiensten.Wörtlichgenommenwäre »Die OrgelspieltunsdasLiedeinmalvor der Kirche? wann Musik in Wer machte eigentlich Für die Orgel

Musik und Evangelium dass ich DirPsalmen sing …« SolcheineAn- Kirche ist EG 328, Strophe stalliert. Die beiden Konrad Klek

deckt diestaatlicheLehrerausbildung ab,welcheOrgelspie- eine Orgelunddenentsprechenden BedarfanOrgelspielern tung der Gemeindelieder durch. Fast jede Kirche erhält jetzt 19. gleitung beim Singen »confundiere«, also verwirre. Erst im alsbald einenRüffel,weilerdieGemeindemitseinerBe - an der»NeuenKirche«,ausgestattetmitneuerOrgel,erhält auch eine Chance für musikalisch begabte Bauern oder (Haus-) suchen undinderNS-Zeitfallen dieLehrerganzaus.Dasist che nach1918 zwingtdieKirchen,selbernachOrganisten zu len zurLehrerpflichtmacht.Die Trennung vonStaatundKir die »Niederungen« der Gemeinde erhaben. fühlen sichobenaufihrer(zweitenoderdritten)Emporeüber Stränge, improvisieren,wasihnenindieFingerkommt,und gelklang zusteuern.Organistenschlagenabergerneüberdie fach praktikabel,denGesangvonHundertenmit kräftigem Or sinnvoll, MelodienmitHarmonienzustützen,undesistein- Bassfundament durchgesetzt hat, ist es musikalisch durchaus Laufe des17. aber die Gemeinde ist zum Singen selber groß. Seitdem sich im Organist »präludieret«zwardenChoral,machteinVorspiel, stimmig. Das ist auch noch zu Zeiten Bachs in Leipzig so. Der ter« – wiebeim gregorianischen Choral desMittelalters – ein- tet von einem Vorsängerchor mit Kantor, mansingt»chorali- projekt der Bürgerschaft.DerGemeindegesangwirdangelei- ein Wohlstandsphänomen inStädten,wieheuteRenommier darf esessenziellkeinerOrgel.SieistzunächsteinLuxusgut, musikalisch«. Für dieses Dialoggeschehen Gottesdienst be- gen werdengesungen.ImGrundeistalsonurdiePredigt»un- kommt inmusikalischemGewanddaher:AuchdieLesun- Kirche, indemsieGottlobt.IhrDialogpartner»Wort Gottes« durch dieReformation.DieGemeindemachtMusikinder also nicht,daherdieWiederentdeckung desGemeinde­ bet undLobgesang«.OhneLobgesangderGemeindegehtes predigt derSchlosskapellezuTorgau 1544 prägte,»mitGe- Torgauer Formel, dieder Reformator in seiner Einweihungs- heiliges Wort«,dieGemeindeantwortetlautderberühmten Gott undGemeinde.sprichtzurGemeinde»durchsein Für MartinLuthergiltimGottesdienstnurdasGegenübervon blieb beiMessennichtvielmehralsKyrieleiszuskandieren. lich abgetrennthinter»Chorschranken«.DemKirchenvolk rée des »Chorgestühls«, der eigentliche »Chor« warnun räum- in ihrenStundengebetenfastohneUnterlass,aberimSepa- geistlich-elitäre Angelegenheit.DieMönchesangentäglich Der jungeBachetwa,mit18 JahrenOrganistinArnstadt Jahrhundert setztsichflächendeckenddieOrgelbeglei- Jahrhunderts dieDur-Moll-Harmonik aufeinem

lieds - - -

EKD 2012 Reformation und Musik

EKD 2012 Reformation und Musik Foto Theresa Becherer mein inderKrise.Zusingentrauen sichvielenurnochunter stellen? DasSingenstecktzumindest inDeutschlandallge- den HimmeljetztalsNonstopdisco mitvollerDröhnungvor dann um das Gotteslob der Gemeinde? Oder sollen wir uns in derGemeindekaummehreiner mitsingt.Wie aberstehtes da soeinfachaufdrehenkann, wird oftgarnichtbemerkt,dass Mikro undVerstärker sindbestensimGeschäft,undweilman Organisten wetteifernmitihnenumdenbesseren»Groove«. hen bereit, um Rhythmus in die Kirche zu bringen – und fähige Kanzel erschlichen,auchSchlagzeugerausderGemeindeste - ben sichvielerortsKeyboardseinenfestenStellplatzunterder wohl auch kaum mehr einfache Orgelmusikvielen»uncool«erscheinen.Gefragtist mithalten. AuchderstarkeWandel derStilprioritätenlässt Da kann die Livemusik des normalen Gottesdienstes schwer ne und mit aufwändigem Apparat inszenierte Darbietungen. live, dannzahltmanvielEintrittfürprofessionelldargebote - kommt sie über Lautsprecher von der Konserve. Und wenn wo Menschen heute zusammen feiern, gibt es Musik. Meistens bypredigern (Lektoren, Prädikanten) ganz anders aus!Überall, Im PfarrdienstsiehtdasVerhältnis zwischenProfisundHob- nen Profioftzwanzig,dreißigund mehr Nichtprofiskommen. fest verpflichten, weshalb der Bedarf immens ist und auf ei- »Hobbyorgelspielern«. Diese wollen und können sich oft nicht rerseits mitvon diesen vorOrtausgebildeten,nebenamtlichen che anzentralenStelleneineVollbeschäftigung bietet,ande- lichen HochschulenausgebildetenKräften,welchendieKir System miteinerseitsprofessionellanstaatlichenwiekirch- Frauen ausderGemeinde.Nach1945bildetsicheinoffenes Über denWolken: Rockgottesdienst – »Vorschmack der ewigen Ruhe«. So ha - Z ossen, E-Werk - - artikuliert: zu den»himmlischenChören« reicht,wieesimSanctussich Wortsinn beteiligt,hineinnimmtin dasLobenGottes,bis bleiben, dassdieMusikinder Kirche dieGemeindegliederim wie die Menschen bunt geworden sind. Entscheidend sollte rung fürdieMusikinderKirche, diesobuntsichzeigendarf ren. Die(post-)moderneStilvielfaltisteineneueHerausforde - se the Lord ist nicht weniger Gott gelobt als rhythmischen Komponenteehereinklinkenzukönnen.Prai - chören aberscheinensichMännerwohlwegenderstärkeren den sichheutevieleherFrauen.BeiboomendenGospel - das GeschäftderAnimationzumSingen,Chorleitung,fin - bringen, während Frauen sich weniger »genieren«. Auch für meinde im Gottesdienst agieren wollte. lich darüber, dassdanebenihnennochjemandausderGe- gruppen überhaupt. Und die Pfarrer waren nichtimmer glück- ren nebendenDiakonievereinendieerstenBasisgemeinde- des 19. gehenden 19. meinde zumLobeGotteszusammenzubringen,isterstimaus- und alt,FrauMann,BäuerinAkademiker in jederGe- nem Konzertchor. DasIdealdesKirchenchores,nämlichjung wollen lieberrichtig»Leistungbringen«,zumBeispielinei- den anderenwiederumbehagtderGemeindebezugnicht.Sie den einenzuanspruchsvollistoderstilistischnichtpasst, orts einenschwerenStand.Sieüberaltern,singenMusik,die der Dusche.DieKirchenchöreundKantoreienhabenvieler Heutzutage istesschwer, speziellMännerzumSingenzu Jahrhunderts bildenden»Kirchengesangsvereine«wa- »Voll sindHimmelundErdedeiner Herrlichkeit«! Jahrhundert entstanden.DiesichabdemEnde Musik und Evangelium Lobet den Her- 17 - des Dichters. Es ist Sache der noch lebenden Komponisten, Lied Von guten Mächten im Gesangbuch unmittelbar neben Kleppers poetisches Liederwerk im Bewusstsein des Unheils Kleppers Der du die Zeit in Händen hast. Wer am Silvester- auszukomponieren, das er für Johanna und Renate auch selbst abend oder am Neujahrsmorgen zur Kirche geht, begegnet ih- übernahm. Hier seien nur zwei genannt. Helmut Brand gibt nen fast immer, häufig sogar im gleichen Gottesdienst. Geistli- Zwei Große 1995 die ganze Sammlung Kyrie heraus und bearbeitet die Lie- che Poesie gibt es nicht nur aus der Feder professioneller Dich- der in bisherigen und in eigenen Melodien. Neben das einfüh- ter. Auch taucht sie manchmal an unvermuteter Stelle auf, rende Vorwort stellt er zusätzlich auch eine Skizze von Klep- noch bevor sie Einzug in die Kirche hält. So wurde Kleppers Lied und Poesie pers Lebenslauf. Die Kantoren und Chöre sollen Klepper auch Der du die Zeit in Händen hast erstmals 1938 in der Neujahr- als Person kennenlernen. Die Tonsprache Brands hält Kontakt sausgabe der Deutschen Allgemeinen Zeitung gedruckt, und zum gegenwärtigen Musikschaffen und zeigt damit an, dass Bonhoeffers Von guten Mächten erblickte das Licht der Öffent- bei Dietrich Bonhoeffer er bei aller liturgischen Bindung seiner Kompositionen Klep- lichkeit 1945 in einem Heft aus der Schweiz Für die Pastorati- pers Werk auch auslegen, nicht nur ein weiteres Mal mit No- on der Kriegsgefangenen. Allerdings zeigt sich, was in einem ten versehen will. – Manfred Schlenker hat alle im Gesang- guten geistlichen Text steckt, erst in der Geschichte seines Ge- buch enthaltenen Klepperlieder in den vorhandenen Melodi- brauchs. Er wächst mit seinen Vertonungen und danach immer und Jochen Klepper en zu Choralmotetten ausgearbeitet (2002). Andererseits schuf noch weiter durch Gesungen- und Wiedergesungenwerden. er zusätzlich einen Jochen-Klepper-Liederkreis (2009). Zwan- zig Liedtexte erhalten eine eigene Melodie mit Intonation und Die zehn Gedichte Dietrich Bonhoeffers sind während sei- vierstimmigem Tonsatz. Sie sind nach biografischen und the- ner Haft entstanden, das letzte im SS-Kellergefängnis an der matischen Gesichtspunkten zu vier Gruppen zusammenge- Berliner Prinz-Albrecht-Straße (heute Topographie des Ter- Ergriffen vom Wüten der Welt, fanden für den einen oder für den anderen Partei zu ergreifen. Ihre stellt, die durch »Klangbilder« gerahmt und verknüpft wer- rors). Es ist ein sehr privates Gedicht, fast ein Brief, gerichtet Nachlässe gehören unverzichtbar zum gemeinsamen evange- den. Neben diese Klangbilder treten noch »Intermedien«, aus- an seine Verlobte Maria von Wedemeyer und die eigene Fami- Klepper und Bonhoeffer Worte für lischen Erbe des 20. Jahrhunderts. gewählte Prosatexte Kleppers, meist Tagebucheintragungen, lie. Aber anders als fast alle vorangegangenen Gedichte ist es dass, was sie erlebten und fühlten. Die die sein Werkverständnis wie sein Geschick widerspiegeln. So durchweg regelhaft geformt und gereimt. Der doch so gefähr- Für die Musiker lag hier nie ein Problem – im Fall des verschränken sich Komposition und Biografie. Der Musiker dete Autor weiß sich »Von guten Mächten umgeben« (Stro- Leser ihrer Texte fanden sich immer Schriftstellers Jochen Klepper schon darum nicht, weil die ist durch die Dichtung und gleicherweise durch den Weg des phe 1), und von diesen »wunderbar geborgen« erwarten er geistlichen Lieder des Bändchens Kyrie (1938) noch zu Lebzei- Dichters bewegt. Dietrich Bonhoeffer war akademischer Theo- und seine Lieben »getrost, was kommen mag«. (Strophe 7) Da- wieder dazu bewogen, diese Worte ten ihres Autors erschienen waren und damals niemand ah- loge, Experte für ökumenische Beziehungen, Studenten- und zwischen Gebetsworte, angefüllt mit Erinnern, Bekennen und selbst zu sprechen und ihnen Töne und nen konnte, dass es einmal auch Gedichte eines Theologen na- Auslandspfarrer, Seminardirektor, Geheimagent, Häftling. Hoffen. Es ist ein Gedicht von Gottes Führung (»führ, wenn es mens Dietrich Bonhoeffer geben würde. In evangelischen Krei- Aber Dichter und Schriftsteller wie Klepper war er nicht. Mit sein kann, / wieder uns zusammen«) inmitten von »böser Tage eigene Melodien zu verleihen. Dabei sen wurden die Kleppertexte, kaum dass man sie kaufen konn- literarischen Versuchen hat er sich nur nebenher abgegeben schwere[r] Last«. Bei Klepper ein anderer Ton, aber das glei- erklingen nicht nur die Worte. Auch te, zu einer geheimen Sensation. Diese stille Stimme, die gegen – und auch erst sehr spät, im Gefängnis. Trotzdem steht sein che Motiv: »Herr, nimm auch dieses Jahres Last« (Strophe 1) die Ängste ihrer Zeit ansang, biblisch getröstet und der gro- die Lebenswege der beiden Männer ßen Kirchenliedtradition verbunden, galt vielen als ein uner- wartetes Geschenk. Und sofort und ungerufen waren auch die Jürgen Henkys schwingen stets mit. Musiker zur Stelle. Noch bevor ein Jahr vergangen war, regis- trierte Klepper schon über fünfzig Kyrie-Melodien – eine Be- stätigung, auf die der zwischen Selbstzweifeln und Auftrags- Es ist schon fast sechs Jahrzehnte her. Wer im Nachkriegs- bewusstsein hin und her gerissene Dichter nie zu hoffen ge- deutschland über evangelisches Christentum und deutsche wagt hatte. Fritz Werner vertonte schon 1938 das Mittagslied Verantwortung nachdachte, kam an zwei autobiografischen Der Tag ist seiner Höhe nah, so wie es heute noch im Evangeli- Nachlasswerken nicht vorbei. 1952 erschienen Dietrich Bon- schen Gesangbuch (EG) steht. hoeffers Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft Widerstand und Ergebung. 1956 folgten Jochen Kleppers Tagebücher Un- Von 1939 stammt Johannes Petzolds Weise zu Die Nacht ist ter dem Schatten deiner Flügel. In Schlesien geboren (1903, vorgedrungen, die Kleppers Worte durch unsere Adventsgot- 1906), durchlebten beide in Berlin den Anbruch und die Un- tesdienste trägt (EG 16). Unter den anderen zeitgenössischen taten der NS-Herrschaft. Beide sind 39-jährig daran zugrun- Liedkomponisten ragte Rudolf Zöbeley dadurch hervor, dass de gegangen (1942, 1945). Jochen Klepper schied zusammen er in seinen Neuen Gemeindeliedern (1941) Jochen Klepper mit seiner Frau Johanna und deren Tochter Renate Stein aus mit 13 Vertonungen den Vorrang vor dem berühmten Rudolf dem Leben, als es gegen die Deportation der jungen Jüdin kei- Ale­xander Schröder gab. Allgemein bekannt ist seine Melodie nen Ausweg mehr gab. Dietrich Bonhoeffer wurde mit eini- zu Er weckt mich alle Morgen (EG 452). Fritz Werner fuhr fort, gen anderen Verschwörern gegen Hitler im KZ Flossenbürg ge- Kleppers Texte zu vertonen. Seinen vollständigen Kyrie-Zyklus hängt. Im theologischen Ansatz, im kirchenpolitischen Urteil, mit insgesamt 29 Liedern, darunter auch Ich liege, Herr, in dei- in der Auffassung von der Geschichte und nicht zuletzt durch ner Hut (EG 486), konnte er aber erst nach dem Krieg (1949) zum Theresa Becherer Theresa das in ihrer seelischen und sozialen Entwicklung vorgezeich- Druck einreichen. Das Neujahrslied Der du die Zeit in Händen nete Persönlichkeitsbild lagen sie weit auseinander. Gerade so hast war lange mit einer Lehnmelodie aus dem 16. Jahrhundert Foto aber beunruhigen sie ihre Leser auch heute noch mit der Fra- verbunden (Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn). Erst 1960 ge, wie sich die Konstellationen »Widerstand und Ergebung« trat Siegfried Reda mit seiner Originalweise hervor (EG 64). Bei (Bonhoeffer) und »Ohnmacht und Überwindung« (Klepper) näherer Beschäftigung mit dieser Komposition tritt eine Melo- zueinander verhalten. diephrase als bewusst eingesetztes Zitat hervor: Wo Klepper im Blick auf die Zeitlast bittet »… und wandle sie in Segen« (Stro- Klepper und Bonhoeffer haben sich nie gesehen. Wolfgang phen 1, 3), fällt Kirchenmusikern bei Redas Melodie die altver-

Böllmann überlegt in beider Sinn: Wenn ich dir begegnet wäre traute Zeile »ich bitt, erhör mein Klagen« ein (EG 343, Strophen Musik und Reformation Musik und Reformation (2005). In fiktiven Treffen lässt er sie miteinander­ reden. Sind 1, 2). Klepper wollte die Klage, zu der er ja übergroßes Recht ge- sie sich in den letzten Jahrzehnten näher gekommen? Jeden- habt hätte, aus seinen Liedern immer heraushalten. So ist Re-

falls reichen Schlagworte längst nicht mehr aus, um entweder das Melodie auch eine versteckte Erinnerung an die Biografie EKD 2012 EKD 2012

Lampenfieber – Was ist das?: 18 Musik und Evangelium Der Staats- und Domchor tritt auf – Berlin, Villa Elisabeth Kolumnentitel 19 Gebet in g-moll Überirdische Schönheit und leidenschaftliches Leid in der Johannespassion des Thomaskantors ­Johann Sebastian Bach

In seinem ersten Jahr an der Leipziger Aber ist nicht das Thema des Leidens eine Frage des Lebens, der niemand ausweichen kann? Bach formuliert Antwor- Thomaskirche stellt Bach seine erste ten auf solche existenziellen Fragen, wobei die Worte eben- Passion vor. Als Textgrundlage wählt so wichtig sind wie die Klänge. Am wichtigsten aber wird das Zusammenspiel beider, das sich bisweilen sogar zur gegensei- er ausgerechnet das Evangelium nach tigen Inspiration von Wort, Klang und Bild hin öffnet. Vermut- lich stand beim Eingangschor der Johannespassion ein Bild Johannes. Doch er sollte mit diesem von Lucas Cranach d. Ä. im Hintergrund, das der Thomas- Werk seine Wirkung bis heute nicht kantor gut kannte: der »Gnadenstuhl« aus der Leipziger Ni- kolaikirche, der auch »Dreifaltigkeit« genannt wird. Bach mu- – »und führe uns an deiner Hand, / damit wir sicher schrei- Schlichtheit, Tiefe und herausfordernden Kraft erschienen verfehlen – die Johannespassion ist sikalisiert die göttliche Dreifaltigkeit, die der weiteste Verste- ten.« (Strophe 6) sie der württembergischen Gesangbuchkommission so wich- bis heute ein Meilenstein lutherischer henshorizont auch der Passion des Gottessohnes ist, nicht nur tig, dass man Dieter Schnebel um eine Vertonung bat. Wie an- durch eine dreifache »Herr, Herr, Herr!«-Anrufung des Cho- Wie ist aus Bonhoeffers Gedicht ein Lied geworden? Der dere Komponisten vor und nach ihm (unter anderem Johan- Kirchenmusik und für viele Menschen res, sondern vom ersten Takt an auf drei Ebenen des Klanges. Zufall hat mitgespielt. Der Ostberliner Kantor Theophil Ro- nes Petzold, Arthur Eglin, Gottfried Brezger / Christian Finke, thenberg erlebt, wie in Junge-Gemeinde-Abenden am Schluss Matthias Kreuels) hatte sich Schnebel damit auseinanderzu- überall auf der weiten Welt immer Musik als Sinnbild des dreifaltigen Gottes gebetet wird: »Von guten Mächten wunderbar geborgen, / er- setzen, dass ein melodisches Konzept für Christen und Hei- wieder Anlass und Ort besonderer Der gleichbleibende, geradezu insistierende Basston symbo- warten wir getrost, was kommen mag. / Gott ist bei uns am den variabel sein muss für das von Strophe zu Strophe leicht lisiert wohl Gottvater gleichsam als Fundament, die schmerz- Abend und am Morgen / und ganz gewiss an jedem neuen variierte Metrum. Dieter Schnebels Lösung im württembergi- religiöser Erfahrung. Meinrad Walter lichen Klänge der Oboen und Flöten gelten dem leidenden Tag.« Er bittet seinen Kollegen Otto Abel, die Strophe zu ver- schen EG-Anhang (547) traut der singenden Gemeinde und ih- Gottessohn, während die Streicher mit wehend-webenden tonen, damit er sie in Die singende Schar aufnehmen kann, ren Kantoren eine wunderbare Lernerfahrung zu. Mehr noch ­Figuren das lebendige Wehen des Geistes zur Geltung und »in sein Liederbuch junger Christen (Teil III, 1959). Diese erste als bei Klepper griffen die Komponisten auch bei Bonhoeffer »Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm in allen Landen herrlich Schwung« bringen. Und wenn Bach dann im Mittelteil bei Melodie hat überdauert. Obwohl nur für die zitierte Schluss- über die Gattung Lied hinaus. Es entstanden Motetten, Kanta- ist.« Der Eingangschor der Johannespassion in g-moll ist mäch- den Worten von der »größten Niedrigkeit« die unteren Klang­ strophe bestimmt, lässt sie nach dem ganzen Gedicht und sei- ten und Oratorien, die neben den genannten auch weitere Ge- tiges Klangportal und komponiertes Gebet zugleich. Keine regionen auslotet, dieser Tiefpunkt aus der Dunkelheit heraus ner Eignung für vollständigeren Gebrauch fragen. Es entste- dichte (zum Beispiel Stationen auf dem Wege der Freiheit), Rede zunächst von Klagen und Weinen, von Schuld und Sün- aber gleich wieder in die frei sich aufschwingenden Koloratu- hen immer neue Melodien, so zahlreich wie für keinen ande- dazu auch Prosapassagen und sogar Predigten einbeziehen. de, von Opferlamm und Schmerzensmann. Im Mittelpunkt ren der Verherrlichung übergeht, dann ist hier eine kongeniale ren geistlichen Text des 20. Jahrhunderts. Textoperationen an Am weitesten geht dabei der amerikanische Komponist Tho- dieses musikalischen Passionsgemäldes von Johann Sebasti- musikalische Übersetzung der johanneischen Passionstheolo- Theresa Becherer Theresa dem doch zu privaten Gedicht tauchen auf und verschwin- mas Johnson, Vertreter des musikalischen Minimalismus. An an Bach steht der »Herr«, dem sich Sänger, Spieler und Hörer gie gelungen. Der vierte Evangelist zeigt Jesus als den souverän den wieder. Am Schluss behaupten sich zwei völlig gegen- seinem Bonhoeffer-Oratorium in vier Teilen hat er von 1988 schrittweise nähern. Er selbst soll den hörenden Betrachtern Handelnden, auch in der Passion. Foto sätzliche Kompositionen, die ernste, getragene von Otto Abel bis 1992 gearbeitet. Er bekennt, die Begegnung mit Bonhoef- gangbare Wege zur Passion zeigen: »Zeig uns durch deine Pas- (1959) und die weiche, beschwingte Siegfried Fietz’ (1970). fers Schriften habe für ihn einen Lebenseinschnitt bedeutet. sion, dass du, der wahre Gottessohn, zu aller Zeit, auch in der Weg, Wahrheit, Leben Im 20. Jahrhundert sind unendlich viele Kirchenlieder ge- größten Niedrigkeit, verherrlicht worden bist.« Bach fasst die- Bach antwortet darauf mit einer musikalisch-hoheitlichen Von guten Mächten kann sich nicht dagegen wehren, auch schrieben und vertont worden. Unsere Skizze erfasst, quan- se biblisch inspirierte Passionsbotschaft in eine trinitarische ­Jesuszeichnung, die bereits in der ersten Szene »Im Garten« von einer Religiosität beansprucht zu werden, die Bonhoef- titativ gesehen, nur einen winzigen Ausschnitt. Aber die Be- Musik, die als großer »Kyrie«-Ruf heute auch noch viele kirch- einsetzt. Majestätisch erklingen Jesu Frage »Wen suchet ihr?« fers Christentum völlig fremd ist. Schaut man sich in sei- schränkung auf Jochen Klepper und Dietrich Bonhoeffer ist lich distanzierte Menschen erreicht. und seine Antwort »Ich bin’s«, die wohl auch schon Bach an

nen Gedichten nach einem anderen singbaren Text um, der gut begründet: Leben und Werk dieser beiden rufen alle zur Musik und Reformation Musikw und Reformation die berühmten »Ich-bin-Worte« des Johannesevangeliums er- durch theologische Handschrift unverwechselbar ist, so trifft Besinnung, die durch Poesie und liedgebundene Musik am Musikalischer »Gnadenstuhl« innert hat: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben« man unter der Überschrift Christen und Heiden auf die drei Überschritt der christlichen Botschaft in ein weiteres, unbe- Die musikalische Qualität wird Brücke zum biblischen Inhalt, oder »Ich bin der gute Hirt«. Immer ist die Passionsbotschaft

Strophen von Menschen gehen zu Gott in ihrer Not. In ihrer kanntes Jahrhundert beteiligt sind. EKD 2012 EKD 2012 der in seiner »unmusikalischen« Gestalt fremd geworden ist. des Thomaskantors Bach einer doppelten musikalischen

Sonntäglicher Bläserjubel: 20 Musik und Evangelium Gottesdienst am Ostermorgen – Jüterbog, Liebfrauenkirche Musik und Evangelium 21 Auslegung verpflichtet. Zum einen wird auf der Ebene »nach er Jesu »Marterstraße« besonders hervor, ein barockes Wort für vorn« dargestellt, was damals geschehen ist, und zum ande- den Kreuzweg. Der Bass singt enge Tonschritte abwärts, der ren wird in einer geistlichen Auslegung, nun in der Richtung Sopran seufzt und der Tenor betont die Marter auf der falschen »nach innen«, ausgelotet, was dies hier und heute bedeutet. Silbe, um das Außergewöhnliche zu markieren. Die Choralzei- Deshalb heißt die Antwort auf Jesu Frage »Was schlägest du le »Ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden« kommentiert mich?« nicht: »die jüdischen Gegner Jesu«; sondern, nachdem Bach mit den Mitteln der Musik. Die Altstimme umspielt die die Frage mit der Formulierung »Wer hat dich so geschlagen?« Worte geradezu tänzelnd im Sinne von »Lust und Freuden«, in die Klangwelt des Chorals »transponiert« worden ist: »Ich, die harten Reibungen, die sich zur Melodie des Soprans dabei ich und meine Sünden«. Dies ist mitzubedenken, wenn über ergeben, sprechen aber eine andere Sprache: Diese »Lust und den musikalischen Antijudaismus diskutiert wird. Freude« ist falsch. Später werden die »freudigen Schritte« der gelingenden Nachfolge erklingen und im zweiten Teil der Pas- Bach ging es wohl nicht um antijüdische Klänge, sondern sionsmusik dann die »bittre Lust« beim Anblick des Gekreu- um die musikalische Schärfung der Dramatik, die bereits den zigten. Bitter ist sie wegen des Schmerzes, lustvoll jedoch zu- biblischen Passionsbericht prägt. Das biblische Gegeneinan- gleich, weil in diesem Leiden die Erlösung nicht nur verbor- der zwischen dem Juden Jesus und einer ganz bestimmten geg- gen, sondern verbürgt ist. nerisch-jüdischen Gruppe wird bei ihm zu einem Nebeneinan- der, weil die Juden in der musikalischen Passionsbetrachtung Der Held siegt mit Macht »nach innen« gar nicht vorkommen. Die Zukunftsauf­gabe des An vielen Stellen haben Bach und sein unbekannter Textdich- jüdisch-christlichen Miteinander aber sollten wir nicht Bach ter der Passionsbotschaft des Johannesevangeliums besondere aufbürden. Vielmehr muss der theologisch-musikalische Dia- Aufmerksamkeit geschenkt, was durchaus ungewöhnlich ist. log so intensiv werden, dass er auch für Komponisten zur In- So hat etwa die Altarie zu Jesu letztem Wort »Es ist vollbracht« spiration wird. Der Düsseldorfer Komponist Oskar Gottlieb einen sieghaften Mittelteil, der fanfarenhaft erklingt: »Der Blarr hat in seiner Jesus-Passion (1986) einen in dieser Rich- Held aus Juda siegt mit Macht«. Bach experimentiert hier mit tung gangbaren Weg eindrucksvoll gezeigt, an dessen Beginn der Aufgabe, in ein Musikstück dessen eigenen Kontrast ein- eine von Blarr geleitete Aufführung der bachschen Johannes- zukomponieren, indem er im sieghaften Mittelteil alle Eigen- passion in Jerusalem stand. schaften des Lamentos ins Gegenteil verkehrt: Moll-Dur, ada- gio-vivace, Soloinstrument-Ensemble. Der Romantiker Robert Aus dem Geist der Oper und der Predigt Schumann, der Bachs Johannespassion 1851 in Düsseldorf In Bachs Musik klingt Martin Luthers Musikanschauung nach. zur Aufführung gebracht hat, komponierte an dieser österli- »In rechter Muttersprach und Stimme« komponiert der Tho- chen Stelle zwei Trompeten hinzu! Wie viele Bachfans war maskantor seine Passionswerke, deren textliches Rückgrat die auch Schumann von der Johannespassion begeistert. »Kennen Lutherbibel ist. Neuerungen aus dem italienischen Musikthe- Sie die Bachsche Johannespassion, die sogenannte­ kleine?« ater wie das deklamierend-erzählende Rezitativ und die ein fragt er aus Dresden den Hamburger Musikdirektor Georg Diet- Thema affektvoll vertiefende Arie greift er begierig auf, so- rich Otten. Und die knappe Antwort »Gewiss!«, die er jenem dass sich die Passionsmusik aus zwei Wurzeln nährt, nämlich Dirigenten und Musikschriftsteller in den Mund legt, mün- aus der Predigt und der Oper. Viele lutherische Inspirationen det in eine Art Bekenntnis: »Aber finden Sie sie nicht um Vie- kennt die protestantische Kirchenmusik: von der Bedeutung les kühner, gewaltiger, poetischer, als die nach dem Evange- des Kantorenamtes bis zur Wertschätzung der musikalischen listen Matthäus«, zudem »wie gedrängt, wie durchaus ­genial, Verkündigung, von den »von Mutterleib und Kindesbeinen ­namentlich in den Chören, und von welcher Kunst!« an« vertrauten Liedern bis zu Bachs Clavierübung III, einem geistig wie geistlich, aber auch spielerisch höchst ambitionier- Musik und Theologie heute ten Orgelwerk als klingendem Katechismus. Zwei Stunden hören wir Musik von Leid und Leidenschaft, packend und farbig instrumentiert, lyrisch und dramatisch. Juwelierswitwe stiftet Vespermusik Am Ende steht der Schlusschoral Ach Herr, lass dein lieb Erst ein dreiviertel Jahr war Bach im Amt des Leipziger Tho- Engelein, der eine Brücke schlägt von Christi Tod zum eige- maskantors und städtischen Musikdirektors, als er am 7. ­April nen Sterben: »… alsdenn vom Tod erwecke mich«. Zugleich 1724 seine Johannespassion zur Aufführung brachte. Der will Bach mit dem abschließenden »Kyrie«-Ruf das irdische ­liturgische Rahmen war die von einer Juwelierswitwe gestif­ Gotteslob in das Himmlisch-Ewige hineinführen: »Herr Jesu tete Vesper am Karfreitag, den man wohl als protestantisch- Christ, erhöre mich, erhöre mich. Ich will dich preisen ewig- musikalischen Hauptfeiertag des Kirchenjahres bezeichnen lich!« Die transzendierende Kraft der Musik – von der Zeit zur kann. Insgesamt vier oder fünf Mal erklang das Werk während Ewigkeit, vom Ich zum Wir – ist ihr großer Pluspunkt über die Bachs Leipziger Amtszeit und unter seiner Leitung. Allein der Epochen hinweg. Versuch, dieser Passionsmusik im Jahr 1739 eine letztgültige Theresa Becherer Theresa

Gestalt zu geben, bricht nach wenigen Seiten der Partitur ab. Religiöse Erfahrung im Medium Musik Hat Bach die Lust verloren? Oder hat die Zensur Einspruch ge- Im Sinne Bachs ist sie nicht nur große Kunst, sondern ein Bei- Foto gen diese Passionsmusik erhoben? Viele solcher Fragen zur Jo- trag zur Theologie, etwa zur musikalischen Bibelauslegung, hannespassion bleiben ohne Antwort. die in der fachlichen Exegese noch viel zu wenig Echo fin- det, oder zum unerschöpflichen Thema des komponierten Ge- Tänzelnde »Lust und Freuden« bets. Dass Bach selbst es für möglich gehalten hat, religiöse Er- Faszinierend an der Johannespassion ist die packende Drama- fahrung im Medium der Musik zu machen, ist einer Randno- tik, die immer wieder durch die Ruhepunkte der Choralstro- tiz zu entnehmen, die er in seinem letzten Lebensjahrzehnt

phen unterbrochen wird. Bach legt seinen Hörern Antworten eigenhändig in seine Bibel eingetragen hat, und zwar neben Musik und Reformation Musik und Reformation auf die Passion in den Mund: komponierte Gebete, die ein Ein- den Bericht von der Einsetzung der jüdischen Tempel­musik – stimmen ermöglichen. Bereits in der ersten Liedstrophe auf 2. Chronik 5, 13: »NB (Notabene). Bey einer andächtigen

die Melodie »Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen?« hebt ­Musique ist allezeit Gott mit seiner Gnadengegenwart.« EKD 2012 EKD 2012

22 Musik und Evangelium Nur Er und ich: Rockgottesdienst – Zossen, E-Werk Kolumnentitel 23 zu verdanken. Lechners Liedmotetten, auf den Kantoreidienst vorbereitet wer- Instrumentenkunde der Zeit und Erklä- über Bibel- oder neue, weltliche Verse den sollten), teils in großen, mehrchö- rungen der international gebräuchli­chen komponiert, vereinen traditionelle Aus- rigen Besetzungen, die das Kirchenlied musikalischen Termini. Heute­ kaum be- drucksmittel deutscher, italienischer in aller vorbarocker Prachtentfaltung er- kannt ist der erste Teil des Werks, eine Komponisten und niederländischer Herkunft und of- lebbar machten. Diese Ideen ­Praetorius’ Herleitung, welche Bedeutung­ große­ fenbaren eine elegante Verschmelzung wurden bisweilen als rückwärtsgewandt­ Kunstmusik für das lutherische Ver- motettischer Feierlichkeit mit madriga- aufgefasst: War es nicht zu altertümlich, ständnis habe. Noch für das Werk Jo- Boten der Reformation lesker Anschaulichkeit. Mit den Neu- noch nach 1600 das musikalische Schaf- hann Sebastian Bachs waren diese Ide- en teutschen Liedern von 1576 / 77 wur- fen so weitgehend vom alten Kirchen- en grundlegend. Konrad Küster de Lechner bekannt. Dies mag zu einer lied abhängig zu machen? Andererseits: wachsenden Unzufriedenheit mit ­seiner Es war ein völlig neuer Ansatz, Liedbe- Heinrich Schütz Johann Walter städtischen und höfischen Bereich ist Jo- Meister der Spätrenaissance, so entwi- beruflichen Stellung geführt haben. Hat- arbeitungen für jede Stelle des lutheri- 8. Oktober 1585 — 16. November 1672 1496 — 25. März 1570 hann Walters Name untrennbar verbun- ckelten sich neben ihnen etliche schöp- te er während der ersten Nürnberger schen Musiklebens bereitzustellen. Das den. Die Torgauer Stadtkantorei wurde ferische Musiker, ohne deren korporati- Jahre Angebote abgelehnt, trat er 1583 wirkt noch in den heutigen kirchlichen Heinrich Schütz galt im 20. Jahrhundert »Choral mit Fugen ist das Best« – mit die­ zum Ur- und Vorbild des lutherischen ves Zusammenwirken das Schaffen die- als Hofkapellmeister in die Dienste des Alltag hinein. Auch wenn die mehrchö- vielen als Inbegriff lutherischer Kirchen- sem Ausspruch bekannte sich Johann Kantoreiwesens. In die Torgauer Zeit fiel ser beider Komponisten nicht denkbar ­katholischen Grafen Eitelfriedrich von rigen Choralkonzerte im Gesangbuch musik der Zeit vor Bach. Werke aus der Walter noch im Alter zum polyphonen auch die Begründung der deutschspra- ist. Die Abkehr von der altklassischen Hechingen. Die Stellung gab er ein Jahr zwar keinen Platz mehr haben, sind es Geistlichen Chormusik von 1648 waren Liedsatztyp, der für die Gestalt des pro- chigen responsorialen Passion auf den Polyphonie hin zu den Anfängen eines später auf – aufgrund konfessioneller nicht nur einfach »Melodien«, die dort Standardrepertoire der Kirchenchöre: testantischen Kirchenliedes prägend neuen Luthertext, für den Walter einen akkordischen, harmonischen Denkens Differenzen. Eine Bewerbung nach Dres- an Prae­torius erinnern, sondern auch Also hat Gott die Welt geliebt, Verleih wurde. Der im thüringischen­ deutschen Passionston schuf. und einer perspektivischen Wirkung in den ins Amt des sächsischen Hofkapell- komplette, mehrstimmige Kom- uns Frieden oder Die mit Trä- Kahla geborene Kantor gilt Etwa zwanzig Jahre später der Musik ist das Werk dieser Komponis- meisters scheiterte. Lechner musste froh positionen – im vollen Um- nen sehen. Aller Augen war- als der Urvater der evan­ wurde Johann Walter Hof- ten des Frühbarocks, die ab etwa 1600 sein, in der württembergischen Hofka- fang, in dem er diese Mu- ten auf dich aus den Zwölf geli­schen Kirchenmusik. kapellmeister in Dres- selbstbewusst eine »Nuove, Varie Musi- pelle unterzukommen. Alsbald wurde sik konzipierte. Eines ist geistlichen Gesängen war Nach der Studienzeit in den. Dort wie nach sei- che« auf den Weg brachten. Lechner in Stuttgart jedoch sowohl Hof- das Lied Es ist ein Ros auf Chorausflügen Tisch- Leipzig, während der er ner Pensionierung, die Leonhard Lechner Athesinus hat die- komponist als auch Leiter der Kapelle.­ entsprungen (EG 30), das gebet. Noch ehe um 1980 zum Anhänger Martin er wieder in Torgau ver- se Entwicklung bereits vor 1600 mitge- In Stuttgart entstand sein umfangreichs- mit Praetorius’ vierstim- der Boom der Alten Mu- Luthers wurde, trat Wal- brachte, feilte er unab- prägt. Aus Südtirol stammend (der Bei- tes Werk, die motettische Passion nach migem Satz zu einem sik ansetzte, hatte Schütz ter 1520 in die ­sächsische lässig am mehrstimmigen name »Athesinus« deutet auf die Etsch / dem Evangelisten Johannes. Lechner der berühmtesten Weih- den Weg zu ihr geebnet, Hofkapelle unter Kurfürst Liedsatz, wovon sowohl die Athesis hin), kam er als Knabe zur Hof- orientiert sich hier eng an der liturgi- nachtslieder wurde. In dem- und zwar in echter musika- Friedrich dem Weisen ein. Magnificat-Bearbeitungen als kapelle München. Als Schüler Orlando schen Tradition, verknüpft diese aber selben Druck erschien 1609 lischer Breitenarbeit – so breit, Schon bald darauf muss Walter mit auch eine Sammlung deutscher Lied- di Lassos wurde er mit den unterschied- mit emotional ausdrucksvollen Stilmit- der bewegtere, heute dem Dreikönigs­ wie die Kirchenchöre die Gesellschaft dem Reformator selbst in Berührung motetten von 1566 zeugen. Zu Lebzei- lichsten europäischen Kompositions- teln, um die Leidensgeschichte einpräg- fest zugeordnete Satz Der Morgenstern spiegelten. Heute aber ist Heinrich gekommen sein: 1524 erschien die ers- ten wurde Johann Walter im Zusammen- weisen vertraut und wandte sich ent- sam darzustellen. Lechners bedeutends- ist aufgedrungen (EG 69). Jubilate Deo Schütz’ Musik in Kirchenchören nicht te Auflage seines Geistlichen Gesang- spiel mit Martin Luther großer Ruhm zu- schieden der Moderne zu. Wenn Lasso tes Werk, die Deutschen Sprüche von (EG 181.7) hingegen ist im Original (mit mehr selbstverständlich: War sie wirk- büchleins, später nur noch Chorgesang- teil. Indem sie entscheidenden Anteil an dem deutschen Liedsatz eine neue Aus- Leben und Tod, erschien in seinem Ster- dem Text »Bona dies omnes …«, »Gu- lich »Chormusik«? Wie vieles von dem, buch genannt, zu dem Martin Luther die der Entwicklung protestantischen Melo- richtung gab, so haben seine Schüler – bejahr, 1606. Clara Rempe ten Tag, alle …«) ein universeller­ Wid- was alte Musikvirtuosen aus seinen Wer- Vorrede geschrieben hat. Diese Choral- diengutes hatten und sich gleicherma- neben Leonhard Lechner auch Johannes mungskanon an die Nutzer der ach- ken herausholen können, lässt sich in sammlung wurde von Walter im Laufe ßen für die Zusammengehörigkeit­ von Eccard – als Vertreter der jungen protes- ten Musae Sioniae und ist dort Partner eine Chorpraxis übertragen? So hat sich seines Lebens mehrfach revidiert und Theologie und Musik einsetzten, wa- tantischen Kirchenmusik diesen Im- 15. Februar 1572 — 15. Februar 1621 des weltberühmten Kanons Viva, viva la auch Schütz’ Einschätzung gewandelt. neu herausgegeben und markierte somit ren beide wegweisend für die puls aufgegriffen und wegwei- musica. Man kennt ihn als »Alten Meister«, Beginn und Fortentwicklung protestan- evangelische ­Kirchenmusik. send ausgebaut. Nach seiner Von der musikalisch-liturgischen Le- Praetorius entfaltete dieses Wirken doch zunehmend tritt in den Vorder- tischer Mehrstimmigkeit sowie die Be- Umso unverständlicher Zeit als Chorknabe folg- bensleistung Michael Praetorius’ pro- an einem Hof, an dem Musik aus allen grund, wie sehr er zu seinen Lebzeiten reitstellung neuer Weisen für den Kir- erscheint die verblassen- ten Jahre freier Wander- fitiert die Nachwelt bis heute – beson- Teilen Europas zusammenkam. Engli- ein Vorreiter der Moderne war. Noch chengesang unter sorgsamer Pflege des de Nachwirkung Johann­ schaft, vermutlich durch ders von den knapp zehn Jahren, in de- sche Kollegen vermittelten Praetorius um 1580 war die Kursächsische Schul- deutschen geistlichen Liedsatzes. Walters. Seine Verdiens- Italien. In diese Zeit des nen er als Kapellmeister des Herzogs persönlich die moderne Klangwelt der ordnung von Misstrauen gegenüber zeit- 1525 widmeten sich Luther und Wal- te als Komponist, Theo- Reisens muss auch sei- Heinrich Julius von Braunschweig-Wol- Consort Music für Streicher oder Flöten. genössischer Musik geprägt; 1616 setz- ter in vertrauensvoller Zusammenar- retiker, Dichter und Or- ne Konversion fallen. Ab fenbüttel wirkte, einer der wichtigsten Die Kunst der italienischen Mehrchö- te der sächsische Kurfürst dann neben beit in Wittenberg der Umgestaltung der ganisator haben zunächst 1575 lebte er in ­Nürnberg. kunstliebenden protestantischen Fürs- rigkeit gelangte in Form von zahllo- jene »bewährte« Musik als neues Vor- Deutschen Messe. Am Ende stand die nicht die Anerkennung er- Obwohl er dort beruflich – ten der Zeit. Damals gab Praetorius sen Notendrucken nach Wolfenbüt- bild die Psalmen Davids des jungen Erprobung der neuen Gottesdienstord- fahren, die ihm im Hinblick auf als Schulgehilfe an St. Lorenz – 13 große Sammlungen eigener Komposi- tel. So konnte Praetorius sich die Kunst Schütz, der in Venedig beim internatio- nung in der Wittenberger Stadtkirche im seine reformationsgeschichtliche Be- unter seinen Möglichkeiten blieb, wur- tionen in Druck – allein in den neun Bän- selbst aneignen, Ensemblegruppen von- nal berühmten Giovanni Gabrieli ausge- Oktober 1525, die die Musikalisierung deutung erst allmählich wieder beige- de Lechner in Nürnberg sesshaft, kom- den der Musae Sioniae (»Musen ­Zions«) einander zu scheiden, sie über ein gan- bildet worden war. Damit wurde Schütz der einstimmigen liturgischen Gesangs- messen wird – auch wenn das einzig er- ponierte viel und übernahm ab 1582 ­finden sich hunderte Kompositionen. Im zes Kirchengebäude verteilt aufzustel- auch zu einem politischen Komponis- formen in deutscher Sprache einleitete. haltene Porträt in Torgau seit 1945 ver- die Leitung der Musikpflege der Stadt. Zentrum steht das lutheri­sche Lieder- len und so in der Raumarchitektur im- ten. Schon das Reformationsjubiläum Nach der Auflösung der Hofkapelle be- schollen ist. Clara Rempe Charakteristisch für seine Nürnberger Korpus, welches das ­ posante Klangerlebnisse inszenieren. 1617 erhielt mit seiner Musik eine beson- gann Walter mit dem Aufbau der Tor- Zeit ist die Entstehung mehrerer Lied- jahrhundert hatte entstehen Diese italienische Kunst wur- dere Note. Und wo immer der sächsische gauer Stadtkantorei. An die Stelle der Leonhard Lechner sammlungen, die seinen Anteil an der lassen. In einer geradezu de wichtiger Bestandteil sei- Kurfürst mit Versuchen auftrat, das zer- Hofkapelle trat die Schul- und stadtbür- Ausbildung und Prägung der Liedmo- enzyklopädischen Breite ner Arbeit mit dem luthe- rüttete Deutschland zu befrieden, wur- gerliche Kantorei, die den kirchenmusi- Athesinus tette des 16. Jahrhunderts eindrucks- brachte Praetorius die- rischen Kirchenlied. Sein de dies stets von Schütz’ Musik begleitet. kalischen Dienst in der gesamten Stadt um 1553 — 9. September 1606 voll bezeugen. Diese Sammlungen ent- sen Lieder­schatz seinen Wirken begleitete er mit Sei es beim Kurfürstentag 1627 in Mühl- zu versehen hatte und damit eine Dop- Einer der wichtigsten Komponisten pro- halten sowohl weltliche als auch geist- Mitmenschen neu nahe, Schriften, die das Mu- hausen oder beim Treffen der evangeli-

pelfunktion erfüllte. Mit dem Aufbau testantischer Kirchenmusik vor Hein- liche Lieder. Lechner ist damit sowohl Musik und Reformation Musik und Reformation teils in kleinsten Beset- sikdenken seiner Nach- schen Fürsten in Leipzig 1631. Als Sach- dieser Kantorei und der damit verbun- rich Schütz war Leonhard Lechner. Wa- die Entwicklung des deutschen Gesell- zungen (so, wie es Lehr- welt prägten. Das dreitei- sen dann in den Kriegsstrudel geriet, denen neuen Organisationsform einer ren Giovanni Pierluigi da Palestrina schaftsliedes als auch die Fortentwick- stoff für lutherischer La- lige Syntagma musicum übernahm Schütz Dienste in Kopenha-

kunstvoll entfalteten Kirchenmusik im und Orlando di Lasso unbestritten die lung des protestantischen Kirchenliedes EKD 2012 EKD 2012 teinschüler sein konnte, die bietet ein Kompendium zur gen, um jahrelang am anderen Ende der

24 Komponisten.Kolumnentitel Boten der Reformation Komponisten. Boten derKolumnentitel Reformation 25 dänisch-sächsischen Achse lutherischer beruflichen Zusammenarbeit sind dem siebzig Melodien Crügers, unter ande- Auch Gesangbuchdichtung mit im- das von Paul Wagner besorgte Gesang- Psalm 38 oder dem Lukasevangelium? In Kultur zu wirken. Dabei setzte Schütz Kantor und dem Pfarrer geschenkt. Ken- rem Wie soll ich dich empfangen, Auf, mer wieder neu geschaffenen Choral- buch in acht Bänden. Damit stand Bach Kapitel 17, 13 heißt es, die Aussätzigen wiederum Zeichen des Modernen. nengelernt haben sie sich schon früher, auf, mein Herz, mit Freuden, Schmücke melodien behielt über viele Generatio- ein autoritatives Nachschlagewerk mit »erhoben ihre Stimme und sprachen: Je- 1628 / 29 ein zweites Mal in Italien vielleicht 1643, als Gerhardt wohl erst- dich, o liebe Seele, Nun danket all und nen hin ihre dominierende Stellung in knapp 5.000 Kirchenliedtexten ohne sus, lieber Meister, erbarme dich unser!« fortgebildet, wurde er in Mitteleuropa malig nach Berlin kam. Doch wie kam bringet Ehr, Jesu, meine Freude und Lo- der kirchenmusikalischen Kunst, die sie Melodien zur Verfügung. Während das Dieser Vers erklingt nicht im Chorsatz der ein Wegbereiter des solistisch-virtuosen der Musiker dazu, sich mit der Verto- bet den Herren alle, die ihn ehren. Crü- dann freilich im Zeitalter Johann Sebas- Original aus Bachs Besitz verschollen Kantate, dennoch vertont Bach ihn in Ge- »Kleinen geistlichen Konzerts«, das – nung von Liedtexten einen unvergängli- ger muss beliebt und anerkannt gewe- tian Bachs weitgehend einbüßen muss- ist, kann sein Exemplar des von Micha- stalt des Chorals und seiner inhaltlichen bald mit, bald ohne Instrumente – neben chen Namen zu machen? Wie sah sein sen sein, der Stadt zugewandt, den Freu- te. Die geistlichen Kantaten und Orato- el Weisse herausgegebenen Gesangbu- Bezugnahme. Denn der Gesangbuchken- der Orgel zu singen ist. Werke, die wegen Lebensweg aus? Crüger wird in Groß den des Lebens nicht abgeneigt, auch rien des 18. Jahrhunderts zogen den Bi- ches der böhmischen Brüder von 1538 ner Bach erinnert hier an das Kirchenlied ihrer technischen Ansprüche Kirchen- Breesen im heutigen Guben geboren, das wenn die strengen Gesichtszüge, die wir beltexten sprachlich neu gefasste Para- nachgewiesen werden. Daran, dass der Ach Herr, mich armen Sünder von Cyria- chören nicht zugänglich werden, aber damals zu Böhmen gehört. Nach dem in den Porträts sehen, wohl manche sei- phrasen von Worten der Heiligen Schrift Komponist auf ein breit gefächertes Re- cus Schneegaß (1597), das schon früher eben gleichfalls zentrales lutherisches Besuch der Lateinschule begibt er sich ner 19 Kinder von Zeit zu Zeit gefürchtet vor. Das Kirchenliedrepertoire blieb zu- pertoire von Kirchenliedern zurückgrei- als die gerhardtsche Dichtung auf diesel- Kulturerbe sind, wurden so nach 1650 als 15-jähriger auf Wanderschaft. Ein haben müssen. Der wahrscheinlich be- nehmend dem Gemeindegesang über- fen konnte, kann also kein Zweifel beste- be Melodie gesungen wurde. Der Kompo- zu einem musikalischen Leitbild des Lu- weiterhin lernender, suchender junger deutendste Melodienschöpfer des evan- lassen und verlor seinen Stellenwert in hen. Hinzu tritt die Beobachtung, dass nist meint insbesondere die zweite Stro- thertums. Schütz war zugleich konfes- Mann, der seine Berufung und seinen gelischen Kirchenliedes seit der Refor- der Kunst. er sich bei der Auswahl geeigneter Lied- phe, die sich unmittelbar mit dem Psalm- sioneller Kosmopolit. Als Kapellkna- Beruf zu erspüren hat, so stelle ich mir mationszeit stirbt 1662 im Alter von 63 Johann Sebastian Bach blieb von der strophen und passender Melodien weit- text verbindet und zugleich die Betonung be in Kassel lernte er calvinistische Mu- Crüger wenige Jahre vor Ausbruch des Jahren und wird an seinem ehemaligen Tendenz seiner Zeit keineswegs unbe- gehend auf den klassischen Vorrat von des Individuellen (ich, mein) verstärkt, sikkultur kennen; in Venedig wünsch- Dreißigjährigen Krieges vor. Sorau, Bres- Wirkungsort, in der Nicolaikirche, be- rührt, wenn wir an sein Oster­ der Reformationszeit bis um die auf die auch der Psalmist zielt: te sich der Katholik Gabrieli Schütz als lau, Olmütz (Jesuitenkolleg), Regens- stattet. Christian Finke oratorium denken, das auf Mitte des 17. Jahrhunderts seinen Nachfolger als Organist an San burg (»Poetenschule«) sind einige­ Orte, Bibeltexte und Choral­ mit den wesentlichen Eck- »Heil du mich, lieber Herre, Marco. Der lutherische Kurfürst in Sach- an denen er sich aufhält. In der Stadt Johann Sebastian strophen vollständig ver- punkten Martin Luther Denn ich bin krank und schwach, sen riskierte eine diplomatische Kri- an der Donau begegnet er der moder- zichtet. Dennoch blieb er und Paul Gerhardt be- Mein Herz betrübet sehre, se, als er Schütz aus Kassel nach Dres- nen Musik Giovanni Gabrielis, dessen Bach mehr als die meisten sei- schränkte. Höchst selten Leidet gross Ungemach. den abwarb. Dort vertonte Schütz dann Schüler Paul Homberger Crügers Leh- 21. März 1685 — 28. Juli 1750 ner Zeitgenossen der lu- machte Bach Gebrauch in den Cantiones sacrae auch genau die rer wird. Weiter zieht Crüger durch Ös- Die insgesamt einflussreichste und therischen Tradition des von jüngeren und neues- Mein G’beine sind erschrocken, Texte, die im Andachtsbuch des katho- terreich und Ungarn, wo er sich einige nachhaltigste Errungenschaft Martin 16. und des 17. Jahrhun- ten Liedern und Melodien. Mir ist sehr angst und bang, lischen Kaisers standen. Um 1650 war Zeit in Preßburg aufhält, durch Mähren Luthers besteht in einem für den Geist derts bewusst verpflichtet, Bachs intensive und lebendi- Mein Seel ist auch erschrocken, die wichtigste italienische Kontaktper- und erneut durch Böhmen nach Frei- der Reformation an Bedeutung kaum ja gab ihr gerade im Blick auf ge Auseinandersetzung mit Bi- Ach du Herr, wie so lang!« son dieser lutherischen Identifikations- berg in Sachsen. Zwei Jahre des Reisens zu überschätzenden und untrennba- ihre tragenden Säulen Bibel und Ge- bel und Gesangbuch als den entschei- figur der katholische Hofkapellmeister­ liegen hinter ihm, als er 1615 wohl erst- ren Bücherpaar: die Heilige Schrift in sangbuch eine neue Dimension. Was sei- denden Quellen seiner kirchenmusika- Diesen Ruf der Aussätzigen um Er- in Warschau. Das alles macht auch den malig Berlin betritt. Weitere Reisejahre deutscher Übersetzung und das Gesang- nen Umgang mit Bibel und Gesangbuch lischen Werke erweist sich am deutlichs- barmen übernimmt Bach im Bläsercho- internationalen »neuen Schütz« aus, folgen. Für ein Theologiestudium zieht buch. Diese beiden reformatorischen Le- besonders auszeichnet, ist nicht allein ten dort, wo es ihm als Komponist um ral, der somit die flehenden Stimmen der, nicht zuletzt durch die Wende von er in die lutherische Hochburg Wit- bensbegleiter haben in der Folgezeit die das ungewöhnlich hohe künstlerisch- inhaltsbezogenen musikalischen Aus- der Aussätzigen vertritt. In diesem expli- 1989 beflügelt, im Boom der al- tenberg. Seine guten musikali- christliche Kultur insgesamt und über musikalische Niveau seiner einschlägi- druck geht. Das gilt insbesondere für zit und implizit geführten Dialog dreier ten Musik einen zentra­len schen Kenntnisse verschaf- alle Konfessionsgrenzen hinweg, insbe- gen Vertonungen, sondern auch die ge- sein umfangreiches Kantatenwerk. Ein Textschichten aus dem Alten und Neu- Platz erhalten hat. ­Immer fen ihm aber bereits 1622 sondere jedoch die Glaubenspraxis der radezu wissenschaftliche Erarbeitung konkretes Beispiel aus dem ersten Leip- en Testament sowie dem Gesangbuch neu lässt sich erleben, die Berufung nach Berlin. christlichen Gemeinde wie die Institu- der Texte und ihre theologisch-inhaltli- ziger Amtsjahr des Thomaskantors Bach schafft Bach ein theologisch interpre- dass Schütz ein Meister­ Als Kantor an der Nico- tion des Gottesdienstes, ein für allemal che Durchdringung mit dem deutlichen mag stellvertretend für zahllose andere tierendes Ausdrucksgemälde, wie es mit des ­musikalischen Aus- laikirche ist er zugleich grundlegend verändert. Das Hören, Le- Ziel, ­Martin Luthers Ansicht vom Ver- erläutern, welcher Stellenwert dem Zu- Worten kaum adäquat beschrieben wer- drucks war. Dies gilt Lehrer, und zwar am lan- sen und Lernen der Heiligen Schrift in kündigungscharakter der Musik im Sin- sammenhang von Bibel und Gesang- den kann. Denn die Musik vermag ganz nicht nur dafür, wie er desweit berühmten Gym- der Muttersprache, wie das Singen von ne von Deus praedicavit etiam per musi- buch in der musikalischen Interpretati- anders als das gesprochene Wort »unter christliche Botschaft ver- nasium Zum Grauen Klos- Kirchenliedern im Gottesdienst und an- cam (WA, Tischreden Nr. 1258) komposi- on des Komponisten zukommt. die Haut« zu gehen. Bachs kirchenmu- mittelt. Gottes­dienstliche ter. Pädagogik und Kirchen- dernorts zum Lobe Gottes, zum Lernen torisch umzusetzen. Dem Eingangschor der Kantate Es sikalisches Werk belegt seine umfassen- Hörer ebenso wie Interpreten er- musik, auch heute eine wie- und Bewahren der Glaubensinhalte wie Bachs »Komponirstube« war ­unter ist nichts Gesundes an meinem Leibe de Bibelkenntnis, sein ausgeprägtes In- leben die Eleganz und gehaltliche Tie- der neu bedachte Kombination für auch zur geistlichen Erbauung, mach- anderem ein Ort profunder theologi- (BWV 25) zum 14. Sonntag nach Trini- teresse an exegetischer Literatur sowie fe seiner musikalischen Linienführung, den Kantorenberuf. Gewichtige theore- te im frühen 16. Jahrhundert dem Men- scher Reflexion. Der Besitz einer wissen- tatis liegt ein alttestamentlicher Psalm- seine detaillierte Beherrschung des Ge- die es für Sänger in jeder Stimmlage zu tische Schriften publiziert Crüger eben- schen seinen Stellenwert vor Gott neu schaftlich-theologischen Bibliothek war vers zugrunde: »Es ist nichts Gesundes sangbuchs und bezeugen damit seine be- einer dankbaren Aufgabe macht, seine so wie Kompositionen für die Praxis an bewusst und besiegelte damit das Ende für einen Komponisten keine Selbstver- an meinem Leibe vor deinem Dräuen [we- sondere Verbundenheit zur lutherischen Musik aufzuführen. Konrad Küster St. Nicolai. des Mittelalters. Bibel und Gesang- ständlichkeit – schon gar nicht, dass sie gen deines Drohens] / und ist kein Friede Tradition und dem Geist der Reforma- In gewissem Sinne ist Crüger ein öku- buch boten den Komponisten der Re- (wie Bachs Nachlassverzeichnis belegt) in meinen Gebeinen vor [wegen] meiner tion. Insbesondere das Kantatenwerk Johann Crüger menisch Agierender. Im Auftrag des re- formationszeit den nahezu ausschließ- die beiden großen Gesamtausgaben der Sünde« (Psalm 38, 4). Diesen Vers ver- zeigt allenthalben, wie der Komponist 9. April 1598 — 23. März 1662 formierten Hofes – 1613 »konvertiert« lichen, überaus reichhaltigen und viel- Schriften Martin Luthers enthielt: die tonte Bach als vierstimmigen Chorsatz Bach in einem gleichsam vormusikali- Kurfürst Johann Sigismund zum Calvi­ fältigen Stoff für ihre kirchenmusikali- achtbändige alte Jenaer Ausgabe von mit Orchester, der im Rahmen des Gottes- schen Akt als Leser beginnt, der den zu Manchmal beflügelt die Begegnung nismus, die Stadt und damit die Bürger­ schen Werke, die sich darin wesentlich 1555 bis 1558 und die jüngere zehnbän- dienstes unmittelbar nach der Evangeli- vertonenden Text vom Inhalt und Kon- zweier Menschen ihr Können, motiviert schaft bleibt lutherisch – gibt er 1658 die von der vorreformatorischen Tradition­ dige Altenburger Ausgabe von 1661 bis enlesung des Sonntages, Lukas 17, 11–19 text her verstehen will und dann über- sie zu gesteigerter Kreativität und führt Psalmodia sacra heraus, die unter ande- unterschieden. Sogenannte »Saft- und 1664; dazu noch Einzelbände mit den (Jesus begegnet zehn Aussätzigen) er- legt, wie das Verstandene am besten in sie zu produktiven Sternstunden. Eine rem das Liedgut der Reformierten, den Kraftsprüche« des Alten und Neuen Tischreden, dem Psalmenkommentar klang. Dem vokalen Chor tritt später ein lebendige musikalische Sprache über- solche Sternstunde kirchenmusikali- Genfer Psalter in der deutschen Übertra- Testaments wie Fürwahr er trug unsere und der Hauspostille. Exegetische Wer- ebenfalls vierstimmer ­Bläserchor gegen- setzbar ist. scher Art liegt in dem Zusammentreffen gung durch Ambrosius Lobwasser, ent- Krankheit … oder Also hat Gott die Welt ke und Bibelerklärungen des 17. Jahr- über, der zeilenweise eine ganze Choral­ In Martin Luthers Tischreden findet von Johann Crüger und Paul Gerhardt hält. Das Gesangbuch allerdings, das geliebt, dass er uns seinen eingebore- hunderts spielten in Bachs Handbiblio- strophe ohne Text bietet, und zwar mit sich dazu die charakteristische Bemer- im Berlin des 17. ­Jahrhunderts. Im Jah- mit Crügers Namen unauslöschlich ver- nen Sohn gab und Evangelienmotetten thek eine wichtige Rolle, darunter insbe- der Melodie Herzlich tut mich verlan- kung: »Die Noten machen den Text le-

re 1657 wird der fünfzigjährige­ Gerhardt bunden bleiben wird, ist die Praxis pi- durch das ganze Kirchenjahr hindurch Musik und Reformation Musik und Reformation sondere die dreibändige annotierte Bi- gen, die sich vor allem­ mit Paul Ger- bendig.« Eine Aussage, die zugleich als an die Nikolaikirche berufen. Dort ist etatis melica, die bis Mitte des 18. Jahr- bestritten über sehr lange Zeit den Chor- belausgabe von Abraham Calov. Bachs hardts Lied O Haupt voll Blut und Wun- eine zentrale Voraussetzung für Johann Crüger, neun Jahre älter, schon seit 1622 hunderts fast fünfzig Auflagen erlebt. In gesang zur Zierde des Gottesdienstes Bibliothek enthielt auch das seinerzeit den verbindet. Welchen Sinn aber hätte Sebastian Bachs musikalische Kunst

als Kirchenmusiker tätig. Fünf Jahre der ihr finden sich nach und nach die über und Vertiefung der biblischen Botschaft. EKD 2012 EKD 2012 umfangreichste hymnologische Werk, ein Passionslied im Zusammenhang mit gelten kann. Christoph Wolff

26 KolumnentitelKomponisten. Boten der Reformation Komponisten. Boten derKolumnentitel Reformation 27 Friedrich II. wo der flötespielende König gemein- 19. Jahrhunderts verbunden. Im Falle lagen bereits circa 150 Werke vor, darun- Verständnis der Dirigentenrolle erfüllte »wirklicher Kirchenmusik« als »integr­ sam mit Gleichgesinnten sich der Mu- von Mendelssohn kamen antisemitische ter auch ein Magnificat (1822), ein Ky- das Orchester bald nicht mehr nur An- ierender Theil« des Gottesdienstes ge- von Preußen sik und dem Musizieren widmete (und Vorurteile hinzu, die schon bei Richard rie (1823) und ein Salve Regina (1824). sprüche, sondern setzte neue Maßstäbe. äußert und dabei direkt auf die spärli- 24. Januar 1712 — 17. August 1786 wo die Grenzen zwischen dem Monar- Wagner begannen und unter dem nati- Mit dem Oktett Op. 20 und der Ouvertü- 1843 wurde durch Mendelssohns Bemü- chen Möglichkeiten der preußischen Ein musischer Geist war er, zweifellos. chen und seinen Untertanen gleichsam onalsozialistischen Regime bekanntlich re zum Sommernachtstraum Op. 21 legte hungen das erste deutsche Konservato- Agende von 1829 verwiesen. Über derlei Unter den preußischen Königen nimmt verschwammen), sind das beste Bei- zum völligen Aufführungsverbot seiner der 16- beziehungsweise 17-jährige erste rium der Musik in Leipzig gegründet. Zu Grenzen setzte sich Mendelssohn in den Friedrich II., nachmals »der Große«­ spiel dafür. Quantz und Graun waren Musik führten. Immerhin hatten der- Meisterwerke vor. seinen vielfältigen Pflichten als Kompo- für Berlin entstehenden Werken hinweg, genannt, damit eine gewisse wieder mit von der Partie, aber artige Vorurteile am Ende des 19. Jahr- Am 11. März 1829 fand die legendäre nist, Dirigent, Pianist, Organist und Mu- was wohl – von Zustimmung aus der Ge- Sonderstellung ein. Für Phi- auch Carl Philipp Emanu- hunderts dazu geführt, dass ein geplan- Aufführung der Matthäuspassion Bachs sikorganisator kam nun noch diejeni- meinde abgesehen – nur dank des könig- losophie und ­Geschichte el Bach. 1747 kam gar der tes Mendelssohnfenster in der Leipzi- mit der Berliner Singakademie statt, mit ge des Pädagogen hinzu. Es ist unmög- lichen Wohlwollens akzeptiert wurde. hat er sich interessiert­ »alte Bach« aus Leip- ger Thomaskirche verhindert wurde – der der gerade zwanzigjährige Dirigent lich, die Vielzahl kirchenmusikalischer Nicht unerwähnt bleiben darf schließ- und auch für theologi- zig für einige Tage nach ein Makel, der erst vor wenigen Jahren – trotz anfänglicher Skepsis seines Leh- Werke zu nennen – die stattliche Zahl lich seine Bedeutung für die Orgelmu- sche Fragen, die anti- Potsdam und Berlin. Für durch die Vervollständigung der »Eh- rers und Mentors Zelter – ein entschei- von Motetten, Psalmkompositionen und sik, die sich in den Präludien und Fugen ken Dichter studierte er Friedrich waren diese renfenster« in St. Thomas getilgt wer- dendes Signal zur Wiederentdeckung Choralkantaten –, die im Laufe der Jah- Op. 37 (gedruckt 1837/38) und den Sona- ebenso wie zeitgenössi- Abende eine Zeit des Ein- den konnte! Der Wechsel von Zustim- des Bachschen Vokalwerkes und zu- re entstanden und die teilweise auch für ten Op. 65 (1845) wie in den erst neuer- sche Autoren. Seine eige­ tauchens in eine Welt ab- mung und Reserviertheit gegenüber ei- gleich einen deutlichen Beweis seines Zwecke der anglikanischen Liturgie be- dings vollständig zugänglichen, seiner- nen literarischen Ambitio­ seits der großen Politik, der nem Komponisten im Laufe der Zeiten musikhistorischen Scharfsinns gab. Zu stimmt waren, da Mendelssohn gerade zeit ungedruckt gebliebenen Werken nen fanden in zahlreichen Staats- und Kriegsgeschäfte, in mag vielerlei und nicht immer offen zu den Zuhörern gehörten Schleiermacher nach England Kontakte pflegte und Rei- zeigt. Auch hier verband er historisch- Schriften ihren Niederschlag, darun- eine Welt des Schönen und Erhabe- Tage liegende Gründe haben. Das der- und Hegel, bei dem Mendelssohn üb- sen dorthin unternahm. kontrapunktische Reflexionen mit ei- ter auch in einigen auf Französisch ab- nen. Es ist bezeichnend, dass er sämt- zeitige Interesse an Mendelssohn ist aber rigens 1827/28 auch Vorlesungen hör- Noch viel weniger können die Orato- nem konzertant-virtuosen, die zeitübli- gefassten Prosaentwürfen zu Opernli- liche anfallende Kosten nicht aus der auch der Musikwissenschaft zu verdan- te. Hinsichtlich der Startbedingungen rien angemessen gewürdigt werden, de- che Dürre bescheidener Funktionalität bretti. Im Mittelpunkt seiner Beschäfti- Staatskasse, sondern aus seiner Privat- ken, die ihm seit circa 1970 einen schär- und Lebensausstattung fand sich Men- nen nach dem Paulus der 1846 in Bir- überbietenden Anspruch, ohne den geis- gung mit den Künsten stand jedoch die schatulle beglich. Nicht zuletzt konnte feren analytischen Blick gewidmet hat delssohn also in Verhältnissen vor, wie mingham uraufgeführte, umjubelte Eli- tig-kirchenmusikalischen Bezug zu leug- Musik. Sie bot Friedrich Zerstreuung sich Friedrich auch seiner eigenen Mu- und dabei nicht zuletzt mit dem Kli- sie wohl keinem anderen Komponisten as folgte (ein drittes Oratorium Christus nen, wie an der Einbeziehung von Cho- und Erbauung, sie war Ernst und Spiel sik zuwenden. Er, der das Flötenspiel schee aufräumen konnte, Mendelssohns der Zeit zuteil geworden sind. Dies fiel blieb unvollendet). Mit diesen Werken rälen deutlich wird. Damit hatte er ein zugleich. Die wesentliche Prägung er- offenbar auf einem erstaunlich hohen, Musik sei von klassizistischer Glät- aber umso mehr als Leistungsanspruch reflektierte der Komponist Modelle der ganz neues Gattungsmodell geschaffen. hielt er während seiner Kronprinzenzeit, annähernd professionellen Niveau be- te und verdächtiger Mühelosigkeit ge- auf ihn zurück. Allein des Broterwerbs alten Kirchenmusik, in den Chorwer- Kirchenmusik, womit nicht nur funk- vor allem im Zuge seines Aufenthalts herrschte, war bekanntlich auch kom- kennzeichnet und noch darüber hinaus wegen hätte er wohl kaum einer geregel- ken a cappella beispielsweise Palestri- tional-gottesdienstliche Musik gemeint auf Schloss Rheinsberg, einem wahren positorisch aktiv: Mehr als 120 Sonaten viel zu sehr an historischen Modellen ten Berufstätigkeit bedurft. Nach eini- na, in den Choralkantaten und Orato- sein kann, durchzieht, im Unterschied zu »Musenhof«, in den späten 1730er-Jah- für Flöte und Cembalo sind nachgewie- orientiert. Die genauere Untersuchung gen Reisejahren, die mit einer längeren rien Bach, aber auch Händel. Zugleich den meisten seiner Zeitgenossen, Men- ren. In dem märkischen Städtchen ver- sen, hinzu kommen vier Flötenkonzerte, des Quellenmaterials zeigte indes, dass Periode kompositorischer Selbstzwei- verstand er es, aus den Vorbildern den delssohns gesamtes Œuvre. Indem er sti- sammelte Friedrich eine Reihe erstklas- drei Sinfonien und mehrere Arien. Zu- Mendelssohns Musik keineswegs mühe- fel einhergingen, wurde er 1833 Gene- Funken der eigenen Zeit zu schlagen. listisch nicht zwischen »weltlicher« und siger Musiker um sich, unter ihnen den mindest bis zur Mitte des 18. Jahrhun- los entstanden ist, sondern das Resul- ralmusikdirektor in Düsseldorf und da- Das ließe sich an der Behandlung des »geistlicher« Musik unterschied und den- Flötenvirtuosen Johann Joachim Quantz derts repräsentieren Friedrichs Werke tat kompliziert abwägender, im Ergebnis mit auch für die Kirchenmusik der ka- Orchesters und der thematisch-motivi- noch die historische ­Tiefendimension und den Komponisten Carl Heinrich den aktuellen Stand des Komponierens, kaum noch erkennbarer Arbeit darstellt. tholisch geprägten Stadt zuständig. schen Arbeit ebenso aufzeigen wie an der Kirchenmusik respektierte, gab er Graun, den späteren preußischen Hof- danach beginnen sie ein wenig altmo- So wurde der Blick auf die Mehrschich- Schon zuvor hatte er 1829 für das 1830 der Harmonik. Beachtenswert ist auch dieser einen Rang zurück, der ihr wegen kapellmeister. Die zunächst noch kleine, disch zu wirken. Gegen Ende seines Le- tigkeit dieser Musik frei. anstehende 300-jährige Jubiläum der die Textzusammenstellung für die Ora- mangelnder Autonomie und weitgehen- dann immer weiter ausgebaute Rheins- bens scheint er ohnehin sein vormals so Felix Mendelssohn wurde in Ham- Confessio Augustana die Arbeit an ei- torien, die der bibelkundige Komponist der Textbindung (als Gegensatz zur rei- berger Hofkapelle, die Friedrich nach großes Interesse an der Musik verloren burg geboren, starb in Leipzig und ner Symphonie begonnen, in deren Eck- nach mancher Beratung mit Freunden nen Instrumentalmusik)­ von den vorherr- seiner Thronbesteigung 1740 nach Ber- zu haben: Von der Hofoper gehen kaum wuchs in Berlin als Sohn eines Banki- sätzen er Luthers Ein feste Burg einfüg- letztlich selbst in die Hand nahm. Schon schenden Normen damaliger ­Ästhetik lin überführte, entwickelte sich rasch mehr Impulse aus, die praktische Mu- ers und Enkel des Philosophen Moses te. Das Werk, die Reformationssympho- im Lobgesang Op. 52 (1840) gelang ihm eher abgestritten wurde. Bedeutsam zu einem leistungsfähigen Klangkörper, sikausübung kommt zum Erliegen. Und Mendelssohn auf. Damit war er im groß­ nie, gelangte verspätet 1832 zur Urauf- die Versöhnung zwischen symphoni- wurde dieser Werkbestand durch jene der zu repräsentativen Anlässen eben- dennoch hat Friedrich als Kronprinz wie bürgerlichen, aufgeklärt assimilierten führung, wurde aber hernach schen und vokalen Traditionen, ­Anteile, mit denen er sich liturgischer so zur Verfügung stand wie für private als König dafür gesorgt, die Musen an jüdischen Milieu verwurzelt, das ihm vom Komponisten verwor- indem das vokale Element – Verwendung anbot, ohne sich den For- musikalische Unternehmungen. In sei- Spree und Havel wieder heimisch wer- reichste geistige Anregungen inmitten fen und erst posthum ver- anders als in Beethovens derungen liturgischer Dienstbarkeit un- ner Förderung der Musik fuhr Friedrich den zu lassen. Detlef Giese der intellektuellen und künstlerischen öffentlicht. Als Opus 23 IX. Symphonie – nicht terzuordnen. Dürfte sich schon in diesem­ stets doppelgleisig. Auf der einen Seite Elite Berlins bot. Zum Freundeskreis erschien 1830 eine Kir- nur der Finalsteigerung Querstand von Liturgie und artifiziellem war er darauf bedacht, sie in Staat und Felix Mendelssohn des Elternhauses gehörten unter ande- chenmusik genannte dient, sondern zum inte- »Aufwand« ein essenzielles und zu be- Gesellschaft offiziell zu verankern: Der rem Humboldt, Schleiermacher, Heine Sammlung, in der sich gralen Teil eines komple- wahrendes Kennzeichen evangelischer Bau der Königlichen Hofoper Unter den Bartholdy und Schadow, die auch die halböffentli- katholisches (Ave Ma- xen symphonischen Ab- Kirchenmusik ausdrücken, so ist die Ak- Linden gehört in diesen Zusammen- 3. Februar 1809 — 4. November 1847 chen Hauskonzerte besuchten, in denen­ ria) und evangelisches Re- laufes wird. In den 1840er- tualität und Präsenz von Mendelssohns hang. Mit künstlerisch hochstehenden Noch vor wenigen Jahrzehnten ­hätte die ersten Kompositionen des Knaben pertoire vereint findet. Die Jahren setzte sich Mendels­ Musik damit doch nicht erklärt. Dass uns Opernaufführungen wie mit anderen öf- man die Erinnerung an Mendelssohn aufgeführt wurden. 1816 ließ der Vater Düsseldorfer Jahre gaben Men- sohn nochmals mit den Pro- für diese die Ohren wieder geöffnet sind, fentlichkeitswirksamen Veranstaltun- Bartholdy bestenfalls einer Randnotiz­ ihn und seine Geschwister protestan- delssohn allmählich wieder stärkeres blemen funktionaler Kirchenmusik liegt auch daran, dass wir theologisch gen (wie etwa Redouten oder Hochzeits- für würdig gehalten. Das Ideal einer tisch-reformiert taufen. Zeitlebens hielt Selbstvertrauen. Im Zentrum seiner Ar- auseinander. Als Friedrich Wilhelm IV. und spirituell den Wert einer subjektiven, feierlichkeiten) fiel auf die bislang nicht klanglich herberen und dem »objek- sich Mendelssohn zur reformierten Ge- beit stand das Oratorium Paulus Op. 36, ihn nach Berlin holen wollte, scheu- die emotionale Seite der Religion zum eben prachtvolle preußische Residenz tiven« Geist der Liturgie verpflichte- meinde, der auch seine spätere Frau, die das zwar erst 1836 in Leipzig vollendet, te Mendelssohn zwar den völligen amt- Klingen bringenden Musik als notwendi- der Glanz einer höfischen Kultur, wie sie ten Kirchenmusik, wie es vor allem in aus Frankfurt am Main stammende Cé- aber in Düsseldorf uraufgeführt wurde. lichen und privaten Wechsel dorthin, ge Ausdrucksform des Glaubens wieder in anderen europäischen Städten bereits Deutschland seit der »kirchenmusikali- cile Jeanrenaud, angehörte. Lutheraner 1835 übernahm Mendelssohn das Amt ließ sich aber doch 1842 nach bemer- schätzen gelernt haben. Um sich dieses seit Längerem etabliert war. schen Erneuerung« der 1920er-Jahre bis war Mendelssohn also nicht, wohl aber des Leipziger Gewandhauskapellmeis- kenswert selbstbewussten Verhandlun- zu vergegenwärtigen, bedarf es nicht der Auf der anderen Seite spielten sich über die Mitte des vorigen Jahrhunderts von einem bibelfrommen, mild-unierten ters. Mit seinen Programmen, mit Ur- gen mit dem König die »Oberaufsicht großen Oratorien. Es genügen kleine »Per-

Friedrichs Bemühungen um die Musik hinaus favorisiert wurde, war zugleich Geist geprägt, in dem er auch seine jü- Musik und Reformation Musik und Reformation aufführungen und einem historische über die Kirchenmusik« am Dom und len«, wie die Motette Herr, nun lässest du in kleinen Zirkeln beinahe im Verborge- mit einer historischen Rückkoppelung dischen Wurzeln nie verleugnete. Ohne Musik einschließenden, breit ausgeleg- für den neu gegründeten Domchor über- deinen Diener in Frieden fahren, die Men- nen ab. Die legendär gewordenen Kam- an das 16. bis 18. Jahrhundert und ei- Übertreibung darf man ihn als musikali- ten Repertoire, renommierten interna- tragen. Bereits 1835 hatte sich der Kom- delssohn kurz vor seinem Tode kompo-

mermusiken auf Schloss Sanssouci, ner Abwertung der Kirchenmusik des sches Wunderkind bezeichnen. Bis 1824 EKD 2012 EKD 2012 tionalen Solisten und einem neuartigen ponist skeptisch über die Möglichkeiten nierte. Christoph Krummacher

28 Komponisten. Boten der Reformation Komponisten. Boten der Reformation 29 Johannes Brahms Warum ist das Licht gegeben dem Müh- Musikerlaufbahn noch Engagement für einem konkreten »Sitz im Leben« zu die- von »Fanny«. Sie stirbt allerdings an Sil- im heimatlichen Weiden (Oberpfalz) im 7. Mai 1833— bis 3. April 1897 seligen auf wiederum selbst gewählte Bi- evangelische Kirchenmusik nahe. In der nen. Es entstehen als Liturgische Gesän- vester 1892, kurz nachdem ihr am Hei- Jahr 1898, kurz bevor er mit der Choral- belworte schaffen. In zwei späten Opera Wiener adligen Gesellschaft trifft er auf ge Chormusikzyklen für je einen Gottes- ligen Abend der Gatte den gerade er- fantasie über Ein feste Burg ein neues Karfreitag 1868, im Bremer Dom. Der finden sich nochmals meisterhafte Mo- die als Pianistin hochbegabte Elisabeth dienst, nach der Geburt Christi als Ora- schienenen Klavierauszug gezeigt und Kapitel der Orgelmusik aufschlägt. Man 34-jährige Johannes Brahms dirigiert tetten auf Bibelworte und Lied­strophen: von Stockhausen, Tochter des hanno- torien eine große Passion und die gran- daraus vorgespielt hat. Der Kompo- hätte den von Fachwelt und Publikum die Uraufführung seines ersten großen­ die Fest- und Gedenksprüche Op. 109, verschen Gesandten. Erst nach Einfüh- diose Erntefeier, eine Choralkantate nist will das wunderbare Werk dann bisher misstrauisch beäugten 25-jähri- Werks für Chor und Orchester: Ein deut- die erneut eigentümlich politisch orien- rung der Zivilehe in Österreich 1868 er- Gott ist gegenwärtig, weitere Liedsät- selber auch gar nicht hören. Er über- gen Heißsporn mit seinen Anforderun- sches Requiem. Er hat dazu die Texte­ tiert sind, in Op. 110 dagegen geht es lauben deren Eltern die »ökumenische« ze und schließlich zwei Biblische Sze- lebt seine Frau um neun Jahre, kompo- gen an die Orgel endgültig für verrückt aus der Lutherbibel selbst zu- um die Bewältigung von Leid Eheschließung. Das Paar lebt vier Jahre nen zu Evangelienlesungen. Der erneu- niert mit gedämpftem Eifer weiter und erklärt, wenn sich nicht in Karl Strau- sammengestellt und eine und Tod. Als er 1896 gebe- in Graz und widmet sich dort in den bür- te Ausbruch der Arthritis beendet im stirbt mit 62 ­Jahren. Im letzten Lebens- be, dem späteren Leipziger Thomasor- Konzeption gefunden, ten wird, auch für die Mo- gerlichen Institutionen eifrig der Musik. Herbst 1898 dieses einzigartige Mitein- jahr hat ihm die Kreuther Urlaubsbe- ganisten und Kantor ein Virtuose gefun- die polar steht zum natsschrift für Gottes- Mit der Übersiedlung nach Leipzig 1872 ander von Theologie und Musik. Herzo- kanntschaft mit einer 19-jährigen Ham- den hätte, der Regers Orgelmusik so sou- latei­nischen Requiem. dienst und kirchliche öffnet sich ein neuer Horizont durch die genberg stirbt im Oktober 1900 in Wies- burgerin noch einmal das Herz geweitet. verän darzubieten weiß, dass die darin »Trost« ist hier das Leit- Kunst zu arbeiten, wo deutsche klassische Kultur und den Fix- baden, wo er der Bäder wegen eine Woh- In vielen Briefen gibt er ihr offenherzig bearbeiteten Choräle eine überwältigen- wort. Auch bei dem im sich sein Freund Herzo- stern Bach. Zusammen mit dem Bach- nung genommen hatte. Konrad Klek Zeugnis von seinem Leben für die Kunst. de Ausdrucksgewalt erhalten. Gerade Gedenken an seine kurz genberg engagiert, lehnt forscher wird 1875 der Als guter Katholik hat Rheinberger kir- als »Outsider« erspürt Reger die Expres- zuvor verstorbene Mutter er ab und mokiert sich Bachverein gegründet, ein Chor zur Auf- Josef Gabriel chenmusikalisch vorrangig den katholi- sivität in den alten Chorälen und offe- nachkomponierten Satz mit über dessen neue Kirchen- führung der noch unbekannten Bach- schen Kultus mit zahlreichen Messver- riert sie in hochromantischer Klangspra- dem Sopransolo heißt es: Ich musikwerke. Stattdessen ent- kantaten. Herzogenberg übernimmt ­Rheinberger tonungen größeren wie kleineren Zu- che den durch Gewohnheit abgestumpf- will euch trösten … Dieses Werk bringt wirft er als persönlichen Abgesang Vier bald die Leitung und taucht zusammen 17. März 1839 — 25. November 1901 schnitts (sogar für Männerchor) bedient, ten Zeitgenossen neu, etwa das Mor- Brahms die öffentliche Anerkennung ernste Gesänge auf Worte, die man, wie mit seiner Gattin tief in die künstlerische Schon mit sieben Jahren sitzt der Sohn ebenso Requiem mit und ohne Orches- genstern- und das Wachet auf-Lied von als Komponist. Der 1833 in Hamburg ge- er sarkastisch bemerkt, eigentlich ver- und geistliche Welt Bachs ein. Aber auch eines Verwaltungsbeamten des Fürs- ter. Christophorus (auch auf ein Libret- (1599). borene Sohn eines Kontrabassisten hat bieten müsste, wenn sie nicht in der Bi- der gemeinsame Bekannte aus Wiener ten von Liechtenstein auf der Orgelbank to seiner Frau) ist ein selten zu hören- Reger hat zwar als Schüler die katho- sich mit großer Energie nach oben gear- bel stünden. Kurz nach der Fertigstel- Zeiten, Johannes Brahms, wird nun zum und improvisiert wie ein Großer. In Va- des Oratorium. Faszinierend sind stets lischen Messen in der Weidener Simul- beitet. Als Zwanzigjähriger kommt er in lung stirbt Clara Schumann. Jetzt kom- Leitbild. Es werden Brahmswochen in duz kann niemand das Talent angemes- der organische Fluss der Singstimmen tankirche gespielt und dabei kühn im- das Haus von Robert und Clara Schu- poniert er noch einmal Choralvorspie- Leipzig veranstaltet und der Meister lo- sen fördern, mit zwölf schicken sie den und die romantische Klanglichkeit, provisiert, ist aber kein professioneller mann nach Düsseldorf, von wo aus er als le vornehmlich über Sterbelieder für die giert bei den Herzogenbergs. Oft sind sie Josef deshalb nach München wohltuend ohne die sonst zeit- Organist. Lehrer Lindner bildet ihn zum Messias der Kunst vor der Musikwelt an- Orgel, möchte diese aber nicht veröffent- die ersten, denen er seine Manuskripte zum Musikstudium. Sein typischen Übertreibungen. Pianisten aus, beim großen Theoretiker gepriesen wird. Die zweijährige Krank- licht wissen: Glauben ist für ihn Privat- schickt. Herzogenberg bewegt sich als ganzes Leben lang wird er Für die Kirchenmusik-Re- Hugo Riemann studiert er Komposition heit Schumanns und dessen Tod 1856 sache. Er erkrankt alsbald an Krebs und Komponist nun deutlich in den Spu- dann in der bayerischen stauratoren des »Caecili- und wird in den Kosmos der Bachschen sind eine prägende Erfahrung. Brahms stirbt in Wien am 3. April 1897. Freund ren von Brahms mit viel Kammermusik Hauptstadt wohnen blei­ anismus« war das aller- Harmonik eingeführt. Bald bearbeitet spielt Ersatzpapa für die Schumann­ Herzogenberg würdigt in einem Nach- und Klavierliedern, auch einiger welt- ben. Als ­Orgellehrer wird dings immer noch zu mo- Reger Bachsche Choralvorspiele für Kla- kinder und weiß nicht, wie weit er in sei- ruf Brahms’ eigenständig, kritischen licher Chormusik. Bachschen Kontra- ihm Johann Georg Her- dern. Auf deutsche (und vier. Er orientiert sich an den drei großen ner Zuneigung zur großen Pianistin Cla- Umgang mit Bibelwort und Choral als punkt übt er an wenigen Motetten und zog (1822 bis 1909) zuge- auch evangelische) Tex- B’s: Bach, Beethoven, Brahms und kom- ra gehen darf, der er sich bisweilen mit »kernprotestantisch«. Konrad Klek Orgelwerken. wiesen, der ­evangelische te gibt es einige ausdrucks- poniert viel Klavier- und Kammermu- Orgelspiel und Kompositionen als part- Bald nach dem Wechsel nach ­Berlin Organist Münchens. Dessen­ starke geistliche Sologesän- sik, dazu wie alle in dieser Zeit etliche nerschaftliches Pendant anbietet. Mit Heinrich 1885 bringen eine schwere ­arthritische grundsolide Meisterschaft und ge mit Orgelbegleitung und als Klavierlieder. Eine schwere Erkrankung dreißig Jahren wählt er Wien zu seinem Erkrankung Herzogenbergs und die traditionsorientierte Stilvorstellung Chorhit das sechsstimmige Abend- zwingt ihn, den bisherigen Wirkungsort Hauptwohnsitz. Von hier aus reist er als von Herzogenberg Herzkrankheit seiner Frau das Leben prägten den jungen Rheinberger. Sie lied Herr, bleibe bei uns. Auch Rhein- als Klavier- und Theorielehrer, Wiesba- Pianist und Dirigent nicht nur eigener 10. Juni 1843 — 9. Oktober 1900 durcheinander. Die geistliche Substanz bleiben lebenslang Freunde, obgleich bergers weltliche Chormusik hält viele den, mit dem elterlichen Haus in Wei- Werke durch Europa. Im Sommer nimmt »Aus ist das schönste Kapitel meines Le- der Welt Bachs wird jetzt zur Stütze. Herzog nach zwei Jahren Unterricht Perlen bereit. Als Orgelkomponist mit den einzutauschen. In den folgenden er zum Komponieren die Bergwelt der bens«, resümiert der Berliner Komposi- Nachdem die erst 44-jährige Elisabeth 1854 ans Institut für Kirchenmusik in Er- auf die Orgeln der Zeit stimmig bezo- drei Weidener Jahren reift seine Meis- Alpen in Anspruch. Der Junggeselle tionsprofessor Heinrich von Herzogen- stirbt, entsteht in den letzten Tagen des langen wechselt. gener Stilistik der Musiker im terschaft und erfolgt die Hinwen- Brahms verdient richtig gut mit seiner berg wehmütig, als er von der Straßbur- Trauerjahres die große Kantate Todten- Mit 19 ist Rheinberger selber Dozent, 19. Jahrhundert in Deutsch- dung zur Orgelmusik, obwohl Klavier-, Kammer- und Orchestermusik, ger Uraufführung seines Weihnachts- feier, ein einzigartiges Dokument von später pilgern sie sogar aus Übersee zu land unerreicht: zwanzig vor Ort gerade gar kein hin- mit seinen Klavierliedern und der welt­ oratoriums am 3. Advent 1894 Trauerarbeit im Medium von ihm als Kompositionslehrer. Als Mu- große Orgelsonaten – 24 reichendes Instrument lichen Chormusik. Mit Kirchen­musik im zurückkehrt. Als Dirigent Bibelwort und Choral. Den siker agiert er in der Oper als Korrepe- in allen Tonarten wa- zur Verfügung steht. Er engeren Sinne hat er eigentlich nichts hat er erlebt, »wie mei- plötzlichen Tod des Freun- titor, wo er die Uraufführung von Wag- ren intendiert – und vie- schuldet das dem Leitbild am Hut. Er ist Leiter weltlicher Chor- ne Musik durch die gan- des Philipp Spitta wird ners Tristan mit vorbereitet, er leitet ei- le kleinere Orgelstücke Bach. Ab 1901 kann Reger vereinigungen, schreibt für sie aber bis- ze Thomaskirche flute- Herzogenberg dann mit nen Oratorienchor, übernimmt als Hof- im Sinne romantischer sechs Jahre lang in Mün- weilen auch Musik zu geistlichen Tex- te vom Altar zur Orgel einer großartigen Mes- kapellmeister die Verantwortung für die »Charakterstücke« sind chen als Dozent am Kon- ten evangelischer wie katholischer Her- und wieder zurück, ge- se im Geiste Bachs verar- Kirchenmusik an der Hofkirche, spielt als Konzertmusik gedacht. servatorium wirken, dann kunft, führt Werke­ von Schütz und Bach schwellt von dem unver- beiten. Zunächst kommt Orgelkonzerte im Odeon-Konzertsaal. Es blieb seinen evangelischen wird er Universitätsmusikdirek- auf, die gerade erst entdeckt und ge- gesslichen Unisono der es aber im Sommer 1893 Täglich komponiert er in den verschie- bayerischen Schülern (Philipp und tor und Professor in Leipzig, schließ- druckt werden. Dem Deutschen Requi- Gemeinde«. Der Idee Kir- zum Zusammentreffen mit densten Sparten von Klavier- und Kam- Karl Wolfrum, Elias Oechsler) vorbehal- lich Hofkapellmeister am musikalisch em folgen auf dem Gebiet der Chorsym- chenoratorium gemäß ist Ge- dem jüngeren Spittabruder mermusik über Klavier- und Chorlieder ten, diese Tonsprache auch auf Choral- so bedeutenden Hof in Meiningen. Er phonik aber Vertonungen von Klassiker- meindegesang nämlich fester Be- Friedrich im Bodenseeblick-Sommer­ bis hin zur Oper, stets angefeuert von vorspiele zu übertragen. Konrad Klek praktiziert die damalige Form des Jetset: texten (Schiller, Goethe, Hölderlin). Den standteil des Werks. Nur die letzten Jah- haus des Komponisten in Heiden in der seiner Gemahlin Franziska von Hoff- mit dem Nachtzug als Pianist und Diri- deutschen Sieg über Frankreich 1870/71 re seines Lebens schreibt Herzogenberg Schweiz. Der Theologieprofessor leitet naaß, der acht Jahre älteren Witwe ei- Max Reger gent eigener und anderer Werke von ei- bejubelt er mit ­einem volltönenden Tri- so dezidiert Kirchenmusik. Geboren in Straßburg einen Akademischen Kir- nes Hofrats, die selbst als Literatin ak- 19. März 1873 — 11. Mai 1916 nem Konzert zum andern, dazwischen umphlied, komponiert auf Texte aus der 1843 als Nachfahre französischer ka- chenchor und steht an der Spitze der li- tiv ist und die er 1867 heiratet. Kulmi- Lehrverpflichtungen nachkommen, oft

Offenbarung, wo er ungeniert die »Hure tholischer Adliger in Graz, mit Schulbil- turgischen Bewegung, die vor allem mit Musik und Reformation Musik und Reformation nationspunkt dieser Künstlerehe ist die »Die Protestanten wissen nicht, was sie knapp am Rande des Nervenzusam- Babylon« mit Paris/Frankreich asso- dung unter anderem auf einem Jesuiten- Musik dem Gottesdienst aufhelfen will. große Weihnachtskantate Der Stern von an ihrem Chorale haben.« Das sagt der menbruchs. Und dann braucht ja auch ziiert. Ein Todesfall im Freundeskreis internat sowie dem Jura- und Musikstu- Herzogenberg ist elektrisiert von der ihm Bethlehem auf ein theologisch beachtli- Katholik Max Reger zu seinem Mentor, ein »Workaholic« noch etwas Zeit zum

lässt ihn dann die ergreifende Motette dium in Wien, liegt zunächst weder eine angetragenen Aufgabe, mit seiner Musik EKD 2012 EKD 2012 ches und sprachlich glutvolles Libretto dem Lehrerorganisten Adalbert Lindner Komponieren. In Jena, wo er 1908 mit

30 Komponisten.Kolumnentitel Boten der Reformation Komponisten. Boten derKolumnentitel Reformation 31 dem Ehrendoktor ausgezeichnet wird, »Kirchenmusiker« freilich wollte Pep- der Musik sowie auch von dem unzer- DHV, Hildesheim natürlich. Wir lan- vom Goldenen Zeitalter basiert. Er un- solchen nicht zu beseitigenden Schwie- kauft er schließlich ein Haus, bahnstra- ping nie gelten. Sein Verständnis von störbaren Gottvertrauen, das der jun- deten selbstverständlich im [unleser- terbrach diese Arbeit bei Ausbruch des rigkeiten.« Einige Monate zuvor hatte er tegisch günstig gelegen, um sich dort mit Musik als einer Kunst jenseits von Ver- ge Musiker sich bis zu seinem Ende be- lich] Hospiz, einem wolkenkratzenden Zweiten Weltkriegs, um sie 1941/42 mit dem Freund, der wegen einer Verwun- (evangelischer) Frau und zwei adop- einnahmungen jeglicher Art machte ihn wahrte. In Nürnberg 1908 geboren, kam fünfstöckigen Jugendstilprodukt, drei- vermehrter Intensität fortzusetzen. Im dung gerade Heimaturlaub hatte und tierten Töchtern wenigstens ab und zu vielmehr zu einem weltabgewandten er nach traumatischen Erfahrungen in mal so hoch wie schmal, und zwar im Sommer 1942 konnte Hugo Distler noch in einem Weinberg bei Stuttgart einen wohl­fühlen zu können. Mit 43 Jahren ist Einzelgänger, der auch die nationalsozi- frühester Kindheit – seine Mutter verließ letzten Geschoß, direkt unter den Ster- die ersten vier Motetten der Weltalter verwunschenen alten Garten mit Bie- er ausgebrannt und erliegt im März 1916 alistische Barbarei kaum je zur Kenntnis ihn, als er vier Jahre alt war und wander- nen, doch hatten wir dafür einen unver- vertonen, im September brach er die Ar- nenstock und Sommerhäuschen besaß, im Leipziger Hotel einem Herzschlag. nahm. Gewiss profitierte der Komponist te nach Amerika aus –, in die liebevolle gleichlichen Blick auf die Pfingstkan- beit an seinem Oratorium ab. noch geschrieben: Bei allem Streben nach großer Form, von Aufführungsverbot und Vertreibung Obhut seiner Großeltern. Johann Micha- tatenstadt, gleichsam aus der Vogel- 1940 wurde Distler an die Berliner »Wie beneide ich Sie um Waiblin- Expressivität und Virtuosität hat sich renommierter Musikerkollegen. Nach- el Herz, ein kleiner Viehhändler aus der schau.« In Lübeck geriet die lutherische Musikhochschule berufen. Obwohl eine gen! Und um Ihr Clavichord! Und um Reger immer wieder auch der Aufgabe weise für Anbiederungen aber, etwa in Fürther Gegend, und Kunigunda Herz, Kirchengemeinde nach der »Machter- Verschärfung der Luftangriffe auf Ber- Ihre alten Schmöker! … Ich sagte gera- gestellt, liturgische »Gebrauchsmusik« Form von NS-Auftragswerken, wie sie verwitwete Distler, sorgten auch dafür, greifung« der Nazis 1933 in die Defen- lin schon deutlich absehbar war, nahm de zu Waltraut: ich fahre eines schönen zu liefern. So entstehen mittelschwe- Zeitgenossen mitunter zahlreich vorleg- dass »das Hügele« mit sieben Jahren sive gegenüber den nationalsozialisti- Distler den Ruf an, auch wenn er da- Tages nach Stuttgart. Wenn ich es hier re und ganz einfache Choralvorspiele, ten, fehlen bei Pepping ebenso wie An- Klavierunterricht erhielt und ein Gym- schen »Deutschen Christen«, die nun für seine ihm liebgewordene neue Hei- gar nimmer aushalte. Dann schwätzen Choralkantaten und geistliche Chorsät- zeichen einer Distanz, gar eines expli- nasium besuchen konnte. Was sein 1930 auch im sechsköpfigen NS-Senat der mat Schwaben aufgeben musste. Was wir schön zusammen.« Am 15. Oktober ze, einiges davon im Kontakt mit dem ziten Widerstands gegenüber dem Ter- verstorbener Stiefgroßvater für ihn be- Stadt saßen. Durch Beschluss einer Ge- ihn zu dem Schritt antrieb, war die fixe 1942 bekam Distler vom Wehrbereichs- Straßburger Theologen Friedrich Spit- rorregime. Auch nach Ende des Dritten deutet hat, vertraute Hugo Distler seiner meindeversammlung wurden die haupt- Vorstellung, dass er – wenn überhaupt – kommando Eberswalde seinen sechsten ta. Das Vorbild von Brahms Opus 110 Reiches proklamierte Pepping unbe- Verlobten Waltraut Thienhaus in einem amtlichen Mitarbeiter, darunter Distler, nur noch in der Reichshauptstadt eine Gestellungsbefehl. Zwar gelang es ein- überbietet er aber mit noch grö- irrt sein Credo von der Autono- Brief aus dem Jahre 1932 an: »Siehst du, zum Eintritt in die NSDAP veranlasst. Chance haben würde, von den dort zu- flussreichen Persönlichkeiten, unter ih- ßeren und expressiveren mie des Kunstwerks. Beglei- er verstand wenig von meinen Gedan- Die mit Distler bis zu seinem Tod eng ständigen kulturpolitischen Instan- nen vor allem Professor Fritz Stein, Di- geistlichen Motetten der- tet von zahlreichen Ehrun- ken, ließ mich aber voll guten Vertrau- befreundete Ärztin Hilde Kreutz-Soer- zen als »unabkömmlich« (für das deut- rektor der Berliner Musikhochschule, in selben Opuszahl. Die ge- gen – da­runter eine Pro- ens gewähren.« Der Großvater übertrug gel schrieb in ihren 1958 veröffentlich- sche Musikleben) eingestuft zu werden, letzter Minute noch einmal eine Aufhe- planten chorsymphoni- fessur für Komposition auf den Enkel seine tiefe Religiosität, die ten Erinnerungen an Hugo Distler, dass womit für ihn die endgültige Freistel- bung des Befehls zu erreichen. Doch war schen Großwerke Requi- an der Berliner Hoch- später in den geistlichen und auch welt- dieser »schon in Lübeck zur Partei ge- lung vom Kriegsdienst verknüpft gewe- Distler von dem Eberswalder Komman- em und Te Deum, sowie schule für Musik (1953) lichen Chorwerken Distlers immer neu- keilt« worden sei, doch »nur aus einem sen wäre. »Wenn sie mich zum Militär deur bereits davon in Kenntnis gesetzt ein (evangelisches) Os- und die Aufnahme in en Ausdruck finden sollte. ängstlichen ›Muss‹ kam er dazu. In sei- holen, mache ich Schluss; ich stehe das worden, dass er schon am 3. November teroratorium vereitelt der die Akademie der Küns- Distler studierte in Leipzig und kam ner großen Sensibilität hat er sich dar- nicht durch«, hatte Distler schon 1940 1942 erneut – und diesmal unwiderruf- frühe Tod. So gibt es nur den te (1955) – entstanden mit 1931 als Organist an die St. ­Jakobikirche um sehr gequält.« Im Sommer 1933 be- einem Stuttgarter Schüler gestanden. lich – mit Einziehung zur »motorisierten grandiosen 100. Psalm, in dem der Missa Dona nobis pacem in Lübeck, wo er eine Fülle geistli- gann Hugo Distler mit der Kom- Am 1. April 1942 übernahm Truppe« zu rechnen habe. Hugo Distler, ein Extra-Trompetenchor als Finale und dem Passionsbericht des Matthä- cher Musik vor allem für Chor a cap- position seiner Weihnachts- Hogo Distler zusätzlich in höchster Angst und endgültig entmu- Ein feste Burg schmettert. Regers Befehl us – Beiträge, die Pepping zu einem der pella komponierte – so 1932 seine Cho- geschichte, ein Werk von die Leitung des Berliner tigt, entzog sich für immer dem Zugriff an den Dirigenten der Uraufführung: bedeutendsten Vertreter der Chormu- ralpassion, die zu Ostern 1933 in zwölf »bukolischem Charak- Staats- und Domchors. In der Kriegsherren, indem er am 1. Novem- »Sie müssen die Hörer an die Wand klat- sik im 20. Jahrhundert werden ließen. deutschen Städten, darunter in Ber- ter« (Distler), das er den einem Brief vom 17. Au- ber 1942 seinem Leben selbst ein Ende schen.« Konrad Klek Eine kritische Reflektion der Naziherr- lin und Leipzig (dort durch die Thoma- »einfachen Leuten« wid- gust 1942 schrieb er setzte. schaft indes fand ebenso wenig statt ner), aufgeführt wurde, und den Jahr- mete – dem Volk, das – dazu aus seinem Feri- Der Berliner Theaterregisseur ­Jürgen Ernst Pepping wie eine künstlerische Neuorientierung; kreis: eine Sammlung von 52 zwei- und unaufgeklärt – »im Fins- enort Ahlbeck an seinen Fehling, für den Distler Ende 1940 eine 12. September 1901 — 1. Februar 1981 auch seine Programmschrift Stilwen- dreistimmigen geistlichen Chormusi- tern wandelt«. 1936 wur- Freund Alfred Kreutz: Schauspielmusik zu Ludwig Tiecks Rit- de der Musik, in der Pepping eine An- ken zum Gebrauch in Kirchen-, Schul- de Hugo Distlers Konzert für »Inzwischen erlebe ich ter Blaubart komponiert hatte, schrieb Als er 1934 den auf Lebenslänge abon- knüpfung an Form- und Satzideale der und Laienchören. Hugo Distler erarbei- Cembalo und Streichorches- mit dem Berliner Staats- und am 15. November 1942 an die Witwe nierten Posten als Lehrer für Musik­ niederländischen in einer­ tete die meisten dieser Motetten mit sei- ter Op. 14, mit Distler am Cembalo, in Domchor Schwierigkeiten … Die HJ Hugo Distlers: »In Ihrem Gemahl glaubte theorie und Komposition an der Diktion niedergelegt hatte, die oft ge- nem kleinen Knabenchor von St. Jakobi Hamburg uraufgeführt. Das Werk wur- macht dauernd Scherereien wegen Frei- ich von der ersten Begegnung in Lübeck Kirchenmusik­schule in Berlin-Spandau nug von dem martialischen Jargon der und schrieb darüber erfreut an Waltraut de von der Kritik teils gefeiert, teils als gabe der Knaben für den Dienst im Chor. an einen kühnen und leidenschaftlich antrat, hatte der gebürtige Rheinländer­ Nationalsozialis­ten inspiriert schien, Thienhaus: »Vom zweiten Teil des Jahr- »entartet« angegriffen. Ende 1936 eska- Um dies zu klären, machte ich mir ver- begabten Musiker zu erkennen. Es war Ernst Pepping seine experimentelle hielt der Komponist nach Ende der Bar- kreises habe ich heute die 5. Motette fer- lierten in Lübeck die Auseinanderset- gangenen Donnerstag von hier aus die ein heißer Wunsch in mir, mit diesem Phase bereits hinter sich. Vorausgegan- barei weder für korrektur- noch für revi- tig bekommen; der 2. Teil scheint reicher zungen zwischen »Deutschen Christen« Mühe, eigens nach Berlin zu fahren, um sehr männlichen Geiste in meiner Be- gen waren (nach einem Kompositions­ sionsbedürftig. So war es gerade die Ver- und kühner zu werden wie der erste Teil. und der 1934 gegründeten »Bekennen- mit unserem sehr geschickten stellver- rufssphäre zusammenzutreffen. Sicher studium bei Walter Gmeindl) Teilnah- weigerung einer Teilhabe an den kom- Doch macht es den Kindern trotz der den Kirche«, der auch Hugo Distler na- tretenden Hochschuldirektor; Profes- wäre der Hannibal, wenn er nach unse- men an zahlreichen internationalen positorischen und gesellschaftlichen teilweise sehr modernen, herben Harmo- hestand. Am Silvesterabend 1936 legte sor Rühlmann, den PG Cerf vom Haupt- rem Geist hätte ausreifen können, eine Festivals für zeitgenössische Musik mit Wandlungen, die Pepping in der Fol- nik großen Spaß.« er sein Organistenamt an St. Jakobi nie- kulturamt der NSDAP zu besuchen, den beispielhafte Inszenierung geworden. etlichen Kammermusiken für zum Teil gezeit unzeitgemäß erscheinen ließen. Um diese Zeit entstand auch Hugo der. Im April 1937 übernahm er an der Rühlmann kannte. Ergebnis völlig ne- Als dieser Plan unmöglich ward, begann kuriose Besetzungen (so ein Concerto Und während die 68er-Generation eine Distlers Pfingstkantate, die er zu Pfings- damals noch privaten Stuttgarter Mu- gativ; erschütternder Eindruck; Cerf ich voll zärtlicher Neugierde auf die Ora- für Bratsche und 12 Streichinstrumen- »engagierte Musik« einfordert, erlosch ten 1932 mit dem Chor des Deutschen sikhochschule die Unterrichtsfächer in meinem Alter, nach der Darstellung toriumsarbeit Ihres Gatten zu warten.­ te, da­runter 4 Kontrabässe), schließlich­ seine kompositorische Produktion, die Handlungsgehilfenverbands (DHV) in Musiktheorie, Formenlehre, Orgel und Rühlmanns einstmals Bankangestellter. Ich hoffte, er würde dereinst eine Oper mit dem Marsch der Maschinen sogar die evangelische Kirchenmusik nach- der romanischen Michaeliskirche von Chorleitung. Wir kamen überhaupt nicht zu Wort vor schreiben, eine Oper aus dem Geist sei- ein Stück Filmmusik. Mit dem Amtsan- haltig prägte, deren ästhetische Präsenz Hildesheim uraufführte. Er schrieb dazu In Stuttgart schuf Hugo Distler sein dem Hassgesang gegenüber der Kirche. ner strengen und zugleich blühenden tritt in Spandau indes orientierte sich indes nur mehr gering ist. Sven Hiemke wenig später einen Brief nach London Neues Chorliederbuch und 1938/39 Ich muss aber trotz allem sagen, dass Welt. Die Nachricht von seinem Tode Pepping auch kompositorisch neu: Vor- an Waltraut Thienhaus (deren Mutter sein Mörike-Chorliederbuch, das im ich über den Eindruck der Persönlich- traf mich erschütternd … Die Größe und ab waren es nun geistliche Musiken – Hugo Distler ihn zu einer Harzreise eingeladen hat- Mai 1939 in Graz vom Kammerchor der keit dieses Mannes noch weit erschütter- Feinheit, die seine – Distlers – ­Person Motetten und Messvertonungen, Orgel­ 24. Juni 1908 — 1. November 1942 te): »Deine Mutter und ich starteten am Stuttgarter Musikhochschule unter Dist- ter gewesen bin, denn über den (im ge- aus­strahlte, ist selten geworden und ich werke und nicht zuletzt die 250 Sätze­ Sonntag partout nach dem Gottesdienst lers Leitung mit großem Erfolg uraufge- heimen erwarteten) negativen Erfolg. Ich glaube, seine Figur war im ­Kunstleben des Spandauer Chorbuches – mit denen­ »Wer die Musik sich erkiest, hat ein und landeten gegen vier Uhr schweiß- führt wurde. Im Sommer 1939 begann er gehe mit großem Grausen ins neue Se- Deutschlands unendlich wichtig und

Pepping in den 1930er-Jahren zu einem­ himmlisch Gut bekommen«. Im Vor- triefend in der Stadt, in der ich mir, wie Musik und Reformation Musik und Reformation mit der ersten Skizzierung eines eigenen mester. Man hat so viel organisatorische wertvoll. Ich grüße Sie mit der Versiche­ der führenden Vertreter der kirchen­ spruch zu Hugo Distlers Mörike- Du wohl weißt, ein bedeutendes Denk- Textes zu seinem geplanten Friedens­ Arbeit, dass man zum Musizieren über- rung, dass ich mit Bewunderung und musikalischen ­Erneuerungsbewegung Chorliederbuch klingt etwas an von der mal errichtet habe: die Stadt meiner oratorium Die Weltalter, dessen Text haupt nicht mehr kommt. Und schließ- Ehrfurcht um Hugo Distler trauere.

avancierte. Als ein komponierender Freude über den göttlichen Ursprung Pfingstkantate, der Tagungsort meines EKD 2012 EKD 2012 auf der Kassandrasage und dem Mythos lich scheitern alle Bemühungen an Ihr Jürgen Fehling.« B. Distler-Harth

32 KolumnentitelKomponisten. Boten der Reformation Komponisten. Boten derKolumnentitel Reformation 33 Eine-Welt-Musik

Wenn Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, die das Christentum jeweils anders gestalten, zusammen kommen und das, was sie teilen, auf verschiedene Weisen zum Ausdruck bringen, entsteht Gemeinschaft und reger Austausch. Klingende Ökumene – Vision oder Wirklichkeit? Fritz Baltruweit

Zur Vorbereitung und Durchführung der Vollversammlung neuen Lieder) im Gottesdienst (er-)leben zu können! Jahrhun- des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver 1983 gab dertelang hatten wir Musik, hatten wir Kirchenlieder expor- es eine »interkontinentale Musikgruppe« – mit Musikerin- tiert. Und es ist doch auch eine wunderschöne Erfahrung: Wir nen und Musikern aus fast allen Erdteilen. Wir haben zusam- haben ein gemeinsames Erbe, das uns verbindet und das es men gespielt und voneinander gelernt. Wenn ein Gesang aus zu bewahren lohnt. Unsere alten Lieder aus dem Gesangbuch. ­Afrika »dran war«, dann hat jemand aus Afrika das Lied an- Ja., bei einigen Liedern, zum Beispiel einigen von Paul Ger- geleitet. Wenn es eines aus Europa war, waren Dieter Traut- hardt, gilt das für Christen fast um den Globus. Aber spätes­ wein oder ich »dran«. Das war ein wunderschönes Musizie- tens seit der Vancouver-Konferenz hat sich einiges verändert: ren, ein voneinander und miteinander Lernen. Schon damals Es kommt etwas zurück, was unsere Gottesdienste lebendi- war mir klar, dass für das ökumenische Lernen gilt: »Paper ger macht, frischer, auch geistvoller – Lieder, die die Steifheit doesn’t work.« Für uns konnte man fast sagen: »Words don’t und das Museum aufbrechen. Natürlich sollen wir diese Lie- work.« Denn wir bekamen durch dieses Miteinander ausge- der aus aller Welt nicht einfach so vereinnahmen. Es gehört sprochen viel vom »Feeling« und der Atmosphäre auch der auch dazu, dass etwas von dem spürbar wird beziehungswei- entsprechenden Kulturen mit, die durch die Musik transpor- se bleibt, was diese Lieder kulturell ausmacht, wenn wir sie tiert wurde. Die Lieder hatten eine wirklich ausstrahlende, ja singen. missionarische Dimension. Ein Lied zum Beispiel aus Afrika ohne Bewegung und Per- Bischöfe aus einigen Ländern bemerkten in Vancouver weit cussion ist sehr schnell in einer Weise eingemeindet, dass gar entfernt von ihrer Heimat zum ersten Mal: Es gibt nicht nur die nichts mehr von dem übrig bleibt, was es ausmacht. Aber das europäischen oder amerikanischen Lieder und Hymnen, die gilt für unsere Lieder genauso: Auch ein Renaissancetanz aus wir normalerweise in der Kirche singen, sondern es gibt auch dem Gesangbuch kann sehr schnell musikalisch eingeebnet Lieder aus unserer ureigenen Kultur. Das Ergebnis: Diese Lie- werden (In dir ist Freude, EG 398). Aber wenn wir bewusst Lie- der wurden mitgenommen und in der eigenen Kirche vor Ort der aus der weltweiten Ökumene singen, dann ist das ein gro- ausprobiert. Zu dem gemeinsamen Musikmachen kamen die ßes Geschenk – zu wissen: Durch dieses Singen wird es bei uns Gespräche. Einmal fragte mich Simei Monteiro, Animateurin, im Gottesdienst lebendiger. Und auch in dem Wissen, dass das Komponistin und Professorin in Sao Paulo, Brasilien, die spä- nicht nur bei uns geschieht. ter beim Weltkirchenrat in Genf für Gottesdienste zuständig war: »Wer legt eigentlich die Kriterien für die Kirchenmusik Wie »Inkulturation« im Gottesdienst gerade auch durch fest? Das ist doch eine Frage der Macht! Es gibt eine Geschich- die Musik wirklich wird und geschieht, konnte ich im Zeit- te des Sexismus und des Rassismus auch in der Kirchenmu- raffer auch an vielen anderen Orten miterleben, zum Beispiel sik. Bei uns waren es zum Beispiel bestimmte Volksinstrumen- in Bethlehem. Dreimal habe ich dort den Gottesdienst in der te, die im Gottesdienst verboten waren. Die Offiziellen sagten: lutherischen Kirche besucht. Bei meinem ersten Besuch 1981 ›Eine Blockflöte ist ein Sexsymbol!‹ und wollten damit die Mu- fühlte ich mich dort wie zu Hause, da die Liturgie exakt der­ sik des Volkes aus dem Gottesdienst verbannen. Oder: ›Die jenigen folgte, die mir aus Deutschland vertraut war. Ich konn- Trommel ist ein Instrument der Schwarzen!‹ Man durfte­ zeit- te zwar das Arabische nicht mitlesen, aber ich wusste an jeder weise auch keine schwarzen Klaviertasten benutzen, ja, noch Stelle der aus Deutschland übernommenen Liturgie, wo wir nicht einmal die ›schwarzen‹ Viertel- und Achtelnoten. Damit im Gottesdienst waren. 1987 war die Liturgie noch genauso, Benny Golm Benny wurde der uns eigene Rhythmus unterdrückt.« aber ein Mädchen sang im Gottesdienst an drei Stellen jeweils ein palästinensisches Lied. Das waren für mich die Momen- Fotos Es ist auch eine Frage der Theologie, ob mehrere oder nur te, die mich in diesem Gottesdienst am meisten interessierten. ein Instrument im Gottesdienst vorkommen dürfen. Die Or- 1993 hatte die Gemeinde ihre Liturgie kontextualisiert: Litur- gel spiegelt die Allmacht Gottes wider. Instrumente, die mit- gie, Gebete, Lieder im arabischen Kontext – ein Prozess, wun- einander musizieren, betonen eher die Partizipation, die Ge- derbar mitzuerleben. Wie überall auf der Welt geht es auch bei meinschaft. Ja, wer setzt die Kriterien für die Musik in der uns darum, unsere Kultur einzubringen. Auch bei uns galt und Kirche? So habe ich erlebt, wie wichtig es Menschen ist, die gilt es zu fragen: Was ist Evangelium und was ist Kultur? Wel-

Reformation und Musik und Reformation eigene Kultur nach Jahrhunderten wieder musikalisch im Got- che Kultur dominiert die Gottesdienste? Und welche brau- tesdienst zu erleben, wie wichtig es ist, den Glauben in der chen wir? Ich erinnere mich noch gut an die Frage aus den eigenen Kultur, im eigenen Lebensgefühl auszudrücken. Und 1970er-Jahren: Was hat ein Schlagzeug im Gottesdienst zu su-

EKD 2012 auch: Wie wichtig es mir ist, »meine« Kultur (zum Beispiel der chen? Ja, wie können wir dadurch, dass das Evangelium in die

Die Fotostrecke »an sich. in sich. außer sich.« von Benny­ Golm prägt das Kapitel »Musik und Kirche« (Seiten 34 bis 43). Zum Bildprogramm des gesamten Heftes siehe Text auf Seite 2. Musik und Kirche 35 dass etwas soArchaisches immerdaseinwird? Flöte undlegten denGrundstein für unserKlanggefühl. Dürfen wiralsohoffen, Musik bringtdieGefühle inWallung. Schon dieSteinzeitmenschen spielten 36 eine potenzielle Eheschließung von großer Bedeutung war. Die tion, dieimmerhinbiszuBeginn desletztenJahrhundertsfür scheinlich nicht unter einer Lungentuberkulose, eine Informa- heit geben kann. Denn ein kräftiger Sänger leidet höchstwahr Zwecken dient,sondernauch AuskunftüberseineGesund- dass dasSingeneinesjungen Mannes nichtnurästhetischen tion verborgenerQualitäten.Mankannsichgutvorstellen, gen. HierhandeltessichmöglicherweiseumdieDemonstra ­ le vonMusikbeiderWerbung umSexualpartnerherangezo- Als weiteresBeispielwirdschonseitCharlesDarwindieRol - Kind-Bindung unddemverbessertenSpracherwerbdienen. viel zitiertesBeispielsinddieWiegenlieder, diederMutter- gen stattfindetundhäufigspezifischeFunktionenerfüllt.Ein werden, dassMusikinzahlreichensozialenZusammenhän - Gemeinschaftsaspekt enthaltendeDefinitionkannangeführt sen insozialenKontexten.AlsArgumentfürdieseauchden tete, zeitlich strukturierte Ordnung von akustischen Ereignis- ner DefinitionvonMusikbeginnen:istbewusstgestal- sik mitdemMenschenmacht,möchteichVersuch ei- Musik angeführt.BevorwirunsderFragezuwenden,wasMu- erforscht, abermeistwerdendieemotionalenWirkungen von Grundlagen dieserVorliebe für Musik sind zwar bislang wenig in einemChor. Dieneurobiologischenundanthropologischen ger musizierenregelmäßiganeinemInstrumentodersingen Freizeitbeschäftigung angesehen. Etwa acht Millionen Mitbür der MehrzahlDeutschenimmernochalsdiewichtigste tionen auslösenkann.MusizierenundMusikhörenwirdvon Es ist ein Allgemeinplatz,dassMusikbesondersstarkeEmo- Gänsehautgefühl tag inMünchenknüpftenwirdarananundbrachtenähnliche pierungen wieIonaundTaizè.BeimÖkumenischenKirchen- men mitLutheranern,Reformierten,Anglikanern,auchGrup- sik zusammen–und kommen dann noch musikalischzusam- komponieren Neues,bringenOstenundWesten inihrerMu- steht. Daslöstesichaufeinmalauf.AuchorthodoxeMusiker in demjedeKompositioneinertausendjährigenTradition doxie eheralseinenmonolithischenBlockwahrgenommen, echte Überraschung. Bis dahin hatte ich die Musikder Ortho - Konferenz undihreVorbereitung imGottesdienstteameine schen Bischofskonferenzen statt. Musikalisch war für mich die lung derKonferenzEuropäischerKirchenundEuropäi- der Orthodoxen«die3. chen. In Sibiu mal einenkurzenAusflugindieeuropäischeÖkumenema- dienst wiederentdecken?Ichmöchteabschließendnochein- eben inkulturiertwird,unsereigenesLebensgefühlimGottes- lich seinkann,übersetztbeziehungsweiseimplantiertoder entsprechende Kultur, diejenachMilieuauchunterschied-

Musik und Kirche / Hermannstadt (Rumänien)fand 2007 im»Land Europäische ÖkumenischeVersamm- - - Musik und Transzendenz: »ansich. insich. außer sich.« auch evolutionsbiologischgut erklären: Erstdurchüberlegene hauptsächlich derGruppenbindung dienen.Dieslässtsich synchron ausgeführterhythmische BewegungenbeimTanz turgeschichtlichen Untersuchungen auf,dassgemeinsamund würde indieseKategoriefallen. McNeillzeigtinseinenkul- fen, etwaals»Spinnerlied«,»Dreschegesang« undsoweiter synchronisation. AuchdieRollevonMusikbeiArbeitsabläu - ist hierdervorrangigeZweckdesMusizierensdieVerhaltens- sozialer GruppenistihrEinsatzbeimMilitär. Möglicherweise auf die Wertschätzung der Musik als Mittel zur Organisation te Kirchenlieder haben. Ein weiterer eindrucksvoller Hinweis und andiereligiöse,identitätstiftendeWirkung, diebestimm- gesetzt. MandenkenuranNationalhymnen,Fußballgesänge Gruppenidentität bei zahlreichen anderen Gelegenheiten ein- gefördert. InähnlicherWeise wirdMusikzurFestigungvon mit wirddieErinnerunganeinspezifischesGruppenerlebnis Gehirn einestabilereGedächtnisbildungzubewirken.Da - über eineverstärkteAusschüttungvonGlückhormonenim ­Riten eingesetzt.Tanz fördertsozialeBindung undscheint ­Gesellschaften beireligiösenFestenundgesellschaftlichen le imZusammenhangmitTanz zu.Tanz wirdinzahlreichen Auf derGruppenebenekommtMusikeinewichtigeRol- Musik als Gemeinschaftskunst Fitness in Zusammenhang gebracht werden. Tenöre, könntealsomiteinerderartigenDemonstration von ausgeht – man denke an das berühmt-berüchtigte »hohe C« der starke emotionale Wirkung, die von kräftigen Männerstimmen dann entstehtNeues–auchdieVision vonder»Einen«Kirche. »Einen« Welt singenundsoGottesdienstmiteinanderfeiern, schiedener HerkunftmiteinanderlernenundLiederausder befinden, der durchBegegnungen wächst, dass Menschenver woben undkomponiertzueinem(fast)homogenenGanzen. Miteinander vonverschiedenenkulturellenElementen,ver ten einesevangelischenLiedermachersdurchsetztwar. Ein dernen, aberauchvolkstümlichenund­ der sichwieeinroterFadendurchdieFeierzog,mitmo- eines katholischenKirchenmusikerszudembiblischenText, diesem FallunteranderemeinehochkulturelleKomposition neue orthodoxeGesänge–aberdannauch»unsereMusik«in strument, daszumGottesdienstruftwieeineGlocke,alteund erlebt. Ein altes Kreuz, eine alte Toaka, das ist ein hölzernes In- chen beiderÖkumenischenFeierzuChristiHimmelfahrtmit- der durchkomponiertenGottesdienst.IchhabedasinMün- Erfahrungen inunsererKulturzusammenzueinemmiteinan- Wenn MenschensichineinemgemeinsamenLernprozess mitsingbaren Momen- Eckart Altenmüller - -

EKD 2012 Reformation und Musik Fotos Benny Golm 38 nicht direkt,sondernverdeckt zitiertwird.DieVerdeckung der Chiffrierungmeint,dass ChoralinderKomposition soll scheiden von Johann Sebastian Bach enthält. Der Begriff fang derSonatedieChiffrierung desChoralsWennicheinmal ten, entstand.ChristianSolte wies daraufhin,dassderAn- werk imSommer1894, dreiJahrevordemTod desKomponis­ Opus 120 von Johannes Brahms, die als letztesKammermusik­ rung vonBachchoräleninderKlarinettensonateNr. wirkt. EineindrucksvollesBeispieldafüristdieChiffrie - keit gesungen wird. Herrn einneuesLied«.EsistLied,dasauchnochinEwig - und Tod durch Musik. Schon im Psalter heißt es: existieren zahlreicheVerweise aufdieÜberwindungvonZeit zurück indasLebenzeigen.AuchimchristlichenGlauben mit seinemHarfenspieldenTod undkannEuridikedenWeg den Kontakt mit den Verstorbenen her. Orpheus überwindet weist. Die Japanische Shakuhazo-Flöte beispielsweise stellt chen Glaubensformen, in denen Musik den Weg in das Jenseits wird immerdasein.Unddamitkommenwirzudenzahlrei- genheit ­ alten Vergangenheit verbindet. Diese Wurzeln in der Vergan - ist demnach dieKulturform, die uns am stärkstenmiteinerur Tonsystem aufdiesefrühenFlötenzurückführen lässt.Musik emotionale Erlebenhattenwiewir. Erglaubt,dasssichunser davon aus,dassdieMenschendieserZeitepochedasgleiche ­spielen. DerEntdeckerdieserFlöten,NicholasConard,geht Thema ausderKunstFugevonJohannSebastianBach tem verwenden.AufderGeissenklösterleflötekannmanein und Ganztonschritte,diewirauchheuteinunseremTonsys - heißt, beim Spiel dieser Flöten entstehen die gleichen Halb- den. Überaschenderweisesindsiediatonischgestimmt,das tal, dem»Geissenklösterle«und»HohlenFels«,gefun- und ausElfenbein.SiewurdeninHöhlenimoberenDonau- Steinzeit kunstvollverzierteFlötenausSchwanenknochen sik istalt.Schonvor35.000 JahrenschufendieMenschen der emotionale KraftdurchVerweis aufdasJenseitswirken?Mu- dächtnisinhalt undalsGedächtnisstütze.Wie kannMusikals durch Verweis auf dasJenseits,andererseits als kollektiverGe- menhängen. Dabei wirkt Musik einerseits alsemotionale Kraft bare Wirkung vonMusikistihreRollein spirituellenZusam- Eine weitere, naturwissenschaftlich bislang nur schwer fass- Musik als spirituelle Kunst rologischen Erkrankungen eingesetzt. scher Erkrankungen,sondernwirdzunehmendauchbeineu- nicht nureinwichtigerBestandteilinderBehandlungpsychi- labile Menschenemotionalstabilisieren.Musiktherapieist Kontaktaufnahme in der Gruppeerleichternund psychisch bilitation erleichtern.MusikkannautistischenKinderndie menzprozesse verzögernundSchlaganfallpatientendieReha- die DepressionenvonSaulbeeinflussen.MusizierenkannDe- wehr. Schonin der Bibel konnte David mit seinem Harfenspiel ken angstlösendundführenzueinerverbessertenKörperab- therapie angesehen werden. Musizieren und Musik hören wir den Hintergrund gedrängt worden. sik heutemitderIndividualisierungvonArbeitsvorgängenin stützt. NaturgemäßsindderartigesozialeFunktionenvonMu- zur sozialenOrganisationwirddurchMusiknachhaltigunter Schutz der Gruppenmitglieder durchsetzen. Diese Fähigkeit gegenüber derKonkurrenzsowohlbeiJagdalsauchbeim soziale Organisationsformen konnten sich unsere Vorläufer

Musik erzeugteinkollektivesGedächtnis,dasoft­ Als weiteresozialeWirkung vonMusik kanndieMusik- Musik und Kirche begründen dasHoffenaufKontinuität.Was soaltist, »Singet dem unbewusst 1 f-moll, - - ­

reits mehrfach aufgeführt haben, erleben viel häufiger eine onen sehr wichtig. Chorsänger, die die und diepersönlichenmitder Musik verbundenenAssoziati- hauterlebnisse zu sein scheint. ser komplexen StruktureneineVorbedingung fürdiese Gänse- übten Hörern vorbehalten, da die Fähigkeit zum Erkennen die- kann. DerartigeeherintellektuelleErlebnissesindjedochge - Bachchorals inderBrahmssonate,starkeEmotionenauslösen das ErkennenvonStrukturen,zumBeispiel des tailanalyse derStückeergibtaberauchHinweisedarauf,dass besonderes Potenzial,starkeEmotionenauszulösen.EineDe - Einsatz einesneuenInstrumentesodereinerStimmehaben auch melodische Strukturbrüche, überraschende Wendungen, dann unvorhergesehengetäuschtwerden.Harmonischeoder wenn musikalische Erwartungen im Hörer erzeugt werden, die musikalischen Merkmalen entstehen starke Emotionen häufig, Gänsehaut auszulösen.Abgesehenvondiesenehereinfachen die Geige oder das Saxofon,sind besonders geeignet,umeine che StimmesowiestimmähnlicheInstrumente,zumBeispiel hen, wenndieMusiklauter und brillanterwird. Die menschli- ben, dassstarkeemotionaleAntwortenvorallemdannentste- bevorzugt Gänsehaut auslöst. Die akustischen Analysen erga- dächtnis einprägen als andere musikalische Ereignisse. Gänsehautstellen werdensichvieltieferinunserLangzeitge- schüttet. Dies führt zu einer verstärktenGedächtnisbildung. pamin unddasGlückshormonEndorphinimGehirnausge- während der GänsehautmomentedasMotivationshormon Do- Aufstellen der Haare fürErwärmungsorgt. Hormonell werden sehaut Teil einesTemperaturregulierungsreflexes, derdurch körperlicher Aktivitäteinhergehen.EvolutionäristdieGän- höhter Aufmerksamkeit, Gedächtnisbildung und Vorbereitung Der SympathikusprogrammiertVerhaltensweisen, diemiter des Sympathikus, eines Teiles des vegetativen Nervensystems. tiert. BiologischentstehtdieseGänsehautdurchAktivierung laufenden »Schauer«,ineinem»Gänsehautgefühl«manifes- emotionalen Reaktion,diesichineinemdenRückenhinunter len MenschenführtdieserunerwarteteKlangzueinerstarken Akkord desChoresundOrchestersrealisiertworden.Beivie- chen, sehr lauten und harmonisch unerwarteten verminderten ist derBarrabas-RufvomKomponistendurcheinenplötzli- henpriestern angestachelte Menge: sagt wird,erseiChristus.«DaraufhinschreitdievondenHo- ihr, dass ich Euch losgebe? Barrabam, oder Jesum, von dem ge- latus derMengevorgeführtundPilatusfragt:»Welchenwollet nach demVerhör durchdieHohenpriesterwirdJesusvonPi- che amKarfreitagabendvor. IneineranrührendenSzenekurz tian BachsMatthäuspassionineineraltehrwürdigenStadtkir Man stelle sich den BesuchderAufführungvon Johann Sebas- Musik als Auslöser starker Emotionen pretiert werden. maturgie desStückesalsGewissheitewigenLebensinter bar tröstlicheDur-Melodie verwandelt.Dies kanninderDra- der DurchführungwirddiesesThemadannineinewunder Zuhörern einschwerzudefinierendesGefühlderTrauer. In erkannt wird,erzeugtdieKlaviereinleitungbeidenmeisten teil der Sonate. Auchwenn dieses Zitat in aller Regel nicht fällt nichtalsFremdkörperaufundwirdhomogenerBestand- teltakt unddurcherweiterteOrnamentalisierung.DerChoral Viervierteltakts des Chorals in einen »schwebenden« Dreivier erreicht BrahmsdurchmetrischeVerrückung desgeraden Überhaupt sindderbiografische HintergrunddesHörers Wir habeninmehrerenStudienuntersucht,welcheMusik »Barrabam«. Musikalisch Matthäuspassion be------

EKD 2012 Reformation und Musik

EKD 2012 Reformation und Musik »Wollen Sieesnichthaben?Wirwüsstennicht,waswirdamit nehme. Nicht,dassichvorherkeinsgehabthätte.AberdasLe- mich nunimmer, wennicheinGesangbuchirgendwohinmit- ledereinband imTaschenformat warihrkostbar –esbegleitet Ich entscheidemich für meinenStreifzug für das Geländer des verschiedene liturgischeGesänge bishinzumSendungslied. ist derWeg durchdenGottesdienst vonEingangsliedernüber mation, vonderEheschließung biszuTod undSterben.Oder von derWiege biszurBahre,vonderTaufe überdieKonfir wege, dasGesangbuchzudurchstreifen: mitdemLebenslauf spannende AusrichtungeröffnetverschiedeneErkundungs - traut und bei dem man Rat und Trost« sucht. Seine lebensum- Gesangbuch alseinenalten»FreundimHause,demmanver - Häusern. SobezeichnetederDichterMatthiasClaudiusdas viele JahrhunderteeinLebensbegleiterinprotestantischen damit geübtundAuswendiglernen.DasGesangbuchwarüber Beten fürdiehäuslicheAndacht,inderSchulewurdeLesen sangbuch anzufangen war: DieLiederwarenzumSingen und Schreibtisch. derexemplar mitGoldschnittbliebfortanzuHauseaufdem deine WegezuGrabetrugen.Dasunscheinbare ter den Klängen von Stern,aufdenich schaue undBefiel du erbe ichdasGesangbuchderaltenDame,diewirvorhinun- die Nichte der Verstorbenen nocheinmal vor meiner Tür. So anfangen sollten.«Etwasverlegen,geradezuschamhaftsteht onssystem entwickeltoderbeibehalten?Wir könnendarüber schen MusiknebenderSprachealszweitesKommunikati- ren spezialisierthabendürften.Warum aberhabendieMen- gisch auf Netzwerken, die sich vor Hunderttausenden von Jah - mächtige biologischeWirkungen undberuht hirnphysiolo- versell undwaristBestandteilallerKulturen.Musikhat Musik gehört zu unserer menschlichen Natur. Musik ist uni- Warum macht Musik das mit uns? are the champions von The Queen. Puccinis dikt im Wagners ­Richard »Gänsehautstücke«. DazugehörenzumBeispielimWerk nale Ausnahmezuständeenthalten,sindebenfallsbevorzugt nannte Brahmssonate),auf»letzteFragen«oderemotio- Und Werke, dieVerweise aufdie Ewigkeit(siehedieobenge- stellen theologische Gedanken dar. passt, auch sondern eine Theologie. Die Texte, dieunsdaindenSinnkommen, Lieder vermittelt sich nicht nur ein Gefühl, daszu dieser Kirchenjahreszeit Mit demKirchenjahr sindoft Lieder aus demGesangbuch verknüpft. Überdiese Mein liebes Buch Gänsehaut beimHörendiesesWerkes alsandereMenschen. Früheren Generationenwarganzklar, wasmiteinemGe- Tannhäuser, das Tosca oderdieüberschäumendeLebensfreudeinWe Kundrys FluchimParzival,dasPapstver- Flehen um das Leben des Geliebten in EG mitKunst-

- Strophe: vom SechserindenVierer undder stetsgleicheSchlussjeder nicht wanken.« Die Weihnachtsfülle markiert der Taktwechsel ne, dassvondir,meineSeligkeit herrühr,solassmichvondir die Strophendabei.»Jesu,wiesollichdirdanken? Ichbeken- in denSeelen:Ich,du,wir, ihr, sie–allePersonensinddurch schehen inBethlehem,sondernberichtetvondessenWirkung kann ( das LiedFreueteuch,ihrChristenalle,freuesich,werimmer ches Warten folgt die Freude von Weihnachten. Hieristmir »Wo bleibstdu,TrostderganzenWelt?«Dochaufadventli - Die BedrängungschafftsichLuftinderanklagendenFrage: zugs –begleitetwird:ram-paaaam,ram-paaaam. mel oderanderemSchlagwerk–gerneimRahmeneinesEin - und drängendan.Besonders,wennsiemiteinerHandtrom - ten. Nochheutefühltsichfürmichdie Melodie ungeduldig »den KönigüberJakobsHaus«ausbrechenundregnensoll - herab, oHeilandfließ«vorstellen–inmittenderWolken, die ders eine großeFüllevonTiteln. Michbeeindrucktimmerbeson- chenjahr beginntamerstenAdvent–unddamitgibtesgleich hat auchdasGesangbuchseineeigenen Jahreszeiten: Das Kir lichen ErinnerungenundFaszinationen.MitderChristenheit von Wochen- undKernliedern,sondernverweilebeipersön- Kirchenjahres. DabeiliegeichnichtimmerimMainstream pazen des Alltags. terlebnissen sogaräußerlich–undbelohntunsnachdenStra- sert das Immunsystem, erwärmt uns innerlich – bei Gänsehau- Musik dieLebensfreude,führtzuGlücksmomenten,verbes- beslieder oderinGruppenkonstellation.Undviertenserhöht hung durchWiegenlieder, inderPartnerbeziehungdurchLie- zu vertiefenunderhalten,seiesinderMutter-Kind-Bezie - wirksames Mittel,ummenschlicheBindungenzuerzeugen, sere kulturelleVerwurzelung. DrittensistMusikeinäußerst unterstützt dasSingenSprachgedächtnis–unddamitun- Umwelt besonders auch nachts rasch zuorientieren.Zweitens zu üben. Dies war nützlich, um sich in einer bedrohlichen zu verfeinern und das Gedächtnis für Klänge und Geräusche lerischen ZusammenhangauditiveWahrnehmungsprozesse Musik einewunderbareMöglichkeit,ineinemsicheren,spie- lutionären Erfolg der Menschheit beigetragen hat. Erstens ist ­Musik inmindestensvierBereichenentscheidendzumevo- nur spekulieren, aber es gibt gute Gründe anzunehmen, dass tigt. Denn ich konnte mir nur ein dickes Schiffstau für der KüstehatmichOGott,ein’TauvomHimmelgießbeschäf- O Heiland,reißdieHimmelauf.( EG »Freude, FreudeüberFreude: Christus wehretallem 34) besonderslieb.Es ist keinErzählliedvomGe- »Wie herrlich!« EG 8) AlsSchulkindan Musik und Kirche Gudrun Mawick »im Tau 39 -

EKD 2012 Reformation und Musik Fotos Benny Golm Undezime. Eine Silbe des letzten Oktave pluseineQuarteimUmfang machtzusammeneine te BögenösterlicherGroßzügigkeit schlägtdieMelodie,eine englischen undnochälterenniederländischen Vorlagen! Wei- die deutscheTextversion ausden1980er-Jahren, nachälteren sammengewirktes Lied:DieMelodie ausdem17. Es isteinaufdasschönsteüberzeitlichundinternationalzu - Der schöneOstertag!IhrMenschenkommtinsHelle!( ich an»vomEisebefreit Ostererleichterung wirklichbegehenzukönnen!Stetsdenke mer wieder auf ihrer Maßlosigkeit herumkauen. Um dann die Doch geradesolcheLiederlassenmichnichtlos,ichmussim - von gekostetundlegeesalsfürheuteunverdaulichzurSeite. leicht nur zeitweilig – meineswerden.Oder ich habe ebenda- ten inmirzumKlingenzubringen.SoeinLiedkann–viel - genheit, FremdesindenMundzunehmen,unvertrauteSai - die LiedermitihrenunalltäglichenWorten bietendieGele- theologie: IstJesusChristusfürmichgestorben?Ichdenke, bei den Kernfragen beim heutigen Streit um die Sühneopfer te GewissenfandhierAusdruck.Gut?Schlecht?Dabinich Eindruck gemacht,dasimmergegenwärtigediffuseschlech- du erduldet.«Aufmich als Kindhat dieses Liedeinen starken geschlagen; ich,meinHerrJesu,habediesverschuldet,was die Ursach solcher Plagen? Ach, meine Sünden haben dich weichlich in Selbstbezichtigunggegossen:»Was ist doch wohl Strophen. DerSkandalderKreuzestheologieisthierunaus- verbrochen? ( ten Passionschorälehinweisen:HerzliebsterJesu,washastDu möchte ichaufeinenderschwierigstenundmirliebstenal- Lieder um JesuLeidenimGesangbuchdünn gesät. Dennoch oft eingroßesUnbehagenein.Dazusindalternativemoderne in denMundgenommen.Wegen ihrerFremdheitstelltsich der hartundseltenwerdenunverzüglichdiePassionslieder aus demSternenglanzindiePassionszeitistalleJahrewie- wachsen undmussschonwiedersterben?«DerUmschwung Jesus istdochgeradeerstgeborenundjetzterschon- alljährlichen Verwirrung der Kindergottesdienstkinder: Fräulein klagen« verbunden. Diese elegische Weise war damals mit dem Text vieler ChoräleausdieserZeitwurzelninweltlichenLiedern. durch deinGüte,erweckunsGnad«. DieMelodien sucht bewegtdieDichterinzueinerstarkenBitte»Ertötuns Süßigkeit imHerzenunddürstenstetsnachdir«. DieseSehn- der vorfindlichenWelt »dasswirhiermögenschmeckendein Lied. DaringehtesumdiesinnlicheWahrnehmung Gottesin dert dichtete die ehemalige Nonne Elisabeth Cruciger dieses Gotts Sohn( zum BewusstseinundüberdieLippen.HerrChrist,dereinig che GlanzimLeuchtendesSternsüberBethlehemerstvöllig schreiten.« Mit der Epiphaniaszeit kommt derweihnachtli- dig zugewandt und führe uns an deiner Hand damit wir sicher alles mündetindieBitteandenEwigen:»Bleibduunsgnä- leeren HändenimFlugederZeitenwirdhiergesungen.Doch sam eine Jahresenddepression. Von veralteten Gewändern und lodie, dochbeidesvonspröderSchönheitundTiefe, gleich- gen. ( hast, Herr, nimm auch diesesJahresLastund wandle sie in Se - gen werden mit JochenKleppers ansteckender Weihnachtsjubel! sonne.« Einnahezupenetranter, aberüberschwänglicherund Leide. Wonne,WonneüberWonne:ChristusistdieGnaden- Musik und Transzendenz: »ansich. insich. außer sich.« Jetzt gehtimKirchenjahrallesrasendschnellweiter–zur Der JahreswechselkannnuninganzandererFarbebesun- EG 64) Sperrige Worte miteiner wenig eingängigen Me- EG EG 67) istmirhierbesonderslieb.Im16. 81) FünfFragezeichenfindensichinseinen …« ausGoethesOsterspaziergangbei »erstanden« braucht einen Der du die ZeitinHänden »Ich hört ein Jahrhundert, Jahrhun- EG »Aber 117) 117) - haben unddennochintimkommtesinseinerzwischenZwei- ert, dassGottinallenseinendreiPersonenfürdiesesJahrwie- sie imHierundJetztgenuggesungenhabe?Dieslenktmeinen Glück, das Leid, den Anfang und das Ende.« Spürte sie, dass handschrift geschrieben:»IchlegestillinGottesHände,das Tage vor ihrem Tod, hat die alteDamemit zittriger Greisinnen- ten Seite ist etwas dem Gedrucktenhinzugefügt. Datierteinige sind. IchblätteremeinErbstückganzdurch–undaufderletz - nach Trinitatis, dieRaumfürLiedfülledes Gesangbuches bundene ZeitdesKirchenjahres,diex-undzwanzigSonntage am Schlussbesiegelt.Nunbeginntdiethematischwenigerge- wird dieselbeBittemitnachdrücklichemAmenundHalleluja ( im klassischenKatechismusliedGottderVaterstehunsbei der komplettbeiunsangekommenist.Dieswirdwunderbar den grünen Himmelsmaien ewig uns erfreuen.« Ist doch wichtig. fruchtbares irdisches Wirken Strophenauswahl diesesLiedesniedieletztemitderBitteum Praxis leideroftkürzen.Dasistschade,undsofehltinmeiner glaubte ewigeHerrlichkeit:Strophen,diewirheuteinunserer schen ZusammenhängenführenüberNotundTod indiege- gen.« Viele derGesangbuchliederausverschiedenenthemati- letzte Not,mitunswillzuFeldeliegen,dasswirfröhlichsie- mit GlaubensFlügelnundverlassunsnicht,wennderToddie finstern TagenseiduunserLicht;tragnachZionsHügelnuns derische FüllederBitten:»HilfdasKreuzunstragen,undin inneren AugederSängerinundrechtfertigendieverschwen- ner desAltarsausdemPfingstpsalm118 entstehenvordem men streuen,zündetOpferan.( ist dasPfingstliedSchmücktFestmitMaien.LassetBlu- doch liebenswerte Geschenke! Von milder Festlichkeit geprägt stehn im Chore der Engel hoch um deinen Thron.« … alfine:»VonzwölfPerlensinddieTore andeinerStadt;wir sangbuch immer wieder zu heben: da capo e da capo e da capo allen. Dasbeflügeltmich,dieSchätze des»Hausfreundes« Ge- mit Engelszungen. ( tes Thronstehen:GloriaseidirgesungenmitMenschen- und wir alle,obhelloderkrächzend,im»höherenChor«umGot - Gesangbücher zurHandgenommenhaben:Einmalwerden Singens vonMenschenalsGrundhoffnungaller, diejemals oder Ewigkeitssonntag. Denn er verweist auf die Zukunft des Blick aufdenletztenSonntagdesKirchenjahres,Toten- schütteten Segenwirdhiergesungen.DiegeschmücktenHör Gottesfinger« unddemvom»güldnenHimmelsregen«ausge- er- undDreiertaktschwingendenMelodie daher. Vom »starken tümmel« und reichert auchmeineSeele.Unddasssich»Himmel«auf»Ge- sprünglichen 26!) Strophen ist von barocker Üppigkeit und be- zum Schnapp-Atem.DochdieBilderfüllederelf(!–vonur ten Stufen«.DiezweitaktigenPhrasenderMelodieverführen über allenCherubim«,dasdichterischeIchist»aufdertiefs- schen oben und unten: Gottes Sohn sitzt nungssinn desschwäbischenPietismus.Hieristesweitzwi- Gesängen zu Himmelfahrtund atmet den überbordenden Ord- als König,allesistihmuntertänig.( ein »Hassliebe-Lied«benanntwerden:JesusChristusherrscht müt der Singenden! und massiert sich in stets zunehmender Tonhöhe in das Ge- »erstanden«: EsstehtvierMalamEndejederStrophe Bogen vonneunNotenverschiedenerLänge!Überhaupt,das haben denselbenText, anjedederdreigöttlichen Personen EG Am SonntagnachPfingsten,anTrinitatis, wird nungefei- Im GefolgesolchesAuferstehungsjubelsdarfjetztauchmal 138) vonMartinLutherverdeutlicht:AlledreiStrophen »unumstößlich« auf EG 535) Am Ende steht also der Gesang von »bis wir dort, du werter Hort, bei EG »unauflöslich« reimen sind 135) KeinGeistgebraus,er EG 123) Esstehtunterden »unter lichten Chören Musik und Kirche 41 - - -

Singen dieser»fröhlichen« Musik, spürbarwerden. 8.411 Antworten lässt dieBegeisterung beiderMitwirkung imGospelchor, beim »BeGeisterung durch Gospelsingen« –eineerste bundesweite Befragung mit 42 sellschaft« zurückgehen:Spannung (Rockmusik),Hochkultur den, dieaufGerhardSchulzes Milieuansatzzur»Erlebnisge- lassen sichdreiStiltypeninunserer Gesellschaftunterschei- auf LiebhaberderVolksmusik treffen.Andiesen Beispielen her sitzen,imFoyerdesOpernhauses wirdmanhöchstselten mag, wird kaum zum Festival der Volksmusik vor dem Fernse- deten Älterenfindet.DabeigiltimGrundsatz:Wer Rockmusik verstehen, dieihrPublikummeistunterformalgeringergebil - sermaßen alsGegenpolzubeidemlässtsichdieVolksmusik Gebildeten unddabeiüberwiegendaucheherÄlteren.Gewis - man vorallemunterhochkulturellInteressiertenundhöher dungsstand zusammen:Liebhaber von E-Musik etwa findet Musikvorlieben hängenaberauchengmitdem(formalen)Bil - längerem auchElternmitihrenerwachsenenKinderntreffen. gegen Tradition und Konvention aufbegehrenden Jugend – seit es, dasssichaufRockkonzerten–einstmalsSammelpunktder ist undbleibteinwichtigerBezugspunktimLeben.Sokommt kennt jedeundjeder:DieMusikderKindheitJugendzeit tun, dasssiestarkandasAltergekoppeltsind.DiesenEffekt renzierung verschiedenerMilieuserwiesen.Dashatdamitzu sellschaft beschäftigen,alswichtigerIndikatorfürdieDiffe- en, diesichmitdenMilieusoderLebensstileninunsererGe- gezogen fühltodernicht.MusikvorliebenhabensichinStudi- liche Vorlieben einewichtigeRolledafür, wovonmansichan- Doch spielen auchästhetischePräferenzen,also geschmack- le, wennesumdasInteresseanGlaubenundKirchegeht. gibt Schwung, versetzt in Bewegung. Musikgenre ausstrahlt.Seinmoderner, rhythmusbetonterStil Geheimnis liegtim»Atmosphärischen«,dasGospelschonals sind also für sich genommen kein Spezifikum des Gospels. Ein se Stärkung werden auch in anderen Zusammenhängen erlebt, ziehungskraft? FreudeamSingen, Gemeinschaft undreligiö- Menschen an.AberwasistdasGeheimnisdieserAn- 70.000 festen Angebot.DerGospelkirchentag2010 inKarlsruhezog Bundesgebiet. InvielenGemeindenzählenGospelchörezum ße entwickelt:Gospelkirchenverteilensichüberdasgesamte schichte inDeutschland.ErhatsichzueineretabliertenGrö- Ende der1990er-Jahre schreibtderGospel seineErfolgsge- ten mit – darunter auch konfessionslose (9 tensiviert haben.FastalleGospelchörewirkeninGottesdiens- Bindung (44 den, dass sich ihre Religiosität (32 bedingt im kirchlichen Sinne zu verstehen ist. Viele empfin - meisten einereligiöseDimension,wenngleichdiesenichtun- lebens. DarüberhinaushatdasSingenimGospelchorfürdie faltet, stehenganzobeninderPrioritätdespersönlichenEr Gospelmusik für sonst ganz unterschiedliche Menschen ent- von GemeinschaftimChorunddieverbindendeWirkung, die Nicht nurdieFreudeamSingen,sondernauchErfahrung Gospel und Kirche

Zwar stehtdie»religiöseMusikalität«immeranersterStel- Musik und Kirche Prozent) durch ihr Engagement im Gospelchor in- Prozent) und ihre kirchliche Prozent). Seit dem - Musik und Transzendenz: »ansich. insich. außer sich.« musbetonten Singen der frohen Botschaft begeistern lassen. haber vonklassischerMusikund Opervommodernen,rhyth- deutliche Anzeichendafür, dasssich zunehmendauchLieb- über: DieErgebnissederBefragung vonGospelchörenliefern »Bach« nicht als einander ausschließende Alternativen gegen- herige Milieubegrenzungen.Dabei stehensich»Gospel«und ten Gemeindeleben aber kaum finden. Gospeldurchbrichtbis- sind, ihren Stiltypus im traditionell hochkulturell orientier net jeneneineTürzurKirche,diezwar»religiösmusikalisch« Möglichkeit, diese Herausforderung anzunehmen. Denn er öff- forderung fürdieKirchedar. DerGospelbieteteinewichtige nahezuhalbiert.DieseEntwicklungstellteineHeraus- 2009 Instituts von47 ben und Kirche verankert sind, nach den Studien des Sinus- die älteren,traditionsorientiertenMilieus,festinGlau - nung« inunsererGesellschaftweiterausdehnt.Sohabensich spruch trifft. ten, diedemStiltypus»Spannung«zuneigen,aufgroßenZu- dass GospelgeradebeideneherjüngerenundhöherGebilde- einen Hochschulabschluss(39 gar hochgebildet,habendieHochschulreife(17 Gospelchören engagieren, sind übrigens überwiegend gut oder (35 bis49-Jährigen pe der40- rung insgesamt (46 schnittsalter von42 »Spannung« zuordnenlassen.SiesindmiteinemDurch- sie sichinderMilieu-»Landkarte«demBereichdes­ nig Resonanz.ÜberMusikvorliebenlässtsicherkennen,dass besuchern beliebtenGenresfindenunterGospelsängernwe- und inderTendenz auchfürSchlager:Diebei Gottesdienst- die Bewertungenfür Volkslieder den Gospelsängern(41 Prozent), unddasmitgroßemAbstandzu den erstenPlatz(80 belegt deutlich anders aus: Sie geben der klassischenMusik abgesehen vom Musical, das auch bei ihnenden zweiten Platz Bei denhäufigenGottesdienstbesuchernsiehtdasErgebnis– auch in der Bevölkerung insgesamt – Pop, Musical und Rock. Beliebtheit stehenbeidenSängerninGospelchören–wie pelmusik einordnen lassen. ten, zufindensind.Offenistbisher, wosichdieFansvonGos- vorwiegend dieÄlteren,imSchnitteheretwashöherGebilde- pen undKreise–konzentriertsichaufdenBereich,indem ob Gottesdienst,GemeindefestoderdieverschiedenenGrup- ckelt wordensind.DieTeilnahme ankirchlichenAngeboten– »Landkarten« verwendetwerden,dieinderForschungentwi- als gemeinsamesGrobrasterfürdieunterschiedlichenMilieu- (klassische Musik)undTrivialität (Volksmusik). Siekönnen Vieles deutet darauf hin,dass sich der Stiltypus »Span- ergab:AnvordersterStelleinder Unsere Studievon2008 Prozent imJahr1982 ProzentimJahr auf24

Jahre) – darunterauffallendstark die Grup- Jahren sogarnochjüngeralsdieBevölke- Prozent). Geradezugegenläufigsind Prozent). DieSänger, diesichin Prozent) erreicht.Daszeigt, /Volksmusik, Operette, Oper Petra-Angela Ahrens Prozent) oder Stiltypus -

EKD 2012 Reformation und Musik Fotos Benny Golm (S ­Fischer« von Stéphane Lelarge prägt dasKapitel »MusikundA Die Fotostrecke »Was ist, was bleibt. ­ . bis55). 44 Zum Bildprogramm desgesamten Heftes siehe Text auf Seite 2. Lebensmelodie imP orträt Rosemarie lltag«

EKD 2012 Reformation und Musik

EKD 2012 Reformation und Musik das Gespräch erstmalig auf den Beruf kommt,finde ich es stets nicht Kirchenmusikeringeworden. Wenn imBekanntenkreis fluss aufmeinemusikalischeEntwicklung wäreichbestimmt begeisterte undzumeinemVorbild wurde.Ohne ihren Ein- große Rollespieltedabeimeine C-Kurs-Lehrerin,diemich »Blut geleckt«undwarseitdem mitBegeisterungdabei.Eine fahrt nachItalienfolgte,waresummichgeschehen:Ichhatte tehude-Kantaten aufdieBeinestelltenunddaraufeineKurs - jahr desersten Unterrichtsjahres ein Passionskonzert mit Bux- ich michdaeingelassenhatte.AbernachdemwirimFrüh - Weg indenC-Kursundichwussteerstnichtsorecht,wo­ fast zufällig. Der Organist meines Heimatortes wies mir den geistern lassen. Ich habe erst spät zur Kirchenmusikgefunden, zu meinemAuto.Schön,dasssichdieLeutedochnochbe - te. IchfreuemichundgehemiteinemLächelnaufdenLippen Gottesdienst lobt eine Dame das schwungvolle Orgelspiel heu- bauen?« –»InOrdnung,wenn'ssonstnichtsist.«Nachdem »Können wirnochdasorthodoxeKyrieindieFürbittenein- noch eineÄnderung,derPastorkommtzumirandieOrgel. kommen dieGottesdienstbesucher. Kurzvorzehnergibtsich Ich sitze an meiner Orgel und spiele mich ein, nach und Sonntagmorgen einer B-Stelle. alltäglich so erfüllt: im Arbeitsalltag ­welche Aufgaben der Kirchenmusiker ­Kirchgänger bleibt esoft verborgen, ­Woche?« Für einennursonntäglichen »Und was machen Siesonst sodie begeistert sein! und Begeistern

Musik und Alltag Petra Denker rauf 45 46 mal schwer, wennmanbeieinemInstrumentwiedernull nik-Skalen einspiele,kommtmeinLehrer. Esistmanch- lange einTraum vonmir. WährendichmichmitPentato- Seit einpaarMonatennehmeichGitarrenunterricht,schon Mittwoch dicht, weil jeder sich mit viel Emotion der Musik hingibt. liebt unddasArrangementgutist,istderKlangunglaublich miteinander inBeziehungstehen.Wenn derChoreinStück Gospelchor merke ich besonders,wie Begeisterung und Klang cke desChors,dalaufenalleBeteiligtenzuHochformauf.Im auf eine Richtung einigen. Wir proben eines der Lieblingsstü- dere schauenmichentnervtan.Schließlichkönnenwiruns fen hartnäckiggegendenStrom.Manchefindeneslustig,an- chen einpaarSchrittfolgenzurMusikzumachen,einigelau- Woche!« Abendserwartet mich derGospelchor. Wir versu- der stürmenausdemGruppenraumundrufen:»Bisnächste Schlusslied vorsingenmöchte.Fastalletrauensich.DieKin- stolz ihreneueZahnlücke.AmEndefrageich,weralleinedas mich schon.EinMädchenläuftmirentgegenundzeigt Kindergarten. DieKinderderTripp-Trapp-Bande konzert an.NachmittagsgeheichzumMusikunterrichtinden den Fingern,ichmöchteüben–amSonntagstehteinOrgel­ Der Tag beginntmitderDienstbesprechung.Mirkribbeltesin Dienstag worten und den einen oder anderen Anruf erledigen. Arbeit ganzliegenzulassen.KurzmaleinpaarE-Mailsbeant- Obwohl icheigentlichfreihabe,schaffeesdochnicht,die Montag – Kantorensonntag ganzen Laden zusammenzuhalten. proben gemeinsam. Manchmal ist es gar nicht so einfach,den er etwasverwirrt.Schließlichkommtnochvorbeiundwir unser Gitarrist?Ichrufean:»WarnichtgesternProbe?«,fragt Eigentlich würdejetztdieBandprobeanfangen,dochwoist Sonntagnachmittag und gleichzeitig unbedarftem Interesse. tags dieOrgelzuspielen,reagierenmeistenmitehrlichem dann erzähle,dasseinKirchenmusikermehrmachtalssonn- Frage: spannend, wiedieLeutereagieren.Gelegentlichhöreich

Musik und Alltag »Und wasmachenSiesonstsodieWoche?«Wenn ich ­erwarten und stetsgenugKraft,umdiese Begeisterungweiterzugeben! legen begeisterungsfähige­ sikers gibt es nicht. Ich wünsche terung –einebessereWerbung für den BerufdesKirchenmu- es ist,begeisterndemusikalische Vorbilder zu­ kung fasttäglich.AusErfahrung kannichsagen,wiewichtig traler BestandteilmeinesBerufs.IchmerkedieseWechselwir kann. Begeisternundbegeistertsein–dasistfürmicheinzen - Band heuteohnemichprobtundderAbendruhig­ klappt. EinpaarLeutebedankensich.Ichbinfroh,dassdie spannung vonmirab–zumGlückhatalles­ schülerin istgekommen.NachdenletztenTönenfälltdieAn - da, eineganzeMengefüreinOrgelkonzert.AuchmeineOrgel ­ Konzert etwas auszuruhen. Kurz vor fünf sindachtzigLeute Nach dem Gottesdienst fahre ich nach Hause, um vor dem Sonntag suche, mich bei einem Kinobesuch zu entspannen. ser laufen!EtwaszerknirschtverlasseichdieKircheundver ich dieStückedurch.Puh,dasmussbeimirmorgenaberbes- gut dieStimmunggehaltenhat.MitmeinerRegistrantingehe trument gestimmt werden. Wie schön, dassdie alte Dameganz Für dasOrgelkonzertamSonntagmussaltehrwürdigeIns- Samstag helfe ihr bei ein paar technischen Schwierigkeiten. schülerin anderKirche.Ichfreuemich,dasssiegeübthatund schnell inSchwung.NachmittagserwartetmicheineOrgel- der freitäglichenTripp-Trapp-Bandebringenmichmeistens her stecktmirdannnochindenKnochen.AberdieKinder der imKindergartenzusein–dieChorprobevomAbendvor Morgens fälltesmiroftschwer, umkurznachachtschonwie- Freitag frohlocket. gen sichjedenfallstapferbeimerstenVersuch vonJauchzet, und oballebiszumSchlussdurchhalten.DieSopraneschla- gefunden. Ichbingespannt,wielangedieBegeisterunganhält fähr zwanzigGastsänger, vorwiegendFrauen,habensichein- ten ProbedesWeihnachtsoratoriums hatesgeschneit.Unge- zen. AbendsprobtderMichaelis-Chorundpassendzurers- teils rhythmisch anspruchsvollen Passagen auseinanderzuset- ses Stückundwird–soscheintesnichtmüde,sichmitden des JahrinderWeihnachtszeit wünschtsichdieGruppe- te desamerikanischenKomponistenAllan Rosenheck. Fast je- Flötenkreis. Die Mitglieder mögen besonders gerne eine Sui - res!«, sagteineSängerinbegeistert.Nachmittagstrifftsichder heim an.»DasistfürmichdasschönsteWochenendedesJah- das jährlicheProbenwochenendeimMichaelisklosterHildes- ter, denChorgibtesimmernoch.NächstesWochenende steht haben nurnochwenigederFrauenKinderimKindergartenal- der Betreuungszeitzusammengesungenhaben.Mittlerweile Frauen, ursprünglichgebildetausKitamüttern,diewährend Vormittags probtderRegenbogenchor,einkleinerChoraus13 Donnerstag – ein »Großkampftag« werden. Ausgaben meistnichtdurchdieEintrittseinnahmengedeckt Weihnachtskonzert willfinanziertsein,jederweiß,dassdie chen, großformatigenEventsgibt.Aberaucheinnormales winnen, dassesnurnochZuschüssefürdieaußergewöhnli- nung aufZuschüsse.MankannmanchmaldenEindruckge- über derKonzertplanung,schreibeFörderanträgeinHoff- was eineViertelnote ist.NachmittagsBürotätigkeit.Ichsitze anfangen muss.Immerhinbrauchtermirnichtzuerklären, Gemeinden undKirchenvorstände ­allen Kolleginnen und Kol- einigermaßen ge- haben. Begeis- ausklingen ­ - -

EKD 2012 Reformation und Musik Fotos Seiten 44 bis 47 Stéphane Lelarge

EKD 2012 Reformation und Musik Musiker arbeiteichaußerhalbder»christlichenMusiksze- Pastor imRuhestandhatdenGottesdienst zusammen­ Einwohner-Dorf imUmlandHamburgs.Ein­ und Orgel. same Sätze)währenddesAbendmahl arrangiertfürSaxofon fon undOrgelmitImprovisationsanteil,Oboensonaten(lang - Gesang undPercussion,einemoderneKompositionfürSaxo - zug desChoresmiteinemSpiritualundCall-and-Response- von GospelbisLutherischesGesangbuch,EinzugundAus - aus der Messe von Rachmaninoff für Chor, Gemeindelieder von einem modernen amerikanischen Komponisten, ein Stück abgestimmt mitPredigt,LesungenundGebeten:eineMesse dazu geladen.IndenneunzigMinutenerklingenthematisch musikalischen Teil des Gottesdienstes, ich bin als Gastmusiker Kirche inNewYork City: EinKantorundOrganistleitetden pflegt wird. begegnen könnenundkeinbestimmterMusikstilsingulärge- lingende Gottesdienste,indenenalleGenerationeneinander Kirchenmusik« oderLobpreisgeht,sondernumfürmichge- nicht entwederumOrgeloderKeyboard,also»klassische erfahrungen vonGottesdienstformenvorstellen,indenenes oder Konzerte zu gestalten. Ich möchte eingangs zwei Praxis­ als christlicherMusikereingeladen,inKirchenGottesdienste Jazz- undPopmusikernzusammen.Dabeiwerdeichhäufig ne« sowohl mit klassisch ausgebildeten Musikern als auch mit so, dassesaufbaut.«(1. ner redetinZungenundeinandererdeutetes.Allesgeschehe Psalm, einanderereineLehre,derdritteOffenbarung;ei- »Wenn ihr zusammenkommt, trägt jeder etwas bei: einer einen »Was ist, was bleibt. ­ Weg machte. Sebastian Bach sich heute auf den sich treffen? Vielleicht, wenn Johann Wie können also Klassik und Gospel an Tiefe Kirchenmusik. beimoderner sagen dieeinen. Den anderen fehlt es zu trennen. Orgelmusik klinge traurig, birgt aber auch die Gefahr, stiftet Gemeinschaft undbeflügelt. Sie Menschen zusammenzubringen. Sie Musik hat das Potenzial, verschiedene Keyboard? oder Orgel II I . Sonntagmorgengottesdienstineinergroßenlutherischen . Eine FeierzumTotensonntag ineinemkleinen500- Lebensmelodie imP

Korinther 14, orträt Rosemarie Fischer« 26) Als freiberuflicher landeskirch­ ­Menschen Uwe Steinmetz gestellt, licher auf Plattdeutsch über Tod und neues Leben – gewidmet seinen sonders eindrücklich, ein langes Gedicht stalten darf,Andenkenandie­ provisation über den Choral Geistliches Lied. Es gibt Bibellesungen, eine instrumentale Im- gen: Choräle,Volkslieder undwiederausdem Bereich Neues kern undAkademikern,gemeinsamLiederspielensin- hauptsächlich Bauersfrauen,gemischtmiteinigenHandwer Kirchenchor, den Singkreis und einen Gitarrenkreis, in denen der Vorbereitung gewirkt hat. Es gibt einen von ihm gestarteten in demerwenigleitetundsagt,aberumsomehrkatalytisch Befiehl Du Deine Wege, die ich - ge Gestorbenen und,fürmichbe- ­eines alten Bauern Musik und Alltag 47 - 48 spielhaft ElementepopulärerMusik integriert.Kirchenmusik gegenwärtigen Musikströmungen geöffnetunddabeioftbei- schulen und Musikern und Musikströmungen der Gegenwart. alog zwischen Theologischen Fakultäten,Kirchenmusikhoch- zum angelsächsischenundskandinavischenAuslandeinDi - sern undMedienverödet.InDeutschlandfehltimGegensatz seits dersäkularenKulturweltundderenVeranstaltungshäu- die nicht mit dem Stempel »Kirchenmusik« in einer Sparte ab- vielschichtige musikalischeVerkündigungskultur wachsen, musikern undKomponistenkannheuteeineprofilierte musikern vorOrtundfreiberuflichenMusikern,Orchester sammenwirken vonTheologen,Gemeindepastoren,Kirchen - hause erschaffen,EinheitfindendurchVielfalt –erstimZu- renzgefühl auf,stattkonstruktivesZusammenwirken.EinZu - Pastor, dementsprechendbauesichleiderehereinKonkur selbst neuereLiedermitderGemeindezuüben,ebenso gesehen wird. Der örtliche Organist fühle sich überfordert, Basis­ Dorf. Ererzähltmir, dassdiesemusikalischeund­ renamtlich engagiertenPastorsinseinemnorddeutschen zieren: DiessindauchdieKernanliegendesinspirierten,eh- meindliche aktiveMitgestaltendurchTexte und durchsMusi­ Gott, GotteserfahrungenundBesinnungerschaffen,dasge- ein ZuhausefürdieVielfaltderGottesdienstbesucherbieten.« anknüpfen zuwollen,manmussgemeinsammitdenPastoren Liturgie andenvielfältigenHörgewohnheitenderMenschen bestehe? aus MenschensounterschiedlicherPrägungenundKulturen ders Kirchenmusik gestalten solle, wo seine Gemeinde doch Yorker Kirchengemeindeleichtverwundert,wieerdennan- chenmusik lebenkönne,antwortetmirderKantorNew fil? AufdieFrage,wieermitdiesereklektischenArtvonKir dies aber nichtdieGefahr eines Mischmaschsohne klares Pro- dernem LiedgutundzeitgenössischenKompositionen.Birgt Verkündung spielt.DasErbe derChorälemischtsichmitmo- sik einezentraleRolleauf»Augenhöhe«mittheologischer mich FormenlebendigerGottesdienstewider, indenenMu- Diese beidensoverschiedenenGottesdienstespiegelnfür Enkeln, Christuserfahrung in authentischer eigener

Kirche alseinZuhause,FreiräumezumNachdenkenüber In ihrerTradition hatsichdieKirchenmusikimmerfüralle Musik und Alltag arbeit allerdingsmitSkepsisinderörtlichen­ »Es wäregeradezuarrogant,nichtmitderMusikund theologische Gemeinde ­Sprache. - - -

cher klassischer Pianist gearbeitet hat. ist ebenfallseinQuereinsteiger, derzusätzlichalsfreiberufli- tor an einer der wichtigsten lutherischen Kirchen in den USA lichen Hochschulenvorzuziehen.DervormalserwähnteKan- sikalischen DienstzuberufenundsogarBewerbernvonkirch­ ben, wieessieinvielenUniversitätengibt,denkirchenmu- sind undeineZusatzqualifikationinTheologieerworbenha- dition vonprofessionellenMusikern undebensolchenTex- und MusikerTexte –allerdingslebtdieKirchenmusiktra­ Es isteinLeichtes,untervielleichtnichtallenherausragen- nis gegenüber der jeweils anderen musikalischen Tradition: klänge, warmirklar,dassichzurGitarregreifenundLieder meine Konfirmandensagten,dassOrgelfürsienurtraurig Deutschland hörteichdagegenineinemGespräch:»Alsmir biete. Von einemUrgesteindesNeuenGeistlichenLiedesin derne KirchenmusikzusimpelseiundeinfachkeineTiefe von Vertretern derklassischen Kirchenmusik,dassdiemo- Musik, klassischerundmodernerKirchenmusik–ofthöreich jenseits vonästhetischenGrabenkämpfenzwischenE-undU- USA land alsauchinden und Musik,wieesimanglikanischenRaumsowohlinEng- dersetzung mitdenWechselbeziehungen zwischen­ Theologen und für Kirchenmusiker eine verstärkte Auseinan- Orgel und GitarrealswahlobligatorischeNebenfächerfür kern. Dies sollte schondie Ausbildung prägen – also Gesang, der engenZusammenarbeitvonTheologenundKirchenmusi- können, bedarfesmeinerEinschätzungnachunteranderem trumente der Verkündigung und liturgischen Feier nahe der Theologie.« beit einbezogen. Welt arbeiteten beziehungsweisederen Elemente in ihre Ar fast ausnahmslosvonKomponisten,dieauchindersäkularen großen Werke der Kirchenmusiktradition stammen bis heute gen undderBegegnungunterschiedlicherMusikkulturen.Die war im positiven Sinne ein Bereich der Grenzüberschreitun - Präsentation derganzenKlangbreite diesesInstrumentesund leidenschaftlichen Organisten, eine Orgelführung und die stempeln zulassen,hilftoftschon einGesprächmitpaar tern undDichtern.StattOrgelmusik generellals»traurig«ab- disch, sondern Teil der Musikkultur werden soll. geführt werden,zumindest,wenndieMusiknichtnurmo - siktradition vonGregorianischemChoralbisindieModerne fundierte AuseinandersetzungmitdemErbederKirchenmu - Texter undKomponistenneuerKirchenmusikebensoeine auf angemessenemNiveau.GleichsamsolltederSeite schätzung vielerDozentenundStudentenleidernochnicht schulen leisten dieses handwerkliche Verständnis nach Ein- Nebenfachmodule PopularmusikandenKirchenmusikhoch - rücksichtigt wird. Die bestehende Zusatzausbildung und die kirchen­ mit derGemeindezugestalten,wenndiesimRahmen nige ­ den neuenKompositionentrotzallemgroßartigeundtiefsin- schreiben musste.« Ein integrativesVerständnis vongottesdienstlicher­ »Die Musicaisteineschöne,herrlicheGabeGottesund Es istbewundernswert,wennPastorenLiederschreiben In beidenFällenzeigtsichfürmichehereinUnverständ- Damit sichMusikundTheologiealszweiebenbürtigeIns- durchaus üblich, Berufsmusiker, die engagierte Christen Texte undMelodienzufindendieseentsprechend musikalischen Ausbildunghandwerklichfundiertbe- Martin Luther USA gepflegtwird.Esistgeradeinden Theologie ­begegnen Musik -

EKD 2012 Reformation und Musik Fotos Seiten 48 bis 51 Stéphane Lelarge

EKD 2012 Reformation und Musik und derenVerbreitung. Vielmehr handeltessich um eine ganz meinden hinaus.Dabeigehtes nichtnurumbestimmteLieder breitung, weitübercharismatische oderpfingstlerischeGe- und findetvorallemseitMitte der1980er-Jahre hierihreVer les, vomangloamerikanischen SprachraumnachDeutschland »Bewegung« schwapptevoretwa vierzigJahren,wiesovie- pfingstlerischen Bewegunginden dieses Ausdrucks,diesichvorallembeidercharismatisch- weise neudeutsch»Worship«, füreineganzbestimmteArt Ausdruck zu bringen. So weit, so gut. Glauben, inGemeinschaftzusingenunddasLobGotteszum meisten christlichenKonfessionengehörteszumgelebten tausend Jahrenganzselbstverständlichpraktiziert.Inden seltsamer Begrifffüretwas,dasdieGemeindeJesuseitzwei - Den reinenFaktennachist»Lobpreis«zunächsteinmalein geschehe so, dass es aufbaut. Kirche im Konzertsaal statt Kirche als Konzertsaal – denn ­Musikkultur derGegenwart wieder stärker prägt als bisher– mit BlickaufChristuserlaubtundausdenKirchenherausdie sikschaffenden – für eine Kirchenmusik, die allen ein Zuhause den lässtzwischenTheologieundLiturgie,PastorenMu- lich geprägterundinspirierterMusikeinegrößereEinheitfin- dessen ausderVielfalt dergegenwärtigenStrömungenchrist- Erbe MartinLuthers,dassdiesnichtsobleibtundsichstatt- zu wünschen,mitBlickaufdiebiblischeTradition unddas nur als zweitklassige Stilkopie und nicht im Original. Es bleibt nen BruchteilgegenwärtigerMusikströmungen,und dies oft clubs, zuRockkonzertengehen.InKirchenfändeeroftnurei- ins Radialsystem,Konzerhaus,diePhilharmonie,inJazz- ebenso Avantgardist inseinerZeit.HierfürwürdeerBerlin ein großes Interesse, neuere Musik zu hören– er selbst war ja mer nochinKirchen.Ichbinmirallerdingssicher, erhätte such durch Deutschlandreisen, fände er zwar seine Musik im- sen. Würde Johann Sebastian Bach in persona heute zu Be- Musik, umhiernichtinAllgemeinplätzeverfallenzumüs- dem großen Spektruman komponierter und improvisierter »Was ist, was bleibt. ­ Seit den Siebzigern steht das Wort »Lobpreis«,beziehungs- Lebensmelodie imP orträt Rosemarie Fischer« USA entwickelthat.Diese ­alles - zig JahrenhatsichumdasThema »Lobpreis«einregelrechter über langeJahrederFall.Inden letztenfünfzehnbiszwan- weilen auchmit»Schlager«-Einschlägen. Zumindestwardas Fällen amehesteninRichtung »Softpop«einzuordnen,bis- hung zu Jesus Christus aus. Der Musikstil ist in den meisten sehr emotional,preisenGottoder drückendieinnigeBezie- und einemChorus,dieoftwiederholtwerden.DieTexte sind einfach, bestehenzueinemgroßenTeil ausnureinerStrophe Lobpreis unddieAnbetung»führt«.DieLiedersindoftsehr sungen unterbrochenwerden,undderdieGemeindeinden gie, derdieLiederanleitet,nurvonGebetenoderBibelle - Darin übernimmtüblicherweiseein»Lobpreisleiter«dieRe - zwanzig MinutenbiszueinerStundeodermehrdauernkann. hier eineigenerTeil, derjenachGemeindeundPrägungvon dienstes anbestimmtenStelleneingefügt.Der»Lobpreis« ist wird. LiederwerdennichteinfachindenAblaufeinesGottes - bestimmte Form,indiedasgesungeneLobGottes»verpackt« dann üblicherweise. darauf an wenn siekurz seinsoll. »Das kommt nichtmir dieAntwort leicht. Vor allem, mit dem Thema gefragt werde, fällt Wortes »Lobpreis« undErfahrungen Wenn ich nach derBedeutungdes Moderne? der Kirchenmusik

…«, beginneich soinderArt

Musik und Alltag Jonny Pechstein 49 Jahren zumindestaneinigenStellenenormdazugewonnen. Gemeinde inBayernsammelndürfen.EinmalimMonatgab ich Anfangder1990erJahreineinerkleinenevangelischen 50 Gottesdienst spielenwerden.In welcherFormauchimmer… lied« auchinZukunfteinezentrale Rolleimevangelischen wicklung bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass »Gebet und Lob- moderne volkskirchliche Variante der Kirchenmusik? Die Ent- Sonntagmorgen an das Thema heranzuführen. Formt sich eine versuchen, dieBesucherdes klassischen Gottesdienstesam dienste mitLobpreisundregelmäßige»Lobpreisabende«oder längst mitein.HeuteveranstaltenvieleGemeindenGottes - in denGemeindenbindetanvielenStellenLobpreisjedoch risch« wirkendenBegleiterscheinungen.DieEntwicklung gegenüber denvielenevangelischenChristenzu»schwärme ­ zu füllen.Gleichzeitigbleibtnatürlicheinegesunde­ sprechen und so den Begriff »Volkskirche« mit neuem Leben lich, eingrößeresSpektrumdermodernenGesellschaftanzu ­ es mitAnregungenausdemBereichLobpreisvielleichtmög - ganz bestimmteBildungs-und Altersschicht zu bedienen, ist »klassische« Kirchenmusiküberwiegenddazugeeignet,eine erweitert, ohnedieeigeneTradition zuverleugnen. Istdie von Kirchenmusik um ein wichtiges zeitgenössischesElement meinden kannLobpreiseinImpulssein,derdasVerständnis auch nichtübersetzterFormgesungen.FürevangelischeGe- nen großenEinfluss,werdenihreLiederinübersetzteroder Redman oderderAmerikanerChrisTomlin, nach wievorei- raum, wiedieaustralischeHillsong-Gemeinde,derBriteMatt nennen. Dennoch haben Autoren aus dem englischen Sprach- ser StellewohlvorallemdieBandGracetownausStuttgartzu ist, habendazubeigetragen.AufevangelischerSeiteistandie- Frey undLotharKosse,derMitgliedeinerPfingstgemeinde kanntesten Protagonisten hierzulande, der Katholik Albert Vor allemdeutscheAutoren,allenvorandiebeidenwohlbe- preis« einen neuen ZugangzuGlauben und Kirchegefunden. te« Menschen und auch viele Christen haben aber über »Lob- lenwert einnimmt als eine gute Predigt. Viele »entkirchlich- »Lobpreis« in Gemeinde und Gottesdienst einenhöheren Stel- an dieGrenzezurMassenhysteriestößtoderwenndasThema logie entfernen, wenn die Intensität des gemeinsamen Singens zu starkvombiblischenZeugnisundeinerbelastbarenTheo- »Lobpreis« hatseineGrenzen.ZumBeispiel,wennsichTexte drucksform so ohne weiteres nachvollziehen. Das Faszinosum jeden Text soohneweiteresmitsingenundnichtjedeAus- ten Stellen,konnteichalslutherischgeprägterChristnicht gen. Relativfrühzeitigriebichmichjedochauchanbestimm- meinsame GesangeinebesondereSaiteinmirzumSchwin- und Anbetung zum Ausdruck zu bringen und der intensive ge- brachten dieemotionalenTexte, diesehrinnigeArt,Glaube lichen RauminderKircheeingenommenhat.Zumanderen sache, dasshierzeitgemäßePopmusikeinenselbstverständ- men hat.ZumeinenbegeistertemichvonAnfangandieTat- Sonntagabend, indemLobpreiseinengroßenTeil eingenom- es dort einen besonderen Gottesdienst in freier Form, immer ausbilden. Auch hiergibtesSchulen,dieLobpreis-Leiterund-Musiker ship istheuteeinwichtigerMarkt,auchhierinDeutschland. den MarktgebrachtoderansolchenAlbenmitgewirkt.Wor hat wohlindenletztenJahrenein»Worship«-Album auf bar. FastjederchristlichePopmusiker, deretwasaufsichhält, ma, LiederbüchernundWebseiten dazuistfastunüberschau- Boom entwickelt.DasAngebotan

So hat Lobpreis musikalisch und textlich in den letzten Meine ersteneigenenErfahrungenmitdemThemahabe Musik und Alltag CD s, BüchernzumThe- Skepsis -

EKD 2012 Reformation und Musik »Was ist, was bleibt. ­ Lebensmelodie imP orträt Rosemarie Fischer« besonderen Aura. Umstand umgabdieSingles miteiner um siezuhören. Schon allein dieser auf denPlattenspieler legen musste, Loch, sodassmanein Zusatzstück Sie besaßen in der Mitte ein großes Single-Schallplatten unserer Eltern. Als Kinderliebten wirdiekleinen dieses Danke! für Danke schaffte es schließlich in die Hitparaden. DiePlatte erreich- Electrola mitdemBotho-Lucas-ChoraufPlattegepresstund Das SiegerlieddeserstenWettbewerbs Dankewurdebeider Jazz undUnterhaltungsmusikgeprägt–entsprechensollten. dem musikalischen Resonanzvermögen der Jugend – auch von Preisausschreiben: NeuereligiöseLiederwarengefragt,die hatten, entschlosssichdieAkademieTutzing 1960zueinem Sourire mit französischen religiösen Chansons Erfolge gefeiert und die (später aus dem Orden ausgetretene) Nonne Soeur Jesuit AiméDuval,derDominikanerMauriceJeanCocagnac Medima und Danke Nachdem für diesengutenMorgen… der Drei JungssangendannmitInbrunstabwechselndMedima, aber manchmalabsichtlich,weilesdannnochulkigerklang. des Plattenspielersauf45Umdrehungenerhöhen,vergaßes Lied, dieunsfaszinierte.ManmusstejaGeschwindigkeit Pappe wares vor allemdiekleineScheibe mit demDanke- Neben einerWerbeplatte fürMedima-Angoraunterwäscheaus Platz imEvangelischenGesangbuch ( sowie Orgel-undChormusik. Dankehatheuteseinenfesten komponierte Schneider auchzahlreiche besinnlichere Weisen ausschreibens den zweischlagerartigenSiegerliedern desTutzinger Preis- tor, Hochschuldozent und (Landes-)Kantor in Freiburg. Neben als Religionslehrer tätig, ab 1970 dann als Kirchenmusikdirek- war als studierter Theologe und Kirchenmusiker eine Zeit lang parade. SeinAutorMartinGotthardSchneider(geboren1930) laren undlag14 Tage inderSpitzengruppedeutschenHit- te eineAuflagenhöhevonmehrerenhunderttausendExemp -

Danke und Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt

EG 334)undinvielen Musik und Alltag Peter Bubmann 51 52 bleibend zu danken. (Strophe zwei undsechs)insSpieldesDankensbringt,istihm rotieren. Dass Schneiders Kirchenhit den »Herrn« desLebens hin daraufankommen,umwelcheMittedieseDanke-Lieder Bezüge zuSchneidersSongdenkbar. Dabeidürfteesweiter oder der Rap ke fürnichtsvondenBöhsenOnkelz,DankeGuildoHorn lige Hardrock-Interpretationbeigesteuert.UndTitel wieDan- laren Popmusik.DiePunkgruppeÄrztehateineeigenwil- sich derSongbestens.ErhinterließauchSpuren in dersäku- gene Leben zu bedenken und dafür zu danken. Dafür eignet das Bedürfnisweitverbreitet,wenigstensgelegentlichei- zé-Gesängen) eineneigenenRaumderBesinnung.Offenbar ist de dieMonotoniederMelodieführung(vergleichbardenTai - Form. SoentstehteinkleinesDankritual.Dabeierzeugtgera- ist gestaltetSchneidereinLiedinrhythmischregelmäßiger len der Textvorlage des französischen Priesters Michel Quo- ne-Marie undihrbefreiendesLachen…«AusderartigenZei- ka, dieihrsogutzuGesichtsteht,fürGrimassevonAn- sie hatdieFarbekluggewählt,fürDauerwellevonMoni- net bin,fürdasRougeaufihrenLippenvonMarie-Therese, erwachenden Straße…DankfürMädchen,denenichbegeg- gleiten, fürihremorgendlichenRufeunddieGeräuscheder »Dank fürdenMüllabfuhrwagenunddieMänner,ihnbe- Blick aufdieeigeneLebensweltmitderHinwendungzuGott. zug christlicherLebenskunst:ImDankenverbindetsichder Textlich wirbtderSongfüreinenwesentlichenGrundvoll- scher ElitenundalsSiegeszugdesPopuläreninderKirche. Song alsBefreiungsschlaggegendieMacht kirchenmusikali- ländischer Kirchenmusikheraufziehen.Anderefeiertenden sikalische Verbandsfunktionäre sahen die Apokalypseabend- leiter etablierterKirchenmusikzeitschriftenundkirchenmu- so kontrovers diskutiert wurde wie eben dieses auch, warumkeinanderesLiedinKircheundÖffentlichkeit tische Versionen desLiedesentdecken.Vielleicht erklärtdas Parodie. AufYouTubelassensichhochkomischekabarettis- ger undzurWerbemelodie auchvielfältigeMöglichkeitender der nannte.Natürlich ergeben sichdurchdie Nähe zum Schla- ten fürundinderWelt –»Werktagslieder«, wiesieSchnei- der fürdenGottesdienst,sondernaufAlltagsliedervonChris- Tutzinger PreisausschreibenzieltenichtprimäraufneueLie- häufig beiKasualien.Daswarsokaumzuerwarten.Denndas anderen Gesangbüchern und Liedersammlungen. Es erklingt

Musik und Alltag Danke der Fantastischen Vier sind kaum ohne ­Danke. Schrift- - sogar Hip-Hop. Leute begeistert: Jazz, Swingund auch sehr viel Repertoire, das junge güldenen Choralweisen gibt es heute Ruf, altmodisch zusein. Nebenden Unrecht stehen »Posaune &Co«im das HerzderKirchenmusik. Völlig zu Bläserchöre sindinvielen Gemeinden auf der Erden des Himmels Glanz Anhieb. Aberjehöhereshinaufgeht, destoanspruchsvoller norhorn. Naja,einfach?Dietieferen Lagenfunktionierenauf nach«, ermutigtGiselaBeulshausen und greiftzuihremTe- reit. ne Melodie durchdie Reihe. So, jetzt sind auch die Ohren be- gezogenen Mundstücken ihrer Trompeten gebensie eine klei- men, klopfensiemitdenFüßeneinenRhythmus.Aufab - mina, JorisundJonathanihreInstrumenteindieHandneh - kann’s jalosgehen.DochbevorLars,Lasse,Tom, Johanna,Ro- wuchs Bodenhaftung behält. in drei unterschiedlichen Höhen sorgen dafür, dassderNach- hat sichderChoretwaseinfallenlassen:HölzerneFußbänke nicht ständigpassendeStühleangeschafftwerdenmüssen, Lehrmeisterin Beulshausen unterstützt. Damitfür die Kleinen richtig aufdemBodenstehen«,sagtderjungeTim Kunike,der nicht alles,abernichtsgehtohnesie.»DafürmüssendieFüße Bläsermusik entsteht.DierichtigeKörperspannungistdabei wie ausLuft,FingerakrobatikundeinemInstrumenthörbare Einzelunterricht, diebeiderpensioniertenLehrerinüben, leitet. DerzeitsindeszwanzigKinderindreiGruppenundim hausen, die an diesem Nachmittag die Stunde in Kirchwalsede tensive NachwuchsarbeitaufdieBeine«,sagtGiselaBeuls- dern organisiertsind.»WirstellenseitvielenJahreneinein- nendienstes in Deutschland mit rund 120.000 aktiven Mitglie- saunenchören, die unter dem Dach des Evangelischen Posau- Rande derLüneburgerHeidegehörenzudenetwa7.000 Po- gepresst. DieBläserinnenundBläserindemkleinenDorfam dann wiedermitleichterrötetemKopfLuftdurchdieLippen dert sich:Abwechselndwirdlocker-schlabbernd geprustet, dezentrums derörtlichenSt.-Bartholomäus-Kirchelegt,wun- sede die Lippen.Wer jetzt sein Ohr andie Tür des Gemein- jährige Posaunennachwuchs im niedersächsischen Kirchwal- co zischt.MitsichtlichemSpaßtrainiertdersieben-bisneun- eine RotteFormel-Eins-FlitzerüberdenStadtkursvonMona- ob eineganzHordePferdeprustet,mal hört essichan,alsob Kirchwalsede imLandkreisRotenburg–malklingtes,als Die Körperspannung stimmt, die Lippen sind locker – dann »Wenn ihrwisst,welcherTondas ist,spieltihrihneinfach

Dieter Sell

EKD 2012 Reformation und Musik Fotos Seiten 52 bis 55 Stéphane Lelarge

EKD 2012 Reformation und Musik nehmen AnteilanderEntwicklungJüngerenundlassen dern inderEinsicht,dassMusik nursogelingenkann.«Dabei gen muss«,beschreibtBeulshausen. »Nicht unterDruck,son- mit sind Strukturen vorgegeben, indiesichder Einzelne einfü - weiten Bermudashortsbiszum weißhaarigenGroßvater. »Da- kleinen Steppke über den Jugendlichen mit gegeltem Haar und sich vonihneninspirieren.Ganze Familienspielenmit–vom verständlich ist.« weil deraltersübergreifendeKontaktheutelängstnichtselbst - sieben bissiebzigeinErfahrungsfeld,dasumsowichtigerist, rade dasMiteinanderderverschiedenenAltersgruppenvon ren. tig, damit sich alle wohlfühlen«, hat Gisela Beulshausen erfah - gibt esmehrereBläserauseinerAltersgruppe.»Dasistwich - te, die Übungsstunden sind frei. Nur die Noten kosten. Immer net eine neue Anfängergruppe. Der Chor stelltdieInstrumen- sigt. Regelmäßig wird in Schulen geworben, alle paar Jahre öff- Über JahrzehntewurdehierniedieAusbildungvernachläs- ne erfolgreicheundbeispielhafteNachwuchsarbeitbekannt. kreis Rotenburgstellt.ÜberdieRegionhinausisterfürsei- Bläsern den größten Posaunenchor im umliegenden Kirchen- walsede mit,dermitmehralsvierzigaktivenBläserinnenund die neunjährigeJohannavorgenommen.SiespieltinKirch- pete spielen–dasmöchteichauchgernekönnen«,hatsich macht Spaß«, betont Beulshausen. Monster, waseinwenigchaotischklingt.»Hauptsache,es mich. U-hu-hu,ichfürchtemich«,wehklagttrompetenddas liches Gespenstdie Hauptrolle spielt:»U-h-hu,ichfürchte terbunt lautet derTitel. Dann folgtein Stück, indemein ängst- hausen extrafürdieAnfängerentworfenhat.DreiTönekun- ihn dann tatsächlich alle. sen beim»F«,das jetzt ansteht. Beim zweiten Versuch treffen pen anspannen,damit alle denTonerwischen«, - rät Beulshau wird esfürdieangehendenBläser. »BauchmuskelnundLip- »Was ist, was bleibt. ­ Die JüngerenorientierensichandenÄlteren,dieÄlteren Also kannesmiteinemNotenblattweitergehen,dasBeuls- »Das giltnichtnurfürdieJüngeren.Gleichzeitigbietetge- Lebensmelodie imP orträt Rosemarie Fischer« »Ich kenne viele, die Trom- der inNorddeutschlandgegenMusikerwetterte,diedamals menhang dieSchimpftiradendesPredigersFerdinandCrome, 19. Bläsergemeinschaft gehenaufdieErweckungsbewegungim Anfänge dieserbundes-undsogarweltweitenkirchlichen che liebensolcheEvents,beidenenessorichtiggroovt.«Die lischen KirchentaginDresden.Silaschi:»NichtnurJugendli- lischen PosaunentaginLeipzigoderdemDeutschenEvange­ jede MengefunkelndemBlechwiebeimDeutschenEvange­ te sindnationaleTreffen mitjeweilsTausenden Aktivenund und inderRegionbekanntwieeinbunterHund.Höhepunk- durchschnittlich beisechzigEinsätzenauf,istpräsentimDorf läen oder Konzerte sind – jährlich tritt der Kirchwalseder Chor etwas dazu.«ObesnunGottesdienste,Geburtstage,Ehejubi­ zehn Jahrendabeiist.»Faszinierendist:Manlernthierimmer schlecht«, schwärmt der 16-Jährige Tim Kunike, der schon seit »Da istnichtsaltbacken–undsoeinBachsatzauchnicht chörige Werke biszuStückenvonPopikoneMichaelJackson. Hier reichtdasRepertoirevomAnfängerkanonüberdoppel- bigen Image der traditionsreichen Musik ins Wanken gebracht. bekräftigt Silaschi. gewinnen wollen,müssenwirunsihrenMusikstilenöffnen«, Jazz, SwingoderauchHip-Hop.»WennwirjungeMenschen Brot-und-Butter-Literatur. Danebengebeesabermittlerweile Oeynhausen aktivbläst.ZwarseiderChoralnachwievordie undfünzigjährige Silaschi,derselbstimwestfälischenBad Das Notenmaterialhabesichstarkverändert,betontderfünf- lich nichtohneEinflussaufdasbleiben,wasgespieltwird. Jung undAltnebeneinanderMusikmachen,kanndasnatür das undsprichtvon»unverkrampftenBegegnungen«.Wenn Ein Querschnitt durch Kirche und Gesellschaft nennt Silaschi ter – da wird generationen- und milieuübergreifend geblasen.« Männer, Akademiker nebendem Handwerker unddemArbei- nendienst Deutschland.»Großvater,Vater,Enkel, Frauen und hard Silaschi,LeitenderObmannimEvangelischenPosau- tief verwurzelt in den Gemeinden«,berichtetPfarrerBern- Können. VielePosaunenchörehabenfamiliäreZügeundsind abhängig vomAlterundtechnischenodermusikalischen gezwungen zu.»Wichtigist,dassjederjedenrespektiert,un- ten und der jährlichen Bläserfreizeit durchaus locker und un- geht es nach ihrer Beobachtung bei Übungsstunden, Konzer Auch in Kirchwalsede wird so manches Vorurteil vom stau- Jahrhundert zurück.ÜberliefertsindindiesemZusam- Musik und Alltag 53 - - Posaunenwerk« inderHannoverschenLandeskircheHart- Kirche undGesellschaft«,sagtderVorsitzende der»Stiftung arbeit –zumanderenunterstützensiedenDialogzwischen 54 dabei.« de. DeshalbsindsovieleBläserinnenundBläserüberJahre net die Herzen – und Posaunen vermitteln einfach Lebensfreu- sagt er, erwähntaberauchdieKraftderMusikselbst:»Sieöff- unermüdlich den Nachwuchs fördern. sie. ObmannSilaschifreutsichüberEngagiertewiesie,die Unterstützung indenFamilien,dieistauchwichtig«,betont Übungsleiterin GiselaBeulshausennichtfehlendarf.»Plus der, der Spaß,derauchnachÜberzeugungKirchwalseder entlocken«, sagtGrammmiteinemSchmunzeln.Daisterwie- te oderPosaunespielt,derkannauchjederVuvuzelaKlänge Stück, das Liebhaber in ganz Deutschland fand. vuzelas und Posaune.DeutschesFußballer-Tempohießdas perimentierfreudige Kirchenmusiker eine Weltmeisterschaft inSüdafrika.Damalskomponiertederex- Reinhard Grammaus Stade beiHamburgpassendzurFußball- Sound der evangelischen Kirche lieferte Landesposaunenwart Muntere Klängeeingeschlossen.EineHörprobefürdenneuen des HimmelsaufdieErde«,istBernhardSilaschiüberzeugt. »Der KlangderPosaunenbringtetwasvombesonderenGlanz Glaube undKirchezumachen«,meintderLüneburgerPastor. mut Merten.»DurchdieMusikhelfensie,MenschenLustauf mente in der Kirche. Mit der Reformation schlug die große Stunde der Blasinstru- thers ZeitendieBläsermusikindasGotteslobmiteinbezogen. rer Brüdergemeindevon1764 auf.ZuvorwurdebereitszuLu- griff »Posaunenchor« taucht erstmals in Aufzeichnungen ih- die denerstenevangelischenBläserchorgründeten.DerBe- vorher dieHerrnhuterBrüderinderOberlausitzSachsen, men ChorälenParolibot.Vermutlich warenesaberschon in de Höll«, ätzteCrome, der Musikanten sünddenDübel­ bei Erntedankfesten und Hochzeiten munter aufspielten.

Und heute?»PosaunenchöresindzumeinenGemeinde- Musik und Alltag ­Lebensmelodie imP »Was ist, was bleibt. siene KnechteundhelptdeLüer ­ihnen mit Posaunen und from- »Ohne sie geht nichts«, orträt Rosemarie Fischer« WM -Fanfare für Vu- »Wer Trompe- »De

EKD 2012 Reformation und Musik

EKD 2012 Reformation und Musik Anne-Sophie Mutter Sasha Waltz

Anne-Sophie Mutter mal abschalten. Letzteres passiert na- Jahre wieder«. Bei diesem Lied bin ich Regen und den rauschhaft in die Ma- türlich deshalb, weil ich mich den gan- nämlich seit meinem dritten Lebens- schine gehackten Versen, von denen je- Geigerin zen Tag über fast ausschließlich mit Mu- jahr ungewöhnlich textsicher: »Kehrt der einzelne klang, als wäre er nur für Sie wurde 1963 in Rheinfelden in Baden sik beschäftige. Mit Grooves, die hof- mit seinem Besen ein in jedes Haus … «, mich geschrieben, genügte es mir nicht geboren und ist als Geigerin zum Welt- fentlich den Zuhörer mitwippen lassen, habe ich verstanden und daher auch mehr, Lieder nur zu hören oder nachzu- star geworden; mit einer eigenen Stif- mit Melodien, die hoffentlich Ohrwür- stets kraftvoll gesungen. »Womit soll spielen. Ich musste selbst Songs schrei- tung fördert sie junge Talente. mer werden. Mit Harmoniewendungen, man außer einem Besen auch sonst keh- ben, eigene Wörter finden und durfte es Musik ist für mich etwas, das uns die die mir immer schon am besten gelan- ren?«, dachte sich der dreijährige Sven. keinem anderen überlassen, meine Ge- Chance bietet, die Welt im Miteinan- gen, wenn ich Bach mit Jazz gekreuzt Und weil Gottes Sohn ja immer zu die- schichte zu erzählen. Ich musste selber der zu verändern. Viel stärker noch, als habe. Im Übrigen: So weit sind die bei- sem Zweck bei uns vorbeikam, habe ich Sänger werden. Die Ideen dafür, die Me- das bislang versucht wurde. Denn Mu- den Letztgenannten gar nicht voneinan- auch mühelos verstanden, warum mei- lodien und Wörter, liegen bis heute in der sik baut nicht nur metaphysische Brü- der entfernt. Musik ist so vielschichtig, ne Eltern immer vom »lieben Gott« spra- Luft. Meine Antennen sind auf Empfang, cken – sie ist auch frei jeglicher Ideo- weil sie sich täglich erneuert. Schon er- chen. Ich mag sie, die Musik und die Ge- meine Neugierde hat Konjunktur: »Once logie. Erinnert sei nur beispielhaft an staunlich, was man aus zwölf Tönen al- dankenwelt der Kinder! upon a time you dressed so fine / You die gesellschaftliche Strahlkraft des les machen kann. Musik ist Bewegung threw the bums a dime in your prime, West-Östlichen-Divan-Orchesters und – natürlich auch deshalb, weil ich selten Sasha Waltz didn’t you? / People’ d call, say, »Beware an die unzähligen Benefiz-Engage- am Piano still sitzen bleiben kann. Mu- doll, you’re bound to fall« / You thought ments, mit denen Musiker die Welt um- sik bringt mich aber auch zur Ruhe. Und Choreografin they were all kiddin’ you / You used to armen. Denn ihre Musik ist Klang gewor- zwar am besten, wenn ich abends das 1963 in Karlsruhe geboren, ist Choreo- laugh about / Everybody that was hangin’ dene Liebe. Für die Musik gilt das Wort Licht lösche und am Flügel musikalisch grafin, Tänzerin und Opernregisseurin­ out / Now you don’t talk so loud / Now you des Apostel Paulus – es macht mich meditiere. Dann komme ich der Sache und mit ihrer Tanzkompanie »Sasha don’t seem so proud / About having to be glücklich, an seinem Gedenktag gebo- auf den Grund: Der Sache mit der Krea- Waltz & Guests« weltweit gefragt. scrounging for your next meal // How does Dieter Falk ren zu sein – ganz besonders, wie ich tivität. Dem Ding mit dem Kreator. Dem Musik ist für mich geistige Nahrung. In it feel / How does it feel / To be without a Wolfgang Niedecken finde. Paulus sagt: »Wenn ich mit Men- Gespräch mit Gott. der Musik lenken wir unsere Aufmerk- home / Like a complete unknown / Like a schen- und Engelszungen redete, hät- samkeit nach innen. Die Musik ist wie rolling stone? … « Text und Melodie: Bob te aber die Liebe nicht, so wäre ich nur Sven Plöger ein Fährmann, der uns zu unserer See- Dylan (vom Album »Highway 61 Revisi- ein tönendes Erz und eine gellende Zim- le fährt, unserer Empfindsamkeit, un- ted«, 1965) bel.« Ist Liebe nicht das, was das Leben Moderator serer geistigen Wachheit. Es ist inspi- ausmacht? Aber sie lässt sich nur erken- Der 1967 in Bonn geborene Moderator rierend und entspannend zugleich, Mu- Izabela Gogolewska nen, wenn auch der Schmerz, das Cha- und Meteorologe ist bei mehreren Radio- sik zu hören oder zu spielen. Eines mei- os, der Abgrund und die Zerrissenheit und Fernsehwettersendungen zu erle- ner Lieblingslieder ist »Es war ein König Psychoanalytikerin erfahren werden. Musik ist nichts Greif- ben und in der Pilotenausbildung tätig. von Thule« – eine Ballade, die von Tan- 1959 in Poznan geboren, lebt und arbei- bares, Messbares, und doch bereichert Musik ist für mich zunächst mal ein pas- zenden gesungen wurde. Der Text ist von tet die Psychoanalytikerin in Berlin, die sie uns, macht uns alle, ob Interpret oder siver Genuss. Musik hören tue ich sehr Goethe. Ich liebe dieses melancholische Mitglied der Deutschen Psychoanalyti- Musikliebhaber, zu Weltenbürgern einer gerne. Auch quer durch den Garten. Mir Lied von Liebe und Verlust. Es ist eines schen Gesellschaft und der Internatio- Sprache: Jeder Mensch versteht auf sei- muss es nur gefallen, dann ist es mir der Lieder, das ich für mein Stück »Zwei- nal Psychoanalytical Association ist. ne Weise, was Noten ausdrücken. Mu- egal, ob es Popmusik, Jazz, Kirchenmu- land« auswählte. Dort spielt und singt es Musik begleitet mich von der Wiege an. sik macht durchlässiger und sensibler sik oder klassische Musik ist – gerne üb- Juan Cruz in Umarmung mit einem En- Als ich klein war, haben meine beiden für den anderen. Sie ist eine Aufforde- rigens Klavier und Cello, denn letzte- gel, der ein Akkordeon auf dem Rücken Großmütter viel für uns gesungen, ins- rung, den anderen als Teil seines eige- res habe ich in meiner Jugend selbst ge- hat und ihn im Anschluss mitnimmt. besondere Schlager, die vor dem Krieg nen Selbst wahrzunehmen. Gleichgül- spielt. Musik machen – also singen – tue Schon als Kind liebte ich dieses Lied: in den dreißiger Jahren bekannt waren. tig, ob er der Norm entspricht oder als ich nicht gerne. Würde ich jetzt mal flott »Es war ein König in Thule / gar treu bis Meine Großmutter väterlicherseits sang behindert gilt, gleichgültig, ob Kind oder ein Lied anstimmen, wüssten Sie warum. an das Grab / Dem sterbend seine Buh- mein Lieblingslied »Rebeka« – ein jüdi- Erwachsener, gleichgültig, welcher Re- Das hat mit Rücksichtnahme gegenüber le / einen goldenen Becher gab … « Text: scher Tango von Białostocki und Wlast. ligion oder Nationalität er angehört. Ich anderen Menschen zu tun, denn wenn ­Johann Wolfgang von Goethe (1774), Vor dem Krieg sang es Adam Aston, spä- verstehe Musik als ein Gottesgeschenk, ich ein »C« singen soll, wird es ganz si- ­Melodie: Carl Friedrich Zelter (1811) ter viele andere. Am liebsten aber hör- das Komponisten und Interpreten an cher ein »H«, ein »D« oder ein »Es«. te ich meine Großmutter oder Ewa De- Sven Plöger ihre Zuhörer weiterreichen. Ein Ge- Laut singen würde ich nur, wenn ein gro- Wolfgang Niedecken marczyk. Es ist ein wehmütiges Lied Izabela Gogolewska schenk, dessen unvergänglicher Wert ßer Raum aus irgendwelchen Gründen über Liebe auf dem ersten Blick – un- in einer materiell fokussierten Werte- schnell evakuiert werden müsste – da Musiker erfüllt, melancholisch und verträumt. ordnung allerdings nicht hoch genug ge- könnte meine Gesangskunst sicher hel- 1951 in Köln geboren – Sänger, Musi­ Wenn ich jetzt Wehmut und Sehnsucht Sergius Pabst Sergius schätzt wird. fen. Trotzdem mag ich es, wenn in gro- ker, bildender Künstler und Gründungs- nach meiner Heimat spüre, singe ich lei- ßen Runden gesungen wird und ich mit- mitglied der Kölschrockband BAP, deren se das Lied, denke an meine Großmut- Dieter Falk tendrin bin. Ich bewege dann – erkenn- Sänger und Frontmann er bis heute ist. ter und die Familie, die mir den Zugang bar übertrieben – meine Lippen und lä- Mein Lieblingslied ist von Bob Dylan. zur jüdischen Kultur eröffnet haben: Illustrationen Produzent chele freundlich aber unbestimmt, wenn Sein »Like a Rolling Stone« war mein »I serce me w ukryciu / Cicho szepnelo: to Der 1959 in Siegen-Klafeld Geborene­ mich jemand erstaunt ansieht. Es gibt ganz persönlicher Urknall, in seiner Be- jest on! / I nie wiem skad, przeciez jestes ist Musikproduzent mit eigenem Label aber drei Ausnahmen, wo auch ich mit- deutung für mein Leben kaum zu über- obcy, / Sa w miescie inni chlopcy. / ­Ciebie (»Stereo Wonderland«), Keyboarder, Ar- singe – und diese drei sind Kirchenlie- schätzen. Nachdem ich den elektrifi- pamietam z wszystkich stron. / ­Kupiles i w rangeur und Komponist – unter anderem der! »O Du fröhliche« und »Danke!« sind zierten Dylan kennengelernt hatte, die- mym sklepiku, / Zwykle tak pelnym­ krzy- von »10 Gebote«. zwei davon. Es ist nämlich wunderschön sen spindeldürren »Song and Dance ku / Wszystko ­zamilklo, nawet ja! / Mo-

Musik ist für mich Bewegung. Sie reißt und macht Freude, wenn die ganze Ge- Musik und Reformation Musik und Reformation Man« mit dem explodierenden Be- wiac ty sie smiales do mnie, / Ach jak mi mich mit und hält mich jung. Geht mir meinde mit Inbrunst und einem bis vor wusstsein, dem dünnen, wilden Queck- zal ogromnie, / Ze cie nie znalam tego immer im Kopf herum – meine Frau sagt, die Tür hörbaren Fortissimo ihre Stimme silbersound, den Übungen in tonaler dnia … « Text: Andrzey Wlas, Melodie:

ich sollte das doch wenigstens nachts ertönen lässt. Das dritte Lied ist »Alle EKD 2012 EKD 2012 Atemkontrolle, den Skelett-Tonarten im Zygmunt Białostocki (1933)

56 Kolumnentitel 56 Mein Lieblingslied ist … Musik ist für mich … 57 Kolumnentitel 57 Ludwig Güttler Ulrich Wickert

Ludwig Güttler wie Johann Sebastian Bach hinzufügte, Glaubensgemeinschaften – um nur ei- ist bei uns wohl auf dem Plan / mit sei- zur Rekreation des Gemütes. Dies alles nige zu nennen. Beim Musizieren wer- nem Geist und Gaben. / Nehmen sie den Trompeter gespielt und gesungen, das sollten wir den Rücksichtnahme, Respekt und Auf- Leib, / Gut, Ehr, Kind und Weib: / lass fah- Im erzgebirgischen Sosa 1943 geboren, pflegen und so viel wie möglich davon ein­anderhören geschult. Ebenfalls wird ren dahin, / sie haben’s kein’ Gewinn, / zählt er zu den berühmtesten Meistern auch gemeinsam! Das wäre im Sinne un- der Sinn für Schönheit und Vollkommen- das Reich muss uns doch bleiben.« Text seines Fachs und hat sich ebenso als Di- seres Reformators und seiner wert, wo heit, für Unvollkommenes und das Er- und Melodie: Martin Luther (vor 1529) rigent einen bedeutenden Ruf erworben. er doch nicht nur ein fähiger und begeis- kennen eigener Grenzen, für Reaktions- Seit meinem 14. Lebensjahr arbeite ich terter Musiker war, sondern der Musik vermögen und Verstehen entwickelt und Wolfgang Schäuble ehrenamtlich in der Kirchenmusik und sogar den höchsten Rang nach der Heili- als letztlich positive Informationsdatei für die Kirchenmusik. Ich arbeite für die gen Schrift einräumte. im Gehirn gespeichert. Diese Datei ist Politiker Musik in der Kirche und somit ja auch für bestens geeignet, als Nahrung für unse- 1942 in Freiburg im Breisgau geboren, ist die Kirche in der Musik! Dass schon un- Luzia Braun re Menschlichkeit zu dienen. Mensch- seit 1972 für die CDU im Bundestag, seit ser Reformator Martin Luther die musi- lichkeit braucht nämlich Nahrung. Un- 2009 Bundesfinanzminister . sche Bildung wie selbstverständlich vo- Moderatorin serem Bewusstsein für andersartige Eines meiner Lieblingslieder, das ich raussetzte, kommt in einem seiner Aus- Die 1954 in Meßkirch geborene deutsche Menschen, andere Kulturen und ande- nicht nur im Frühjahr gern höre, ist sprüche drastisch zum Ausdruck: »Ei- Filmemacherin ist auch »Aspekte«-Re- re Gesinnungen müssen wir immer wie- »Geh aus mein Herz und suche­ Freud«: nen Lehrer, der nicht singen kann, sehe dakteurin und Moderatorin. der gute Beispiele geben, die, wenn sie »Geh aus mein Herz und suche­ Freud / in ich nicht für einen solchen an.« Nun ha- Mein Lieblingslied ist »L. A. Woman« von – wie Musik – Träger von Emotionalem dieser ­schönen Sommerzeit / an deines ben wir in unseren evangelischen Cho- The Doors – ihr Sehnsuchtssound,­ der sind, sehr nachhaltig wirken können. In Gottes Gaben. / Schau an der schö- rälen Kleinode, Edelsteine von einzigar- mich als Jugendliche mitten ins Herz manchen sozialen Brennpunkten unse- nen Gärtenzier / und siehe wie sie mir tiger Schönheit, und es fällt mir schwer, traf, tut heute noch weh: »Well, I just rer Erde sind Musizieren, Theaterspie- und dir / sich ausgeschmücket haben. // einen davon herauszulösen. Soll ich den got into town about an hour ago. / Took len und Bildende Kunst der einzige Weg, Die Bäume stehen­ voller Laub, / das Erd- Luzia Braun Schwung von »O du fröhliche« mit der a look around, see which way the wind Veränderungen zum Guten zu erreichen. reich decket seinen Staub / mit einem Wolfgang Schäuble mächtigen Gewissheit von »Christ ist blow. / Where the little girls in their Holly­ Das südamerikanische Jugendorches- grünen Kleide. / Narzissus und die Tuli- erstanden« oder die Besinnlichkeit von wood bungalows. / Are you a ­lucky little­ ter ist dafür ein leuchtendes Beispiel pan, / die ziehen­ sich viel schöner an / Als »Der Mond ist aufgegangen« mit der be- lady in the City of Light / Or just ­another und Vorbild. Wortgebundene Musik kann Salomonis Seide. // Die Lerche schwingt geisternden Zuwendung von »Lobet den lost angel … City of Night / City of Night, perfekt die vielfältigen dichterischen sich in die Luft, / das Täublein fliegt Herren« eintauschen? Das ist für mich City of Night, City of Night, woo, c’mon / Aussagen eines Textes verständlich ma- auf seiner Kluft / und macht sich in die schlechterdings nicht möglich. Deshalb L. A. Woman … « Text: Jim Morrison, Me- chen und verstärken. Talentierten Kom- ­Wälder. / Die hoch­begabte Nachtigall / möchte ich die Überschrift »Mein Lieb- lodie: The Doors (vom Album »L. A. Wo- ponisten gelang und gelingt es, mensch- ergötzt und füllt mit ihrem Schall / Berg, lingslied« etwas abwandeln und lieber man«, 1971) – Mein zweiter Favorit ist liche Gefühle geradezu minimalistisch Hügel, Tal und Felder. // Ich selber kann über den mich am meisten berührenden eine Arie von Georg Friedrich Händel: in ihren Werken zu beschreiben. Martin und mag nicht ruhn; / des großen Gottes Choral sprechen. Es ist nach dem Wie- »Lascia la spina« aus dessen Oratorium Luther mag ähnlich gedacht haben. großes Tun / erweckt mir alle Sinnen; / deraufbau der Frauenkirche und dem »Il trionfo del Tempo e del Disingan­no«: ich ­singe mit, wenn alles singt, / und las- unfassbaren Glück all dessen, was sich »Lascia la spina / cogli la rosa / tu vai cer- Ulrich Wickert se was dem Höchsten klingt, / aus mei- hierbei ereignen konnte, der Choral »Je- cando / il tuo dolor. // Tu vai ­cercando / tu nem ­Herzen rinnen.« Text: Paul Gerhardt rusalem, du hochgebaute Stadt«. Es vai cercando / il tuo dolor. / Lascia la spi- Journalist (1656), Melodie: August Harder (1813) ist die Anerkennung, die Würdigung ei- na / cogli la rosa / tu vai cercando / il tuo 1942 in Tokio (Japan) geboren, ist ein nes besonderen Ortes und der Wunsch, dolor. // Canuta brina / per mano ascosa, / deutscher Journalist und Autor. Der Marianne Birthler sich innerhalb dieser sicheren, schönen, giungerà quando / nol crede il cuor. / giun- ehemalige »Tagesthemen«-Moderator hochgebauten Stadt einzufinden. Vor al- gerà quando / nol crede il cuor. « Text: Be- schreibt auch Kriminalromane. Politikerin lem der siebten Strophe wegen habe ich nedetto Panfili (1707) Mein Lieblingslied? Nun, das ist ein- 1948 in Berlin geboren, war von 2000 bis diesen Choral ausgewählt, um für Blech- fach: »Ein feste Burg ist unser Gott«: 2011 die Bundesbeauftragte für die Un- bläserensemble und zwölf Schlagzeuge Hermann Max »Ein feste Burg ist unser Gott, / ein terlagen des Staatssicherheitsdienstes zur Glockenweihe einen Hymnus zu sch- gute Wehr und Waffen. / Er hilft uns der ehemaligen DDR. reiben, in welchem die Glocken der Frau- Kirchenmusiker frei aus aller Not, / die uns jetzt hat be- Eines meiner absoluten Lieblingslie- enkirche als Musikinstrumente zum Ein- 1941 in Goslar geboren – ist Kirchenmu- troffen. / Der altböse Feind / mit Ernst der ist »Die freie Republik«. Ich mag Hermann Max satz kommen. Seither ist dieser Cho- siker und Dirigent. Mit »Das Klei­ne Kon­ er’s jetzt meint; / groß Macht und viel das Lied, weil ich die Liebe zur Frei- Marianne Birthler ral mir nicht nur zu einem Ohrwurm, was zert« sowie dem Cho­r »Rhei­ni­sche Kan­ List / sein grausam Rüstung ist, / auf heit unwiderstehlich finde, erst recht, er ohnehin schon war, sondern auch zu to­rei« wurde er international berühmt. Erd ist nicht seinsgleichen. // Mit uns- wenn sie mit Trotz und Witz verbunden einem untilgbaren Besitz geworden. Musik ist für mich Beziehung. Ich staune­ rer Macht ist nichts getan, / wir sind ist: »In dem Kerker saßen / zu Frank- Sergius Pabst Sergius Als ich unseren damaligen Landesbi- immer wieder darüber, wie ­Musiker in gar bald verloren; / es streit’ für uns der furt an dem Main / schon seit vielen Jah- schof Volker Kreß, mit dem mich eine Proben und Aufführungen untereinan­ rechte Mann, / den Gott hat selbst erko- ren / sechs Studenten ein, / die für die Freundschaft seit unserem gemeinsa- der mit Konzentration und ­Wachheit, ren. / Fragst du, wer der ist? / Er heißt Je- Freiheit fochten / und für das Bürger­ men Musizieren im Collegium Musicum mit Rücksicht und Respekt kommu­ ­ni­

Illustrationen sus Christ, / der Herr Zebaot, / und ist glück / und für die Menschenrechte / der in Schwarzenberg verbindet – er am Cel- zieren. Ein Vergnügen ist es zu spüren,­ kein andrer Gott, / das Feld muss er be- freien Republik. … « Text: Anonym (nach lo, ich an der Trompete – und später in wie in Aufführungen dadurch Bildli- halten. // Und wenn die Welt voll Teu- 1837, geht zurück auf das »Lied der Ver­ der Leipziger Studentengemeinde – er ches, Spielerisches und Emotiona­ ­les fel wär / und wollt uns gar verschlin- folgten« von Wilhelm Sauerwein), Melo­ Theologie, ich Musik studierend – da­ darge­stellt wird. Das sind motivieren­ gen, / so fürchten wir uns nicht so die: nach »Hat man brav gestritten« aus raufhin ansprach, bekannte er, dass dies de und oft beglückende ­Vorgänge, sehr, / es soll uns doch gelingen. / Der dem Theaterstück »Der alte Feldherr« auch sein Lieblingschoral sei. Damit um- von denen ich mir wünsche, dass sie Fürst dieser Welt, / wie sau’r er sich (1825). – Genauso ist mir das Lied »Ma-

greift dieser Choral nicht nur Zuversicht auch in anderen Bereichen unserer Musik und Reformation Musik und Reformation stellt, / tut er uns doch nicht; / das riechen saß weinend im Garten« sehr und die Gewissheit, aufgehoben zu sein, ­Gesellschaft in vergleichbarer ­Weise macht, er ist gericht’: / ein Wörtlein kann nahe. Meine Großmutter, die selbst fast sondern auch das eigene Tun zur Freu- vorkommen. Zum Beispiel bei Politikern,­ ihn fällen. // Das Wort sie sollen lassen noch als Kind aus Schlesien nach Berlin

de der Menschen, zur Ehre Gottes und, in Familien, in Freundeskreisen und EKD 2012 EKD 2012 stahn / und kein’ Dank dazu haben; / er »in Stellung« ging, sang uns dieses und

58 Kolumnentitel 58 Mein Lieblingslied ist … Musik ist für mich … 59 Kolumnentitel 59 Stefan Krawczyk Peter Frey

noch viele andere Küchenlieder oft vor. Phasen durchlaufen. Die Musik bleibt alle wollen eine Resonanz in der Ge- einem faszinierenden Soundtrack. Diese­ Es hat sich mir eingeprägt. Für mich wa- aber darin, dass sie Menschen verbin- meinschaft finden. Der Psalm fordert Wahrnehmung beeinflusst meine Arbeit­ ren diese Lieder nie lustig, sondern immer det, stets dieselbe. Musik öffnet Türen. uns auf, uns weiterzuentwickeln. Er er- stark. Sprache ist Rhythmus, Klang, Lieder, die von jungen Frauen erzählten, Dafür möchte ich mich einsetzen, mit mutigt uns zur Vielfalt, zum Experiment, Raum, Energie … Theater ist an sich mu- die ein schrecklich hartes Leben führten dem, was ich kann. So gebe ich ein Stück zu Spielfreude und Wagnis. sikalisch. Wenn ich mich aber von dem und sich mit ein bisschen Romantik und von dem, was ich durch meinen Glauben Geräuschchaos des Theaters ablenken Rührseligkeit trösteten: »Mariechen saß und die Menschen in der Kirche erfahren Peter Frey möchte, greife ich meistens nach im- ­weinend im Garten, im Grase lag schlum- habe, auf meine Art zurück: Meine Art, mer der gleichen Aufnahme – zur Zeit Gil mernd ihr Kind. / Mit ihren blonden Lo- das ist die Musik. Journalist Scott-Herons »I’m new here« – und höre cken spielt’ leise der Abendwind. / Sie Wurde 1957 in Bingen geboren und ist die Platte wochen- und monatelang, bis saß so still und träumend, so einsam Michael Schütz seit April 2010 Chefredakteur des ZDF. ich jede Nuance der Aufnahme gehört und so bleich, / und dunkle Wolken zo- Ein Lied, das mich besonders berührt habe. Dabei versuche ich zu verstehen, gen, und Wellen schlug der Teich. … « Kirchenmusiker hat, ist »Land unter« von Herbert Gröne- was es genau ist, was mich an dieser Text: Joseph Christian Freiherr von Zed- 1964 in Karlsruhe geboren, ist er als meyer. Da war erst nur diese Melodie mit Aufnahme so fasziniert. Meistens ent- witz (1832), Melodie: unbekannt Komponist, Arrangeur, Pianist, Keyboar- ein paar Wortfetzen. Doch ich bin beides decke ich dann, dass es um die gleiche der und Produzent tätig. nicht mehr losgeworden. Mich hat be- Faszination geht, die die Stille für mich Stefan Krawczyk Musik ist für mich mein Spiegel des schäftigt, wovon Grönemeyer spricht – bereithält. Gil Scott Heron erzählt seine menschlichen Lebens. Sie spricht uns vom Kampf der Elemente, von der Angst Biografie, begleitet von einem rhythmi- Musiker alle an, verzaubert, provoziert, ergreift, des Menschen, im Sturm des Lebens schen Geräuschteppich. Echos der Stil- Wurde 1955 in Weida geboren und 1988 tröstet, regt an und auf, verstört, belus- verloren zu gehen, und von der Hoff- le. So wie die Meister des japanischen aus der DDR ausgebürgert, ist Lieder- tigt, beruhigt. Sie lässt uns lachen, wei- nung auf einen, der Sicherheit und Ge- Sakuhatchi. Klänge, die eine direkte macher, Schriftsteller und Autor. nen, schlafen, erwachen, aufhorchen, borgenheit gibt. Ich weiß nicht, ob Grö- Wiedergabe des Atemprozesses produ-

Inga Rumpf Musik bedeutet für mich inneren Halt, erschauern, jubeln, tanzen. Gerade weil nemeyer hier wirklich von Gott singt, zieren. Der Klang des Atems, die Essenz Luk Perceval im Innern inne zu halten, sie so mit uns und unseren Lebenser- aber für mich ist »Land unter« ein wun- des Lebens. Die Suche nach dieser Es- sich in die Identität hinein zu lauschen, fahrungen verbunden ist, ist sie auch für derbarer und sehr starker Ausdruck der senz beschäftigt mich in meinem Alltag, bis das Selbst zu schwingen beginnt. // unsere Kirchenkultur konstituierend. Sehnsucht nach Glauben – verständli- in meiner Tätigkeit als Regisseur – so Musik ist frei, Kompositionen, Stile, Instrumente, Ak- cher und ergreifender­ als manches Kir- wie in der Musik. Das ist, was mich faszi- nicht Sklave der Bilder, korde, Rhythmen sind dann Kirchen- chenlied: »Der Wind steht schief, / die niert, inspiriert und berührt. nicht Sklave der Wörter.// musik oder für Kirchenmusik geeignet, Luft aus Eis. / Die ­Möwen krei­schen stur, / Sie ist des Wortes Schwester, wenn sie sich auf die vier Grunddimen- Elemente duellieren sich. / Du hältst mich Margot Käßmann der Bilder Mutter, sionen der Kirche selbst beziehen: Ge- auf Kurs, / hab keine Angst vor’m Unter- Seelenkind. meinschaft, Gottesdienst, Nächsten- gehn. / Gischt schlägt ins Gesicht, / kämpf Theologin liebe und Glaubensbezeugung. Musik, mich durch zum Horizont, / denn dort 1958 in Marburg geboren, war von 1999 Inga Rumpf die diesen dient, ist eine substanzielle treff ich dich … « Text und Melodie: Her- bis 2010 Bischöfin der Hannoverschen und tragfähige Kirchenmusik. Kirchen- bert Grönemeyer­ (vom Album »Chaos«,­ Landeskirche und 2009/10 Ratsvorsit- Musikerin musik bedeutet für mich daher nicht 1993). zende der EKD. 1946 in Hamburg geboren, ist eine der nur Musik in der Kirche, sondern sie be- Mein Lieblingslied ist »Befiehl du dei- größten international gefeierten deut- deutet wesentlich Musik für die Kirche. Luk Perceval ne Wege«. Ich habe es in drei verschie- schen Rhythm-and-Blues-Sängerinnen, Damit ist sie Musik für Menschen, der denen Kontexten kennen- und liebenge- Komponistin und Herausgeberin unter Mensch steht im Blickpunkt. Die wich- Theaterregisseur lernt. Das erste Mal hörte ich es meine ihrem Label »25th Hour Music«. tigste Herausforderung an die Kirchen- 1957 im belgischen Lommel geboren, ist Großmutter singen. Sie hatte viel erlebt, Musik ist für mich etwas, das Türen öff- musik ist, Musik für die Menschen ihrer er seit der Saison 2009/10 Leitender Re- Krieg, Vertreibung, Flucht und dennoch net! Als ich jung war, wollte ich raus, was Zeit zu sein. Als Kirchenmusiker müssen gisseur am Thalia Theater Hamburg. schmetterte sie beim Kochen beispiels- erleben, Musik machen. Jahrzehntelang wir uns also immer neu fragen, was Kir- Musik ist für mich Stille. Seit langem weise »Du meine Seele singe!« Aber bin ich durch die Welt getourt – solo oder chenmusik sein kann. Bei der Beantwor- habe ich privat kaum noch bewusst Mu- wenn es schwierig wurde, einen Trauer- mit Frumpy und Atlantis, mit Procol Ha- tung dieser Frage hilft uns ein Psalm, der sik gehört. Außer den musikalischen fall gab, dann summte sie diese Melodie rum und Aerosmith, mit Curt Cress und sagt: »Singet dem Herrn ein neues Lied, Kompositionen, mit denen ich beruflich oder sang leise: » … der wird auch Wege Michael Schütz Udo Lindenberg. Die Musik war Überle- singet dem Herrn alle Welt.« Exegetisch schon sehr intensiv zu tun habe, höre finden, da dein Fuß gehen kann … « Spä- Margot Käßmann bens- und Kommunikationsmittel, An- geht es zuerst um die inhaltliche Frage: ich selten Musik. Es erinnert mich an ei- ter als junge Pfarrerin habe ich in die- trieb, Wegweiser. Musik hat Kraft. Auch Das neue Lied im Sinne von die neuen nen belgischen Freund und Komponis- sem Lied bei den ersten Beerdigungen Kirchentüren kann sie öffnen. Ich erle- Wunder Gottes besingen, den neu erfah- ten, der zu Hause nie Musik gehört hat. Halt gefunden. Ein Kind beerdigen müs- Sergius Pabst Sergius be das hautnah bei meiner Schirmherr- renen Glauben neu auszudrücken. Auch Aus dem gleichen Grund, warum ich sel- sen, einen Mann, der sich das Leben ge- schaft, die ich für die Hamburger Klang- im Horizont von Offenbarung 21, 5 »Sie- ten ins Theater gehe, wollte auch er sei- nommen hat, einen, der tragisch beim kirche übernommen habe. Ein einzigar- he, ich mache alles neu«. Aber es geht ne musikalische Fantasie befreien von Autounfall ums Leben kam – da hatte ich tiges Projekt, das Aufmerksamkeit ver- natürlich ebenso um die Frage, wie Men- fremden Einflüssen. Mir geht es genau­ manchmal Angst, dass mir die Stimme Illustrationen dient. Eine Kirche für die Musik, das ist schen Glaubensinhalte, die sie in ihrer so. Nicht so sehr, um mich zu schüt- bricht oder ich anfange zu weinen, ob- doch ein genialer Gedanke! Kirchen ha- Zeit gemacht haben, angemessen aus- zen, aber vielmehr um der Stille willen, wohl ich doch Trost und Halt geben soll. ben eine wunderbare Akustik, das Pro- drücken. Es kann also einerseits der im- der ich versuche, mit meiner Zenpra- Das Singen hat mir Kraft zur Haltung ge- jekt bringt tolle Musiker auf die Bühne, mer neu gesungene traditionelle Kir- xis Raum zu geben. Die Stille ist meine geben, die notwendig ist, um Trost und ist dabei weltoffen und beschränkt sich chenchoral sein; immer neu, weil er in Musik. Großen Spaß habe ich, alle mög- Auferstehungshoffnung zu vermitteln: selbst auf keine Stilrichtung. Das hält immer neuen Lebenssituationen immer lichen Klänge und Geräusche, die die- » … so gehen unsre Wege gewiss zum

Kirche lebendig. Musik gibt neue Impul- neu klingt, neue Bedeutung erfährt. Aber Musik und Reformation Musik und Reformation se Stille ausfüllen, zu beobachten und Himmel ein.« Schließlich in meinem ei- se, ist vielfältig, verändert sich ständig, es ist auch das wirklich neue Lied, die wahrzunehmen – sie zu hören wie Mu- genen Leben habe ich mich erlebt, wie wie das Leben selbst. Auf meiner musi- Jazz- und Popimprovisation, die Avant- sik – und das Leben, die Wirklichkeit, zu ich selbst anfing zu summen oder lei-

kalischen Reise habe ich alle möglichen gardekomposition, der Gospelsong. Sie EKD 2012 EKD 2012 erfahren wie einen magischen Film mit se zu singen, wenn ich mich in schier

60 Kolumnentitel 60 Mein Lieblingslied ist … Musik ist für mich … 61 Kolumnentitel 61 Richard von Weizsäcker Martina Gedeck

ausweglos erscheinenden Problemen dunkel. Nach und nach wurde es immer­ guided by the beauty of our weapons / humorvoll, zart, frech, sinnlich und far- wiederfand. Die eigenen Sorgen vor Gott heller. Schließlich gingen alle ­Lichter an First we take Manhattan, then we take big wie Musik, die mich berührt, nur sein bringen zu dürfen, hat mich ermutigt. und wir schritten singend durch die vol- Berlin … « Text und Melodie: Leonard Co- kann und wie unser Leben­ zum Glück Es hat mir Halt gegeben, die Worte Paul le Kirche, über unseren Köpfen ­dröhnte hen (1987) manchmal ist. Verbindet sich auch mein Gerhardts zu wiederholen, mich in ihnen die Orgel – es war überwältigend! Ich Weg zur Kirche hin und wieder mit Zwei- einzufinden. Denn er selbst hat schwere liebe Choräle, sie können mich leichter­ Martina Gedeck feln und Überwindung – die Lieder wi- Lebenserfahrungen und Glaubenszuver- zu Tränen rühren als alles andere. An schen sie für kürzere oder auch länge- sicht in seinen Liedern unnachahmlich britischen Schulen und Universitä- Schauspielerin re Zeit hinweg. Und ich gehe zuversicht- verbunden: »Mit Sorgen und mit Grämen ten, ja, auch im Fernsehen (in den BBC Sie wurde 1961 in München geboren und licher in den Tag: »Was Gott tut, das ist und mit selbsteigner Pein läßt Gott sich »Songs of Praise«) werden Kirchenlie- zählt in ihrer Generation zu den profi- wohlgetan! / Es bleibt ­gerecht sein Wille; / gar nichts nehmen … « »Befiehl du deine der viel gesungen, das ist eine wichti- liertesten Charakterdarstellerinnen im wie er fängt meine Sachen an, / will ich Wege / und was dein Herze­ kränkt, / der ge Tradition bei uns. Und ich liebe es, deutschen Kino und Fernsehen. ihm halten stille. / Er ist mein Gott, der allertreusten Pflege / des, der den Him- wenn eine große Gemeinde, angeführt Mich für ein Lieblingslied zu entschei- in der Not / mich wohl weiß zu erhalten, / mel lenkt! / Der Wolken, Luft und Win- von einem großartigen Chor und der Or- den, ist gar nicht so leicht. Oder doch? Es drum laß’ ich ihn nur walten. Text: Micha- den, / gibt Wege, Lauf und Bahn, / der wird gel, singend alle Hemmungen fallen ist ein Weihnachtslied und zwar »Macht el ­Altenburg, Samuel Rodigast, Melodie: auch Wege finden, / da dein Fuß gehen lässt! »Wake, O wake! with tidings thril- hoch die Tür«. Dieses Lied hatte für mich Severus Gastorius (1675), Johann Se- kann.« Text: Paul Gerhardt (1656), Melo- ling / the watchmen all the air are filling, / immer etwas Geheimnisvolles. Ich habe bastian Bach (1724) die: Bartholomäus Gesius (1603) arise, Jerusalem, arise! / Midnight strikes! es wohl als Kind nicht ganz verstan- no more delaying, / »The hour has come!« den: Dass man Türen und Tore weit ma- Anna Depenbusch Richard von Weizsäcker we hear them saying, / ­where are ye all, ye chen kann, war doch ganz eigen. Und ein virgins wise? / The Bridegroom comes in »Herr der Herrlichkeit«, ein »König aller Sängerin Politiker sight, / raise high your torches bright! / Al- Königreich’« musste der Inbegriff alles 1977 in Hamburg geboren, textet und Simon Halsey Wurde 1920 in Stuttgart geboren und leluya! The wedding swells loud and Schönen und Prachtvollen sein. Dieses komponiert ihre Songs meistens selbst. Georg Kallweit war als CDU-Politiker von 1981 bis 1984 strong: / Go forth and join the festal Lied war jubelnd und feierlich und hatte Ich kann mich nicht satt hören an »La Regierender Bürgermeister von Berlin, throng! … « Text: Philipp Nicolai (1599) so gar nichts Kindisches oder gar Trau- Foule« von Édith Piaf. Manchmal läuft von 1984 bis 1994 Bundespräsident. – englisch: Francis Crawford Burkitt riges wie viele andere Weihnachtslieder. dieses Lied über Stunden bei mir in ei- Am liebsten singe und höre ich »Herbei, o (1906), Melodie: Johann Sebastian Bach Würde, Größe, Freude, Einfachheit sind ner Schleife. Es versetzt mich in ge- ihr Gläubigen«: »Herbei, o ihr Gläubigen, (1731) in diesem Lied – und deshalb mag ich nau die Trance, von der es handelt. Und fröhlich triumphierend, / o kommet, o kom- es so: »Macht hoch die Tür, die Tor macht wenn das Leben ein Lied wäre, dann mit met nach Bethlehem! / Sehet das Kindlein, Frank-Walter Steinmeier weit; / es kommt der Herr der Herrlich- Sicherheit ein Walzer. Dieses Chanson uns zum Heil geboren! / 0 lasset uns an- keit, / ein König aller Königreich’, / ein Hei- verkörpert für mich große Gegensätze. beten, o ­lasset uns anbeten, / o lasset uns Politiker land aller Welt zugleich, / der Heil und Le- Trauer und Fröhlichkeit. Glück und Ver- anbeten den König! // Du König der Ehren, 1956 in Detmold geboren, war unter Ger- ben mit sich bringt; / derhalben jauchzt, lust. Liebe und Leid. Édiths Stimme be- Herrscher der Heerscharen, / verschmähst hard Schröder Kanzleramtsminister, Au- mit Freuden singt: / Gelobet sei mein rührt mich, ohne dass ich die Worte ver- nicht, zu ruhn in Marien Schoß, / du wah- ßenminister der Großen Koalition von Gott, / mein Schöpfer reich von Rat … « stehen muss: »Je revois la ville en fete rer Gott von Ewigkeit geboren. / 0 lasset 2005 bis 2009 und ist Vorsitzender der Text: (1623), Melodie: et en délire / suffoquant sous le soleil et uns anbeten, o lasset uns anbeten, / o las- SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. ­Halle, Gesangbuch (1704) sous la joie / et j’entends dans la musique set uns anbeten den König! // Kommt, sin- Musik lebt vom Hören und Wiederhören. les cris, les rires / qui éclatent et rebon- get dem Herren, singt ihm, Engelchöre! / Ich höre gern Jazz, modernen und klas- Georg Kallweit dissent autour de moi / et perdue parmi Frohlocket, frohlocket,­ ihr Seligen: / Ehre sischen, aber auch deutsche Liederma- ces gens qui me bousculent / étourdie, sei Gott im Himmel und auf Erden! / 0 lasset cher wie Klaus Hoffmann. Manchmal ge- Konzertmeister désemparée, je reste là / quand soudain, uns anbeten, o lasset uns anbeten, / o las- fällt mir auch einer der Songs, die mei- 1966 in Greifswald geboren, ist er häufig je me retourne, il se recule, / et la foule vi- set uns anbeten den König! // Ja, dir, der du ne Tochter so auf ihrem iPod hat. Mein Solist des Barockorchesters »Akademie ent de me jeter entre ses bras … « Text: heute Mensch für uns geboren, / Herr Jesu, derzeitiger Lieblingssong ist Leonhard für Alte Musik Berlin« und Gast anderer Michel Rivgauche (1957), Melodie: Angel sei Ehre und Preis und Ruhm, / dir, fleisch- Cohens »First we take Manhattan«. Ich renommierter Ensembles. Cabral­ (1957) gewordnes Wort des ewgen Vaters! / 0 las- habe in den 1980er-Jahren viel Musik Allein die ­Frage nach meinem Lieblings­ set uns anbeten, o lasset uns anbeten, / o von ihm gehört, dann lange Zeit fast gar lied finde ich wunderbar! Die Lieder un- Anne de Wolff Frank-Walter Steinmeier lasset uns an­beten den König!« Text: Fried- nichts mehr. Vor einem Jahr war ich bei seres Gesangbuches – vor allem die al- Anna Depenbusch rich Heinrich­ Ranke (1823), Melodie: John seinem Konzert in der Berliner O2-Are- ten – sind für mich ein wesentlicher Musikerin Francis Wade (1760) na. Die Kraft, die ­Tiefe und die mensch- Grund, weshalb ich überhaupt zum 1971 in Dresden geboren, konzertiert sie liche Wärme, die dieser über 75 Jahre Gottes­dienst gehe und dort oft eine mit BAP, Rosenstolz, Wir sind Helden, Sergius Pabst Sergius Simon Halsey alte Mann ausstrahlte, haben mich tief Gänsehaut bekomme. Wenn sich mir Angela Winkler und Mary Roos. berührt. Der Text ist an vielen Stellen­ Auslegungen der Bibeltexte ­mitunter Musik ist für mich wie Sonne, Was- Dirigent dunkel, aber er umspannt mit Ber- nicht vollständig erschließen, verstehe­ ser, Schokolade und Frühlingsluft. Sie Der 1958 in London geborene Kirchen- lin und Manhattan zwei Städte, mit de- ich mental beim Singen alles, mit jeder­ lässt mich eintauchen, treiben in Freu- Illustrationen musiker und Dirigent ist seit April 2001 ren Kultur­ und Geschichte mich viel ver- Silbe und mit jedem Ton. Es gibt für de, Schmerz, Glück oder Sehnsucht. Chefdirigent des Rundfunkchors Berlin. bindet. Musik schafft Heimat, weit über mich eine längere »Hitliste« – wenn ich Und gibt mir damit Frieden und Seelen- Zu meinen Lieblingsliedern gehört das die Grenzen des eigenen Landes hi­naus: aber »Was Gott tut, das ist wohlgetan« heilung. Ich empfinde es als großes Pri- Adventslied »Wake, o wake! with tidings »They sentenced me to twenty years und dann noch mit den Orgelvariationen vileg, selbst jeden Tag Musik mit ande- thrilling« – das ist die englische Versi- of boredom / for trying to change the von höre, weiß ich vor ren Menschen machen und sogar da- on von »Wachet auf, ruft uns die Stim- system from within / I’m coming now, Glück nicht ein noch aus – was mir fast von leben zu dürfen. Eines meiner Lieb-

me«. Als ich Chorknabe am New College I’m coming to reward them. / First we Musik und Reformation Musik und Reformation peinlich ist zu sagen, weil es übertrieben lingslieder, welches ich auch meinem Oxford war, sangen wir dieses Lied bei take Manhattan, then we take Berlin. // klingen mag. Die Pachelbelsche Harmo- Sohn jeden Abend am Bett sang, bis der Adventsprozession. Wenn der Got- I’m guided by a signal in the heavens. / I’m nisierung und auch die Variationen sind er mich eindringlich bat, damit end-

tesdienst begann, war es in der ­Kirche guided by this birthmark on my skin. / I’m EKD 2012 EKD 2012 aber so schön, mystisch-unergründlich, lich mal aufzuhören, ist »Der Mond ist

62 Kolumnentitel 62 Mein Lieblingslied ist … Musik ist für mich … 63 Kolumnentitel 63 Anne De Wolff SMartinasha Waltz Helmchen

aufgegangen«: »Der Mond ist aufgegan- ­Messias«, HWV 56). Ein einmaliges The- Ich bin in Europa aufgewachsen und Dominus Deus Israel,­ / quia visitavit et gen, / die goldnen Sternlein prangen / am ma zu schaffen, das Jahrhunderte über- wurde nicht religiös erzogen. Aber die jü- fecit redemptionem plebi suae / et erexit Himmel hell und klar; / der Wald steht dauert, dabei sparsamste Mittel einzu- disch und christlich geprägte Kultur hier cornu salutis nobis, in domo David pueri­ schwarz und schweiget, / und aus den setzen, ohne banal zu werden, das war ist mir vertraut. Man kann ihr auch nicht sui, / sicut locutus est per os sanctorum, Wiesen steiget / der weiße Nebel wunder- Händels große Kunstfertigkeit. Und weil entkommen; ob in der Bildenden Kunst qui a saeculo sunt, prophetarum eius, / bar … « Text: Matthias Claudius (1778), er so sparsam ist, kann er es sich leis- oder in den großen musikalischen Wer- salutem ex inimicis nostris, et de manu Melodie: Johann Abraham Peter Schulz, ten, sich auf so kurzer Strecke zu wie- ken – die Gleichnisse der Bibel finden omnium, qui oderunt nos … « Text: Lu- (1790) derholen und noch eins draufzusetzen: wir überall und auch Atheisten wissen kas 1, 68–75, Musik: Wolfgang Amadeus »Er ward geschmähet und verfolget … « sie zu schätzen und verhalten sich nach Mozart (aus der »Krönungsmesse C-Dur, Wolf Biermann Und dann serviert Händel sofort den Tä- dem Moralkodex. Christen, Moslems KV 317«,1779) ter: »verfolget von den Menschen.« Er oder Buddhisten: Das oberste Recht und Musiker zwingt den Hörer, seinen Blick nicht ein- auch Gesetz des Menschen ist es, Frei- Katia Saalfrank Der 1936 in Hamburg geborene Lieder- fach nur auf dem Mann am Kreuz ver- heit, Gleichheit und Brüderlichkeit in macher und Lyriker wurde 1976 aus der weilen zu lassen und sich nicht be- dieser Welt zu erkämpfen. Und solange Pädagogin damaligen DDR ausgebürgert. quem der Kunstfertigkeit des Kompo- Menschen, unabhängig von Religion und 1971 in Bad Kreuznach geboren, ­wurde Zwei Lieder begleiten mich schon nisten hinzugeben. »He was despised« Geschlecht, Moral und Ethos nicht ein- die Diplom-Pädagogin und Musikthera­ mein Leben lang: Da ist Eichendorffs­ – das hat mich förmlich angesprungen: tauschen gegen Verrat und Korruption, peutin durch das RTL-Coaching-Format »Die zwei Gesellen«: »Es zogen zwei Ich höre und sehe Liu Xiaobo, den chi- ist unsere Welt nicht verloren. »Hallelu- »Die Super Nanny« bekannt. rüst’ge Gesellen/ zum ersten Mal von nesischen Nobelpreisträger 2010, den jah!«, auch das ist ein berühmtes Stück Mein Lieblingslied ist von Rufus Wain- Haus, / so jubelnd recht in die hellen, / die Regierung so fürchtete, dass sie ihn aus dem Messias – aber das ist eine wright: »Hallelujah«. Auch andere Ver- klingenden, singenden Wellen / des vol- einfach ins Gefängnis warf, ich höre und ­andere Geschichte … sionen sind großartig, zum Beispiel die

len Frühlings hinaus. // Die strebten nach sehe Aung San Suu Kyi, Birmas Oppositi- von Wir sind Helden! Der Song ist für Wolfgang Niedecken Wolf Biermann hohen Dingen, / die wollten, trotz Lust onsführerin, die 15 Jahre im Hausarrest­ Martin Helmchen mich wie eine Meditation, ein Zwiege- Karl-Heinz Ott und Schmerz, / was Rechts in der Welt ausharren musste, weil die Mächtigen spräch mit jemandem. Sehr innig, in- vollbringen … « Text: Joseph von Eichen- Angst vor ihr hatten. Und ich sehe und Pianist tim und introvertiert. Dadurch gewinnt dorff (1818), Melodie: Robert Schumann höre Neda Agha-Soltan, die junge Frau Der 1982 in Berlin geborene Pianist kon- er eine wahnsinnige Intensität und be- (1840) – und, eigentlich noch mehr – im Iran, die bei den Protestdemonstra- zertiert unter anderem mit den Wiener reitet mir – egal wann und wo ich ihn Klaus Groths wunderbares­ Lied »Min Je- tionen 2009 erschossen wurde und de- Philharmonikern und dem Deutschen höre – Gänsehaut: »I heard there was a hann«: »Ick wull, wi weern noch kleen, Je- ren Grab noch von regierungsnahen Symphonie Orchester. se­cret chord / that David played and it hann, / dor weer de Welt so groot. / Wi see- Truppen geschändet wurde aus Furcht Eines meiner Lieblingslieder ist das Ad- ­pleased the Lord. / But you don’t really ten op den Steen, Jehann, / weest noch, bi vor der stillen Kraft, die von der Märty- ventslied »Wie soll ich dich empfan- care for music, do you? / It goes like this, Naver’s Soot?/ Weest noch, wo still dat rerin ausgehen könnte. »A man with sor- gen«. Mich berührt die staunende Fra- the fourth, the fifth, the minor fall, the weer Jehann, doar röhr' keen Blatt an'n rows and aquainted with grief … « Das ge an den unnahbaren­ und doch un- ­major lift, the baffled king composing Boom. / So is dat nu nich mehr, Jehann, sind alles keine Christen, natürlich. Aber endlich nah gekomme­ nen­ Ewigen:­ »Wie Hallelujah / Hallelujah / Hallelujah / Hal- as höchstens noch in'n Droom. / Och nee, sie sind Verfolgte, die bestraft wurden, soll ich dich empfangen / und wie be- lelujah / Hallelu----jah …« Text und Me- wenn doar de Scheeper sung, alleen in't weil sie sich für Freiheit, Gleichheit und gegn’ ich dir? / O aller Welt Ver­langen, / O lodie: Leonard Cohen (1984) wiede Feld, / Ni wahr, Jehann, dat weer Brüderlichkeit einzusetzen wagen, das meiner Seelen Zier! / O Jesu, Jesu, setze / een Ton, de eenzige op de Welt … « Text: Fundament, auf dem unser Land steht. Mir selbst die Fackel bei, / damit, was dich Nikolaus Schneider Klaus Groth (1893), Melodie: traditional Und immer mehr Menschen tauchen vor ergötze, / mir kund und wissend sei. // dem inneren Auge auf, wenn ich Händels Dein Zion streut dir Palmen / und grüne Theologe Pascal von Wroblewsky »He was despised« singe, höre oder es Zweige hin, / und ich will dir in Psalmen / Der 1947 in Duisburg geborene Pfarrer mir vorstelle. Zum Beispiel der US-Sol- ermuntern meinen Sinn. / Mein Herze soll in Rheinhausen und Moers ist seit 2003 Sängerin dat Bradley Manning. Er veröffentlich- dir grünen / in stetem Lob und Preis / und Präses der rheinischen Landeskirche 1962 in Berlin geboren, ist eine der be- te 2010 Videos, aus denen hervorging, deinem Namen dienen, / so gut es kann und seit 2010 Vorsitzender des Rates deutendsten deutschen Jazzerinnen.­ dass irakische Zivilisten und Journalis- und weiß. // Was hast du unterlassen / zu der Evangelischen Kirche in Deutsch- Meine Mutter war Konzertgitarristin ten »aus Spaß« bei einem Angriff von ei- meinem Trost und Freud? / Als Leib und land (EKD). Siehe Abbildung Seite 1 und übt noch heute­ täglich. Nicht ein- nem US-Kampfhubschrauber getötet Seele saßen / in ihrem größten Leid, / als Ich liebe viele Choräle und ­singe sie aus- Pascal von Wroblewsky mal zu Weihnachten­ legt sie das Ins­ wurden. Mannings gilt als Verräter. Ihm mir das Reich genommen, / da Fried und gesprochen gerne. Doch wenn man mich AKatianne- SSaalfrankophie Mutter trument weg, denn ihr wahres Fest ist droht die Todesstrafe. Seine Haftbedin- Freude lacht, / da bist du, mein Heil, kom- konkret nach ­meinem Lieblingslied und bleibt die Musik­ und deshalb fließt gungen waren lange Monate unmensch- men / und hast mich froh gemacht. … « fragt, fallen mir zwei sehr unterschiedli- wahrscheinlich mehr Bach als Mutter- lich und erniedrigend. Das Imperium Text: Paul Gerhardt (1647), Melodie: Jo- che Stücke ein. Zum einen der langsame­ Sergius Pabst Sergius milch durch meine Adern. Dieser spezi- duldet nicht, wenn seine Abgründe of- hann Crüger (1647) Satz aus dem »Klavierkonzert Nr. 21 in fische Klang der Gitarre, der so ganz an- fenbar werden. Oder der israeli­ ­sche Re- C-Dur, KV 467« von Wolfgang Amadeus ders ist als bei Streichinstrumenten, die gisseur Juliano Mer Khamis. Selbst Kind Karl-Heinz Ott Mozart – Karl Barth hatte schon Recht: Intimität des Tons im Vergleich zur Or- einer Jüdin und eines arabischen Chris- »Die Engel würden eigentlich am liebs- Illustrationen gel und die Melancholie, die eine Gitar- ten, gründete er in Jenin im Westjordan- Schriftsteller ten Mozart spielen …«. Und dann liebe re Bachs Werken verleiht, hat mich ge- land das Freedom ­Theatre, um Kindern 1957 in Ehingen an der Donau geboren,­ ich »Killing me softly«, 1973 durch Ro- prägt. Ich bin überzeugt, dass der An- und Jugendlichen die Möglichkeit zu ge- ist außerdem Essayist und Übersetzer. berta Flack berühmt geworden: »Singing schlag der Saiten meinen Stimmklang ben, ihre Traumata verarbeiten zu kön- Der schönste Gesang ist für mich das my life with his words / killing me soft- am stärksten beeinflusst hat. Aber mein nen und Juden und Palästinensern die vierstimmige »Benedictus« aus Mo- ly with his song« – ja, genau, das macht Lieblingslied ist von einem anderen Annäherung zu ermöglichen. Ermordet zarts »Krönungsmesse«. Er ist von gute Musik aus: Ich werde mit ihr eins.

Komponisten: »He was despised, / des- im April 2011 von Fanatikern. Die Kunst Musik und Reformation Musik und Reformation ganz irdischer Sinnlichkeit und da- Und sie kann mir in manchen Momen- pised and rejected. / Rejected by men. / eines Mannes, der zwischen »den Stüh- bei doch so entrückt, dass man glau- ten mehr über mich sagen, als ich selbst A man with sorrows and aquainted with len« geboren wurde, erschien manchen ben möchte, es gäbe so etwas wie ei- es vermag. Text: Norman Gimbel (1972),

grief … « Knapper geht’s nicht (»Der so gefährlich, dass er sterben musste. EKD 2012 EKD 2012 nen unendlichen Frieden: »Benedictus Melodie: Charles Fox (1972)

64 Kolumnentitel 64 Mein Lieblingslied ist … Musik ist für mich … 65 Kolumnentitel 65 EKD 2012 Reformation und Musik Fotos Marina Rosso Als ichdasmitetwasmehrkritischemBewusstsein­ des Blatt 1945 undist1954 in der einflussreichen Zeitschrift ger vondemVierzeilerNotaufBrot . DasGedichthießFliegen- Text, derfürmichindividuelle Anfangwar,derNachfol- nen Arbeitsverhältnissen freier Schriftsteller war, entstand ein Wie ginges weiter? können. hin­ Verwunderung aus,überhauptlebendigdurchdiesenKrieg das istnunwirklichnichtoriginell.«Aberesdrückte­ Mann, Mann, aufNot und Brothaben schon so viele ­ habe icheswiederverworfen,weilmirsagte:»Mann, Not sollten. Daschriebichirgendwannmalauf:Dankbarbinder britischen Besatzungszone,demwirbeiderErnte1945 helfen es inderGefangenschaftwaroderdanach,beim Bauern inder an ihrerstesGedicht? Gunther Schendel, Lothar Veit Lothar Veit Dr. Gunther Schendel und der Textautoren- und Komponistengruppe Takt. Wuppertal. EristMitgliedim schichten, Gedichten,lebtheutealsfreierSchriftstellerin tagsblatt in Hamburg. Er ist Autor von Theaterstücken, Ge- 1990 LiteraturredakteurbeimDeutschenAllgemeinenSonn- Saarbrücken, ab1977 Verlagslektor inHamburg,von1982 bis Redakteur beim Evangelischen Wochenblatt lagslektor inWuppertal, von1976 bis 1977 ­ Evangelischen Rundfunkdienst Berlin, von 1969 bis 1975 Ver als freier Schriftsteller. 1962 wurde er Autor und Redakteur im Arnim Juhre Zum Bildprogramm desgesamten Heftes siehe Text auf Seite 2. prägt dasKapitel »MusikundIch« (Seiten 66bis79). Die Fotostrecke »Cantare –Ascoltare« (Singen –Hören) von MarinaRosso Glaubenslied dein schnell so nicht Sing Jubel verkennt oft denAdressaten. Das geht leicht überdieLippen. Welches Gefühl steht dahinter? Singen ist »Etwas aussagen«, Gefühlen Kraft verleihen: Jubel, Dank, ­ durchgekommen zusein.Ichhättehundertmaltotsein / ich schweige

Journalist und Liedermacher, Hildesheim wurde 1925 inBerlin geboren. Seit 1948 wirkt er /

sie spricht

In derZeit,alsichzwischenverschiede - Pastor und Kirchenhistoriker, Uelzen Arnim Juhre

/ und brichtmireinStückBrot. Herr Juhre, erinnern Sie sich P.E.N. -Zentrum Deutschland Ich weißnichtmehr,ob verantwortlicher Sonntagsgruß in gedichtet, beguckte, meine

-

und sehr geschätzt. man irgendwieproduktivreagieren. Dashabeichverstanden ren kulturellen Errungenschaften auf uns ein. Und nun musste Krieg: Gospelsongs,Freikirchen. DieWeltströmtemitallih- Reaktion aufdiegroßenökumenischen Einflüssenachdem den Kirchen? Etwas grundsätzlicher: Wie war die Stimmung damals in schen. Das war mir ein bisschen zu flott, zu unbedacht. sich selbstGemeindenennt,kannmirdenBuckelherunterrut - da eineGemeindeperSchiffankommt,gut.AbereinSchiff,das nicht! WennwirdasSchiffGemeindenennenwürdenoderwenn das sichselbstGemeindenennt,interessiertmichüberhaupt Gemeinde nennt«.WassinddenndasfürDichter?EinSchiff, Mich hatschondieersteZeilesehrgestört:»EinSchiff,dassich rem BuchSingen,umgehörtzuwerdenkeinenHehlgemacht. Aus IhrerAbneigunggegendiesenText inIh- habenSie1976 meinde nennt. der TonvonTutzing,LiedernwieEinSchiff,dassichGe- Wie kamdasLiedan? nicht danach gedrängelt. Das istalsoaufWunschundBitteentstanden,ichhabmich macht, denWiesenthalvertonthat:Jubeltnichtunbedacht. ten. DerkürzestewarPsalm 98 ber schon die Zeile men an. Ich habe mir dann die Psalmen vorgenommen, die sel- doch mal was, und wenn dir nichts einfällt, guck dir die Psal- ten sieeinneuesLiedhaben.Wiesenthalsagtezumir,schreib Das warwahrscheinlichschoneinEchoaufTutzing,dawoll- Tempelhof einenüberregionalenJugendgottesdienst­ guter MusikerundKomponist.EinesTagessollteesinBerlin- Der StudioleiterKarl-WolfgangWiesenthalwarzugleichein dienst inBerlin,daswarmeinegroßeLehr-undGesellenzeit. erlebt? sechs Wochen inderHitparade.Wie habenSie dieAnfänge gewann dasLiedDankeden1. dem Wettbewerb derEvangelischenAkademieinTutzing 1962 giltalsGeburtsjahrdesNeuenGeistlichenLiedes.Bei lodie zu schreiben. sich aufeinenTexthineinKomponistangeregtfühlt,eineMe- gen verlorengegangen.Aberesverblüfftmichbisheute,dass macht. Leider,leideristdiesesBlattaufdreiodervierUmzü- Fliegendes Blatt1945 gelesenundmireineMelodiedazuge- von einemmirunbekanntenMenschen.DerhattediesenText aber aufdieseVeröffentlichunghinbekamicheineZuschrift Mit LiedernhattenSiezuderZeitnochnichtstun? herausgab. erschien esauchinderTransit-Anthologie,dieWalter­ sphäre derFlüchtlingeundTrecksaufgenommen,später von Juhregenommen.InFliegendesBlatt1945 istdieAtmo- Schnurre, einenvonderberühmtenChristaReinigund ner Autoren schreiben, und haben einen Text von Wolfdietrich Akzente erschienen. Die wollten mal gucken, was junge Berli- Gunther Schendel und Lothar Veit im Gespräch mit Arnim Juhre Ich war zu der Zeit beim Evangelischen Rundfunk- Der Wettbewerb von Tutzing war sicher eine »Singet dem Herrn ein neues Lied« - enthiel Es gefielnichtallen,daswar . IchhabeeinenTextdazuge- Preis undhieltsichsogar ­Vorschneller Musik und Ich Freude. Höllerer geben. Nein, 67

Haben Sie sich als ein Texter der Gattung Neues Geistliches und Gegenlieder. Beim Kirchentag 1981 in Hamburg war Jo- Lied verstanden? Nein. Was wäre denn die Gegenprobe? Was achim Schwarz der verantwortliche Mensch für das Lieder- ist denn ein neues ungeistliches Lied? Was ist denn ein geist­ heft. Der kam zu mir und sagte: »Du Arnim, wir haben noch liches Lied? Sind die anderen geistlos? Das ist mir etwas zu all­ eine letzte Seite frei, aber wir haben keine Zeit mehr, einen gemein. Ich meine, einen Pfarrer, den man einen Geistlichen Komponisten zu bitten, schreib mal einen Text.« So entstand nennt, das ist doch Unfug. Die anderen sind doch nicht un­ Was Frieden heißt: Sing nicht so schnell dein Glaubenslied / geistlich! Diese Ungenauigkeit hat mich gestört. sing nicht so laut, so grell und so weiter. Das ist ein Gegenlied.

Sie erwähnten Ihren ersten religiösen Liedtext »Jubelt nicht Gegen was genau? Ich kann’s verraten, er weiß es auch: Es unbedacht«. Das scheint sich als Lebensthema durch Ihr gan- ist ein Gegenlied auf ein Lied von Eckart Bücken, in dem er zes Schaffen zu ziehen. Richtig. Es gibt da sogar Gegentexte Glaube, Liebe, Hoffnung runterrappelt. Das hat mich sehr ge- stört. Wir haben uns aber inzwischen längst versöhnt darüber, der Anstoß war ja auch ein produktiver.

Wo soll man sonst über Glaube, Liebe, Hoffnung singen – Was Frieden heißt wenn nicht in der Kirche? Darum geht es nicht. Es gibt einen Text von Kurt Marti, zu dem ich eine vierte Strophe geschrie- Sing nicht so schnell dein Glaubenslied, ben habe: »Manchmal kennen wir Gottes Willen, manchmal sing nicht so laut, so grell. kennen wir nichts.« Wir wissen nämlich manchmal gar nichts, Der Glaube trägt ein schweres Kleid absolut nichts. Das zu besingen ist keine Kleinigkeit. Man be- aus Gnadenglück und Sterbeleid. singt ja ein Manko oder eine Unzulänglichkeit. Der Text hat Vielleicht kommt er dir nahe. es ins katholische Gesangbuch Gotteslob geschafft und ist da- Vielleicht bleibt er dir fern. durch schnell verbreitet worden, er wurde auch ins Englische übersetzt. Was mich daran klammheimlich freut, in kollegialer Sing nicht so schnell dein Liebeslied, geistlicher Übereinstimmung mit Kurt Marti: Auch das ist ein sing nicht so laut, so grell. Text, der gegen die leichtfertige Großmäuligkeit angeht. Die Liebe wandelt dich und mich, befreit das selbstbedachte Ich. Wie würden Sie Ihre Lieder nun bezeichnen? Als Kirchen- Vielleicht kommt sie dir nahe. lieder? Um die jetzige und spätere Bezeichnung kümmere Vielleicht bleibt sie dir fern. ich mich überhaupt nicht. Die ist mir ziemlich egal. Die Lieder­ kommen ja bei uns seit Luther aus der Kirche raus. Luther war Sing nicht so schnell dein Hoffnungslied, zugleich ein ungeheurer Publizist, ein großer Schriftsteller sing nicht so laut, so grell. und ein großer Lieddichter. Und Luther hat, wenn es ihm an- Die Hoffnung kann viel weiter sehn, gemessen erschien, auch auf bekannte Melodien zurückgegrif- als heute deine Füße gehn. fen, hat neue Texte dazu geschrieben. Man muss sich das mal Vielleicht kommt sie dir nahe. vorstellen: Es hat ja in der Geschichte der Reformation Zei- Vielleicht bleibt sie dir fern. ten gegeben, da sind durch das Absingen neuer Choräle, neu- er lutherischer Choräle, katholische Gottesdienste gesprengt Sing nicht so schnell dein Friedenslied, worden – und zwar so gründlich, dass die Menschen seitdem sing nicht so laut, so grell. protestantisch waren. Das waren Leute, die nicht lesen und Nicht jeder hat ein Traumgesicht, schreiben konnten, wahrscheinlich auch die Thesen an der daß Gott ihm guten Mut zuspricht. Schlosskirche in Wittenberg nicht lesen konnten, sie konnten Vielleicht kommt es dir nahe. aber singen. Vielleicht bleibt es dir fern. Gibt es ein Kirchenlied, das für Sie eine besondere ­Rolle

Aus: Fürchte dich nicht, Liederheft zum spielt? Nein, eigentlich nicht. Ein Kirchenlied nicht. Sag Marina Rosso 19. Deutschen ­Evangelischen Kirchentag 1981 in Hamburg mir, wo die Blumen sind ist ein sehr intelligentes Lied, mit ge- schichtlichem Hintergrund. Wenn die jungen Leute ins Feld zogen, wusste keiner, ob sie wiederkommen. Die Fragen sind toll. Und bei der Melodie gibt es noch eine ganz besondere Raf- eite 69 S eite Fotos finesse, jede Strophe geht einen Ton höher. Das ist ein sehr raf- finiertes, sehr wirkungsvolles Lied. Veit Lothar

Wie sind Sie überhaupt religiös sozialisiert worden? Das war in der frühen Nachkriegszeit. Im Elternhaus nicht. Wir wa- Foto ren keine Kirchgänger.

Also erst durch Ihre Arbeit in christlichen Verlagen? Nein, das kam durch Freunde, in Steglitz. Da gab es plötzlich Frei- kirchen. Richtige Freikirchen hat es ja zu Hitlers Zeit nicht ge- geben. Ich bin in Steglitz auch zum Konfirmandenunterricht

gegangen. Ich habe dem Pfarrer sehr aufmerksam zugehört, Musik und Reformation es war meine freie Entscheidung. Abgesehen davon wollte ich zur Konfirmation auch eine Armbanduhr haben. Aber irgend­

etwas hat mir nicht behagt, ich kann gar nicht sagen, dass ich EKD 2012

Arnim Juhre während des Gesprächs 68 Musik und Ich in seiner Wohnung in Wuppertal »Cantare – Ascoltare« (Singen – Hören) etwas Besonderes gesucht oder erwartet habe. Ich bin dann Sie haben von Gott in Geschichten erzählt. Niemand hat Gott weggeblieben. Und bald nach dem Krieg hat sich dieser Pfar- je gesehen. Und Mose musste sich umdrehen, als Gott vorüber- rer in Steglitz vor den Omnibus geworfen. Er war ein Anhän- ging. Das sind doch geniale Geschichten. Und heute kommen ger des Reichsbischofs, einer von den deutschen Christen, der die Religionen insgesamt auf den Prüfstand, seit wir in Mathe­ wusste nach dem Krieg nicht mehr weiter. Das habe ich als matik, Physik, Astrophysik, Atomphysik die aufregendsten kleiner Pimpf buchstäblich gespürt: Wie der die Bibelgeschich- Entdeckungen machen und Praktiken entwickeln, die unse- ten auslegt, da war was infiltriert. Mit Freunden bin ich spä- ren Planeten unbewohnbar machen können. Tschernobyl hat ter zu Freikirchen gegangen, bei uns um die Ecke waren die einen Landstrich, der mindestens so groß ist wie das Saarland, Metho­disten. Meine Konfirmation habe ich als junger Erwach- unbewohnbar gemacht. Die Katastrophe im japanischen Kern- sener dann nachgeholt. kraftwerk Fukushima hat das Wasser verseucht. Kein Mensch weiß bis heute wohin mit dem radioaktiven Müll. Warum heißt Wie würden Sie Ihren Glauben beschreiben? Da bin ich denn dieses Element Plutonium? Pluto ist der Höllenhund. Wir täglich dabei, das kann ich so nicht sagen. Das ist das ­Geniale sind imstande, Gottes gute Schöpfung zu vernichten. Das ist an der Bibel, dass die Schreiber selber schon so klug waren: doch unverantwortlich!

Dass vielerorts zu einer Kirchengemeinde die Kirchenmusik selbstverständ- lich dazugehört, verdanken wir den ehrenamtlichen, nebenamtlichen und auch ­hauptamtlichen Kirchenmusikern. Für die Ausbildung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten sowie unterschiedliche Wege in eine Anstellung. Gunter Kennel

Ausbildung entwickelt. Die sogenannte D-Prüfung, in einigen Das Landeskirchen auch Eignungsnachweis genannt, ist die jüngs- te der genannten Stufen. Sie stellt die einfachste kirchenmu- sikalische Qualifikation dar und setzt grundlegende musika- Klingen lische Fähigkeiten voraus. Eine zumeist zweijährige Ausbil- dung führt zum Ablegen der Prüfung, die inzwischen fast flä- chendeckend in den Teilbereichen Chor-, Kinderchorleitung, Orgelspiel, Posaunenchorleitung oder Popularmusik angebo- und ten wird. Fortentwickelte musikalische Fähigkeiten sind die Voraussetzung für das Ablegen der C-Prüfung für den neben- amtlichen Dienst. Die Anforderungen werden durch eine 2010 Singen neu gefasste Rahmenordnung der Direktorenkonferenz für Evangelische Kirchenmusik geregelt, die wie bei der D-Prü- fung die fünf oben genannten Fachrichtungen vorsieht. Die- se Ausbildung ist noch nicht berufsqualifizierend und zielt in auf eine Übernahme von C-Stellen als nebenamtlichen Teil- zeitstellen. Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker mit der D- und C-Qualifikation werden zunehmend gebraucht, um der als nebenamtlich oder gelegentlich auch ehrenamtlich Täti- ge kirchenmusikalische Grundversorgung in den Gemeinden zu gewährleisten. Sie bilden die Basis einer Kirchenmusik- Ausbildung schaft, die das musikalische Leben in den Gemeinden flächen- deckend und engmaschig gestaltet. Die Ausbildungsorganisa­ tion und Prüfung der nebenamtlichen Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker ist grundsätzlich eine landeskirchliche Marina Rosso Marina Rosso Marina Die ganze Kirche trägt Verantwortung für die Ausgestaltung Aufgabe, wobei die konkrete Durchführung der D- und C-Aus- der Kirchenmusik, sie überträgt diese Verantwortung jedoch bildung in vielen Landeskirchen bei den Bezirkskantorinnen Fotos Fotos in besonderer Weise auf ihre ausgebildeten Kirchenmusikerin- und Bezirkskantoren, das heißt auf Kirchenbezirksebene liegt. nen und Kirchenmusiker. Jede kirchenmusikalische Ausbil- Anderswo erfolgt die Ausbildung in zentral organisierten Kur- dung basiert dabei auf dem vielfältigen kirchenmusikalischen sen beziehungsweise im Direkt- oder Fernstudium, zum Bei- Leben an der kirchlichen Basis. Dort werden auch häufig die spiel in einem Nebenzweig an einer Ausbildungsstätte für Grundlagen für das Interesse an einer eigenen musikalischen Kirchenmusik. Betätigung in religiösen Zusammenhängen gelegt, das in eine

Reformation und Musik und Reformation Musik und Reformation kirchenmusikalische Ausbildung münden kann. In Deutsch- Hauptamtliche Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusi- land hat sich etwa seit den dreißiger Jahren des vergange- ker, die auf B- oder A-Stellen – in Württemberg besteht eine nen Jahrhunderts ein zunächst dreistufiges und später um eine davon abweichende Systematik – mit mehr als fünfzig Pro-

EKD 2012 EKD 2012 vierte Stufe erweitertes System der kirchenmusikalischen zent Regelarbeitszeit tätig sind, werden benötigt, um das

70 Kolumnentitel »Cantare – Ascoltare« (Singen – Hören) Musik und Ich 71 kirchenmusikalische Leben der Gemeinden professionell zu Kernfächern Orgelliteraturspiel, Gemeindebegleitung/Impro- leiten, zu strukturieren, konkret zu gestalten und damit zu- visation und Chor- sowie Orchesterleitung. Gleichzeitig sol- gleich die Qualität der Kirchenmusik insgesamt zu sichern. len stilistische Breite und musikpädagogisches Geschick ver- Innerhalb des Aufgabenspektrums von hauptamtlichen Kir- mittelt und Kompetenzen in theologischen Disziplinen erwor- chenmusikerinnen und Kirchenmusikern wird dabei die ben werden. Da das Studium trotz eines umfangreichen Fä- Ausbildung und Begleitung der nebenamtlichen Kräfte im- cherkanons bestimmte, für die spätere Berufspraxis wichtige mer wichtiger. Die Qualifikationen, die zur Übernahme ei- Bereiche nicht adäquat abdecken kann, bestehen derzeit an ei- ner hauptamtlichen Kirchenmusikerstelle befähigen, waren nigen Stellen in der EKD Überlegungen, im Anschluss an bay- bislang die B- und die A-Prüfung, beides akademische Ab- erische und württembergische Vorbilder eine begleitete Be- schlüsse, die durch das Studium an einer Hochschule erwor- rufseintrittsphase zu etablieren, die dazu dienen soll, in einer ben werden. Art kirchenmusikalischem »Vikariat« weitere praktisch-theo- logische, kommunikative und pädagogische Kompetenzen Die Anforderungen dieser beiden Prüfungstypen wurden zu erwerben und dabei Team- und Kommunikationsfähig- 2008 ebenfalls durch eine von der Evangelischen Direktoren- keit innerhalb der Gemeinde zu stärken. Derzeit kann man konferenz in ökumenischer Abstimmung verabschiedete Rah- an zwanzig staatlichen und sechs kirchlichen Hochschulen menordnung neu geregelt. Die B- und die A-Prüfung wurden evangelische Kirchenmusik studieren. Die Zahl der Kirchen- dabei, den Vorgaben des sogenannten Bologna-Prozesses ent- musikstudierenden ist seit Jahren rückläufig. Zum 1. Novem- sprechend, in das Bachelor-/Mastersystem überführt: Beide ber 2010 hat die Statistik der Evangelischen Direktorenkon- Qualifikationen werden dabei künftig ausschließlich konse- ferenz 356 Studierende erfasst, eine Zahl, die nach menschli- kutiv erworben. Die Regelstudienzeit für den Bachelor (frü- chem Ermessen nicht ausreichen wird, um den künftigen Be- her B-Diplom) beträgt acht Semester; für den Erwerb des Mas- darf an kirchenmusikalischen Multiplikatoren zu decken. Es ters (früher A-Diplom) sind weitere vier Semester Studium er- ist dringend nötig, durch attraktive Stellenprofile und Stellen- forderlich. Die konkrete Umstellung auf das Bachelor-/Mas- umfänge sowie durch eine Vergütung, die der anderer akade- tersystem haben inzwischen die meisten Ausbildungsinstitute mischer Berufe vergleichbar ist, den Kirchenmusikberuf wie- durch neue Ausbildungsstrukturen und Prüfungsordnungen der für junge Menschen attraktiv zu machen. Eine angemesse- vorgenommen. Das Profil des Kirchenmusikstudiums ist breit ne Vergütung sollte sich insbesondere am Pfarrberuf oder am angelegt, wobei vor allem im Masterstudium individuelle Lehrerberuf orientieren, beides Berufe, die bei der Wahl eines Schwerpunktsetzungen möglich sind. Die Ausbildung ist von Studiums für an Kirchenmusik interessierte Menschen häufig hohem künstlerischen Anspruch geprägt, insbesondere in den die Alternativen darstellen.

Er ist unterwegs zwischen Kirchgellersen und Kopenhagen, Scharnebeck und Athen, zwischen Dorfkirchen und Kathedralen. Bodenständig und weltläufig, schlicht und auf höchstem künstlerischen Niveau. Hedwig Gafga

aus Lüneburg, 31, verbindet die Improvisation und das Kir- Jazz cheninstrument und lässt seine Zuhörer in seinem Spiel pure Lebensfreude, Jubel, Zerbrechen und Klage spüren. So haben sie die Orgel noch nicht gehört. Unter dem schlichten Titel ist Jazz wird Kirchenmusik bieten Daniel Stickan und der Berli- ner Saxofonist Uwe Steinmetz eine Konzertreihe aus Eigen- kompositionen an: klangvolle, meditative Stücke mit Titeln wie Nothing, Calling oder Waves, in denen sich Orgel und Sa- viel xofon, alte Meister und junge Musiker begegnen. In der Kom- position Tiefer Grund nehmen die beiden den Dialog mit dem Choral Jesu, meine Freude auf. Das Leitmotiv des alten Kir- chenlieds gerät dabei mitten auf den Jahrmarkt des modernen Marina Rosso Marina

mehr Lebens und geleitet, zerlegt in seine Teile, über unbeschwer- te wie bedrohliche Wegstrecken hinweg. Von der geglückten Fotos Zwiesprache zeugt das gleichnamige Stück auf der CD Signa- Wer Daniel Stickan in den verschiedenen Sphären erlebt, le (erschienen in der Edition Chrismon). Warum passt zusam- wundert sich nicht allzu sehr darüber, dass es ihm gelingt, die men, was als unvereinbar galt? Der Orgelspieler legt sein Kinn Welten zu verbinden. Der Orgel- und Pianospieler ist in selte- in die Hand und, ja, er bestätigt die Zweifler: »Was Jazz aus- nem Maße präsent, hingegeben an den Moment, an sein Spiel zeichnet, kann die Orgel nicht. Ob ein Spieler den Ton vorsich- und an die Menschen, mit denen er gerade zu tun hat. Daran tig oder stark anschlägt, das macht bei der Orgel keinen großen

vor allem mag es liegen, dass der Musiker sich traut zu verbin- Unterschied. Sie kann nicht genau differenzieren zwischen Musik und Reformation Musik und Reformation den, was normalerweise getrennt ist: Er spielt auf der Orgel laut und leise. Jazz braucht eigentlich den Club, einen Raum, Jazz, berührend, melodisch, voller Dynamik. Jazz an der Orgel, der die Töne einfängt, nicht einen starken Hall, wie er Kirchen

das gibt es nicht, sagen manche Musikexperten. Der Musiker eigen ist.« Daniel Stickan sagt das nur, um zu erklären, warum EKD 2012 EKD 2012

72 Musik und Ich »Cantare – Ascoltare« (Singen – Hören) Kolumnentitel 73 74 wechslungsreich, sehr sinnlich.« Der Abend war Teil der Reihe Universum da oben, beschreibt er sein Empfinden, »sehr ab- Auftritt am anderen Abend vorbereitete. er manchmal noch heute. lich kamihmdiesesHausvor. EtwasvondiesemGefühlspürt nauf undschautesichum.Geheimnisvollaußergewöhn- stieg hinter einer Wand die schmale Treppe auf die Kanzel hi- Sein OpawarDorfpfarrer, derJungeliefinKircheherum, weckte. Früh ging er auch in die Kirche, aber anders als üblich. Milieu«, dasschonimErstklässlerdieLustaufsKlavierspiel ger geschmettert,wieesgeradepasste–»einspielerisches der gehen,eswurdenklassischeStückeaufgeführtundSchla- Tante Hausmusik. Dabei durfte es kreuz und quer durcheinan- an Geburtstagen machte die Familie zusammenmitOnkelund beides: JazzundKirche.ImElternhausstandeinKlavier, und se gewachsen,sagter. SchonalsKindgabesinseinemLeben Gottes­ Ort derMusikwiederentdeckt.Immerhäufigerspielteerin gehen. DahatteernebendemJazzclubbereitsdieKircheals tete: ten. Entwederoder. JazzcluboderKirche.SeineLösunglau- ges Profilzuzulegen,umsichaufdemMusikmarktzubehaup- seinem Metierauskannte,habeihmgeraten,sicheineindeuti- sche Orgel?BeideFächerhatteerstudiert.Jeder, dersichin wohin seinWeg dennführensolle:Jazzpianooderkünstleri- und TheaterinHamburgquältedenjungenMusikerdie­ seinem ExamenanderrenommiertenHochschulefürMusik die das Vertraute aufnimmt, unterbricht und verwandelt. Nach Daraus entsteht bei ihm eine aufregende spirituelle Sprache, Moment entstehen:»Dasistes,wasdieseMusikausmacht.« für ganz bestimmteLebensumstände passen, indiesemeinen ditionellen Jazz.Aber, die Zeit für Jazz und Orgel reif ist: Das Gesagte gelte nur für tra-

Wie kürzlichnachtsimBremerDom,alsersichaufden Musik und Ich »Ich entscheidemichnicht.«Beidesmusszusammen- diensten dieOrgel.DabeiseiseintheologischesInteres- »Jazz istviel,viel mehr.« Und:Jazz soll »Man beherrscht ein Frage,

kommt. Es soll beendet sein,wennseineFrau im Herbst ihr Daniel Stickan während derA on wird dann in mehrfacher Hinsicht gefragt sein. zweites Kindbekommt.DanielStickansGabederImprovisati- CD mer dieGoldberg-VariationenvonJohannSebastianBachals vollen InstrumentmitvieroktavigerTastatur, wirderimSom- Schatz entdeckt.AufderOrgelvonScharnebeck,einemwert- Dabei haterdieOrgelnindenDörfernwieeinenvergessenen man dasmusikalischeVokabular, umJazzstückezuspielen. improvisiert er, übt,»indemMomentzusein«,nursofinde kreis Lüneburg unterwegs, für fünf besitzt er dieSchlüssel.Oft schule unterrichtet,istermeistineinerderKirchenimLand- spieler nichtgeradeStudentenanderHamburgerMusikhoch- lässt ersichinspirieren.Wenn derleidenschaftlicheOrgel­ Täuflings wünschen.AuchvonSchlagernundVolksliedern der PopgruppeSilbermondvorbereitet,dassichdie­ nimmt erernst.FürdienächsteTaufe hatersichaufeinLied mit anderen dagegen tritt er bescheiden auf. Deren Wünsche an dieeigenekünstlerischeLeistungisterabsolut,imUmgang eben einPräludiumvonBachintoniert.InseinemAnspruch wird zu einem kleinenErlebnis, wenn Stickaneingangsmal und mitdenFüßenüberdiePedaletanzt.EinGottesdienst zuzusehen, wennermitdenHändenüberdieTasten springt lichst viel mitbekommen. Es macht Spaß, ihm bei der Arbeit oben auf die Empore, gleich neben die Orgel, damit sie mög- spielt«. Gefühl, das die Zeit aufgehoben ist und das Stück sich selbst Momente, dieals»Flow-Effekt«beschriebenwerden,»das horchten aufunddieMusikererlebteneinenjenerseltenen zusammenspielt, noch nicht. Aber die Zuhörer das seit 2009 denn einen berühmten Namen hat das Duo Steinmetz/Stickan, neugierig waren aufdie unbekannten musikalischenPio­ Musikalische Grenzgänge.DakamenMenschen,dievorallem einspielen, ein Projekt, das dem Erhalt der Orgel zugute Wenn wenigeZuhörerdasind,holtStickandieLeutenach ufnahmen zurCD»S ignale« (2011) Eltern des niere,

EKD 2012 Reformation und Musik Foto Andreas Schoelzel

EKD 2012 Reformation und Musik lern. Hierentstehen,stetsunter demnochheuteaktuellen kannt. Bach lebt undwirkt untereinemDachmit seinen Schü- re langbleibt,sindsieweitüber dieStadtgrenzenhinausbe- lität des Chores beklagt, als Thomaskantor dann aber 27 an Bach, der beiseinem Besuch in Leipzigzunächstdie Qua- der Thomanereiltihnenvoraus. SchonvorJohannSebasti- ten MusikzentrendesLandesentwickelt.DermelodischeRuf maßgeblich dazubei,dasssichLeipzigzueinemderwichtigs - Vor allemseitderEinführung derReformationträgtChor wie zumBeispielbeiderUniversitätsgründung1409, präsent. fende EinschnitteundistbeivielenhistorischenEreignissen, Stadtbildes. mit vonBeginnanbisaufdenheutigenTag ständigerTeil des gen dieThomanerbeiVeranstaltungen allerArtundsindso- ein. AlsGegenleistungfürSchulbildungundUnterkunftsin - sie einenhohenStellenwertimdamaligenBildungskanon des Mittelalters ein Spiegel der göttlichen Ordnung ist, nimmt ser Überzeugung.DadieMusiklautMeinungderGelehrten zu diesen Tagen schon aus Leibeskräften und tiefer religiö- teste öffentliche Schule Deutschlands. Gesungen wirdauch schule zugleichdenBürgerkindernoffensteht,giltsiealsäl- Dienst indenGottesdienstenzuübernehmen.DadieThomas- dazu ausgebildet, anstelle der Chorherren den musikalischen mals eineSchuleangegliedert.HierwerdenLeipzigerKnaben im Jahr1212. DerschonvorhandenenThomaskirchewirdda- rück. DieWurzeln dieserbeeindruckendenTradition liegen schauen auf eineereignisreichegemeinsameGeschichtezu- versitätsstadt bisheuteeineganzbesondereNoteverleihen, Thomasschule, dreiSäulenkulturellenLebens,diederUni- mana, wird800 Leipzigs Methusalem unter den Kultureinrichtungen, die Thomanerchor Lernen: Singen, Glauben, Jahre 800 Eine Geschichte von Klängen, Bildung undGlaube. 2012 »Reformation undMusik« auf dieAgenda derLutherdekade zu­ einst Johann Sebastian Bach leitete. Dieses Jubiläum gab den Anstoß, im Im Jahre 1212, imtiefsten Mittelalter, liegt derUrsprung desKnabenchores, den Der ChorerlebtgesellschaftlicheVeränderungen, tiefgrei-

Jahre alt.Thomaskirche,Thomanerchorund

Tho- Jah- sames Spiel. DieAlumni sollen lernen, verantwortungsvoll dien Rechnung zu tragen, die Zeitfür Gespräche und gemein- ressen, dieMöglichkeit-amSchlagzeug auchmodernenMelo- Musik denAlltagbestimmen, es bleibtRaumfüreigeneInte­ lich –Fußballgespielt.Tatsächlich, auchwennSchuleund gelitten, gesungenundgepfiffen, intensivgeprobtundnatür schaft derSuperlativeeineWelt fürsich.Hierwirdgelebtund Von vielennur»der Kasten« genannt,istdieseWohngemein- denschaft fürdieMusikverbindet,zusammenimAlumnat. unterschiedlichen Jungen,dievorallemihregemeinsameLei - mit allenRechtenundPflichten.Von nunanwohnendieganz vorbereitet, nach der sie, wenn alles gut geht, Thomaner sind – überzeugt haben,unterrichtetundaufdieAufnahmeprüfung Grundschule werden dann diejenigen, die im ersten Vorsingen ten OhrennachvielversprechendenStimmen.InderManet- dagoginnen suchen in Leipziger Vorschulgruppen mit gespitz- ein junger Teil dieses altehrwürdigen Chores zu sein? bringt maneseigentlichzumThomanerundwasbedeutetes, nen und Musizieren in Leipzig die Welt zu bereisen. Doch wie Sänger eine einzigartige Möglichkeit, neben dem Leben, Ler korea, Nordamerika,Australien,Singapur–fürdiejungen den GlobusaufdemProgramm;Brasilien,Argentinien,Süd- Dänemark und Norwegen; inzwischen stehen Länder rund um im Ausland die Konzertsäle. Die erste Tournee führt 1920 nach habern eineGänsehautaufsTrommelfell, sondern füllenauch ren zauberndiesenunnichtmehrnurdeutschenMusiklieb- Klang ausdenKehlenderChorknaben.SeitüberneunzigJah- platz 1824 mitweichenKnienhört,derstarke,mehrstimmige das Woyzeck vorseinerExekutionaufdemLeipzigerMarkt- sen, Wahlen und Hinrichtungen. So ist wohl mit das Letzte, die tausende BesucherinihrenBann.DieThomanersingenüber neblauen MatrosenanzugausderThomaskircheundziehen der JungenundjungenMännerimmaßgeschneiderten,mari- ren klingen,oftmehrmalswöchentlich,diegeübtenStimmen republik DeutschlandsogarpolitischeGrenzen.Seit800Jah- botschafter durchReisennachWestberlin undindieBundes- stummen zu bringen. Vielmehr überwinden die jungen Musik- verheerenden Weltkriegen nochder stellt gewesenwäre.Daraufhingelingteswederdenbeiden renaissance aus,ohnedieesumdenChorwohlschlechtbe- wieder ansLichtbringt.Erlöstim19. ge FelixMendelssohnBartholdy, derdasbeinahVergessene dessen Tod beginnt,inVergessenheit zugeraten,istesderjun- ankerte Musik weiter. Als BachsWerk wenige Jahrzehnte nach der großeKomponist durch seinefestimProfil des Choresver Taktstocks Leben eingesungen. Noch maskirche unterdemenergischenSchwungdesbachschen henden Federentsprungen,wirddenMelodieninderTho- streitet ermitdenThomanern.Ausseinerselteneinmalru- Weihnachtsoratorium. DieMehrzahlderUraufführungenbe- ter anderemdieh-Moll-Messe,beidenPassionenunddas Leitstern desSoliDeoGloria,bedeutendeKompositionen,un- Die Talentsuche beginntschonfrüh.ErfahreneMusikpä­ Jahrhunderte hinwegzuGottesdiensten,Krönungen,Mes-

DDR, Jahrhunderte späterlebt Jahrhundert dieBach- denChorzumVer Musik und Ich setzen. Nancy Rahn ­Jahre 75 - - - - in einer Gemeinschaft zu leben. Schon die Jüngsten bekom- Georg Christoph Biller planend in die Zukunft. Noch mehr men Verantwortung übertragen und werden von den Älteren Menschen sollen von der Musik »angesteckt, angestiftet und begleitet. Wie in einer Zweitfamilie lebt man hier zusammen. angeregt« werden. Rund um Thomasschule und Alumnat ent- So konnte schon mancher Neuling durch die Hilfe eines seiner steht zu diesem Zweck das Forum Thomanum, ein internati- großen »Brüder« anfängliche Dissonanzen, wie Heimweh oder onales Bildungszentrum, zukunftsweisende Fortführung des Frustration, bewältigen. Bestimmt und beschwingt von dem altbewährten Zusammenspiels von wissenschaftlicher Bil- Dreiklang: »Glauben – Singen – Lernen«, schöpfen die Schüler dung und Musik. Auch der ehemalige ­Kappellmeister des Ge- aus religiöser Tradition, gestalten das kirchliche Leben mit, er- wandhausorchesters, Herbert Blomstedt, ist begeistert: »Das halten eine umfassende musikalische Ausbildung und kom- Forum Thomanum – welch ein wunderbarer Gedanke! Ein gro- ponieren selbst soziales Miteinander. Im Alumnat spielt nicht ßer Platz des Geistes, der der lebendigen Pflege von ­Musik ge- die Finanzkraft der Eltern die entscheidende Rolle, sondern widmet ist, und zwar den Menschen, die am meisten begeiste- die Begabung der Kinder. In einer Zeit, in der laut der Shell rungs- und entwicklungsfähig sind: der Jugend.« Ganz im Sin- Studie Musikhören die Lieblingsbeschäftigung der 12- bis ne Martin Luthers, der nicht müde wurde, den ästhetischen, 25-Jährigen ist, Musikmachen in dieser Altersgruppe aber eher vor allem aber auch den pädagogischen Wert der Musik zu be- aus der Mode zu kommen scheint, auch weil für viele Eltern tonen. In seinen Tischreden befiehlt er sie, »die ­Regiererin der der Musikunterricht unerschwinglich geworden ist, ist das Herzen«, deshalb dem Schutz und der Unterstützung der Re- ein Hoffnungsschimmer. Nicht selten werden die Absolven- gierenden der Welt an und meint: »Man muß Musicam von ten Musiker, Komponisten, Opernsänger oder Orchesterleiter. Noth wegen in den Schulen behalten. … Die Jugend soll man Und auch wenn nicht, die Zeit bei den Thomanern hinterlässt stets zu dieser Kunst gewöhnen, denn sie machet fein geschick- ihre Spuren. Frei nach dem Motto: »Einmal Thomaner, immer te Leute.« Gestern, heute und morgen machen sich Menschen Thomaner« engagieren sich viele Ehemalige in Förderkreis Gedanken über Glauben, Kunst und Bildung. Keine dieser drei und Stiftung oder singen als Gäste sogar noch einmal im Chor Größen kommt ohne die beiden anderen aus. Und wenn der mit. Mit der reichen Geschichte der Thomana im Rücken, Dreiklang stimmt, dann öffnen sich nicht nur Ohren und Her- einst selbst dort ausgebildet, blickt der aktuelle Thomaskantor zen, sondern auch Zukunftsperspektiven.

Leidenschaft von Kindesbeinen an, heiligste Sprache für Gott und ergiebige Quelle von Liebe, Glaube, Spaß und Hoffnung über alles Irdische hinaus, oder: aus dem Sammelsurium eines Musikjunkies. Reinhard Mawick

Als dies zum ersten Mal geschah, war ich zehn Jahre alt und Bis hatte gerade begonnen, Gott als gütigen Großvater im Himmel zu verabschieden. Mein erstes Weihnachtsoratorium gab mir eine Ahnung, wo ich ihn künftig finden könnte. Die Angst vor in der Kantorin schwand, denn ich wurde Tenor und das schuf viele Privilegien. Weiter, weiter, immer weiter ging die Rei- se durch den Kosmos der Klänge zur Ehre Gottes. Viele andere Sterne erschienen am inneren Klanghimmel. Manche wurden alle zu Fixsternen, manche verglühten, manche tönen immer mal wieder vorbei. Die Musik ist mein wichtigstes Gottesmedium geblieben. Zwar habe ich auch gerne Theologie studiert, aber Ewigkeit meine Seele und mein Gemüt speisen sich vordringlich aus dem Kosmos der Kirchenmusik: Bach, Schütz, Mendelssohn & Co. Und gerne auch vieles davor und vieles danach. Musik ist für mich Berührung Gottes, bestes Gleichnis für alles Schö- Durch Regen und Herbststürme war es zur Probe gelaufen. Vol- ne, rettende Ästhetisierung vor allem Grauen. Kurz: Ich liebe Marina Rosso Marina ler Angst vor den Wutanfällen der Kantorin, der strengen. Die die real existierende geistliche Musikwelt! Und Menschen, die schrie es an, und die schrie rum. Fast immer. Deswegen wollte ebenso empfinden, kenne ich viele. Gott sei Dank. Fotos das Kind die Kantorei hinschmeißen. Seine Mutter redete ihm beharrlich zu: »Nun geh mal, nachher tut es dir leid … « Also Doch Vorsicht! Die Besonderheit geistlicher Musik ist ihre blieb das Kind dabei. Endlich kam der große Tag: Die Kirchen- Verbindung mit dem Wort, doch genau diese scheinbar klare bänke dicht gefüllt, ein Orchester ersetzt die berserkerhaft kor- Ausrichtung birgt Gefahren. Wer im Laufe seines Lebens Bach, repetierende Kantorin am Klavier. Hektik, Gedränge, Stimm- Schütz, Mendelssohn & Co verinnerlicht hat, der oder die hat geräusche, Stille. Dann der Einsatz: Pauken wirbeln, Flöten ti- eine Hör- und Herzstruktur aufgebaut, die versucht ist, sich al-

Reformation und Musik und Reformation Musik und Reformation rilieren, Streicherkaskaden rasen herab, Trompetenakkorde les irgendwie genehm zu machen. Nehmen wir wahllos ein triumphieren! Das Kind im Chorgewand verschwindet im mu- Beispiel aus dem großen Kosmos Bachscher Musik: »Nichts sikalischen Sog: »Jauchzet, frohlocket, auf. Preiset die Tage! kann mich erretten / von höllischen Ketten / als Jesu dein

EKD 2012 EKD 2012 Lasset das Zagen, verbannet die Klage!« Blut. / Dein Leiden, dein Sterben / macht mich ja zum Erben:

76 Kolumnentitel »Cantare – Ascoltare« (Singen – Hören) Musik und Ich 77 Ich lache der Wut.« Die überschäumend fröhliche Musik die- Aber ernsthaft: Was bleibt eigentlich von all der Musik, wenn ser Arie aus der Pfingstkantate Wer mich liebet, der wird mein wir unseren Lebenslauf vollenden? Was kommt danach? Wir Wort halten (BWV 74) schmuggelt schmeichelnd einen Text in wissen es nicht. Aber wir dürfen hoffen, und die lutherische Herz, Seele und Gemüt, der eigentlich gründlich bedacht wer- Orthodoxie nährt diese Hoffnung. Ihr berühmtester Poet, Paul den sollte: Rettung durch Blut? Erben durch Leiden und Ster- Gerhardt, hat sie in seinem berühmten Sommerlied Geh aus ben? Das wirft Fragen auf, kritische Fragen. mein Herz und suche Freud in der zehnten Strophe in folgende Worte gekleidet: »Welch hohe Lust / welch heller Schein / wird Oder das Bassrezitativ vor der herrlichen Arie Mache dich, wohl in Christi Garten sein? / Wie muss es da wohl klin- mein Herze, rein aus der Matthäuspassion. Da singt der Bassist gen? / Da so viel tausent Seraphim / mit eingestimmten Mund zum gottgleich klingenden Teppich aus Streichern und Obo- und Stimm / ihr Alleluja singen.« Wie bitte? »Mit eingestimm- en: » … der Friedensschluss ist nun mit Gott gemacht, denn Je- ten Mund und Stimm?« So lautet der Text jedenfalls in den sus hat sein Kreuz vollbracht.« Ich bin berauscht, jedes Mal! von Johann Ebeling im Jahre 1667 herausgegebenen Liedern Ob live, am iPod oder auch nur im Gedankenanflug dieses Paul Gerhardts. In späteren Fassungen des Liedes und auch Werkes. Und der Rausch rührt sogar nicht nur von der realen im heutigen Evangelischen Gesangbuch ist das »eingestimmt« Schönheit der realen Musik, sondern auch von der Vorfreude, zu einem »unverdrossen« geworden. Mit »unverdross’nem denn ich weiß ja, dass nach diesem traumhaften Rezitativ die- Mund und Stimm« singen die Engel dort das Halleluja. Auch se nicht minder traumhafte Arie kommt, dieser­ vollkomme- schön. Aber es klingt mir doch sehr nach Wandertag und das ne Himmelsflug. Aber was singt der denn da? »Mache dich, Wandern sollte doch dort, im Himmel, ein Ende haben. »Ein- mein Herze, rein. / ich will Jesum selbst begraben … « Ein Be- gestimmt« hingegen führt zu einem wunderbaren Geheimnis, gräbnis statt eines Himmelsflugs, und das Ganze anmoderiert dem Geheimnis der vielstimmigen Einstimmigkeit dereinst im als »Friedensschluss mit Gott«? Schwierig. Da bleiben Fragen. Himmel. Denn das Singen hat kein Ende. Wir müssen nicht Kritische Fragen. Bei Licht besehen, sehr kritische Fragen! faul auf Wolke sieben spekulieren, sondern wir dürfen auf den Aber still, nicht hier und jetzt! Die Musik ist doch so schön, himmlischen Chor hoffen. Halleluja! sie baut die Brücke zu einem Inhalt, der trocken vorgelesen Kopfschütteln auslöst. So entscheidet der Junkie der heili- Für diesen himmlischen Chor hat uns der Theologe und gen Musik: Ich muss dem theologischen Problembewusstsein Dichter Johann Matthäus Meyfart ein vorzügliches Bild ge- nicht immer Vorschub leisten. Dafür gibt es Lehre und For- schenkt. Meyfart lebte von 1590 bis 1642 und dichtete unter schung, dafür gibt es das allgemeine Schulwesen, die kirchli- anderem das schöne Lied Jerusalem, du hochgebaute Stadt. chen Gremien und dafür gibt es natürlich die Predigt. Bin ich In einer Schrift gerät er ins Schwärmen über die Musik dort sehr schräg veranlagt? Nein, denn ich weiß: Das geht nicht nur im himmlischen Jerusalem. Die Engel, so Meyfart, seien die- mir so, sondern auch vielen anderen, die, wenn man sie um jenigen, die »das Heilig, Heilig, Heilig ist unser Gott mit gro- drei Uhr nachts weckte, auf Knopfdruck Jesu, meine­ Freude ßem Geschrei anfahren und musizieren«. Und sie würden singen könnten, das weiß ich sicher. Selbst wirkliche Künst- dann allmählich über alle Auserwählten »sich austheilen«, ler geraten, wenn sie ihren Panzer aus »Was-bin-ich-cool- um den »seligen Kindern, Knaben und Jungfrauen den anmüt- und-routiniert-und-gut-gebucht« abgelegt haben, dankbar ins higen Discant / den Jünglingen und Frauen den reinen Alt / den Schwärmen, wenn sie ihr Paralleluniversum aus Klang und Männern den freudigen Tenor / den alten aber den tieffen Baß Wort fruchtbarlich bedenken. Übrigens: In diesem Universum zu stellen/ und allezeit ein neues Lied daher spielen und sin- gibt es auch viel zu lachen. Wie lautet die kürzeste Fassung gen / … ohne Aufhörung und doch ohne Verdrießung / ohne aller Bachoratorien? Hier ist sie: »Und sie gebar ihren ersten Aufhörung und doch ohne Wiederholung.« (Diese Kenntnis Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krip- von Meyfart verdanke ich einem wunderbaren Buch von An- pe, wie die Juden pflegen zu begraben.« Der Evangelist, der das selm Steiger Geh aus, mein Herz, und suche Freud – Paul Ger- so im Brustton der Überzeugung und in großer Pose auswendig hardts Sommerlied und die Gelehrsamkeit der Barockzeit – gesungen haben soll, hatte das Rezitativ am Beginn des Weih- Naturkunde, Emblematik, Theologie, Berlin, New York, 2007 nachtsoratoriums mit dem Rezitativ am Ende der Johannes­ – hier Seite 59). passion in einer gigantischen Übersprungshandlung ver- knüpft und dabei einiges aus dem Leben Jesu unterschlagen. Wenn das keine Hoffnung ist! Und Johann Matthäus Mey­ Allerdings geht das vielen Gläubigen mit dem apostolischen fart stand damit nicht alleine. Aus dem irdischen Jammer- Glaubensbekenntnis auch so: »Ich glaube … an Jesus ­Christus, tal hat man sich im 17. Jahrhundert öfter gerne in den himm- … geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pila- lischen Chor gewünscht und auch für das 21. Jahrhundert ist tus, gekreuzigt, gestorben und begraben.« Fehlt da nicht was? eigentlich nichts Besseres vorstellbar. Auch hat Doch das ist eine andere Geschichte. so eine Vision entworfen: »O Freud! O lieblichs Singen! / O süßes Lied! O Lustgeschrei! / O wunder fröhlichs Klingen! / O Folgendes Lustiges aber habe ich selbst gehört: Am Mor- nimmerstille Kantorei! / Die schnellen Himmelsgeister / Und Marina Rosso Marina gen des heiligen Sonntags Estomihi des Jahres 2011 kün- Engel stehen da / Wie die Kapellenmeister / Das gross’ Allelu- digt eine geschmeidige öffentlich-rechtliche Rundfunkstim- jah / Mit uns auf hohen Geigen / Auf Lauten und Pandor / Zu Fotos me die Bachkantate BWV 22 wie folgt an: Jesus nahm zu sich machen / nichts soll schweigen / Im Bass / Diskant / Tenor!« (zi- die Zwölfte … Wie bitte? Da habe ich mich wohl verhört. Ein tiert nach Steiger, Seite 43). Eine Stimme fehlt! Der Alt pass- Freund, der diese Sendung zufällig mitgeschnitten hatte, te Rist wohl nicht mehr ins Versmaß. Aber ich bin überzeugt, schickte mir abends Ansage und Abspann auf MP3: »Sie hören er wollte nicht, dass Altistinnen und Altisten dermaleinst die Kantate ›Jesus nahm zu sich die Zwölfte …‹« Irrtum also schweigen, sondern dass auch sie mitsingen im großen himm- unmöglich. Was aber nahm Jesus denn zum zwölften Mal zu lischen Chor.

sich? Diese Frage beschäftigt mich seit jenem Sonntag. Hof- Musik und Reformation Musik und Reformation fentlich keine Drogen. Und was sagten die Zwölfe, seine Jün- Summa: Singen im himmlischen Chor. Diese Hoffnung hält gerinnen und Jünger, die er eigentlich zu sich genommen hat- mich am Leben – freudig, vergnügt und unverzagt. Gestern,

te, dazu? Das weiß der smarte Rundfunksprecher allein … heute und morgen. Eia wär’n wir da … EKD 2012 EKD 2012

78 Musik und Ich »Cantare – Ascoltare« (Singen – Hören) Kolumnentitel 79 Internet (0 70) 71 925998, tenstraße 12, 72072 Tübingen, in Württemberg Hochschule der Evangelischen Landeskirche 6 – Tübingen: hochschule-herford.de 83 0809, straße 6, 32049 Herford, Westfalen 5 –Herford: Hochschule derEvangelischenKirchevon heidelberg.de, (0 62) 2 127062, Stegmann, gelischen LandeskircheinBaden Hochschule fürKirchenmusikderEvan- 4 –Heidelberg: net (0345) 2 196929, Fax (0345) 21 9690, Ulrichstraße 35,06108Halle(Saale),Telefon sik Halle (Saale) EvangelischeHochschulefür Kirchenmu- 3 – Halle (Saale): musik-dresden.de [email protected], E- Mail 80 01309 Dresden, Dr. h.c. Christfried Brödel, Rektor Lutherischen Landeskirche Sachsens HochschulefürKirchenmusikderEvange lisch- 2 –Dresden: mail@hfk-bayreuth, E-Mail Bayreuth, Prof. Dr. KarlRathgeber, KontaktWilhelminenstraße 9,95444 der Evangelisch-LutherischenKircheinBayernRektor Hochschule für evangelische 1 – Bayreuth: Kirchenmusik Deutschland sind: stellt. Informieren Sie sich »vor Ort«! für Kirchenmusik ein besonderes Programm auf die Beine ge- Themenjahr ReformationundMusikhabendieHochschulen spruch und kirchlicher Praxis erlernen und erfahren. Für das Kirchenmusiker dasGemeinsamevonkünstlerischemAn- Einheit bleiben,sodassangehendeKirchenmusikerinnenund gagement dafürSorgezutragen,dassMusikundKircheeine sche Kirche der Pflicht und der Lust nach, mit besonderem En- Hochschulen fürKirchenmusik. In ihnen kommtdieEvangeli- Ein halbesDutzendevangelischeLandeskirchenunterhalten Handwerk zum Wege Ausbildung und Ausführung Die sechs Stätten kirchenmusikalischer Ausbildung in www.ehk-halle.de www.kirchenmusikhochschule.de E-Mail [email protected],Internet (09 21) (0921) 7 593417, Telefon Kontakt Hildastraße 8, 69115 Heidelberg, Rektor Prof.Dr. HelmutFleinghaus,KontaktPark- Internet www.hfk-heidelberg.de (03 51) (03 51) 31 8640, Telefon (0 62) (062) 21 21876, Fax Rektor Prof.ChristianFischer, Kontakt Gar- Rektor E-Mail [email protected], E-Mail [email protected], (0 52 21) (0 5221) 99 1450, Telefon KMD Internet www.hfk-bayreuth.de Kontakt Käthe-Kollwitz-Ufer 97, Prof. Wolfgang Kupke, (0 70) (070) 71 92 5997, Telefon Rektor Prof.Dr. Bernd E-Mail sekretariat@hfk- (09 21) (0921) 7 593436, Fax Internet www.kirchen (03 51) (03 51) 3 186422, Fax KMD (0 5221) Fax Prof.Dr. Kontakt Telefon www. Inter- KMD Fax

Themenjahr zum Klänge druckt und erfüllt …« und Klangreise, die beein- »... eine spannende Wort- Neue Chorzeit, Berlin ISBN 2011 edition chrismon, – Idee, Konzeption, Leitung Klaus-Martin Bresgott – Orgel Daniel Stickan – Orgel Arno Schneider – Percussion Michael Metzler – Saxofon Uwe Steinmetz – Gesang und Gitarre Gerhard Schöne – Gesang Pascal von Wroblewsky Athesinus Consort Berlin Thomas Jennefelt Heinrich Schütz, Michael Praetorius, Heinrich Kaminski, Gerhard Schöne, Franz Liszt, Johann Sebastian Bach, Ralph Carmichael, Johann Kuhnau, Ermutigung zur Freiheit Reformation und Freiheit Signale Themenjahr 2011:Zum 978-3-86921-073-5

Halle Mitteldeutsche Zeitung, chrismonshop.evangelisch.de ISBN 2011 edition chrismon, – Idee, Konzeption, Leitung Klaus-Martin Bresgott – Orgel Arno Schneider – Orgel Kilian Nauhaus Athesinus Consort Berlin Frank Schwemmer Hugo Distler, Ernst Pepping, Heinrich Kaminski, Josef Gabriel Rheinberger, Max Reger, Johannes Brahms, Max Bruch, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johann Adam Hiller, Johann Sebastian Bach, Matthias Weckmann, Johann Pachelbel, , Heinrich Schütz, Johann Walter, Motetten und Choräle Reformation und Musik Boten Themenjahr 2012: Zum Maßstäbe setzt …« die formale und inhaltliche 978-3-86921-087-2 (Saale) »... eine CD,

EKD 2012 Reformation und Musik die dritteBearbeitungaufdieser Mini- Vom hannoverschen Komponisten Alfred Koerppen stammt Text miteiner anderen, ebenfallseindrucksvollenMelodie. en entstandenist.Allerdings versieht MendelssohnLuthers 1831 als Reaktion aufdas unruhige KarnevalstreibeninItali- gener Choralkantaten, von denen taten Johann Sebastian Bachs führte zur Komposition sechs ei- den deau ProductionunderhieltdafürimdarauffolgendenJahr spielung erschien diese Werke imJahr2005zurAufführungbrachte.AlsWelterst ein- sen indenBibliotheken,ehederKnabenchorHannoverdiese Jahre nahezuverges- genossen HeinrichSchütz’lagenfast300 den ausdemJahr1646 sowieweitereKompositionendesZeit- Deutschlands bekannt geworden. gende QualitätseinerInterpretationenweitüberdieGrenzen nover durchhistorischeAufführungspraxisundherausra- Gründung vorrundsechzigJahrenistderKnabenchorHan- (1809 — 1847) undAlfredKoerppen(*1926) vor. Seitseiner merschmidt (1610/11 — 1675), Felix Mendelssohn Bartholdy arbeitungen ausverschiedenenEpochenvonAndreasHam- sik legt der KnabenchorHannovernundrei ausgewählte Be- aufgegriffen wurde.ZumThemenjahrReformationundMu- so zeitlosunduniversellist,dasservonvielenKomponisten Da pacemdomineausdem9. Jahrhundert einenChoral,der komponiert MartinLutherimJahr1529 nach der Antiphon In einer Zeit, dievonUnruhenundAufständengeprägtist, chor Hannover. Exzellent aufgenommen vom Knaben- chorals im17., 19. und21. Jahrhundert. Musikalische Rezeption desLuther- Verleih uns Frieden gnädiglich Andreas HammerschmidtsChoralkonzertVerleihunsFrie- themen/luther2017/ Download unter: www.ekd.de/ Alfred Koerppen finden Sie als Mendelssohn Bartholdy und Die Motetten von Felix Production erhältlich. gleichen Namens bei Rondeau Hammerschmidt ist auf der CD Die Motette von Andreas Verleih uns Frieden gnädiglich Echo Klassik.MendelssohnsBeschäftigungmitdenKan- CD

unter gleichnamigem Titel bei Ron- Verleih uns Frieden im Jahr Anne Constanze Wolters CD . Erverwendetdie . lrd Koerppen: Alfred 3. 2. Hammerschmidt: Andreas 1. belegen die hohe künstlerische Qualität des Chores. 2006 und20102006 sowiemitdemDeutschenSchallplattenpreis Auszeichnungen wieunteranderemmitdemEchoKlassik und dieBundesrepublikDeutschlandeuropa-weltweit. benchor dieStadtHannover, dasMusiklandNiedersachsen Künste Essenist.AlsKulturbotschafterrepräsentiertderKna- Professor an der Folkwang Universität der ding, der seit 2005 liegt die Leitung 2002 des Chores in den Händen von Jörg Brei- Knabenchor derspätgotischenMarktkirchezurückreicht.Seit tig führtereinealtehannoverscheTradition fort, diebiszum unter denbedeutendstenKnabenchörenEuropas.Gleichzei- Spitzenensembles seinesGenreszählt,hatseinenfestenPlatz einen bemerkenswerten Namen gemacht. zerte mit Thomas Quasthoff, Edith Wiens und Lars Vogt bereits pertoirevielfalt, eigene Konzertreihen und gemeinsame Kon- Das OrchesterhatsichdurchseinehoheProfessionalität,Re- im vergangenenJahrGerdMüller-Lorenz übernommenhat. ver dieKammersymphonieHannoverzurSeite,derenLeitung letzten Strophe noch eine Gemeinde ein, die den Choral singt. gleiche Instrumentierung wie Mendelssohn und bezieht in der schnitt, abmischung Johann Günther (nordklang, Berlin) aufnahme aufnahmeleitung Johann Günther (nordklang, Berlin) am 27. Februar 2011, Stiftskirche desStephansstiftes Hannover Aufnahme Felix und Alfred MendelssohnBartholdy Koerppen Die Produktion der Mini-CD wurde ermöglicht durch: Verleih uns Frieden gnädiglich Felix Mendelssohn Bartholdy: Leitung: Jörg Breiding Hannover, Kammersymphonie Erst einspielung; Knabenchor Hannover, Verleih uns Frieden gnädiglich Leitung: Jörg Breiding (2006 auf CD ROP7001) Johann Rosenmüller Ensemble, Himlische Cantorey, Knabenchor Hannover, Verleih uns Frieden gnädiglich Der Knabenchor Hannover, der seit Jahrzehnten zu den Als musikalischerPartnerstanddemKnabenchorHanno- Johannes Kammann (nordklang, Berlin) Pro duction. erschei nen bei Rondeau Leipzig Thomaner chor Hannover und dem CDs mit dem Knabenchor »Bey einer andächtigen Musique ist allezeit Gott mit seiner Gnadengegenwart.« Johann Sebastian Bach