Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Rechtswissenschaften an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Der Fall Khashoggi: eine völkerrechtliche Analyse

Eingereicht bei:

Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer

Von:

Richard Purin

Innsbruck, im Juli 2019

Danksagung

Ich bedanke mich bei Herrn Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer, der meine Diplomarbeit betreut und begutachtet hat. Ebenfalls gebührt mein Dank Frau Dr. Jelka Mayr-Singer für die Betreuung und die konstruktive Kritik bei der Erstellung dieser Arbeit.

Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, die in schwierigen Zeiten immer an meiner Seite waren. Ohne euch wäre all dies nicht möglich gewesen.

II

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister-/Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

Datum Unterschrift

III

Inhalt

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis ...... VII

I. Einleitung und Fragestellung ...... 1

II. Sachverhalt ...... 3

A. ...... 3

B. Chronologie der Ereignisse ...... 5

1. Verschwinden ...... 5

2. Tötung ...... 6

3. Ermittlungen ...... 7

a) Durchsuchung des Konsulats ...... 7

b) Suche nach dem Leichnam ...... 8

c) Ton- und Videoaufnahmen ...... 8

d) Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen...... 8

C. Mutmaßlich Verantwortliche ...... 9

1. Unmittelbare Täter ...... 9

2. ...... 10

3. Die rechte Hand des Prinzen: Saud bin Abdullah al-Qahtani...... 11

4. Geheimdienstgeneral Ahmad Asiri...... 11

5. Generalkonsul Mohammed al-Otaibi ...... 11

D. Reaktionen ...... 12

1. Saudi-Arabien ...... 12

2. Türkei ...... 13

3. Vereinigte Staaten ...... 13

4. Europäische Union...... 14

IV

Inhalt

5. Vereinte Nationen ...... 15

III. Völkerrechtliche Rahmenbedingungen ...... 16

A. Interventionsverbot ...... 16

B. Konsularische Immunität ...... 19

1. „Immunität“ als völkerrechtliches Konzept: Bedeutung und Rechtsquellen ...... 19

2. Immunität von Staatsorganen ratione personae/ratione materiae ...... 20

3. Unverletzlichkeit des Konsulats ...... 23

4. Verstoß und mögliche Konsequenzen ...... 24

IV. Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz ...... 26

A. Quellen, Systematisierung und Anwendbarkeit der Menschenrechte ...... 26

1. Globale Ebene ...... 27

a) Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte ...... 27

b) Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ...... 28

2. Regionale Ebene ...... 29

a) Europäische Menschenrechtskonvention ...... 29

b) Menschenrechtsschutz im arabischen Raum ...... 30

B. Recht auf Leben...... 31

C. Verbot der Folter ...... 34

D. Freiheit der Meinungsäußerung...... 34

V. Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens ...... 36

A. Rechtsquellen der Staatenverantwortlichkeit ...... 36

1. Allgemeine Rechtsgrundsätze ...... 37

2. Gewohnheitsrecht ...... 37

3. Sekundärrechtliche Normen als leges speciales ...... 38

B. Voraussetzungen der Staatenverantwortlichkeit ...... 39 V

Inhalt

1. Völkerrechtliches Delikt ...... 39

2. Zurechenbarkeit zum Staat ...... 40

3. Rechtswidrigkeit des Verstoßes ...... 41

C. Rechtsfolgen der Staatenverantwortlichkeit ...... 41

D. Anwendung auf den gegenständlichen Fall ...... 43

VI. Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts ...... 45

A. Verstoß gegen Interventionsverbot ...... 45

1. Mittel der friedlichen Streitbeilegung ...... 45

a) Diplomatische Verfahren ...... 46

b) (Schieds)gerichtliche Verfahren ...... 47

2. Selbsthilfe ...... 49

B. Missbrauch der Immunitäten aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen ...... 50

C. Verletzung der Menschenrechte ...... 51

1. Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ...... 52

2. Arabische Charta der Menschenrechte ...... 52

3. Satzung der Vereinten Nationen ...... 53

4. Die Rolle der Zivilgesellschaft: „naming and shaming“ ...... 54

5. Strafverfolgung der Täter ...... 55

VII. Ergebnisse und Fazit ...... 57

Quellenverzeichnis ...... IX

VI

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

ACHR Arab Charta on Human Rights

Art Artikel

ASR Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts

BUILJ Boston University International Law Journal bzw beziehungsweise

CAT Convention against Torture ebd ebenda

EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EJIL The European Journal of International Law

EMRK Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

FRD Friendly Relations Declaration hM herrschende Meinung

Hrsg Herausgeber idR in der Regel ieS im engeren Sinn

IGH Internationaler Gerichtshof

IGH-Statut Statut des Internationalen Gerichtshofes

ILC International Law Commission

IPbpR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

IStGH Internationaler Strafgerichtshof

IStGH-Statut Römisches Statut des internationalen Strafgerichtshofs leg cit legis citatae (der zitierten Vorschrift) lit litera (Buchstabe)

VII

Abkürzungsverzeichnis

MbS Mohammed bin Salman mE meines Erachtens

MPEPIL Max Planck Encyclopedia of Public International Law

NGO Nichtregierungsorganisation (Non-Governmental Organization)

OHCHR Office of the High Commissioner for Human Rights

PCIJ Permanent Court of International Justice

StIGH Ständiger Internationaler Gerichtshof

SVN Satzung der Vereinten Nationen

UNHCHR United Nations High Commissioner for Human Rights

UNHRC United Nations Human Rights Council

WÜD Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen

WÜK Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen zB zum Beispiel

VIII

Einleitung und Fragestellung

I. Einleitung und Fragestellung

Am 2. Oktober 2018 um 13:14 Uhr betrat der Journalist Jamal Khashoggi das Konsulat des Königreichs Saudi-Arabien in Istanbul. Er sollte es nie mehr verlassen.1

Nach anfänglichem Dementi jeder Involvierung bestätigte Saudi-Arabien erst 18 Tage später, am 20. Oktober, den Tod des Regierungskritikers. Laut der ersten offiziellen Erklärung soll sich zwischen Khashoggi und mehreren Personen, welche er im Konsulat getroffen habe, zunächst ein Streit und danach ein „Faustkampf“ entwickelt haben, bei dem der 59-jährige ums Leben kam.2

Die Ereignisse rund um die Aufklärung des Falls erinnern an einen Agententhriller. Es dreht sich um Killerkommandos, Ton- und Videoaufnahmen von Folter und Mord, sowie einer Anordnung ebendieser von höchster Stelle in Riad. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit sind die Ermittlungen noch in Gang, eine endgültige Klärung des Sachverhaltes wird, wenn überhaupt, erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein.

Der gegenständliche Fall hat aufgrund der Umstände erhebliche Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der beteiligten Akteure, insbesondere auf jene zwischen der Türkei und Saudi-Arabien. Aus völkerrechtlicher Sicht sind vor allem eine etwaige Verletzung von Rechten und Pflichten, die sich aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) ergeben (Punkt III.B.), sowie ein möglicher Verstoß gegen das Interventionsverbot (Punkt III.A.) der Satzung der Vereinten Nationen (SVN) relevant. In weiterer Folge wird auch der völkerrechtliche Menschenrechtsschutz (Punkt IV.) im konkreten Fall und die Durchsetzungsproblematik etwaiger Ansprüche aus den Verstößen (Punkt VI.) Gegenstand der Analyse sein.

In der vorliegenden Arbeit wird zunächst eine detaillierte Darstellung der Ereignisse sowie des Status der beteiligten Akteure stattfinden (Punkt II.), um dann eine völkerrechtliche Beurteilung vornehmen zu können. Es wird versucht werden die Frage zu beantworten, welche der handelnden Parteien völkerrechtliche Normen verletzt haben,

1 Urech, Der Fall Khashoggi, (26.02.2019). 2 BBC, Jamal Khashoggi case, (26.02.2019). 1

Einleitung und Fragestellung wie mögliche Konsequenzen aussehen könnten und welche Probleme sich bei der Durchsetzung ergeben.

Dass Staaten gezielte Tötungen eigener, aber auch fremder Staatsbürger vornehmen, ist nicht neu, mehreren wurde und wird dies vorgeworfen. Auch dass diplomatische Räumlichkeiten zu anderen Zwecken als jenen, die das WÜK bzw das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) vorsehen, missbraucht werden, steht nicht außerhalb jeder Erwartung. Im vorliegenden Fall erfolgte allerdings eine außergewöhnliche internationale mediale und politische Resonanz, wie sie in dieser Form selten vorkam. Dies liegt wohl zum einen in den grausamen Details des Sachverhalts, wonach das Opfer gefoltert, zerstückelt und verbrannt worden sein soll, als auch an den persönlichen Umständen Khashoggis, der Journalist und Einwohner der Vereinigten Staaten war.

2

Sachverhalt

II. Sachverhalt

A. Jamal Khashoggi

Jamal Ahmad Khashoggi wurde am 13. Oktober 1958 in Medina geboren und verstarb am 2. Oktober 2018, elf Tage vor seinem 60. Geburtstag, in Istanbul.3 Er stammte aus einer angesehenen Familie mit türkischen Wurzeln, sein Großvater Muhammad Khashoggi war der Leibarzt von Abd al-Aziz ibn Saud, dem Gründer und ersten König des Königreichs Saudi-Arabien.4 Der bekannteste Vertreter seines Namens war aber wohl sein Onkel Adnan Khashoggi, ein Waffenhändler, dessen Vermögen auf mehrere Milliarden US-Dollar geschätzt wurde und der im Zuge der Iran-Contra-Affäre als einer der Mittelsmänner zu (zweifelhafter) internationaler Berühmtheit gelangte.5

Nach seiner schulischen Ausbildung in Saudi-Arabien emigrierte Khashoggi erstmals in die Vereinigten Staaten, wo er 1982 an der Indiana State University sein Studium als „Bachelor of Business Administration“ abschloss. Khashoggi war drei Mal verheiratet, alle Ehen wurden geschieden. Aus erster Ehe mit Rawia al-Tunisi stammen vier Kinder, von denen zumindest zwei US-Staatsbürger sein sollen.6

Seine journalistische Karriere begann Khashoggi 1985 bei der Saudi Gazette, bis 1990 schrieb er für verschiedene saudi-arabische Zeitungen. Bei der Tageszeitung Al-Madina wurde er 1991 zum Chefredakteur ernannt und blieb in dieser Funktion bis 1999. In weiterer Folge wechselte er zur größten englischsprachigen Zeitung Saudi-Arabiens, der Arab News, wo er bis 2003 als Chefredakteur tätig war.7

Es folgte 2003 eine kurze Beschäftigung als Chefredakteur der Tageszeitung Al-Watan. Nach nicht einmal zwei Monaten wurde Khashoggi vom Informationsministerium des

3 Black, Jamal Khashoggi obituary, (06.03.2019). 4 Abu-Nasr, Who Was Jamal Khashoggi?, (06.03.2019). 5 Gillard, Adnan Khashoggi obituary, (06.03.2019). 6 Black, Jamal Khashoggi obituary, (06.03.2019); Myre, Jamal Khashoggi's Complicated History With The Saudi Royal Family, (06.03.2019). 7 World Economic Forum, Jamal Khashoggi, (06.03.2019). 3

Sachverhalt

Landes entlassen, da unter seiner Leitung ein Kolumnist des Blattes den muslimischen Gelehrten Ibn Taymiyyah, der als einer der Gründerväter des Wahhabismus gilt, kritisiert hatte.8

Nach seiner Entlassung verbrachte Khashoggi mehrere Jahre in , bis er 2007 zu Al-Watan nach Saudi-Arabien zurückkehrte. Als 2010 unter seiner Leitung ein kritischer Kommentar zum Salafismus veröffentlicht wurde, trat Khashoggi, wohl auf politischen Druck hin, zurück.9

In den darauffolgenden Jahren mitbegründete Khashoggi einen Fernsehsender in Bahrain, der nur elf Stunden „on-air“ war,10 und war außerdem als politischer Kommentator für lokale und internationale Sender wie die BBC, Al Jazeera und Dubai TV tätig. Am 5. Dezember 2016 berichtete The Independent11 mit Bezugnahme auf einen Artikel des Middle East Eye12 Khashoggi soll von der Regierung Saudi-Arabiens jede journalistische Tätigkeit untersagt worden sein. Grund dafür sollen Aussagen Khashoggis gewesen sein, wonach Donald Trumps Standpunkte im Nahen Osten „widersprüchlich“ wären.

Im Juni 2017 verließ Khashoggi Saudi-Arabien und migrierte erneut in die Vereinigten Staaten.13 Dort begann er im September desselben Jahres Kolumnen für die Washington Post zu schreiben.14

Die Essenz seiner politischen Ansichten findet sich in seiner Kolumne vom 3. April 2018:

“I agree with MBS [Mohammed bin Salman, Anm. d. Verf.] that the nation should return to its pre-1979 climate, when the government restricted hard-line Wahhabi traditions. Women today should have the same rights as men. And all citizens should have the right to speak their minds without fear of imprisonment. But

8 Memri, Saudi Editor-In-Chief Fired Following Criticism of Ibn Taymiyya, (06.03.2019). 9 BBC, Saudi editor Jamal Khashoggi resigns from of al-Watan, (06.03.2019). 10 Black, Saudi prince’s Al-Arab news channel goes off air hours after launching, (06.03.2019). 11 Osborne, bans journalist for criticising , (06.03.2019). 12 Middle East Eye, Saudi journalist banned from media after criticising Trump, (06.03.2019). 13 Aziza, Kingdom Crackdown, (12.03.2019). 14 , Where is Jamal Khashoggi?, (12.03.2019). 4

Sachverhalt

replacing old tactics of intolerance with new ways of repression is not the answer.”15

Während seiner Tätigkeit in Washington arbeitete Khashoggi mit Gleichgesinnten an einer Plattform zur Gründung einer demokratischen Opposition in der arabischen Welt, welche er „Democracy for Arab World Now“ oder „DAWN“ nannte.16 Im September 2018 reiste er zunächst nach London, um seine Pläne mit möglichen Mitstreitern und Geldgebern zu besprechen. Um die benötigten Dokumente für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz zu erhalten flog er nach Istanbul, wo er am 2. Oktober 2018 das dortige Saudi-Arabische Konsulat betrat, welches er nicht mehr verlassen sollte.

B. Chronologie der Ereignisse

1. Verschwinden

Im Laufe des Jahres 2017 gab es immer wieder Versuche der Regierung in Riad, Khashoggi zu überzeugen, nach Saudi-Arabien zurückzukehren. Ihm wurden Sicherheit sowie höchste Posten in der Verwaltung angeboten, doch der Journalist lehnte aus Furcht vor Verfolgung ab. Selbst ein, laut eigenen Angaben freundliches, Treffen mit dem Botschafter Saudi-Arabiens in den Vereinigten Staaten und Bruder des Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS), Khalid bin Salman, in Washington konnte ihn nicht überzeugen.17

Um seine türkische Verlobte heiraten zu können, musste Khashoggi Dokumente vorweisen, welche die Auflösung der Ehe mit seiner Frau in Saudi-Arabien bestätigten. Zu diesem Zweck erschien er bereits am 28. September 2018 erstmals und unangekündigt

15 Khashoggi, By blaming 1979 for Saudi Arabia’s problems, the crown prince is peddling revisionist history, (12.03.2019). 16 Warrick/Morris/Mekhennet, In death, Saudi writer’s mild calls for reform grew into a defiant shout, (12.03.2019). 17 Lederman, Khashoggi met with crown prince's brother, (12.03.2019). 5

Sachverhalt im saudischen Konsulat in Istanbul. Dort wurde ihm gesagt, dass die Vorbereitung der Dokumente etwas Zeit in Anspruch nähme und er am 2. Oktober wiederkommen solle.18

Am Dienstag, dem 2. Oktober 2018 um 13:14 Uhr, betrat Khashoggi schließlich erneut das Konsulat. Als er es nach mehreren Stunden noch nicht wieder verlassen hatte kontaktierte seine Verlobte einen Berater des türkischen Präsidenten Erdogan und Freund Khashoggis, Yasin Aktay, woraufhin die Ermittlungen begannen.19

2. Tötung

Am 6. Oktober 2018 berichtete die Nachrichtenagentur Reuters mit Berufung auf Quellen innerhalb der türkischen Behörden, dass Khashoggi im Konsulat gefoltert und ermordet worden sein soll.20 Die New York Times berichtete, dass ein eigens zu diesem Zweck eingeflogenes Team aus 15 saudischen Agenten Khashoggi zunächst ermordet, seinen Körper mit einer Knochensäge zerteilt und die Leichenteile dann in Koffern aus dem Konsulat transportiert haben soll.21

Am Mittwoch, dem 31. Oktober 2018, gab es erstmals eine offizielle Bestätigung seitens der für die Ermittlungen zuständigen türkischen Behörden. Der leitende Staatsanwalt Irfan Fidan erklärte, dass Khashoggi Opfer einer „vorsätzlichen Tötung“ geworden und seine Leiche im Anschluss „zerstückelt und vernichtet“ worden sei.22 Der Leichnam war zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit noch nicht gefunden.

18 BBC, Jamal Khashoggi: All you need to know about Saudi journalist's death, (12.03.2019). 19 Gall, What Happened to Jamal Khashoggi?, (12.03.2019); Welt, Aus diesem Grund ging Khashoggi beim zweiten Mal unbesorgt in das Konsulat, (12.03.2019); Urech, Der Fall Khashoggi, (26.02.2019). 20 Reuters, Turkish police believe Saudi journalist Khashoggi was killed in consulate, (12.03.2019). 21 Kirkpatrick/Gall, Turkish Officials Say Khashoggi Was Killed on Order of Saudi Leadership, (12.03.2019). 22 Rogg, Im Mordfall Khashoggi meldet sich erstmals die türkische Staatsanwaltschaft zu Wort, (13.03.2019). 6

Sachverhalt

3. Ermittlungen

Die Ermittlungen zum gegenständlichen Fall werden derzeit von drei Seiten geführt. Da der mutmaßliche Mord auf türkischem Territorium geschah, sind zunächst die türkischen Behörden für die polizeiliche Untersuchung zuständig. Auf die einzelnen Ermittlungsschritte wird im Folgenden ausführlich eingegangen. Nachdem der ursprüngliche Standpunkt Saudi-Arabiens, Khashoggi hätte das Konsulat lebend verlassen, nicht mehr zu halten war, begann das Königreich mit Ermittlungen, welche in der Verhaftung von 18 Personen gipfelten.23 Seit Anfang Februar wird der Fall auch von den Vereinten Nationen in Person der Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen, Agnes Callamard, untersucht.24 Der endgültige Bericht der Sonderberichterstatterin wird für Juni dieses Jahres erwartet. a) Durchsuchung des Konsulats

Am Anfang der Ermittlungen, als Khashoggi noch als vermisst galt, war es für die Aufklärung des Sachverhalts durch die türkischen Behörden notwendig, den Ort des Geschehens zu untersuchen. Auf die Unverletzlichkeit konsularischer Räumlichkeiten25 wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch näher eingegangen werden,26 hier nur so viel: zur völkerrechtlich legitimen Durchsuchung bedarf es der Zustimmung des Entsendestaates.27

Nach tagelangem diplomatischem Tauziehen wurde es den türkischen Behörden am Montag, dem 15. Oktober 2018, erstmals gestattet, sowohl das Konsulat als auch die Privatresidenz des Konsuls auf Spuren nach dem Verbleib des Journalisten zu untersuchen.28 Dies geschah in den folgenden Tagen auch mehrmals. Nach übereinstimmenden Medienberichten hätten sich dabei Spuren, welche auf einen gewaltsamen Tod hindeuten, verdichtet. Der Präsident der Türkei, Recep Erdogan, sagte am 16. Oktober 2018, die Ermittler gingen „vielen Dingen nach, wie etwa toxischen

23 Sullivan/Morris/El-Ghobashy, Saudi Arabia fires 5 top officials, arrests 18 , (13.03.2019). 24 OHCHR, Independent human rights expert to visit Turkey to launch international inquiry into Khashoggi case, (28.03.2018). 25 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen, Art 31, BGBl 1969/318. 26 Siehe Punkt III.B.3. 27 Vgl Art 31 WÜK. 28 BBC, Jamal Khashoggi: Turkey widens search for Khashoggi clues, 1 (13.03.2019). 7

Sachverhalt

Materialien und solchen Materialien, die entfernt wurden, indem sie übermalt wurden“.29 Eine offizielle Bekanntgabe der Ergebnisse von türkischer Seite gibt es aber bisher nicht. b) Suche nach dem Leichnam

Zum Verbleib der Leiche gab und gibt es verschiedene Theorien, bis zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht endgültig klar, was mit Khashoggi nach seinem Tod geschehen ist. Aktuell wird mit Berufung auf anonyme Quellen davon ausgegangen, dass der Leichnam noch im Konsulat zerteilt und dann zur Privatresidenz des Konsuls gebracht wurde. Im dortigen Garten soll er in einem eigens dafür konstruierten und bis zu 1000 °C heißen Ofen verbrannt worden sein. Anschließend sollen über einen Zeitraum von drei Tagen große Mengen Fleisch in dem Ofen gegrillt worden sein, um etwaige Spuren zu verwischen.30 c) Ton- und Videoaufnahmen

Hilfe bei der Klärung des Sachverhaltes könnten Tonbandaufnahmen aus dem Konsulat liefern. Von der Existenz solcher Aufnahmen berichtete erstmals die Nachrichtenseite Middle East Eye am 16. Oktober 2018.31 Demnach soll die Tötung sieben Minuten gedauert haben, ein Verhör habe nicht stattgefunden. Präsident Erdogan bestätigte am 10. November 2018, dass die Türkei im Besitz von Audioaufnahmen aus dem Konsulat sei, und diese an Saudi-Arabien, die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien weitergegeben habe.32 Veröffentlicht wurde der Inhalt bisher nicht. Auch die Existenz von Videoaufnahmen, die den Mord zeigen sollen, wurde nicht bestätigt. d) Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen

Auch die französische Menschenrechtsexpertin Agnes Callamard untersucht in ihrer Funktion als Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen im Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für

29 Kleine Zeitung, Polizei fand Beweise für Ermordung im Konsulat, (13.03.2019). 30 Al Jazeera, Jamal Khashoggi's body likely burned in large oven at Saudi home, (13.03.2019). 31 Hearst, Jamal Khashoggi's killing took seven minutes, (13.03.2019). 32 Erkoyun, Turkey gave Khashoggi tapes to European nations, (13.03.2019). 8

Sachverhalt

Menschenrechte den Fall. Vom 28. Jänner bis zum 3. Februar 2019 ermittelte sie mit einem Team in der Türkei, wo sie mit hochrangigen Regierungsvertretern sowie Verantwortlichen der türkischen Polizei- und Nachrichtendienste zusammentraf und Beweise sicherte. In ihrem vorläufigen Bericht33 vom 7. Februar 2019 kommt sie zu dem Schluss, dass Khashoggi das Opfer „of a brutal and premeditated killing, planned and perpetrated by officials of the State of Saudi Arabia” geworden sein soll.

C. Mutmaßlich Verantwortliche

Um eine qualifizierte völkerrechtliche Beurteilung vornehmen zu können, ist eine exakte Darstellung der handelnden Personen sowie deren Status notwendig. Dies soll in diesem Abschnitt geschehen.

1. Unmittelbare Täter

Türkische Medien nennen als unmittelbar Verantwortliche 15 saudische Staatsbürger. Diese sollen am 2. Oktober 2018 in die Türkei eingereist sein und Istanbul noch am selben Abend in zwei Privatflugzeugen wieder verlassen haben.

Eine wesentliche Rolle soll Dr. Salah Tubaigy zugekommen sein. Der forensische Pathologe landete am 2. Oktober um 03:13 Uhr am Istanbuler Atatürk Flughafen in einer Privatmaschine mit der Kennung HZSK2 aus Riad. Im Gepäck hatte er, Berichten zufolge, eine Knochensäge für das Zerteilen von Körpern. Eigentümer des Flugzeuges soll „Sky Prime Aviation Services“, eine Firma, die von Saudi-Arabien im Zuge einer Antikorruptionsrazzia beschlagnahmt wurde, sein. Dr. Tubaigy soll Vorsitzender des wissenschaftlichen Rates für forensische Medizin Saudi-Arabiens sein, also im Staatsdienst stehen. Er verließ Istanbul im gleichen Flugzeug am selben Abend um 22:54 Uhr.

33 OHCHR, Preliminary observations of the human rights inquiry into the killing of Mr. Kashoggi, (14.03.2019). 9

Sachverhalt

Über die 14 weiteren Beteiligten ist weniger bekannt, jedoch sollen alle Angehörige der saudischen Streitkräfte oder Nachrichtendienste sein. Mehrere der Attentäter sollen außerdem Teil des persönlichen Sicherheitsteams des Kronprinzen bin Salman sein.34

Auf die Frage der Zurechenbarkeit der mutmaßlichen Täter zu Saudi-Arabien soll nachfolgend35 näher eingegangen werden.

2. Mohammed bin Salman

Mohammed bin Salman ist der Kronprinz, stellvertretende Premierminister, Verteidigungsminister und de-facto Herrscher Saudi-Arabiens. Unter seiner Führung entstand eine vorsichtige Weiterentwicklung in Richtung einer offeneren und liberaleren Haltung des Königreichs in vielen Fragen, welche allerdings immer wieder von Berichten über gravierende Menschenrechtsverletzungen überschattet wird.

Bereits ein Jahr vor dem Tod Khashoggis sollen US-Nachrichtendienste ein Gespräch des Kronprinzen abgehört haben, in welchem dieser dem Journalisten „eine Kugel“ androhte, sollte er nicht nach Saudi-Arabien zurückkehren und seine Kritik an der Regierung einstellen.36

Aufgrund weiterer abgehörter Telefongespräche geht die CIA in einem Bericht an die US-Regierung am 16. November 2018 davon aus, dass die Ermordung „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ durch bin Salman selbst angeordnet wurde. Basierend auf der Kontrolle des Kronprinzen über Saudi-Arabien sei davon auszugehen, dass die Tat ohne seine Zustimmung nicht stattgefunden hätte.37

Auch wenn alles auf eine direkte Anordnung durch den Kronprinzen hindeutet, einen stichhaltigen Beweis gibt es dafür bisher nicht. Saudi-Arabien bestreitet jede Involvierung des Thronfolgers kategorisch.

34 BBC, Who's who in alleged Saudi 'hit squad', (14.03.2019); Hearst, Seven of bin Salman's bodyguards among Khashoggi suspects, (14.03.2019). 35 Siehe Punkt V.B.2. 36 Mazzetti, Saudi Prince Told Aide He Would Use ‘a Bullet’ on Jamal Khashoggi, (14.03.2019). 37 Barnes, C.I.A. Concludes That Saudi Crown Prince Ordered Khashoggi Killed, (14.03.2019). 10

Sachverhalt

3. Die rechte Hand des Prinzen: Saud bin Abdullah al-Qahtani

Qahtani war bis zum Jahr 2018 Medienberater des Kronprinzen und eine der Schlüsselfiguren in dessen innerstem Zirkel. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete mit Berufung auf hochrangige Quellen innerhalb des Königlichen Hofes, Qahtani soll virtuell, via „Skype“, im Konsulat anwesend gewesen sein. Mit den Worten „bringt mir den Kopf des Hundes“ soll er die Ermordung endgültig angeordnet haben. Der Mitschnitt dieses Skype-Gesprächs soll Teil des Konvoluts an Audioaufnahmen sein, die den türkischen Behörden vorliegen.38 Qahtani wurde am 19. Oktober 2018 als Berater des Königs entlassen39, er soll außerdem unter jenen 18 Personen sein, die im Zusammenhang mit dem Fall in Saudi-Arabien verhaftet wurden.40

4. Geheimdienstgeneral Ahmad Asiri

Leiter der Mission, die zum Tod Kashoggis führte, soll ein weiterer Vertrauter des Kronprinzen, Ahmad Asiri, gewesen sein. Der General war bis zu seiner Entlassung41 am 19. Oktober 2018 stellvertretender Leiter des Nachrichtendienstes Saudi-Arabiens. Berichten zufolge soll er von bin Salman mit der Mission zur Tötung Khashoggis betraut worden sein, nachdem Versuche diesen in die Heimat zurück zu verbringen gescheitert waren.42

5. Generalkonsul Mohammed al-Otaibi

Unklar ist, inwieweit Saudi-Arabiens Konsul in Istanbul involviert war. Er hat sich jedenfalls Stunden vor der Durchsuchung seiner Residenz am 16. Oktober 2018 via

38 Reuters, How the man behind Khashoggi murder ran the killing via Skype, (16.03.2019). 39 Saudi Press Agency, Royal Order Relieving Saud bin Abdullah Al-Qahtani of his Post As Advisor at Royal Court, (16.03.2019). 40 Al Jazeera, Saudi Arabia admits Jamal Khashoggi killed, (16.03.2019). 41 Saudi Press Agency, Royal Order Relieving Deputy President of General Intelligences of his Post, (16.03.2019). 42 Fars News Agency, Khashoggi Murdered by Ex-Spokesman of Saudi-Led Coalition in War on , (16.03.2019). 11

Sachverhalt

Linienflug nach Riad abgesetzt.43 Auf die Immunität des involvierten Personenkreises soll nachfolgend44 näher eingegangen werden.

D. Reaktionen

1. Saudi-Arabien

Am 3. Oktober 2018, als der Fall Khashoggi publik wurde, bestritt Saudi-Arabien zunächst jede Verantwortung. Der Journalist habe das Konsulat lebend verlassen, über seinen derzeitigen Aufenthalt habe man keinerlei Information.

Der Bruder des Kronprinzen Mohammed und Botschafter in den Vereinigten Staaten, Prinz Khaled bin Salman, veröffentlichte am 8. Oktober einen Brief, wonach Berichte über Khashoggis Tod falsch seien. Khashoggi habe das Konsulat verlassen und würde seither vermisst.45

Am 20. Oktober 2018 bestätigte die Staatsanwaltschaft in Saudi-Arabien, dass Khashoggi im Konsulat des Königreichs getötet wurde. Bei einem „Faustkampf“, der sich durch einen Streit zwischen dem Journalisten und mehreren Anwesenden ergeben habe, sei dieser durch einen „Würgegriff“ ums Leben gekommen.46

Der saudi-arabische Außenminister, Adel al-Jubeir, sprach am 21. Oktober 2018 in einem Fernsehinterview47 mit dem Sender Fox News erstmals von „Mord“ im Zusammenhang mit dem Fall Khashoggi. Dieser soll das Ergebnis einer nichtautorisierten „rogue operation“ und ein „riesiger Fehler“ gewesen sein. Die Verantwortlichen hätten ihre Kompetenz ohne Wissen der Führung überschritten und würden nach einer gründlichen Untersuchung von Saudi-Arabien zur Rechenschaft gezogen werden.

43 Reuters, Saudi consul general leaves Turkey for , (16.03.2019). 44 Siehe Punkt III.B. 45 BBC, Khashoggi death: How Saudi Arabia altered its account, (18.03.2019). 46 Welt, „Er starb durch einen Würgegriff“, (18.03.2019). 47 Fox News, Saudi foreign minister on Khashoggi investigation, (18.03.2019). 12

Sachverhalt

Seit Jänner 2019 findet in Riad der Prozess gegen elf Verdächtige statt, wobei fünf von ihnen die Todesstrafe drohen soll. Da der Prozess nicht öffentlich stattfindet, sind weitere Details (unter anderem welche Personen angeklagt sind) unbekannt.48

Im April 2019 wurde berichtet, dass Khashoggis Kinder im Gegenzug für mediale Zurückhaltung, Kompensationszahlungen in Höhe von mehreren Millionen US-Dollar von Saudi-Arabien erhalten haben sollen.49 Der älteste Sohn, Salah Khashoggi, dementierte später über den Kurznachrichtendienst „Twitter“, dass es zu solchen Zahlungen gekommen sei.50

2. Türkei

Die Hauptverantwortung für die Ermittlungen und Aufklärung des Falls trägt die Türkei. Am 23. Oktober 2018 erklärte Präsident Erdogan in einer lang erwarteten Rede vor dem Parlament erstmals den Standpunkt der Türkei in dem Fall. Demnach sei die Version eines Streits mit anschließendem Unfall nicht glaubhaft, vielmehr handle es sich um einen „geplanten und brutalen Mord“.51

Am 26. Oktober 2018 beantragte die Staatsanwaltschaft in Istanbul die Auslieferung der 18 in Saudi-Arabien inhaftierten Verdächtigen an die Türkei. Der saudi-arabische Außenminister lehnte den Auslieferungsantrag am Tag darauf ab.52

3. Vereinigte Staaten

Die enge Beziehung zwischen Saudi-Arabien und den USA wird durch den Mord schwer belastet. Auf Grund der Tatsache, dass Khashoggi in den USA ansässig war, entwickelte

48 Nebehay, U.N. investigator urges Saudi Arabia to open up Khashoggi murder trial, (28.03.2019). 49 Chulov, Saudi-Arabia paying Jamal Khashoggi’s children thousands each month, (02.04.2019). 50 Khashoggi Salah, Twitter @salahkhashoggi, (10.04.2019). 51 ORF, Erdogan: Khashoggi wurde „grausam“ getötet, (18.03.2019). 52 Tagesspiegel, Saudi-Arabien lehnt Auslieferung von Verdächtigen ab, (18.03.2019). 13

Sachverhalt sich eine Brisanz in dem Fall, die von den Verantwortlichen in solchem Maß wohl nicht erwartet wurde.

Sanktionen der USA beschränken sich derzeit auf 17 der 18 Einzelpersonen, die im Zusammenhang mit dem Mord in Saudi-Arabien verhaftet wurden.53 Mehrere Mitglieder des Kongresses fordern darüber hinaus eine Neubewertung des Verkaufs von Kriegsmaterial im Wert von 110 Milliarden USD an Saudi-Arabien, Präsident Trump hält daran jedoch bislang fest.54 Nach Einschätzung der New York Times liegt dies vor allem an den Sanktionen gegen die Ölexporte des Irans, welche die Abhängigkeit von saudischem Öl drastisch erhöht hat.55

Ob es zu einer endgültigen Klärung kommen kann, wird wohl von der Intensität des von den USA ausgeübten Drucks auf das Königreich abhängen. Davon ist, ob der engen Bindung zwischen der Trump-Administration und MbS als Faktor der Stabilität in der Region, eher nicht auszugehen.

4. Europäische Union

Auch die EU fordert in der Person der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, „gründliche, glaubwürdige und transparente Ermittlungen […] damit die Umstände des Mordes vollständig aufgeklärt und alle Verantwortlichen uneingeschränkt zur Rechenschaft gezogen werden“.56

In einer gemeinsamen Entschließung57 des Europäischen Parlaments vom 24. Oktober 2018 wird „die Folterung und Tötung Jamal Khashoggis aufs Schärfste“ verurteilt, „eine unabhängige und unparteiische internationale Untersuchung“ gefordert sowie der Rat aufgefordert, „einen gemeinsamen Standpunkt anzunehmen, um gegen Saudi-Arabien ein EU-weites Waffenembargo zu verhängen“.

53 Landler/Gardiner, U.S. Levels Sanctions on 17 Saudis for Alleged Involvement in Khashoggi Killing, (18.03.2019). 54 Choi, Trump says 'we have a tremendous order' with Saudi Arabia, doesn't want to cancel defense contracts 'as retribution' for Jamal Khashoggi's death, (18.03.2019). 55 Sanger, Khashoggi Disappearance May Disrupt Trump Administration’s Plans to Squeeze Iran, (18.03.2019). 56 Rat der Europäischen Union, Erklärung der Hohen Vertreterin, (18.03.2019). 57 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi- arabischen Konsulat in Istanbul vom 24.10.2018, 2018/2885(RSP). 14

Sachverhalt

Auf ein gemeinsames Waffenembargo gegen Saudi-Arabien konnte man sich in der EU nicht einigen, lediglich Deutschland stoppte den Export von Rüstungsmaterial in das Königreich.58

5. Vereinte Nationen

Wie bereits erläutert wird auch auf Ebene der Vereinten Nationen durch die Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche und willkürliche Hinrichtungen, Agnes Callamard, ermittelt. Ihr endgültiger Bericht wird für Juni 2019 erwartet. Saudi-Arabien wirkt an der Untersuchung allerdings nicht mit. Der Präsident der saudischen Kommission für Menschenrechte, Bandar bin Mohammed Al-Aiban, erklärte am 14. März 2019 vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf, dass eine internationale Untersuchung nicht nötig sei. Saudi-Arabien hätte alle Maßnahmen ergriffen, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Jeder Versuch, die Ermittlungen zu „internationalisieren“, würde als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Königreichs aufgefasst werden.59

In einer Erklärung60 vor dem UN-Menschenrechtsrat wurde Saudi-Arabien am 7. März 2019 scharf kritisiert. Der Vertreter Islands fordert darin im Namen von 36 Staaten, darunter Österreich, nachdrücklich, alle Informationen zu veröffentlichen und mit allen Untersuchungen zu kooperieren. Besondere Sorge habe man im Kreis dieser Staaten über den Einsatz von Antiterrorgesetzen gegen Menschen, welche friedlich ihre Rechte und Freiheiten ausüben.

58 n-tv, Deutschland bleibt mit Rüstungsembargo allein, (18.03.2019). 59 Romo, Saudi Arabia Rejects Calls For Independent Investigation Into Khashoggi Killing, (18.03.2019). 60 UNHCR, joint statement delivered by Iceland, 7.3.2019, (28.03.2019). 15

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

III. Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

A. Interventionsverbot

Nach eingehender Analyse des Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass das Königreich Saudi-Arabien, in welcher Form auch immer, in die Tötung Khashoggis auf türkischem Territorium involviert war. Es liegt daher ein zwischenstaatlicher Sachverhalt vor und es könnte sich um eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates handeln.

Das Prinzip der Nichteinmischung zählt zum Völkergewohnheitsrecht; der Internationale Gerichtshof (IGH) spricht im Fall Nicaragua gegen die Vereinigten Staaten vom „customary-law principle of non-intervention“.61 Der inhaltliche Kernbereich ist weit umstritten, es umfasst aber allgemein die Einmischung in die inneren und äußeren Angelegenheiten eines Staates durch Zwangsanwendung.62

Zu unterscheiden ist weiters eine zulässige Einmischung von einer unzulässigen Intervention. Eine Definition wurde vom Internationalen Gerichtshof im Nicaragua- Urteil im Juni 1986 folgendermaßen entwickelt:

“[…] the principle forbids all States or groups of States to intervene directly or indirectly in internal or external affairs of other States. A prohibited intervention must accordingly be one bearing on matters in which each State is permitted, by the principle of State sovereignty, to decide freely. One of these is the choice of a political, economic, social and cultural system, and the formulation of foreign policy. Intervention is wrongful when it uses methods of coercion in regard to such choices, which must remain free ones. The element of coercion, which defines, and indeed forms the very essence of, prohibited intervention, is particularly obvious in the case of an intervention which uses force, either in the direct form of military action, or in the indirect form of support for subversive terrorist armed activities within another State […]”63

61 IGH, Military and Paramilitary Activities in und against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, Judgement, ICJ Reports 1986, 14, Abs 245. 62 Arnauld, Völkerrecht3, Rz 349. 63 IGH, Nicaragua v. United States of America, Abs 205. 16

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

Daraus wird klar, dass das entscheidende Element, welches eine verbotene Intervention von einer zulässigen Einmischung unterscheidet, der ausgeübte Zwang („coercion“) darstellt. Seine Grundlage hat dies in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffende freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970 („Friendly Relations Declaration“):

„Ein Staat darf keine wirtschaftlichen, politischen, oder sonstigen Maßnahmen gegen einen anderen Staat anwenden oder ihre Anwendung begünstigen, um von ihm die Unterordnung bei der Ausübung seiner souveränen Rechte zu erlangen oder von ihm Vorteile irgendwelcher Art zu erwirken.“64

Das Zwangselement ist im Kern die Existenzberechtigung des Interventionsverbotes. Die FRD spricht von der „Unterordnung bei der Ausübung seiner souveränen Rechte“. Eine solche Unterordnung kann nur durch Zwangsmaßnahmen entstehen. Würde ein Staat sich aus freien Stücken der Intervention des sich einmischenden Staates beugen, wäre seine Souveränität bei der Ausübung seiner Rechte nach wie vor gegeben. Das Gleiche gilt, wenn der ausgeübte Zwang so schwach ist, dass sich der unterordnende Staat leicht widersetzen könnte.65

In der Satzung der Vereinten Nationen ist das Interventionsverbot nicht direkt verankert, es ergibt sich aber implizit aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten in Art 2 Abs 1 SVN.66 Dies ist einer der Grundpfeiler der Völkerrechtsordnung und „umfasst das Recht jedes Staates, seine inneren und äußeren Angelegenheiten selbst zu bestimmen, ohne von fremder Zustimmung abhängig zu sein.“67

Abzugrenzen ist das Verbot der Intervention vom Gewaltverbot, welches ebenfalls Völkergewohnheitsrecht darstellt und überdies ausdrücklich in Art 2 Abs 4 SVN normiert ist. Im Kern verbietet das Gewaltverbot nichts anderes, als die schwerwiegendste Form der Intervention, die Gewalt.68 Daraus folgt, dass es sich bei der Intervention um die

64 Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States in accordance with the Charter of the United Nations, UN Doc A/Res/2625 (XXV) vom 24.10.2970 (Friendly Relations Declaration). 65 Jamnejad/Wood, The Principle of Non-intervention, Leiden Journal of International Law, 22 (2009), 345 (348). 66 Kunig, Prohibition of Intervention, Max Planck Encyclopedia of Public International Law (MPEPIL), Abs 9. 67 Arnauld, Rz 317. 68 Mangels Relevanz für den gegenständlichen Fall soll das Gewaltverbot in der vorliegenden Analyse nicht näher behandelt werden. 17

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

„rechtswidrige Einmischung unterhalb der Schwelle der (Waffen-) Gewalt“69 handeln muss.

Abgesehen von der Waffengewalt gibt es verschiedene Fallgruppen, die eine Verletzung des Interventionsverbots darstellen können. Möglich sind politische Einflussnahme (zB Finanzierung von Oppositionskräften), ökonomischer Zwang oder gegnerische Propaganda.70 Im Fall Khashoggi handelt es sich um die Fallgruppe der „Verletzung der Gebietshoheit“, durch die Vornahme eines Hoheitsaktes auf dem Territorium eines fremden Staates ohne dessen Einverständnis. Dies stellt einen Verstoß gegen das Interventionsverbot da, wie der damalige Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH) in der Lotus-Entscheidung71 festhielt:

“Now the first and foremost restriction imposed by international law upon a State is that – failing the existence of a permissive rule to the contrary – it may not exercise its power in any form in the territory of another State.”72

Die Völkerrechtsordnung basiert auf dem Grundsatz der Souveränität der Staaten, der Gerichtshof hat daher klar gemacht, dass die wesentlichste Regel für die Staaten im Völkerrecht jene ist, ihre Hoheitsgewalt nur auf eigenem Staatsgebiet auszuüben. Wenn also keine Regel vorliegt, die einen Eingriff erlaubt, ist eine Verletzung der Gebietshoheit immer auch ein Verstoß gegen das Interventionsverbot.

Gegen das Interventionsverbot verstoßen können, wie allgemein im Völkerrecht, nur Völkerrechtssubjekte.73 Für die Qualifizierung als Verstoß kommt es daher auf die Zurechenbarkeit der unmittelbaren Täter zum Verletzerstaat an. Auf die Frage der Zurechenbarkeit soll im weiteren Verlauf der Arbeit74 näher eingegangen werden.

Wenn aufgrund der Faktenlage für den Moment davon auszugehen ist, dass die Attentäter Saudi-Arabien zuzurechnen sind, kann folgendes festgehalten werden: Es handelt sich im gegenständlichen Fall um eine gezielte Tötung einer Person durch einen Staat auf dem Territorium eines anderen Staates. Es wurde also durch Saudi-Arabien ein Hoheitsakt in der Türkei gesetzt, was eine Verletzung der Gebietshoheit und somit Souveränität

69 Neuhold, Das Gewalt- und Interventionsverbot, in Reinisch (Hrsg), Handbuch des Völkerrechts5 I, Rz 1787. 70 Neuhold, in Reinisch (Hrsg), Rz 359 ff. 71 PCIJ, S.S. Lotus (France v. Turkey), 1927, Series A, No 10. 72 PCIJ, S.S. Lotus, Abs 45. 73 Arnauld, Rz 352. 74 Siehe Punkt V.B.2. 18

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen darstellt. Dies ist eine der Fallgruppen, die als Verstoß gegen das Interventionsverbot zu qualifizieren sind, da sie sowohl die Einmischung in die inneren Angelegenheiten als auch das notwendige Zwangselement beinhalten.75

Welche Konsequenzen ein derartiger Verstoß nach sich ziehen kann und welche Möglichkeiten der Türkei sowie der Staatengemeinschaft offenstehen werden im weiteren Verlauf der Arbeit76 behandelt.

B. Konsularische Immunität

Die zweite relevante Frage, welche in diesem Fall zu analysieren ist, stellt sich in Zusammenhang mit dem Tatort, dem Konsulat. Dieses nimmt auf Grund seiner Funktion eine bestimmte Stellung in der Völkerrechtsordnung ein und stellt eine Strafverfolgung vor besondere Herausforderungen. Nicht ohne weiteres und nur unter gewissen Umständen dürfen Behörden des Empfangsstaates, also jenes Staates auf dessen Territorium sich das Konsulat befindet, Hoheitsakte in diesem setzen.

1. „Immunität“ als völkerrechtliches Konzept: Bedeutung und Rechtsquellen

Wird von „Immunität“ gesprochen, ist idR zunächst die allgemeine Staatenimmunität gemeint. Wie auch das Interventionsverbot beruht die Staatenimmunität auf dem Grundprinzip der souveränen Gleichheit der Staaten (Art 2 Abs 1 SVN). Aus diesem ergibt sich, dass ein Staat keine Jurisdiktion gegenüber einem anderen hat (par in parem non habet imperium77).78 Dies bedeutet, dass Staaten keine Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Hoheitsakten anderer Staaten vornehmen, also die Souveränität des anderen Staates achten. Aus der Staatenimmunität leiten sich in weiterer Folge die

75 Arnauld, Rz 365. 76 Siehe Punkt VI.A. 77 Diese Formel geht auf das römische Recht zurück, teilweise wird auch die Formulierung „par in parem non habet iurisdictionem“ (Gleiche haben über Gleiche keine Gerichtsgewalt) verwendet. 78 Kloth/Brunner, Staatenimmunität im Zivilprozess bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen, Archiv des Völkerrechts, Bd 50, No 2 (Juni 2012) 218. 19

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen individuellen Immunitäten einzelner Staatsorgane sowie diplomatische und konsularische Immunitäten ab.79

Die völkerrechtliche Staatenimmunität umfasst Immunität von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates, sowie Immunität von der Vollstreckung durch einen solchen. Von der Gerichtsbarkeit im Ausland sind Staaten nur für hoheitliche Handlungen (acta iure imperii), nicht aber für privatwirtschaftliche Tätigkeiten (acta iure gestionis) befreit.80

Durch die Staatenimmunität werden Staaten nicht von der Pflicht, das Recht anderer Länder einzuhalten, befreit. Sie hemmt lediglich die Durchsetzung von Ansprüchen, ist also eine verfahrensrechtliche und keine materiellrechtliche Norm.81 Dass die Streitigkeit materiell nicht beurteilt werden kann, steht einem Prozessurteil über die Unzulässigkeit nicht entgegen.82

Im Wesentlichen beruht die völkerrechtliche Staatenimmunität auf Gewohnheitsrecht. Auf Ebene der Vereinten Nationen wurde 2004 mit dem „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit“ (UNO-Staatenimmunitätskonvention, UNCSI) ein (der Zielsetzung nach) universelles Abkommen verabschiedet. Dieses ist bisher nicht in Kraft getreten.83 Auf europäischer Ebene ist 1976 mit dem „Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität“ (ECSI) ein Abkommen in Kraft getreten, welches, neben Österreich, allerdings nur 7 weitere Staaten ratifiziert haben.

2. Immunität von Staatsorganen ratione personae/ratione materiae

Die Immunität von Staatsorganen kann in zwei Kategorien eingeteilt werden: Immunität ratione personae und Immunität ratione materiae.

Die persönliche Immunität (ratione personae) leitet sich vom Status einer Person ab. Sie umfasst sowohl offizielle als auch private Handlungen84 vor und während der Amtszeit

79 Kriebaum, Privilegien und Immunitäten im Völkerrecht, in Reinisch (Hrsg), Handbuch des Völkerrechts5 I, Rz 1552 f. 80 Ebd, Rz 1560 ff. 81 Ebd, Rz 1548. 82 Stoll, State Immunity, MPEPIL, Abs 22. 83 Das Abkommen muss zum Inkrafttreten von 30 Staaten ratifiziert werden, gegenwärtig haben es jedoch nur 22 Staaten ratifiziert, (24.03.2019). 84 Ist also im Gegensatz zur relativen bzw funktionellen Immunität absolut. 20

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen und ist temporär mit dem Ende der Amtszeit beschränkt. Sie ist nicht ausdrücklich in völkerrechtlichen Abkommen geregelt, sondern leitet sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ab.85

Der IGH hat im Haftbefehl-Fall86 die zivil- und strafrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Außenministern als Gewohnheitsrecht bestätigt:

“The Court would observe at the outset that in international law it is firmly established that, as also diplomatic and consular agents, certain holders of high-ranking office in a State, such as the Head of State, Head of Government and Minister for Foreign Affairs, enjoy immunities from jurisdiction in other States, both civil and criminal.“87

Der Argumentation mancher Autoren, die Strafverfolgung amtierender oberster Staatsorgane im Falle schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen zuzulassen, ist der Gerichtshof im selben Fall entgegengetreten:

“The Court has carefully examined State practice, including national legislation and those few decisions of national higher courts, such as the House of Lords or the French Court of Cassation. It has been unable to deduce from this practice that there exists under customary international law any form of exception to the rule according immunity from criminal jurisdiction and inviolability to incumbent Ministers for Foreign Affairs, where they are suspected of having committed war crimes or crimes against humanity.”88

Eine Strafverfolgung nach Ablauf der Amtszeit lässt sich bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen darauf stützen, dass solche nicht zum geschützten Kreis staatlicher Handlungen zählen können:

“Nonetheless, that immunity prevails only as long as the Minister is in office and continues to shield him or her after that time only for "official" acts […] that serious international crimes cannot be regarded as official acts because they are neither normal

85 Kriebaum, in Reinisch (Hrsg), Rz 1579 ff. 86 IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), Judgment, ICJ Reports 2002, 3. 87 Ebd, Abs 51. 88 Ebd, Abs 58. 21

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

State functions nor functions that a State alone (in contrast to an individual) can perform […]”89

Dies ergibt sich auch aus Art 27 des Statuts des internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wonach Immunitäten den Gerichtshof nicht an seiner Gerichtsbarkeit hindern. Daraus wird auch klar, welche die oben genannten „schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen“ sind, nämlich die völkerrechtlichen Kernverbrechen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Aggression (Art 5 IStGH-Statut).

Für den gegenständlichen Fall ist die Immunität ratione personae für die Beurteilung etwaiger Konsequenzen für den stellvertretenden Regierungschef Mohammed bin Salman, der die Tötung angeordnet haben soll, relevant. Da es sich nicht um eines der Verbrechen, die in die Zuständigkeit des IStGH fallen handelt, sind gerichtliche Maßnahmen auf internationaler Ebene gegen ihn nicht möglich. Denkbar, wenn auch nicht realistisch, wäre eine Anklage in Saudi-Arabien selbst, nach innerstaatlichem Recht.

Die funktionelle Immunität (ratione materiae) gilt für all jene Personen, die in offizieller Eigenschaft handeln. Der wesentliche Unterschied zur ratione personae besteht dahin, dass sie nur für Amtshandlungen, nicht aber für privates Handeln zusteht. Die Grundlage für die funktionelle Immunität liegt in der allgemeinen Staatenimmunität. Diese darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass Gerichte mangels Zugriffs auf einen Staat selbst, auf hoheitlich handelnde Amtsträger des fremden Staates zugreifen.90

Im Fall Khashoggi ist die funktionelle Immunität für alle weiteren Verantwortlichen, also insbesondere Generalkonsul al-Otaibi und die 15 unmittelbaren Täter, relevant. Der Konsul ist durch seine Immunität ratione materiae vor Strafverfolgung in der Türkei und auf internationaler Ebene grundsätzlich geschützt.91

Bei den 15 unmittelbaren Tätern ist unklar, inwieweit Saudi-Arabien Verantwortung für deren Handeln übernimmt (und dieses damit als Hoheitsakt und nicht Privathandlung qualifiziert). Für den Fall, dass auch sie in offizieller Funktion tätig waren, bestimmt Art 43 WÜK, dass Bediensteten des konsularischen Personals für die „in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzten Handlungen“ Immunität von der Gerichtsbarkeit des

89 Sondervotum der Richter Higgins/Kooijmans/Buergenthal zu: IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), Judgment, ICJ Reports 2002, 63, Abs 85. 90 Herdegen, Völkerrecht, § 37 Rz 3. 91 Dazu näher unter Punkt III.B.4. 22

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

Empfangsstaates zukommt. Folter und Mord können nicht unter diese Bestimmung fallen, daher wäre eine Strafverfolgung der Täter in der Türkei möglich.

Da ein Staat selbst auf seine Immunität verzichten kann, steht all dies einer etwaigen Strafverfolgung in Saudi-Arabien bzw der freiwilligen Auslieferung der Verdächtigen natürlich nicht im Weg.

3. Unverletzlichkeit des Konsulats

Hürden bei der Aufklärung des Falls ergaben sich aus dem Faktum, dass mit dem Konsulat ein vom Völkerrecht geschützter Ort Schauplatz der Ereignisse war. Ihre Rechtsgrundlage haben die konsularischen Beziehungen zwischen Staaten im Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen von 1967, welches von 177 Vertragsparteien ratifiziert wurde und weitestgehend Gewohnheitsrecht kodifiziert.92

Ebenso wie diplomatischem Personal, stehen Konsulatsangehörigen Vorrechte und Immunitäten zu, diese reichen aber weniger weit als die diplomatische Immunität. Konsularbeamte genießen nur in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben (also solchen die vom WÜK vorgesehen sind) Schutz von Straf- und Zivilgerichtsbarkeit.93

Entgegen der weitverbreiteten Annahme ist das Missionsgebäude kein Teil des Territoriums des Entsendestaates, sondern Teil des Staatsgebietes des Empfangsstaates. Es gilt weiterhin dessen Rechtsordnung, sie wird aber vom Konsularrecht überlagert und darf deshalb dort nicht durchgesetzt werden.94

Das Missionsgebäude ist unverletzlich.95 Art 31 Abs 2 WÜK bestimmt weiter:

„Die Behörden des Empfangsstaats dürfen den Teil der konsularischen Räumlichkeiten, den die konsularische Vertretung ausschließlich für ihre dienstlichen Zwecke benützt, nur mit Zustimmung des Leiters der konsularischen Vertretung oder einer von ihm bestimmten Person oder des Chefs der diplomatischen Mission des Entsendestaats betreten. Jedoch kann bei Feuer oder einem anderen Unglück, wenn

92 Krajewski, Völkerrecht, § 8, Rz 126. 93 Vgl Art 43 Abs 1 WÜK. 94 Arnauld, Rz 579. 95 Vgl Art 31 Abs 1 WÜK. 23

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

sofortige Schutzmaßnahmen erforderlich sind, die Zustimmung des Leiters der konsularischen Vertretung vermutet werden.“

Dies bedeutet, dass auch wenn das Konsulatsgebäude in rechtswidriger Weise (also zu solchen Zwecken, die vom WÜK nicht vorgesehen werden) genutzt wird, es seinen Schutz durch Art 31 WÜK behält. Es wäre sonst für die Staaten leicht, sich unter dem Vorwand rechtswidrigen Verhaltens Zugang zur Mission zur verschaffen.96

Im gegenständlichen Fall dauerte es bis zur Erteilung der notwendigen Zustimmung durch den Entsendestaat 13 Tage, Saudi-Arabien hätte diese aber auch gar nicht erteilen müssen. Die Türkei hätte in diesem Fall keinerlei (legitime) Möglichkeit zu Ermittlungen am Tatort gehabt.

Immunität für Privatresidenzen, wie sie nach Art 30 WÜD jenen von Diplomaten zukommt, besteht im Bereich des WÜK nicht. Die Zustimmung Saudi-Arabiens zur Durchsuchung der Residenz des Konsuls wäre daher für die Türkei nicht notwendig gewesen.

4. Verstoß und mögliche Konsequenzen

Art 55 Abs 1 WÜK lautet:

„Alle Personen, die Vorrechte und Immunitäten genießen, sind unbeschadet derselben verpflichtet, die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften des Empfangsstaates zu beachten. […]“

Hier findet sich der erste Verstoß gegen Vorschriften des Konsularrechts im gegenständlichen Fall. Ein Mord verstößt in der Türkei gegen die dortigen Gesetze, der Generalkonsul sowie etwaige weitere beteiligte Konsulatsangehörige haben gegen diese Norm verstoßen.

Art 55 Abs 2 WÜK führt weiter aus:

„Die konsularischen Räumlichkeiten dürfen nicht in einer Weise benutzt werden, die mit der Wahrnehmung der konsularischen Aufgaben unvereinbar ist.“

96 Arnauld, Rz 585. 24

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

Diese konsularischen Aufgaben finden sich in der Aufzählung des Art 5 leg cit. Die extraterritoriale Ermordung von Regierungskritikern wird dort, wie zu erwarten, nicht erwähnt, es liegt also ein zweiter Verstoß gegen das Abkommen vor.

Als Konsequenz auf Verstöße bietet das WÜK dem Empfangsstaat das Recht, eine unerwünschte Person ohne Angabe von Gründen zur „persona non grata“ zu erklären. In diesem Fall hat der Entsendestaat die Person binnen angemessener Frist abzuberufen.97

Die persönliche Immunität des Konsuls ergibt sich aus Art 41 Abs 1 WÜK. Danach dürfen Konsuln nur „im Falle eines schweren Verbrechens und auf Grund einer Entscheidung der zuständigen Justizbehörde festgenommen oder in Untersuchungshaft genommen werden“. Außerdem kann ein Strafverfahren eingeleitet werden, der Konsul ist in diesem Fall verpflichtet, vor den zuständigen Behörden zu erscheinen (Art 41 Abs 3 WÜK).

Die Konsularrechtskonvention lässt offen, welche Taten ein solches „schweres Verbrechen“ darstellen, dass Mord nicht dazu gehört ist allerdings kaum denkbar.98 Eine Strafverfolgung von Generalkonsul Mohammed al-Otaibi wäre daher in der Türkei geboten. Dem steht in der Praxis entgegen, dass der Konsul das Land kurz nach der Tat verlassen hat und eine Auslieferung durch Saudi-Arabien unwahrscheinlich sein dürfte.

Nach Ansicht des IGH99 ist das Diplomaten- und Konsularrecht ein „self-contained regime“, also ein in sich geschlossenes Rechtsgebiet, welches nur jene Sanktionen gestattet, die diplomaten- bzw konsularrechtlich vorgesehen100 sind. Die allgemeinen Möglichkeiten auf Rechtsbrüche zu reagieren (Gegenmaßnahmen, Retorsion), stehen gegen Diplomaten oder die Mission nicht zur Verfügung. Es ist jedoch möglich, in anderen Bereichen (beispielsweise Wirtschaftspolitik) Gegenmaßnahmen wegen Verstößen gegen das WÜK zu ergreifen.101

97 Vgl Art 23 WÜK. 98 Milanovic, The Murder of Jamal Khashoggi, (09.05.2019) 12. 99 IGH, United States Diplomatic and Consular Staff in Teheran, Judgment, ICJ Reports 1980, 3, Abs 86. 100 Systemintern möglich sind die Erklärung zur „persona non grata“ sowie der Abbruch der diplomatischen Beziehungen; näheres zur Frage des „self-contained regime“ unter Punkt VI.B. 101 Arnauld, Rz 563. 25

Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz

IV. Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz

Im gegenständlichen Fall besteht auch die Frage nach dem Schutz der Menschenrechte im Völkerrecht, aus welchen Rechtsquellen sich dieser ergibt, ob Rechte verletzt wurden und ob – bzw unter welchen Voraussetzungen – eine Rechtsdurchsetzung möglich ist. Denkbar ist eine Verletzung des Rechts auf Leben, des Verbots der Folter sowie der Freiheit der Meinungsäußerung.

Grundsätzlich kann man Menschenrechte im Sinne des Völkerrechts als „diejenigen Rechte des Einzelnen bezeichnen, die ihm ohne weitere Voraussetzungen aufgrund seines Menschseins zukommen und die in völkerrechtlichen Rechtsquellen verbindlich verankert sind.“102 Durch die Menschenrechte wird das Individuum zum Inhaber von Rechten und Pflichten auf Ebene des Völkerrechts. Sie bieten Schutz vor Verletzungen durch andere Völkerrechtssubjekte, gerade auch durch den eigenen Heimatstaat.103

A. Quellen, Systematisierung und Anwendbarkeit der Menschenrechte

Üblicherweise werden Menschenrechte im Völkerrecht in drei Dimensionen eingeteilt: Die erste Dimension umfasst bürgerliche und politische Rechte, dies sind vorrangig negative Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat. Die zweite Dimension besteht aus wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten. Diese Dimension umfasst Ansprüche gegen den Staat auf Gewährung von Leistungen und Nichtdiskriminierung. Zur dritten Dimension zählen kollektive Rechte, im Wesentlichen das Selbstbestimmungsrecht der Völker.104

Da der Sachverhalt sich auf Grundrechte der ersten Dimension beschränkt, ist diese Unterscheidung für die gegenständliche Analyse vernachlässigbar, es soll daher nachfolgend zwischen globalen (universellen) und regionalen Instrumenten zum Menschenrechtsschutz, mit Relevanz für den Fall Khashoggi, unterschieden werden.

102 Krajewski, Völkerrecht, § 12 Rz 1. 103 Herdegen, Völkerrecht, § 47 Rz 1. 104 Arnauld, Rz 610 ff. 26

Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz

1. Globale Ebene a) Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Der „Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ (IPbpR) wurde am 19. Dezember 1966 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen105 und ist zehn Jahre später, am 23. März 1976, völkerrechtlich in Kraft getreten. Dem IPbpR sind 172 Staaten, darunter auch die Türkei, beigetreten.106 Prominente Abwesende sind China und Saudi-Arabien.

Die einzelnen Rechte finden sich in Teil III des Vertrags, darunter das Recht auf Leben (Art 6), Verbot von Folter und grausamer Behandlung (Art 7), Recht auf persönliche Freiheit (Art 9), Recht auf ein faires Verfahren (Art 14) und Meinungsfreiheit (Art 19). Gemäß Art 4 können „im Falle eines öffentlichen Notstandes, der das Leben der Nation bedroht und der amtlich verkündet ist“ die Vertragsstaaten den Pakt „in dem Umfang, den die Lage unbedingt erfordert, außer Kraft setzen“. Davon ausgenommen sind die „notstandsfesten“107 Rechte, wie sie im Art 4 Abs 2 bezeichnet sind (zB Recht auf Leben, Verbot von Folter).

Zur Durchsetzung richtet der Pakt in Teil IV einen Menschenrechtsausschuss ein, welcher aus 18, von den Vertragsstaaten auf vier Jahre gewählten, Experten besteht. Seine Hauptaufgabe liegt in der Entgegennahme und Prüfung der Staatenberichte108 der Vertragsstaaten.

Das erste Fakultativprotokoll zum IPbpR, welches von 116109 der 172 Vertragsstaaten, darunter der Türkei, ratifiziert wurde, bietet die Möglichkeit eines Individualbeschwerdeverfahrens. Der Menschenrechtsausschuss prüft die Beschwerde und verabschiedet eine „Auffassung“ in der, im Falle einer Rechtsverletzung, der Verletzerstaat gebeten wird, zukünftige Verstöße zu vermeiden und dem Opfer Entschädigung zu leisten. Diese Auffassungen sind – auch wenn sie wie Urteile aufgebaut sind – rechtlich nicht bindend.110 Der Ausschuss selbst ist der Meinung, dass sich aus der

105 Resolution der UN-Generalversammlung A/RES/2200(XXI). 106 Stand: 02.04.2019, abrufbar unter: . 107 Ipsen, Völkerrecht7, 700. 108 Gemäß Art 40 IPbpR sind die Vertragsstaaten regelmäßig (innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten und danach auf Anforderung) verpflichtet, Berichte über die Maßnahmen, welche sie zur Verwirklichung des Paktes getroffen haben und die dabei erzielten Fortschritte, vorzulegen. 109 Stand: 02.04.2019, abrufbar unter: . 110 Ipsen, 702 Rz 11. 27

Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz

Verpflichtung zur Pakttreue aus Art 2 IPbpR die Pflicht zur Beachtung seiner Auffassungen ergibt. In Literatur und Praxis werden diese Auffassungen als Hilfsmittel zur Interpretation des Völkerrechts angewandt.111

Da Saudi-Arabien kein Vertragsstaat des IPbpR ist, bleibt nur die Möglichkeit der Geltendmachung von Rechtsverletzungen der Türkei. Eine solche könnte sich durch Art 2 Abs 2 ergeben, wonach jeder Vertragsstaat verpflichtet ist, die gesetzgeberischen Vorkehrungen zu treffen, um den Rechten des Paktes Wirksamkeit zu verleihen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Türkei ihre Verpflichtungen erfüllt hat. Mord und Folter stehen unter Strafe, die Tat wird ermittelt und was sich im Konsulat abgespielt hat, hätte von Seiten der türkischen Behörden aufgrund der konsularrechtlichen Immunitäten im Vorhinein weder gesetzgeberisch noch faktisch verhindert werden können. b) Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

Das „Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ (Convention against Torture, CAT) wurde von der Generalversammlung am 10. Dezember 1984 angenommen. Es wurde von 166 Staaten112, darunter Saudi-Arabien und der Türkei, ratifiziert. Das Übereinkommen definiert in Art 1 den Begriff der „Folter“ und verpflichtet die Vertragsstaaten in Art 2 jene Maßnahmen zu treffen, um „Folterungen in allen seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Gebieten zu verhindern“.

Die Durchsetzung gestaltet sich ähnlich dem IPbpR, gemäß Art 17 wird ein Ausschuss gegen Folter errichtet, der sich aus zehn, von den Vertragsstaaten gewählten Sachverständigen, zusammensetzt. An diesen besteht eine Berichtspflicht (Art 20), die Möglichkeit einer Staatenbeschwerde (Art 21) sowie einer Individualbeschwerde (Art 22). Die Kompetenz des Ausschusses ist jedoch wieder darauf beschränkt, dem verletzenden Staat seine Auffassung mitzuteilen.113

Saudi-Arabien hat das Übereinkommen unter dem Vorbehalt ratifiziert, die in Art 20 des Übereinkommens vorgesehenen Zuständigkeiten des Ausschusses, nicht anzuerkennen.

111 Arnauld, Rz 753. 112 Stand: 02.04.2019, abrufbar unter: . 113 Hailbronner/Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in Vitzthum (Hrsg), Völkerrecht5, Rz 241. 28

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2. Regionale Ebene

Neben dem Vertragswerk auf Ebene der Vereinten Nationen gibt es auch regionale Grundrechtskataloge. Für den gegenständlichen Fall relevant sind jener auf europäischer Ebene, sowie ein Blick auf die arabische Welt und den Menschenrechtsschutz im islamischen Recht. a) Europäische Menschenrechtskonvention

Das zentrale Instrument zum umfassenden Schutz der Menschenrechte auf europäischer Ebene ist die „Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK), welche 1950 in Rom verabschiedet wurde und 1953 in Kraft getreten ist.114 Die Konvention entstand im Rahmen des Europarates, alle 47 Mitgliedstaaten desselben – also auch die Türkei – sind Vertragsparteien der EMRK.115

Die EMRK enthält einen Katalog klassischer Freiheits- und Abwehrrechte, darunter das Recht auf Leben (Art 2), das Verbot von Folter (Art 3) sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10). Die ursprüngliche Zulässigkeit der Todesstrafe in Art 2 Abs 1 EMRK wird durch das sechste Zusatzprotokoll116 (in Friedenszeiten) aufgehoben. Dieses Zusatzprotokoll haben heute117 – bis auf Russland – alle Vertragsstaaten ratifiziert.

Zur Durchsetzung der Menschenrechte aus der EMRK besteht ein ständiger Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Das wesentlichste Instrument ist in diesem Zusammenhang die Individualbeschwerde des Art 34. Danach kann der Gerichtshof „von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch einen der Hohen Vertragschließenden Teile in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden.“ Die Staatenbeschwerde eines Staats gegen einen anderen ist nach Art 33 möglich.

Auf eigenem Territorium ist die Reichweite der Bindung an die EMRK grundsätzlich umfassend. Art 1 bestimmt: „Die Hohen Vertragschließenden Teile sichern allen ihrer

114 Nowak, Der Internationale Menschenrechtsschutz, in Reinisch (Hrsg), Handbuch des Völkerrechts5 I, Rz 1423. 115 Arnauld, Rz 631. 116 Protokoll Nr 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe vom 28.4.1983. 117 Stand: 03.04.2019, abrufbar unter: . 29

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Jurisdiktion unterstehenden Personen die in Abschnitt I dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu.“ Daraus folgt, dass die EMRK nicht nur Wirkung gegenüber eigenen Staatsbürgen, sondern gegenüber allen Personen, die sich unter der Hoheitsgewalt des Vertragsstaates (also entweder im Staatsgebiet oder auch im Ausland, beispielweise auf Schiffen) befinden, entfaltet.

Eine Ausnahme dazu besteht in Fällen, in denen fremde Staaten mit Zustimmung des Vertragsstaates auf dessen Staatsgebiet Hoheitsgewalt ausüben.118 Dies ist in diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Fall. Ob Klagemöglichkeiten aus der EMRK gegen die Türkei oder Saudi-Arabien bestehen wird im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt.119 b) Menschenrechtsschutz im arabischen Raum

Um den Fall gesamtheitlich zu betrachten, ist ein Blick auf die Rechtsordnung Saudi- Arabiens notwendig. Ähnlich wie in Europa existiert auch in der arabischen Welt eine Reihe von Instrumenten zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Wenn sich diese auch „deutlich um den Anschluss an moderne Menschenrechtsstandards mit weltanschaulich neutraler Prägung“120 bemühen, sind sie durch die Bedeutung der Scharia nicht mit säkularen Systemen wie der EMRK vergleichbar.

Das jüngste und gleichzeitig relevanteste Vertragswerk in diesem Zusammenhang ist die „Arabische Charta der Menschenrechte“ (Arab Charta on Human Rights, ACHR)121 der Arabischen Liga. Sie entstand 2004 in enger Zusammenarbeit mit dem Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen (Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, OHCHR) und verschiedenen Menschenrechtsorganisationen und ist am 15. März 2008 in Kraft getreten.122 Die Charta wurde von 14 der 22 Mitgliedstaaten der Liga der Arabischen Staaten, darunter von Saudi-Arabien 2009, ratifiziert.123

Inhaltlich bekennt sich die Charta einerseits zu den globalen Menschenrechten mit Bezugnahme auf die SVN, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die beiden

118 Arnauld, Rz 638. 119 Siehe Punkt VI.C. 120 Herdegen, Völkerrecht, § 49 Rz 12. 121 Englische Übersetzung in: Boston University International Law Journal (BUILJ) 24 (2006) 147. 122 Arnauld, Rz 768. 123 International Center for Non-for-Profit Law, Stand: 29.1.2018, abrufbar unter: . 30

Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz

Menschenrechtspakte von 1966 (Präambel Abs 5), andererseits auf die „unvergänglichen Grundsätze der Brüderlichkeit und der Gleichheit aller Menschen, die in der Scharia […] festgeschrieben sind“ (Präambel Abs 2). Die individuellen Garantien umfassen das Recht auf Leben (Art 5), Bestimmungen über die Todesstrafe (Art 6), das Folterverbot (Art 8) sowie das Recht auf Religions-, Gedanken- und Meinungsfreiheit (Art 30, 32).

Das Organ zur Überwachung der Charta ist der aus sieben Mitgliedern bestehende „Arabische Ausschuss für Menschenrechte“, welcher gemäß Art 45 ACHR eingerichtet wurde. Der einzige Kontrollmechanismus dieses Ausschusses ist die Prüfung von Staatenberichten nach Art 48 ACHR; sonstige Möglichkeiten wie Beschwerdeverfahren oder Untersuchungen vor Ort sind nicht vorgesehen.124

Neben der ACHR haben im arabischen Raum vor allem noch die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im “ von 1981 sowie die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ von 1990 Bedeutung. Diese ähneln der ACHR inhaltlich, sind aber völkerrechtlich nicht verbindlich und bieten weder Klage- noch Sanktionsmöglichkeiten.125

B. Recht auf Leben

Das Recht auf Leben ist in Art 6 IPbpR, Art 2 EMRK und Art 5 ACHR verankert und zählt zu den grundlegenden Menschenrechten.126 Ohne dieses wäre „der Genuss jeglicher anderer Rechte und Freiheiten […] hinfällig.“127

Nach all diesen Normen enthält das Recht auf Leben sowohl den Schutz gegen unmittelbare Tötungshandlungen des Staates selbst (obligation to respect), als auch die Schutzpflicht des Rechts auf Leben (obligation to protect). Nur in Ausnahmefällen sind Eingriffe gestattet.

Eine solche Ausnahme stellt die Todesstrafe als Vollstreckung eines, nach rechtstaatlichen Grundsätzen zustande gekommenen, Urteils dar. Im Rahmen der EMRK

124 Nowak in Reinisch (Hrsg), Rz 1460. 125 Vgl Duncker, Menschenrechte im Islam: Eine Analyse islamischer Erklärungen über die Menschenrechte 34 f. 126 Krajewski, Völkerrecht, § 12 Rz 87. 127 EGMR, Pretty v Vereinigtes Königreich, ÖJZ 2003/17 (311). 31

Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz wurde die zunächst enthaltene Zulässigkeit der Todesstrafe in Art 2 mit dem 13. Zusatzprotokoll128 endgültig (auch in Kriegszeiten) abgeschafft. Dieses Zusatzprotokoll wurde mit Ausnahme Armeniens, Aserbaidschans und Russlands von allen Vertragsstaaten ratifiziert.129

Auf Ebene des IPbpR beschränkt Art 6 Abs 2 die Todesstrafe auf schwerste Verbrechen. Ähnlich der EMRK, werden Hinrichtungen später mit dem zweiten Zusatzprotokoll von 1989 verboten, wobei dieses nur von 87 der 172 Staaten130 (darunter der Türkei, nicht aber Saudi-Arabien) ratifiziert wurde.

Die ACHR ähnelt den beiden anderen Pakten; das Recht auf Leben wird durch Art 5 geschützt, die Todesstrafe nur für schwerste Verbrechen, auf Grund von Gesetzen und nach einem rechtskräftigen Urteil eines zuständigen Gerichts zugelassen.131

Aus menschenrechtlicher Sicht ist die Beurteilung des gegenständlichen Falls daher klar. Außergerichtliche Hinrichtungen sind nach jedem der in Frage kommenden Abkommen unzulässig. Durch den Mord an Khashoggi hat das Königreich Saudi-Arabien jene Konventionen, welche es ratifiziert hat, verletzt.

Die negative Verpflichtung, Menschenleben nicht zu verletzen, wird durch eine positive Pflicht zum Schutz derselben, sowie zu Aufklärung im Falle einer Verletzung ergänzt. Für Saudi-Arabien wäre es daher geboten, an den Untersuchungen mitzuwirken und diese nicht zu behindern. Dies wäre etwa im Wege der Öffentlichkeit des Prozesses gegen die Täter in Riad bzw an der Kooperation bei der Untersuchung der UN-Sonderermittlerin möglich. Die Verletzung des Rechts auf Leben durch Saudi-Arabien besteht daher auch in dieser zweiten Hinsicht.

Für einen etwaigen Verstoß der Türkei müsste diese ihre positive Pflicht zum Schutz des Rechts auf Leben verletzt haben. Dies wäre etwa der Fall gewesen, wenn sie vor der Tat über nachrichtendienstliche Informationen zu den Tätern oder deren Plänen verfügt hätte und dennoch keine Maßnahmen zur Verhinderung des Mordes getroffen hätte. Aus dem Sachverhalt ergibt sich diese Vermutung nicht.

128 Protokoll Nr 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe vom 3.5.2002. 129 Stand: 05.04.2019, abrufbar unter: . 130 Stand: 05.04.2019, abrufbar unter: . 131 Arnauld, Rz 664 ff; Krajewski, Völkerrecht, § 12 Rz 88 ff. 32

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Auch für die Türkei besteht in einer zweiten „Stoßrichtung“ des Rechts auf Leben die Pflicht, im Falle einer Verletzung auf ihrem Territorium geeignete Untersuchungsmaßnahmen zu ergreifen. Grundsätzlich hat die Türkei den ernsthaften Willen gezeigt, für effektive Aufklärung des Falls zu sorgen. Es bestehen allerdings mehrere Entscheidungen der türkischen Behörden, die zumindest fragwürdig sind:

Die erste dieser Entscheidungen betrifft die 15 unmittelbaren Täter. Hätte die Türkei einen Anhaltspunkt gehabt, dass diese Personen in ein Verbrechen involviert sein könnten, hätte sie diese nicht ausreisen lassen dürfen. Ob die wenigen Stunden zwischen Bekanntwerden des Verschwindens und der Ausreise der Täter für einen begründeten Verdacht genügten, ist mE allerdings eher zu verneinen.

Die zweite fragwürdige Entscheidung war jene, Generalkonsul al-Otaibi ausreisen zu lassen. Der Konsul verließ die Türkei am 16. Oktober 2018, kurz vor der Durchsuchung seiner Residenz. Zu diesem Zeitpunkt hatten die türkischen Behörden bereits genug Anhaltspunkte, welche zumindest auf die Relevanz des Konsuls als Zeuge hindeuteten. Auch die konsularischen Immunitäten stehen dem, wie bereits erörtert,132 nicht entgegen. Wenn im Falle eines „schweren Verbrechens“ die Festnahme zulässig ist, dann ist jedenfalls auch die Verhinderung der Ausreise möglich.

Ein dritter Vorwurf an die Türkei besteht in der Verzögerung bei der Durchsuchung der Privatresidenz des Konsuls. Diese wurde erst am 17. Oktober 2018, beinahe zwei Wochen nach der Tat durchsucht. Wie bereits erläutert,133 besteht im Bereich des WÜK keine Immunität für die Residenz eines Konsuls. Das Einholen der späten Zustimmung Saudi- Arabiens war daher (rechtlich) nicht notwendig, sondern hatte wohl politische Gründe. Da der Verdacht bestand, dass sich Khashoggis Leiche auf dem Grundstück der Residenz des Konsuls befinden könnte, wäre eine zügige Durchsuchung zur Sicherung von Spuren geboten gewesen.134

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass auch die Türkei, trotz ihres sichtbaren Bestrebens nach Aufklärung, ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht voll nachgekommen ist.

132 Siehe Punkt III.B.4. 133 Siehe Punkt III.B.3. 134 Milanovic, The Murder of Jamal Khashoggi 39 ff. 33

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C. Verbot der Folter

Das Folterverbot findet sich in Art 7 IPbpR, der CAT, Art 3 EMRK und Art 8 ACHR. Es ist außerdem gewohnheitsrechtlich geschützt und gilt als ius cogens.135 Seine Geltung ist absolut und ohne Rechtfertigungsmöglichkeit, es unterscheidet sich darin von den meisten anderen Menschenrechten.136

Eine Definition des Begriffs „Folter“ bietet Art 1 Abs 1 der CAT:

„jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden […]“

Sollten die Medienberichte zum Tathergang korrekt sein, hat Saudi-Arabien durch die Folter Khashoggis also auch seine Verpflichtungen im Rahmen der CAT und ACHR verletzt. Für einen Verstoß der Türkei gilt das oben unter Punkt B Gesagte.

D. Freiheit der Meinungsäußerung

Durch die Tätigkeit Khashoggis als Journalist und Regierungskritiker könnte in diesem Fall auch ein Angriff auf die Meinungsfreiheit vorliegen. Diese ist in Art 19 IPbpR, Art 10 EMRK sowie Art 32 ACHR verankert. Der EGMR spricht von der Freiheit der Meinungsäußerung als „one of the essential foundations of a democratic society“.137

Alle Pakte statuieren die Meinungsfreiheit unter dem Vorbehalt, wonach Einschränkungen zulässig sind, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, ein

135 Krajewski, Völkerrecht, § 12 Rz 92. 136 Arnauld, Rz 667. 137 EGMR 16.6.2015 (GK), 64569/09, Delfi, Rz 131. 34

Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz legitimes Ziel verfolgen und notwendig in einer demokratischen Gesellschaft sind. Es entspricht dies dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.138

Unter der Annahme, dass Khashoggi gerade deshalb ermordet wurde, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt hat, kann durchaus auch eine Verletzung dieses Grundrechts argumentiert werden. Die Unterbindung journalistischer Tätigkeit darf nur unter eingeschränkten Voraussetzungen und nur zum Schutz Dritter oder der öffentlichen Ordnung geschehen; einen unbequemen Kritiker zu ermorden ist jedenfalls unverhältnismäßig. Saudi-Arabien verstößt also auch hier gegen geltendes Völkerrecht.

138 Krajewski, Völkerrecht, § 12 Rz 103. 35

Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens

V. Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens

Der „Grundsatz der Staatenverantwortlichkeit“ bedeutet allgemein die Zuordnung einer Völkerrechtsverletzung zu einem Staat, die Verantwortlichkeit desselben und die Durchsetzung der sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen.139 Der Staat muss also als Verursacher einer Rechtsverletzung für diese einstehen. Da neben Staaten auch internationale Organisationen Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten sein können, wird auch vom „Grundsatz der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit“ gesprochen.140

Durch das Instrument der Staatenverantwortlichkeit entsteht bei einem Völkerrechtsbruch eine neue Rechtsbeziehung zwischen dem Verursacher und dem Verletzten. Die so genannte „Primärpflicht“, die sich aus der verletzten Rechtsnorm (zB den Menschenrechten) zur Beendigung und zur Nichtwiederholung ergibt, bleibt bestehen. Auf einer zweiten Ebene führt ein Verstoß aber in weiterer Folge zu einer „Sekundärpflicht“ zur Wiedergutmachung oder Entschädigung. Kommt der verletzende Staat seinen Sekundärpflichten nicht nach, verstößt er erneut gegen – die auf der Sekundärebene neu entstandene – völkerrechtliche Verpflichtung.141

In diesem Kapitel soll thematisiert werden, aus welchen Quellen sich die Staatenverantwortlichkeit ergibt, ob die Voraussetzungen für die Qualifizierung der Tat als Verstoß durch Saudi-Arabien vorliegen und welche Folgen sich daraus ergeben können.

A. Rechtsquellen der Staatenverantwortlichkeit

Zur Staatenverantwortlichkeit besteht kein echtes Vertragswerk, sie hat sich vielmehr aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen hin zu allgemein anerkanntem Völkergewohnheitsrecht entwickelt.142 Auch in Normen des Sekundärrechts können Regelungen zur Staatenverantwortlichkeit festgeschrieben sein.

139 Hafner/Wittich, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, in Reinisch (Hrsg), Handbuch des Völkerrechts5 I, Rz 2411. 140 Arnauld, Rz 374. 141 Krajewski, Völkerrecht, § 6 Rz 10. 142 Hafner/Wittich in Reinisch (Hrsg), Rz 2418. 36

Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens

1. Allgemeine Rechtsgrundsätze

Die „allgemeinen Rechtsgrundsätze“ sind eine der in Art 38 Abs 1 IGH-Statut genannten Rechtsquellen des Völkerrechts. Unter einem allgemeinen Rechtsgrundsatz wird eine Norm verstanden, die sich aus dem Vergleich der nationalen Rechtsordnungen einer Vielzahl von Staaten der Staatengemeinschaft ergibt, da sie diesen gemein ist.

Für die Feststellung sind alle Staaten zu betrachten, welche Parteien des IGH-Statuts sind, also alle Mitglieder der Vereinten Nationen.143 In der Praxis entstehen die meisten allgemeinen Rechtsgrundsätze jedoch aus einem Vergleich der großen Systeme, wie der kontinentaleuropäischen und der anglo-amerikanischen Rechtsfamilie, da diese den Großteil der übrigen Rechtsordnungen nachhaltig geprägt haben.144

Wesentlich für die Qualifizierung der Staatenverantwortlichkeit als allgemeiner Rechtsgrundsatz ist das Urteil des damaligen StIGH im Fall „Factory at Chorzów“145 1928.

“[…] the court observes that it is a principle of international law, and even a general conception of law, that any breach of an engagement involves an obligation to make reparation.”146

Der Gerichtshof stellte damit fest, dass jeder Staat zur angemessenen Wiedergutmachung eines Schadens, der durch die Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht entstanden ist, verpflichtet ist, und dass dies einen allgemein anerkannten Grundsatz darstellt.147

2. Gewohnheitsrecht

Die Staatenverantwortlichkeit als allgemeiner Rechtsgrundsatz hat sich über die Jahrzehnte hin zu Völkergewohnheitsrecht entwickelt.148 Die Entstehung solcher ungeschriebenen Normen bedarf nach der „dualistischen Theorie“ zweier Elemente: zum

143 Krajewski, Völkerrecht, § 4 Rz 149. 144 Herdegen, Völkerrecht, § 17 Rz 1. 145 PCIJ, Factory at Chorzów, Merits, 13.9.1928, Series A, No 17. 146 Ebd 29. 147 Arnauld, Rz 374. 148 Hafner/Wittich in Reinisch (Hrsg), Rz 2418. 37

Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens einen der wiederholten Anwendung einer Norm durch Völkerrechtssubjekte und zum anderen der Überzeugung der Rechtmäßigkeit dieses Verhaltens (opinio iuris).149

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen beauftragte im Jahr 1953 die UN- Völkerrechtskommission (International Law Commission, ILC) mit der Kodifizierung des Gewohnheitsrechts zur Staatenverantwortlichkeit. Die Arbeit der Kommission mündete 2001 in den „Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts“ (ASR)150. Diese wurden von der Generalversammlung zur Kenntnis genommen, allerdings wurde aus dem Entwurf keine bindende Konvention geschaffen.

Obwohl der ILC-Text somit nicht rechtsverbindlich ist, besteht doch Einigkeit darüber, dass wesentliche Teile davon kodifiziertes Gewohnheitsrecht darstellen.151 Verdeutlicht wird dies durch die regelmäßige Bezugnahme des IGH auf die ASR und die Bezeichnung als Gewohnheitsrecht.152

Inhaltlich gliedern sich die ILC-Artikel in vier Teile: Der erste Teil befasst sich mit den Handlungen, die völkerrechtliche Verantwortlichkeit entstehen lassen. Im zweiten Teil werden die materiellen Folgen der Verantwortlichkeit bestimmt. Teil drei enthält Regelungen zur Durchsetzung und Teil vier allgemeine Bestimmungen.153

3. Sekundärrechtliche Normen als leges speciales

Zur Regelung von Staatenverantwortlichkeit sind auch Vereinbarungen in völkerrechtlichen Verträgen möglich. Dies ergibt sich aus Art 55 ASR, der bestimmt, dass die ASR keine Anwendung finden „wenn und soweit für die Voraussetzungen des Bestehens eines völkerrechtswidrigen Handelns oder für den Inhalt oder die Durchführung einer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit eines Staates spezielle Regeln des Völkerrechts gelten“.

149 Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in Vitzthum (Hrsg), Völkerrecht, Rz 131. 150 Artikelentwurf für die Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln, International Law Commission (ILC), 12.12.2001, UN-Generalversammlung Res 56/83. 151 Krajewski, Völkerrecht, § 6 Rz 13 f. 152 Vgl IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v Serbia and Montenegro), Judgment, ICJ Reports 2007, 43, Abs 385. 153 Hafner/Wittich in Reinisch (Hrsg), Rz 2422. 38

Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens

Wenn also ein Spezialregime eigene Regelungen über die Verantwortlichkeit eines Staates im Falle einer Verletzung enthält,154 dann gehen diese dem allgemeinen Völkerrecht als leges speciales vor. Wenn – wie in den meisten Fällen – Regelungen über die Folgen einer Verletzung nicht umfassend bestehen, bleibt es bei der Geltung der Grundsätze aus dem Völkergewohnheitsrecht.155

B. Voraussetzungen der Staatenverantwortlichkeit

1. Völkerrechtliches Delikt

Für das Vorliegen von Staatenverantwortlichkeit ist zunächst die Verletzung einer völkerrechtlichen Norm durch eine Handlung oder Unterlassung nötig. Ob eine solche vorliegt, muss an Hand des völkerrechtlichen Primärrechts geprüft werden, in Betracht kommen sowohl allgemeine Rechtsgrundsätze als auch Gewohnheits- und Vertragsrecht. Nach Art 12 ASR liegt eine Verletzung vor, wenn ein Handeln eines Staates „nicht im Einklang steht mit dem, was durch die Verpflichtung […] von ihm verlangt wird.“156

Für die Beurteilung, ob eine Verletzung vorliegt, muss auch die Deliktsfähigkeit der Beteiligten geprüft werden. Deliktsfähig können nur Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten, also Völkerrechtssubjekte, sein. Wenn Individuen in ihren Rechten verletzt werden, kann dies trotzdem Staatenverantwortlichkeit auslösen, die Einzelperson kann ihren Anspruch allerdings nicht selbst geltend machen.157 Diese Aufgabe kommt in diesem Fall dem Staat der in ihren Rechten verletzten Person zu.158

Obwohl Individuen im Bereich der Menschenrechte nach der hM als Völkerrechtsträger zu sehen sind,159 ist eine Durchsetzung nach der gewohnheitsrechtlichen Staatenverantwortlichkeit für eine verletzte Person selbst nicht möglich. Nötig wäre dafür eine spezielle Anspruchsgrundlage (beispielsweise die Möglichkeit einer

154 Wie beispielsweise die Konsularrechtskonvention. 155 Stadlmayr, Wiedergutmachung bei Menschenrechtsverletzungen 32. 156 Ebd 34 f. 157 Schröder, Verantwortlichkeit, Völkerstrafrecht, Streitbeilegung und Sanktionen, in Vitzthum (Hrsg), Völkerrecht, Rz 10. 158 Vgl IGH, LaGrand (Germany v United States of America), Judgment, ICJ Reports 2001, 466, Abs 77. 159 Stadlmayr, Wiedergutmachung bei Menschenrechtsverletzungen 42. 39

Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens

Individualbeschwerde) im Sekundärrecht; eine solche besteht im Völkerrecht eher selten (zB Art 5 Abs 5 EMRK; Art 22 CAT).160

2. Zurechenbarkeit zum Staat

Für das Vorliegen von Staatenverantwortlichkeit muss das Delikt dem verletzenden Staat im Weiteren zurechenbar sein. Auch im Völkerrecht können nur Personen, nicht aber Staaten unmittelbar selbst Handlungen setzen, es ist daher auf die Qualifikation der handelnden Personen abzustellen. Die Frage stellt sich im gegenständlichen Fall, da nicht klar ist, ob die Täter Staatsorgane waren (Saudi-Arabien bestritt dies zwischenzeitlich).

Gewohnheitsrechtlich anerkannt ist die Zurechenbarkeit von Organen eines Staates. Dies ist auch in Art 4 Abs 1 ASR kodifiziert, wonach „Das Verhalten jedes staatlichen Organs […] als Handeln dieses Staates betrachtet“ wird. Für die Frage, welche Person ein Organ eines Staates ist, stellt Art 4 Abs 2 ASR auf die innerstaatliche Rechtsordnung ab. Um hier keine Lücken zur Umgehung bestehen zu lassen, bestimmt Art 5 ASR für den Fall, dass eine Person kein Organ nach Art 4 ist, im Weiteren, dass deren Verhalten dennoch als Handeln des Staates betrachtet wird, wenn die Person hoheitliche Gewalt ausübt.161

Ist eine Person nach den Art 4-6 ASR als Staatsorgan zu qualifizieren, ist ihr Verhalten dem Staat auch dann zuzurechnen, wenn sie ihre Befugnisse überschreitet oder Anweisungen zuwiderhandelt (Ultra-vires-Handlungen, Art 7). Hierdurch soll erneut vermieden werden, dass ein Staat sich durch innerstaatliche Regelungen von der Zurechnung befreit.162

Handlungen, welche von Privatpersonen gesetzt werden, sind dem Staat hingegen grundsätzlich nicht zurechenbar. Gewohnheitsrechtlich anerkannt ist die Zurechnung dennoch, wenn „die Person oder Personengruppe in der Ausführung des Verhaltens tatsächlich auf Anweisung oder unter der Leitung oder Kontrolle“ eines Staates handelt (Art 8 ASR). Der IGH fordert in diesem Zusammenhang die „effective control“, also die tatsächliche Kontrolle eines Staates über eine Operation als Maßstab für die Zurechenbarkeit:

160 Arnauld, Rz 430. 161 Arnauld, Rz 399 f. 162 Hafner/Wittich in Reinisch (Hrsg), Rz 2436. 40

Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens

„ […] it would in principle have to be proved, that that State had effective control of the military or paramilitary operations in the course of which the alleged violations were committed.”163

Die reine Unterstützung oder ein etwaiges Naheverhältnis der handelnden Personen reicht daher für die Zurechenbarkeit zum Staat nicht aus, es bedarf einer echten faktischen Handlung für den Staat, ohne dass es zu einer formalen Beauftragung kommt.164

3. Rechtswidrigkeit des Verstoßes

Wenn ein völkerrechtliches Delikt vorliegt und dieses dem Staat auch zurechenbar ist, muss in weiterer Folge geprüft werden, ob die nötige Rechtswidrigkeit für das Eintreten von Staatenverantwortlichkeit vorliegt. Mangels Relevanz für den gegenständlichen Fall sollen an dieser Stelle nur die wichtigsten Rechtfertigungsgründe schlagwortartig genannt werden. Es sind dies die Einwilligung des verletzten Staates (Art 20 ASR), die Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs (Art 21 ASR), die Gegenmaßnahme als Mittel zur Selbsthilfe (Art 22 ASR) sowie höhere Gewalt und Notstand (Art 23-25 ASR).165

C. Rechtsfolgen der Staatenverantwortlichkeit

Ist im Ergebnis der Prüfung nun ein Staat für völkerrechtliches Unrecht verantwortlich, so entsteht zwischen dem verletzten und dem verletzenden Staat eine neue Rechtsbeziehung. Diese enthält die Pflicht, das Unrecht wiedergutzumachen, den entstandenen Schaden zu beseitigen und den Zustand vor der Rechtsverletzung wiederherzustellen.166

Die Rechtsfolgen im Falle des Vorliegens von Staatenverantwortlichkeit ergeben sich aus dem zweiten Teil der ASR. Diese befreien den Staat allerdings nicht von der

163 IGH, Nicaragua v United States, Abs 115. 164 Krajewski, Völkerrecht, § 6 Rz 28; Hafner/Wittich in Reinisch (Hrsg), Rz 2437. 165 Arnauld, Rz 416 ff. 166 Hafner/Wittich in Reinisch (Hrsg), Rz 2473. 41

Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens fortdauernden Erfüllungspflicht der verletzten Norm, sie treten lediglich zu dieser hinzu (Art 29 ASR).

Der ILC-Textentwurf sieht zunächst zwei Pflichten vor, die sich nicht aus der neuen Rechtsbeziehung, sondern unmittelbar aus der verletzten Rechtsnorm ergeben, nämlich einerseits die Einstellung der völkerrechtswidrigen Handlung (Art 30 lit a ASR) sowie andererseits die Garantie der Nichtwiederholung (Art 30 lit b ASR).167

Wie bereits erwähnt, besteht die Pflicht der Rechtsbeziehung aus der Staatenverantwortlichkeit in der Wiedergutmachung des durch die Pflichtverletzung verursachten Schadens (Art 31 ASR). Der Oberbegriff „Wiedergutmachung“ kann sich gemäß Art 34 ASR in drei Formen – entweder einzeln oder kombiniert – darstellen: Wiederherstellung (restitution), Schadenersatz (compensation) sowie Genugtuung (satisfaction).168

Nach den Artikeln über die Staatenverantwortlichkeit ist vorrangig – soweit dies möglich ist – die Wiedererstellung der Situation vor der Verletzung (status quo ante), also die restitution geschuldet (Art 35 ASR).

Erst wenn die Naturalrestitution nicht möglich ist, sollen nachrangig Entschädigungszahlungen (compensation) für materielle Schäden geleistet werden (Art 36 Abs 1 ASR). Schadenersatz ist für alle Schäden zu leisten, die „finanziell abschätzbar“ sind und umfasst auch den entgangenen Gewinn (Art 36 Abs 2 ASR).

Für solche (immateriellen) Schäden, die nicht durch Wiederherstellung ieS oder Schadenersatz wiedergutgemacht werden können, sieht Art 37 ASR als letzte Möglichkeit die Form der Genugtuung (satisfaction) vor. Diese hat hauptsächlich symbolischen Charakter und kann gemäß Art 37 Abs 2 ASR „in einer Anerkennung der Verletzung, einer Erklärung des Bedauerns, einer formalen Entschuldigung oder in einer anderen angemessenen Vorgehensweise bestehen“. Strafschadenersatz (punitive damages) für immaterielle Schäden sind nicht vorgesehen.169

167 Ebd, Rz 2477. 168 Matthiesen, Wiedergutmachung für Opfer internationaler bewaffneter Konflikte 69. 169 Stadlmayr, Wiedergutmachung bei Menschenrechtsverletzungen 39 ff. 42

Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens

D. Anwendung auf den gegenständlichen Fall

Aus den Kapiteln III und IV dieser Analyse ergibt sich, basierend auf dem bekannten Sachverhalt und der Annahme daraus, dass die unmittelbaren Täter Saudi-Arabien zuzurechnen sind, dass das Königreich drei Verstöße gegen geltendes Völkerrecht zu verantworten hat: den Verstoß gegen das Interventionsverbot gegenüber der Türkei, den Missbrauch der Immunitäten aus der Konsularrechtskonvention sowie die Verletzung der Menschenrechte Khashoggis.

Der Verstoß gegen das Interventionsverbot ist ein Fall, bei dem die Regeln über die Staatenverantwortlichkeit zur Anwendung kommen. Da der Türkei kein materieller Schaden entstanden ist, besteht die Pflicht zur Genugtuung (Art 37 ASR), etwa einer formalen Entschuldigung.

Wie der IGH im Teheran-Urteil festgestellt hat170 ist das Diplomaten- und Konsularrecht ein in sich geschlossenes System (self-contained regime).171 Ein Verstoß dagegen kann daher nur zu jenen Konsequenzen führen, die im WÜK vorgesehen sind, nicht aber die allgemeine Staatenverantwortlichkeit auslösen (lex specialis – Art 55 ASR).

Auch aus den Menschenrechtsverletzungen kann Staatenverantwortlichkeit entstehen. Als Völkerrechtssubjekt im Bereich der Menschenrechte steht Khashoggi Wiedergutmachung aus der allgemeinen Staatenverantwortlichkeit zu.

Da eine Wiederherstellung aus offensichtlichen Gründen nicht möglich ist, wären compensation und/oder satisfaction möglich. Schadenersatz könnte im Wege von Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen geleistet werden; eine Möglichkeit zur satisfaction bestünde beispielsweise durch die öffentliche Übernahme von Verantwortung durch Saudi-Arabien.

Ein Anspruch scheitert jedoch an der Durchsetzung. Diese wäre nur im zwischenstaatlichen Bereich für den Heimatstaat (der im gegenständlichen Fall ja ident mit dem verletzenden Staat ist) möglich.172 Eine Geltendmachung für die Angehörigen

170 IGH, United States Diplomatic and Consular Staff in Teheran, Abs 86. 171 Arnauld, Rz 563. 172 Vgl Punkt V.B.1. 43

Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens kann daher nur nach den konventionsinternen Mechanismen der verletzten Vertragswerke möglich sein, diese Frage wird nachfolgend173 näher geprüft.

173 Vgl Punkt VI.C. 44

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

VI. Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

Dass Saudi-Arabien geltendes Völkerrecht verletzt hat ergibt sich aus der bisherigen Analyse, es stellt sich aber im Weiteren die Frage, ob und wie die in ihren Rechten verletzten Subjekte etwaige Ansprüche auch geltend machen können. In diesem Kapitel sollen entlang der einzelnen Verstöße die jeweiligen Mechanismen zur Durchsetzung behandelt werden.

Ob des Fehlens einer obligatorischen, zentralen Gerichtsbarkeit wird dem Völkerrecht häufig ein gewisser Mangel an Durchsetzungsfähigkeit attestiert.174 Einzelne verbindliche Mechanismen finden sich in regionalen Konventionen (zB EGMR für Mitglieder des Europarates), dazu treten vertragsrechtliche Sanktionen in den jeweiligen Vertragswerken sowie Maßnahmen zur friedlichen Streitbeilegung auf Ebene der Vereinten Nationen.175 Aus den Genannten ergibt sich ein differenziertes Gesamtbild, welches die Beurteilung im Einzelfall nötig macht.

A. Verstoß gegen Interventionsverbot

Durch die Ausübung eines Hoheitsaktes auf türkischem Territorium hat Saudi-Arabien gegen das Interventionsverbot verstoßen.176 An dieser Stelle soll geklärt werden, welche Möglichkeiten der Türkei nun offenstehen.

1. Mittel der friedlichen Streitbeilegung

Konzeptuell ist es nur schlüssig, dass als Reaktion auf die Verletzung der Verpflichtung zur Unterlassung von Interventionen, die positive rechtliche Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung stehen muss. Dies bedeutet, dass ein Streitfall zwischen Staaten nicht gewaltsam gelöst werden darf. Verankert ist die friedliche Streitbeilegung in Art 2 Abs 3

174 van Aaken, Die vielen Wege zur Effektuierung des Völkerrechts 227. 175 Arnauld, Rz 437 f. 176 Vgl Punkt III.A. 45

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

SVN sowie in der Friendly Relations Declaration. Durch die quasi-universelle Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen ist die Geltung de-facto umfassend.177

Es handelt sich bei der Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung lediglich um eine Handlungspflicht. Die Staaten sind nicht verpflichtet ihre Streitigkeiten beizulegen, sie können diese auch offenlassen (agreement to disagree).178 Gegliedert werden können die Mittel der friedlichen Streitbeilegung in diplomatische und (schieds)gerichtliche. a) Diplomatische Verfahren

Die außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismen umfassen nach Art 33 SVN Verhandlungen, Vermittlungen, Untersuchungen und Vergleiche. Darüber hinaus werden noch die „Guten Dienste“, als Beteiligung einer Person oder eines Staates an den Verhandlungen, anerkannt.179 Diese Instrumente versuchen im Sinne eines konstruktivistischen Ansatzes faire Ergebnisse zu finden, die für alle Beteiligten als akzeptabel empfunden werden. Ergebnisse, die ohne gerichtlichen Zwang ausgehandelt werden, haben nach Erkenntnissen aus dem nationalen Recht höhere Befolgungschancen, da die Parteien sie eher als fair wahrnehmen.180 Eine zwangsweise Einsetzung der nachfolgenden Verfahren bzw eine Durchsetzung ihrer Ergebnisse ist nicht möglich.

Verhandlungen gehören in der Praxis zu den am häufigsten angewandten Mitteln zur friedlichen Streitbeilegung. Die Streitparteien versuchen dabei, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Beteiligung Dritter, ihre Auseinandersetzung auf dem Verhandlungsweg einvernehmlich zu lösen.181

Vermittlungen sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Dritter (Staat, internationale Organisation, Privatperson) aktiv in die Verhandlungen der Streitparteien eingreift. Dieser Vermittler kann auf die Vorschläge der Parteien eingehen oder eigene unterbreiten. Ein Vorteil liegt darin, dass ein Vorschlag eines unbeteiligten Dritten für eine Streitpartei aus Prestigegründen eher annehmbar sein kann, als derselbe Vorschlag, wenn er von der gegnerischen Partei stammt.182

177 Wittich, Die friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten, in Reinisch (Hrsg), Handbuch des Völkerrechts5 I, Rz 1801 ff. 178 Krajewski, Völkerrecht, § 8 Rz 46. 179 Ebd, Rz 49. 180 van Aaken, Effektuierung des Völkerrechts 246. 181 Schröder in Vitzthum (Hrsg), Rz 68. 182 Wittich in Reinisch (Hrsg), Rz 1817 f. 46

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

Untersuchungen sind der bevorzugte Lösungsweg, wenn die dem Konflikt zugrunde liegenden Tatsachen strittig sind. Es geht dabei nicht um eine rechtliche Beurteilung, sondern lediglich um die Klärung umstrittener Tatsachen. Auf Grund der satzungsgemäßen Untersuchungstätigkeit der Vereinten Nationen (Art 34 SVN) sind solche Untersuchungsverfahren in der Praxis selten.183

Als Vergleich wird ein Instrument bezeichnet, welches Elemente aus Untersuchung, Vermittlung und Schiedsverfahren kombiniert. Der deutsche Begriff ist irreführend, da er an den Vergleich aus dem österreichischen Recht als Ergebnis einer Verhandlung zwischen den Parteien erinnert. Vielmehr wird aber eine Vergleichskommission eingesetzt, die ein unverbindliches, flexibles und für alle Parteien annehmbares Ergebnis erzielen soll.184

„Gute Dienste“ ähneln der Vermittlertätigkeit. Unbeteiligte Dritte (häufig neutrale Staaten) bemühen sich um ein Verhandeln der Streitparteien, sie greifen aber nicht aktiv – etwa durch das Unterbreiten von Lösungsvorschlägen – ein. In der Praxis sind die Grenzen zwischen den „Guten Diensten“ und der Vermittlung oft fließend.185 b) (Schieds)gerichtliche Verfahren

Im Gegensatz zu den zuvor genannten diplomatischen Mitteln der friedlichen Streitbeilegung zielen die gerichtlichen Verfahren nicht nur auf eine Beilegung, sondern auf eine rechtliche Lösung der Auseinandersetzung ab.186 Dieses bedeutet in der Praxis einen erheblichen Verzicht auf die Ausübung souveräner Rechte, da der Streit einer dritten Person vorgelegt wird, die diesen verbindlich entscheiden soll.187

Die Urteile eines zuständigen Gerichts sind rechtsverbindlich, dennoch hat der Spruchkörper keine Möglichkeit die Befolgung seines Urteils durchzusetzen. In diesem Fall kommt die Reziprozität der Völkerrechtsordnung zum Tragen: ist ein Normverstoß festgestellt worden, ermächtigt dies andere Staaten Repressionen oder andere vorgesehene Sanktionen zu ergreifen, wodurch es im Ergebnis doch zu einer Durchsetzung kommen kann.188

183 Schröder in Vitzthum (Hrsg), Rz 70 ff. 184 Arnauld, Rz 440. 185 Schröder in Vitzthum (Hrsg), Rz 71. 186 Krajewski, Völkerrecht, § 8 Rz 53. 187 Arnauld, Rz 442. 188 van Aaken, Effektuierung des Völkerrechts 247. 47

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

Schiedsgerichte können ad hoc und ausschließlich für einen bereits entstandenen Streitfall von den Streitparteien gebildet werden, oder als „ständige Schiedsgerichte“ bestehen. In jedem Fall sind sie nur zuständig, wenn sich die Parteien für den konkreten Fall unterwerfen. Die Parteien sind es auch, die über die Zusammensetzung des Gerichts, die Reichweite der Zuständigkeit sowie die rechtliche Grundlage, auf der die Entscheidung getroffen werden soll, bestimmen.189

Internationale Gerichte sind dauerhaft errichtete Streitbeilegungsorgane, die gewissen Anforderungen, darunter der Unabhängigkeit der Richter, einem feststehenden Verfahrensrecht und der Rechtsverbindlichkeit von Entscheidungen, entsprechen.190 Aufgrund der Unzuständigkeit anderer Gerichte ist das einzig denkbare internationale Gericht für den gegenständlichen Fall der Internationale Gerichtshof, das Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag. Andere internationale Gerichte sind der Internationale Strafgerichtshof, der Europäische Gerichtshof oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Die Zuständigkeit des IGH „erstreckt sich auf alle Angelegenheiten, welche die Parteien ihm vorlegen“ (Art 36 IGH-Statut). Zusätzlich bedarf es aber noch der Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes. Diese kann auf drei Arten erfolgen:

(1) Ad hoc als Einlassung für den Einzelfall, (2) durch Unterwerfung in einem bestimmten Vertrag oder (3) mit Anerkennung der obligatorischen Zuständigkeit des IGH für alle zukünftigen Streitigkeiten191 („Fakultativklausel“, Art 36 Abs 2 IGH-Statut).192

Für die Türkei bestünde die Möglichkeit, Saudi-Arabien wegen der Verletzung des Interventionsverbotes sowie der Konsularrechtskonvention vor dem IGH zu klagen. Praktisch ist dies, ob der fehlenden Unterwerfung, äußerst unwahrscheinlich.

Abschließend kann festgestellt werden, dass als Reaktion für den Verstoß gegen das Interventionsverbot die Mittel der friedlichen Streitbeilegung durchaus zur Anwendung kommen könnten. Von den diplomatischen Verfahren einer Verhandlung oder Untersuchung bis hin zu einem Verfahren vor dem IGH ist hier alles denkbar. Wesentlich ist aber, dass all die Genannten nicht ohne die Mitwirkung Saudi-Arabiens erfolgen

189 Schröder in Vitzthum (Hrsg), Rz 74 ff. 190 Krajewski, Völkerrecht, § 8 Rz 64. 191 Weder Saudi-Arabien noch die Türkei haben sich mittels „Fakultativklausel“ unterworfen. 192 Schröder in Vitzthum (Hrsg), Rz 87 ff. 48

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts können. Hier zeigt sich eine gewisse Durchsetzungsschwäche, da die Vorgaben über die friedliche Streitbeilegung vom politischen „goodwill“ der Streitparteien abhängig sind. Verweigert Saudi-Arabien jede Übernahme von Verantwortung, kann die Türkei zu Selbsthilfemaßnahmen greifen:

2. Selbsthilfe

Die Möglichkeit für Staaten, Gegenmaßnahmen im Falle eine Verletzung von Völkerrecht zu setzen, stellt sich in drei Formen dar: die (für den gegenständlichen Fall nicht relevante) Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff, die Repressalie sowie die Retorsion.193

Die Retorsion ist die „schwächste“ Form der Reaktion eines Staates auf eine völkerrechtwidrige Handlung eines anderen Staates. Sie ist ein unfreundlicher, aber rechtskonformer Akt, der die gegnerische Streitpartei zum Einlenken bewegen soll. Mögliche Anwendungsbereiche sind die Einschränkung der Freizügigkeit von Angehörigen des anderen Staates oder deren Ausweisung, diplomatische Signale wie der Abzug von eigenem diplomatischem Personal oder wirtschaftliche Sanktionen wie Handelsembargos.194

Die Gegenmaßnahme (Repressalie) bezeichnet eine an sich völkerrechtswidrige Handlung, die aber ausnahmsweise auf Grund eines vorhergehenden Rechtsbruchs der gegnerischen Partei gestattet ist.195 Ihr Ziel ist die Beendigung des rechtswidrigen Verhaltens sowie die Leistung von Wiedergutmachung – also die Erfüllung der Verpflichtungen nach dem Zweiten Teil der ILC-Artikel.196 Repressalien müssen, so wie Retorsionen, gewaltfrei sein, denkbare Formen sind beispielsweise die Beschlagnahme von Eigentum des gegnerischen Staates, das „Einfrieren“ von Geldmitteln oder die Aussetzung vertraglicher Verpflichtungen.197

Für die Möglichkeiten auf den Verstoß gegen das Interventionsverbot durch Saudi- Arabien zu reagieren lässt sich folgendes Ergebnis festhalten: Gangbar wären jedenfalls die Mittel friedlicher Streitbeilegung. In diplomatischen Verfahren könnten

193 Arnauld, Rz 458. 194 Joyner, Coercion, MPEPIL, Abs 3 ff. 195 Arnauld, Rz 419. 196 Hafner/Wittich in Reinisch (Hrsg), Rz 2553. 197 Joyner, Coercion, MPEPIL, Abs 7. 49

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

Verhandlungen oder Untersuchungen sicherlich erfolgreich sein. Auch eine (schieds)gerichtliche Lösung wäre denkbar, auch wenn in diesem Fall wohl kaum Zweifel an der Qualifizierung der Handlung Saudi-Arabiens als Verstoß bestehen dürfte. All diese Formen sind allerdings jeweils nur mit der freiwilligen Mitwirkung Saudi-Arabiens möglich.

Der Türkei stünde weiters die Möglichkeit offen, Retorsionen oder Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um Genugtuung nach den Bestimmungen über die Staatenverantwortlichkeit von Saudi-Arabien zu erwirken. Ob dies stattfindet wird wohl von (geo)politischen Überlegungen abhängig sein, deren Behandlung an dieser Stelle zu weit führen würde.

B. Missbrauch der Immunitäten aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen

Wie oben198 bereits erwähnt, hat der IGH im Teheran-Fall das Konstrukt des self- contained regime entwickelt. Demnach sollen das Diplomaten- und Konsularrecht in sich geschlossene Systeme sein, welche nur jene Konsequenzen zulassen, die in den jeweiligen Konventionen vorgesehen sind. Die grundlegende Charakteristik eines solchen self-contained regime ist der strikte Ausschluss der allgemeinen Regelungen über die Staatenverantwortlichkeit wie sie sich im ILC-Textentwurf finden, im Besonderen die Bestimmungen über die Zulässigkeit von Gegenmaßnahmen eines verletzten Staates.199

Die Reichweite des Ausschlusses anderer Normen in einem solchen geschlossenen System ist allerdings umstritten. Die ILC beantwortete diese Frage in ihrem Konventionsentwurf nicht eindeutig, sie lässt es vielmehr offen, inwieweit self-contained regime unter die allgemeine lex specialis Regel des Art 55 ASR zu subsumieren sind. Aus den Kommentaren zu den Artikeln zur Staatenverantwortlichkeit geht hervor, dass self- contained regime „strong forms of lex specialis“ sein sollen.200

198 Punkt III.B.4. 199 Simma/Pulkowski, Of Planets and the Universe: Self-contained Regimes in International Law, EJIL 17 (2006) 483 (493). 200 Klein, Self-Contained Regime, MPEPIL, Abs 10 f. 50

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

Systeminterne Sanktionen sind die Erklärung einer Person zur persona non grata (unerwünschten Person) und ihre Ausweisung (Art 23 WÜK) sowie der Abbruch der diplomatischen Beziehungen.201 Diese stehen der Türkei jedenfalls offen.

Daneben besteht, wie bereits besprochen,202 die Möglichkeit der individuellen Strafverfolgung der Täter. Die Immunitäten aus den Art 41 und 43 WÜK greifen nur für die „Wahrnehmung konsularischer Aufgaben“ sowie nicht im Falle „schwerer Verbrechen“. Auch für Morde und Folter in Konsulaten gilt nationales Recht des Empfangsstaates; das bedeutet die Türkei kann die verantwortlichen saudischen Staatsangehörigen strafrechtlich verfolgen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich bei den Verdächtigen um eigens eingeflogene Geheimdienstagenten, den Konsul oder das konsularische Personal handelt.

Die Problematik des self-contained regime dürfte so zu lösen sein, dass die Beschränkung aufgrund des geschlossenen Systems nur Gegenmaßnahmen, die sich gegen die zentralen Regeln der diplomatischen (konsularischen) Unverletzlichkeit und Immunitäten richten, betrifft.203 Das bedeutet, dass keine Gegenmaßnahmen gegen Diplomaten oder die Mission getroffen werden dürfen, wegen Verstößen gegen das WÜK allerdings Gegenmaßnahmen in anderen Bereichen zulässig sind.204

Im Ergebnis besteht also wieder ein Anspruch auf Genugtuung aus der Staatenverantwortlichkeit für die Türkei, zur Durchsetzung gilt das unter Punkt VI.A. Gesagte.

C. Verletzung der Menschenrechte

Die Verletzung der Menschenrechte Khashoggis wurde in Kapitel IV festgestellt, aus der Staatenverantwortlichkeit ergibt sich im Weiteren ein Anspruch auf Wiedergutmachung für die Angehörigen gegen Saudi-Arabien. Es soll daher an dieser Stelle auf die verletzten Konventionen – deren Unterzeichner Saudi-Arabien ist – eingegangen werden und geprüft werden, inwieweit eine Durchsetzung möglich ist.

201 Arnauld, Rz 563. 202 Vgl Punkt III.B.2. 203 Hafner/Wittich in Reinisch (Hrsg), Rz 2558. 204 Arnauld, Rz 563. 51

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

1. Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung

Das „Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen“ richtet mit Artikel 17 einen „Ausschuss gegen Folter“ ein. Zur Durchsetzung von Ansprüchen bietet die CAT in Artikel 22 die Möglichkeit einer Individualbeschwerde an diesen Ausschuss. Absatz 1 desselben bestimmt:

“A State Party to this Convention may at any time declare under this article that it recognizes the competence of the Committee to receive and consider communications from or on behalf of individuals subject to its jurisdiction who claim to be victims of a violation by a State Party of the provisions of the Convention. No communication shall be received by the Committee if it concerns a State Party which has not made such a declaration.”

Hieraus ergibt sich, dass ein Staat für die Zulässigkeit von Individualbeschwerden gegen ihn, dieser Zuständigkeit ausdrücklich zugestimmt haben muss. Saudi-Arabien hat die dafür notwendige Erklärung nicht abgegeben.205

Dasselbe gilt für die Möglichkeit eines anderen Konventionsstaats, die Verletzung Saudi- Arabiens im Wege der Staatenbeschwerde vor den Ausschuss zu bringen. Diese ist in Artikel 21 vorgesehen und bedarf, wie auch die Individualbeschwerde, der ausdrücklichen Anerkennung der Zuständigkeit des Ausschusses, welche ebenso von Saudi-Arabien nicht erteilt wurde.

2. Arabische Charta der Menschenrechte

Die ACHR sieht einen Überwachungsmechanismus in den Artikeln 45 und 48 vor. Nach Art 45 wird ein Ausschuss („the Committee“) eingerichtet, welcher gemäß Art 48 jährliche Staatenberichte der Konventionsmitglieder entgegennimmt, diese prüft und daraufhin Empfehlungen abgibt.

Abseits dieser Berichtspflicht sieht die ACHR keine Durchsetzungsmechanismen vor, sie bietet jedoch in Artikel 52 (“Any State party may propose additional optional protocols to the present Charter […]“) ausdrücklich die Möglichkeit für spätere Zusatzprotokolle

205 Stand 19.04.2019, abrufbar unter: . 52

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts und damit die optionale Implementierung von Staaten- und Individualbeschwerdeverfahren.

3. Satzung der Vereinten Nationen

Auch wenn die Satzung der Vereinten Nationen nicht unmittelbar individuelle menschenrechtliche Garantien statuiert, sieht sie doch in Artikel 56 das Bekenntnis aller Mitgliedstaaten zu den Menschenrechten vor. Daraus ergibt sich die Verpflichtung für die Mitgliedstaaten an der Erreichung des Ziels der „Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten“206 mitzuwirken.207

Eines der Hauptorgane der Vereinten Nationen ist die Generalversammlung. Sie veranlasst gemäß Art 13 SVN Untersuchungen und gibt Empfehlungen ab. In lit b leg cit hebt die Satzung die Empfehlungs- und Untersuchungsbefugnis zur „Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ ausdrücklich hervor.208

Als Nebenorgan der Generalversammlung fungiert ein ständiger „Menschenrechtsrat“, welcher die Förderung und den Schutz der Menschenrechte zum Ziel hat. Als Kontrollmechanismus bietet das „1503-Verfahren“ die Möglichkeit eines Individualbeschwerdeverfahrens.209 Der Menschenrechtsrat prüft diese Beschwerden und gibt Empfehlungen ab.210 Im Fall Khashoggi wurde von Teilen des Menschenrechtsrates eine Erklärung abgegeben211, in der Saudi-Arabien zur Achtung der Menschenrechte aufgefordert wurde.

Ein weiteres Nebenorgan stellt in diesem Zusammenhang der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Human Rights, UNHCHR) dar. Das Amt steht im Rang eines Generaluntersekretärs und leitet das OHCHR. Der Hochkommissar ist für die Koordination der verschiedenen Menschenrechtsorgane der Vereinten Nationen sowie Beratungen von Staaten und Organisationen bei der Umsetzung menschenrechtlicher Standards zuständig. Das

206 Art 55 lit c SVN. 207 Matthiesen, Wiedergutmachung 86. 208 Klein/Schmahl, Die Internationalen und die Supranationalen Organisationen, in Vitzthum (Hrsg), Völkerrecht, Rz 127 ff. 209 Arnauld, Rz 621. 210 Rudolf, United Nations Commission on Human Rights/United Nations Human Rights Council, MPEPIL, Abs 20. 211 Vgl Punkt II.D.5. 53

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

OHCHR unterstützt außerdem Sonderberichterstatter – wie die im gegenständlichen Fall tätige Agnès Callamard – in rechtlicher, finanzieller und logistischer Hinsicht bei ihrer Arbeit.212

Von den hier behandelten „chartabasierten“ Organen der Vereinten Nationen sind die „vertragsbasierten“ Organe zu unterscheiden,213 welche mangels der Teilnahme Saudi- Arabiens an den entsprechenden Verträgen an dieser Stelle vernachlässigbar sind.

Im Ergebnis ist für die Durchsetzung der menschenrechtlichen Garantien auf Ebene der Vereinten Nationen festzuhalten, dass effektive und unmittelbare Möglichkeiten für die Organe nicht vorhanden sind. Die Staaten haben den jeweiligen Unterorganen die Befugnisse Zwangsmaßnahmen zu ergreifen – wie sie etwa der Sicherheitsrat hat – schlicht nicht eingeräumt. Die Organe treffen keine Entscheidungen, sie sprechen Empfehlungen aus. Dies dient durchaus der Förderung eines universellen Menschenrechtsschutzes, bietet aber kein wirksames Mittel zur Durchsetzung für den Einzelnen.214

4. Die Rolle der Zivilgesellschaft: „naming and shaming“215

In einem Fall wie dem der gegenständlichen Analyse, in dem ein Staat sich über jedes geltende Recht hinwegsetzt und Möglichkeiten zur Reaktion, wenn überhaupt vorhanden, sich durch Ineffektivität und Durchsetzungsschwächen auszeichnen, kann eine Möglichkeit zur Durchsetzung beitragen, die sich nicht unmittelbar in einer Rechtsordnung findet: „naming and shaming“.

Dieser Begriff bezeichnet eine Strategie, bei der Menschenrechtsverletzungen durch öffentliche Aufmerksamkeit thematisiert werden und der verletzende Staat durch den entstandenen Druck zur Änderung seines Verhaltens veranlasst werden soll. Eine gewichtige Rolle kommt in diesem Zusammenhang den Medien sowie den

212 Boerefijn, UNHCHR, MPEPIL. 213 Arnauld, Rz 621 f. 214 Heinz/Homburger, Die Rolle des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) im UN- Menschenrechtsschutz, in Baeriswyl/Heinz/Hüfner/Martens, Konzepte für die Reform der Vereinten Nationen 69. 215 Hafner-Burton, Sticks and Stones: Naming and Shaming the Human Rights Enforcement Problem, International Organization 62 (2008), 689. 54

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) für Menschenrechte wie Amnesty International oder Human Rights Watch zu.

Wohl nur aufgrund des massiven internationalen Drucks, müssen sich (zumindest die unmittelbaren) Täter in Riad vor Gericht verantworten, woraus sich in weiterer Folge Kompensationszahlungen für die Angehörigen ergeben können.

Für Saudi-Arabien, das gerne das Bild einer modernen, weltoffenen und fortschrittlichen Nation von sich verbreiten würde, bedeutete die gewaltige internationale Reaktion auf die Tat einen enormen Nachteil, welcher so sicher nicht einkalkuliert war. Jamal Khashoggi nützt dies nichts mehr, für die Zukunft216 kann sich aus dem Fall aber ergeben, dass Saudi- Arabien eher geneigt sein dürfte geltendes Völkerrecht zu achten.217

5. Strafverfolgung der Täter

Der Mord an einer einzelnen Person stellt kein Völkerrechtsverbrechen dar und ist daher auf internationaler Ebene nicht verfolgbar. Daraus ergibt sich, dass eine Strafverfolgung nur in Saudi-Arabien oder der Türkei möglich ist.

Ein Prozess gegen die unmittelbaren Täter findet derzeit in Saudi-Arabien statt. Da dieser nicht öffentlich ist, kann nicht genau festgestellt werden, welche Personen angeklagt sind und was ihnen im Detail vorgeworfen wird.

Für die Türkei bestünde die Möglichkeit die verdächtigen Personen zur weltweiten Fahndung über Interpol auszuschreiben. Dies würde zur Festnahme (und eventuell Auslieferung) der Täter führen sobald diese Saudi-Arabien verlassen. Ein Prozess wäre dann in der Türkei möglich.

Schließlich bestünde auch noch die Möglichkeit einer internationalen Untersuchung gegen den Willen Saudi-Arabiens wie es im Fall Rafiq Hariri geschehen ist. Die Tötung Hariris war ebenfalls ein „einfacher“ Mord und wäre daher nur nach nationalem Recht sanktionierbar gewesen, allerdings wurde durch den UN-Sicherheitsrat auf Basis seiner Kompetenz nach dem VII. Kapitel der SVN ein Sondertribunal für den Libanon eingerichtet, um die Tat gerichtlich zu verfolgen. Für den gegenständlichen Fall ist so

216 Andauernde Völkerrechtsverletzungen begeht Saudi-Arabien beispielsweise im Jemen. 217 Kiley, The unintended consequences of killing Jamal Khashoggi, (22.04.2019). 55

Möglichkeiten und Probleme der Durchsetzung des Völkerrechts eine Vorgehensweise ob des Einflusses Saudi-Arabiens allerdings höchst unwahrscheinlich.218

218 Milanovic, The Murder of Jamal Khashoggi 55 f. 56

Ergebnisse und Fazit

VII. Ergebnisse und Fazit

Mit dem Fall Khashoggi wurde zweifelsohne ein Stück Zeitgeschichte geschrieben. Obwohl es durchaus immer wieder vorkommt, dass Regimekritiker ermordet werden, hat er die internationale Berichterstattung über Monate dominiert. Das Ziel dieser Analyse war eine ausführliche Prüfung der vielfältigen völkerrechtlichen Aspekte des Falls sowie die Darstellung von überblicksmäßigem Hintergrundwissen zu den wichtigsten Themengebieten.

Der Sachverhalt könnte aus der Feder eines Thriller-Autors stammen. Von Killerkommandos, grausamen Folter- und Tötungsmethoden im Schutze konsularischer Immunität, bis zu einer politischen Verstrickung in höchste Kreise ist hier alles enthalten. Die Problematik für eine wissenschaftliche Arbeit ergibt sich aus der Unklarheit des tatsächlich Vorgefallenen. Der Großteil der bekannten Details beruht auf Medienberichten, welche wiederum auf anonymen, und damit kaum verifizierbaren, Quellen fundiert sind. Das Problem besteht vor allem darin, dass nicht endgültig klar ist, inwieweit die unmittelbaren Täter tatsächlich unter der Kontrolle und auf Anweisung Saudi-Arabiens gehandelt haben.

Im Wesentlichen berührt der Fall Khashoggi drei völkerrechtliche Regelungskomplexe: das Interventionsverbot, das Konsularrecht sowie den Menschenrechtsschutz. Dazu kommt in weiterer Folge die Frage nach der Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens und daraufhin jene nach den Durchsetzungsmechanismen des Völkerrechts.

Das gewohnheitsrechtliche Interventionsverbot ergibt sich aus der Gleichheit der Staaten und ist essentiell für zwischenstaatliche Beziehungen. Die Souveränität eines Staates liegt in dessen ureigenstem Interesse und damit im Interesse der Staatengemeinschaft. Die Satzung der Vereinten Nationen stellt dies mit dem Gewaltverbot fest, aber auch unterhalb der Schwelle der Gewalt sind Einmischungen unzulässig. Eine solche verbotene Einmischung stellt das Setzen eines Hoheitsaktes auf dem Territorium eines fremden Staates dar. Auch wenn die Rechtsordnung des Empfangsstaates in einem Konsulat nicht durchsetzbar ist, gilt sie dennoch. Die außerhalb der Rechtswissenschaft weit verbreitete Meinung, ein Konsulat oder eine Botschaft seien extraterritoriales Hoheitsgebiet, ist unrichtig, das Konsulat in Istanbul ist türkisches Territorium. Saudi- Arabien hat damit gegen eine erste Norm verstoßen. 57

Ergebnisse und Fazit

Ebenso wie das Interventionsverbot beruhen die konsularischen Immunitäten auf dem Souveränitätsprinzip. Für die Staatengemeinschaft ist die Einhaltung der Immunität von grundsätzlicher Bedeutung, da nur auf diesem Weg funktionale zwischenstaatliche Beziehungen aufrechterhalten werden können. Jeder Staat ist gleichzeitig Empfangs- und Entsendestaat; das Gesandtschaftsrecht ist damit von einer Reziprozität geprägt. Wenn ein Staat die Regelungen nicht achtet, kann er nicht davon ausgehen, dass seine eigenen entsandten Personen im Ausland entsprechend den Regelungen über die diplomatischen/konsularischen Immunitäten behandelt werden. Der IGH hat daher im Teheran-Fall festgestellt, dass die Einhaltung der Normen aus dem Diplomatenrecht die internationale Gemeinschaft als Ganze angehe.219 Die konsularischen Räumlichkeiten dürfen nur zu jenen Zwecken genutzt werden, die das Konsularrecht vorsieht, Mord und Folter gehören nicht dazu. Saudi-Arabien hat die konsularischen Immunitäten missbraucht und damit gegen eine zweite Norm verstoßen.

Auf der Ebene der Menschenrechte ist der Fall klar. Das Recht auf Leben sowie das Verbot von Folter sind allgemein anerkannt. Selbst wenn keine völkergewohnheitsrechtliche Geltung vorläge, wäre Saudi-Arabien durch die Ratifizierung der UN-Anti-Folter-Konvention sowie der Arabischen Charta der Menschenrechte daran gebunden. Dies stellt den dritten Verstoß durch Saudi-Arabien dar.

Für die Staatenverantwortlichkeit Saudi-Arabiens ist die Zurechenbarkeit der Täter zum Staat maßgeblich. Aus dem bekannten Sachverhalt dürfte diese gegeben sein. Aus dem ILC-Konventionsentwurf (mit völkergewohnheitsrechtlicher Geltung) ergibt sich in weiterer Folge die Pflicht für Saudi-Arabien zur Wiedergutmachung. Diese besteht nicht nur gegenüber Staaten, sondern auch gegenüber Individuen, sie kann allerdings von solchen nicht geltend gemacht werden.

Zwingende Durchsetzungsmechanismen bestehen als Reaktion auf die Verstöße durch Saudi-Arabien nicht. Der Türkei stehen Repressionen sowie Repressalien offen, ob sie diese ergreifen wird, hängt von politischen Überlegungen ab. Für die Angehörigen Khashoggis bleibt keine Möglichkeit zur Geltendmachung aus dem Völkerrecht, sie können lediglich auf Instrumente aus dem nationalen saudischen Recht hoffen, um Kompensation zu erlangen.

219 Arnauld, Rz 549. 58

Ergebnisse und Fazit

Wenn ein Staat sich, aufgrund seiner Souveränität völlig legitim, weigert, an internationalen Durchsetzungsmechanismen teilzunehmen, sieht sich das Völkerrecht mit einer Durchsetzungsschwäche konfrontiert. Ein wesentliches Mittel, den Staat dennoch zu einem Umdenken zu bewegen, ist, wie sich in diesem Fall gezeigt hat, internationale Aufmerksamkeit. Vor allem die Medien, NGOs, aber auch Staaten auf diplomatischem Weg können, indem sie den Vorfall thematisieren, einen Staat zu völkerrechtskonformem Handeln bewegen.

Da der Mord an einer einzelnen Person kein Völkerrechtsverbrechen darstellt, wäre eine Strafverfolgung der unmittelbaren Täter vermutlich nur in Saudi-Arabien oder der Türkei möglich.220 Zu diesem Zeitpunkt findet in Riad ein nicht-öffentlicher Prozess gegen mehrere Beteiligte statt, ob dieser ein gewisses Maß an Gerechtigkeit bringen wird, bleibt abzuwarten.

Ob die im Hintergrund verantwortlichen Personen jemals zur Verantwortung gezogen werden und ob der Sachverhalt zu klären sein kann, ist zumindest fraglich, viel wird in diesem Zusammenhang von dem Bericht der UN-Sonderermittlerin, der für Juni 2019 erwartet wird, abhängen.

Der Fall Khashoggi zeigt im Ergebnis zweierlei: Zum einen, dass Staaten in der Annahme, dass dies ohne Konsequenzen bleibt, nach wie vor gravierendste Völker- und Menschenrechtsverletzungen begehen, und zum anderen, dass die mediale und politische Reaktion, wenn sie nur energisch genug ist, eine Durchsetzungsschwäche des Völkerrechts kompensieren kann. In diesem Sinne wären gleichgelagertes Unrechtsbewusstsein und verstärkte Anteilnahme für ähnliche Fälle, wie sie zu oft passieren, wünschenswert.

220 Milanovic, The Murder of Jamal Khashoggi 55. 59

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Protokoll Nr 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe vom 28. April 1983

Protokoll Nr 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe vom 3. Mai 2002

Resolution der UN-Generalversammlung A/RES/2200(XXI)

Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen, BGBl 1969/318

Internetquellen

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Klein Eckart, Self-Contained Regime, MPEPIL, zuletzt überarbeitet 2006,

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Entscheidungen

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IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v Belgium), Judgment, ICJ Reports 2002, 3

IGH, LaGrand (Germany v United States of America), Judgment, ICJ Reports 2001, 466

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PCIJ, Factory at Chorzów, Merits, 13.9.1928, Series A, No 17

PCIJ, S.S. Lotus (France v Turkey), 1927, Series A, No 10

Sondervotum der Richter Higgins/Kooijmans/Buergenthal zu: IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), Judgment, ICJ Reports 2002, 63

XII

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Europäisches Parlament

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Medienberichte

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Al Jazeera, Jamal Khashoggi's body likely burned in large oven at Saudi home,

Aziza Sarah, Kingdom Crackdown,

Barnes Julian, C.I.A. Concludes That Saudi Crown Prince Ordered Khashoggi Killed,

BBC, Jamal Khashoggi: All you need to know about Saudi journalist's death,

BBC, Jamal Khashoggi case: Saudi Arabia says journalist killed in fight, XIII

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BBC, Jamal Khashoggi: Turkey widens search for Khashoggi clues,

BBC, Khashoggi death: How Saudi Arabia altered its account,

BBC, Saudi editor Jamal Khashoggi resigns from of al-Watan,

BBC, Who's who in alleged Saudi 'hit squad',

Black Ian, Saudi prince’s Al-Arab news channel goes off air hours after launching,

Black Ian, Jamal Khashoggi obituary,

Choi David, Trump says 'we have a tremendous order' with Saudi Arabia, doesn't want to cancel defense contracts 'as retribution' for Jamal Khashoggi's death,

Chulov Martin, Saudi-Arabia paying Jamal Khashoggi’s children thousands each month,

Erkoyun Ezgi, Turkey gave Khashoggi tapes to European nations, Erdogan says,

Fars News Agency, Arab Source: Khashoggi Murdered by Ex-Spokesman of Saudi-Led Coalition in War on Yemen,

Fox News, Exclusive: Saudi foreign minister on Khashoggi investigation,

Gall Carlotta, What Happened to Jamal Khashoggi?,

Gillard Michael, Adnan Khashoggi obituary,

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Khashoggi Jamal, By blaming 1979 for Saudi Arabia’s problems, the crown prince is peddling revisionist history,

Khashoggi Salah, Twitter @salahkhashoggi,

Kiley Sam, The unintended consequences of killing Jamal Khashoggi,

Kirkpatrick David/Gall Carlotta, Turkish Officials Say Khashoggi Was Killed on Order of Saudi Leadership,

Kleine Zeitung, Nach Verschwinden Kashoggis: Polizei fand Beweise für Ermordung im Konsulat,

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Lederman Josh, Khashoggi met with crown prince's brother amid efforts to return him to Saudi Arabia,

Mazzetti Mark, Year Before Killing, Saudi Prince Told Aide He Would Use ‘a Bullet’ on Jamal Khashoggi,

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Reuters, Exclusive: Turkish police believe Saudi journalist Khashoggi was killed in consulate - sources,

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Reuters, Saudi consul general leaves Turkey for Riyadh: Turkish broadcasters,

Rogg Inga, Im Mordfall Khashoggi meldet sich erstmals die türkische Staatsanwaltschaft zu Wort,

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Saudi Press Agency, Royal Order Relieving Deputy President of General Intelligences of his Post,

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Sullivan Kevin/Morris Loveday/El-Ghobashy Tamer, Saudi Arabia fires 5 top officials, arrests 18 Saudis, saying Khashoggi was killed in fight at consulate,

Tagesspiegel, Saudi-Arabien lehnt Auslieferung von Verdächtigen ab,

The Washington Post, Where is Jamal Khashoggi?,

Urech Fabian, Der Fall Khashoggi – eine Chronologie der Ereignisse,

Warrick Joby/Morris Loveday/Mekhennet Souad, In death, Saudi writer’s mild calls for reform grew into a defiant shout,

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Welt, „Er starb durch einen Würgegriff“,

Welt, Aus diesem Grund ging Khashoggi beim zweiten Mal unbesorgt in das Konsulat,

World Economic Forum, Jamal Khashoggi,

Alle Onlinequellen wurden zuletzt am 09.07.2019 abgerufen.

XVIII