FoDEx-Studie Rechtsradikalismus

Florian Finkbeiner Katharina Trittel

Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens

Ein historischer Problemaufriss

2019

1 FoDEx Inhalt

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 3 Abkürzungsverzeichnis 4 Editorial 5 Zusammenfassung 7 1 Einleitung 8 1.1 Rechtsradikalismus in der politischen Kultur 12 1.2 Ein kurzer Blick auf den Forschungsstand 13 1.3 Zum Vorgehen: Ein erster Zugriff auf die politische Kultur 17 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen 19 2.1 Parteien in Niedersachsen in der Nachkriegszeit 20 2.2 Regionale und milieugeprägte Wählertraditionen 27 2.3 Die NPD als nationale Sammlungspartei in den 1960er Jahren 32 2.4 Rechtsradikale Organisationsversuche in den 1970er und 1980er Jahren 35 2.5 Diversifikation und Informalisierung rechtsradikaler Strukturen ab den 1990er Jahren 42 2.6 Die NPD als rechtsradikales Flaggschiff ab den 2000er Jahren 44 2.7 Die AfD als Symbol des politischen Formwandels 46 3 Ergebnisse und Schlussfolgerungen 52 4 Ausblick: Das weitere Forschungsprogramm in FoDEx 56 Literaturverzeichnis 59 Autor und Autorin 67

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Abbildung 1: Verteilung der Vertriebenen und Flüchtlinge in Niedersachsen 1945 26

Abbildung 2: Eigene schematische Darstellung zur geografischen Ausbreitung des Rechtsradikalismus in den 1950er Jahren 31

Tabelle 1: Niedersächsische Landtagswahlergebnisse 1949-63 20

Tabelle 2: NPD-Wahlergebnisse 1965-69 34

Tabelle 3: Niedersächsische Landtagswahlergebnisse 1967–86 36

Tabelle 4: Niedersächsische Landtagswahlergebnisse 1990-2013 41

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 3 Abkürzungsverzeichnis

AfD Alternative für Deutschland GB / BHE Gesamtdeutscher Block / ANS Aktionsfront Nationaler Bund der Heimatvertriebenen Sozialisten und Entrechteten ANS / NA Aktionsfront Nationaler Sozia- GdNF Gesinnungsgemeinschaft der listen / Nationale Aktivisten Neuen Front DDP Deutsche Demokratische Partei HDJ Heimattreue Deutsche Jugend DHP Deutsch-Hannoversche Partei IB Identitäre Bewegung DKP Deutsche Konservative Partei JN Junge Nationalisten DKP-DRP Deutsche Konservative Partei NF Nationalistische Front – NO Nationale Offensive DNV Deutschnationale Volkspartei NPD Nationaldemokratische Partei DP Deutsche Partei Deutschlands DRP NS Nationale Sammlung DVP Deutsche Volkspartei NSDAP Nationalsozialistische Deutsche DVU Deutsche Volksunion Arbeiterpartei DZP Deutsche Zentrumspartei NSDAP-AO NSDAP-Auslands- FAP Freiheitliche Deutsche und Aufbauorganisation Arbeiterpartei REP Die Republikaner FoDEx Forschungs- und Dokumenta- SRP Sozialistische Reichspartei tionsstelle zur Analyse politi- VSBD / PdA Volkssozialistische Bewegung scher und religiöser Extremis- Deutschlands / Partei der Arbeit men in Niedersachsen WJ Wiking-Jugend

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 4 Editorial

ie „Forschungs- und Dokumenta- rationskraft der Gesellschaft nehmen. Uns geht es tionsstelle zur Analyse politischer nicht um die Analyse vermeintlicher „Gefährdun- und religiöser Extremismen in Nie- gen der Demokratie“ von außen, sondern um Her- dersachsen“ ( FoDEx) an der Ge- ausforderungen für den gesellschaftlichen Zusam- org-August-Universität Göttingen menhalt durch Phänomene innerhalb der politi- verfolgt drei zentrale Aufgaben: Forschen, Doku- schen Kultur Niedersachsens. Dmentieren und Vermitteln. Weil unser Blick von der politischen Kultur, den In der Forschungsarbeit, die am Institut für milieuförmig organisierten Räumen Niedersach- Demokratieforschung geleistet wird, steht die Un- sens ausgeht, richtet er sich auf die gesamte Ge- tersuchung von Phänomenen der politischen Kul- sellschaft und auf sie prägende Strukturen und tur Niedersachsens im Vordergrund. Zentral sind Mentalitäten. Um als Voraussetzung für eine sol- dabei insbesondere jene Gruppen oder Zusam- che Perspektive repräsentativ etwas über die Ver- menschlüsse, die mit ihren Vorstellungen, Ideen fasstheit der niedersächsischen Bevölkerung in oder Handlungen im Kontrast zu einer von ihnen Bezug auf Demokratie aussagen zu können, er- selbst identifizierten etablierten Mehrheitsgesell- stellt FoDEx regelmäßig und erstmals für dieses schaft stehen. Unsere Analyse befasst sich mit ih- Bundesland einen „Niedersächsischen Demokra- ren Selbstäußerungen, bewegungsförmigen oder tiemonitor“. Zusätzlich untersuchen wir Kommu- organisationellen Praktiken ebenso wie mit den- nikationsstrukturen in sozialen Medien und deren jenigen, welche die Zusammenschlüsse als Milieu- Einfluss auf den demokratischen Diskurs. Schließ- und Lageragenten organisieren. Des Weiteren inte- lich ist auch die kritische Begleitung der Arbeit ressiert uns, wie solche Akteure, Phänomene und des Niedersächsischen Verfassungsschutzes eine Einstellungen mit und in lokalen Kontexten inter- Aufgabe der Forschungsstelle, der wir zurzeit ins- agieren, sprich: Welcher Nährboden sie begünstigt, besondere durch eine kritische Aufarbeitung der welche Faktoren sie hemmen und welche Effekte Institutionengeschichte nachkommen. langfristig auf die politische Kultur zurückwirken. Derzeit ist die Forschung in die Arbeitsberei- In Anbetracht unserer ersten Forschungsergeb- che Rechtsradikalismus, religiöser Fundamenta- nisse erscheint der Begriff der „Demokratiefeind- lismus und Linke Militanz aufgeteilt. Diese Eintei- lichkeit“ in Bezug auf unsere Untersuchungsge- lung impliziert jedoch nicht, dass wir von grund- genstände insofern immer weniger angemessen, sätzlichen – insbesondere inhaltlichen – Gemein- als ihm die Konstruktionslogik der Extremismus- samkeiten der Phänomene ausgehen. Im Mittel- theorie zugrunde liegt bzw. mit ihm in der Kate- punkt stehen akribische Forschungen vor Ort, die gorie eines sicherheitspolitischen Gefährdungs- historisch informierte Verortung der Phänomene potenzials operiert wird. In dieser Logik werden in der politischen Kultur und die Gewinnung von Demokratie und Verfassungsstaat implizit in eins neuem Material sowie dessen Auswertung (kurz: gesetzt, während für die Forschung in FoDEx die eine idiografische Perspektive auf die Gegen- Phänomene der politischen Kultur Niedersachsens standsbereiche). Erst im Anschluss daran sollen im Fokus stehen, die durch ihre Historizität und in weiteren Analyseschritten mögliche gemein- Wechselwirkungen Einfluss auf die soziale Integ- same Strukturmomente, Wechselwirkungen mit

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 5 Editorial anderen Milieus oder Subgruppen, mit staatlichen Institutionen und Strategien der Sicherheitsbehör- den untersucht werden. Die Dokumentations- und Vermittlungs- aufgaben teilen sich die Forschungspartner. Wäh- rend die Niedersächsische Staats- und Universi- tätsbibliothek überwiegend Schriften aus den je- weiligen Szenezusammenhängen zusammenträgt sowie eine Forschungsbibliothek zur politischen Kultur in Niedersachsen mit den Schwerpunkten Rechtsradikalismus, religiöser Fundamentalismus, Linke Militanz und Geschichte des Verfassungs- schutzes aufbaut, wird gleichzeitig an einem For- schungsdatenmanagement gearbeitet, dass die durch die Forschung gewonnenen und produzier- ten Materialien archiviert und zukünftig in anony- misierter Form für weitere wissenschaftliche Ar- beiten zur Verfügung stellt. Die Vermittlung unse- rer Forschungsergebnisse erfolgt im Rahmen von Veranstaltungen und Publikationen, die sich nicht nur auf wissenschaftliche Formate beschränken, sondern sich auch direkt an die interessierte Öf- fentlichkeit wenden, bspw. durch den halbjähr- lich erscheinenden Werkstattbericht Demokra- tie-Dialog, der Open Access-Einblicke in den For- schungsprozess gewährt.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 6 Zusammenfassung

ie vorliegende Kurzstudie sondiert die Traditionslinien des Rechtsra- dikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens. Sie stellt das Pro- blem heraus und zeigt dabei em- pirisch in ausgewählten Regionen auf, dass po- Dlitische Mentalitäten in ihren Entstehungsbe- dingungen und Erscheinungsformen ambivalent sind. Politischer Kultur kommt in der Analyse eine entscheidende Bedeutung zu: Sie kann auf die Erfolgschancen rechtsradikaler Verheißungen ebenso befördernd wie auch hemmend wirken, wie in der Studie belegt wird. Um eine Grundlage und argumentative Ausgangsbasis für weiterfüh- rende Forschungen zu schaffen, werden abschlie- ßend die historisch-kulturellen Traditionslinien, die Entwicklungen und die Wandlungen des poli- tischen Rechtsradikalismus in Beziehung gesetzt zu aktuellen politischen Tendenzen. Denn erst das Verständnis der Strukturdimensionen des Rechts- radikalismus ermöglicht, eine potenzielle politi- sche Gefahr zu identifizieren und wirksam zu be- kämpfen.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 7 1 Einleitung

oderne demokratische Gesell- Diese Tendenzen betreffen freilich auch den schaften werden seit einigen politischen Rechtsradikalismus. Denn fraglos ha- Jahren durch ganz unterschiedli- ben wir in den vergangenen Jahren ganz unter- che Entwicklungen ungemein he- schiedliche Formen „rechten“ Aufbegehrens und rausgefordert: von der Krise der der Formierung eines neuen Wutbürgertums er- Volksparteien bis zur Repräsentationskrise der lebt.2 Die parteipolitische Speerspitze dieses ge- MDemokratie und der fortschreitenden Etablierung sellschaftlichen Unbehagens ist derzeit die AfD; neuerer Parteien wie der AfD. Während sich in aber zuvorderst ist diese Partei doch Ausdruck den 2000er Jahren bei den europäischen Nach- und Symbol tieferliegender gesellschaftlicher Ver- barn politische Kräfte rechts der Mitte formierten änderungen. Spätestens seit dem NSU-Komplex und teilweise auch in Regierungsverantwortung hat sich die Problemwahrnehmung des Rechts- gelangten, schien die Bundesrepublik ein Fels radikalismus in unserer Gesellschaft verändert, im in der Brandung zu sein – denn hier hatten Par- selben Atemzug hat sich auch dessen Gestalt ge- teien rechts der Mitte kaum eine Chance. Inzwi- wandelt, die es im Blick zu behalten gilt.3 schen hat sich diese Situation jedoch geändert; Seit den 2010er Jahren vollziehen sich quer teilweise sprechen Sozialwissenschaftler bereits zu den tradierten gesellschaftlichen Konfliktlagen, davon, dass sich die Bundesrepublik mit dieser die Sozialwissenschaftler auch als Cleavages be- Entwicklung nun auch im europäischen Vergleich zeichnen, soziokulturelle Umbrüche, die irgend- „normalisiert“ habe.1 wann von Historikern im Nachhinein als völlig Jedenfalls hat sich in der politischen Land- neue Ausprägung von „Krisen“ und Spaltungsli- schaft einiges getan. Spätestens seit 2014 ist die nien beurteilt werden könnten.4 In jedem Fall grei- bundesrepublikanische Gesellschaft mit dem Auf- fen derzeit ganz unterschiedliche Entwicklungen tauchen von in Bewegung geraten und und Trends ineinander, die in ihrer Emergenz ins- wandelt ihr Gesicht. Neben all den politischen Veränderungen erneuern sich dabei auch die Ver- handlungs- und Aushandlungsformen demokrati- 2 Vgl. Nachtwey, Oliver: Die Abstiegsgesell- schaft. Über das Aufbegehren in der regres- scher Verarbeitungsprozesse. Politik kann immer siven Moderne, Berlin 2016, S. 216 ff. weniger auf tradierte Lagerbildungen bauen und auf gefestigte Loyalitäten setzen. Stattdessen erle- 3 Vgl. Trittel, Katharina / Micus, Matthias / Marg, ben wir derzeit in ganz unterschiedlichen Formen Stine / Geiges, Lars: Demokratie-Dialog. Die Arbeit des Tendenzen des gesellschaftlichen Tribalismus, des Instituts für Demokratieforschung im Rahmen der Auseinanderfallens alteingesessener politischer „Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse Lager- und Milieugrenzen und damit eine Ausdif- politischer und religiöser Extremismen in Nieder- sachsen“, in: Demokratie-Dialog, H. 1 (2017), S. 2–9. ferenzierung des politischen „Marktes“.

4 Vgl. Inglehart, Ronald F. / Norris, Pippa: Trump, Brexit and the Rise of Populism: Economic Have- 1 Vgl. bspw. Gassert, Philipp: Deutschlands Par- Nots and Cultural Backlash, Faculty Research teiensystem wird normal, in: Die Zeit, 02.11.2018. Working Paper Series, Harvard 2016, S. 8.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 8 1 Einleitung gesamt die gesellschaftlichen Konfliktlinien ver- neue Ebenen und Akteure ein, sodass der Aus- schieben. Die Erosion der Volksparteien, die nicht handlungsspielraum für politische Entscheidun- gerade erst eingesetzt hat, sondern schon längst gen wesentlich kleiner geworden ist – was es weit vorangeschritten ist, ist bloß das offensicht- umso schwieriger macht, die gesteigerten Erwar- lichste Zeichen. Wir beobachten derzeit vor allem tungen der Bürger an die Politik zu erfüllen: eine Verschiebung politischer Identifikation der Bürger mit Parteien. Parteiidentitäten und -bin- „Der Bürger, der es in seiner Rolle als Konsument dungen gehen schon seit Längerem zurück, auch gewohnt ist, dass sein je individuelles Bedürf- die Mitgliedschaften sind rückläufig. Noch etwas nis prompt befriedigt wird, reagiert politisch ver- niedrigschwelliger angesetzt: Bürger wählen heut- drossen, da die Politik den Bürgern nicht geben kann, was diese als Konsumenten verlangen und zutage ganz offensichtlich Parteien immer weni- als Partizipanten zugleich verunmöglichen.“7 ger aus Überzeugung. Daran leiden sie alle, von den Sozialdemokraten über die Christdemokratie bis zur LINKEN. All das verändert natürlich auch die Erwartungs- Ganz offensichtlich haben sich hier nicht nur haltungen und Bindungen der Bürger an Politik. Mentalitäten verändert, sondern das Beziehungs- Das Phänomen des politischen Rechtsradika- verhältnis an sich hat sich anscheinend gewan- lismus8 gehört in seiner Grundausprägung als po- delt. Es ist nicht einfach nur das Vertrauen, das litische Bewusstseinsform – unerheblich, ob man Bürger in „die“ Politiker setzen, das sich auf ei- dies nun begrüßt oder nicht – zum Bewusst- nem historischen Tiefstand befindet. Mehr noch: seinshaushalt moderner Gesellschaft.9 In allen Die Bürger versprechen sich einfach immer we- niger von der Politik. Denn: Der heutige Wähler ist aufgrund von Individualitäts- und Flexibilitäts- 7 Ebd., S. 23. paradigmen vor allem ein „Kunde“ auf dem Wäh- lermarkt. „Der Kunden-Bürger schaut sich in den 8 Der Begriff „Rechtsextremismus“ ist aufgrund sei- Regalen des politischen Angebots um, wählt aus, ner inflationären Verwendung schwammig. Als Ord- was seine Konsumbedürfnisse rasch und preis- nungsbegriff von Sicherheitsbehörden benutzt, wert befriedet.“5 Ist der Bürger mit seinem ge- meint „Rechtsextremismus“ streng genommen die Überschreitung einer „demokratisch“ legitimen wählten Produkt nicht zufrieden, sucht er sich Grenze, die wiederum an der freiheitlichen demo- das nächste Mal eben ein anderes – und be- kratischen Grundordnung (fdGO) festgemacht wird. schwert sich. Die historisch tradierten Polster, die Der Begriff wird aber teilweise auch als politische Latenzzeit für Politik, der Spielraum für politi- Einordnung verwendet, die sich – abgrenzend von sches Handeln haben sich also verschoben. Die der „Extremismustheorie“ – nicht an einer solchen selbstbewusst auftretenden Bürger treten mit ei- Grenzziehung mithilfe der fdGO orientieren will. Je nachdem, wie der Begriff verwendet wird, meint ner veränderten Erwartungshaltung an die Politik. er also Unterschiedliches. In der vorliegenden Stu- Sie wollen eine „sofortige Bedürfnisbefriedigung“6 die geht es weniger um die „randständigen“ oder und gewähren kaum einen Aufschub. „außerhalb“ des vermeintlich demokratisch-legiti- Das mag an und für sich in Nuancen vielleicht men oder illegitimen Spektrums liegenden Positio- nichts Neues sein, galt sicherlich auch schon für nen, sondern um die politischen Bewusstseinsfor- men, die gerade nicht derart eingeordnet werden, die Willy-Brandt-Wähler Ende der 1960er und deren Definition unsererseits als „rechtsradikal“ also Anfang der 1970er Jahre. Aber – und hier be- der angesprochenen Begriffsdebatte gewisserma- steht die Schieflage, die das Problem verschärft –: ßen vorgelagert ist. Daher wird in dieser Arbeit von Politik funktioniert heute anders als vor fünfzig „Rechtsradikalismus“ gesprochen, auch um die- Jahren. Sie ist komplexer geworden, bindet ganz sen Unterschied bereits semantisch anzuzeigen. Unter „rechtsradikal“ verstehen wir Positionen, die für autoritäre Politik- und Gesellschaftsvorstellun- gen stehen und dabei tendenziell antiliberal, völ- 5 Walter, Franz: Zeiten des Umbruchs? Ana- kisch, rassistisch und geschichtsrevisionistisch sind. lysen zur Politik, Stuttgart 2018, S. 10. 9 Vgl. Adorno, Theodor W.: Studien zum autoritä- 6 Ebd. ren Charakter, Frankfurt a. M. 1995 [1973], S. 14.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 9 1 Einleitung

Gesellschaften gab und gibt es immer zumindest Betrachten wir also zunächst einmal ganz all- kleine Gruppen, die solche politischen Ansichten gemein Rechtsradikalismus als politische Be- vertreten, weshalb die Auseinandersetzung damit wusstseinsform, so gilt aus Sicht von Sozialwis- auch als „never ending story“ bezeichnet wor- senschaftlern, vor allem die gesellschaftspoliti- den ist.10 Ganz in diesem Sinne sprachen Scheuch schen Konstituierungsbedingungen und Ausprä- und Klingemann bereits in den 1960er Jahren da- gungsformen in den Blick zu nehmen, die den von, dass es immer einen gewissen Bodensatz potenziellen Hang zur Aktivierung und Verschär- an rechtsradikalen Einstellungen in Gesellschaf- fung dieser latenten Bewusstseinsform gewis- ten gebe, weshalb sie den Rechtsradikalismus sermaßen begünstigen.13 Die Frage ist also, wie auch als eine „normale Pathologie“11 bezeichneten. dieser Bodensatz verfasst ist, welche strukturel- Bis heute wird darüber gestritten, ob dieser Bo- len und kulturellen Mentalitätsbestände wie aus- densatz in quantitativen Zahlen zu beziffern sei geformt sind und welche potenziellen Polster sie – Scheuch und Klingemann sprachen von knapp gegen Krisenerscheinungen ausgebildet haben, unter zehn Prozent. Aber sie bestimmten schon um auch gegen rigorose Agitatoren abfedernd damals, dass das eigentliche Problem dabei weni- wirken zu können. Ob ein politisches Phänomen ger die Quantifizierung eines solchen Segmentes auch eine dauerhafte Erscheinung wird, hängt sei, sondern dass es vor allem auf die jeweilige davon ab, wie der Resonanzboden beschaffen ist. soziokulturelle Konstituierung dieses Bodensatzes Diese Gemengelage ist in ihrer Überlagerung ankomme. unterschiedlicher gesellschaftlicher Phänomene, Seit Gründung der Bundesrepublik war der politischer Tendenzen und kultureller Faktoren auf dieser Grundlage fußende Rechtsradikalis- ungemein komplex und analytisch kaum sor- mus eine „randständige, weithin einflusslose poli- tierbar. Und auch mit Blick auf den weiter unten tische Subkultur“12. Doch seine Konstituierung hat ausführlicher dargestellten Forschungsstand kann sich heutzutage gewandelt. Der Rechtsradikalis- festgehalten werden, dass die Forschung bezüg- mus zeigt sich aktuell nicht nur organisatorisch lich der erwähnten Entwicklungen bislang keine in unterschiedlichen Formaten, agiert gemäß ver- zufriedenstellenden Antworten geliefert hat und schiedener Strategien, begünstigt und ermutigt vor allem noch unzählige Einzelaspekte umstrit- auch aktionistische und gewaltbereite Gruppie- ten sind. rungen sowie Kader – wie er es immer schon in Um nur ein Beispiel für eine solche Ambiva- unterschiedlicher Ausprägung getan hat –, viel- lenz aufzuzeigen, blicken wir nach Niedersachsen. mehr hat er inzwischen auch einen größeren ge- Natürlich erfolgte die Auswahl dieser Region aus sellschaftlichen Resonanzraum; denn offensicht- forschungsoperativen und -pragmatischen Grün- lich haben sich derzeit die Reichweite und die den – schließlich wurde die „Forschungs- und Ausprägung dieses vermeintlichen Bodensatzes Dokumentationsstelle zur Analyse politischer und erweitert, sodass etwa die AfD inzwischen ein un- gemein großes Wählerpotenzial hat.

13 Die Psychoanalyse sucht im prinzipiell brüchigen Charakter des bürgerlichen Individuums den „see- Salzborn, Samuel: Rechtsextremis- 10 lischen Mechanismus“ (Fromm, Erich: Zum Gefühl mus. Erscheinungsformen und Erklärungs- der Ohnmacht, in: Zeitschrift für Sozialforschung, ansätze, Baden-Baden 2014, S. 7. Jg. 6 (1937), S. 95–119, hier S. 96), also wie das Indivi- duum mit dem „Gefühl der Ohnmacht“ umgeht und 11 Scheuch, Erwin K. / Klingemann, Hans D.: Theo- wie es darauf reagiert. Demgegenüber kann sozial- rie des Rechtsradikalismus in westlichen Indus- wissenschaftliche Forschung lediglich danach fragen, triegesellschaften, in: Ortlieb, Heinz-Diet- welche Formen der Deformationen soziokulturell zu rich / Molitor, Bruno (Hg.): Hamburger Jahr- dieser potenziellen nicht-individuellen Ohnmacht buch für Wirtschafts- und Gesellschaftspoli- führen können bzw. vor welchem gesellschaftspoli- tik, Tübingen, Bd. 12 / 1967, S. 11–29, hier S. 13. tischen Hintergrund die triebstrukturellen Kränkun- gen des Individuums in Projektionen, Kompensatio- 12 Botsch, Gideon: Die extreme Rechte in nen und Rationalisierungsbemühungen umschlagen der Bundesrepublik Deutschland 1949 können; vgl. in diesem Sinne bereits Adorno: Stu- bis heute, Darmstadt 2012, S. 1. dien zum autoritären Charakter, S. 4, S. 12 u. S. 38.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 10 1 Einleitung religiöser Extremismen in Niedersachsen“ (FoDEx) für potenzielle Hochburgenregionen16 der AfD, zur Erforschung der historisch-kulturellen Ent- für sich verstetigende Strukturen rechtsradika- wicklung und deren Bedeutung für die Gegenwart ler Kräfte, für neue Möglichkeits- und Spielräume ebenjenes Bundeslandes initiiert. Aber diese Re- rechtsradikaler Demonstrationspolitik, aber auch gion bietet sich eben auch inhaltlich aus guten für vereinzelte eruptive Gewaltausbrüche, wie den Gründen an: Niedersachsen hat eine lange Tra- Anschlag auf eine Asylunterkunft in Salzhem- dition des politisch erfolgreichen Rechtsradikalis- mendorf im August 2015. Und doch zählt zu die- mus, gelang es doch hier über viele Jahre rechts- sen Ambivalenzen eben auch, dass bspw. die AfD radikalen Strukturen, Organisationen und Asso- auf der einen Seite in bestimmten Regionen elek- ziationen, sich zu vernetzen und ein tief in das toral teils erheblich schlechter abschnitt, als die kulturelle Leben hineinreichendes Wurzelwerk eigentlich günstigen Ausgangsbedingungen er- aufzubauen. Nicht ohne Grund bezeichnete die warten ließen; auf der anderen Seite erzielte sie Historikerin Helga Grebing Niedersachsen einst jedoch in anderen Regionen, unter anderen Vo- als „Stammland des Nachkriegsrechtsradikalis- raussetzungen dann auch in Niedersachsen teils mus“14. Und auch der Historiker Bernd Weisbrod überraschend hohe Stimmenanteile – wie etwa in betonte diese kulturellen Bedingungen, habe es Salzgitter, Delmenhorst oder Wilhelmshaven.17 in Niedersachsen doch wie in kaum einer ande- Diese Diagnose verstärkt grundlegend das Be- ren Region Deutschlands „erstaunlich konstante dürfnis nach tiefergehenden Untersuchungen lo- […] Hochburgen des Rechtsradikalismus vor und kalkultureller Bedingungen für politischen Radi- nach 1945“15 gegeben. kalismus. Das Forschungsinteresse über die Zu- Zwar gibt es diese Performanz heute fraglos sammenhänge von rechtsradikalem Potenzial in nicht mehr, doch bedeutet dies freilich nicht, dass regionalen und lokalen Kontexten hat in den letz- die untergründigen Strukturen, Mechanismen und ten Jahren also aus guten Gründen deutlich zu- Verstrickungen sozialer Praktiken kein Nährboden genommen.18 Die „Forschungs- und Dokumen- für rechtsradikale Formationen sein und bleiben tationsstelle zur Analyse politischer und religiö- könnten – schließlich ist der Erfolg der AfD in ser Extremismen in Niedersachsen“ untersucht seiner gesamten Erscheinung ein Phänomen, das diese Dynamiken zunächst einmal im Kleinen. Sie bis vor Kurzem kaum denkbar schien. Und auch möchte das weite Feld von Themengebieten und die gesellschaftlichen Eruptionen, Dissonanzen potenziellen Gegenständen – fokussiert auf Nie- und Ambiguitäten, die gerade seit der sogenann- dersachsen – sondieren und grundlegende Vor- ten Flüchtlingskrise 2015 offenbar werden, hätte aussetzungen, Bedingungen und Mechanismen man 2010 noch kaum für denkbar gehalten. sowie Ausdrucksformen rechtsradikalen Poten- Freilich: Die verdichteten Momente der Ag- gressivität und des teils leichtfüßigen Umschla- 16 Der Begriff „Hochburg“ ist inhaltlich vage und gens in Gewalt finden sich derzeit verstärkt in analytisch umstritten. Wir verwenden ihn in ostdeutschen Regionen. Aber eben nicht nur. dieser Arbeit, um damit Gebiete und Regio- Auch in Niedersachsen stoßen wir auf Anzeichen nen zu beschreiben, in denen eine Partei rela- tiv konstant hohe Wahlerfolge erzielt, organisa- torisch vernetzt und lokalkulturell verankert ist.

17 Vgl. Finkbeiner, Florian: Mächtiges Überra- schen. Die Crux des AfD-Erfolges am Bei- spiel der Landtagswahl in Niedersachsen 2017, 14 Grebing, Helga: Niedersachsen vor 40 Jahren. Gesell- in: Demokratie-Dialog, H. 2 (2018), S. 80–86. schaftliche Traditionen und politische Neuord- nung, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landes- 18 Beispielsweise die sogenannte Sozialraumanalyse; geschichte, Bd. 60 (1988), S. 213–227, hier S. 224. vgl. Quent, Matthias / Schulz, Peter: Rechtsextremis- mus in lokalen Kontexten. Vier vergleichende Fall- 15 Weisbrod, Bernd: Das 20. Jahrhundert in Nie- studien, Wiesbaden 2015; Luzar, Claudia: Rechts- dersachsen. Eine Einführung, in: Ucker, Bernd extremismus im sozialräumlichen Kontext. Vikti- Ulrich et al. (Hg.): Niedersächsische Geschichte, misierung durch rechtsextreme Gewalt und raum- Göttingen 1997, S. 497–510, hier S. 502. orientierte Opferberatung, Schwalbach / Ts. 2015.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 11 1 Einleitung zials extrapolieren. Indem die vorliegende Studie geschichtlich-gesellschaftliche Prozesse die Be- in einem ersten Schritt historische Entwicklun- deutung von Mentalitäten wie kaum ein anderer gen, Wandlungen und Prozesse in Niedersachsen geprägt hat.20 – und hier vor allem in einzelnen Regionen – kri- Rohe versucht, in der Politischen Kultur, im tisch vergleichend beschreibt, soll eine Grundlage Schnittfeld von Politik und Kultur, in historischen geschaffen werden, auf die dann im weiteren For- und gegenwärtigen Gesellschaften auftretende schungsverlauf aufgebaut werden kann. Probleme und Phänomene zu kontextualisieren.21 In diesem Sinne wird Politische Kultur verstanden als „objektiv-geistiger Strukturzusammenhang“22, also als das gesamtgesellschaftliche Ineinander- 1.1 Rechtsradikalismus in greifen von Sozial- und Deutungskultur. Es geht der politischen Kultur um die Verbindung von Einstellungen (klassische Soziokultur) mit der übergeordneten, die Einstel- Diese historische Beschreibung erscheint zielfüh- lungen prägenden Metakultur als neuer Form der rend, um langfristig an die Tiefendimensionen der Deutungskultur.23 Karl Rohe betont daher gerade Entstehungsbedingungen von politischem Rechts- für die Analyse dieser je spezifisch ausdifferen- radikalismus heranzukommen und gesellschaftli- zierten Metakultur die Eigenheiten von Regionen: che Tendenzen in ihrer Emergenz valide auszu- Jede Region, so Rohe, habe ihre eigene verdich- loten. Gerade deshalb geht es vor allem um den tete Erfahrung, eigene Gewohnheiten, Rituale, Tra- Einfluss von politischen, lokalen und medialen ditionen, also: kulturelle Sinnbezüge. Und daher Konjunkturen. FoDEx zielt langfristig darauf ab, könnte sich für einzelne Regionen auch jeweils die Entwicklung von Einstellungsmustern, Kon- eine unbewusste Lebensweise ausprägen, die junkturen politischer Tendenzen sowie Anknüp- wiederum auf die Soziokultur rückwirken könne, fungsmöglichkeiten rechtsradikalen Gedankenguts also als „regionales Residuum“ zu verbleiben oder wie unter einem Brennglas zu analysieren.19 Vor sich eben auch mit der Zeit aufzulösen vermöge. diesem Hintergrund versteht sich die vorliegende Rohes Perspektive will dem je spezifischen „Ge- Kurzstudie als erster explorativer Schritt auf die- heimnis“24 einer Region zumindest näher kom- sem Weg. men, um die jeweilige Mentalität zu verstehen. FoDEx arbeitet mit den Methoden des Göt- tinger Instituts für Demokratieforschung, indem vor allem die Bedeutung der Politischen Kultur 20 Grundlegend Rohe, Karl: Politische Kultur und der kulturelle Aspekt von politischer Wirklichkeit. Kon- für die Konstituierung politischer Phänomene zeptionelle und typologische Überlegungen zu und deren historisch-kritische Einordnung her- Gegenstand und Fragestellung Politischer Kultur-For- vorgehoben werden. Politische Kultur ist für uns schung, in: Berg-Schlosser, Dirk / Schissler, Jakob (Hg.): nicht einfach nur ein Erklärungsfaktor unter an- Politische Kultur in Deutschland. Bilanz und Pers- deren für Rechtsradikalismus, sondern der ge- pektiven der Forschung, Opladen 1987, S. 39–48. sellschaftliche Austragungsort für Politik über- Vgl. Rohe, Karl: Politische Kultur und ihre Ana- haupt. Und in diesem Ineinandergreifen unter- 21 lyse. Probleme und Perspektiven in der Poli- schiedlicher Prozesse, Entwicklungen und Ten- tischen Kulturforschung, in: Historische Zeit- denzen in der politischen Kultur insgesamt kön- schrift, Bd. 250 (1990), S. 321–346. nen gewisse Dynamiken eine Art Folie und einen Resonanzraum für bestimmte politische Vorstel- 22 Rohe, Karl: Politik. Begriffe und Wirk- lungen und Bewusstseinsformen bilden oder be- lichkeiten: Eine Einführung in das politi- günstigen. Aus diesem Grund schließen wir uns sche Denken, Stuttgart 1994, S. 162. in unserem Verständnis von Politischer Kultur 23 Vgl. Rohe, Karl: Wahlen und Wählertradition vor allem Karl Rohe an, der mit seinem Zugang in Deutschland. Kulturelle Grundlagen deut- und mit spezifischem Einfühlungsvermögen in scher Parteien und Parteiensysteme im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1992, S. 17.

19 Trittel / Micus / Marg / Geiges: Demokratie-Dialog, S. 8 f. 24 Ebd., S. 11.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 12 1 Einleitung

Karl Rohe versteht dabei Mentalität in Anlehnung Bibliothekswände werden dazu gefüllt. Wenn man an Max Weber als eine „mentale Auskristallisie- überhaupt von einer „Rechtsextremismusfor- rung von Kultur“25, also als die Gesamtheit der schung“ sprechen kann, so ergibt sich bei nä- Sinnbezüge in der Deutungskultur spezifischer herer Betrachtung, dass sich dieses Forschungs- Milieus. feld vor allem dadurch auszeichnet, ein Sammel- Diese Auffassung von Politischer Kultur un- surium an interdisziplinären, kaum subsumierba- terscheidet sich grundlegend von anderen Kul- ren Ansätzen zu sein, die sich – streng genom- tur-Ansätzen, da Rohe Kultur in mehreren Dimen- men – oft gegenseitig nicht ergänzen, sondern sionen denkt: Politische Kultur ist statisch und ausschließen.28 Diese Ambiguität zeigt sich schon dynamisch zugleich, kann sich unter bestimmten auf den ersten Blick allein an der namensgeben- Bedingungen leichtfüßig wandeln, aber ebenso den Begrifflichkeit. Die Kontroverse über den Be- ungemeine kulturelle Beharrungskräfte und Resi- griff „Rechtsextremismus“ zwischen ordnungs- lienzen besitzen, die polsternd gegen politische politischem Kategorisierungs- und analytischem Verheißungen wirken können.26 Genau diesen Strukturbegriff verläuft quer durch die politischen tieferreichenden Vorstellungsmustern, die unter Lager.29 der Oberfläche messbarer Einstellungen liegen Die Kombination einer sogenannten Poli- und sich zu einem Sinnzusammenhang verbin- tischen Kulturforschung mit der Erforschung den,27 soll in dieser Studie explorativ zumindest des Rechtsradikalismus ist aufgrund der Diffusi- ansatzweise nachgespürt werden. Dabei versteht tät und weitläufigen Beliebigkeit des Begriffs der sich von selbst, dass eine solche Erfassung auf- Politischen Kultur streng genommen kaum ver- grund ihrer Komplexität an dieser Stelle zunächst breitet. Wie bereits beschrieben, finden sich zwar lediglich in Auszügen erfolgen kann. Insofern ver- steht sich diese Studie als erster Aufschlag, der zwar nicht alle Mechanismen, Sinnbezüge und 28 Um den Überblickscharakter zu wahren, orien- tiefenanalytischen Dynamiken zu erfassen ver- tiert sich diese grobe Einteilung an Winkler, Jürgen mag, doch für das genauere Verständnis der Poli- R. / Jaschke, Hans-Gerd / Falter, Jürgen W.: Einleitung: tischen Kulturen erste Besonderheiten, Auffällig- Stand und Perspektiven der Forschung, in: Dies. keiten, Zusammenhänge und weitere Forschungs- (Hg.): Rechtsextremismus. Ergebnisse und Perspek- tiven der Forschung, Opladen 1996, S. 9–21; Salzborn: fragen eruiert. Rechtsextremismus; Pfahl-Traughber, Armin: Rechts- extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., München 2006; Birzer, Markus: Rechtsextre- mismus – Definitionsmerkmale und Erklärungsan- 1.2 Ein kurzer Blick auf sätze, in: Mecklenburg, Jens (Hg.): Handbuch deut- den Forschungsstand scher Rechtsextremismus, Berlin 1996, S. 72–83; Stöss, Richard: Forschungs- und Erklärungsansätze – ein Überblick, in: Kowalsky, Wolfgang / Schroeder, Wolf- Das Thema „Rechtsextremismus“ im Allgemeinen gang (Hg.): Rechtsextremismus. Einführung und For- ist in der Forschung ein Fass ohne Boden. Ganze schungsbilanz, Opladen 1994, S. 23–66; Stöss, Richard: Rechtsextremismus im Wandel, 3. Aufl., Berlin 2010.

25 Rohe: Wahlen und Wählertradition in Deutschland, 29 Vgl. Neugebauer, Gero: Extremismus, Rechts- S. 16. extremismus, Linksextremismus: Einige Anmer- kungen zu Begriffen, Forschungskonzepten, For- 26 Lösche und Walter zufolge dürfe das „Milieu“ aber schungsfragen und Forschungsergebnissen, in: auch nicht idealisiert oder mythologisiert wer- Schubarth, Wilfried / Stöss, Richard (Hg.): Rechts- den; vgl. Lösche, Peter / Walter, Franz: Katholiken, extremismus in der Bundesrepublik Deutsch- Konservative und Liberale: Milieus und Lebenswel- land. Eine Bilanz, 2000, S. 13–37; Virchow, ten bürgerlicher Parteien in Deutschland während Fabian: „Rechtsextremismus“: Begriffe, Forschungs- des 20. Jahrhunderts, in: Geschichte und Gesell- felder, Kontroversen, in: Ders. / Langebach, Mar- schaft, Jg. 26 (2000), S. 471–492, hier S. 472. tin; Häusler, Alexander (Hg.): Handbuch Rechts- extremismus, Wiesbaden 2016, S. 5–41; Grimm, 27 Rohe, Karl: Politische Kultur und der kulturelle Marc: Rechtsextremismus. Zur Genese und Durch- Aspekt von politischer Wirklichkeit, S. 39 f. setzung eines Konzepts, Weinheim / Basel 2018.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 13 1 Einleitung einige Überlegungen zum Zusammenhang dieser lungen.34 Bis in die 1980er Jahre wurde in ver- Dimensionen; doch wird politische Kultur weithin schiedenen Settings versucht, diese Perspektive tendenziell als statisches Konstrukt und abstrak- weiterzuentwickeln – bspw. durch die Kombina- ter Erklärungsfaktor angesehen.30 Versteht man tion von lokalen Milieustudien, politischen Kultur- hingegen die Politische Kultur als dynamische ansätzen und der Erklärung rechtsradikaler Wahl- gesellschaftliche Dimension, in deren Wechselwir- erfolge.35 Allerdings hat sich daraus in Deutsch- kung das Phänomen „Rechtsextremismus“ einge- land keine eigenständige Forschungstradition bettet ist, fallen viele Forschungsarbeiten bereits entwickelt.36 Residuen dieses „Forschungsansat- aus dem Raster, weil sie diesen Aspekt vor allem zes“ finden sich lediglich noch rudimentär in der statisch betrachten.31 Ist diese Perspektive in den psychoanalytischen, teils sozialpsychologischen USA schon seit den 1950er Jahren weitverbreitet,32 und sozialisationstheoretischen Forschung, die haben – wie bereits erwähnt – in Deutschland vor heutzutage allerdings weitgehend unabhängig allem Peter Dudek und Hans-Gerd Jaschke ver- von sozialwissenschaftlichen Forschungsansätzen sucht, diese Denkrichtung zu etablieren.33 Sie be- operiert.37 tonen besonders die Bedeutung der historisch entwickelten und kulturell geprägten Strukturen einer Gesellschaft als maßgeblichen Ansatzpunkt 34 Salzborn bemerkt, dass diese Grundüberlegung zur Erforschung des „Rechtsextremismus“ und sei- in der Rechtsextremismusforschung zwar weit- ner Einbettung in gesellschaftliche Normvorstel- verbreitet sei, aber in der öffentlichen Debatte kaum vertreten werde, da die „demokratische Mitte“ damit nicht eo ipso losgelöst von einem 30 Andere Forschungsstränge, die mit einem Konzept randständigen „Rechtextremismus“ betrach- der politischen Kultur operieren, fokussieren beson- tet werde; Salzborn: Rechtsextremismus, S. 110. ders auf die Einstellungsforschung. In der Diktion von Rohe entspricht dieses Verständnis von poli- 35 Vgl. Henning, Eike: Das sozialmoralische Milieu tischer Kultur allerdings allein der Ebene der Deu- und seine Ausgestaltung vor Ort: die histori- tungskultur. Insofern unterscheiden sich hier die sche Wahlanalyse kleiner Gemeinden und Stimm- Auffassungen von Politischer Kulturforschung. bezirke, in: Best, Heinrich (Hg.): Politik und Milieu. Wahl- und Elitenforschung im historischen und 31 Dies problematisiert bereits Butterwegge, Chris- interkulturellen Vergleich, St. Katharinen 1989, toph: Ambivalenzen der politischen Kultur, inter- S. 119–154; Stöss, Richard: Rechtsextremismus in mediäre Institutionen und Rechtsextremismus, in: einer geteilten politischen Kultur, in: Niedermayer, Schubarth, Wilfried / Stöss, Richard (Hg.): Rechts- Oskar / Beyme, Klaus von (Hg.): Politische Kultur in extremismus in der Bundesrepublik Deutsch- Ost- und Westdeutschland, Berlin 1994, S. 105–139. land. Eine Bilanz, Bonn 2000, S. 292–313. 36 Vgl. Clemenz, Manfred: Aspekte einer Theorie des 32 Vor allem durch den Ansatz eines „Extremismus der aktuellen Rechtsradikalismus in Deutschland. Eine Mitte“; vgl. Lipset, Seymour Martin: Political Man. sozialpsychologische Kritik, in: König, Hans-Die- The Social Bases of Politics, London 1960. In die- ter (Hg.): Sozialpsychologie des Rechtsextremismus, ser Tradition stehen auch die „Studien zum autori- Frankfurt a. M. 1998, S. 126–176, hier bes. S. 137–144. tären Charakter“, die zwar nicht mit diesen Begriff- lichkeiten arbeiteten, aber durch die Einbeziehung 37 Vgl. Oevermann, Ulrich: Zur soziologischen Erklärung der psychoanalytischen Theorie Freuds und der und öffentlichen Interpretation von Phänomenen der Betonung der kulturellen Einflüsse sowie Wech- Gewalt und des Rechtsextremismus bei Jugendlichen. selwirkungen der Persönlichkeitsstruktur und den Zugleich eine Analyse des kulturnationalen Syn- Einflüssen der Sozialisation ebenfalls intentio- droms, in: König, Hans-Dieter (Hg.): Sozialpsychologie nal ein solches Programm analysierten; vgl. dazu des Rechtsextremismus, Frankfurt a. M. 1998, S. 83–125. Adorno: Studien zum autoritären Charakter. Teilweise sind diese Dimensionen aber auch noch in der interpretativen Sozialforschung, bspw. in Form 33 Vgl. Dudek, Peter / Jaschke, Hans-Gerd: Entste- von Biografie-Rekonstruktionen, verhaftet, wie dies hung und Entwicklung des Rechtsextremismus in häufig in der Analyse von jugendlichem Rechtsextre­ der Bundesrepublik. Zur Tradition einer besonde- mismus Anwendung findet; vgl. Sigl, Johanna: Bio- ren politischen Kultur, Bd. 1, Opladen 1984; Minken- grafische Wandlungen, ehemals organisierter Rechts- berg, Michael: Die neue radikale Rechte im Ver- extremer. Eine biografieanalytische und geschlech- gleich: USA, Frankreich, Deutschland, Opladen 1998. terreflektierende Untersuchung, Wiesbaden 2018;

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 14 1 Einleitung

Unabhängig davon hat in den vergange- der anderen Seite versuchen vor allem aktuellere nen Jahren das Interesse an empirischen Studien Studien, regionale Kontextfaktoren zur Erklärung über „Rechtsextremismus“ in regionalen und loka- des „Rechtsextremismus“ mithilfe von sogenann- len Zusammenhängen zugenommen.38 Dabei fällt ten Sozialraumanalysen zu extrapolieren.40 Dieser vor allem die Varianz der kleinteiligen Ansätze ins Forschungsstrang stellt auch für unser Vorhaben Auge: Auf der einen Seite stehen Studien, die ge- eine wichtige Basis dar, lassen sich damit doch wisse Regionen aufgrund der Performanz rechts- Indikatoren und Grundüberlegungen zur Justie- extremer Phänomene in der Öffentlichkeit aus- rung eines Analyserahmens setzen, auf die später wählen. In diesen Analysen steht die Bedeutung in der Auswertung zurückgegriffen werden kann. des wechselseitigen Zusammenhangs politischer Allerdings kann unter dem Gesichtspunkt der Po- und kultureller Subsysteme im Vordergrund, wes- litischen Kulturforschung einem solchen Design halb oftmals einzelne Gruppen oder Teilkohorten nur eingeschränkt gefolgt werden; denn die Sozi- – wie z. B. Jugendliche – innerhalb eines solchen alraumanalyse erstrebt tendenziell die Erklärung Beziehungsgeflechts herausgegriffen werden.39 Auf eines vermeintlichen „Ist“-Zustands, während Po- litische Kulturforschung auf ein Verständnis eines politisch-kulturellen Mentalitätswandels einer Re- Özsöz, Figen: Rechtsextremistische Gewalttäter im Jugendstrafvollzug. Der Einfluss von Jugendhaft auf gion abzielt.41 Oder einfacher ausgedrückt: Beide rechtsextremistische Orientierungsmuster jugend- Vorgehensweisen folgen einer unterschiedlichen licher Gewalttäter, Berlin 2009; Nölke, Eberhard: Mar- ginalisierung und Rechtsextremismus. Exemplarische Rekonstruktion der Biographie- und Bildungsverläufe von Jugendlichen aus dem Umfeld der rechen Szene, Christian: Regionale Unterschiede im Rechtsext- in: König, Hans-Dieter (Hg.): Sozialpsychologie des remismus Jugendlicher, in: Zeitschrift für Jugend- Rechtsextremismus, Frankfurt a. M. 1998, S. 257–278. kriminalität und Jugendhilfe, H. 2 / 2010, S. 135–145.

38 Vgl. Dülmer, Hermann / Ohr, Dieter: Rechtsextremis- 40 Vgl. Möller, Kurt: Regionale Bedingungsfaktoren des tische Wahlabsicht und regionaler Kontext: Mehr- Rechtsextremismus aus sozialwissenschaftlicher ebenenanalysen zur Rolle sozialer Milieus und und (sozial-)pädagogischer Perspektive, in: Zeit- regionaler Gruppenkonflikte in Deutschland, in: schrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, Politische Vierteljahresschrift, Jg. 49 (2008), H. 3, H. 2 / 2010, S. 159–164. Hierzu zählen vor allem: die S. 491–517; Becker, Reiner / Hafeneger, Benno: Rechts- Studie „Rechtsextremismus im lokalen Kontext“, die extremismus im ländlichen Raum – Im Spannungs- anhand von vier Fallstudien die regionalen Kon- feld von politischer Bildung, Beratung und päd- textfaktoren, die Angebotsstrukturen der extremen agogischer Arbeit mit rechten Jugendlichen, in: Rechten sowie die „rechtsextremen Geländege- Debiel, Stefanie et al. (Hg.): Soziale Arbeit in länd- winne“ und dadurch auch die sogenannten Norma- lichen Räumen, Wiesbaden 2012, S. 147–160. lisierungseffekte untersucht (siehe Quent / Schulz: Rechtsextremismus in lokalen Kontexten); die Stu- 39 Hierzu zählt etwa die Studie „Sozialpsychologie die „Menschenfeindlichkeit in Städten und Gemein- des Rechtsextremismus“, die in den 1990er Jahren den“, welche die sogenannte Gruppenbezogene Jugendliche unter sozialpsychologischen Gesichts- Menschenfeindlichkeit in sozialräumlichen Kontex- punkten in der Region Kärnten untersuchte; siehe ten am Beispiel von Dortmund und Dresden unter- Menschik-Bendele, Jutta / Ottomeyer, Klaus: Sozial- sucht (siehe Grau, Andreas / Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): psychologie des Rechtsextremismus. Entstehung Menschenfeindlichkeit in Städten und Gemeinden, und Veränderung eines Syndroms, Opladen 1998; Weinheim / Basel 2013) sowie die Studie „Rechtsex- aber auch die Studie „Rechtsextremismus und tremismus im sozialräumlichen Kontext“ am Bei- sein Umfeld“, die in den 2000er Jahren Regio- spiel von Dortmund (siehe Luzar: Rechtsextremismus nalanalysen in ökonomisch starken Regionen in im sozialräumlichen Kontext). Noch positivistischer Baden-Württemberg durchführte. Dabei wurden zu Thüringen vgl. Best, Heinrich et al.: Topographie unterschiedliche methodische Ansätze kombiniert, und regionale Kontextanalyse des Rechtsextremis- wie etwa ethnografische Beobachtungen, Fokus- mus in Thüringen, Projektbericht KomRex, Jena 2017. gruppen oder auch speziell an Jugendliche gerich- tete quantitative Fragebögen; vgl. Held, Josef et al. 41 Vgl. Walter, Franz: Analyse von regionalen Teilkul- (Hg.): Rechtsextremismus und sein Umfeld. Eine turen im Zerfall – das Beispiel Sachsen. Göttinger Regionalstudie und die Folgen für die Praxis, Ham- Antwort auf Bochumer Kritik, in: Politische Vier- burg 2008, S. 47. Siehe auch Baier, Dirk / Pfeiffer, teljahresschrift, Jg. 34 (1993), H. 4, S. 674–680.

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Logik und haben jeweils verschiedene Perspekti- ten und Regionen46; doch haben diese zumeist in ven auf einen empirischen Gegenstand. ihrer Anlage und eigentlichen Analyse ganz un- Uns geht es weniger sozialraumanalytisch um terschiedliche empirische Gegenstände und be- eine Positionsbestimmung rechtsradikaler Ak- trachten auch ganz unterschiedliche Phänomene teure innerhalb des Kontextes und deren Erklä- und Zusammenhänge, sodass nur schwerlich von rung durch Extrapolation lokalkultureller Kontext- einer Stringenz gesprochen werden kann. Ein re- faktoren als um das wechselseitige Ineinandergrei- lativ großer Anteil empirisch ausgerichteter For- fen unterschiedlicher Strukturdimensionen inner- schung zu Rechtsradikalismus in regionalen, lo- halb eines „objektiv-geistigen Strukturzusammen- kalen oder kommunalen Kontexten konzentriert hangs“42 – also um die Erklärung gesellschaftlicher sich auf Untersuchungen in den neuen Bundes- Bewusstseinsformen innerhalb der politischen ländern.47 Zu Niedersachsen liegen in dieser Hin- Kultur. Kurzum: Für die Sozialraumanalyse ist Rechtsradikalismus primär eine bereits identifi- zierte Gefahr und ein klar sichtbarer Brandherd, extremismus in Baden-Württemberg im Untersu- dessen Ausbreitung und Problemursachen lokali- chungszeitraum (01.01.1992 bis heute). Phänomene, Hintergründe und Handlungsempfehlungen, Gut- siert werden sollen, weil sie einen vermeintlichen achten für den parlamentarischen Untersuchungs- Bruch mit der „Normalität“ darstellen.43 Für die ausschuss des Landtages von Baden-Württemberg, Politische Kulturforschung ist Rechtsradikalismus Esslingen 2015, URL: https://www.kontextwochenzei- hingegen ein latenter Mentalitätsstrom, der auch tung.de/fileadmin/content/kontext_wochenzeitung/ dann für Veränderung sorgt, wenn er gerade nicht dateien/245/NSU-UA_Gutachten_Moeller.pdf [ein- organisiert, sichtbar und personalisiert identifi- gesehen am 06.12.2018]; zu Hessen vgl. Hafeneger, Benno / Becker, Reiner: Rechte Jugendcliquen in Hes- zierbar ist; denn er ist Teil der lokalspezifischen sen, Schwalbach / Ts. 2007; Hafeneger, Benno / Becker, Politischen Kultur und damit eingebettet in die Reiner: Die extreme Rechte als dörfliches Alltagsphä- jeweilige sozial- wie deutungskulturelle Aushand- nomen. Das Beispiel Hessen, in: Forschungsjournal lung einer vermeintlichen „Normalität“. Neue Soziale Bewegungen, Jg. 21 (2008), H. 4, S. 39–44 Die Betonung der Bedeutung kommunaler oder zu Bremen vgl. Dinse, Jürgen: Zum Rechtsex- Kontextfaktoren für die Entstehung und Ent- tremismus in Bremen. Ursache und Hintergründe der Erfolge rechtsextremer Parteien, Bremen 1992. wicklung rechtsradikaler Phänomene hat insge- samt zwar zugenommen; doch spielen kommu- 46 Beispielweise zu Dortmund vgl. Borstel, Dierk / Luzar, nale Analysen zum Phänomen des „Rechtsext- Claudia / Sundermeyer, Olaf: Rechtsextreme Strukturen remismus“, so urteilte Dierk Borstel schon 2011, in Dortmund. Formationen und neuere Entwicklun- weiterhin eine „eher marginale Rolle“44. Zwar exis- gen. Ein Update 2011, Dortmund 2011; Luzar: Rechts- tieren durchaus einzelne Fallbeispiele aus ein- extremismus im sozialräumlichen Kontext oder zu zelnen Bundesländern45 oder zu speziellen Städ- Berlin vgl. Dorn, Bea et al.: Rechtsextremismus und demokratiegefährdende Phänomene in Berlin-Mar- zahn-Hellersdorf und Möglichkeiten der demokra- tischen Intervention, Berlin 2003. Hervorzuheben Rohe, Karl: Politik. Begriffe und Wirklichkeiten, S. 162. 42 ist demgegenüber die Studie „Die Republikaner im Schatten Deutschlands“, eine Regionalanalyse zu 43 Dies zeigt sich allein schon daran, dass Sozial- Frankfurt a. M., weil sie Wahl- und Sozialstrukturanaly- raumanalysen zumeist genau diejenigen Orte sen theoriegeleitet einbindet; siehe Henning, Eike: Die und Regionen untersuchen, in denen eine starke Republikaner im Schatten Deutschlands. Zur Orga- rechtsradikale Szene existiert, wie etwa Dort- nisation der mentalen Provinz, Frankfurt a. M. 1991. mund, Dresden oder etwas allgemeiner Thüringen. 47 Vgl. Buchstein, Hubertus / Heinrich, Gudrun (Hg.): 44 Borstel, Dierk: „Braun gehört zu bunt dazu!“. Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Demokratie Rechtsextremismus und Demokratie am Bei- und Rechtsextremismus im ländlichen Raum, Schwal- spiel Ostvorpommern, Münster 2011, S. 15. bach / Ts. 2010; Borstel, Dierk / Heinz, Elise / Luzar, Claudia: Demokratieentwicklung in Vorpommern – 45 Hier existieren Studien bspw. zu Baden-Württem- Analyse und Checkliste für die Praxis, Münster 2015; berg; vgl. Held, Josef et al.: Rechtsextremismus und Klärner, Andreas: „Zwischen Militanz und Bürger- sein Umfeld; Möller, Kurt: Überblick über die Struk- lichkeit“. Tendenzen der rechtsextremen Bewe- tur und Entwicklung des Phänomenbereichs Rechts- gung am Beispiel einer ostdeutschen Mittelstadt, in:

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 16 1 Einleitung sicht bislang keine vergleichbaren Untersuchun- men sind. Lediglich lassen sich gesellschaftliche gen vor.48 Insofern kann für das hier vorliegende Rahmenbedingungen in der politischen Kultur für Forschungsinteresse in mehrfacher Hinsicht von diese Eruptionen herausarbeiten.50 einer Forschungslücke gesprochen werden. Politische Kulturforschung setzt an diesem Punkt an, ihre Analyse ist ein Teilaspekt der Be- stimmung von Performanz der heutigen Phäno- mene. Der bereits erwähnte Karl Rohe erweiterte 1.3 Zum Vorgehen: den vor allem von Gabriel A. Almond und Sidney Ein erster Zugriff auf Verba popularisierten Begriff der politischen Kul- die politische Kultur tur, indem er weiter differenzierte zwischen den Ebenen einer politischen Sozial-51 und einer po- Die Debatte, wie sich rechtsradikale Organisatio- litischen Deutungskultur.52 Die Sozialkultur bilde nen, Assoziationen oder Einstellungsmuster ana- eine Art Basis, ein Set an latenten Gewohnhei- lysieren lassen, ist zergliedert und zerstritten. Un- ten, unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten, zählige Perspektiven, Blickwinkel und Zugriffe kurz: an Lebensweisen und Mentalitäten. Diese haben sich in den vergangenen Jahren heraus- seien, nach Rohe, die tradierten Grundüberzeu- kristallisiert und in der Forschungslandschaft in- gungen, die jeweils spezifische kulturelle Behar- stitutionalisieren können.49 Diese in Teilen fest- rungskräfte besäßen, die dem Einzelnen auch gefahrene Auseinandersetzung soll an dieser nicht unbedingt bewusst sein müssten und die Stelle nicht rekapituliert werden, auch wird keine „zumindest für eine Zeitlang nicht in Frage ge- Positionierung darin angestrebt. Vielmehr soll stellt werden“, mithin „die Ermöglichungsvoraus- mit einem der Debatte vorgelagerten Zugriff der setzung allen politischen Lebens darstellen“.53 Blick auf die Voraussetzungen und Bedingun- Demgegenüber sei die Deutungskultur eine Art gen rechtsradikaler Bewusstseinsformen gerichtet „Überbau“, also die öffentlich sichtbare und ma- werden: auf die Verfasstheit der politischen Kul- nifeste Form politischer Artikulation und Interak- tur, der untergründigen Stimmungen und Menta- tion. Der analytische Kniff in Rohes Einteilung be- litätsbestände als gesamtgesellschaftlicher Nähr- steht nun darin, dass beide Ebenen zwar vonein- boden. Denn einig ist sich die Forschung zumin- ander getrennt werden müssen, aber miteinander dest darin, dass die Konditionen für die Virulenz in steter Wechselwirkung stehen. des Rechtsradikalismus, aufgrund der Komplexi- Allerdings: Während sich die Deutungskultur tät dieses Phänomens, nicht genau zu bestim- je nach Konjunktur und politischer Wechselstim- mung relativ schnell wandeln kann, muss dies zugleich nicht deterministisch auch einen lang- Ders. / Kohlstruck, Michael (Hg.): Moderner Rechtsext- fristigen Einfluss auf die Sozialkultur haben. Und remismus in Deutschland, Hamburg 2006, S. 44–67. ebenso umgekehrt kann die jeweilige Verkrustung

48 Zu Niedersachsen existieren bislang nur kleintei- lige Studien zu Einzelphänomenen wie bspw. zum In der Forschung wurde dieser Ansatz vor allem „völkischen Rechtsextremismus“ in Nordost-Nieder- 50 von Dudek und Jaschke geprägt; vgl. Dudek, sachsen; vgl. Nowak, Falk: „Die letzten von gestern, Peter / Jaschke, Hans-Gerd: Entstehung und Ent- die ersten von morgen“? Völkischer Rechtsextremis- wicklung des Rechtsextremismus in der Bun- mus in Niedersachsen, Amadeu Antonio Stiftung, desrepublik. Zur Tradition einer besonde- Hannover 2017. Aus historisch-vergleichender Per- ren politischen Kultur, 2 Bde., Opladen 1984. spektive ist hier allerdings besonders hervorzuhe- ben Weisbrod, Bernd (Hg.): Rechtsradikalismus in der politischen Kultur der Nachkriegszeit: Die verzögerte 51 Um Missverständnissen vorzubeugen: Rohe gebraucht Normalisierung in Niedersachsen, Hannover 1995. die Begriffe „Sozialkultur“ und „Soziokultur“ nicht einheitlich, auch weil sie inhaltlich synonym sind. 49 Zum Überblick vgl. Stöss: Forschungs- und Erklä- rungsansätze; Neugebauer: Einige Anmerkun- 52 Siehe Rohe: Politische Kultur und der kultu- gen zu Begriffen; Salzborn, Samuel: Rechts- relle Aspekt von politischer Wirklichkeit. extremismus. Erscheinungsformen und Erklä- rungsansätze, 2. Aufl., Baden-Baden 2015. 53 Ebd., S. 42.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 17 1 Einleitung in der Sozialkultur auch einen spezifischen Ein- jeweiligen sozialhistorischen, regional-lokalen Deu- fluss auf die jeweilige Ausprägung der Deutungs- tungs​kultur aussagt. Gruppierungen, Organisationen kultur haben. An dieser Stelle gilt es nach Rohe, und Netzwerke sind aufgrund ihrer Artikulations- das gesamtgesellschaftliche Ineinandergreifen von funktion primäre Seismografen für bestimmte le- Sozial- und Deutungskultur zu fassen. Erst in die- bensweltliche Milieus und kulturelle Einstellungs- sem Sinne meint Politische Kultur für Rohe den muster. Ihre Präsenz oder aber auch ihr spezi- erwähnten „objektiv-geistigen Strukturzusammen- fisch-regionaler Zerfall dienen in erster Linie als hang“54, bezeichnet tieferreichende Vorstellungs- Anhaltspunkte auf dem Weg zur Identifikation muster, die unter der Oberfläche messbarer Ein- rechtsradikaler Teilkulturen – auch wenn sich die stellungen liegen und sie zu einem Sinnzusam- Perspektive an dieser Stelle ihrer analytischen menhang verbinden.55 Ein solch umfangreiches Grenzen bewusst ist.56 Es gibt, wieder mit Karl Programm kann im Rahmen dieser Studie freilich Rohe, keinen sozialstrukturellen und keinen histo- kaum geleistet werden; aber Rohes Zugriff kann risch-kulturellen Determinismus, stattdessen sind dennoch als Orientierungsmarke dienen, sodass historische Traditionen und Sinnbezüge ledig- sich Einzelanalysen zumindest in diese Richtung lich „Chancen, die einer Partei zugespielt werden. konzentrieren können. Mehr nicht.“57 Diese Ambivalenzen stellen sich in Grundlegend für eine Fortführung dieses Ge- regionalkulturellen Kontexten teilweise viel deut- dankens ist, die Entwicklung rechtsradikaler Par- licher dar als in großen, überbordenden Betrach- teien und Organisationen in Niedersachsen im tungen.58 Gerade auch im Bundesland Nieder- Längsschnitt zu betrachten. Der Überblick über sachsen zeigen sich historisch „landesspezifische die Ambivalenzen der politischen Kultur und das Charakteristika“59, die zeithistorisch immer wie- Wechselverhältnis zu rechtsradikalen Assoziatio- der unterschiedliche Auswirkungen auf das Aus- nen, Mentalitäten und Bewusstseinsformen sowie maß rechtsradikaler Einstellungsmuster wie auch Milieustrukturen soll eine Art Einstieg und his- auf die Strukturen des politischen Rechtsradika- torisch-ethnografische Folie als Ausgangspunkt lismus hatten. für weiterführende Einordnungen liefern. Im An- schluss an Rohe sind die lokalkulturelle Institu- tionalisierung und die Performanz von Parteien zuvörderst Kristallisationskerne der jeweiligen so- ziohistorischen Verfasstheit der politischen Kul- tur. Parteien und Organisationen verraten insofern zunächst einmal etwas über die Konstituierung der lokalen Deutungskultur. Erst mit einem genaueren, vertiefenden Blick lässt sich also im Anschluss an die Deutungskultur auch potenziell etwas über die tieferliegende Sozialkultur, und damit über die Po- litische Kultur insgesamt, aussagen. Die Analyse von Parteien liefert daher einen 56 Vgl. grundlegend Walter: Analyse von regi- ersten strukturierenden Zugriff auf die Verfasst- onalen Teilkulturen im Zerfall. heit der Deutungskultur. Denn mithilfe der Wahl- erfolge rechtsradikaler Parteien in einzelnen Re- 57 Rohe: Wahlen und Wählertradition in Deutschland, gionen wird ein erstes orientierendes Raster ge- S. 182. schaffen, das etwas über die Beschaffenheit der 58 Vgl. Weisbrod, Bernd: Region und Zeitgeschichte: Das Beispiel Niedersachsen, in: Niedersächsisches Jahr- buch für Landesgeschichte, Bd. 68 (1996), S. 91–105. 54 Rohe: Politik, S. 162. 59 Nentwig, Teresa / Werwath, Christian: Einleitung, 55 Rohe: Politische Kultur und der kulturelle in: Dies. (Hg.): Politik und Regieren in Nieder- Aspekt von politischer Wirklichkeit, S. 39 f. sachsen, Wiesbaden 2016, S. 15–24, hier S. 18.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 18 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen

as Land Niedersachsen bestand „eher konservative[s] Bundesland“63, schließlich nach 1945 aus unterschiedlichsten, arbeiteten noch in den 1960er Jahren rund zwan- teils widersprüchlichen Traditions- zig Prozent der Erwerbspersonen in Niedersach- beständen – versinnbildlicht etwa in sen in der Landwirtschaft.64 den jahrzehntelangen Auseinander- Trotz dieser Ambivalenzen, trotz dieser spezi- setzungen zwischen Hannover und Oldenburg.60 fischen ländlich-geprägten Sozialstruktur galt das DNiedersachsen war von Anbeginn gekennzeich- Land nach 1945 zugleich auch als eine SPD-Hoch- net durch ein „beachtliches Stück an Ungleichzei- burg. Die Sozialdemokraten stellten hier insgesamt tigkeit zwischen der politischen Neuordnung und über vierzig Jahre den Regierungschef, bis heute der ihr graduell nachhinkenden gesellschaftlichen gilt das Land als Kaderschmiede für SPD-Politiker Entwicklung“61. Allein die verschiedenen territo- mit bundespolitischen Ambitionen, wie etwa Kurt rialen Herrschaftstraditionen, die preußische Er- Schumacher, Gerhard Schröder oder Sigmar Gab- fahrungszeit, aber auch der Zusammenbruch der riel.65 Sozialhistorisch betrachtet zeichnet die po- nationalsozialistischen Gau-Satrapien sowie die litische Entwicklung Niedersachsens gerade auch „Flurbereinigung“ der Länder unter britischer Be- aufgrund seiner Flächengröße ein steter lebens- satzung machten das Land Niedersachsen seit weltlicher Konflikt unterschiedlicher Milieus aus. seiner Gründung am 1. November 1946 zu einem Die Konstituierung dieser „sozialmoralischen Mili- „Kunstland“ ohne eigenständiges, einheitliches eus“ (M. Rainer Lepsius) ist sowohl von konfessio- Landesbewusstsein.62 Niedersachsen galt als ein

63 D’Antonio, Oliver: Die CDU in Niedersach- sen, in: Nentwig, Teresa / Werwarth, Chris- tian (Hg.): Politik und Regieren in Niedersach- sen, Wiesbaden 2016, S. 135–158, hier S. 157.

60 Vgl. Reeken, Dietmar von: Ein Land – viele Regionen? 64 Vgl. Schildt, Axel: Landestradition und moderne Landesbewusstsein, Landesintegration und Regio- Lebenswelt. Niedersachsen seit den sechzi- nalkultur in Niedersachsen, in: Nentwig, Teresa / Wer- ger Jahren. Eine Skizze, in: Ucker, Bernd Ulrich warth, Christian (Hg.): Politik und Regieren in Nieder- et al. (Hg.): Niedersächsische Geschichte, Göt- sachsen, Wiesbaden 2016, S. 59–78, hier bes. S. 61 ff. tingen 1997, S. 651–663, hier S. 652.

61 Grebing: Niedersachsen vor 40 Jahren, S. 214. 65 Vgl. Micus, Matthias: Die SPD in Niedersach- sen. Rote Bastion auf tönernen Füßen, in: Nentwig, 62 Vgl. Weisbrod: Das 20. Jahrhun- Teresa / Werwarth, Christian (Hg.): Politik und Regie- dert in Niedersachsen, S. 497. ren in Niedersachsen, Wiesbaden 2016, S. 107–133.

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nellen als auch von soziostrukturellen Kontextfak- 2.1 Parteien in Niedersachsen toren in ihrer geschichtlichen Entwicklung geprägt. in der Nachkriegszeit Im heutigen Niedersachsen lassen sich seit dem 19. Jahrhundert schematisch grob vier Milieu-Aus- Der politisch-kulturelle Wandlungsprozess nach 1945 prägungen identifizieren, die sich freilich regio- verlief in Niedersachsen wesentlich langsamer als nal-lokal nochmals unterschiedlich ausformten66: in West- und Süddeutschland. Die Fixierung auf Der Nordwesten von Oldenburg bis Wittmund war fest umrissene homogene Wählergruppen – wie klassisch liberal, wohingegen der Westen von auch die politische Orientierung insgesamt – Süd-Oldenburg bis Osnabrück und ins Emsland schien hier besonders durch lokale und von regi- katholisch-konservativ geprägt ist; und während onalen Interessen geprägte Politikangebote reprä- die nordöstliche Region von Osterholz bis Lüne- sentiert zu werden. Die Bindung gerade des Bür- burg auf eine lange welfisch-protestantische Tra- gertums an die jeweiligen Repräsentanten hielt dition zurückblickt, sammelte sich in den Indus- aufgrund regionalkultureller Resilienzen wesent- triegebieten im östlichen Braunschweiger Bezirk lich länger an als etwa in den Industrieregionen um Helmstedt, Braunschweig und Salzgitter das West- und Süddeutschlands: „So überlebte im sozialistische Milieu. Alle vier Milieus knüpften niedersächsischen Raum eine spezifische Aus- nach 1945 weitgehend an ihre traditionellen Or- prägung des Parteiensystems, das durch eine vo- ganisationsmuster aus der Weimarer Zeit an und rübergehende Renaissance des Neonazismus und formten dementsprechend unterschiedliche Par- die politische Zersplitterung des Bürgertums ge- teiausprägungen mit.67 kennzeichnet war.“68

Tabelle 1: Niedersächsische Landtagswahlergebnisse 1949-63

SPD CDU DP FDP KPD Zentrum GB / DRP SRP BHE

1947 43,4 19,9 17,7 8,8 5,6 4,1 — 0,3 —

1951 33,7 23,7 8,3 1,8 3,3 14,9 2,2 11,0

1955 35,2 26,6 12,4 7,9 1,3 1,1 11,0 3,8 —

1959 39,5 30,8 12,4 5,2 — 0 8,3 3,6 —

1963 44,9 37,7 2,7 8,8 — — 3,7 1,5 —

Anmerkung: Die CDU trat 1951 zusammen mit der DP als Niederdeutsche Union an. Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Landeswahlleiters; Hucker, Bernd Ulrich; Schubert, Ernst; Weisbrod, Bernd (Hg.): Niedersächsische Geschichte, Göttingen 1997, S. 722

66 Vgl. Grebing: Niedersachsen vor 40 Jahren, S. 220. in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesge- schichte, Bd. 55 (1983), S. 71–97, hier S. 77. 67 Naßmacher, Karl-Heinz: Der Wiederbeginn des politischen Lebens in Niedersachsen. Wählertra- 68 Trittel, Günter J.: Die „verzögerte Normalisierung“: dition, Parteieliten und parlamentarische Aktivi- Zur Entwicklung des niedersächsischen Parteien- tät niedersächsischer Regionalparteien nach 1945, systems in der Nachkriegszeit, in: Ucker, Bernd

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Nach der ersten Bundestagswahl 1949 – und Gruppe der „Vertriebenen“ und „Flüchtlinge“ rund besonders in Niedersachsen – war sofort von „ein Drittel der Nachkriegsbevölkerung“72. Bei der „Weimarer Verhältnissen“ die Rede.69 Schließ- Landtagswahl 1951 hatte der GB / BHE 14,9 Pro- lich gründeten sich hier, zwischen Wilhelmsha- zent erzielt. Sein politisches Profil war in Nie- ven und Göttingen, gleich mehrere Parteien rechts dersachsen insofern besonders, als der GB / BHE der Mitte, die mit teils beachtlichen Ergebnissen seine Politik in der Praxis hier viel stärker als die in die Parlamente einzogen. Ein landeskulturelles Bundespartei an den sozialpolitischen Interessen Spezifikum in der Parteienlandschaft war vor al- seiner Anhänger ausrichtete. Hier war die Partei lem die Deutsche Partei (DP), mit dem konserva- eine wirkliche Klientelpartei; und weil sie primär tiven Cunctator Heinrich Hellwege an der Spitze. nur diesen Interessen verpflichtet war, konnte sie Die DP war die nationalkonservative Konkurrenz auch pragmatischer agieren als andere Landes- zur CDU, vor allem in den protestantischen Gebie- verbände, was ihre politischen Chancen auf Re- ten Niedersachsens, wo ihre organisatorischen gierungsbeteiligungen erhöhte.73 Zentren lagen.70 Hellwege symbolisierte partei- Doch war der GB / BHE nicht die einzige Partei politisch geradezu das landesspezifische Wel- für Vertriebene und Flüchtlinge – sonst wäre er fentum und die anti-preußischen Affekte in den wahlpolitisch vermutlich noch erheblich bedeu- nordöstlichen Teilregionen Niedersachsens. Aber tender gewesen. Denn auch die CDU erzielte bei auch mentalitätsgeschichtlich betrachtet ist die dieser Gruppe eine relativ große Resonanz. In die- DP eine Besonderheit, denn nach 1945 erfuhr das sem nicht unbedeutenden Wählerspektrum zeigte Heimat-Pathos eine ungemeine Verbreitung, wie sich aber auch eine sozialstrukturelle Spaltungsli- es auch die Heimatfilme jener Jahre par excel- nie: Nach Helga Grebing wählten den GB / BHE vor lence ausdrücken. Hellwege wiederum verkörperte allem eher diejenigen Vertriebenen und Flücht- diese Heimat-Sehnsucht und bediente als „Mann linge, die bereits vor ihrer Flucht arm gewesen der Heimat“71 mit der DP ebenjene Bedürfnisse. waren, sowie die Älteren. Die jungen Vertriebenen Insbesondere im Gebiet von Cuxhaven bis Lü- und Flüchtlinge, die nun zwar arm waren, doch chow-Dannenberg versammelte die DP den al- ihre soziale Position aus der Zeit vor ihrer Flucht ten selbstständigen Mittelstand und die bäuer- als Maßstab anlegten, wählten dagegen tendenzi- liche Landbevölkerung hinter sich. Zwar erhielt ell eher gerade nicht den GB / BHE und auch nicht sie bei der Wahl 1955 bloß 12,4 Prozent; aber auf- die SPD, sondern vor allem die CDU.74 grund parteistrategischer Erwägungen der CDU Daneben zählte auch die FDP in Niedersach- wurde Hellwege dennoch zum Ministerpräsidenten sen anfangs zu den Parteien rechts der Mitte. Sie einer Regierungskoalition aus DP, CDU, FDP und trat zwar das Erbe der Deutschen Demokratischen GB / BHE gewählt. Daneben war aber auch gerade Partei (DDP) und der Deutschen Volkspartei (DVP) der GB / BHE (Gesamtdeutscher Block / Bund der in deren alten Wählerhochburgen aus der Wei- Heimatvertriebenen und Entrechteten) in Nieder- marer Zeit – wie Hannover, Oldenburg, Schaum- sachsen politisch erfolgreich. Schließlich bildete burg-Lippe oder Lippe-Detmold – an und fun- Anfang der 1950er Jahre in Niedersachsen die gierte gerade in diesen liberalen Traditionsgebie-

Ulrich et al. (Hg.): Niedersächsische Geschichte, Göttingen 1997, S. 635–650, hier S. 636.

69 Vgl. ebd., S. 635. 72 Weisbrod: Das 20. Jahrhun- dert in Niedersachsen, S. 500. 70 Ritter, Gerhard A. / Niehuss, Merith: Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland. Bundestags- und 73 Vgl. Naßmacher, Karl-Heinz: Andere Parteien in Nie- Landtagswahlen 1946–1987, München 1987, S. 120. dersachsen, in: Nentwig, Teresa / Werwarth, Chris- tian (Hg.): Politik und Regieren in Niedersach- 71 Vgl. Walter, Franz: Rebellen, Propheten und Tabubre- sen, Wiesbaden 2016, S. 203–226, hier S. 210. cher. Politische Aufbrüche und Ernüchterungen im 20. und 21. Jahrhundert, Göttingen 2017, S. 186–215. 74 Vgl. Grebing: Niedersachsen vor 40 Jahren, S. 226.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 21 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen ten zwischen Nord-Oldenburg und Wittmund75 als Bis Mitte der 1950er Jahre kämpfte die FDP „lokale Milieupartei“76. Wie stark eine solche Mi- parteiintern um ihren politischen Kurs. Dies lieubindung sein konnte, zeigt sich etwa daran, zeigte sich etwa in der sogenannten Schlüter-Af- dass die FDP im Wahlkreis Ammerland bei den färe.83 Nachdem die FDP infolge der Landtags- Kommunalwahlen 1948 sogar 48,8 Prozent erzie- wahl 1955 mit CDU, DP und GB / BHE eine Regie- len konnte.77 rungskoalition eingegangen war, entbrannte ein Doch änderte die FDP mit der Zeit ihre Agen- Skandal über den neuen Kultusminister der FDP, da.78 Schließlich war sie nach 1945 zum Teil eben den erst 33-jährigen Leonhard Schlüter. Schlü- auch ein Auffangbecken für ehemalige NSDAP-Mit- ter war in der FDP schnell aufgestiegen, nach- glieder, welche die FDP wegen ihres teils deutsch- dem er zuvor in der DRP aktiv und schon dort nationales Profils79 unterwanderten.80 So stürzte für seine rechtsradikalen Ansichten bekannt ge- der FDP-Verband in Hannover in eine Krise, als die wesen war.84 Der Rektor der Universität Göttingen, britischen Militärbehörden dem Mitbegründer der Emil Woermann, protestierte – unterstützt von dortigen FDP – Walther Hasemann, der seit 1946 Studenten – nach der Ankündigung, dass Schlü- zugleich Landesvorsitzender war – wegen dessen ter neuer Kultusminister werden solle. Zunächst NSDAP-Vergangenheit die Parteiarbeit untersag- suchte Woermann das Gespräch u. a. mit Minis- ten.81 Doch da mit dem Ende des Jahres 1948 zu- terpräsident Hellwege und führenden FDP-Ver- gleich die Kontrollen der politischen Parteien en- tretern. Doch als diese kein Einlenken signalisier- deten,82 konnte Hasemann bis 1949 als Landes- ten und Schlüter schließlich ernannten, traten der vorsitzender der FDP in Niedersachsen arbeiten, Rektor und der Senat von ihren Ämtern in der ehe er in den einzog. akademischen Selbstverwaltung zurück.85 Gerade innerhalb der FDP wurde die Schlü- ter-Affäre zum Lackmustest. Der eine Teil der 75 Vgl. Suckow, Achim: Regionale Traditionen und Rechtsextremismus im nordwestlichen Nieder- Partei forderte seinen Rücktritt, der andere Teil, sachsen, in: Weisbrod, Bernd (Hg.): Rechtsradika- tendenziell stärker aus dem niedersächsischen lismus in der politischen Kultur der Nachkriegs- Landesverband, stärkte dagegen Schlüter den Rü- zeit. Die verzögerte Normalisierung in Nieder- cken.86 Als die Affäre immer heftiger in der Öf- sachsen, Hannover 1995, S. 207–230, hier S. 208. fentlichkeit verhandelt wurde, bot Schlüter letzt- lich doch, am 9. Juni 1955, Ministerpräsident Hell- 76 Rohe: Wahlen und Wählertradition in Deutschland, wege seinen Rücktritt an. Mindestens bis zu die- S. 167. ser Zeit ist die FDP im Parteienspektrum den

77 Vgl. Marten, Heinz-Georg: Die FDP in Niedersachsen. rechtsradikalen Parteien zuzuordnen. Demokratie der ersten Stunde, Hannover 1972, S. 91. Nach 1945 verhinderte zunächst die Lizen- sierungspraxis der Alliierten weitgehend die 78 Vgl. ebd., S. 21. frühe eigenständige Organisation offen beken-

79 Reeken: Ein Land – viele Regionen?, S. 68. 83 Vgl. Nentwig, Teresa / Walter, Franz: Die FDP und 80 Vgl. Treibel, Jan: Die FDP in Niedersachsen. Wand- der latente Antisemitismus der Mitte, in: Ione- lungsfähige Partei mit ungewisser Zukunft, in: scu, Dana / Salzborn, Samuel (Hg.): Antise- Nentwig, Teresa / Werwarth, Christian (Hg.): Politik mitismus in deutschen Parteien, Baden-Ba- und Regieren in Niedersachsen, Wiesbaden 2016, den 2014, S. 195–243, hier S. 202 f. S. 159–175, hier S. 162; vgl. auch Trittel, Gün- ter J.: „Man kann ein Ideal nicht verraten …“ Wer- 84 Marten: Die FDP in Niedersachsen, S. 82. ner Naumann – NS-Ideologie und politische Pra- xis in der frühen Bundesrepublik, Göttingen 2013. 85 Vgl. Nentwig, Teresa: „Kultusminister der vier- zehn Tage“. Der Skandal um Leonhard Schlü- 81 Vgl. Marten: Die FDP in Niedersachsen, S. 32. ter 1955, in: Walter, Franz / Dies. (Hg.): Das gekränkte Gänseliesel. 250 Jahre Skandalgeschich- 82 Zur Entnazifizierung nach 1945 vgl. Stöss, Richard: Die ten in Göttingen, Göttingen 2016, S. 126–138. extreme Rechte in der Bundesrepublik. Entwicklung, Ursachen, Gegenmaßnahmen, Opladen 1989, S. 59 ff. 86 Vgl. Marten: Die FDP in Niedersachsen, S. 84.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 22 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen nender rechtsradikaler Parteien, sodass sich de- genannter Wolfsburg-Schock90 bekannt. Hier er- ren Kader in andere Parteien eingliedern muss- reichte die DRP mit 64,3 Prozent überraschend ten. Doch ab Ende der 1940er Jahre konnten sich die absolute Mehrheit. Die SPD, die noch 1946 bei gerade in Niedersachsen zwei Parteien konstitu- der Kommunalwahl die absolute Mehrheit hinter ieren, die paradigmatisch für den organisierten sich gewusst hatte, wurde aufgrund von Korrup- Rechtsradikalismus in der Nachkriegszeit stehen: tionsaffären sozialdemokratischer Betriebsräte bei die Deutsche Reichspartei und die Sozialistische VW kurzfristig auf 21,8 Prozent abgestraft.91 Doch Reichspartei. kurz nach der Wahl wurde selbige aufgrund von Nach 1945 entstand aus der ehemaligen DNVP Formfehlern annulliert und die Britische Militärre- im norddeutschen Raum die Deutsche Konserva- gierung ließ die DRP nicht wieder zur Wahl zu. tive Partei (DKP). Sie konnte sich aber nur schwer Bei der Bundestagswahl 1949 erzielte die DRP, profilieren, weshalb sie sich nach kurzer Zeit mit nun wieder zugelassen, in Wolfsburg 40,1 Pro- anderen Kleinstparteien zur Deutschen Reichs- zent.92 Daher lässt sich mit Fug und Recht sa- partei (DRP, bundesweit auch als DKP-DRP be- gen, dass Niedersachsen „Stammland und Hoch- kannt) zusammenschloss. Die spätere DRP wurde burg der DRP-Organisation“93 war. Wahlstatistiken schon bald zur „Herberge für Rechtsextremisten zeigen, dass sie organisatorisch dort gut vertreten unterschiedlicher Prägung“87. Hier konnten sich war und auch bei Wahlen „überdurchschnittliche früh ehemalige NSDAP-Mitglieder durchsetzen Stimmenanteile“ erzielen konnte, wo schon „die und ihren Einfluss geltend machen. Einer Gruppe NSDAP besonders früh besonders erfolgreich ge- um Fritz Dorls, Gerhard Krüger, Justus Krause und wesen war“.94 Dies trifft gerade auf jene Gegenden Fritz Rößler, allesamt NSDAP-Mitglieder der ers- zu, in denen es „ländlich-mittelständische Struktu- ten Stunde, gelang es, sich in der DRP gegen ge- ren“ mit „geringer Industrialisierung“ gab, die mit mäßigtere Kräfte durchzusetzen.88 Zu den noch einem „überaus hohen protestantischen Bevölke- relativ moderaten Kräften zählten etwa auch der rungsteil zusammentrafen“.95 zuvor genannte Leonhard Schlüter, der darauf- hin zur FDP ging, oder , der später NPD-Vorsitzender wurde. Die DRP, deren niedersächsischer Landesverband 1951 allein rund 90 Werner, Carina: Die Geburt der Bundesrepub- 1.200 Mitglieder zählte, hatte ihre Anhänger vor- lik, in: ndr.de, URL: https://www.ndr.de/kultur/ nehmlich in „städtischen Krisengebieten“ (wie geschichte/chronologie/Die-Geburt-der-Bun- desrepublik,gruendungbundesrepublik100. bspw. in Wolfsburg und Braunschweig) und teil- html, 14.04.2009 [eingesehen am 06.12.2018]. weise bis hinein in die Arbeiterschaft.89 Von den Gemeindewahlen in Wolfsburg vom 91 Vgl. Kraus, Alexander: Zwischen Bestürzung und 28. November 1948 ging in gewisser Weise ein Fassungslosigkeit. Fremd- und Eigendeutun- Aufbruchssignal für den organisierten Rechtsra- gen des DRP-Wahlsieges von 1948 in Wolfs- dikalismus in Niedersachsen aus, später als so- burg, in: Das Archiv. Zeitung für Wolfsbur- ger Stadtgeschichte, November 2016, S. 1–4.

92 Vgl. Pollmann, Klaus Erich: Traditionen des Rechtsradikalismus im Raum Braunschweig, in: Weisbrod, Bernd (Hg.): Rechtsradikalis- mus in der politischen Kultur Niedersachsens. 87 Schmollinger, Horst W.: Die Deutsche Konser- Die verzögerte Normalisierung in Niedersach- vative Partei-Deutsche Rechtspartei, in: Stöss, sen, Hannover 1995, S. 231–255, hier S. 239 f. Richard (Hg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980, 93 Sowinski, Oliver: Die Deutsche Reichspartei (1950– Bd. 2, Opladen 1986, S. 982–1024, hier S. 982. 1965). Organisation und Ideologie einer rechts- radikalen Partei, Frankfurt a. M. 1998, S. 51. 88 Vgl. Stöss: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik, S. 103 f. 94 Ebd., S. 52.

89 Vgl. Trittel: Die „verzögerte Normalisierung“, S. 645. 95 Ebd., S. 66.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 23 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen

Bei der ersten Bundestagswahl 1949 erzielte lokalen Hochburgen hatte die SRP besonders in die DRP in Niedersachsen 8,1 Prozent und erhielt den Kreisen Wolfsburg, Hameln, Friesland und damit fünf Bundestagsmandate. An der Verteilung Dannenberg.101 Bundesweit zählte die SRP 1951 der Stimmenanteile zeigt sich, in welchen Regionen über 10.000 Mitglieder, allein in Niedersachsen die DRP von spezifischen lokalen Kontextfaktoren waren es über 6.500, also deutlich mehr als die profitieren konnte: Überdurchschnittliche Stim- Hälfte aller Parteimitglieder.102 Die niedersächsi- menanteile erzielte sie besonders in Aurich-Em- sche „Regionalpartei“103 wurde auf der „mittleren den (11,5), Leer (12,7) und Wilhelmshaven (23,7), also und höheren Funktionärsebene fast ausschließ- dem nordwestlichen Weser-Ems-Bezirk. Sie war lich von ehemaligen, im lokalen Umfeld veranker- aber auch im Bezirk Lüneburg in Uelzen (15,3) oder ten ,alten Kämpfern‘ geführt, denen es gelang, so- im Bezirk Braunschweig in Gandersheim-Salzgit- wohl Teile des bäuerlich-mittelständischen Hono- ter (15,5), in Braunschweig-Land / Helmstedt (18,7) ratiorentums von den bürgerlichen Parteien fern- oder in Peine-Gifhorn (16,6) überaus erfolgreich.96 zuhalten als auch größere Anteile eines sozios- In all diesen Regionen verdichtete sich zum Zeit- trukturell höchst inhomogenen Protestpotenzials punkt der Wahl die wirtschaftliche Not im Zusam- an sich zu ziehen“104. Bei den niedersächsischen menhang mit Eingliederungsproblemen der zahl- Landtagswahlen 1951 erhielt die SRP elf Prozent reichen Vertriebenen, weshalb diese Faktoren die und damit 16 Mandate – und dies, obwohl die DRP-Wahlentscheidung begünstigt haben könnten.97 Bundesregierung noch zwei Tage vor der Wahl ei- In ganz Niedersachsen lag die Arbeitslosen- nige SRP-Suborganisationen verboten und einen quote 1949 bei 16,5 Prozent, in DRP-Hochburgen Parteiverbotsantrag angekündigt hatte.105 wie Emden / Stadt mit 23,1 Prozent oder in Wil- Das SRP-Ergebnis war bis hinauf zur Bundes- helmshaven mit 30,7 Prozent sogar noch deut- ebene ein politischer Schock, der kurze Zeit spä- lich höher.98 Auch wenn innerhalb der DRP an- ter auch zum ersten bundesdeutschen Parteiver- fangs ehemalige NSDAP-Mitglieder einigen Ein- botsantrag führte. Zu offensichtlich und manifest fluss ausüben konnten, so waren diese von dem wurde die Präsenz eines hohen gesellschaftlichen programmatischen Profil der Partei dennoch im Anteils rechtsradikaler Mentalitäten als Basis für Grunde enttäuscht: Einige Parteifunktionäre sa- entsprechende politische Organisationen, sodass hen den Kurs der Partei als zu gemäßigt an, so- sie schließlich 1952 vom Bundesverfassungsge- dass sie sich relativ schnell abspalteten und 1949 richt als NSDAP-Nachfolgeorganisation eingestuft die Sozialistische Reichspartei (SRP) gründeten. und verboten wurde. Diese Partei knüpfte an nationalsozialistische Betrachtet man die Wahlergebnisse genauer, Traditionslinien an und hatte, bezeichnender- zeigen sich zugleich aber auch teils deutliche re- weise, gerade auch in Niedersachsen ihre „Hoch- burg“99. Hier lag ihr organisatorischer Schwerpunkt, auch ihre Parteigründung ging von hier aus, ihre 101 Vgl. Büsch, Otto / Furth, Peter: Rechtsradikalis- wichtigsten Parteiführer agierten von hier.100 Ihre mus im Nachkriegsdeutschland. Studien über die Sozialistische Reichspartei (SRP), Ber- lin / Frankfurt a. M. 1957, S. 7–195, hier S. 72.

96 Siehe Dudek / Jaschke: Entstehung und Entwicklung 102 Vgl. Schmollinger: Die Sozialisti- des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, S. 237. sche Reichspartei, S. 2321.

97 Vgl. ebd., S. 238. 103 Vgl. Trittel, Günter J.: Die Sozialistische Reichspar- tei als Niedersächsische Regionalpartei, in: Weisbrod, 98 Vgl. ebd. Bernd (Hg.): Rechtsradikalismus in der politischen Kultur der Nachkriegszeit. Die verzögerte Normali- 99 Vgl. Schmollinger, Horst W.: Die Sozialistische Reichs- sierung in Niedersachsen, Hannover 1995, S. 67–85. partei, in: Stöss, Richard (Hg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945– 104 Trittel: Die „verzögerte Normalisierung“, S. 644. 1980, Bd. 4, Opladen 1986, S. 2274–2336, hier S. 2274. 105 Vgl. Schmollinger: Die Sozialisti- 100 Naßmacher: Andere Parteien in Niedersachsen, S. 212. sche Reichspartei, S. 2311.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 24 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen gionale Unterschiede106: Denn einerseits hatte die Allein dieser kurze Überblick über die un- SRP in 35 Gemeinden sogar die absolute und „in terschiedlichen rechtsradikalen Parteien in der 375 Wahlkreisen die relative Stimmenmehrheit“107 Nachkriegszeit verdeutlicht, mit welch außer- gewonnen; andererseits erhielt sie in vielen Regi- ordentlich hohem rechtsradikalen Potenzial die onen nur Ergebnisse im Promillebereich. Die bes- junge Bundesrepublik, speziell in Niedersachsen, ten Werte erzielte sie etwa im Bezirk Hannover konfrontiert war. Bei der Bundestagswahl 1949 in Diepholz (32,9) oder im Weser-Ems-Bezirk in bemaß sich dieses jenseits von CDU / CSU, SPD Emden / Stadt (23,5). Insgesamt erwies sich beson- und FDP „im Bundesgebiet auf 10,5 Prozent der ders der nordwestliche Teil des Bezirks Lüneburg Wähler“113 – wobei die Stimmen für lizenzierte als SRP-Territorium, in welchem sie ihre besten rechtsradikale Parteien, Stimmen für Vertrie- Ergebnisse hatte, wie bspw. in Bremervörde (32,9), benen-Organisationen und Stimmen für Unab- Lüneburg-Land (29,7), Hadeln (28,0), Verden (27,7), hängige eingerechnet sind. In Niedersachsen lag Rotenburg (27,6) oder Zeven (26,2).108 Schließ- der Anteil noch deutlich über dem Bundesdurch- lich gab es gerade in diesen Regionen eine über- schnitt. durchschnittliche Anzahl von Heimatvertriebe- Allein die bislang genannten Charakteristika nen.109 und lokalkulturellen Spezifika der unterschiedli- Die SRP war also besonders in solchen Re- chen rechtsradikalen Parteien verraten schon ei- gionen erfolgreich, in denen einst die NSDAP re- niges über die Kristallisationsmomente für den lativ früh überdurchschnittliche Ergebnisse er- Antrieb des Rechtsradikalismus. Und in Nieder- zielt hatte, bzw. auch in den Stammlanden der sachsen überlagerten sich nach 1945 geradezu DP.110 Demgegenüber erzielte die SRP schwache paradigmatisch unterschiedliche gesellschaftliche Ergebnisse in katholisch geprägten Regionen und Entwicklungen und ganz spezifische lokalkultu- in Industrieregionen.111 Wahlstatistisch lässt sich relle Folien, die sich in fünf Merkmalen verdich- bei den SRP-Ergebnissen nicht von einem be- ten lassen: stimmten Wählermilieu sprechen.112 Dieser Ab- riss verdeutlicht, dass die SRP und die DRP zwar ■■ Erstens hatte keine konsequente Entnazi- überwiegend in denselben Regionen erfolgreich fizierung auf lokaler Ebene stattgefunden. waren, in denen zuvor schon die NSDAP relativ Zwar hatte es eine solche ebenso wenig in rasch Wahlerfolge hatte erzielen können; er zeigt anderen Bundesländern gegeben; aber in aber auch, dass beide Parteien von jeweils unter- Niedersachsen verschärften die dort gebün- schiedlichen Strukturmomenten profitierten. delten Strukturmerkmale diesen Umstand, sodass hier die ehemaligen NSDAP-Mitglie- der gerade im politischen Leben wieder eine herausgehobene Stellung erlangten. Denn die Vgl. Pollmann: Traditionen des Rechtsradi- 106 regionalen Antreiber für den Aufbau rechts- kalismus im Raum Braunschweig, S. 242. radikaler Strukturen waren schließlich vor allem die „einheimischen Kader der alten 107 Schmollinger: Die Sozialistische Reichspartei, S. 2311. Kämpfer“114. 108 Vgl. ebd. ■■ Zweitens hatte Niedersachsen besonders un- 109 Vgl. Büsch / Furth: Rechtsradikalis- ter mangelnden Strukturreformen und sozia- mus im Nachkriegsdeutschland, S. 98. len Krisen zu leiden. Der Aufbau der zerstör- ten Städte kam nur schleppend voran, was 110 Pollmann: Traditionen des Rechtsradikalismus zu verschärfter Wohnungsnot führte. Über- im Raum Braunschweig, S. 241; vgl. Stöss: Die ext- reme Rechte in der Bundesrepublik, S. 104.

111 Vgl. Schmollinger: Die Sozialisti- 113 Stöss: Die extreme Rechte in der Bun- sche Reichspartei, S. 2312. desrepublik, S. 84.

112 Naßmacher: Andere Parteien in Niedersachsen, S. 213. 114 Grebing: Niedersachsen vor 40 Jahren, S. 224.

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haupt wirkten die wirtschaftlichen Aufbau- gab es zur gleichen Zeit rund 360.000, also hilfen auch aufgrund von politisch-organisa- knapp fünf Prozent.117 torischen Problemen hier teils viel später als Allerdings bestanden starke regionale Un- in strukturstarken Industrieregionen wie etwa terschiede, die darüber entschieden, ob aus in Nordrhein-Westfalen. Hinzu kamen aber dieser „Vertriebenen-Frage“ jeweils grund- auch noch andere, verschärfende Faktoren, legende Probleme erwuchsen. Für Nieder- wie bspw. die Verzögerung der Bodenreform, sachsen lässt sich von einem „Ost-West-Ge- sodass gerade die Landbevölkerung die Klä- fälle“118 sprechen: Nach 1945 konzentrierten rung der Eigentums- und Nutzungsrechte sich die Ballungszentren für Vertriebene an Grundstücken abzuwarten hatte, bis sie aufgrund der geografischen Lage entlang diese bewirtschaften konnte. Nicht zuletzt war gerade die städti- sche Bevölkerung an Nahrungs- Abbildung 1: Verteilung der Vertriebenen und mitteln unterversorgt. Aufgrund Flüchtlinge in Niedersachsen 1945 der Nahrungsmittelknappheit und der gestiegenen Preise ereigneten sich 1950 andauernde Hungerde- monstrationen und Hungerstreiks. Nachdem bspw. das Land Nieder- sachsen 1948 mit seinen Kartof- fellieferungen in Rückstand gera- ten war und mehr Kartoffeln für die eigene Bevölkerung einlagerte, als vorbestimmt war, kürzte das dama- lige Wirtschafts- und Ernährungs- amt zur Strafe die Brotrationen – der darauffolgende Konflikt weitete sich zum bundesweiten „Kartoffel- krieg“ aus.115

■■ Ein spezifisch niedersächsisches Phänomen war drittens die „Flücht- lingsfrage“: Die große Zahl von Hei- matvertriebenen und Flüchtlingen Quelle: Statistische Monatshefte Niedersachsen, Jg. 1 (1947), H. 1, S. 19 bildete eine drängende politische Aufgabe für alle Erstaufnahmelän- der entlang der Grenze zur Sowjeti- schen Besatzungszone116: Niedersach- sen nahm 1950 insgesamt über 1,8 Mil- lionen Vertriebene auf. Dabei hatte das junge Bundesland damals selbst ledig- lich 4,1 Millionen Einwohner – was einer Vertriebenenquote von rund 27 Prozent der Gesamtbevölkerung entsprach; Flüchtlinge 117 Vgl. Ritter / Niehuss: Wahlen in der Bun- desrepublik Deutschland, S. 31.

115 Vgl. Trittel: Die „verzögerte Normalisierung“, S. 638. 118 Parisius, Bernhard: Auf der Suche nach Nischen. Flüchtlinge und Vertriebene im westlichen Nieder- 116 Vgl. Naßmacher: Der Wiederbeginn des poli- sachsen, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landes- tischen Lebens in Niedersachsen. geschichte, Bd. 77 (2005), S. 109–130, hier S. 109.

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der Ostgrenze von Stade, Harburg und Lü- und rabiat. Ministerpräsident Hellwege cha- neburg bis Lüchow-Dannenberg. Auch bis in rakterisierte bspw. sein Bundesland als das den Raum Hannover, von Celle bis Nienburg „Grenzland zum Bolschewismus“ und be- oder Hildesheim, verteilten sich die Ver- zeichnete den Antikommunismus buch- triebenen.119 Zugleich fällt hierbei allerdings stäblich als eine „deutsche Aufgabe unserer auch auf – wohl nur zum Teil auch der blo- niedersächsischen Heimat“.122 ßen Anzahl von Vertriebenen geschuldet –, dass die Regionen unterschiedlich mit den ■■ Und fünftens – darauf deuten die Wahler- Vertriebenen umgingen. Gerade in West-Nie- gebnisse für rechtsradikale Parteien sowohl dersachsen verteilten sich die Flüchtlinge in der Weimarer Zeit als auch nach 1945 stärker auf einzelne regionale Teilgebiete, hin – erfuhr die „nationalsozialistische weshalb hier auch schon von einer „Stär- Blut-und-Boden-Ideologie im Agrarland Nie- kung der Provinz“120 gesprochen wurde. Dem- dersachsen vor allem in den mittelbäuerlich gegenüber sammelten sich die Vertriebenen geprägten ländlichen Eliten eine besondere in Ost-Niedersachsen tendenziell eher in Resonanz“123. Ballungsgebieten, was zu zusätzlichen Integ- rationsproblemen führte.121 Der außerordent- Diese Probleme verloren erst Mitte der 1950er Jahre lich hohe Anteil an Flüchtlingen und Vertrie- merklich an politischer Relevanz. Im Zuge des benen in Niedersachsen verstärkte überdies „Wirtschaftswunders“ wurden soziale Probleme wie das Bedürfnis nach gemeinschaftsstiften- Wohnungs- und Ernährungsmangel spürbar ab- den Momenten – sowohl für die einheimi- gemildert; auch die einsetzende Konsumwelle und sche Bevölkerung als auch für die Zugezo- der Aufbau der zerstörten Städte trugen dazu bei. genen. Und gerade diese Funktion erfüllte Diese „voranschreitende soziale Befriedung“ ent- in der Nachkriegszeit die Imagination der zog „allen rechtsextremen Gruppen“ vordergründig „Heimat“; konnten doch die eingesessenen die „Existenzgrundlage“.124 Niedersachsen in ihren Wunsch nach Heimat eine „heile Welt“ projizieren und die Flücht- linge und Vertriebenen ihre Sehnsucht nach der „alten Heimat“ ausdrücken und sich zu- 2.2 Regionale und milieugeprägte gleich mit ihrer neuen Lage abfinden. Das Wählertraditionen Heimat-Pathos galt zwar für die gesamte Bundesrepublik nach 1945, aber in Nieder- Vor diesem skizzierten Hintergrund lassen sich sachsen drückte es sich durch den überpro- schematisch grob drei niedersächsische Teilre- portional hohen Anteil an Vertriebenen und gionen als rechtsradikale Hochburgen nach 1945 Flüchtlingen besonders stark aus. identifizieren: Erstens war der organisierte Rechts- radikalismus besonders in ländlich-agrarischen ■■ Viertens war der Antikommunismus in Nie- Gebieten mit welfischer Tradition stark. Sowohl dersachsen nicht zuletzt aufgrund der gro- die SRP als auch die DRP erzielten überdurch- ßen Landesgrenze zur DDR gerade im öst- schnittliche Erfolge etwa im Nordosten um Lü- lichen Gebiet ausgesprochen ausgeprägt neburg, Stade, Celle, Bremervörde / Rotenburg und Verden. Die SRP war darüber hinaus zweitens auch in einzelnen Industrieregionen mit sozia- 119 Vgl. Brosius, Dieter: Zur Lage der Flüchtlinge in Nie- listischem Milieu im östlichen Niedersachsen er- dersachsen nach 1945, in: Niedersächsisches Jahr- buch für Landesgeschichte, Bd. 55 (1983), S. 99–113.

120 Parisius: Auf der Suche nach Nischen, S. 124. 122 Zit. nach Reeken: Ein Land – viele Regionen?, S. 73.

121 Vgl. Kaltefleiter, Werner: Wirtschaft und Politik 123 Trittel: Die „verzögerte Normalisierung“, S. 637. in Deutschland. Konjunkturen als Bestimmungs- faktor des Parteiensystems, Köln 1968, S. 127. 124 Ebd., S. 645.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 27 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen folgreich; so erzielte sie etwa in Wolfsburg, Helm- gedrückt: Der Rückbezug zu den Welfen stiftet stedt, Salzgitter und Goslar hohe Ergebnisse. Und Niedersachsen als einem erst 1946 gegründeten schließlich waren rechtsradikale Parteien wie SRP Bundesland einen historisch legitimierten (parti- und DRP drittens gerade auch in liberalen Tradi- ellen) Landesstolz, was bis heute u. a. am Landes- tionsgebieten, wie bspw. in Wilhelmshaven, Witt- wappen („Welfenross“) zu erkennen ist. mund und Nordoldenburg, aber auch in Göttin- Und zugleich ist an dieser milieugeprägten gen-Stadt, überdurchschnittlich stark. Wählertradition auffällig, dass Liberale hier nie Dieser Befund ist erklärungsbedürftig, unter- ein Wurzelwerk hatten aufbauen können. Doch schiedliche regionale und milieugeprägte Wähler- musste diese Welfentradition nicht automatisch traditionen lassen sich identifizieren: Rechtsradi- auch rechtsradikale Parteien begünstigen; denn kale Parteien waren in den 1950er Jahren gerade wo das Welfentum weniger in eine deutsch-na- in den Traditionsgebieten der Deutsch-Hannover- tionale Tradition, sondern eher in eine konserva- schen Partei (DHP) bzw. der späteren DP über- tive Solidargemeinschaft eingebunden war, konn- durchschnittlich erfolgreich. Diese teilweise flie- ten Parteien weit rechts der Mitte, wie die DRP, ßenden Übergänge zeigten sich schon in der Wei- organisatorisch nie Fuß fassen.127 Je genuin kon- marer Zeit etwa in Nienburg, wo die starke pro- servativer und in sich homogener die Teilmilieus testantische und welfische Tradition dazu führte, waren, sodass ihre Selbstabgrenzung nach außen dass die Region eine „deutschnationale Hoch- umso stärker war, wie etwa prototypisch in Celle, burg“ der DNVP und des Stahlhelms wurde.125 Ge- desto schwieriger hatte es etwa die DRP, sich rade in diesen ländlich-protestantischen Gebie- dort zu verankern.128 ten „gehörten die soldatischen Verhaltensweisen Demgegenüber waren die liberalen Milieus im- zum landestypischen Tugendkanon. Hier gedieh mer schon wesentlich fragiler gewesen; denn an- der ,homo harzburgiensis‘, jener männlich-solda- ders als in konservativen oder sozialistischen Mi- tische Typ des bodenständigen Kämpfers, der sich lieus waren bei ihnen schon seit der Kaiserzeit unter Berufung auf die niedersächsischen Stam- Parteibindungen nie besonders tiefgreifend aus- meseigenschaften der nationalen Wiedergeburt geprägt gewesen.129 Auch dadurch erklärt sich, durch politische Säuberung nach innen und wehr- weshalb rechtsradikale Parteien immer schon in hafte Haltung nach außen verschrieben hatte.“126 liberalen Traditionsgebieten im Landesvergleich Schließlich waren die Welfen bis Anfang des überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen konn- 20. Jahrhunderts hinein eines der bedeutendsten ten, wie etwa in Wilhelmshaven oder den Krei- Adelsgeschlechter Europas gewesen. Ihre Dynas- sen Wittmund und Friesland. In diesen libera- tie stellte bis in die Neuzeit Fürsten und Kaiser, len Stammgebieten im nördlichen Weser-Ems- stabilisierte im 18. Jahrhundert die Personalunion Raum taten sich zugleich Sozialdemokraten – so- des Kurfürstentums Hannover mit Großbritannien fern es keine unmittelbaren Industrieorte waren – bis heute gilt das Fürstengeschlecht als kons- wie etwa in Varel, Brake oder Delmenhorst – be- titutives Moment der Historisierung einer „nie- sonders schwer.130 Die linksliberale DDP war von dersächsischen“ Identitätssuche. Das Welfentum steht pars pro toto für eine „invention of tradi- 127 Vgl. Sowinski: Die Deutsche Reichspartei, S. 339. tion“ (Hobsbawm / Ranger), also eine konstruierte Herrschaftslegitimation qua kultureller Adap- 128 Vgl. Bösch, Frank: Das konservative Milieu. tion selektiver Traditionen. Oder einfacher aus- Vereinskultur und lokale Sammlungs- politik in ost- und westdeutschen Regio- nen (1900–1960), Göttingen 2002, S. 185 ff. 125 Steinwascher, Gerd: Politik und Gesell- schaft in der Weimarer Republik, in: Ders. (Hg.): 129 Winkler, Jürgen R.: Sozialstruktur, politische Tradi- Geschichte Niedersachsens. Von der Weima- tionen und Liberalismus. Eine empirische Längs- rer Republik bis zur Wiedervereinigung. Fünf- schnittstudie zur Wahlentwicklung in Deutsch- ter Band, Hannover 2010, S. 21–199, hier S. 65. land 1871–1933, Opladen 1995, S. 438.

126 Weisbrod: Das 20. Jahrhun- 130 Vgl. Steinwascher: Politik und Gesell- dert in Niedersachsen, S. 506. schaft in der Weimarer Republik, S. 50.

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Nord-Oldenburg bis Ostfriesland die Anwältin des kal konsolidiert waren und wo die hohe Anzahl „Bildungs- und Besitzbürgertums, der kleinen und von Vertriebenen und Flüchtlingen nur kurzzeitig mittleren Beamten“131; doch konnte sie nie feste zu Wahlerfolgen des GB / BHE führte, konnten DRP Bindungen zu ihrer Klientel aufbauen, sodass und SRP kaum Erfolge erzielen. Dies ist beispiel- sich zunächst fließende Übergänge zur DNVP er- haft im Raum Goslar zu beobachten: Dort erhielt gaben. In Oldenburg lässt sich während der Wei- der GB / BHE 1951 zwar 16,2 Prozent, aber die DRP marer Jahre so deutlich wie in kaum einer ande- schaffte lediglich 1,9 Prozent und auch die SRP ren Teilregion dieser „Flügelwechsel der bürgerli- blieb mit 8,4 Prozent deutlich unter ihrem Lan- chen Wähler nach rechts“132 studieren. Hier konnte desdurchschnitt.137 die NDSAP binnen kürzester Zeit die Strukturen In den sozialistischen Milieus – nicht nur in und den Wählerstamm der DNVP absorbieren den urbanen Industrieregionen, sondern auch in und usurpieren.133 Aber auch in der Nachkriegs- den Küstenstädten – hatten es Parteien rechts zeit lagen in diesen Gebieten etwa die Ergebnisse der Mitte (erwartungsgemäß) wesentlich schwerer; der SRP über dem Landesdurchschnitt134 – aller- doch auch hier konnten sie je nach lokalkulturel- dings auch hier in unterschiedlichen Ausprägun- len Bedingungen durchaus bestehen.138 Historisch gen: Während DRP und SRP 1951 in den Kreisen betrachtet hatten rechtsradikale Gruppierungen Wittmund und Friesland zusammen 14,9 Prozent kaum eine Chance in Regionen mit einer sozi- erzielten, wählten im benachbarten Wilhelms- aldemokratischen Prägung, konsolidierten Partei- haven auch aufgrund der spezifischen Krisensi- strukturen und gleichzeitig einem gefestigten li- tuation um den ehemals wichtigen Kriegshafen beralen Milieu des prosperierenden Bildungs- und knapp ein Viertel aller Wahlberechtigten diese Besitzbürgertums, wie etwa im südlichen Nieder- Parteien.135 sachsen zwischen Hannover und Göttingen.139 Ex- Der bereits angesprochene Faktor der hohen emplarisch zeigt sich dies besonders im Raum Anzahl von Vertriebenen und Flüchtlingen wirkte Schaumburg-Lippe: Hier kam die SPD in der Wei- sich ebenfalls auf die Wahlerfolge rechtsradika- marer Zeit fast an die absolute Mehrheit heran ler Parteien aus. Allerdings konnten DRP und SRP und auch die linksliberale DDP hatte hier einzelne dieses Potenzial regional jeweils nur dort ab- Zentren.140 schöpfen, wo der GB / BHE lediglich schwach ver- Überhaupt: Schaumburg-Lippe war im Ge- ankert war, wie in den neuen Industriestädten biet des späteren Niedersachsens die einzige Salzgitter oder Wolfsburg.136 Wo sowohl die SPD als auch die CDU parteipolitisch bereits früh lo- 137 Vgl. Roßdeutscher, Reinhard: Wählerverhalten im Vorharz nach dem 2. Weltkrieg. Einflußfaktoren auf die Resultate rechtsextremer Parteien im Vorharz- Steinwascher: Politik und Gesellschaft 131 raum bei Kommunal- und Landtagswahlen in der in der Weimarer Republik, S. 58. Zeit von 1946 bis 1952, Frankfurt a. M. 1990, S. 322.

132 Günther, Wolfgang: Parteien und Wahlen in Nie- 138 Pollmann: Traditionen des Rechtsradikalis- dersachsen während der Weimarer Repub- mus im Raum Braunschweig, S. 243. lik, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landes- geschichte, Bd. 54 (1982), S. 19–43, hier S. 31. 139 Dass dieses Bürgertum aber nicht automatisch gefestigt war, sondern unter geänderten sozialen Ver- Vgl. ebd., S. 38. 133 hältnissen auch durchaus schnell umkippen konnte, zeigt sich exemplarisch an der Situation in Göttin- 134 Vgl. Suckow: Regionale Traditionen und Rechtsext- gen oder auch Northeim in der Weimarer Republik; remismus im nordwestlichen Niedersachsen, S. 225. vgl. Imhoof, David: Becoming a Nazi Town. Culture and Politics in Göttingen between the World Wars, Ann 135 Vgl. ebd. Arbor 2013; Allen, William Sheridan: Das haben wir nicht gewollt. Die nationalsozialistische Machtergrei- 136 Vgl. Klecha, Stephan: Wahlen und Wahlverhal- fung in einer Kleinstadt 1930–1935, Gütersloh 1966. ten in Niedersachsen, in: Nentwig, Teresa / Wer- warth, Christian (Hg.): Politik und Regieren in Nie- 140 Vgl. Steinwascher: Politik und Gesell- dersachsen, Wiesbaden 2016, S. 79-104, hier S. 85. schaft in der Weimarer Republik, S. 58.

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Teilregion, in der die NSDAP erst nach 1933 mit lische Milieu hier unzweifelhaft eine abfedernde 43,4 Prozent stärkste Kraft wurde – in allen an- Wirkung für politische wie kulturelle Verwerfungen deren Regionen war die NSDAP dies spätes- haben konnte, zeigt sich exemplarisch am Raum tens bis 1932.141 Ähnliches gilt auch für Regionen Osnabrück. Während in der Weimarer Zeit im mit einer starken sozialdemokratischen Solidar- sonstigen Gebiet des heutigen Niedersachsens gemeinschaft, wie in den städtischen Wahlkrei- die parteipolitische Radikalisierung und Polari- sen Braunschweigs142 oder Hannovers143. Je brü- sierung gerade auch für Neu- und Erstwähler ab chiger allerdings die inneren Verflechtungen in Mitte der 1920er Jahre sich zuvörderst in Zunah- diesen sozialistischen Milieus zwischen den so- men für die NSDAP und die KPD äußerten, ka- zialdemokratischen Assoziations- und den Par- nalisierte in Osnabrück das Zentrum diese Stim- teistrukturen waren – bspw. im Braunschweiger men.147 In der Nachkriegszeit bauten die Christde- Umland wie an dem bereits erwähnten „Wolfs- mokraten gerade diese katholischen Teilregionen burg-Schock“ ersichtlich –, desto eher konnten zu ihren Hochburgen aus, wo sie bis heute über rechtsradikale Parteien auch hier zumindest be- eine Hausmacht verfügen.148 grenzte Erfolge verbuchen.144 Gerade in den so- Jenseits dieser spezifischen Milieuprägungen zialistischen Milieus im Braunschweiger Bezirk, in beeinflussten freilich auch andere, aber damit zu- denen die SPD für die wirtschaftliche Misere ver- sammenhängende Kontextfaktoren die regionalen antwortlich gemacht wurde, erreichte der GB / BHE Wählertraditionen. Allein die Motivlagen und die 1951 etwa in Helmstedt (22,1) oder im Braunschwei- sozioökonomische Basis unterschieden sich so- ger Land (23,0) überdurchschnittliche Ergebnisse. wohl regional als auch parteilich, wie ein Vergleich Wo die SPD hingegen organisatorisch besonders der DRP-Erfolgsgründe 1949 mit jenen der SRP stark war und der Arbeiterschaft einen vermeint- 1951 verdeutlicht: Der DRP-Erfolg 1949 lag, ähnlich lichen Ausweg anbot, erzielten die Sozialdemokra- den Gründen für den Erfolg des GB / BHE, vor al- ten ihre besten Ergebnisse, wie etwa in der Stadt lem an der verschärften wirtschaftlichen Situation Braunschweig (40,3).145 der Vertriebenen und Flüchtlinge. Kaltefleiter zu- Am resistentesten gegenüber rechtsradikalen folge waren „etwa die Hälfte der DRP-Wähler Ver- Parteien waren eindeutig die katholischen Milieus. triebene“149, die mit der Lizenzierung des GB / BHE In den katholischen Traditionsgebieten der Deut- 1951 dann auch zu dieser Partei wechselten. Die schen Zentrumspartei (DZP) bspw., in den nord- DRP-Erfolge resultierten also auch aus sozialen westlichen Regionen von Süd-Oldenburg bis ins und wirtschaftlichen Konflikten vor allem in Re- Emsland, tendenziell auch im Eichsfeld, konnten gionen, in denen ein großer Anteil von Vertriebe- weder in der Weimarer Zeit noch in der jungen nen und hohe Arbeitslosigkeit zusammentrafen. Bundesrepublik Parteien weit rechts der Mitte Als dritter Faktor kommt allerdings noch die Sozi- nennenswerte Erfolge erzielen.146 Dass das katho- alstruktur hinzu – war doch die DRP in einzelnen Regionen, in denen die beiden ersten Faktoren alleine auftraten, nicht automatisch erfolgreich. 141 Vgl. Günther: Parteien und Wahlen in Nieder- DRP sachsen während der Weimarer Republik, S. 32. Die -Wählerschaft setzte sich zum Teil eben auch aus Handwerk und Industrie zusammen, und 142 Vgl. Pollmann: Traditionen des Rechtsradi- kalismus im Raum Braunschweig, S. 243. sen, S. 217 f.; Naßmacher: Der Wiederbeginn des 143 Vgl. Micus: Die SPD in Niedersachsen, S. 118. politischen Lebens in Niedersachsen, S. 74.

144 Vgl. Pollmann: Traditionen des Rechtsradi- 147 Vgl. Günther: Parteien und Wahlen in Nieder- kalismus im Raum Braunschweig, S. 243. sachsen während der Weimarer Republik, S. 37.

145 Vgl. Klecha: Wahlen und Wahlverhal- 148 Vgl. Ritter / Niehuss: Wahlen in der Bun- ten in Niedersachsen, S. 81. desrepublik Deutschland, S. 80.

146 Vgl. Suckow: Regionale Traditionen und Rechts- 149 Kaltefleiter: Wirtschaft und Poli- extremismus im nordwestlichen Niedersach- tik in Deutschland, S. 134.

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zwar in Urbanisierungsregionen, die evangelisch raus folgt, dass die SRP nicht einfach bloß die waren. Dies spiegelt sich wahlanalytisch auch in elektorale Nachfolge der DRP antrat, sondern der Neigung eines relativ großen Teils der mittel- kurzzeitig auch das Sprachrohr anderer Wähler- ständischen evangelischen Stadtbevölkerung, die schichten war. Grundsätzlich wurden beide Par- DRP zu wählen.150 teien zwar durch ähnliche Wahlstrukturmomente Anders sah das Elektorat der SRP 1951 aus: wie eine relativ hohe Arbeitslosigkeit, einen ho- Zwar war die SRP in denselben Regionen wie zu- hen Vertriebenenanteil und eine mehrheitlich vor die DRP erfolgreich; doch baute sie ihre Er- evangelische Konfession begünstigt; aber in der gebnisse teils deutlich aus. Nach Kaltefleiter hatte Sozialstruktur unterschieden sie sich: Wies die die SRP lediglich etwa die Hälfte ihrer Wähler aus DRP einen relativ hohen Urbanisierungsgrad auf, der ehemaligen DRP-Wählerschaft rekrutiert, die fiel dieser bei der SRP relativ gering aus. andere Hälfte musste also dementsprechend 1949 Daraus folgt, dass dieser Teil der mittelstän- noch für andere Parteien gestimmt haben.151 Da- dischen, evangelischen Stadtbevölkerung zwar 1949 für die DRP votierte, nicht aber 1951 für die SRP. Und ebenso umge- Abbildung 2: Eigene schematische Darstellung zur kehrt: Wählte die evangelische Be- geografischen Ausbreitung des völkerung in den Gebieten mit den Rechtsradikalismus in den 1950er Jahren erstgenannten Faktoren, aber einem geringen Urbanisierungsgrad 1951 die SRP, hatte sie 1949 der DRP ihre

Bezirk Stimme verweigert.152 Lüneburg Aufgrund der langfristigen Prä- gung durch regionale politische Teil- kulturen und unterschiedliche Kon- fessionen wird oft von einem „nie- Oldenburg dersächsischen Sonderweg in der Nachkriegszeit“ gesprochen, von ei- Bezirk Weser-Ems ner „verzögerten Normalisierung“153. Weil die traditionellen Milieu- und Regionalparteien nach 1945 außer- ordentlich stark waren, konnten die Hannover

Osnabrück Braunschweig beiden großen Parteien, SPD wie CDU, Bezirk Hannover keine geerbten Mehrheiten vorfinden. Diese Parteien konnten sich erst nach der Überwindung und Integration wi- Bezirk dersprüchlicher regionaler Politiktra- Hochburgen Braunschweig ditionen ab den 1960er Jahren lan- Gebiete, in denen rechtsradikale Parteien im Vergleich zum Landesdurchschnitt überdurchschnittliche Wahlerfolge erzielten desweit durchsetzen.154 Der politische Aufstieg der CDU ist das Spiegelbild des Nieder- gangs von DZP und DP bzw. auch

152 Vgl. ebd., S. 135.

150 Vgl. Kaltefleiter: Wirtschaft und Poli- 153 Trittel: Die „verzögerte Normalisierung“. tik in Deutschland, S. 134. 154 Vgl. Weisbrod: Das 20. Jahrhun- 151 Siehe ebd., S. 133. dert in Niedersachsen, S. 504.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 31 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen des großen Stimmenverlustes der FDP.155 Die bürgerliche Lager. Dies zeigt sich gerade in den CDU tat sich zu Beginn in Niedersachsen beson- nördlichen Gebieten Niedersachsens, wo sich die ders schwer, überregionale Strukturen aufzubauen CDU erst ab den 1970er Jahren wirklich lokal ver- und Milieugrenzen zu überschreiten.156 Vielmehr ankern konnte.160 Dieser einsetzende bürgerliche bildeten sich dort kleine, regional fragmentierte Sammlungsprozess trug jedenfalls entscheidend CDU-Landesverbände, denen auch nur zögerlich dazu bei, dass der sich organisierende Rechtsra- gelang, den neu postulierten über-konfessionel- dikalismus Mitte der 1950er Jahre seine parteipo- len Charakter der Christdemokraten durchzuset- litische Ausformung einbüßte. zen. CDU-Strukturen konnten sich anfangs ledig- lich dort konsolidieren, wo die Parteifunktionäre entweder in katholische Milieus eingebettet wa- ren – wie im Emsland oder im Eichsfeld –, oder in 2.3 Die NPD als nationale protestantischen Gebieten, in denen das Zentrum Sammlungspartei in faktisch nicht existierte, wie in Braunschweig.157 den 1960er Jahren Eine Innovation und Erfolgsgeschichte sonder- gleichen in der deutschen Parteiengeschichte war Auf der einen Seite dauerte es gerade in Nieder- die erst in den 1950er und 1960er Jahren einset- sachsen aufgrund regionalkultureller Bedingungen zende Entstehung von Volksparteien, paradigma- wesentlich länger, bis das Parteienspektrum sich tisch der Sammlungspartei CDU in ihrer Tendenz, in seiner Dynamik dem bundespolitischen Trend traditionell divergierende Strömungen des Bür- anglich und „normalisierte“. Doch auf der anderen gertums zusammenzubinden. In Niedersachsen Seite war es wiederum Niedersachsen, von wo zog sich dieser Konzentrationsprozess der Christ- aus eine neue rechtsradikale parteipolitische Of- demokraten im Vergleich zum Bundestrend deut- fensive ausging. Zwischen 1966 und 1969 erlebte lich länger hin.158 Der „sich in vielfältigen sozia- der organisierte Rechtsradikalismus eine neuerli- len und politischen Differenzierungen äußernde che Blütephase, gerade auch angesichts der po- Regionalismus, die in diesem Land besonders larisierten Stimmung aufgrund der ersten Großen drückende ‚braune Erblast‘ und die Intensität Koalition ab 1966. der sozialen Krisen waren die wesentlichen Fak- Am 28. wurde in Hannover toren, die die ‚Normalisierung‘ verzögerten“159. In die Nationaldemokratische Partei Deutschlands den 1960er Jahren kamen auf gesellschaftlicher (NPD) als Sammelorganisation für das nationale Ebene sozioökonomische und kulturelle Wand- Lager gegründet. Sie wurde zwar durch ehema- lungsprozesse und Modernisierungsschübe in lige DRP-Funktionäre initiiert; doch damit sich Gang, die auch in Niedersachsen regionale Mili- die Kontinuität der DRP nicht allzu offen zeigte eus schrumpfen, die Säkularisierung voranschrei- und um eine breitere Wählerbasis anzusprechen, ten und die überlieferten regionalen politischen wurde zunächst nicht die eigentliche „Schlüs- Eigenkulturen abschmelzen ließen. Erst in diesen selfigur“161 Adolf von Thadden, sondern Friedrich Jahren wurde die CDU endgültig zur entscheiden- Thielen ihr erster Vorsitzender.162 den Referenz- und Identifikationsgröße für das

160 Vgl. Klecha: Wahlen und Wahlverhal- Siehe Naßmacher: Der Wiederbeginn des poli- 155 ten in Niedersachsen, S. 93. tischen Lebens in Niedersachsen, S. 74.

161 Hoffmann, Uwe: Die NPD. Entwicklung, Organi- Vgl. Walter: Rebellen, Prophe- 156 sation, Struktur, Frankfurt a. M. 1999, S. 77. ten und Tabubrecher, S. 201.

162 Dennoch war die DRP-Prägung offensichtlich. Im Vgl. D’Antonio: Die CDU in Niedersachsen, S. 137. 157 Prinzip war die NPD keine Neugründung, sondern eine „Nachfolgeorganisation, die auch andere poli- 158 Vgl. Trittel: Die „verzögerte Normalisierung“, S. 635. tische Gruppen aufnahm“; Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus. Eine kritische Bestandsauf- 159 Trittel: Die „verzögerte Normalisierung“, S. 648. nahme nach der Wiedervereinigung, Bonn 1993, S. 68.

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Von Thadden war 1921 in Hinterpommern als ten der Neonationalsozialisten.167 Ab 1967 war von Sohn eines adligen Grundbesitzers und Landrats Thadden dann Bundesvorsitzender der NPD. geboren worden.163 Auch aufgrund seiner pietis- Programmatisch gab es zwar durchaus weiter- tischen Familientradition hatte er zeitlebens eine hin offene Bezüge zum Nationalsozialismus, doch starke religiöse Prägung. Seine politische Karri- waren diese weit weniger konstitutiv als etwa ere begann 1947 mit dem Eintritt in die DKP-DRP noch zuvor bei der neonazistischen SRP. In den (Deutsche Konservative Partei - Deutsche Rechts- 1960er Jahren war die NPD primär eine deutsch- partei, später DRP). Bei den Kommunalwahlen 1948 nationale Partei168 – auch wenn ihr ein neofa- erzielte von Thadden in Göttingen 10,8 Prozent schistisches Moment innewohnte.169 Sie erzielte und war dort bis 1958 Stadtverordneter, zeit- auch elektoral relativ hohe Ergebnisse. Nach- weise auch Senator und stellvertretender Bürger- dem sie kurz nach ihrer Gründung 1965 bei der meister. Zugleich zog er für die DRP 1949 in den Bundestagswahl mit 2,0 Prozent immerhin einen niedersächsischen Landtag ein, dem er bis 1953 Achtungserfolg hatte verbuchen können, schaffte und dann wieder ab 1955 angehörte. Anfang der sie es in der Folge, in sieben Landesparlamente 1960er Jahre war von Thadden einer der ent- einzuziehen. Bei der Bundestagswahl 1969 ver- scheidenden Initiatoren der neuen NPD. Er führte fehlte die NPD mit 4,3 Prozent nur knapp den Ein- die alten DRP-Strukturen in die neue Partei ein, zug in den Bundestag. dabei folgten ihm über 3.000 Mitglieder, wes- In Niedersachen – in den 1960er Jahren das halb er von Anfang an eine „Hausmacht“164 in der „Stammland“ der NPD – errang sie 1967 sie- Partei hinter sich wusste und rasch zur zentralen ben Prozent und damit zehn Mandate. Ihr Haupt- Führungsfigur der neuen Partei avancierte.165 sitz lag in Hannover, ihre drei führenden Köpfe – Insgesamt gesehen ist von Thadden wohl die Adolf von Thadden, Hans-Joachim Richard und bedeutendste Gestalt aus den Reihen des „natio- Waldemar Schütz – hatten hier auch ihren Wir- nalen Lagers“ nach 1945. Allein seine rhetorischen, kungsbereich.170 Sicherlich konnte die neue Partei organisatorischen und strategischen Qualitäten in ihrer Gründungsphase auf die Ressourcen in hoben ihn von den anderen Politikern des natio- Niedersachsen zurückgreifen; sie hatte in ihrem nalen Lagers ab.166 Er war zweifelsohne nationa- „Ursprungsland“171 schließlich ihre besten Voraus- listisch und antikommunistisch eingestellt, besaß setzungen. Doch gleichzeitig verschob sich ab 1967 aber eine eigentümlich besitzbürgerliche Ausrich- jenseits des zentralen Wirkungsbereiches der NPD tung, weshalb er im eigenen Lager programmatisch in Niedersachsen der regionale Akzent stetig nach auch durchaus umstritten war – nicht nur vonsei-

167 Vgl. ebd., S. 231.

163 Vgl. Treß, Werner: Adolf von Thadden, in: Benz, 168 Dudek / Jaschke: Entstehung und Entwicklung des Wolfgang (Hg.): Handbuch des Antisemitis- Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, S. 349. mus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegen- wart, Bd. 2.2: Personen, Berlin 2009, S. 822–824. 169 Vgl. Kühnl, Reinhard: Die NPD. Struktur, Programm und Ideologie einer neofaschistischen Partei, Berlin 1967. 164 Treß: Adolf von Thadden, S. 823. 170 Vgl. Röpke, Andrea: „Wir erobern die Städte vom 165 Vgl. Taler, Conrad: Die NPD unter Adolf von Thad- Land aus!“, Schwerpunktaktivitäten der NPD und den, in: Neue Rundschau, Jg. 79 (1968), H. 1, S. 100– Kameradschaftsszene in Niedersachsen, Braun- 111; Rufer, D. [= Jürgen Hahn-Butry]: Adolf von schweig 2005, S. 10. Auch Richards betont, dass Nie- Thadden. Wer ist dieser Mann, Hannover 1969. dersachsen das „Stammland der Rechten“ und damit der NPD gewesen sei; Richards, Fred H.: Die NPD: 166 Vgl. Jesse, Eckhard: Biographisches Port- Alternative oder Wiederkehr?, München 1967, S. 20. rät: Adolf von Thadden, in: Backes, Uwe / Jesse, Eckhard (Hg.): Jahrbuch Extremismus & 171 Richards: Die NPD: Alterna- Demokratie, Jg. 2 (1990), S. 228–238. tive oder Wiederkehr?, S. 23.

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Tabelle 2: NPD-Wahlergebnisse 1965-69

Wahl BTW LTW LTW LTW LTW LTW LTW LTW LTW LTW LTW LTW BTW SL HH NRW HE BY HB NI RP SH BE BW 1965 1965 1966 1966 1966 1966 1967 1967 1967 1967 1967 1968 1969

Prozent 2,0 — 3,9 — 7,9 7,4 8,8 7,0 6,9 5,8 — 9,8 4,3

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben von Landeswahlleitern

Nordrhein-Westfalen und Hessen, später auch ins zur NPD, wenn sie wirtschaftspessimistische Ein- nördliche Bayern.172 stellungen hatten und in wirtschaftlich schwachen In Niedersachsen indes lassen sich wahlana- Regionen lebten, in denen zugleich der Flüchtlings- lytisch einige zentrale Wirkungszentren der NPD und Vertriebenenanteil in der Bevölkerung über- in den 1960er Jahren identifizieren: Zunächst war durchschnittlich hoch war.176 die neue nationale Kraft in denjenigen Regionen Allgemein betrachtet bestand die soziale Zu- überdurchschnittlich erfolgreich, in denen be- sammensetzung der Wählerschaft der NPD über- reits zuvor DRP, SRP und DP Erfolge eingefahren wiegend aus der unteren und oberen Mittel- und untereinander um Einfluss gerungen hatten173 schicht.177 Im bundesweiten Durchschnitt der – vor allem in protestantischen, ländlich-agrari- Wahlen von 1965 bis 1967 hatte die NPD ihr größ- schen Gebieten, die zwar mittelständisch geprägt tes Wählerreservoir unter Arbeitnehmern in klei- waren, aber eine schwache Wirtschaftsstruktur nen Betrieben und unter Selbstständigen.178 Rein- aufwiesen. Bei den Wahlen 1969 schnitt die Par- hard Kühnl betont darüber hinaus, dass die NPD tei im Durchschnitt deutlich besser in den Ge- ihre Anhängerschaft vor allem unter dem alten meinden mit über achtzig Prozent evangelischer und neuen Mittelstand, den kleinen Geschäfts- Bevölkerung ab.174 Dies galt besonders für den Be- leuten und Unternehmern sowie den Angestell- zirk Lüneburg, im Umkreis von Stade und Roten- ten und Beamten, aber auch der Bauernschaft burg bis nach Celle.175 Wähler neigten deutlich eher fand.179 Wie schon zu den regionalen und milieu- geprägten Wählertraditionen bezüglich der DRP- und SRP-Erfolge in den 1950er Jahren festgestellt, 172 Vgl. Hoffmann: Die NPD. Entwicklung, Organisa- tion, Struktur, S. 384 f. Hier hatte sie auch absolut ihre höchsten Mitgliederzahlen; vgl. Schmollinger, 176 Vgl. Schmollinger: Die Nationaldemokra- Horst W.: Die Nationaldemokratische Partei Deutsch- tische Partei Deutschlands, S. 1958. lands, in: Stöss, Richard (Hg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945– 177 Vgl. Hoffmann: Die NPD. Entwick- 1980, Bd. 4, Opladen 1986, S. 1922–1994, hier S. 1974. lung, Organisation, Struktur, S. 366.

173 Vgl. Schmollinger: Die Nationaldemokra- 178 Vgl. Liepelt, Klaus: Anhänger der neuen Rechts- tische Partei Deutschlands, S. 1955. partei. Ein Beitrag zur Diskussion über das Wäh- lerreservoir der NPD, in: Politische Vierteljahres- 174 Vgl. Ritter / Niehuss: Wahlen in der Bun- schrift, Jg. 8 (1967), H. 2, S. 237–271, hier S. 246. desrepublik Deutschland, S. 187. 179 Siehe Kühnl, Reinhard: Die NPD. Analyse rechtsradi- 175 Vgl. Suckow: Regionale Traditionen und Rechtsext- kaler Entwicklungen in der Bundesrepublik, in: Frank- remismus im nordwestlichen Niedersachsen, S. 221. furter Hefte, Jg. 22 (1967), H. 1, S. 22–30, hier S. 22.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 34 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen zeigt sich auch in den 1960er Jahren, dass die 2.4 Rechtsradikale NPD dort Anklang fand, wo die Sozialdemokratie Organisationsversuche in in sozialistischen Milieus Schwierigkeiten hatte, den 1970er und 1980er Jahren ihre Klientelbindungen zu konsolidieren. So kam die NPD bspw. 1967 im Braunschweiger Land auf Nach ihrem kurzzeitigen Höhenflug und ihrem nur immerhin sechs Prozent.180 Richard Stöss betonte knappen Scheitern bei der Bundestagswahl 1969 außerdem, dass der NPD „auch im katholischen löste sich die NPD organisatorisch auf. Das po- Milieu […] beträchtliche Zugewinne“181 gelungen litische Lager rechts der Mitte befand sich aber seien, was für Niedersachsen aber nur bedingt nicht nur deshalb nach 1968 in einer schweren nachzuweisen ist.182 Krise: Der inzwischen manifest gewordene gesell- Nachdem die NPD den Einzug in den Bundes- schaftliche Wandel, die Studentenproteste, die tag knapp verpasst hatte, fiel die Partei in eine linke Politisierung insbesondere junger Kohor- tiefe Krise: Sie zog in keine weiteren Landesparla- ten sowie der einsetzende „Wertewandel“ (Ro- mente ein, die Parteifunktionäre übertrafen sich nald Inglehart) und die Säkularisierung hatten al- gegenseitig in Schuldzuweisungen und vor allem: lesamt zu einer Erosion der Milieustrukturen ge- Der Partei liefen die Mitglieder davon. Zählte die führt. Lokal-regionale Eigenheiten wandelten sich NPD 1969 noch über 28.000 Mitglieder, so wa- hierdurch eindrücklich, die Solidargemeinschaften ren es 1972 bloß noch 14.500 und 1978 lediglich verloren an Bindung: Geschlossene regionale und noch 8.500. Nach innerparteilichen Auseinander- lokale Milieus, wie sie noch zu Zeiten der Weima- setzungen trat Adolf von Thadden 1971 als Partei- rer Republik existierten, lösten sich immer wei- vorsitzender zurück. Sein Nachfolger wurde Mar- ter auf.184 Gerade hierdurch verlor der organisierte tin Mußgnug, der allerdings weder Charisma noch Rechtsradikalismus alter Prägung seine gesell- organisatorisches Geschick besaß und in von schaftlichen Grundlagen. Erst vor dem Hinter- Thaddens Fußstapfen scheitern musste. In der grund des fundamentalen lebensweltlichen Wan- Folgezeit zerfiel die NPD regelrecht, sodass ledig- dels werden die darauffolgenden Entwicklungen lich ein kleiner Stammkern übrig blieb. Aus Ent- nachvollziehbar. Das Spektrum zerfaserte und täuschung spaltete sich ein radikaler, mehr akti- brach in unzählige lose Kleinstgruppierungen und vistisch ausgerichteter Flügel ab, der den parla- Subkulturen auseinander.185 mentarisch-legalistischen Kurs nicht mehr mittra- Dass rechtsradikale Parteien nach 1968 nur gen wollte. In der Folgezeit fielen der „CDU / CSU noch bedingt Wahlerfolge erzielen konnten, ist etwa vier Fünftel der Wählerschaft der NPD zu“183. bloß der an der Oberfläche sichtbare Ausdruck Bei der nächsten Landtagswahl in Niedersach- für nachfolgende tieferliegende Umstrukturie- sen 1970 kam die Partei nur noch auf 3,2 Prozent. rungsprozesse angesichts des einsetzenden Ge- Dies war der Anfang vom vorläufigen Ende der nerationenwechsels: Der deutsche Rechtsradi- neuen nationalen Sammlungspartei. kalismus wandelte nachdrücklich seine Erschei- nungsform – und wurde zunehmend militanter. Anfang der 1980er Jahre sprach der Verfassungs- schutz des Landes Niedersachsen davon, dass sich die NPD seit den 1970er Jahren endgültig zur „führende[n] Kraft des Rechtsextremismus“186 ent- 180 Vgl. Pollmann: Traditionen des Rechtsradi- kalismus im Raum Braunschweig, S. 243. 184 Vgl. Rohe: Wahlen und Wählertradi- 181 Stöss: Die extreme Rechte in der Bun- tion in Deutschland, S. 172. desrepublik, S. 139. 185 Vgl. Botsch, Gideon: Die extreme Rechte in 182 Dieser These widerspricht auch Hoffmann: Die der Bundesrepublik Deutschland. 1949 bis NPD. Entwicklung, Organisation, Struktur, S. 376. heute, Darmstadt 2012, S. 60 f.

183 Stöss: Die extreme Rechte in der Bun- 186 Niedersächsisches Innenministerium: Wehr- desrepublik, S. 141. hafte Demokratie. Verfassungsschutz in Nie-

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 35 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen

wickelt habe. Sie habe diesen erstens program- satorische Zerfallsprozess deutlich bemerkbar. In matisch zumindest äußerlich modifiziert und manchen Kreisen schaffte es die NPD nicht ein- vom tradierten Anhängen am starren National- mal mehr, ihre JN-Gruppen zu halten, und musste sozialismus gelöst. Und zweitens nehme die NPD diese schließlich auflösen.190 Hatte die NPD-Ju- organisatorisch, personell sowie strukturell eine gendorganisation 1970 noch zwischen 1.100 und Vermittlungsfunktion zwischen den verschiede- 1.800 Mitgliedern gezählt, waren es zehn Jahre nen Strömungen, Kräften und Formationen ein. später bundesweit bloß noch 500;191 in Nieder-

Tabelle 3: Niedersächsische Landtagswahlergebnisse 1967–86

SPD CDU DP FDP Grüne DKP NPD

1967 43,1 41,7 — 6,9 — — 7,0

1970 46,3 45,7 0,4 4,4 — 0,4 3,2

1974 43,1 48,8 — 7,0 — 0,4 0,6

1978 42,2 48,7 — 4,2 3,9 0,3 0,4

1982 36,5 50,7 — 5,9 6,5 0,3 —

1986 42,1 44,3 — 6,0 7,1 0,1 —

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben des Landeswahl- leiters und von Hucker, Bernd Ulrich; Schubert, Ernst; Weisbrod, Bernd (Hg.): Niedersächsische Geschichte, Göttingen 1997, S. 722

Retrospektiv betrachtet erstaunt eine solche Ein- sachsen hatte die JN 1977 gerade einmal noch schätzung allerdings.187 Denn die NPD stürzte 150 Mitglieder.192 Kurzum: In der Folge konnte die nach 1969 in eine schwere politische, personelle NPD ihren Anspruch als führende Kraft innerhalb und programmatische Krise, in einen „Dissozia- des organisierten Rechtsradikalismus letztlich tionsprozess“188. Sie war „organisatorisch ausge- nach außen kaum erfüllen, die Partei spielte nur zehrt und fristete in den folgenden Jahren ein noch szeneintern eine Rolle, konnte in der Öffent- lustloses und inaktives Dasein“189. Gerade in Nord- lichkeit kaum Wirkung entfalten, zumal ihr ab den deutschland, besonders aber in Schleswig-Hol- 1970er Jahren auf Bundesebene immer stärkere stein und Niedersachsen, machte sich der organi-

190 Riehl-Heye, Herbert: Die NPD. Leidensge- dersachsen, Hannover 1981, S. 128. schichte einer Rechtspartei, oder: Der Kampf an drei Fronten, in: Benz, Wolfgang (Hg.): Rechts- 187 Zur Kritik an dieser These ausführlich Hoffmann: Die radikalismus: Randerscheinung oder Renais- NPD. Entwicklung, Organisation, Struktur, S. 134–163. sance?, Frankfurt a. M. 1980, S. 127–144, hier S. 137.

188 Schmollinger: Die Nationaldemokrati- 191 Vgl. Stöss: Die extreme Rechte in sche Partei Deutschlands, S. 1928. der Bundesrepublik, S. 146.

189 Stöss: Die extreme Rechte in der Bun- 192 Vgl. Schmollinger: Die Nationaldemokra- desrepublik, S. 145. tische Partei Deutschlands, S. 1978.

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Konkurrenz aus der sich stärker bürgerlich gerie- zeitlich so militant auftretenden jugendlichen Ra- rende DVU des Gerhard Frey erwuchs. dikalismus.196 Das rechtsradikale Spektrum zerfaserte in den Geboren 1955, wuchs er als Einzelkind in ei- 1970er Jahren in unterschiedliche Lager: Von der nem konservativ-katholischen Elternhaus im NPD oder der DVU über die subkulturellen Grup- Rheinland auf. Enttäuscht von der Wahlnieder- pen, die sich als sogenannte ver- lage der NPD 1969 wandte sich Kühnen von die- standen, bis zu den sogenannten Nationalrevolu- ser Partei und ihrer Jugendorganisation (JN) ab tionären und neonazistischen Zirkeln.193 Vor allem und suchte sich zwischenzeitlich konspirativ-ak- das neonazistische Lager, das sich zunehmend tionistische Bezugsgruppen.197 Diese fand er von parteipolitischen Strukturen löste und sich in nach eigener Aussage zunächst in der „Liga ge- unabhängigen Strukturen zu organisieren suchte, gen den Imperialismus“, einer Nebenorganisation verlor deutlich an Anhängerschaft. Gruppierungen der KPD,198 in welcher er Überschneidungen im wie die NSDAP-AO (NSDAP-Auslands- und Auf- Stil und teilweise im Weltanschaulichen mit sei- bauorganisation), die besonders in Hessen und nem „nationalen Sozialismus“ sah.199 Ab Mitte der Niedersachsen aktiv war, mussten erst wieder 1970er Jahre organisierte er sich dann dauerhaft Netzwerke und Kader aufbauen. Der niedersäch- im militanten neonationalsozialistischen Spek- sische Verfassungsschutz sprach zumindest An- trum: zuerst bei der „Aktion Neue Rechte“ und fang der 1980er Jahre von nur noch „rd. 120 Neo- dann bei der „Aktionsgemeinschaft Vierte Partei“. nazis“194. Zuvor war Kühnen, Leutnant bei der Bundeswehr, Doch gleichzeitig radikalisierte sich in jenen wegen rechtsextremer Aktivitäten unehrenhaft Jahren gerade dieses neonazistische Spektrum entlassen worden. Durch seinen Mentor Wolf-Die- und wurde zunehmend militanter.195 Eine her- ter Eckhart, führender Aktivist der NSDAP-AO, ausragende Rolle für die Organisation und Koor- rasch politisiert und gefördert, gründete er ab 1977 dination über die Grenzen dieser Szene hinaus eigene Organisationen wie die Aktionsfront Natio- spielte damals Michael Kühnen. Er war die ent- naler Sozialisten (ANS)200, deren erster „Organisa- scheidende rechtsradikale Führungsfigur mindes- tionsleiter“ er wurde, als der er die ANS zur bis tens Norddeutschlands, seine Aktivitäten gingen dato „wohl auffälligsten und aggressivsten Neona- zumeist vom norddeutschen Raum aus. Kühnen zigruppe“201 seit 1945 ausbaute. wurde einer der letzten Apologeten der NSDAP, stets war sein großes politisches Ziel der Wieder- 196 Vgl. die tendenziöse Studie von Bräuninger, aufbau dieser Partei in der Bundesrepublik. Die Werner: Kühnen. Porträt einer deutschen Kar- nach ihm benannte „Kühnen-Bewegung“ mar- riere. Die Biografie, Bad Schussenried 2016. kierte in jenen Jahren einen grundlegenden Ge- nerationen-, Führungs- und Taktikwechsel des or- 197 Vgl. Erb, Rainer: Kühnen, Michael, in: Benz, Wolf- ganisierten Rechtsradikalismus. Kühnen war die gang (Hg.): Handbuch des Antisemitismus. große charismatische Galionsfigur des zwischen- Judenfeindschaft in Geschichte und Gegen- wart, Bd. 8, Berlin 2015, S. 89–92, hier S. 90.

193 Vgl. Botsch: Die extreme Rechte in der Bundes- 198 Vgl. Graf, Werner: „Wir hatten nur sechs Jahre Zeit“. republik Deutschland, S. 63 f; Finkbeiner, Florian: Michael Kühnens nationaler Sozialismus, in: Ders. und die Frühgeschichte der „Neuen (Hg.): „Wenn ich die Regierung wäre …“ Die rechts- Rechten“ in der Bundesrepublik Deutschland. Zum radikale Bedrohung, Bonn 1984, S. 38–53, hier S. 51 f. Wandel von Konservatismus, Nationalismus und Rechtsextremismus, in: Pfahl-Traughber, Armin 199 Vgl. Graf: „Wir hatten nur sechs Jahre Zeit“. (Hg.): Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismus- forschung 2015 / 16 (I), Brühl 2016, S. 209–233. 200 Vgl. Jaschke, Hans-Gerd: Biographisches Port- rät: Michael Kühnen, in: Backes, Uwe / Jesse, Eck- 194 Niedersächsisches Innenministe- hard (Hg.): Jahrbuch Extremismus & Demo- rium: Wehrhafte Demokratie, S. 141. kratie, Bd. 4 (1992), S. 168–180, hier S. 171.

195 Siehe Stöss: Die extreme Rechte in 201 Di Lorenzo, Giovanni: Wer, bitte, ist Michael Küh- der Bundesrepublik, S. 153. nen? Beschreibung eines Phänomens, in: Benz,

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Die Kühnen-Gruppe marschierte nun in SA- in Cottbus beobachten ließ, als Kühnens Fest- ähnlichen​ Uniformen auf, provozierte mit öffent- nahme von der ARD gefilmt wurde. Vor allem auf- lichkeitswirksamen Aktionen,202 verübte Gewalt- grund dieser medialen Resonanz wurde Kühnen und Straftaten; allein Kühnen wurde im ersten in den 1980er Jahren neben Karl-Heinz Hoffmann Halbjahr 1978 insgesamt 18-mal festgenommen.203 (Wehrsportgruppe Hoffmann), dem Rechtsanwalt Nicht mehr die Älteren, ehemaligen NSDAP-Mit- und eine der glieder prägten nun das Bild, sondern eine junge, zentralen Leitfiguren des neonazistischen Lagers. nachwachsende Generation. Kühnen strebte auch Anfang der 1980er Jahre befand sich das als Erster deren strukturellen Ausbau an, indem rechtsradikale Spektrum bundesweit in einer er national-revolutionäre, anarchistische und an- Orientierungs- und Findungsphase, gepaart mit dere Subkulturen wie Hooligans und Skinheads einem neuerlichen Auftrieb des organisierten anzusprechen und zu integrieren versuchte. Rechtsradikalismus.206 Diese Phase wird teilweise Kühnen besaß ein charismatisches und rheto- auch als eine Art „Inkubationszeit“207 beschrie- risches Talent, war darüber hinaus aber auch ein ben. Die NPD änderte in jenen Jahren ihre Tak- geschickter Organisator und Netzwerker. Neben tik und Programmatik. Sie trat nun außenpolitisch den Gruppen, die er selbst leitete, unterstützte für Blockfreiheit und Neutralität ein, suchte einen er zugleich andere Zusammenschlüsse wie etwa dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommu- die Nationalistische Front (NF)204, baute Kontakte nismus und propagierte eine vermeintliche Ab- der neonazistischen Szene ins Ausland auf oder kehr vom biologischen Rassismus durch den so- gründete taktisch verschiedene Gruppen teilweise genannten Ethnopluralismus.208 Auch strategisch parallel, um strafrechtlichen Verbotsmaßnahmen kam der NPD ab Mitte der 1980er Jahre inner- zuvorzukommen und dafür fließend Ersatzorgani- halb der Subkultur des rechtsradikalen Spekt- sationen bereitzustellen, vor allem in Niedersach- rums wieder eine gewisse Rolle zu, da sie bei der sen und Hamburg.205 Er zog mediale Aufmerksam- Europa-Wahl 1984 mit 0,8 Prozent zumindest in keit auf sich – sei es durch unangekündigte öf- den Promillebereich kam, was sie in den Genuss fentlich-provozierende Aktionen, Interviews oder der Wahlkampfkostenerstattung brachte. medienwirksame Verhaftungen, wie sie sich auf Wie ernüchtert das politische Spektrum rechts einem von ihm inszenierten Parteitag im Juli 1990 der Mitte bis zu dieser Zeit gewesen sein muss, lässt sich schon daran erkennen, dass dieser be- scheidene Wahlerfolg der NPD genügte, um für Wolfgang (Hg.): Rechtsextremismus in der Bundes- Bündnispartner wieder relativ attraktiv zu wer- republik. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wir- den, wie sich etwa auch an der neuen Koope- kungen, Frankfurt a. M. 1989, S. 232–247, hier S. 237. ration mit der DVU zeigte. Auch die Mitglieder-

202 Michael Kühnen wurde bundespolitisch bereits 1978 zahlen stiegen Ende der 1980er Jahre wieder auf durch die sogenannte Eselmaskenaktion bekannt: über 7.000 an. Allein in Niedersachsen hatte die Kühnen und einige seiner ANS-Anhänger demons- NPD 1981 etwa 800 Mitglieder. Laut niedersächsi- trierten in Hamburg mit Eselmasken und Papp- schem Innenministerium konzentrierten sich die schildern, auf denen stand: „Ich Esel glaube noch, Aktivitäten der NPD in den 1980er Jahren auf fol- daß in deutschen KZs Juden vergast wurden“. Jour- nalisten dokumentierten die anschließende Ver- haftung und berichteten mehrere Tage über die Aktion und den jungen Neonazi-Anführer.

203 Vgl. Jaschke: Biographisches Port- rät: Michael Kühnen, S. 171. 206 Vgl. Stöss: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik, S. 9. 204 Vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, S. 92. 207 Leggewie, Claus: Druck von rechts. Wohin treibt 205 Vgl. Kniest, Karl: Die „Kühnen-Bewegung“. Darstel- die Bundesrepublik?, München 1993, S. 100. lung, Analyse und Einordnung. Ein Beitrag zur deut- schen und europäischen Geschichte des Rechts- 208 Vgl. Botsch: Die extreme Rechte in der Bun- extremismus, Frankfurt a. M. 2000, S. 37 ff. desrepublik Deutschland, S. 88.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 38 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen gende Regionen:209 im Bezirk Lüneburg vor allem scheidung; der andere Flügel um Jürgen Mos- in Celle, Harburg-Land, Lüneburg und Stade; im ler lehnte Homosexualität als „Abnormalität“ ab. Bezirk Weser-Ems in Oldenburg und im Bezirk Die Spaltung entlang der Homosexualitätsfrage Braunschweig in Northeim. fand ironischerweise Analogien in einer ideologi- Zwischenzeitlich erlebte eine neue Partei im schen Frage zum Verständnis des Nationalsozia- rechtsradikalen Spektrum einen Höhenflug: Die lismus. Während Kühnen sich offen immer an der Republikaner (REP), gegründet von ehemaligen Röhm-SA orientierte, verstand sich Mosler immer Christdemokraten um Franz Handlos und Franz stärker in der Tradition der SS.211 Die Gräben ver- Schönhuber, wurden für kurze Zeit zur neuen tieften sich gegen Ende der 1980er Jahre, Kühnen Sammelbewegung für frustrierte Bürgerliche bis geriet immer stärker in eine Isolation.212 Die end- weit rechts der Mitte. Diese neue Partei erzielte gültige Spaltung dieser Flügel zeigte sich sym- Ende der 1980er Jahre durchaus beachtliche Er- bolisch, als der 100. Geburtstag von folge in Berlin (7,5 Prozent) oder bei der Europa- im April 1989 zwar gemeinsam propagiert, aber wahl (7,1 Prozent). Auf Bundesebene erlangte sie die Gedenkveranstaltungen getrennt voneinander zumindest eine gewisse Bedeutung, tat sich in durchgeführt wurden. Niedersachsen allerdings besonders schwer. Dort Diese innerszenische Auseinandersetzung be- schaffte sie es kaum, organisatorische Struktu- traf freilich nur einen kleinen Teil des Rechtsra- ren aufzubauen; ihre Mitgliederstärke blieb deut- dikalismus, kann aber dennoch als übergeord- lich hinter dem Bundestrend und auch elektoral net symptomatisch für die Situation des rechts- konnte sie hier kaum vergleichbare Erfolge er- radikalen Lagers angesehen werden. Denn diese zielen: Bei der Landtagswahl 1986 konnte sie aus Zerwürfnisse strahlten auf die weiteren Entwick- organisatorischen Gründen nicht antreten und lungen aus. Mitte der 1980er Jahre avancierte selbst 1990 erzielte sie lediglich 1,5 Prozent.210 Die die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FA P ) genauen Gründe für das vergleichsweise schlechte zu der Partei des neonationalsozialistischen La- Abschneiden der Republikaner ausgerechnet in gers. Zwar schon 1979 von Martin Pape gegrün- Niedersachsen sind bis heute nur unzureichend det, blieb diese Kleinstpartei zunächst bedeu- erforscht. tungslos. Erst infolge des ANS-NA-Verbots 1983 Gegen Ende der 1980er Jahre diversifizierte änderte sich die Situation: Denn Michael Kühnen sich das rechtsradikale Lager endgültig. Die ein- ließ seine Kader systematisch die FA P -Strukturen zelnen Strömungen und Gruppierungen, die sich infiltrieren, ohne dabei selbst der FA P beizutre- nicht in Parteien organisierten – was gerade für ten. Dieser „Taktikwechsel“213 zielte darauf ab, un- das neonazistische Spektrum galt –, entfernten ter dem Schutz einer legalen Partei das NS-Ver- sich immer weiter voneinander. Aber nicht nur bot zu umgehen. Die Mitgliederzahl der FA P stieg zwischen diesen Teilströmungen, sondern auch hierdurch Mitte der 1980er Jahre auf über 500 an. innerhalb dieser Lager kam es zu immer stärke- Der Konflikt um Kühnen ab 1986 wirkte sich di- ren Grabenkämpfen. Die aus der ANS ausgebaute rekt auf die weiteren Konstituierungsprozesse der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten / Nationale Ak- FA P aus. Das Kühnen-Lager wurde formal aus der tivisten“ (ANS-NA) wurde 1983 verboten und or- ganisierte sich von da an als „Bewegung“, spal- tete sich allerdings 1986 aufgrund der Personalie 211 Vgl. Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, S. 81. Kühnen. Anlass war eine Auseinandersetzung um dessen Homosexualität: Der eine Flügel um Küh- 212 Einige ehemalige Kühnen-Anhänger wechsel- nen sah Homosexualität lediglich als eine Form ten die Fronten, liefen zu Mosler über, sodass sich der Sexualität und damit als private Moralent- Kühnen immer mehr isolierte. Nach Schätzun- gen soll das Mosler-Lager 1989 mit rund 350 Mit- gliedern deutlich stärker als das Kühnen-Lager 209 Siehe Niedersächsisches Innenministe- mit rund 130 Mitgliedern gewesen sein (vgl. ebd.). rium: Wehrhafte Demokratie, S. 141. Andere Quellen sprechen von 170 Kühnen-Anhän- gern; vgl. Kniest: Die „Kühnen-Bewegung“, S. 103. 210 Vgl. Stöss: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik, S. 202. 213 Kniest: Die „Kühnen-Bewegung“, S. 99.

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FA P ausgegrenzt. Doch nachdem Mosler den in- ren Einstieg in die Szene.217 Michael S. beschrieb nerparteilichen Machtkampf gegen den damals vor dem Untersuchungsausschuss Karl Polacek so- neu gewählten Vorsitzenden Friedhelm Busse, gar als seinen „politischen Ziehvater“218. Dass die der zuvor Leiter der neonationalsozialistischen FA P sich gerade im südlichen Niedersachsen or- Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands / Par- ganisierte, lag vor allem auch daran, dass Polacek tei der Arbeit (VSBD / PdA) gewesen war, verloren Ende der 1980er Jahre in Mackenrode bei Göttin- hatte, verließ auch das Mosler-Lager die Par- gen wohnte, die dortigen Strukturen und Netz- tei. Infolge der zunehmenden Isolierung Kühnens werke kannte.219 Während die Bundes-FA P immer gründete dieser neue Parallelorganisationen wie stärker auseinanderfiel und 1991 bloß noch rund etwa die kurze Zeit später wieder verbotene Na- 150 Mitglieder zählte220, konnten sich in Hessen tionale Sammlung (NS)214 oder die Gesinnungs- und Niedersachsen einzelne FA P -Strukturen wei- gemeinschaft der Neuen Front (GdNF). Mit diesen ter konsolidieren. Initiativen protegierte Kühnen zugleich zwei junge Was lässt sich nun aus den rechtsradikalen Anhänger und Kader, die ab den 1990er Jah- Organisationsversuchen jener Jahre für überge- ren – nach seinem Tod 1991 infolge einer Aids-Er- ordnete Aussagen über regionalspezifische Kon- krankung – einigen Einfluss auf die rechtsradikale textfaktoren und deutungskulturelle Determinan- Szene haben sollten: und Thomas ten rechtsradikaler Einstellungsmuster ableiten („Steiner“) Wulff. Bis heute wird Michael Kühnen bzw. welche regionalen Schwerpunkte lassen sich in der Szene verehrt, sein Mythos von früheren identifizieren? Weggefährten wie Thomas Brehl oder Otto Riehs Mit der Erosion der klassischen sozialmo- weiterhin mit Fest- und Erinnerungsschriften ge- ralischen Milieus, mit der Entlokalisierung ein- pflegt.215 zelner Regionen und der Performanz des deut- Auch wenn die FA P bei Wahlen nie nennens- schen Parteiensystems221 lässt sich ab den 1970er werte Erfolge verbuchen konnte – sie blieb meist und 1980er Jahren kaum mehr von „Hochburgen“ bei rund 0,1 Prozent –, so hatte sie doch innerhalb für rechtsradikale Parteien im engen Sinne spre- des neonazistischen Lagers eine besondere Präge- chen.222 Dafür haben sich die Konstituierungsbe- kraft. Sie baute einzelne Ortsverbände auf, schulte Jugendliche und vernetzte Einzelgruppen.216 Wie der Untersuchungsausschuss über den NSU in 217 Vgl. Untersuchungsausschuss des Bundes- seinem Abschlussbericht 2017 festhielt, hatte tages: Beschlussempfehlung und Bericht des 3. Untersuchungsausschusses, Drs. 18 / 12950 die FA P unter der Federführung von Karl Pola- v. 23.06.2017, S. 572 oder auch S. 1107. cek im südlichen Niedersachsen an der Grenze zu Thüringen ein Schulungszentrum eingerichtet, 218 Untersuchungsausschuss des Bundestages, S. 1148. mit dem gezielt Jugendliche für die neonazisti- sche Szene angesprochen werden sollten. Ein- 219 Vgl. Stengel, Eckhard: Der Schoß ist frucht- zelne Neonazis wie Michael S., der auch im NSU bar noch. Rechtsextremismus in Südnieder- involviert war, fanden durch diese Strukturen ih- sachsen. Ein Überblick, in: Duwe, Kornelia / Gott- schalk, Carola / Koerner, Marianne (Hg.): Göt- tingen ohne Gänseliesel. Texte und Bilder zur Stadtgeschichte, Göttingen 1988, S. 247–249. 214 Vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Das Verbot der „Nationalen Sammlung“ durch das Bundes- 220 Vgl. Kniest: Die „Kühnen-Bewegung“, S. 112. Andere innenministerium im Januar 1989, in: Backes, Quellen beziehen sich auf die damaligen Partei- Uwe / Jesse, Eckhard (Hg.): Jahrbuch Extremis- angaben und nennen ca. 300–400 Mitglieder. mus & Demokratie, Bd. 2 (1990), S. 218–227. 221 Vgl. Walter, Franz: Vom Milieu zum Parteienstaat: 215 Vgl. Freundeskreis Michael Kühnen (Hg.): Michael Küh- Lebenswelten, Leitfiguren und Politik im histo- nen. Sein Leben, sein Wirken, sein Kampf, Köln 2005. rischen Wandel, Wiesbaden 2010, bes. S. 149 ff.; Lösche / Walter: Katholiken, Konservative und Liberale. 216 Vgl. Niedersächsisches Innenministerium: Antwort auf die Kleine Anfrage: Neofaschistische Aktivitäten 222 Kock, Sonja: „Hochburgen“ des Rechtsextremismus in Hannover und Umgebung, Drs. 11 / 815 v. 02.03.1987. im Südwesten der Bundesrepublik. Zur Tragweite

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 40 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen

dingungen mit dem Ende der Solidargemeinschaf- Bereits in den 1970er Jahren zeichnete sich ten (Peter Lösche) zu nachhaltig und irreversibel bundesweit die Tendenz ab, dass sich der Rechts- verändert. Was sich hingegen aber gerade in Nie- radikalismus kaum mehr parteipolitisch zu- dersachsen immer noch deutlich nachzeichnen sammenbindet. Vielmehr hatte das Spektrum lässt, sind die jeweilige regionale Präsenz und de- in diesen Jahren unterschiedliche Ausprägun- ren Organisationsschwerpunkte, sodass sich an- gen und Facetten, die sich nicht alle kanalisie- bietet, hierbei von lokalen Verdichtungsräumen zu ren ließen. Einzelne Strömungen und Teilgruppie- sprechen. Allerdings können diese einzelnen Bal- rungen rechtsradikaler Strukturen waren in den lungsgebiete lediglich noch hinsichtlich organisa- 1980er Jahren zu kleinteilig, als dass sie geogra- torischer Gesichtspunkte identifiziert werden – fisch-lokalkulturell herausgehoben werden könn- abgesehen von den jeweils führenden Aktivisten ten. Lediglich bei den sich um die NPD gruppie- bzw. den öffentlich bekannt gewordenen Straffäl- renden Organisationen und Teilstrukturen las- ligen liegen kaum valide Daten über die sozios- sen sich gewisse Muster feststellen: Sie waren trukturellen Zusammensetzungen der rechtsradi- in Niedersachsen lokal besonders im Bezirk Lü- kalen Gruppierungen jener Jahre vor.223 neburg im Umkreis von Celle, Harburg, Lüneburg und Stade, aber auch in Oldenburg stark. Zumin-

Tabelle 4: Niedersächsische Landtagswahlergebnisse 1990-2013

SPD CDU FDP Grüne Linke REP NPD

1990 44,2 42,0 6,0 5,5 — 1,5 0,2

1994 44,3 36,4 4,4 7,4 — 3,7 0,2

1998 47,9 35,9 4,9 7,0 — 2,8 —

2003 33,4 48,3 8,1 7,6 0,5 0,4 —

2008 30,3 42,5 8,2 8,0 7,1 — 1,5

2013 32,6 36,0 9,9 13,7 3,1 — 0,8

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben von Landeswahlleitern

politikwissenschaftlicher Erklärungsansätze rechts- extremer Wahlerfolge, in: Klärner, Andreas / Kohl- dest nominal zeigen sich hier tendenzielle Über- struck, Michael (Hg.): Moderner Rechtsextremis- schneidungen mit den rechtsradikalen Hochbur- mus in Deutschland, Hamburg 2006, S. 207–237. gen in den 1950er Jahren: Rechtsradikale Struktu- ren waren in den 1980er Jahren dort noch stark 223 Dieser Mangel an soziostrukturellen Daten hängt vorhanden, wo einst SRP und DRP in den länd- auch damit zusammen, dass sich die Anhän- gerschaft für rechtsradikale Parteien zwischen den 1950er und 1980er Jahren tendenziell hin zu einem „Unterschichtenphänomen“ gewan- lich wesentlich schwerer zu erforschen ist; siehe delt hatte und dadurch sozialwissenschaft- Stöss: Rechtsextremismus im Wandel, S. 86.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 41 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen lich-agrarischen Gebieten mit welfischer Tradition grund ihrer gestiegenen Bedeutung und Radika- im nordöstlichen Niedersachsen ihre Hochburgen lisierung wurde die Wiking-Jugend 1994 vom In- gehabt hatten. nenministerium verboten.226 Vereinzelt konnten rechtsradikale Parteien An- fang der 1990er Jahre Erfolge erzielen. Die DVU zog 1991 mit 6,2 Prozent in die Bremer Bür- 2.5 Diversifikation und gerschaft ein und die REP holten 1992 in Ba- Informalisierung den-Württemberg 10,9 Prozent. Allerdings konn- rechtsradikaler Strukturen ten diese Parteien sonst kaum elektoral hinzuge- ab den 1990er Jahren winnen. Bei den niedersächsischen Landtagswah- len 1994 kam das politische Lager rechts der Mitte, Nach der deutschen Vereinigung 1989 / 90 er- von den Republikanern bis zur NPD und anderen lebte der Rechtsradikalismus kurzzeitig eine er- Kleinstparteien, gerade einmal auf vier Prozent. neute Blütephase, die geprägt war von einer ras- Bereits bei der Bundestagswahl 1990 hatte die sistischen Gewaltwelle. Vor allem in den neuen NPD für die Partei enttäuschende 0,3 Prozent er- Bundesländern attackierten meist jugendliche zielt, woraufhin es zu innerparteilichen Konflikten Rechtsradikale Flüchtlingsunterkünfte, und um die kam, an deren Ende der Vorsitzende Mußgnug Fußball- und Skinheadszenen entstanden gewalt- sein Amt aufgab. In Reaktion auf diese NPD-Krise bereite Subkulturen.224 Dieser Wandel der rechts- kündigte auch Gerhard Frey seine DVU-Koope- radikalen Erscheinungsform wirkte im ersten ration mit der NPD wieder auf, sodass die NPD Moment so überraschend eruptiv, dass bezeich- gerade in Süd- und Ostdeutschland strategisch nenderweise in den Sozialwissenschaften darü- stark geschwächt wurde. ber diskutiert wurde, ob der „Rechtsextremismus“ Anfang der 1990er Jahre soll es in Deutsch- nun sogar eine neue „soziale Bewegung“ sei.225 land insgesamt knapp 59.000 Mitglieder in rechts- Rechtsradikale Subkulturen erhielten eine neue radikalen Organisationen gegeben haben. Den Attraktivität, und aufgrund ihrer gestiegenen Be- größten Anteil hatte damals die DVU besonders in deutung und zunehmenden Radikalität auch eine Süd- und Ostdeutschland mit ca. 24.000 Mitglie- neue Qualität. Als exponiertes Beispiel gilt die dern; die Republikaner kamen auf 19.000 und die sogenannte Wiking-Jugend (WJ), die Anfang der NPD auf 6.600. Der Rest verteilte sich auf sons- 1990er Jahre als die größte rechtsradikale Ju- tige rechtsradikale Vereinigungen, Skins und Hoo- gendorganisation galt. Sie orientierte sich an der ligans.227 Kaderstruktur der nationalsozialistischen Hit- Anfang der 1990er Jahre wandelte sich die Er- ler-Jugend und organisierte sich nach dem soge- scheinungsform des Rechtsradikalismus einerseits nannten Lebensbundprinzip. Die WJ wurde bereits aufgrund des zunehmenden staatlichen Repressi- in den 1950er Jahren – bezeichnenderweise – in onsdrucks infolge der Pogrome, andererseits auch Niedersachsen gegründet. Aber erst nach der aufgrund einer Parteien- und Parlamentsüber- deutschen Vereinigung stiegen ihre Mitglieder- drüssigkeit im politischen Spektrum infolge aus- zahlen deutlich an, auf ca. 400–500 Personen. In bleibender Wahlerfolge. Von nun an waren kleine, jenen Jahren baute sie ihre Strukturen aus und autonome Gruppenorganisationen – „Freie Kräfte“ wurde für neonazistische wie diffus völkische oder „Freie Kameradschaften“ genannt – prägend Kleingruppen zu einer zentralen Schnittstelle. Auf- für die szeneinterne Organisation wie auch die öffentliche Wahrnehmung. Parteien wie die NPD oder die Freie Arbeiterpartei (FA P ) spielten zwar 224 Vgl. Greiffenhagen, Martin / Greiffenhagen, Sylvia: Ein szeneintern weiterhin eine Rolle, verloren aber schwieriges Vaterland. Zur politischen Kultur im ver- einigten Deutschland, München 1993, S. 140–155.

225 Vgl. Leggewie, Claus: Rechtsextremismus. Eine sozi- 226 Vgl. Fromm, Rainer: Am rechten Rand. Lexikon ale Bewegung?, in: Kowalsky, Wolfgang / Schroe- des Rechtsradikalismus, Marburg 1993, S. 171 ff. der, Wolfgang (Hg.): Rechtsextremismus. Einführung und Forschungsbilanz, Opladen 1994, S. 325–338. 227 Vgl. Leggewie: Druck von rechts, S. 164.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 42 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen tendenziell ihren rechtsradikalen Identifikati- visten wie Christian Worch oder Thomas („Stei- onskern. In dieser Dekade gewannen insbeson- ner“) Wulff organisiert, denen für die Vernetzung dere informelle, aktiv-kämpferisch auftretende der norddeutschen Neonazi-Szene eine zentrale Strukturen in der Szene an Beliebtheit.228 Dabei Bedeutung zukam.232 Der ehemalige Kühnen-Ver- ist diese Form der unabhängigen Aktionsgrup- traute Christian Worch galt nunmehr als die „neue pen noch ein Aktionsrelikt aus der Zeit von Mi- Führungsfigur im neonationalsozialistischen La- chael Kühnen, der diese Organisationsform be- ger“233. Aber auch Thorsten Heise kam damals reits Anfang der 1980er Jahre für die ANS / NA als nicht nur innerhalb der FA P eine bedeutende Rolle „Gau-Einheiten“ strukturiert hatte.229 zu; auch war er eine zentrale Integrationsfigur für Die erste bedeutsame Kameradschaftsstruktur, das neonazistische Spektrum um Südniedersach- die sogenannte Nationale Offensive (NO), ent- sen, Nordhessen und Thüringen.234 stand aus der FA P heraus. Die NO war eine vor al- Heise, 1969 geboren, kam bereits als Jugend- lem in Bayern aktive neonazistische Gruppierung licher in Kontakt mit Karl Polacek und damit auch mit rund 100 Mitgliedern. Nach rassistisch moti- mit der FA P , der er bereits 1984 beitrat. Bis An- vierten Angriffen wurde sie 1992 verboten. Parallel fang der 1990er Jahre wohnte er in Nörten-Har- bildeten sich ab 1990 „autonome“ NS-Gruppen, denberg, zog 1993 nach Northeim, wo er Kame- die sich infolge der desillusionierenden Parteier- raden um sich gruppierte.235 1990 war der junge lebnisse unabhängig organisieren wollten. Heise kurzzeitig im Zuge der Parteiumstrukturie- Das „Konzept“ dieser dezentralen Kame- rung nach dem Kühnen-Konflikt kommissarischer radschaftsstrukturen​ weitete sich immer mehr FA P -Landesvorsitzender in Niedersachsen gewe- aus. Im gesamten Bundesgebiet gab es in den sen, bevor er das Amt dann 1992 auch offiziell 1990er Jahren über 150 Freie Kameradschaften, übernahm. deren jeweiliger Organisationsgrad und deren Mit- Südniedersachsen war Anfang der 1990er Jahre gliederstärke dabei allerdings stark variierten.230 eine zentrale Verdichtungsregion, in der sich die Seit den 1990er Jahren etablierten sich gerade zerfaserte rechtsradikale Szene teilweise konsti- auch von diesen Strukturen initiierte „Aufmär- tutiv organisieren konnte. Hier, zwischen Hanno- sche“ als fester Bestandteil der Szene.231 In Nie- ver und Göttingen, konzentrierten sich die Ak- dersachsen war insbesondere für die neonazisti- tivitäten vor allem des neonazistischen Spekt- sche Szene das Verbot der FA P im Jahr 1995 die rums gerade deshalb, weil dort führende Kader- negative Initialzündung für die Umstrukturierung funktionäre wohnten, die ihre Freundeskreise ihrer Organisationsstrukturen. Nach dem Ver- und Netzwerke hatten und gerade diese „Bewe- bot bildeten sich aus den ehemaligen FA P -Einzel​ gungsunternehmer“, wie eben Karl Polacek oder strukturen direkte Ableger in Form Freier Kame- Thorsten Heise, Gruppen organisieren und koordi- radschaften. Diese wurden besonders von Akti- nieren konnten.236 Zu den wichtigsten Kamerad-

228 Vgl. Schedler, Jan: ‚Modernisierte Antimo- 232 Vgl. Untersuchungsausschuss des Bundestages, derne‘: Entwicklung des organisierten Neona- S. 1152. zismus 1990–2010, in: Ders. / Häusler, Alexan- der (Hg.): . Neonazis- 233 Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, S. 100. mus in Bewegung, Wiesbaden 2011, S. 17–35. 234 Vgl. Untersuchungsausschuss des Bundestages, 229 Vgl. Kniest: Die „Kühnen-Bewegung“, S. 53 f. S. 992.

230 Vgl. Botsch: Die extreme Rechte in der Bun- 235 Vgl. Das Redaktionskollektiv: Neonazis in Süd- desrepublik Deutschland, S. 110. niedersachsen, Göttingen 2008, S. 4 f.

231 Vgl. Virchow, Fabian: Dimensionen der 236 Sehr detailliert illustriert etwa in einer lin- „Demonstrationspolitik“ der extremen Rech- ken Dokumentationsbroschüre; siehe o. V.: DOKU. ten in Deutschland, in: Klärner, Andreas / Kohl- Nazi-Aktivitäten und Polizeiverhalten in Süd- struck, Michael (Hg.): Moderner Rechtsextremis- niedersachsen. Fakten, Analysen und Hin- mus in Deutschland, Hamburg 2006, S. 68–101. tergründe: Chronologie, Göttingen 1990.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 43 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen schaften im norddeutschen Raum zählten in den Dieser Strategiewechsel fand parteipolitisch und 1990er Jahren vor allem die Kameradschaft Bre- programmatisch seinen Niederschlag im maß- men, die Kameradschaft Hamburger Sturm und geblich von , dem 1996 neu gewählten die Kameradschaft Pinneberg; in Niedersachsen NPD-Vorsitzenden, konzipierten „Drei-Säulen-Kon- waren es besonders die Kameradschaft Celle 73, zept“: Der NPD ging es nun um den Kampf um die die Kameradschaft Lüneburg / Uelzen Trupp 16 und Köpfe, den Kampf um die Straße und den Kampf die Kameradschaft Northeim.237 um die Parlamente.241 Sie versuchte, die organisa- Letztere etwa war Mitte der 1990er Jahre von torische Rolle der FA P einzunehmen, dabei aller- Thorsten Heise initiiert und organisiert worden. dings auf einen größeren Anhängerkreis zu zie- Erstmals trat sie 1998 bei einer Demonstration len. Deshalb übernahm die NPD nun bspw. auch gegen die Wehrmachtsausstellung in Dresden öf- die Tradition der FA P , am 1. Mai eigenständige De- fentlich in Erscheinung. Aufgrund ihres regen Ak- monstrationen zu veranstalten.242 Für eine kurze tionismus erlangte sie relativ schnell bundesweite Zeit schien diese Strategie aufzugehen, denn die Aufmerksamkeit.238 Ab Mitte der 1990er Jahre Partei konnte sowohl aktionistische Kräfte an sich nahm dann das Freie und Soziale Aktionsbüro binden als auch teilweise elektorale Erfolge (weni- Norddeutschland eine zentrale Rolle ein.239 Diese ger in Niedersachsen als vor allem in Ostdeutsch- Koordinierungsstelle versuchte, durch die Organi- land) erzielen. sation von Demonstrationen, Konzerten und wei- teren Aktionen einzelne Teilströmungen zu ver- netzen. In diesem Radius kam dann auch im Zuge der neuen Verbotswelle (wie dem der FA P 1995 und weiteren Organisationen) auch der NPD wie- 2.6 Die NPD als rechtsradikales der eine bedeutende Rolle zu. Diese passte sich Flaggschiff ab den den gewandelten Anforderungen an, indem sie 2000er Jahren sich nun als „Bewegungspartei“ zu strukturieren versuchte. Die NPD wollte wieder der parteipo- In der Millenniums-Phase wurde die NPD endgül- litische Vernetzungsanker für das rechtsradikale tig zum „Gravitationsfeld“ (Bundesamt für Verfas- Spektrum sein und als eine Art Dachorganisation sungsschutz) bzw. zum „Flaggschiff“ (Marc Brand- fungieren, indem sie die Freien Kräfte tendenziell stetter) des nationalen Rechtsradikalismus – und integrierte.240 blieb dies auch für ein knappes Jahrzehnt.243 Be- feuert durch die zunehmenden organisatori- schen Vernetzungen der NPD mit der Subkultur 237 Vgl. Grumke, Thomas / Wagner, Bernd (Hg.): Hand- der Skinheads, der Rechtsrock-Szene, aber auch buch Rechtsradikalismus. Personen, Organisa- tionen, Netzwerke vom Neonazismus bis in die mit rechtsterroristischen Gruppierungen wie Blood Mitte der Gesellschaft, Opladen 2002, S. 395. & Honour und durch die jüngsten Wahlerfolge wurde Anfang der 2000er Jahre der erste Ver- 238 Dieser Aktionismus mit bundesweiter Strahl- kraft wird – unabhängig von der politischen Färbung – informativ illustriert etwa in einer Dokumentationsbroschüre; siehe Antifa Offen- wicklung auf den Handlungsfeldern „Aktion“ sive 99: Weg mit der faschistischen Kamerad- – „Gewalt“ – „Kultur“ – „Politik“, in: Schubarth, schaft Northeim. Ein Überblick zum „Netz- Wilfried / Stöss, Richard (Hg.): Rechtsextremis- werk Heise“, Info 2 Broschüre, Göttingen 1999. mus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz, Opladen 2001, S. 71–100, hier S. 95. 239 Vgl. Grumke / Wagner: Handbuch Rechtsradika- lismus, S. 395; Virchow, Fabian: The groupuscu- 241 Vgl. Stöss: Rechtsextremismus im Wandel, S. 132 ff. larization of neo- in Germany: the case of the Aktionsbüro Norddeutschland, in: Pat- 242 Vgl. Botsch: Die extreme Rechte in der Bun- terns of Prejudice, Jg. 38 (2004), H. 1, S. 56–70. desrepublik Deutschland, S. 112.

240 Vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Der organisierte Rechts- 243 Vgl. Brandstetter, Marc: Die NPD unter Udo Voigt: extremismus in Deutschland nach 1945. Zur Ent- Organisation, Ideologie, Strategie, Baden-Baden 2013.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 44 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen botsantrag gegen die NPD gestellt, der allerdings die berüchtigte Kameradschaft Hamburger Sturm 2003 scheiterte. oder die Kameradschaft Lüneburg / Uelzen Trupp Andere Parteien rechts der Mitte hatten dem- 16 aufgebaut. Als die Kameradschaft Hamburger gegenüber gerade im norddeutschen Raum kaum Sturm verboten wurde, konnten andere Gruppie- Etablierungschancen. Die Schill-Partei blieb trotz rungen deren Wurzelwerk weiter nutzen.248 An- ihres kurzfristigen Erfolges 2001 in Hamburg fang der 2000er Jahre zählten zu den zentra- sonst chancenlos – bei den niedersächsischen len Kameradschaftsstrukturen im norddeutschen Landtagswahlen 2003 kam die neue bürgerliche Raum weiterhin die Kameradschaft Northeim und Protestpartei gerade einmal auf ein Prozent.244 die Kameradschaft Hannover / Celle (Kamerad- Auch die Republikaner konnten sich in Nieder- schaft 73); hinzu kamen neue wie die Kamerad- sachsen nicht konsolidieren; sie hatten im nord- schaft Weserbergland oder die Freien Kräfte Bar- deutschen Raum kaum Mitglieder und lediglich singhausen.249 Doch gleichzeitig befanden sich fragile organisatorische Strukturen aufbauen kön- diese Strukturen in einer Orientierungskrise. Dies nen.245 Die Freien Kameradschaften banden sich verdeutlicht etwa die vom Aktionsbüro Nord- in dieser Dekade immer stärker an die NPD. In deutschland 2002 initiierte Debatte über die wei- den 1990er Jahren doch gerade in Abgrenzung tere taktisch-aktionistische Ausrichtung der Ka- von Parteistrukturen entstanden, suchten sie nun, meradschaftsszene: Das Diskussionspapier „De- nach – organisatorisch wie finanziell – ernüch- mokultur statt Demotourismus“ warf der eigenen ternden Phasen, wieder die Kooperation, vor al- Szene vor, einem „Spaßfaktor“ zu verfallen und lem mit der NPD. Beispielsweise unterstützte die kaum neue Mitglieder zu rekrutieren.250 Partei 2003 die Gründung der Kameradschaft Doch führte die kurzfristige Auseinanderset- Göttingen, die allerdings keine langfristige Be- zung zu keinen weiteren Konsequenzen; statt- deutung in der Szene einnehmen konnte.246 Diese dessen wurde die Frequenz der Demonstrationen informellen Koordinationsformate zwischen ver- tendenziell beibehalten. Die zentrale Integrations- schiedenen rechtsradikalen Strömungen und Sub- figur für die neonazistische Szene blieb der Netz- kulturen – von den Freien Kräften über die Partei- werker und Organisator Christian Worch.251 Dass soldaten bis zu den Skinheads – bauten sich An- Worch hier als zentraler Protagonist herausge- fang der 2000er Jahre gerade auch durch die zu- hoben wird, verdeutlicht allein schon im Unter- nehmende Zahl sogenannter Rechtsrock-Konzerte schied zu den zuvor erwähnten Persönlichkeiten und Demonstrationen, zu denen bundesweit mo- die Wandlungen des deutschen Rechtsradikalis- bilisiert wurde, weiter aus. mus: von von Thadden über Kühnen zu Worch. Südniedersachsen blieb auch in dieser Zeit Während der Rechtsradikalismus eines von Thad- eine Schwerpunktregion der rechtsradikalen Szene, dens tendenziell noch alt-bürgerlich (und aristo- da die Kameradschaftsstrukturen sich hier durch kratisch) sowie parlamentarisch ausgerichtet war, Netzwerke besonders gut mobilisieren ließen.247 verschärfen sich von Kühnen zu Worch die poli- Diese hatten zuvor vor allem die Freien Kräfte wie tischen Positionen, die immer rabiater und anti-

244 Vgl. Kreutzberger, Wolfgang: Schill in Niedersachsen. Charakter und Chancen einer städtischen Protest- 248 Vgl. Grumke / Wagner: Hand- partei von rechts im Flächenstaat, in: Perels, Joa- buch Rechtsradikalismus, S. 391. chim (Hg.): Der Rechtsradikalismus – ein Randphäno- men? Kritische Analysen, Hannover 2003, S. 67–115. 249 Vgl. Röpke: „Wir erobern die Städte vom Land aus!“, S. 136 ff. 245 Vgl. Fascher, Eckhard: Vor unserer Haus- tür! Rechtsextremismus in Südniedersach- 250 Vgl. Erb, Rainer: Protestorganisation und Eventma- sen, VUK-Broschüre, Göttingen 2001, S. 13. nagement: Der Typus des rechtsextremen Bewe- gungsunternehmers, in: Klärner, Andreas / Kohl- 246 Vgl. Das Redaktionskollektiv: Neona- struck, Michael (Hg.): Moderner Rechtsextremismus in zis in Südniedersachsen, S. 23. Deutschland, Hamburg 2006, S. 142–176, hier S. 174.

247 Vgl. Fascher: Vor unserer Haustür!. 251 Siehe Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus, S. 100.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 45 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen parlamentarischer werden, und zugleich bringt der gend 1994 beerbte die bereits 1990 gegründete juvenil daherkommende Rechtsradikalismus im- Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) die organi- mer stärker aktionistisch-kämpferische Persön- satorische Bedeutung der WJ. Die HDJ wurde zu lichkeiten hervor. einer zentralen subkulturellen Kaderschmiede und Die formalisierte Kooperation zwischen den Vernetzungsstruktur unterschiedlicher rechtsra- Freien Kräften und der NPD zeichnete sich auch dikaler, neonazistischer, völkischer und germa- auf personeller Ebene ab. So trat der niedersäch- nisch-heidnischer Strömungen. Über die internen sische Kameradschaftsführer Thorsten Heise, der Strukturen, die Mitglieder und deren Vernetzung zwischenzeitlich mit seiner Familie nach Frette- sowie über lokale Schwerpunkte liegen kaum va- rode ins thüringische Eichsfeld gezogen war, An- lide Quellen vor. Zumindest aber verzeichnete das fang der 2000er Jahre in die NPD ein und ver- niedersächsische Innenministerium ab Mitte der lagerte seine Aktivitäten stetig hin zur Organisa- 2000er Jahre gestiegene Aktivitäten der HDJ in tion von Konzerten und zum Vertrieb von Ton- Niedersachsen.253 Als die Organisation mit über trägern. 500 Mitgliedern und gewaltorientierten Aktio- Dass die NPD in jenen Jahren ihre Stellung nen bundesweite Aufmerksamkeit erhielt, wurde im neonazistischen Spektrum tendenziell fes- die HDJ 2009 vom Bundesinnenministerium ver- tigte, exemplifiziert auch die Personalie Jürgen boten. Seitdem konnte sich keine vergleichbare Rieger. Der Hamburger Rechtsanwalt hatte der Nachfolgeorganisation mehr etablieren. NPD bis dahin eher skeptisch gegenübergestan- den, doch 2006 schloss er sich der Partei an und übernahm vor allem im norddeutschen Raum zu- gleich zentrale organisatorische sowie finanzielle 2.7 Die AfD als Symbol des Vernetzungsfunktionen. Die niedersächsische NPD politischen Formwandels hatte 2005 ungefähr 450 Mitglieder. In der For- schungsliteratur wurden für die Nullerjahre vier Will man nun mehr über die historisch-kultu- NPD-Wirkungsbereiche hervorgehoben, die aller- rellen Traditionslinien in Niedersachsen und die dings – vergleicht man sie mit den lokalen Ver- Entwicklungen des Rechtsradikalismus bis heute dichtungsräumen der 1970er und 1980er Jahre – herausfinden, so stößt man auf zwei gravie- an Evidenz verloren haben: In Niedersachsen war rende Defizite: Zum einen ist diesbezüglich ein- die NPD besonders aktiv im Kreis Lüneburg um deutig ein Forschungsdefizit auszumachen; denn Manfred Börm, in Stade um Adolf Dammann, in über diese Entwicklungslinien liegen für die Zeit Osnabrück um Franz-Josef Möllenkamp und – et- nach den 1990er Jahren kaum Untersuchungen was abgeschwächt – in Göttingen um das „einge- vor – und wenn, dann konzentrieren sie sich zu- spielte Führungsgespann Stephan Pfingsten und meist auf historische Entwicklungen. Zum ande- Martin Gotthardt“252. ren ist festzuhalten, dass die heutige Forschung Doch deutet die relativ geringe Mitgliederzahl – und dies ist strukturell wohl auch dem ersten zugleich auf die zunehmend strukturellen Prob- Defizit geschuldet – von den Daten und Anga- leme im rechtsradikalen Lager hin, die sich be- ben des Verfassungsschutzes abhängig ist. Denn reits an der NPD-Jugendorganisation JN abzeich- dieser erzeugt Material, auf das sich unweigerlich neten. Zuvor führende JN-Kader wie bezogen werden muss, da sonst kaum Angaben, aus Hildesheim waren nun altersbedingt nur noch Statistiken und Befunde über diese Entwicklun- in der NPD aktiv und die neue Konkurrenzsitua- gen existieren. Insofern hat der Verfassungsschutz tion hinsichtlich der Freien Kräfte verschärfte die eine große Deutungshoheit, ist aber gleichsam materiellen und personellen Nachwuchsprobleme. auch auf sich allein gestellt. Unabhängig von diesen Parteistrukturen radikali- sierten sich neonazistische und völkische Forma- tionen weiter. Nach dem Verbot der Wiking-Ju- 253 Siehe Niedersächsisches Innenministerium: Antwort auf die Kleine Anfrage: Aktivitäten der rechtsextre- mistischen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) 252 Röpke: „Wir erobern die Städte vom Land aus!“, S. 42. im Land Niedersachsen, Drs. 16 / 988 v. 06.03.2009.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 46 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen

Dieses Problem zeigt sich im historischen Ab- Niedersachsen“254 gegeben habe. Allerdings lie- riss ganz konkret ab dem Zeitpunkt Mitte der gen dieser Bewertung lediglich Mitgliederzahlen 2000er Jahre, als die Wahlergebnisse rechtsradi- oder vermutete (zugeschriebene) Anhängerschaf- kaler Parteien in allen Regionen Niedersachsens ten bestimmter Organisationen als Maßstab zu- in den Promillebereich zurückgingen und auch grunde. Diese Angaben sind in jedem Fall wich- andere rechtsradikale Netzwerke infolge ihrer ge- tig und hilfreich, zeichnen aber eben nur ein Bild wandelten Erscheinungsformen kaum mehr der- des Rechtsradikalismus qua Identifizierung und maßen stark im öffentlichen Raum präsent wa- Personalisierung, entsprechend dem gesetzlichen ren wie noch ihre Vorgängerorganisationen. Aber Auftrag des Verfassungsschutzes. natürlich bedeutet dieser öffentliche Bedeutungs- Doch bedeutet dies freilich nicht, dass auch verlust keineswegs, dass damit auch die rechts- die Forschung sich allein auf diese Perspektive radikalen Bewusstseinsformen verschwunden wä- beschränken muss. Denn durch diese Verengung ren. des politischen Phänomens geraten – erwartungs- Aufgrund mangelnder Forschungserkennt- gemäß – anderweitige Ausprägungen oder kultu- nisse, die unabhängig von den Angaben des Ver- relle Konturen des Rechtsradikalismus aus dem fassungsschutzes sind, stößt die Beschreibung Blickfeld. Dieses Forschungsdefizit gilt es in nach- hier an ihre Grenzen. Aus diesem Grund muss folgenden Studien aufzuarbeiten. Aber bis dahin der nachfolgende Gang der Untersuchung ge- können – noch einmal: aufgrund der fehlenden wissermaßen einen Perspektivwechsel vollzie- Materialgrundlage – lediglich Anhaltspunkte und hen und mithilfe anderer Materialien zumindest schematische Umrisse hinsichtlich der weiteren versuchen, sich dennoch regionalen Besonder- Entwicklung des Rechtsradikalismus mithilfe der heiten anzunähern – auch wenn von vornherein Organisationen und Anhängerschaften gezeichnet eingestanden werden muss, dass die Güte dieser werden. Materialien umso stärker abnimmt, je mehr sich Blickt man vor diesem Hintergrund konkret auf diese Quellen auch selbst auf Berichte des Ver- die NPD, so verlor diese immer stärker an kon- fassungsschutzes berufen, deren Angaben wiede- kret-praktischer Bedeutung, ihre Mitgliederzahlen rum – bedingt durch die Logik der Institution – waren seit 2007 / 08 stetig rückläufig: 2017 soll sie intersubjektiv nicht überprüfbar sind. Im Fol- noch ca. 300 gezählt haben.255 Retrospektiv kann genden wird daher versucht, sich den regionalen das Jahr 2009 als eine Art Scheidungsjahr für Ausprägungen des Rechtsradikalismus mithilfe den organisierten Rechtsradikalismus angesehen anderer Statistiken und Daten anzunähern; doch werden. Zwar konnte die NPD damals in Sachsen wird auch diese Darstellung – entsprechend der mit 5,6 Prozent wieder in den Landtag einziehen; obigen Erläuterung: bezeichnenderweise – nicht aber in Thüringen, wo die Partei viel Energie in ganz auf die Angaben des Verfassungsschutzes den Wahlkampf gesteckt hatte, scheiterte sie im verzichten können. selben Jahr mit knapp 4,3 Prozent; auch im Saar- Insofern folgt allein hieraus schon die Erkennt- land brach sie damals auf 1,5 Prozent ein. Bei den nis – aus Sicht der Forschung geradezu eine drin- Europawahlen konnte die NPD hingegen nicht gende Notwendigkeit –, dass vor allem im histo- einmal antreten, und bei den Bundestagswahlen risch-kritischen Vergleich die Daten, Materialien kam sie zwar immerhin auf 1,5 Prozent, was aller- und Urteile des Verfassungsschutzes nach und dings eher ihren marginalen Charakter verdeut- nach überprüft und ergänzt werden müssen. Dass Positionsbestimmungen und Bewertungen staat- licher Behörden reflektiert werden müssen, zeigt sich bspw. auch an ihrem Urteil über den Zustand des Rechtsradikalismus Ende der 2000er Jahre. 254 Niedersächsisches Ministerium für Inne- res und Sport (Hg.): Verfassungsschutz- Denn der Verfassungsschutz befindet, dass es in bericht 2016, Hannover 2016, S. 20 f. dieser Zeit – wie bereits in den 1980er Jahren – einen „Strukturwandel des Rechtsextremismus in 255 Niedersächsisches Ministerium für Inne- res und Sport (Hg.): Verfassungsschutz- bericht 2017, Hannover 2017, S. 16.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 47 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen licht.256 Damit zusammenhängend verlor die NPD zig Anhänger zählen soll.260 Die Diversifikation in jenen Umbruchsjahren wieder ihre organisato- und Zersplitterung in Einzelspektren der rechts- rische Vormachtstellung im rechtsradikalen Spek- radikalen Szene verdeutlicht ein Blick auf die trum, büßte an Mobilisierungskraft ein. Mitgliederstatistiken: 2012 gab es nach Angaben Dies deutete sich bereits durch neue Bürgerbe- des Verfassungsschutzes in ganz Niedersachsen wegungen an, wie bspw. die sogenannten Pro-Be- 550 Mitglieder rechtsradikaler Parteien, 400 Neo- wegungen vor allem in Nordrhein-Westfalen ab nazis sowie 685 „Personen, die der rechtsextre- Anfang der 2010er Jahre. Zunehmend entstan- mistischen Subkultur zugerechnet werden […]. den andere subkulturelle Phänomene, welche die 920 Rechtsradikale in Niedersachsen werden als NPD mit ihrem Programm kaum anzusprechen gewaltbereit eingestuft.“261 So wurde etwa 2012 vermochte. In jenen Jahren zwischen Thilo Sarra- die Neonazi-Gruppe „Besseres Hannover“, die zins Erfolgsprovokation „Deutschland schafft sich sich seit 2010 kurzfristig immer mehr zur be- ab“ (2010) und den neuen Protestaktivisten um deutendsten Gruppierung Niedersachsens entwi- PEGIDA hat sich offenkundig ein neues gesell- ckelte, nach Razzien vom Innenministerium ver- schaftliches Bedürfnis nach rechtsradikalen, min- boten. Dadurch verlor die lokale Szene kurzzeitig destens autoritären, völkischen und antiliberalen ihre Organisations- und Vernetzungsstruktur, wo- Positionen entwickelt, das sich zugleich demonst- raufhin einige ehemalige Mitglieder neue Organi- rativ von klassischen rechtsradikalen Organisatio- sationen gründeten.262 nen abzugrenzen pflegt.257 Auch erhält die NPD nunmehr parteipolitisch Exemplarisch hierfür stehen die aus den Freien neue Konkurrenz: Parteien wie „Der III. Weg“ oder Kameradschaften hervorgegangenen Autonomen „Die Rechte“ versuchen zunehmend, die NPD als Nationalisten (AN). Diese Unterströmung verstand Dachorganisation der Aktionsgruppen, Autono- sich als aktionistischer, teils gewaltbereiter Flü- men Nationalisten, Freien Kräfte, Kameradschaf- gel, der sich weniger an Organisationsstrukturen ten und JN-Aktivisten in den Regionen zu ver- als vielmehr an Lebensstilfragen orientierte.258 drängen.263 Bis heute ist Der III. Weg in Nieder- Die Mitgliederzahl dieser Gruppierung allein in sachsen allerdings nur in einzelnen Regionen Niedersachsen soll 2011 rund 400 betragen ha- organisatorisch strukturiert; und auch die Partei ben.259 Aus diesem Spektrum speiste sich später Die Rechte, die 2012 von dem Kameradschaftsfüh- die Identitäre Bewegung (IB), die in Niedersach- rer und ehernen Anti-Parteiaktivisten Christian sen laut Verfassungsschutzbericht 2016 rund fünf- Worch mitgegründet wurde, soll laut den Verfas- sungsschutzberichten 2016 und 2017 in Nieder- sachsen lediglich noch vierzig Mitglieder zählen.

256 Vgl. Botsch: Die extreme Rechte in der Bun- desrepublik Deutschland, S. 136 f.

257 Zum Formwandel des Rechtsextremismus auch 260 Auch für 2017 spricht der Verfassungs- Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus in schutz von ca. fünfzig Mitgliedern; vgl. Nie- der Bundesrepublik Deutschland, in: Jesse, Eck- dersächsisches Ministerium für Inneres und hard / Mannewitz, Tom (Hg.): Extremismusfor- Sport: Verfassungsschutzbericht 2017, S. 16. schung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Baden-Baden 2018, S. 303–338, hier S. 320 f. 261 O. V.: 2000 Rechtsextreme in Niedersach- sen, in: Hannoversche Allgemeine, 09.02.2012. 258 Vgl. Sager, Thomas: Freund oder Feind? Das wider- sprüchliche Verhältnis von ‚Autonomen Natio- 262 Vgl. o. V.: Rechte Szene in Niedersachsen nalisten‘, NPD und neonazistischer Kamerad- geschwächt, in: Hamburger Abendblatt, 23.09.2013. schaftsszene, in: Schedler, Jan / Häusler, Alexan- der (Hg.): Autonome Nationalisten. Neonazis- 263 Vgl. Puls, Hendrik: Die Anti-Asyl-Agitation des mus in Bewegung, Wiesbaden 2011, S. 105–120. Neonazi-Spektrums. NPD, „Die Rechte“ und „Der III. Weg“, in: Häusler, Alexander; Virchow, 259 Siehe Wallbaum, Klaus: Rechtsextreme Grup- Fabian (Hg.): Neue soziale Bewegung von rechts? pen in Niedersachsen werden stärker, in: Han- Zukunftsängste, Abstieg der Mitte, Ressenti- noversche Allgemeine, 05.02.2011. ments. Eine Flugschrift, Hamburg 2016, S. 105–114.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 48 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen

In diesem Zusammenhang lässt sich in den fügte die NPD nach den Kommunalwahlen 2016 in vergangenen Jahren ein Wandel der neonazisti- Niedersachsen noch über lediglich zwanzig Man- schen Szene beobachten. Gerade die Demonst- date: in der Harzregion mit den Gemeinden Vie- rationen in Bad Nenndorf galten jahrelang als nenburg, Bad Lauterberg, Herzberg, dem Land- zentraler Symbolort: Ab 2006 fand ein „Trauer- kreis Goslar, im Bereich Heide im Landkreis Hei- marsch“ zum Bad Nenndorfer Wincklerbad west- dekreis, der Stadt Munster und Schneverdingen, lich von Hannover statt. Zu dieser Demonstration in Südost-Niedersachsen in der Vertretung des kamen 2010 mehr als 900 Anhänger aus der gan- Landkreises Helmstedt, der Samtgemeinde Nord- zen Republik, 2015 waren es dann nur noch 180. Elm, Gemeinde Süpplingen, der Stadt Helmstedt Inzwischen findet der „Trauermarsch“ nicht mehr sowie dem Ortsrat Emmerstedt. Weitere Mandate statt.264 Aber auch der Trend zur Bildung loser, bestehen im Landkreis Stade, Landkreis Roten- autonomer Gruppen mit lokalem oder regionalem burg (Wümme), Landkreis und Stadt Verden sowie Radius hat weiter zugenommen. Häufig war dies in der Stadt Oldenburg. Nichtsdestotrotz existie- mit einer aktionistischen Orientierung und ei- ren heute weiterhin rechtsradikale Netzwerkstruk- nem Label-Wechsel hin zu sogenannten Aktions- turen, wie bspw. im Umkreis von Südniedersach- gruppen verbunden. Ein Beispiel hierfür ist das sen, Nordhessen und Nordthüringen. Gerade auf Aktionsbündnis 38, in welchem u. a. lokale Akti- der kleineren politischen Ebene dominiert nun- onsgruppen und Freie Kräfte aus Braunschweig, mehr jedoch die neue Sammlungspartei rechts Wolfsburg, Gifhorn, Helmstedt und Wolfenbüttel der Mitte, die AfD267, die inzwischen deutlich aufgegangen sind. Hier bestehen zudem deutli- mehr Mandate als die NPD gewinnt. che personelle Überschneidungen zur Partei Die Der niedersächsische Verfassungsschutz gibt Rechte. Weiterhin entstanden etwa die Aktions- an, dass es derzeit noch rund 280 Neonazis so- gruppe Weserbergland und die Aktionsgruppe wie 600 Personen des subkulturell geprägten Nordheide, die neben den Freien Kräften Celle, „Rechtsextremismus“ gebe.268 Diese Entwicklung der Kameradschaft Northeim, den Freien Kräften interpretiert der Verfassungsschutz dahingehend, Ostfriesland oder den Autonomen Nationalisten dass „sich die gewohnten Organisationsformen in Bückeburg und Nienburg zu den Aktivsten in überlebt“ hätten und einer „neuen Unübersicht- Niedersachsen gehören.265 Die Kameradschaft lichkeit“ gewichen seien – denn statt fester Orga- Northeim existiert heute de facto allerdings nicht nisationsformen rekrutiere sich die rechtsradikale mehr; und auch die NPD verliert immer mehr an Szene inzwischen stärker durch „anlassbezogene Rückhalt. Aktionsformen von nur temporärer Bestands- Ihr zweites Verbotsverfahren wurde mit verfas- dauer“.269 Die sogenannten Bürgerwehren im Zuge sungsgerichtlicher Bescheinigung aufgrund politi- der „Flüchtlingskrise“ seit 2015 wurden schließ- scher Bedeutungslosigkeit eingestellt. Sie hat ers- lich, soweit valides Datenmaterial zu diesen Orga- tens für das rechtsradikale Spektrum derzeit zu nisations- und Aktionsformen existiert, nur teil- „schwache Angebotsstrukturen“266 und zweitens weise vom organisierten rechtsradikalen Spek- bei Wahlen kaum mehr Erfolge: Landesweit ver-

264 Vgl. o. V.: Bad Nenndorf feiert Widerstand gegen Neonazis, in: Hannoversche Allgemeine, 05.08.2017.

265 Vgl. Koch, Reinhard: Rechtsextremismus in den länd- 267 Vgl. Hensel, Alexander / Finkbeiner, Flo- lichen Räumen Niedersachsens, in: Bund der Deut- rian et al.: Die AfD vor der Bundestags- schen Landjugend (Hg.): Rechtsextremismus in den wahl 2017. Vom Protest zur parlamentari- ländlichen Räumen, Berlin 2017, S. 107–112, hier S. 109. schen Opposition, Frankfurt a. M. 2017, S. 21.

266 Jesse, Eckhard: Die NPD und der geschei- 268 Siehe Niedersächsisches Ministerium für Inneres terte Verbotsantrag gegen sie, in: Koschkar, und Sport: Verfassungsschutzbericht 2017, S. 16. Martin / Ruvituso, Clara (Hg.): Politische Füh- rung im Spiegel regionaler politischer Kul- 269 Niedersächsisches Ministerium für Inneres tur, Wiesbaden 2018, S. 349–369, hier S. 366. und Sport: Verfassungsschutzbericht 2016, S. 22.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 49 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen trum getragen.270 Das fast schon euphemistisch Vereinen in der Region engagierte.273 Zur Land- anmutende Phänomen der sogenannten Wutbür- tagswahl 2017 trat die NPD dann nicht einmal ger ist nur ein Beispiel für die vielfältigen neuen mehr an. Dies deutet auf eine zweifache Verän- Ausdrucksformen rechtsradikalen Aufbegehrens.271 derung hin: der gesellschaftlichen Basis, die ihre Diese Entwicklungen haben sich, soweit dies An- rechtsradikale Mentalität und die dazugehörigen fang 2019 beurteilt werden kann, weitgehend vom Politik- und Gesellschaftsvorstellungen nun of- tradierten Rechtsradikalismus gelöst – auch wenn fensichtlich anders artikulieren will; und der An- es freilich in Niedersachsen noch autonome freie gebotsstrukturen, um diesem gewandelten Be- neonazistische Kräfte gibt, wie etwa die „Volksbe- dürfnis entsprechen zu können. wegung Niedersachsen“.272 Inzwischen hat eine weitere Partei die bun- Betrachtet man also lediglich die tradiert-eta- despolitische Bühne betreten, um eine natio- blierten Strukturen des politischen Rechtsradi- nale Erneuerung anzustoßen: die Alternative für kalismus, könnte der Eindruck entstehen, dieser Deutschland. Die AfD ist gewissermaßen teilweise spiele heute kaum mehr eine politisch-gewich- das Produkt unterschiedlichster gesellschaftli- tige Rolle. Doch in den vergangenen Jahren hat cher Entwicklungen sowohl innerhalb des orga- sich fraglos das Verständnis davon gewandelt, nisierten Rechtsradikalismus, der immer stär- was wir gesamtgesellschaftlich als „rechts“ ver- ker an Attraktivität eingebüßt hat, als auch in- stehen. Die traditionellen rechtsradikalen Grup- nerhalb von Milieu- und Klassenfragmenten, die pierungen agieren zwar weiterhin im klandesti- zuvor noch keine rechtsradikalen Parteien ge- nen Raum; aber sie verlieren tendenziell immer wählt hatten. Zum einen integriert die AfD zuneh- stärker an öffentlicher Resonanz. Die NPD etwa mend kleine rechtsradikale Gruppen, wie bspw. steckt, wie schon beschrieben, in einer schweren, die Ende 2017 aufgelöste Pro-Deutschland-Bewe- existenziellen Krise. Bereits bei den niedersäch- gung; zum anderen erzielt sie zugleich beträcht- sischen Kommunalwahlen 2016 trat sie nur noch liche Wahlerfolge innerhalb der bürgerlichen Mit- in wenigen Kreisen an; und wenn, dann erzielte telschichten. Wie erste statistische Wahlanalysen sie lediglich Ergebnisse im unteren Promillebe- belegen, greift die „Prekaritäts-“ oder auch die . Die einzige lokal-kulturelle Ausnahme war „Modernisierungsverlierer“-These – also die Vor- Helmstedt, wo die Partei 1,6 Prozent erhielt. Dies stellung, dass sozioökonomisch Abgehängte (oder lag aber vor allem an der NPD-Ikone Adolf Preuß, sich zumindest so Fühlende) eher rechtsradikale einem Landwirt, der dort schon seit 1968 für die Parteien wählen – mit Blick auf die AfD-Wähler- NPD im Gemeinderat saß und sich in unzähligen schaft deutlich zu kurz.274 Die erst 2013 gegründete Partei versammelt nun diese unterschiedlichsten gesellschaftlichen Verwerfungserscheinungen und kanalisiert diese verschiedenen Bedürfnisse und Motive in einer rabiat-larmoyant rechtsnationalistischen Anklage. 270 Vgl. Steppat, Timo: Bürgerwehren: Selbsthilfe Schließlich ist auch weiterhin vor dem Hinter- gegen die da draußen, in: Frankfurter Allge- meine Zeitung, 01.10.2014; Quent, Matthias: Bür- gerwehren: Hilfssheriffs oder inszenierte Provo- 273 Vgl. Weser-Kurier: Rechtsabbieger. Die unter- kation? Amadeu Antonio Stiftung, Berlin 2016. schätzte Gefahr: Neonazis in Nieder- sachsen, Bremen 2008, S. 102 f. 271 Vgl. Franke, Berthold: Aus Angst wird Wut wird Hass. Ein Wiedersehen mit dem Klein- 274 Schmitt-Beck, Rüdiger / Deth, Jan W. van / Staudt, bürger, in: Blätter für deutsche und inter- Alexander: Die AfD nach der rechtspopulisti- nationale Politik, H. 6 / 2017, S. 89–99. schen Wende. Wählerunterstützung am Bei- spiel Baden-Württembergs, in: Zeitschrift für Poli- 272 Vgl. Knepper, Niklas: Marginalisiert und doch tikwissenschaft, Jg. 27 (2017), H. 3, S. 273–303; gefährlich! Südniedersächsische Neonazi-Grup- Lengfeld, Holger: Die „Alternative für Deutsch- pierung „Volksbewegung Niedersachsen“ zwi- land“: eine Partei für Modernisierungsverlierer?, schen Bedeutungsverlust und Gewalt, in: in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozial- Demokratie-Dialog, H. 1 (2017), S. 67–76. psychologie, Jg. 69 (2017), H. 2, S. 209–232.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 50 2 Traditionslinien des Rechtsradikalismus in Niedersachsen grund der aktuellen Entwicklungen davon auszu- Prinzipiell lassen sich drei Ebenen unterschei- gehen, dass sich Frustrationen in der bürgerlichen den, die für die weitere Entwicklung der Partei Mitte in der „Misstrauensgesellschaft“ weiter aus- mitentscheidend sein werden: Erstens wird es da- breiten und die AfD zumindest kurz- bis mittel- rauf ankommen, wie sich die Partei auf einer or- fristig davon profitieren wird.275 Zumindest aus- ganisatorischen Ebene weiterentwickelt, wie sie zuschließen sind solche Befürchtungen aktuell agiert und vor allem wie auf sie reagiert wird – jedenfalls nicht, wie bspw. eine Studie aus dem denn dieses Wechselspiel bestimmt den Hand- Jahr 2017 über die Frustration und die politische lungsspielraum der Parteifunktionäre. Zweitens Spaltung innerhalb der CDU-Mitgliedschaft un- wird sich zeigen, ob sich innerhalb der Anhän- längst belegt hat.276 gerschaft die Parteiidentifikation erhöhen wird Aktuell tut sich die AfD in Niedersachsen noch und ob die AfD einen steten Wählerstamm wird verhältnismäßig schwer – nicht nur im Ost-West- aufbauen können. Und drittens wird es darauf Vergleich, sondern auch im Verhältnis zu ande- ankommen, wie sehr sich politische Frustration, ren westdeutschen Bundesländern wie etwa Ba- Misstrauen und Apathie in größeren Teilen der den-Württemberg oder Hessen, in denen die Par- Gesellschaft bereits verfestigt haben. Denn der- tei organisatorisch stärker aufgebaut ist und auch zeit ist offen, wie hoch inzwischen überhaupt der deutlich bessere Wahlergebnisse erzielt. Doch gesellschaftliche Anteil derer ist, die zumindest auch in Niedersachsen deuten sich gesellschaft- potenziell in den Radius der AfD fallen könnten, liche Tendenzen der Frustration, politischen Ver- wie hoch der Anteil an stillen Sympathisanten für härtung und Verkrustung an, die zwar spezifisch die Partei ist und damit auch, wie weit fortge- in ganz heterogenen Wählergruppen und diver- schritten mittlerweile die postulierte gesellschaft- sifizierten Wahlmotiven münden, von denen die liche Spaltung wirklich ist. AfD aber in Zukunft profitieren könnte.277 Jedenfalls wird sich erst noch herausstel- Und doch bleibt zugleich aufgrund der Ambi- len, in welche Richtung sich die verändernden valenzen der Politischen Kultur weiterhin offen, Erwartungshaltungen278, die rumorenden Frus- ob die AfD in Niedersachsen noch weiteren Zu- trationsschübe, die Verbitterung über politische lauf erhalten wird. Die Partei symbolisiert pars Entscheidungsträger, der Statusfatalismus und pro toto die gesellschaftlichen und politischen die gewandelten Mentalitätsbestände entwickeln Verschiebungen in der Deutungskultur und steht werden, kurzum: Welche Konsequenzen sich aus damit stellvertretend für die neuen gesellschaft- dem „zunehmende[n] Tribalismus der modernen lichen Tendenzen. Gesellschaft“279, der sich schon seit Jahren ab- zeichnet,280 ergeben werden. Erst dann wird sich zeigen, welchen Einfluss die AfD – hier als stell- 275 Dass sich neue Konfliktlinien quer durch gesell- vertretendes Symbol für die Ausdifferenzierung schaftliche Klassenstrukturen bilden, gehört der- zeit schließlich zu den Ambivalenzen. Werden bspw. politischer Lager und Teilkulturen auf Ebene der Frustration, Ohnmacht oder Verunsicherung über Deutungskultur – langfristig auch auf die Sozio- die Furcht und Ablehnung von Migration kompen- kultur und damit auf die politische Kultur insge- siert, so erhöht sich statusunabhängig quer durch samt haben wird. alle Gesellschaftsteile die Wahrscheinlichkeit, die AfD zu wählen; vgl. Hambauer, Verena / Mays, Anja: Wer wählt die AfD? Ein Vergleich der Sozialstruktur, poli- tischen Einstellungen und Einstellungen zu Flüchtlin- gen zwischen AfD-WählerInnen und der WählerInnen der anderen Parteien, in: Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft, Jg. 12 (2018), H. 1, S. 133–154.

276 Vgl. Neu, Viola: „Ich wollte etwas bewegen.“ Die Mit- 278 Vgl. Walter: Zeiten des Umbruchs?, S. 204. glieder der CDU. Eine Empirische Analyse von Mit- gliedern, Wählern und der Bevölkerung, Konrad-Ade- 279 Ebd., S. 43. nauer-Stiftung, Sankt Augustin / Berlin 2017. 280 Vgl. Walter, Franz: Baustelle Deutschland. Poli- 277 Vgl. Finkbeiner: Mächtiges Überraschen. tik ohne Lagerbindung, Frankfurt a. M. 2008.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 51 3 Ergebnisse und Schlussfolgerungen

as Bundesland Niedersachsen hat lässt sich vor allem an der Heimatverbundenheit historisch betrachtet im poli- veranschaulichen, die hier gerade aufgrund des tisch-kulturellen Leben einen unge- ländlich-agrarischen Charakters und des hohen meinen Wandlungsprozess durch- Anteils an Flüchtlingen und Vertriebenen beson- laufen. Das „Stammland des Nach- ders ausgeprägt war. kriegsrechtsradikalismus“ (Helga Grebing) gilt Davon zeugt nicht zuletzt die ungemein große Dheute keineswegs mehr als Hort und Hochburg Faszination für Heimatfilme in den 1950er Jahren. eines aggressiven Rechtsradikalismus, ist nicht Der bekannteste deutsche Heimatfilm „Grün ist mehr das Gebiet, in dem in Krisenzeiten im bun- die Heide“ (1951), zugleich einer der erfolgreichs- desrepublikanischen Vergleich rechtsradikale Par- ten Filme dieser Dekade überhaupt,281 spielt wohl teien am schnellsten politische Erfolge erzielen. nicht zufällig ausgerechnet in der Lüneburger Diese Studie hat nicht nur die historisch-kul- Heide. Der Heimattopos bot Rückhalt und Gebor- turellen Traditionslinien des Rechtsradikalismus genheit, versprach gemeinschaftsstiftende Mo- in Niedersachsen strukturiert, sondern auch die mente, ließ aber auch das Grauen der NS-Zeit einstmaligen Hochburgen rechtsradikaler Parteien leichter vergessen. Daher waren Heimatverbun- identifiziert und sie mit den politischen Milieus denheit und die damit verknüpften Imaginatio- in einzelnen Regionen in Beziehung gesetzt. Hier- nen je nach Einbindung in politische Programme durch konnten zentrale Strukturdimensionen des auch ein Anknüpfungspunkt für autoritäre Gesell- Rechtsradikalismus herausgearbeitet werden, die schaftsvorstellungen. Der Film „Grün ist die Heide“ an dieser Stelle noch einmal zusammengefasst zeichnet eine vermeintlich „heile“ konservative werden sollen. Denn die Bündelung der daraus Lebenswelt mit einem tradiert-patriarchalen Fa- ableitbaren Probleme eröffnet Perspektiven und milienbild, Volksfesten und Trachten und verherr- Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen zu licht zugleich im klassisch geschichtsrevisionisti- aktuellen politischen Phänomenen. schen Stil die Taten deutscher Soldaten im Zwei- Was sind die Strukturdimensionen des Rechts- ten Weltkrieg. radikalismus in Niedersachen im historisch-kriti- Eng mit der Heimatverbundenheit zusammen schen Vergleich und welche regionalen und kultu- hing auch die lokalkulturelle Kraft des Welfentums. rellen Charakteristika haben rechtsradikale Kräfte Der Rückbezug auf die Traditionslinie der her- begünstigt? Im 20. Jahrhundert bot der länd- zoglichen Welfenfamilie, die im 18. Jahrhundert lich geprägte, protestantische, historisch-kultu- in Hannover geherrscht hatte, stiftete einen lan- relle Charakter dieses Bundeslandes einen reichen desspezifischen Stolz, konstruierte ein Landeskol- Nährboden für rechtsradikale Parteien und politi- sche Formationen weit rechts der Mitte. Der po- 281 Vgl. Höbel, Wolfgang: „Wir decken uns mit dem Him- litische Rechtsradikalismus hatte in Niedersach- mel zu“. Deutschland, deine Filme: Was das Hei- sen aufgrund unterschiedlichster regionaler Fak- matkino gestern und heute über nationale Befind- toren relativ günstige Ausgangsbedingungen: Dies lichkeiten erzählt, in: Der Spiegel, 13.12.2016.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 52 3 Ergebnisse und Schlussfolgerungen lektiv mit Traditionen, an das Volksfeste, Sänger- waren nicht immun gegen Angebote von Parteien und Turnvereine bereits im 19. Jahrhundert ap- rechts der Mitte. Dies gilt, wenn überhaupt, nur pellieren konnten. Aber auch im 20. Jahrhundert für die katholisch geprägten konservativen Milieus war das Welfentum identitätsstiftend, wie sich al- wie im Emsland, wo rechtsradikale Parteien kaum lein schon an dem von Hermann Grote verfassten eine Chance hatten, da ihre Verheißungen an den „Niedersachsenlied“ zeigt. Darin werden die Wel- katholisch-religiös konturierten Ordnungs- und fen zum tellurischen Ankerpunkt eines Stammes- Gesellschaftsvorstellungen offenbar abprallten. kollektivs in „Niedersachsen“ stilisiert, wenn es Doch haben diese politisch-kulturellen Mo- heißt: „Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und mente inzwischen sicherlich ihre einstmalige ge- erdverwachsen“. Der Bezug auf die Welfen und nuine Bedeutung eingebüßt, haben an Wirkungs- das Welfische begünstigte auch den Rechtsradi- kraft verloren. „Milieus“ können heute überhaupt kalismus, wenn sozioökonomische und soziokul- nicht mehr innerlich so verfasst, strukturiert und turelle Faktoren oder Krisen in den entsprechen- organisiert sein, wie sie es einmal (vermeintlich) den Traditionsgebieten – um Rotenburg (Wümme) waren. Kaum jemand – erst recht nicht mehr die und den Heidekreis – hinzukamen. jüngeren Kohorten – geht heutzutage noch re- In Niedersachsen war aber obendrein der An- gelmäßig in die Kirche, obschon doch der min- tikommunismus weitverbreitet, teilweise sogar in destens wöchentliche Kirchgang als Zeichen der äußerst verbittert-rigoroser Form vor allem in den notwendigen Portion Demut gerade für katho- östlichen Regionen von Lüneburg bis Helmstedt, lisch-konservative Milieus so wichtig war. Aber also jenen Gebieten, die an die DDR angrenzten. auch von durchstrukturierten, durchrationalisier- Die Grenzlinie zur Sowjetischen Besatzungszone ten und sedimentierten Netzwerken, die sowohl und später dann zur Deutschen Demokratischen den Arbeitsalltag von Arbeitern in gewerkschaft- Republik hatte auch unmittelbare Folgen für die lichen Interessenorganisationen als auch den Le- Anzahl von Flüchtlingen und Vertriebenen, die bensalltag in Sport- und Turnvereinen oder in ge- aus dem Osten allein schon geografisch bedingt nossenschaftlich-organisierten Verbänden präg- vor allem in Niedersachsen ankamen. Der poli- ten, was für die sozialistischen Milieus konstitutiv tische Rechtsradikalismus hatte organisatorisch war, kann heute kaum mehr die Rede sein. zuvorderst in solchen Regionen günstige Voraus- Aber: Verschwunden sind diese politisch-kul- setzungen, in denen eine hohe Flüchtlings- und turellen Momente sicherlich nicht, vielmehr wir- Vertriebenenanzahl sowie eine wirtschaftliche ken sie heutzutage offenbar mittelbarer und in- Krisenlage bei hohen Arbeitslosenzahlen auftra- direkter. Allein mit Blick auf die Wahlstatistiken ten. Fielen diese zusammen, wählten sowohl oft- auch in Niedersachsen zeigen sich unumwunden mals die Vertriebenen selbst als auch vor allem unzählige Residuen dieser politisch-kulturellen die mittelständische, protestantische Bevölkerung und milieugeprägten Traditionen, die bis heute rechtsradikale Parteien. fortwirken. Die niedrigsten Werte erzielte die AfD Die liberalen und konservativen, teilweise aber bei der Landtagswahl 2017 nicht zufällig in den- auch die sozialdemokratischen Milieus hatten jenigen Wahlkreisen, die im katholisch gepräg- dem teils rabiat auftretenden Rechtsradikalis- ten Raum Osnabrück / Emsland lagen.282 Historisch mus wenig entgegenzusetzen. In liberalen Tra- kulturell betrachtet hatten auch früher schon ditionsgebieten, wie etwa im nördlichen Weser- rechtsradikale Parteien hier verhältnismäßig we- Ems-Raum, erzielten Parteien rechts der Mitte nige Erfolge. im Landesvergleich überdurchschnittlich gute Er- Aber welche Wirkung von diesen politisch-kul- gebnisse. Und in konservativen Milieus, die ag- turellen Kräften wirklich ausgeht, wie die Menta- rarisch-rural und zugleich protestantisch geprägt litätsbestände heute verfasst sind, welche Ingre- waren, befeuerten diese Milieustrukturen zugleich dienzen der Milieustrukturen heute noch beste- noch mithilfe von Antikommunismus und Wel- fenstolz den politisch organisierten Rechtsradi- kalismus. Dies gelang vor allem im nordöstlichen 282 Ausführlicher zu den Deutungen der AfD-Wahl- Teil Niedersachsens von Rotenburg (Wümme) bis ergebnisse in Niedersachsen vgl. Fink- Lüneburg. Aber auch die sozialistischen Milieus beiner: Mächtiges Überraschen.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 53 3 Ergebnisse und Schlussfolgerungen hen und wie sich diese in Schichten, Lebensstilen ist – eine solche kategorische Einordnung wird und anderen Vergesellschaftungsformen äußern: von ihrer weiteren Entwicklung abhängen. Dass Darüber wissen wir – besonders mit Blick auf die die AfD aber in jedem Fall das Potenzial hierfür niedersächsische Gesellschaft – noch recht we- birgt, bedeutet zugleich jedoch nicht, dass auch nig. Doch genau diese Dinge sind entscheidend, die AfD-Wählerschaft in toto rechtsradikal ist bzw. wenn man verstehen will, wie die Genese der po- sein muss. Nach allen bisherigen Erkenntnissen litischen Bewusstseinsformen genau vonstatten- zu Wahlstrukturdimensionen und -motiven ist die geht. Wählerschaft der AfD, wie bereits ausgeführt, zur- Kurzum: Die Mechanismen und Vermittlungen zeit enorm heterogen. politisch-kultureller Momente, sozioökonomischer Zumal sich das Problem der gesellschaftlichen Faktoren, sozialisatorischer wie individueller Be- Konstituierungsmomente politischer Bewusst- dingungen und weiterer Aspekte und Dimensio- seinsformen auch mit Blick auf den AfD-Wahler- nen für die Entstehung, Entwicklung und Prägung folg der vergangenen Jahre symptomatisch ver- politischer Bewusstseinsformen sind weithin um- deutlichen lässt. Zwar zeigen die reinen Wahler- stritten bzw. ungeklärt. Dieser Umstand ist frap- gebnisse in Niedersachsen für sich genommen, pierend und unbefriedigend, wo doch kaum je- dass die AfD in diesem Bundesland deutlich we- mand abstreiten könnte (oder besser: dürfte), dass niger Erfolg hat als in anderen Bundesländern; lokale, regionale und politisch-kulturelle Fakto- aber auch hier deuten sich gesellschaftliche Ten- ren eine mitentscheidende Rolle dabei spielen, denzen der Frustration, politischen Verhärtung wie gesellschaftliche Gruppen politisch „denken“. und Verkrustung an, die zwar spezifisch zu ganz Und zum politischen, mentalitätsgeschichtlichen heterogenen Wählergruppen und diversifizierten Haushalt von Gesellschaften gehören eben auch Wahlmotiven führen, wovon die AfD in Zukunft durchaus autoritäre Gesellschaftsvorstellungen, profitieren könnte. Auszuschließen ist das jeden- Ressentiments und Vorurteile. Diese Strukturmo- falls nicht (mehr); vor allem, wenn sich in Zukunft mente und Ursachen eines „antizivilisatorischen, – bspw. infolge einer abermaligen Wirtschafts- antiwestlichen Unterstrom[s] der deutschen Über- und Finanzkrise – auch hier Momente der Radi- lieferung“283, wie Adorno pointiert in seinem be- kalisierung politischer Formen ergeben. rühmten Vortrag „Was bedeutet: Aufarbeitung der Freilich ist dies nur ein Gedankenspiel, und Vergangenheit?“ zugespitzt hat, müssen langfris- derzeit hat die AfD in Niedersachsen weniger tig und zielführend analysiert werden, um sie ver- gute Karten als bspw. in den ostdeutschen Bun- stehen und bekämpfen zu können. desländern. Aber blickt man nur einmal auf Be- Die Ambivalenz politischer Mentalitäten und völkerungsumfragen, auf Zufriedenheitswerte von Bewusstseins- sowie politischer Erscheinungs- Politik und Parteien, auf Einstellungsmuster ge- formen zeigt sich nicht zuletzt aktuell mit Blick wisser gesellschaftlicher Schichten, so drängt sich auf die AfD. Deren politische Einordnung ist um- doch der Eindruck auf, dass sich Skepsis, Apathie, stritten. Zumindest unserer Minimaldefinition fol- Misstrauen, Ablehnung, ja teils Verachtung auch gend284 versammelt die Partei inzwischen alle in der niedersächsischen Gesellschaft immer wei- Strukturmomente einer rechtsradikalen Partei, ter ausbreiten.285 weil sie autoritäre Politik- und Gesellschaftsvor- stellungen vertritt und ihre führenden Politiker zumindest tendenziell antiliberal, völkisch, rassis- tisch und geschichtsrevisionistisch sind. 285 Dazu grundlegend Walter, Franz: Bürgerlichkeit und Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss Protest in der Misstrauensgesellschaft. Konklusion noch nicht, dass die AfD per se rechtsradikal und Ausblick, in: Ders. (Hg.): Die neue Macht der Bür- ger. Was motiviert die Protestbewegungen?, Reinbek bei Hamburg 2013, S. 301–343. Dies zeigt sich bspw. 283 Adorno, Theodor W.: „Was heißt: Aufarbeitung der mit Blick auf den Rückgang der Vertrauenswerte der Vergangenheit?“, in: Ders.: Eingriffe. Neun kritische großen Parteien SPD wie CDU bei der letzten Land- Modelle, Frankfurt a. M. 1963, S. 125–146, hier S. 137. tagswahl in Niedersachsen 2017; vgl. Infratest dimap: Wahlreport Landtagswahl Niedersachsen 2017. Eine 284 Siehe Anm. 8. Analyse der Wahl vom 15. Oktober 2017, Berlin 2017.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 54 3 Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive ist Aktivisten sammeln; aber neben der AfD exis- diese Ambivalenz natürlich erklärungsbedürftig: tieren freilich weitere rechtsradikale Strömungen, Objektiv betrachtet finden sich in Niedersachsen Netzwerke und Akteure auch in Niedersachsen, derzeit relativ gute Voraussetzungen, von denen die sich nicht auf diese Partei einlassen. eine Partei wie die AfD profitieren kann. Aber in Und die Geschichte von Parteien und sozia- realiter schöpft die AfD diese Bedingungen (noch) len Bewegungen zeigt: In dem Moment, in dem nicht aus, wie sich mit Blick auf aktuelle Umfra- sich die führende politische Kraft eines Spek- gewerte zeigt. Von daher muss nach den Polstern trums institutionalisiert (bei der AfD durch die gefragt werden, die momentan offenbar (noch) Sachlogik-Zwänge der Parlamentarisierung), kön- verhindern, dass Misstrauen zwar in partielle Ver- nen sich andere politische Kräfte aufgrund von bitterung und Apathie umschlägt, jedoch nicht Abgrenzungsbemühungen gegenüber der sich in- noch stärker in AfD-Voten mündet. stitutionalisierenden Organisation politisch-pro- Aber: Dass die AfD in Niedersachsen weniger grammatisch radikalisieren. erfolgreich ist als in ostdeutschen Regionen, auch Von daher müssen auch diese abseitigen weniger als im süddeutschen Raum wie etwa in Strukturen und Bewegungen genau im Blick be- Baden-Württemberg, muss keineswegs so bleiben. halten werden. Alle diese Ebenen gehören zum Zwar ist die Partei derzeit die Gewinnerin der po- Gesamtphänomen des Rechtsradikalismus. Ge- litischen Umbruchsstimmung, in der sich viele rade dies macht Untersuchungen hierzu so kom- rechtsradikale Kreise, Strömungen oder einzelne plex und herausfordernd.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 55 4 Ausblick: Das weitere Forschungsprogramm in FoDEx

ieser kurze Problemaufriss zu den nel sowie mit Forsa eine repräsentative Umfrage Traditionslinien des Rechtsradi- in Niedersachsen durchgeführt.286 kalismus in der politischen Kultur Dies ist mindestens in zweifacher Hinsicht ein Niedersachsens dient uns als Aus- Novum: Zum einen existieren nur wenige solcher gangspunkt der Sondierung eines Demokratiemonitore zu einzelnen Bundeslän- weiten Themenfeldes. Somit fungiert die vorlie- dern (wie bspw. zu Sachsen, Thüringen oder Sach- Dgende Studie als Auftakt und gedankliche Ba- sen-Anhalt) – für die niedersächsische Gesell- sis unseres Forschungsprogrammes. Die Arbeits- schaft gibt es bisher keine vergleichbaren Daten. gruppe zum politischen Phänomen des Rechts- Und zum anderen setzt der „Niedersächsische radikalismus in der „Forschungs- und Dokumen- Demokratiemonitor“ in theoretisch-methodischer tationsstelle zur Analyse politischer und religiö- Hinsicht einen stärkeren Akzent auf die Demo- ser Extremismen in Niedersachsen“ möchte sich kratievorstellungen der Bürger, als dies bis dahin den Fragestellungen, die sich aus dem skizzier- vergleichend in anderen Monitoren geschehen ten Problemaufriss ergeben, in Zukunft mithilfe ist. Gegenüber anderen Landesmonitoren birgt unterschiedlicher Untersuchungen und Zugänge dies den Vorteil, die klassische, von Almond und widmen, die als Teil einer umfassenden Politi- Verba geprägte politische Kulturforschung auf der schen Kulturforschung Niedersachsens ineinan- Basis standardisierter Umfragen zu Einstellun- dergreifen. gen gegenüber dem politischen System und der Ein zentrales Instrument, den aufgeworfenen subjektiven Orientierung gegenüber politischen Fragen nachzugehen und mehr über die politi- Phänomenen zu erweitern und mit einer quali- sche Kultur Niedersachsens, über Verdichtungs- tativ-empirischen politischen Kulturforschung zu räume und Einstellungsmuster, zu erfahren, ist kombinieren. der „Niedersächsische Demokratiemonitor“. Für Unsere standardisierte Telefonumfrage zu den diesen wurde in Kooperation mit dem Lehrstuhl Einstellungen der niedersächsischen Bevölkerung für quantitative Methoden und Statistik der Uni- soll deshalb um qualitative Methoden (Gruppen- versität Göttingen unter Leitung von Steffen Küh-

286 Für den „Niedersächsischen Demokratiemoni- tor“ wurden im November und Dezember 2018 insgesamt 1.001 Niedersachsen befragt.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 56 4 Ausblick: Das weitere Forschungsprogramm von FoDEx diskussionen bzw. Fokusgruppen und Einzelinter- den Einstieg in eine längerfristig angelegte Poli- views) ergänzt werden. Dieser Methodenmix er- tische Kulturforschung. möglicht, über aktuelle Bewertungen der Demo- Deren Ziel besteht darin, diese (und andere) kratie hinaus Wahrnehmungsmuster und Beurtei- Regionen in Niedersachsen über mehrere Jahre lungsmaßstäbe vertieft zu erfassen und dadurch zu erforschen. Erst dadurch wird es möglich sein, nicht nur die quantitativen Ergebnisse umfassen- die Verdichtungen des dortigen Rechtsradikalis- der zu interpretieren, sondern auch einer even- mus in die langen historischen Linien einordnen tuellen Verfestigung oder gar Durchbrechung der und deren aktuelle Weiterführung oder Unterbre- historischen Linien nachzuspüren. chung nicht nur an der Oberfläche beschreiben, Um Veränderungen und Entwicklungen benen- sondern sie in den Begrifflichkeiten der Politi- nen zu können, wird angestrebt, die Umfrage als schen Kulturforschung, d. h. die jeweiligen Aus- Längsschnittstudie alle zwei Jahre durchzuführen prägungen ihrer Deutungs- und Soziokultur, er- und den standardisierten Fragebogen mithilfe der forschen zu können. Der Rückgriff auf qualitative Erkenntnisse aus den qualitativen Untersuchun- Methoden erlaubt, die genauen Deutungsmuster gen stets anzupassen und zu aktualisieren. Zu- sowie die leitenden Gesellschafts-, Ordnungs- dem werden die Umfrageergebnisse, die noch im und Demokratievorstellungen ganz unterschiedli- Frühjahr 2019 publiziert werden sollen, der Aus- cher Gruppen zugleich mit Tiefenbohrungen und gangspunkt für weiterführende qualitative Studien im regionalen Vergleich zu analysieren, ergo so- sein: Auffälligkeiten, Ungereimtheiten und Ambi- wohl synchrone als auch diachrone Erklärungen valenzen in diesen Daten geben Hinweise, in wel- für die Deutungs- und Soziokultur in Niedersach- chen Regionen es sich lohnt, die jeweiligen Be- sen zu erhalten. sonderheiten vertiefend zu erforschen. Haben sich die Hochburgen des Rechtsradika- Ohne bereits auf die Daten des „Niedersächsi- lismus als persistent erwiesen? Lassen sich auf- schen Demokratiemonitors“ zurückgreifen zu kön- grund der heutigen Einstellungen Rückschlüsse nen, haben wir außerdem seit 2018 eine Studie auf die in der vorliegenden Studie beschriebe- über die lokalkulturellen Aushandlungs- und Re- nen niedersächsischen Milieus ziehen? Oder gab aktionsformen von bzw. auf Rechtsradikalismus es Verschiebungen, wurden historische Linien oder als „rechtsradikal“ wahrgenommener Phä- aufgebrochen, haben sich Schwerpunkte verla- nomene in Niedersachsen durchgeführt. Auf dem gert oder sogar aufgelöst? Für die konkrete For- Weg zu einer tiefergehenden Forschung über die schung bedeutet das: Auf den geschilderten For- politischen Milieus in Niedersachsen und deren maten (umfassende Auswertung des „Niedersäch- Bedeutung für die gesellschaftlichen Bewusst- sischen Demokratiemonitors“ und erste Fallstu- seinsformen der Gegenwart bedeutet diese Stu- dien) aufbauend, werden tiefergehende Analysen die eine erste Annäherung an die Deutungskul- zu politisch-kulturellen Kristallisationsmomenten tur in unterschiedlichen Regionen, die gewisser- rechtsradikaler Mentalitäten und Bewusstseins- maßen auf den hier präsentierten historischen formen erst möglich. Um aber ein Milieu umfas- Linien, Fragestellungen und Konzeptualisierun- send beschreiben, salopp gesagt: um Rechtsradi- gen aufbaut bzw. auf diese zurückgreift. Am Bei- kalismus in all seinen Ausprägungen in einer Re- spiel von drei explorativen lokalen Fallstudien gion erforschen zu können, dürfen lokalkulturelle fragen wir nach örtlichen Kontexten und Kons- Verdichtungen und lebensweltliche Zusammen- tituierungsbedingungen und systematisieren die hänge nicht aus dem Blick geraten. identifizierten Mechanismen vergleichend. Bei Bestimmte Personen, wie einstmals Adolf von der Fallauswahl wurde darauf geachtet, möglichst Thadden oder Michael Kühnen, organisieren diese unterschiedliche Phänomene, Ausformungen und Milieus, sie prägen Gruppen und Räume: Ihre Re- Ausprägungen von Rechtsradikalismus in den levanz als Milieu- oder Lageragenten lässt sich in Blick zu bekommen, um jeweils die unterschiedli- den Zugriff der Politischen Kulturforschung inte- chen Interaktionen und Reaktionen in den lokalen grieren – begreift man sie als Motoren nicht nur Kontexten genauer analysieren zu können. Die Er- von Artikulationsformen, sondern auch als Träger gebnisse dieser Studie werden im Frühjahr 2019 und Reproduzenten ihres jeweiligen Milieus. veröffentlicht und bilden – wie bereits erwähnt –

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 57 4 Ausblick: Das weitere Forschungsprogramm von FoDEx

Eine solch intensive Betrachtung eines Or- Antworten für die Gegenwart liefert, steht bisher tes aus unterschiedlichen Blickwinkeln bietet die schließlich noch aus. Chance, den historischen Milieus nachzuspüren Denn, wie gezeigt, bestimmen vor allem die und zu eruieren, ob trotz des viel zitierten Auf- lokalkulturellen Traditionslinien die politischen brechens ihrer Strukturen noch Residuen vorhan- Ausprägungen vor Ort auch in der Gegenwart den oder Neuformierungen zu lokalisieren sind. entscheidend mit. Da jedoch über die regionalen Gleichzeitig schließt diese historisch-verglei- Traditionslinien in ihrer historischen Genese und chende Perspektive nicht aus, dass wir die Ar- Transformation bis heute kaum Ergebnisse vor- tikulationen der Milieu- und Lageragenten auch liegen, ist eine historisch-vergleichende Unter- außerhalb der milieuräumlichen Verdichtungen, suchung einzelner zentraler Regionen in Nieder- bspw. im Internet, insbesondere in den sozialen sachsen erforderlich. Ein Blick auf die früheren Netzwerken, in die Untersuchung miteinbeziehen. Hochburgen des Rechtsradikalismus, in denen ak- Gerade in dieser Arena werden einerseits Ele- tuell auch die AfD wieder erfolgreich ist, ermög- mente der Soziokultur sichtbar und andererseits licht auf dieser Grundlage eine erste Erklärung Mobilisierungspotenziale identifizierbar. der Wahl- und Strukturmotive dieser Partei in den Diese verschiedenen Formate sollen langfristig ausgewählten niedersächsischen Regionen, die einander ergänzen und das Gesamtbild der un- bislang noch nicht vorliegt. tergründigen politischen Bewusstseinsformen der Gerade vor dem Hintergrund der voranschrei- niedersächsischen Gesellschaft schärfen und so- tenden Konsolidierung der AfD im Parteienspek- mit auch Auskunft geben über die Ursachen und trum gilt es prinzipiell, mehr über die Motive zur Erscheinungsformen des politischen Rechtsra- Wahl dieser Partei herauszufinden. Auch in Nie- dikalismus. In verdichteter Form entsteht so ein dersachsen wählen sie eben nicht nur die Ab- Porträt der Geschichte des Rechtsradikalismus gehängten, Prekarisierten und die „Modernisie- in Niedersachsen im 20. Jahrhundert, das Traditi- rungsverlierer“, sondern erstaunlich viele Men- onslinien und Strukturdimensionen aus der Region schen, die dem bürgerlichen Spektrum, der so- des späteren Niedersachsens bereits im 19. Jahr- genannten politischen Mitte, zuzuordnen sind. hundert über das Kaiserreich und die Weimarer Geplant ist daher, gerade unter diesen Berufs- Republik, die Weltkriege und den Nationalsozialis- gruppen vertiefende Wahlstruktur-Studien durch- mus hinaus aufgreift. Eine solche Kompilation in zuführen, um mehr über die Einstellungen und historisch-vergleichender Perspektiver, die nicht Motive herauszufinden und prinzipiell der Frage nur Erkenntnisse über Ursachen und Dynamiken nachzugehen, weshalb die AfD auch in diesen ge- des Rechtsradikalismus verspricht, sondern auch sellschaftlichen Bereichen auf Zustimmung stößt.

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FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 66 Autor und Autorin

Florian Finkbeiner, geb. 1988, Dr. Katharina Trittel, geb. 1984, studierte Politikwissenschaft ist wissenschaftliche Mitar- und Soziologie. Er arbeitet als beiterin am Göttinger Institut wissenschaftlicher Mitarbeiter für Demokratieforschung und am Göttinger Institut für Demo- Redakteurin des Demokra- kratieforschung. In seiner Dis- tie-Dialog. Im Rahmen der For- sertation beschäftigt er sich schungs- und Dokumentations- mit dem Wandel des Konser- stelle zur Analyse politischer vatismus nach der deutschen und religiöser Extremismen in Vereinigung. Niedersachsen arbeitet sie zum Bereich Rechtsradikalismus.

FoDEx-Studie | Traditionslinien des Rechtsradikalismus in der politischen Kultur Niedersachsens 67 Impressum

Herausgeberin Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse politischer und religiöser Extremismen am Institut für Demokratieforschung Georg-August-Universität Göttingen Weender Landstraße 14 37073 Göttingen Tel.: + 49 551 39 1701 00 Fax: + 49 551 39 1701 0 1 E-Mail: kontakt @ fodex- online. de

Ansprechpartner Nachweise Studie: Schrift: Florian Finkbeiner Kanit Font, Cadson De- florian.finkbeiner @ demokratie-goettingen.de mak [http://cadsondemak. com/], 2015, SIL Open Font Reihe FoDEx-Studien: License v1.10 [http://scripts. Dr. Matthias Micus sil.org/cms/scripts/page. matthias.micus @ demokratie-goettingen.de php?item_id=OFL_web]

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Dr. Robert Lorenz Göttingen, Februar 2019 FODEX-ONLINE.DE WWW.

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