Anhänger von : „Zu viele Deppen in der Vorstandsetage“

FUSSBALL Start-up der Diva Mit der Machtübernahme durch den amerikanischen Vermarktungskonzern Octagon sollte alles besser werden beim notorischen Abstiegskandidaten Eintracht Frankfurt. Bei der Suche nach einem Trainer geben die neuen Manager ein eher blamables Bild ab. Unter den Fans wächst der Unmut.

ie Aufgabe schien reizvoll. Ein dass die Frankfurter Eintracht den Vertrag problematischen Modus von Personal- großer Verein, eine große Stadt, mit Assistenztrainer bis 2003 politik. Offiziell ließ er verlauten, „unter- Deine große Fangemeinde. Hans- verlängert habe. Das war der Moment, in schiedliche sportliche Konzepte“ hätten die Peter Briegel, 45, in den Achtzigern als dem der ehemalige Kaiserslauterer wusste, Gespräche von Vorstand und Trainerkan- „Walz von der Pfalz“ auf deutschen Fuß- dass es mit dem hessischen Traditionsclub didat zum Scheitern gebracht. ballplätzen gefürchtet und mit der Natio- doch keinen Sinn hat. Erst den Stellver- Eine vornehme Umschreibung. Es war nalelf zweimal Vize-Weltmeister, hatte mit treter zu bestätigen und dann den Chef- wohl eher Dummheit, die dazu geführt hat, dem Gedanken Freundschaft geschlossen: coach zu suchen, das hielt Briegel für einen dass die Eintracht jetzt wohl bis Saison- Ja, er wollte Trainer von Ein- ende mit ihrer Verlegenheits- tracht Frankfurt werden. lösung auskommen muss: mit Die letzten fünf Spiele hatte Club-Manager auf die Mannschaft, seit drei Jah- der Trainerbank. Denn vor Brie- ren notorisch abstiegsgefährdet, gel hatten schon andere Fußball- nicht gewinnen können. Doch lehrer auf den Job verzichtet. die beiden WM-Qualifikations- Das mag überraschen, weil matches der Nationalelf boten doch alles besser werden sollte eine Bundesligapause von zwei mit der Umwandlung des Tradi- Wochen. Briegel, so hatte er es tionsvereins zur „Eintracht sich ausgemalt, wäre mit seinem Frankfurt Fußball AG“. „Drasti- neuen Team acht Tage ins Trai- sche Veränderungen“, hatte Ste- ningslager gefahren, um die Pro- ven Jedlicki, der Vorstandsvor- fis in Ruhe kennen zu lernen: sitzende der neuen Aktienge- „Der Zeitpunkt passte.“ sellschaft angekündigt. Ob dazu Vergangenen Montag schalte- gehört, ohne lizenzierten Chef-

te Briegel indes zu Hause sein A. RENTZ / BONGARTS coach dem Abstieg entkommen Fernsehgerät ein und erfuhr, Frankfurter Profis: Kein Bier-, Schweiß- und Tränenverein mehr zu wollen?

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Jedlicki winkt ab. Zur Trai- Borussia Dortmund oder Bayern München, eine Lady zu machen“, sagt Ploog, der sich nersuche sage er nichts mehr. Ajax Amsterdam oder den AC Mailand. jetzt Mediendirektor nennt. Sein Thema sind die brachlie- An Clubs jedenfalls, die Jedlicki für Groß- Anfang Februar hatte Jedlicki die Chan- genden Ressourcen des Ver- konzerne hält und nicht für solche Bier-, ce, umzusetzen, was er unter professionel- eins. „Das Vermarktungspo- Schweiß- und Tränenvereine, zu denen ler Vereinsführung versteht. Da saß er mor- tenzial der Marke Eintracht auch die Eintracht noch bis vor kurzem gens mit seinem Geschäftspartner Manfred Frankfurt ist groß“, sagt der gehört habe. Birkholz zusammen, und beim Kaffee kam hemdsärmelige Marketingpro- Octagon ist schließlich wer im weltwei- den beiden die Idee mit Lothar Matthäus. fi, und es klingt, als spräche er ten Sportbusiness; hat Tennisstars wie Mar- Der deutsche Rekordnationalspieler soll- über Coca-Cola oder Persil, tina Hingis, Anna Kurnikowa und Gustavo te dem ungeliebten als Trai- und so ist es wohl auch ge- Kuerten unter Vertrag, betreut etliche Golf- ner folgen. Magath war nicht nach dem Ge- meint. „Die Eintracht ist ein profis der Sonderklasse, organisiert das schmack von Steven Jedlicki. Er trainiert Wirtschaftsunternehmen und Rasentennisturnier im Londoner Queens meistens Abstiegskandidaten und steht in muss wie ein Großkonzern ge- Club und gestaltet unter anderem das Fuß- dem Ruf, seine Profis bis zum Kreislauf- führt werden.“ ballsponsoring von Opel, mit dessen Logo kollaps über den Sportplatz zu scheuchen. So zu reden ist zwar inzwi- die Trikots von Bayern München bedruckt Magath sagt Weisheiten wie: „Wer besser schen Usus im Bundesliga-Ge- sind. „Global Passion“ steht oben auf der sein will als andere, muss mehr tun.“ Mit schäft. Der Unterschied besteht knallroten Internet-Seite des Unterneh- Magath wird Schweiß und Fleiß assoziiert, jedoch darin, dass die Hoeneß mens: „Octagon Worldwide“. „Wir sind Trainingsanzüge und Turnschuhe. und Assauer dieses Landes im Weltmarktführer“, erklärt Jedlicki. Matthäus hingegen ist in Jedlickis Wer- Herzen immer noch Vereins- Die Frankfurter Eintracht gehört hinge- tewelt eine Marke – ein „Brand“, wie sie meier sind – und ihrem Club gen nicht gerade zu den ganz Großen im jetzt in Frankfurt sagen. Hat mit Inter Mai- verpflichtet. Steven Jedlicki, 49, Fußballgeschäft: Sie ist einmal Deutscher land und Bayern München Trophäen ge- arbeitet hingegen für den ame- Meister geworden – das war 1959, also noch wonnen. War schon Weltmeister und hat in rikanischen Vermarktungskon- vor Einführung der Bundesliga –, viermal New York gelebt. „Erfolge auf höchstem zern Octagon, eine Tochter- DFB-Pokalsieger und einmal Uefa-Cup- Niveau“, fand Jedlicki, als er glaubte, das

J. GÜNTHER J. gesellschaft der Interpublic Sieger. Ihre Helden heißen Bernd Hölzen- sei ein Mann für seinen Club. Group, die durch Zukäufe die- bein, Jürgen Grabowski und Fred Schaub, Also traf sich Jedlicki mit Matthäus in ser Tage zur weltgrößten Werbe-Holding der 1980 im Europapokalfinale das ent- München, und anfangs sah es auch so aus, expandiert ist. scheidende 1:0 gegen Borussia Mönchen- als hätte der frühere Weltfußballer Inter- Octagon besitzt inzwischen 49,9 Prozent gladbach schoss. Lange her. esse an Eintracht Frankfurt. Obwohl er der Anteile der „Eintracht Frankfurt Fuß- Von sich reden machte der Verein seit- noch nie einen Verein trainiert hat und kei- ball AG“, wie die vom Restverein abge- dem meist wegen verpasster Chancen und ne Lizenz, um selbiges zu tun. trennte Profiabteilung nun heißt – ein No- innerer Zerwürfnisse. Von Journalisten Doch dann ging wieder alles schief. Ir- vum in der deutschen Fußball- wird er deshalb gern hämisch gendjemand, voller Freude über den Coup, historie, das die Beteiligten aus Octagon-Mann Jedlicki „Zwietracht“ genannt. Um posaunte die Neuigkeit aus. Prompt oppo- Verein und AG „strategische Part- das zu ändern, hat Jedlicki für nierten die Fans gegen die Verpflichtung nerschaft“ nennen. die Pressearbeit den Fernseh- von „Frankenbarbie“. Im Internet ver- Das klingt fortschrittlich. Und in mann Günter-Peter Ploog ge- langten entrüstete Hessen, Jedlicki möge der Tat zählt die Eintracht zu jenem holt, der jahrelang fürs ZDF „ins Showgeschäft gehen“ und riefen dazu exquisiten Zirkel von vier Bundes- gearbeitet hat. „Mein Ziel ist auf, dem Octagon-Mann die Mailbox „voll- ligateams, die in Kapitalgesell- es, aus der Diva vom Main zubomben“: Es seien „zu viele Deppen schaften umgewandelt worden sind. Den Schritt an die Börse hat bislang freilich nur Borussia Dort- Marketing global erwerben Lizenzen von Proficlubs und küm-

mund gewagt und damit einen C. KLEIN Erst 1997 gegründet, gehört Oc- mern sich um Merchandising, TV-Produktio- Reinerlös von 260 Millionen Mark tagon bereits zu den führenden nen und Rechteverwertung. Octagon gehört erzielt. Bayer Leverkusen und der VfL Sportvermarktern. Octagon beschäftigt mehr zur Interpublic Group, der weltgrößten Wolfsburg änderten zwar die Gesell- als 1400 Mitarbeiter in 19 Ländern. Sie ma- Werbe-Holding mit Agenturen wie McCann- schaftsform, mit Bayer und Volkswagen nagen Athleten, organisieren Sport-Events, Erickson, Lintas und Springer & Jacoby. sind indes jene Unternehmen Anteilseigner geworden, die schon zuvor den Verein wirtschaftlich trugen. Die Frankfurter Ein- tracht hingegen hat sich, in Stunden höchs- ter Not, einem fremden Geldgeber an den Hals geschmissen. Die strategische Partnerschaft sah dann auch so aus, dass Octagon als Erstes rund 20 Millionen Mark in den damals kon- kursreifen Fußballverein gesteckt hat. Ir- gendwann, so der Masterplan, wird das US-Unternehmen 50 Millionen Mark in das Joint Venture gepumpt haben. Und dann möchte Jedlicki seine Vision vom moder- nen Kicker-Konzern verwirklicht sehen,

der um Europas Fußballpokale mitspielt. DPA „Die Marke Eintracht Frankfurt zur Octagon-Klienten Gustavo Kuerten, führenden Marke machen“, sagt Jedlicki, Anna Kurnikowa, Davis Love REUTERS sei seine Aufgabe. Er denkt dabei an AP

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Partner: Gewinne werden geteilt, wenn sie erwirt- schaftet werden.“ Das gäbe dann eine „Win-win- Situation“. Ach ja: „Die AG ist ein Start-up-Unter- nehmen. Octagon bringt Know-how ein.“ Als Wer- beprofi mit Beteiligungen im internationalen Filmge- schäft tut er sich nicht all- zu schwer mit dem modi- schen Jargon, den die neue Zeit fordert. Aber eine Trainerfin- dungskommission hält er dann doch für Schaber- nack. „Dann brauchen wir demnächst eine Ver- teidiger-, eine Stürmer- und eine Managerfindungs-

C. KÖPSEL / BONGARTS C. KÖPSEL kommission“, lästert er. Fanprotest gegen Matthäus (im Frankfurter Waldstadion): Als früherer Bayern-Star schwer vermittelbar Jetzt steht er am Rieder- wald, der alten Heimstätte in der Vorstandsetage“. Zum nächsten le Namen durchs Rhein-Main-Gebiet, dar- der Eintracht. Das alte Clubheim rottet Heimspiel war das Waldstadion voll mit unter Bernd Schuster, , langsam dahin. Einen Großteil des Gebäu- Anti-Matthäus-Transparenten. Otto Rehhagel, Klaus Toppmöller und eben des hat die Behörde wegen Baufälligkeit Lothar Matthäus beriet sich derweil mit Hans-Peter Briegel. Alles Brands, doch kei- gesperrt. Hinten kicken die Amateure des Freunden in München und sagte Jedlicki ner wollte sich den Krisenclub antun. Vereins gegen Croatia Frankfurt. Sie stol- ab. Die sportliche Situation der Eintracht Das mag auch am lausigen Ruf liegen, pern über den hart gefrorenen Platz. sei ihm zu brisant. Jedlicki war tief ent- den die Eintracht hier zu Lande be- Ganz außen auf der alten Traverse steht täuscht. Dennoch ist er der Überzeugung, sitzt. In einer Umfrage des Fachmagazins Bernd Hölzenbein, der Weltmeister von mit seinem Konzept Eindruck gemacht zu „Kicker“ urteilten die Leser jüngst über 1974. Einst riefen sie „Deutschlands Stolz, haben: „Matthäus hat gefallen, wie pro- das Image und die Management-Qualitä- der Grabi und der Holz“: 420 Bundesliga- fessionell wir an die Dinge herangehen.“ ten der 18 Bundesligavereine – die Ein- spiele hat er für seine Eintracht gemacht Eine Einschätzung, die Jedlicki nahezu tracht wurde jeweils letzter. Die Basis und dabei 160 Tore geschossen. Später, als exklusiv hat. Peter Fischer zum Beispiel sieht das kaum anders. Irgendwann auf Vereinsfunktionär, baute er eine großartige fühlt sich übergangen. Der In- Elf auf: mit Uwe Bein, Andreas Möller und haber einer großen Werbe- Anthony Yeboah. „Fußball 2000“ nannten agentur ist Präsident des Ein- sie das nicht nur in Frankfurt. Was hatten sie tracht Frankfurt e. V., der mit geschwärmt vom Fußball der Zukunft – und 50,1 Prozent die Mehrheit an wurden doch nur Dritte. der Eintracht AG hält. Fischer Alles vergessen in dieser schnelllebigen hätte im Aufsichtsrat über die Zeit. Vor knapp sechs Wochen verurteilte Matthäus-Verpflichtung mit ab- das Landgericht Frankfurt Bernd Hölzen- stimmen müssen. Doch Fischer bein zu einer Bewährungsstrafe. Er soll als hielt nichts von Matthäus als Eintracht-Funktionär Steuern hinterzogen Trainer in Frankfurt, und das haben. Jetzt weiß er nicht, wie er 300000 hatte er auch gesagt, was ihm Mark Prozesskosten bezahlen soll. Persön- große Sympathien bei den An- lich bereichert hat sich Hölzenbein nicht. Er hängern eingebracht hat, aber glaubte, seinem Verein zu helfen.

zu Verstimmung bei den Octa- / ARGUM B. BOSTELMANN Bernd Hölzenbein kommt von Eintracht gon-Leuten führte. Eintracht-Fan-Club Maintal Frankfurt nicht los. Mit einem Stöpsel im Dabei hätte Fischer gern „Jedlicki hat kein Herz, dem geht’s nur um die Kohle“ Ohr verfolgt er die Radio-Konferenzschal- rechtzeitig gewarnt. Er hätte an- tung aus den Bundesligastadien und gibt gemerkt, dass Matthäus als ehemaliger dem Weg zum Auswärtsspiel, in einem Zwischenstände durch. Bayern-Star am Main nicht besonders Sonderzug schon weit hinter Hanau, fasst Plötzlich erspäht Präsident Fischer den wohlwollend aufgenommen worden wäre der Eintracht-Fan-Club Maintal Mut zu einstigen Dribbler. „Wir machen ein Be- und hartgesottene Fans ihm immer noch klaren Positionen. „Jedlicki reißt hier die nefizspiel für dich“, verkündet er und haut übel nehmen, dass er vor gut 20 Jahren Macht an sich“, schimpft einer: „Jedlicki dem eher zierlich gewachsenen Flügel- Frankfurts damals 35-jähriges Idol Jürgen hat kein Herz. Dem geht’s nur um die stürmer fröhlich auf die Schulter. „Der Ste- Grabowski in den frühzeitigen Ruhestand Kohle.“ Die Treuesten der Treuen haben ven Jedlicki hat sofort zugesagt.“ Hölzen- getreten hatte. Doch all das konnte er nicht das Gefühl, von den neuen Herren in der bein ist das peinlich. Er will keine Almosen. sagen. Fischer erfuhr von den Matthäus- Chefetage werde die Seele des Vereins Er braucht einen Job. Ambitionen erst aus der Zeitung. verkauft. Doch ausgerechnet den haben sie gera- Durch die Medien hat Fischer auch er- Auch der Präsident des Kernvereins de nicht für den Vorbestraften – bei einem fahren, dass Troubleshooter Jedlicki eine weiß nicht so recht, was er von der neuen Wirtschaftsunternehmen, das jetzt wie ein fünfköpfige „Trainerfindungskommission“, Zeit halten soll. „Die AG ist die Zukunft“, Großkonzern geführt werden soll. kurz TFK, gründete. Seitdem geistern vie- sagt Peter Fischer etwas gequält, „wir sind Thilo Thielke

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