Diplomarbeit
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DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit „Spiel um historische Authentizität“ Eine exemplarische Analyse zum Verhältnis von Computer, Spiel, Film und Geschichte Verfasser Simon Huber BA angestrebter akademischer Grad Magister der Philosophie (Mag. phil.) Wien, 2013 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 312 Studienrichtung lt. Studienblatt: Geschichte Betreuerin / Betreuer: ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Alois Ecker Zusammenfassung Ubisofts Erfolgsprodukt Assassin’s Creed ist ein Computerspiel, dass sich sei- ner historischen Genauigkeit in der Modellierung vergangener Welten brüstet und erreicht weltweit unzählige Konsumenten. Es erzählt in einer fiktiven Rahmenhandlung von der Möglichkeit durch ein Computerspiel Geschichte zu erzählen, womit allein schon eine Reihe von gedanklichen Voraussetzun- gen artikuliert sind, welche die historische Bedingtheit solcher Phantasien herausstellen. Folglich handelt es sich um ein hervorragendes Schaustück, um zu analysieren, welche Strategien eingesetzt werden, um glaubwürdig zu wirken: Geschichte ist hierbei das Maß für Authentizität und Bürge zugleich. Es wird davon ausgegangen, dass dieses Programm und seine filmischen Einspielungen eine eigene Geschichte haben, also Vorläufer im popkulturellen Diskurs die ebenso unter bestimmten medientechnische Bedingungen emer- gieren. Die Arbeit kann also einerseits verstanden werden als Entwurf eines möglichen Ansatzes für eine bislang ungeschriebene Kulturgeschichte kom- merzieller Computerspiele, die als Verschränkung von zeitkritischen Action- Spielen mit filmisch inszenierten Adventure-Erzählungen aufgefasst wird — zwei von drei Gattungen, die der Historiker Claus Pias medienarchäologisch ausmacht. Zudem soll der besonderen Rolle des Films Beachtung geschenkt werden: Friedrich Kittler führt auf diesen einen radikalen Wandel in der Zeitwahrneh- mung zurück, durch die Zeitachsen-Manipulation. Sie ist auch beteiligt an der Illusion von Spielfreiheit, wenn Computernutzer über diese Regelungs- technik ihre eigene Daten-Verarbeitungsgeschwindigkeit steuern. Doch schon vor der computertechnischen Wende gab es Simulationen hypothetischer Schlachtverläufe, die auf Spielbretter und Sandkästen ,pro- jiziert’ und operabel gemacht wurden. Die Gesetzmäßigkeiten der Gefechte werden als Spielregeln umgesetzt, die als Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln zugleich als Zuspitzung nationalgeschichtlicher Narrative gelten könnten und somit die Geschichtsdarstellungen der dritten Gattung Strategie-Spiele von Computerspielen eng mit historiographiegeschichtlichen Entwicklungen zusammenhängen könnten. Historische Authentizität wird hier nicht als Gültigkeit nach geschichts- wissenschaftlichen Kriterien verstanden, sondern als ein am Computer aus- gehandelter Wert, der kommerziellen Erfolg und gesellschaftliche Akzeptanz sichern soll. Man ist bemüht Geschichtsauffassungen des Rezipienten in das Spiel einzuarbeiten, womit dieses sich als didaktisches Unternehmen heraus- stellt, das selbst Geschichte hat, die wir untersuchen wollen. Inhaltsverzeichnis Zum Verhältnis von Geschichte, Computer und Spiel 4 1DieTugendderAssassinen 8 1.1 Disclaimer............................. 8 1.2 Cyber-Historiographie . 9 1.3 Zielerfassung ........................... 11 1.4 Spielumgebung .......................... 12 1.4.1 Einordnung . 12 1.4.2 Animus . 15 1.4.3 Interface . 17 1.5 Film-Vorbilder .......................... 18 1.5.1 Matrix . 18 1.5.2 Königreiche ........................ 21 1.5.3 Heldenfiguren . 23 1.6 Geschichts-Nachbildungen . 25 1.6.1 Pünktlichkeit ....................... 25 1.6.2 Therapie.......................... 27 1.6.3 Zauber-undSchaltkreise. 29 1.7 DoppeltesSpiel .......................... 31 2StrategienderImmersion 34 2.1 Archäologie . 34 2.2 Geruchsinn ............................ 35 2.3 Cutscenes . 38 2.3.1 Intermission........................ 38 2.3.2 Gemäuer . 42 2.3.3 Infiltration . 45 2.4 Doppelgänger ........................... 48 2.4.1 Großcomputer . 49 2.4.2 Avatar . 51 2 3HochauflösendeGeschichtsbilder 54 3.1 BulletTime............................ 54 3.2 Motive . 56 3.2.1 Schießen und Fechten . 57 3.2.2 Stadtluft.......................... 60 3.2.3 Mind Maps . 64 3.3 Abstammung . 67 3.3.1 Analog . 68 3.3.2 Digital . 71 3.4 DarkAges............................. 73 4ErinnerungdurchSimulation 77 4.1 Sandkasten ............................ 77 4.2 ErnstSpielen ........................... 80 4.2.1 Feldherren . 81 4.2.2 TotalerKrieg ....................... 83 4.2.3 Spielzeug . 85 4.3 SubversiveGames......................... 87 5Fazit 91 Abbildungsverzeichnis 102 3 Vorwort Zum Verhältnis Geschichte-Computer-Spiel Die vorliegende Diplomarbeit bemüht sich um ein Verständnis der Dar- stellung von Geschichte in Computerspielen, womit allerdings nicht bloß die entworfenen Bilder gemeint sind. Eine historische Herangehensweise kann nicht nur ein banaler Vergleich seriöser, geschichtswissenschaftlicher Litera- tur mit den zur Unterhaltung entworfenen Spielfiktionen sein, sondern muss mehrere Fragen zugleich stellen: Welche Geschichte hat das Computerspiel selbst? Wie ist das Computerspiel als zeitgenössische Quelle zu lesen? Ist es gar ein Medium der Geschichtsschreibung? Immerhin sind wir alle Computerspieler: Wir recherchieren im Internet, verwalten Bibliographien, verarbeiten Text, erstellen Statistiken mit Pro- grammen, die allesamt durch graphische Benutzeroberflächen vermittelt sind. Unser Wissen wird durch digitale Darstellungsmöglichkeiten formatiert, un- ser Umgang mit Information durch Interfaces programmiert. Über die Art dieses Zusammenhangs von Geschichte, Computer und Spiel ist vorerst ein loser Zusammenhang in Aussicht gestellt, noch keine Richtung angegeben, noch keine Distanz eingeschätzt, noch keine Beschaffenheit vor- ausgesetzt. Wir wissen noch nicht, ob wir von fiktiven Geschichten oder Hi- storiographien sprechen — Können Rechenmaschinen überhaupt erzählen? Ist in einer Spielhaltung eine wahrheitssuchende Ergebnisoffenheit angelegt, die wissenschaftliche Geschichtsschreibung für sich in Anspruch nimmt? Die Offenheit des Feldes auf dem sich Computer, Spiel und ,authentische’ Ge- schichte begegnen, soll erhalten bleiben; keinesfalls gelte die Annahme, dass irgendeines der drei Elemente Computer, Spiel oder Geschichte ursächlich auf ein anderes wirkt oder es gar hervorbringt. Diese Arbeit arbeitet daher kein eindeutig abgestecktes Gebiet ab, son- dern bildet eher einen perspektivisch zentrierten Ausschnitt, in dessen Flucht- punkt Ubisofts Erfolgsprodukt Assassin’s Creed steht. Dieses war Thema ei- ner früheren Arbeit zur Erlangung des Bacherlors in Bildungswissenschaft, die sich hier in überarbeiteter Form wiederfindet (als erstes Kapitel) und mit historischen Recherchen und Analysen seiner Vorgängerprodukte und Film- vorlagen ergänzt wurde. Dieses Computerspiel kommt unserem Forschungs- vorhaben sehr gelegen; nicht nur, weil es sich seiner geschichtlichen Präzision 4 brüstet in der Darstellung des mittelalterlichen Nahen Osten zur Zeit der dritten Kreuzzüge, sondern vielmehr noch durch seine Rahmenerzählung, die von der Gegenwart handelt, und der Erfindung eines Computers, mit dem man per Hack ins eigene Unbewusste eindringt und die gewonnenen Informationen zu einer virtuellen, historischen Welt hochrechnet. Die Umstände, die so eine Phantasmagorie überhaupt entstehen lassen, können nicht nur von der technischen Machbarkeit her beschrieben werden. Wesentlich für die angestellte Analyse war Claus Pias’ medienhistorisches Werk Computer Spiel Welten, das er abgegrenzt wissen möchte von Fort- schrittsfabeln, die von immer aufwändigeren Bildern auf zunehmend klei- neren Geräten erzählen. Er liefert zahlreiche zeitgeschichtliche Hinweise auf Kontext, Mentalität, Theoriebildung; Hinweise auf jene Zeit, aus der Com- puterspiele hervorgegangen sind — unbestellt und nun die wissenschaftliche Auseinandersetzung provozierend. Seine Arbeit endet mit dem Auftauchen der ersten kommerziellen Verwertungen digitaler Technik als Unterhaltungs- ware; sie bildet sozusagen eine Prähistorie der Computerspiele. Wir können keine vergleichsweise umfassende Fortsetzung einer Geschichte der Compu- terspiele selber schreiben, aber versuchen, die Erkenntnisse, die uns sein Werk liefert, auf unser Beispiel anzuwenden und es so theoretisch zu erproben. Des- wegen ist seiner Einteilung auch die hier vorzufindende Struktur geschuldet: Actionspiele, Adventurespiele und Strategiespiele ergeben eine Trias, die Ge- schichte jeweils zeitkritisch, entscheidungskritisch oder konfigurationskritisch formatieren. Wegen der Uneindeutigkeit unseres wichtigsten Beispiels und vieler anderer kommerzieller Spiele befragen wir grob gesprochen in jedem folgenden Kapitel einen anderen dieser Aspekte im Detail. In der Analyse des Actionspiels Assassin’s Creed aus Kapitel 1 wird deut- lich, dass die dem Spieler abverlangten Tugenden — Pünktlichkeit und Ef- fizienz — noch keine Erzählung bilden können, weswegen Adventures und Spielfilme imitiert und neu aufgelegt werden. En passant entwerfen wir das gedankliche Gerüst, mit dem die weiteren Ausführungen verstanden werden können. Die zunehmende Verschränkung von Spiel- und Filmästhetik ist kei- ne Neuigkeit und wurde in zahlreichen Vergleichsstudien untersucht, doch in keiner vorgefundenen wurde diese Selbstverständlichkeit konsequent hin- terfragt: Warum geschieht diese Verschränkung? Im Folgekapitel 2 weisen wir also einerseits nach, dass die Vorstellung des Eintauchens in Parallel- welten nicht erst mit der Interaktivität realisierbar scheint, sondern schon dem Film anzurechnen