ISSN 1866-0843

HEFT 277 – MÄRZ 2010 50. JAHRGANG

• Friedensbotschaft • Südafrika • Seminar des Papstes vor der WM Funktionsträger 2010

• 12. Seminar • Bundeskanzler • Afghanistan als Akademie Korn Kohl und die kirchliche (I) Herausforderung INHALT AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 • 50. JAHRGANG

EDITORIAL ...... 3 KIRCHE UNTER SOLDATEN SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN ...... 4 12. SEMINAR AKADEMIE KORN ...... 54 Kann der Glaube an Jesus Christus für den SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Soldaten hilfreich sein im täglichen Dienst Friedensbotschaft Benedikt XVI...... 5 von Bertram Bastian ...... 55 Widerstand gegen Reformen in USA Gelebter Glaube und Zeugnis von Jesus Christus von Klaus Liebetanz ...... 10 während der kommunistischen Zeit Katastrophale Menschenrechtslage in Ost-Kongo von Jan Pacner ...... 58 von Klaus Liebetanz ...... 11 Gedanken zur Ethik des Soldatenberufes „Was will Deutschland am Hindukusch?“ von GenLt Wolfgang Korte ...... 60 Stellungnahme zu VENRO-Papier GKS - Hilfen für ein Leben aus dem Glauben von Klaus Liebetanz ...... 14 von Rüdiger Attermeyer ...... 63 Zur Proliferationsproblematik PERSONALIA von Werner Bös ...... 16 In memoriam: FlA a.D. Dr. Werner Pfeiffer von Paul Schulz ...... 66 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Hoffen und Bangen für Afghanistan AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS Position der evangelischen Kirche von Gerhard Arnold ...... 24 GKS-KREIS HAMMELBURG Advent – Licht – Weg ...... 67 Verbessertes Afghanistan-Konzept der Bundesregierung Star-Ballett als Ministranten ...... 67 von Klaus Liebetanz ...... 26 GKS-KREIS UND STANDORT BONN Nikoseli Afrika! Adventliche Besinnung ...... 68 von Andreas Rauch ...... 28 Mensch als Mittelpunkt der Gesellschaft . . . . 68 Gemeinschaft Sant‘Egidio – ein Vorbild? von Klaus Liebetanz ...... 33 GKS-KREIS KÖLN-WAHN Adventswochenende ...... 69 BILD DES SOLDATEN Neujahrsempfang ...... 69 Internationaler Soldatengottesdienst Köln GKS-KREIS UNNA von Bertram Bastian ...... 36 Helfen oder Wegsehen ...... 70 Beitrag zum Frieden ist Bewahrung der Schöpfung von Rüdiger Attermeyer ...... 37 GKS-KREIS MÜNCHEN Renovabis würdigt Engagement Treffpunkt „Julia“ ...... 71 von Thomas Schumann ...... 38 BEREICH WEST Seminar für Funktionsträger Letzte Bereichskonferenz NRW ...... 71 von Bertram Bastian ...... 38 Fusionswochenende ...... 72

RELIGION UND GESELLSCHAFT INTERNATIONALER SACHAUSSCHUSS Herbstvollversammlung des Landeskomitee Vorbereitung der AMI Konferenz ...... 73 in Bayern von Reinhard Kießner ...... 39 Mitgliederversammlung der KAD KURZ BERICHTET: ...... 13, 23, 35, 38, 42, 73 von Bertram Bastian ...... 40 BUCHBESPRECHUNGEN ...... 74 Mit Werten führen TERMINE ...... 75 Veranstaltung des BKU mit der GKS Bonn von Bertram Bastian ...... 41 IMPRESSUM ...... 76

BLICK IN DIE GESCHICHTE 50 Jahre Bundeswehr: Helmut Kohl (I.Teil): Der sechste Bundeskanzler und die Bundeswehr von Dieter Kilian ...... 43

UNSER TITELBILD: Übergabe der Dokumentation der bisherigen 11 Seminare der Akademie Korn an Militärbischof Mixa und an den Schirmherrn der Akademie, GenLt Wolfgang Korte (v.l.n.r.: Oberstlt a.D. Paul Schulz, der Autor des Buches, GenLt Wolfgang Korte, Bischof Mixa, Oberst a.D. Karl-Jürgen Klein, Leiter der Akademie, Oberstlt i.G. Rüdiger Attermeyer, Bundesvorsitzender GKS

2 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 • 50. JAHRGANG editorial: Liebe Leserschaft,

ge in einer verkürzten Sicht darstellen, die zum Widerspruch auffordern. Dass andererseits die Ökumene auf einem gu- ten Weg ist, zeigen die intensiven Vorbereitungen zum zweiten ökumenischen Kirchentag. Hier soll gemeinsam Flagge gezeigt werden, es wird aber auch deutlich werden, dass die römisch-katho- lische Kirche als Weltkirche in Ökumene nicht nur die evangelischen / protestantischen / luthe- rischen / reformierten / unierten Glaubensbrüder kennt, sondern auch die in Sakramentsgemein- schaft verbundenen Orthodoxen Kirchen. Die Öff- nung zur anglikanischen Kirche war zwar nicht so spektakulär wie die Hinwendung zur Piusbru- derschaft, aber all dies zeigt überdeutlich, dass Benedikt XVI. der Berufung als pontifex maximus mehr als nachkommt. Dazu braucht man keine zu Beginn des neuen Jahres sorgte die da- Beurteilung, die sich auf den deutschsprachigen malige Vorsitzende des Rates der Evangelischen Raum beschränkt. Kirchen Deutschlands (EKD) für gewisse Auf- In diesem AUFTRAG werden wir neben der regung. Einmal postulierte sie, dass nichts in Dokumentation des 12. Seminars der Akademie Afghanistan gut sei und zum anderen gab sie der Korn unter anderem zur Afghanistan Problematik Presse zu verstehen, dass sie von Papst Benedikt berichten und werden einen evangelischen Theo- in Sachen Ökumene „nichts erwarte“. Landes- logen zu Wort kommen lassen, denn Ökumene, die bischöfin Margot Käßmann wurde von vielen Gemeinschaft in Vielfalt, braucht verschiedene Seiten in Sachen Afghanistan widersprochen, in Meinungen, damit die eigene Meinung überprüft Sachen Ökumene nur von Walter Kardinal Kasper werden kann. Nur wer auf festem Boden steht, gerügt, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates kann in einem Dialog mit Andersgläubigen seinen zur Förderung der Einheit der Christen. Glauben überzeugend darstellen. Somit bleibt die Bischöfin Käßmann verdrängt einerseits voll- eigene Glaubensschulung immer die Grundlage kommen, dass über 3.000 Schulen gebaut wor- für den interreligiösen Dialog, der in gegenseiti- den sind, in denen auch Mädchen unterrichtet gem Respekt erfolgen sollte. Dazu hilft auch das werden. Man erinnere sich an die Zeit vor dem kleine Büchlein „Perlenschnur und Rosenkranz“, Eingreifen der internationalen Gemeinschaft, welches ich Ihnen in der Buchbesprechung vorstel- als die Taliban Mädchen nicht zur Schule gehen len werde. Viel Spaß bei der Lektüre des Heftes! ließen und unter der Burkha versteckten. Ein ho- her Prozentsatz der Menschen in Afghanistan hat Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein Zugang zu sauberem Trinkwasser, eine Tatsache, schönes Fest der Auferstehung unseres Herrn so- die ein im Überfluss lebender Mitteleuropäer gar wie ein gnadenreiches Pfingstfest nicht würdigen kann. Das alles soll nicht gut sein? Die damalige Vorsitzende der EKD musste erleben, dass in einer exponierten Position leicht einzelne Teile einer Predigt oder eines Interviews zu Gesamtpositionen werden, die komplexe Din-

3 SEITE DES BUNDESVORSITZENDEN

Die GKS auf dem Weg

uf dem Weg sein“ – ein oft benutztes Bild, diese Einheit in der Gemeinschaft muss sich auch in „Ain der Heiligen Schrift ebenso wie im Alltag. der künftigen Ordnung widerspiegeln. Ich sehe uns Auch die GKS ist auf dem Weg und wenn es auf dem in diesem Verständnis nicht auf verlorenem Posten, Weg klare Orientierungsmarken gibt, ist es leicht sondern auf gutem Weg, jedoch noch nicht am Ziel! Kurs zu halten. WichtigW ist daher jetzt, im VorfeldV der außerordentli- ir haben „ethische chenc Bundeskonferenz die WWegmarken“ und des- AuswirkungenA der einzel- halb ist eine Stellungnah- nenn Veränderungsschritte me zur aufgeflammten Af- ini aller Breite und mit der ghanistandiskussion nicht ggebotenen Sorgfalt zu be- schwer. Unsere Position wird wwerten, um dann zu einem seit Jahren klar vertreten und ausgewogenena Ergebnis zu hat den politischen Raum gelangen.g längst erreicht. Der Einsatz militärischer Kräfte muss für ch habe keinen Zweifel, uns immer in ein schlüssiges Idass dies gelingen wird, Gesamtkonzept eingebunden eerwarte aber einen steilen sein, das militärische und undu damit anstrengenden nichtmilitärische Möglich- Wegabschnitt.W Dabei sind keiten abgestuft berücksich- zweiz Wegmarken wich- tigt. Nur dadurch bleibt si- tig:t Erstens brauchen wir chergestellt, dass der Einsatz died neue Ordnung und wir militärischer Gewalt die „ul- brauchenb sie jetzt. Zwei- tima ratio“, das letzte Mittel tenst ist es ebenso wichtig, bleibt. Im Jahr 2008 haben geschlosseng anzukommen wir diese Position an alle Ab- undu nicht Einzelne zu ver- geordneten des Deutschen llieren. Dafür muss sich je- Bundestages versandt, die derd zurücknehmen und vor- Antworten zeigten uns, dass behaltlosb in die Gemein- wir damit nicht allein dastehen. schaft einbringen. Das gemeinsame inhaltliche Ver- ständnis der Gemeinschaft Katholischer Soldaten er unmittelbar vor uns liegende Wegabschnitt ist mit dem „Leitershofener Programm“ bereits be- Dwird für die GKS von besonderer Bedeutung schrieben, dies gilt es nun in der Ordnung widerzu- sein. Es gilt am 12. Juni in Fulda die Neufassung spiegeln und weiter mit Leben zu füllen, jeder auf der Ordnung bei einer außerordentlichen Bundes- seinem Platz. konferenz zu verabschieden. Diese Ordnung soll die Zukunftsfähigkeit der GKS sicherstellen und muss ie Zeit bis zur außerordentlichen Bundeskonfe- als allgemein getragene Grundlage für das weitere Drenz wird nicht nur geprägt sein von deren Vor- Wirken insgesamt verstanden werden. GKS-Kreise bereitung in den Gremien, sondern auch durch die und Bereiche tragen die Arbeit in der Fläche, die österliche Bußzeit, das Osterfest sowie das Pfingst- Sachausschüsse sind die „Werkstätten“, die unsere fest. Ich wünsche uns, dass diese kirchlichen Feste inhaltlichen Positionen (siehe oben!) erarbeiten und für jeden von uns auch ganz persönliche Orientie- auch fortschreiben. Diese beiden Ausprägungen in- rungsmarken sind, nerhalb derselben Gemeinschaft näher zusammen Rüdiger Attermeyer zu bringen, ist eine der anstehenden Aufgaben und Bundesvorsitzender

4 AUFTRAGAUFTRAG 277 • MMÄRZÄÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Weltfriedenstag 2010 WILLST DU DEN FRIEDEN FÖRDERN, SO BEWAHRE DIE SCHÖPFUNG BOTSCHAFT SEINER HEILIGKEIT PAPST BENEDIKT XVI. ZUR FEIER DES WELTFRIEDENSTAGES 1. JANUAR 2010

Zu Beginn des Neuen Jahres welt und Natur ergeben. Die Um- der Natur ... bedroht ist“. Und er füg- 1.möchte ich allen christlichen welt muss als eine Gabe Gottes an te hinzu, dass das Umweltbewusst- Gemeinschaften, den Verantwortli- alle verstanden werden, und ihr Ge- sein „nicht geschwächt werden darf, chen der Nationen und den Men- brauch bringt eine Verantwortung ge- sondern vielmehr gefördert werden schen guten Willens in aller Welt aus genüber der ganzen Menschheit mit muss, so dass es sich entwickelt und ganzem Herzen den Frieden wün- sich, insbesondere gegenüber den reift und in Programmen und kon- schen. Für den 43. Weltfriedenstag Armen und gegenüber den zukünf- kreten Initiativen einen angemesse- habe ich das Motto gewählt: Willst tigen Generationen. Ich habe zudem nen Ausdruck findet“.5 Schon ande- du den Frieden fördern, so bewahre darauf hingewiesen, dass in den Ge- re meiner Vorgänger haben auf die die Schöpfung. Der Achtung vor der wissen der Menschen das Verantwor- Beziehung zwischen dem Menschen Schöpfung kommt große Bedeutung tungsbewusstsein abzunehmen droht, und der Umwelt verwiesen. Im Jahre zu, auch deshalb, weil „die Schöpfung wenn die Natur und allem voran der 1971 zum Beispiel, anlässlich des 80. der Anfang und die Grundlage aller Mensch einfach als Produkt des Zu- Jahrestages der Enzyklika Rerum No- Werke Gottes“1 ist und sich ihr Schutz falls oder des Evolutionsdeterminis- varum von Papst Leo XIII., hat Papst für das friedliche Zusammenleben der mus angesehen werden.3 Wenn wir in Paul VI. hervorgehoben, dass die Menschheit heute als wesentlich er- der Schöpfung hingegen eine Gabe Menschen „die Natur so unbedacht weist. Aufgrund der Grausamkeit des Gottes an die Menschheit sehen, so ausgeschlachtet haben, dass Gefahr Menschen gegen den Menschen gibt hilft uns das, die Berufung und den besteht, sie zu zerstören, und dass es in der Tat zahlreiche Gefährdun- Wert des Menschen zu verstehen. Mit der in solchem Missbrauch liegende gen, die den Frieden und die authen- dem Psalmisten können wir in der Schaden wieder auf sie selbst zurück- tische ganzheitliche Entwicklung des Tat voll Staunen ausrufen: „Seh’ ich fällt“. Und er führte weiter aus: „Aber Menschen bedrohen, wie Kriege, in- den Himmel, das Werk deiner Finger, nicht nur die Umwelt des Menschen ternationale und regionale Konflikte, Mond und Sterne, die du befestigt: wird für diesen stets feindlicher, wie Terrorakte und Menschenrechtsver- Was ist der Mensch, dass du an ihn zum Beispiel Umweltverschmutzung letzungen. Nicht weniger besorgnis- denkst, des Menschen Kind, dass du und Abfälle, neue Krankheiten, totale erregend sind jedoch jene Gefahren, dich seiner annimmst?“ (Ps 8, 4-5). Vernichtungsgewalt. Der Mensch hat die vom nachlässigen – wenn nicht Die Betrachtung der Schönheit der auch die menschliche Gesellschaft sogar missbräuchlichen – Umgang Schöpfung spornt dazu an, die Liebe selbst nicht mehr im Griff, so dass er mit der Erde und den Gütern der Na- des Schöpfers zu erkennen, jene Lie- für seine Zukunft Lebensbedingungen tur herrühren, die uns Gott geschenkt be, welche „die Sonne und die übri- herbeiführen kann, die für ihn ganz hat. Darum ist es für die Menschheit gen Sterne bewegt“.4 und gar unerträglich sind. Es handelt unerlässlich, „jenen Bund zwischen sich um die Soziale Frage, die so wei- Mensch und Umwelt zu erneuern und Vor zwanzig Jahren hat Papst te Dimensionen hat, dass sie die ge- zu stärken, der ein Spiegel der Schöp- 3.Johannes Paul II. die Botschaft samte Menschheitsfamilie erfasst“.6 ferliebe Gottes sein soll – des Gottes, zum Weltfriedenstag dem Thema Frie- in dem wir unseren Ursprung haben de mit Gott, dem Schöpfer, Friede mit Auch wenn die Kirche es vermei- und zu dem wir unterwegs sind“.2 der ganzen Schöpfung gewidmet und 4.det, sich zu spezifischen fachli- damit die Aufmerksamkeit auf die Be- chen Lösungen zu äußern, so bemüht In der Enzyklika Caritas in ve- ziehung gelenkt, die wir als Geschöp- sie sich als „Expertin in Menschlich- 2.ritate habe ich unterstrichen, fe Gottes mit all dem haben, was uns keit“, mit aller Kraft die Aufmerk- dass die ganzheitliche Entwicklung umgibt. „In unseren Tagen bemerkt samkeit auf die Beziehung zwischen des Menschen in enger Verbindung man“, schrieb er, „ein wachsendes dem Schöpfer, dem Menschen und mit den Pflichten steht, die sich aus Bewusstsein dafür, dass der Welt- der Schöpfung zu lenken. Papst Jo- der Beziehung des Menschen zu Um- friede ... auch durch den Mangel an hannes Paul II. hat 1990 von einer der gebührenden Achtung gegenüber „Umweltkrise“ gesprochen, und un- 1 Katechismus der Katholischen Kirche, 198. 3 Vgl. Nr. 48. 5 Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, 1. 2 BENEDIKT XVI., Botschaft zum Welt- 4 DANTE ALIGHIERI, Göttliche Komö- 6 Apostolisches Schreiben Octogesima friedenstag 2008, 7. die, Paradies, XXXIII, 145. adveniens, 21.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 5 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK ter dem Hinweis, dass diese in erster ren Symptome schon seit längerer Zeit ne Geschöpfe zu sehen. Konsequenz Linie ethischer Natur sei, hob er „die in allen Teilen der Welt offensicht- dessen ist, dass auch die Aufgabe, dringende moralische Notwendigkeit lich sind.8 Die Menschheit braucht über die Erde zu „herrschen“, sie zu einer neuen Solidarität“7 hervor. Die- eine tiefe kulturelle Erneuerung; sie „bebauen“ und zu „hüten“, Schaden ser Aufruf ist heute angesichts der zu- muss jene Werte wiederentdecken, genommen hat und es zu einem Kon- nehmenden Zeichen einer Krise noch die ein festes Fundament darstellen, flikt zwischen ihnen und der übrigen dringlicher, und es wäre unverant- auf dem eine bessere Zukunft für alle Schöpfung gekommen ist (vgl. Gen wortlich, dieser Krise keine ernsthafte aufgebaut werden kann. Die Krisen- 3, 17-19). Der Mensch hat sich vom Beachtung zu schenken. Wie könnte situationen, die sie heute erlebt – sei Egoismus beherrschen lassen und die man gleichgültig bleiben angesichts es im Bereich der Wirtschaft, in der Bedeutung von Gottes Gebot aus dem von Phänomenen wie dem globalen Nahrungsmittelversorgung, der Um- Blick verloren, und in seiner Bezie- Klimawandel, der Desertifikation, der welt oder der Gesellschaft –, sind im hung zur Schöpfung hat er sich wie ein Abnahme und dem Verlust der Pro- Grunde genommen auch moralische Ausbeuter verhalten, der über sie eine duktivität von großen landwirtschaft- Krisen, die alle miteinander verknüpft absolute Dominanz ausüben will. Die lichen Gebieten, der Verschmutzung sind. Sie machen eine Neuplanung wahre Bedeutung des anfänglichen von Flüssen und Grundwasser, dem des gemeinsamen Wegs der Menschen Gebots Gottes bestand aber, wie es Verlust der Biodiversität, der Zunah- notwendig. Sie erfordern insbesonde- das Buch Genesis deutlich zeigt, nicht me von außergewöhnlichen Naturer- re eine durch Maßhalten und Solidari- bloß in einer Übertragung von Auto- eignissen und der Abholzung in tro- tät gekennzeichnete Lebensweise mit rität, sondern vielmehr in einer Beru- pischen Gebieten. Wie könnte man neuen Regeln und Formen des Einsat- fung zur Verantwortung. Übrigens er- das wachsende Phänomen der soge- zes, die zuversichtlich und mutig die kannte die Weisheit der Antike, dass nannten „Umweltflüchtlinge« über- positiven Erfahrungen aufgreifen und die Natur uns nicht wie „ein Haufen gehen: Menschen, die aufgrund der die negativen entschieden zurückwei- von zufällig verstreutem Abfall“10 zur Umweltschäden ihre Wohngebiete – sen. Nur so kann die derzeitige Krise Verfügung steht, während uns die bi- oft auch ihr Hab und Gut – verlassen Gelegenheit zur Unterscheidung und blische Offenbarung verstehen ließ, müssen und danach den Gefahren zu einem neuen Planen werden. dass die Natur eine Gabe des Schöp- und der ungewissen Zukunft einer fers ist, der ihr eine innere Ordnung zwangsmäßigen Umsiedlung ausge- Stimmt es etwa nicht, dass am gegeben hat, damit der Mensch darin setzt sind? Wie könnte man untätig 6.Ursprung dessen, was wir in ei- die notwendigen Orientierungen fin- bleiben angesichts der schon beste- nem kosmischen Sinn „Natur“ nen- den kann, um sie „zu bebauen und zu henden und der drohenden Konflik- nen, ein „Plan der Liebe und der hüten“ (vgl. Gen 2, 15).11 Alles, was te um den Zugang zu den natürlichen Wahrheit“ steht? Die Welt „ist nicht existiert, gehört Gott, der es den Men- Ressourcen? All diese Fragen haben das Ergebnis irgendeiner Notwen- schen anvertraut hat, aber nicht zu einen weitreichenden Einfluss auf digkeit, eines blinden Schicksals ihrer willkürlichen Verfügung. Wenn die Umsetzung der Menschenrechte, oder des Zufalls. ... Sie geht aus dem der Mensch nicht seine Rolle als Mit- wie zum Beispiel das Recht auf Le- freien Willen Gottes hervor, der die arbeiter Gottes erfüllen, sondern die ben, auf Nahrung, Gesundheit und Geschöpfe an seinem Sein, seiner Stelle Gottes einnehmen will, ruft er Entwicklung. Weisheit und Güte teilhaben lassen dadurch schließlich die Auflehnung wollte“.9 Das Buch Genesis stellt uns der Natur hervor, die von ihm „mehr Es darf jedoch nicht vergessen auf seinen ersten Seiten das weise tyrannisiert als verwaltet wird“.12 Der 5.werden, dass die Umweltkrise Projekt des Kosmos vor Augen, das Mensch hat also die Pflicht, in ver- nicht unabhängig von anderen Fra- eine Frucht der Gedanken Gottes ist antwortlicher Weise über die Natur gen bewertet werden kann, die mit und an dessen Spitze Mann und Frau zu herrschen, sie zu hüten und zu ihr verknüpft sind, da sie eng mit dem stehen, die als Abbild des Schöpfers bebauen.13 Entwicklungsbegriff selbst und mit und ihm ähnlich geschaffen wurden, der Sicht des Menschen und seiner damit sie „die Erde bevölkern“ und Leider muss man feststellen, dass Beziehung zu seinen Mitmenschen über diese als von Gott selbst einge- 7.eine große Zahl von Personen in und zur Schöpfung zusammenhängt. setzte „Verwalter“ „herrschen“ (vgl. verschiedenen Ländern und Regi- Daher ist es sinnvoll, eine tiefgehen- Gen 1, 28). Die von der Heiligen onen der Erde aufgrund der Nach- de und weitblickende Prüfung des Schrift beschriebene Harmonie zwi- lässigkeit oder Verweigerung vieler, Entwicklungsmodells vorzunehmen schen Gott, der Menschheit und der verantwortungsbewusst mit der Natur sowie über den Sinn der Wirtschaft Schöpfung wurde durch die Sünde und über ihre Ziele nachzudenken, Adams und Evas zerbrochen, durch 10 HERAKLIT VON EPHESUS (ca. 535 - 475 v. Chr.), Fragment 22B124, in: H. um Missstände und Verzerrungen zu die Sünde des Mannes und der Frau, Diels – W. Kranz, Die Fragmente der korrigieren. Das verlangen der öko- die die Stelle Gottes einnehmen woll- Vorsokratiker, Weidmann, Berlin 19526. logische Zustand des Planeten sowie ten und sich weigerten, sich als sei- 11 Vgl. BENEDIKT XVI., Enzyklika Cari- auch und vor allem die kulturelle und tas in veritate, 48. 8 Vgl. BENEDIKT XVI., Enzyklika Cari- 12 JOHANNES PAUL II., Enzyklika Cen- moralische Krise des Menschen, de- tas in veritate, 32. tesimus annus, 37. 9 Katechismus der Katholischen Kirche, 13 Vgl. BENEDIKT XVI., Enzyklika Cari- 7 Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, 10. 295. tas in veritate, 50.

6 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK umzugehen, wachsende Schwierigkei- In der Tat scheint es an der Zeit, der Tat wichtig, unter den Ursachen ten erfährt. Das Zweite Vatikanische 8.zu einer aufrichtigen Generatio- der aktuellen ökologischen Krise die Ökumenische Konzil hat daran erin- nen übergreifenden Solidarität zu ge- historische Verantwortung der Indus- nert, dass „Gott die Erde und was sie langen. Die Kosten, die sich aus dem trieländer zuzugeben. Aber die Ent- enthält zum Gebrauch für alle Men- Gebrauch der allgemeinen Umwelt- wicklungsländer und besonders die schen und Völker bestimmt hat“.14 ressourcen ergeben, dürfen nicht zu Schwellenländer sind dennoch nicht Das Schöpfungserbe gehört somit der Lasten der zukünftigen Generationen von der eigenen Verantwortung ge- gesamten Menschheit. Dagegen bringt gehen: „Erben unserer Väter und Be- genüber der Schöpfung befreit, weil das derzeitige Tempo der Ausbeutung schenkte unserer Mitbürger, sind wir die Verpflichtung, Schritt für Schritt die Verfügbarkeit einiger natürlicher allen verpflichtet, und jene können wirksame umweltpolitische Maßnah- Ressourcen nicht nur für die gegen- uns nicht gleichgültig sein, die nach men zu ergreifen, allen zukommt. Dies wärtige, sondern vor allem für die zu- uns den Kreis der Menschheitsfamilie könnte leichter verwirklicht werden, künftigen Generationen in Gefahr.15 weiten. Die Solidarität aller, die etwas wenn es weniger eigennützige Rech- Es ist dann nicht schwer festzustel- Wirkliches ist, bringt für uns nicht nur nungen bei den Hilfeleistungen sowie len, dass die Umweltschäden oft ein Vorteile mit sich, sondern auch Pflich- in der Weitergabe von Wissen und Ergebnis des Fehlens weitblickender ten. Es handelt sich um eine Verant- sauberen Technologien gäbe. politischer Programme oder auch der wortung, die die gegenwärtigen für Verfolgung kurzsichtiger wirtschaft- die zu-künftigen Generationen über- Zweifellos besteht einer der licher Interessen sind, die sich lei- nehmen müssen und die auch eine 9.grundlegenden Kernpunkte, die der zu einer ernsten Bedrohung für Verantwortung der einzelnen Staaten von der internationalen Gemeinschaft die Schöpfung entwickeln. Um die- und der internationalen Gemeinschaft anzugehen sind, darin, für die ener- sem Phänomen auf der Grundlage ist“.17 Der Gebrauch natürlicher Res- getischen Ressourcen gemeinsame der Tatsache, dass „jede wirtschaft- sourcen müsste dergestalt sein, dass und vertretbare Strategien zu finden, liche Entscheidung eine moralische die unmittelbaren Vorteile nicht ne- um dem Energiebedarf der gegenwär- Konsequenz“16 hat, zu begegnen, ist gative Folgen für die Menschen und tigen und der zukünftigen Generati- es auch nötig, dass die wirtschaftli- andere Lebewesen in Gegenwart und onen Genüge zu leisten. Zu diesem chen Aktivitäten um so mehr auf die Zukunft mit sich bringen; dass der Zweck müssen die technologisch fort- Umwelt Rücksicht nehmen. Wenn Schutz des Privateigentums nicht den geschrittenen Gesellschaften bereit man sich der natürlichen Ressourcen universalen Bestimmungszweck der sein, Verhaltensweisen zu fördern, die bedient, muss man sich um ihre Be- Güter beeinträchtigt;18 dass der Ein- von einem Maßhalten geprägt sind, wahrung kümmern, indem man auch griff des Menschen nicht die Frucht- indem sie den eigenen Energiebedarf die Kosten – was die Umwelt und den barkeit der Erde gefährdet – zum reduzieren und die Nutzungsbedin- Sozialbereich betrifft – veranschlagt Wohl der Welt heute und morgen. Ne- gungen verbessern. Zugleich ist es und als eine wesentliche Position der ben einer aufrichtigen Generationen notwendig, die Erforschung und An- Kosten der wirtschaftlichen Aktivi- übergreifenden Solidarität muss die wendung von umwelt-verträglicheren tät selbst bewertet. Es kommt der in- dringende moralische Notwendigkeit Energien und die „weltweite Neuver- ternationalen Gemeinschaft und den einer erneuerten Solidarität innerhalb teilung der Energiereserven“ zu för- nationalen Regierungen zu, rechte einer Generation, besonders in den dern, „so dass auch die Länder, die Signale zu setzen, um effektiv jenen Beziehungen zwischen den Entwick- über keine eigenen Quellen verfügen, Modalitäten der Nutzung der Umwelt lungsländern und den hochindustria- dort Zugang erhalten können“.20 Die entgegenzutreten, die sich als umwelt- lisierten Staaten, betont werden: „Die ökologische Krise bietet daher die schädigend erweisen. Um die Umwelt internationale Gemeinschaft hat die historische Gelegenheit, eine kollek- zu schützen und die Ressourcen und unumgängliche Aufgabe, die insti- tive Antwort zu erarbeiten, die darauf das Klima zu bewahren, muss man ei- tutionellen Wege zu finden, um der abzielt, das Modell globaler Entwick- nerseits unter Beachtung von – auch Ausbeutung der nicht erneuerbaren lung in eine Richtung zu lenken, die unter rechtlichem und wirtschaftli- Ressourcen Einhalt zu gebieten, und der Schöpfung und einer ganzheitli- chem Gesichtspunkt – recht definier- das auch unter Einbeziehung der ar- chen Entwicklung des Menschen grö- ten Normen handeln, und andererseits men Länder, um mit ihnen gemeinsam ßeren Respekt zollt, weil es sich an die Solidarität im Blick haben, die de- die Zukunft zu planen“.19 Die ökolo- den typischen Werten der Nächsten- nen, die in den ärmsten Gebieten der gische Krise zeigt die Dringlichkeit liebe in der Wahrheit orientiert. Ich Erde leben, wie auch den zukünftigen einer Solidarität auf, die sich über erhoffe deshalb die Annahme eines Generationen geschuldet ist. Raum und Zeit erstreckt. Es ist in Entwicklungsmodells, das auf der Zentralität der menschlichen Person 17 PÄPSTLICHER RAT FÜR GERECH- TIGKEIT UND FRIEDEN, Kompen- gegründet ist, auf der Förderung des dium der Soziallehre der Kirche, 467; gemeinsamen Wohls und der Teilha- 14 Pastoralkonstitution Gaudium et spes, vgl. PAUL VI., Enzyklika Populorum be daran, auf der Verantwortlichkeit, 69. progressio, 17. auf dem Bewusstsein der notwendigen 15 Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika 18 Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 34. Centesimus annus, 30-31.43. Änderung des Lebensstils und auf der 16 BENEDIKT XVI., Enzyklika Caritas in 19 BENEDIKT XVI., Enzyklika Caritas in veritate, 37. veritate, 49. 20 Ebd.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 7 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Klugheit, jener Tugend, welche die deutung für das Leben auf der Erde Konsums und der Produktion, die oft heute auszuführenden Handlungen ist und dessen Stabilität durch klima- aus sozialer Sicht, aus Umweltschutz- anzeigt mit Rücksicht darauf, was tische Veränderungen stark bedroht gründen und sogar aus wirtschaftli- morgen geschehen kann.21 wird. Gleichermaßen sind geeignete chen Überlegungen untragbar sind, Strategien der ländlichen Entwick- zur Rechenschaft ruft. Es ist mittler- Um die Menschheit zu einer lung zu suchen, welche die Kleinbau- weile unerlässlich, dass es zu einem 10.nachhaltigen Bewirtschaf- ern und ihre Familien in den Mittel- tatsächlichen Umdenken kommt, das tung der Umwelt und der Ressour- punkt stellen. Es ist auch nötig, geeig- alle zur Annahme neuer Lebenswei- cen der Erde zu führen, ist der ein- nete Maßnahmen zur Bewirtschaftung sen führt, „in denen die Suche nach zelne dazu berufen, seine Intelligenz der Wälder wie auch zur Abfallentsor- dem Wahren, Schönen und Guten und im Bereich der wissenschaftlichen gung bereitzustellen und die vorhan- die Verbundenheit mit den anderen Forschung und Technologie sowie in denen Synergien zwischen den Maß- für ein gemeinsames Wachstum jene der Anwendung der daraus resultie- nahmen gegen den Klimawandel und Elemente sind, die die Entscheidun- renden Entdeckungen einzusetzen. der Armutsbekämpfung zur Geltung gen für Konsum, Sparen und Inves- Die „neue Solidarität“, die Papst Jo- zu bringen. Hierzu sind engagierte titionen bestimmen“.26 Es muss im- hannes Paul II. in der Weltfriedens- nationale Maßnahmen notwendig, und mer mehr dazu erzogen werden, den botschaft von 199022 anmahnte, und diese sind durch einen unerlässlichen Frieden durch weitsichtige Optionen die „weltweite Solidarität“, die ich internationalen Einsatz zu ergänzen, auf persönlicher, familiärer, gemein- selbst in der Weltfriedensbotschaft der vor allem mittel- und langfristig schaftlicher und politischer Ebene zu von 200923 in Erinnerung gerufen bedeutende Vorteile mit sich bringen fördern. Wir alle sind für den Schutz habe, erweisen sich als grundlegen- wird. Insgesamt ist es erforderlich, und die Bewahrung der Schöpfung de Haltungen, um den Einsatz für die die Logik des bloßen Konsums hinter verantwortlich. Diese Verantwortung Erhaltung der Schöpfung durch ein sich zu lassen, um landwirtschaftliche kennt keine Einschränkungen. Im System des Gebrauchs der Ressour- und industrielle Produktionsformen Sinne des Subsidiaritätsprinzips ist cen der Erde, welches auf internatio- zu fördern, die die Schöpfungsord- es bedeutsam, dass sich jeder auf der naler Ebene besser koordiniert wird, nung achten und den primären Be- ihm entsprechenden Ebene dafür ein- zu lenken. Dies gilt vor allem für die dürfnissen aller Rechnung tragen. setzt, dass das Übergewicht der Par- augenblickliche Situation, in der in Die ökologische Frage ist nicht nur im tikularinteressen überwunden wird. immer deutlicherer Weise die star- Hinblick auf die fürchterlichen Per- Eine Aufgabe der Sensibilisierung ke Wechselbeziehung zum Vorschein spektiven anzugehen, die sich durch und der Schulung kommt besonders kommt, die zwischen der Bekämpfung die Umweltschäden am Horizont ab- den verschiedenen Einrichtungen der von Umweltschäden und der Förde- zeichnen. Sie muss vor allem von der Zivilgesellschaft und den Nicht-Re- rung der ganzheitlichen Entwicklung Suche nach einer echten Solidarität gierungs-Organisationen zu, die sich des Menschen besteht. Es handelt in weltweitem Umfang getragen sein, entschieden und großzügig für die sich um eine unabdingbare Dynamik, die durch die Werte der Liebe, der Verbreitung einer ökologischen Ver- insofern „die volle Entwicklung nur in Gerechtigkeit und des Gemeinwohls antwortung einsetzen. Diese müss- einer solidarischen Entwicklung der inspiriert wird. Im Übrigen habe ich te immer mehr in der Achtung der Menschheit geschehen“24 kann. Mit bereits daran erinnert, dass „die Tech- „Humanökologie“ verankert sein. Es den vielen wissenschaftlichen Mög- nik niemals nur Technik ist. Sie zeigt sei auch an die Verantwortung der lichkeiten und den potentiellen inno- den Menschen und sein Streben nach Medien in diesem Bereich erinnert, vativen Prozessen, die es heute gibt, Entwicklung, sie ist Ausdruck der die positive Beispiele als Anregung können befriedigende Lösungen ge- Spannung des menschlichen Geistes vorstellen können. Der Einsatz für liefert werden, welche die Beziehung bei der schrittweisen Überwindung die Umwelt erfordert also eine weite zwischen Mensch und Umwelt har- gewisser materieller Bedingtheiten. und globale Sicht der Welt; eine ge- monisch gestalten. Zum Beispiel ist Die Technik fügt sich daher in den meinsame und verantwortungsvolle es nötig, die Forschungen zu fördern, Auftrag ein, „die Erde zu bebauen Anstrengung, um von einer auf das die darauf abzielen, die wirksamsten und zu hüten“ (vgl. Gen 2, 15), den selbstsüchtige nationalistische Inter- Modalitäten zur Nutzung der großen Gott dem Menschen erteilt hat, und esse konzentrierten Denkweise zu ei- Kapazität der Solarenergie zu ermit- muss darauf ausgerichtet sein, jenen ner Vision zu gelangen, die stets die teln. Ebenso ist die Aufmerksamkeit Bund zwischen Mensch und Umwelt Bedürfnisse aller Völker in den Blick auf die mittlerweile weltweite Proble- zu stärken, der Spiegel der schöpferi- nimmt. Wir können gegenüber dem, matik des Wassers und auf das globale schen Liebe Gottes sein soll“.25 was um uns geschieht, nicht gleich- hydrogeologische System zu richten, gültig bleiben; denn die Schädigung dessen Kreislauf von primärer Be- Es zeigt sich immer deut- irgendeines Teils des Planeten wür- 11. licher, dass das Thema der de auf alle zurückfallen. Die Bezie- 21 Vgl. HL. THOMAS VON AQUIN, S. Th. Umweltverschmutzung das Verhalten hungen zwischen den Personen, den II-II, q. 49, 5. eines jeden von uns sowie die heute gesellschaftlichen Gruppen und den 22 Vgl. Nr. 9. 23 Vgl. Nr. 8. gängigen Lebensstile und Modelle des Staaten, sowie jene zwischen Mensch 24 PAUL VI., Enzyklika Populorum pro- 25 BENEDIKT XVI., Enzyklika Caritas in 26 JOHANNES PAUL II., Enzyklika Cen- gressio, 43. veritate, 69. tesimus annus, 36.

8 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK und Umwelt, müssen sich den Stil Natur erzogen wird, bekräftigt.29 Das die Natur, sondern auch auf die Wür- der Achtung und der „Liebe in der menschliche Erbe der Gesellschaft de des Menschen selbst.30 Wahrheit“ aneignen. In diesem wei- muss bewahrt werden. Dieser Schatz Willst du den Frieden för- ten Zusammenhang ist es um so wün- von Werten hat seinen Ursprung und 14.dern, so bewahre die Schöp- schenswerter, dass die Bemühungen seinen Rahmen im natürlichen Sit- fung. Das Streben nach Frieden sei- der internationalen Staatengemein- tengesetz, das der Achtung vor dem tens aller Menschen guten Willens schaft umgesetzt und erwidert wer- Menschen und vor der Schöpfung zu- wird gewiss dadurch erleichtert, dass den, welche auf eine fortschreitende grunde liegt. sie gemeinsam die untrennbare Bezie- Abrüstung und auf eine Welt ohne hung zwischen Gott, den Menschen Atomwaffen abzielen, die schon al- Es darf schließlich nicht die und der ganzen Schöpfung anerken- lein durch ihr Vorhandensein das Le- 13.vielsagende Tatsache verges- nen. Von der göttlichen Offenbarung ben des Planeten und den Prozess sen werden, dass sehr viele Menschen geleitet und im Einklang mit der Tra- der ganzheitlichen Entwicklung der Ruhe und Frieden finden und sich er- dition der Kirche leisten die Christen Menschheit in Gegenwart und Zu- neuert und gestärkt fühlen, wenn sie dazu ihren Beitrag. Sie sehen den kunft bedrohen. in enger Berührung mit der Schön- Kosmos und seine Wunder im Licht heit und mit der Harmonie der Natur des Schöpfungswerks des Vaters und Die Kirche trägt Verantwor- sind. Es besteht daher eine Art ge- des Erlösungswerks Christi, der mit 12.tung für die Schöpfung und genseitiger Austausch: Wenn wir für seinem Tod und seiner Auferstehung ist sich bewusst, dass sie diese auch die Schöpfung sorgen, erfahren wir, „alles im Himmel und auf Erden“ (Kol auf politischer Ebene ausüben muss, dass Gott durch die Natur auch für 1, 20) mit Gott versöhnt hat. Der ge- um die Erde, das Wasser und die uns sorgt. Andererseits führt eine kor- kreuzigte und auferstandene Christus Luft als Gaben Gottes, des Schöp- rekte Sicht der Beziehung zwischen hat der Menschheit die Gabe seines fers, für alle zu bewahren und vor Mensch und Umwelt nicht dazu, die heiligmachenden Geistes geschenkt, allem um den Menschen vor der Ge- Natur zu verabsolutieren oder sie für der den Lauf der Geschichte leitet fahr der Selbstzerstörung zu schüt- wichtiger als den Menschen selbst zu in Erwartung des Tages, an dem mit zen. Die Schädigung der Natur hängt halten. Wenn das Lehramt der Kirche der Wiederkunft des Herrn in Herr- nämlich eng mit der Kultur zusam- gegenüber einer Sicht der Umwelt, lichkeit „ein neuer Himmel und eine men, die das Zusammenleben der die vom Öko- und vom Biozentris- neue Erde“ (2 Petr 3, 13) hervortreten Menschen prägt; denn „wenn in der mus geprägt ist, Befremden äußert, werden, in denen für immer die Ge- Gesellschaft die „Humanökologie“ re- so tut sie dies, weil eine solche Sicht rechtigkeit und der Friede wohnen. spektiert wird, profitiert davon auch den Seins- und Wertunterschied zwi- Natur und Umwelt zu schützen, um die Umweltökologie“.27 Man kann von schen der menschlichen Person und eine Welt des Friedens aufzubauen, den jungen Menschen nicht verlan- den übrigen Lebewesen eliminiert. ist daher Pflicht eines jeden Men- gen, dass sie vor der Umwelt Achtung Damit wird de facto die höhere Iden- schen. Es ist eine dringende Heraus- haben sollen, wenn ihnen in der Fa- tität und Rolle des Menschen verneint forderung, die mit einem erneuerten milie und in der Gesellschaft nicht und einer egalitären Sicht der »Wür- und von Allen mitgetragenen Einsatz geholfen wird, vor sich selbst Ach- de“ aller Lebewesen Vorschub geleis- angegangen werden muss; es ist eine tung zu haben: Das Buch der Natur tet. Das öffnet einem neuen Panthe- willkommene Gelegenheit, um den ist einmalig sowohl bezüglich der Um- ismus mit neuheidnischen Akzenten, zukünftigen Generationen die Pers- welt wie der persönlichen, familiären die das Heil des Menschen allein von pektive einer besseren Zukunft für und gesellschaftlichen Ethik.28 Die einer rein naturalistisch verstandenen alle zu geben. Dessen mögen sich die Pflichten gegenüber der Umwelt lei- Natur herleiten, die Türen. Die Kir- Verantwortlichen der Nationen be- ten sich von den Pflichten gegenüber che lädt hingegen dazu ein, die Frage wusst sein und allen auf jeder Ebe- der Person an sich und in ihren Bezie- auf sachliche Weise anzugehen, in der ne, denen das Los der Menschheit hungen zu den anderen ab. Ich ermu- Achtung der „Grammatik“, die der am Herzen liegt: Die Bewahrung der tige daher gerne zu einer Erziehung zu Schöpfer seinem Werk eingeschrieben Schöpfung und die Verwirklichung einem Umweltbewusstsein, das, wie hat, indem er dem Menschen die Rolle des Friedens sind eng miteinander ich in der Enzyklika Caritas in veri- eines Hüters und verantwortungsvol- verbunden! Darum lade ich alle Gläu- tate geschrieben habe, eine authen- len Verwalters der Schöpfung übertra- bigen ein, mit Eifer zu Gott, dem all- tische „Humanökologie“ einschließt gen hat. Diese Rolle darf der Mensch mächtigen Schöpfer und barmherzi- und folglich mit erneuerter Überzeu- gewiss nicht missbrauchen, aber auch gen Vater, zu beten, damit im Herzen gung sowohl die Unantastbarkeit des nicht von sich weisen. Denn die ge- jedes Menschen dieser nachdrück- menschlichen Lebens in jeder Phase genteilige Position der Verabsolutie- liche Appell Widerhall finde, ange- und jeder Lage wie auch die Würde rung der Technik und der menschli- nommen und gelebt werde: Willst du des Menschen und die unerlässli- chen Macht wird letztendlich nicht den Frieden fördern, so bewahre die che Aufgabe der Familie, in der zur nur zu einem schweren Angriff auf Schöpfung. Nächstenliebe und zur Schonung der Aus dem Vatikan, 27 BENEDIKT XVI., Enzyklika Caritas in am 8. Dezember 2009 veritate, 51. 29 Vgl. ebd., 28.51.61; JOHANNES PAUL 30 Vgl. BENEDIKT XVI., Enzyklika 28 Vgl. ebd., 15.51. II., Enzyklika Centesimus annus, 38.39. Caritas in veritate, 70.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 9 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK Widerstand gegen Reformen in den USA Obamas christliche Ziele

VON KLAUS LIEBETANZ

ei der feierlichen Einsetzung von rührt dieses Denken, dass jede Soli- Widerstand gegen die Friedenspolitik BBarack Obama als 44. Präsident darität unamerikanisch sei.“ in Nahost der Vereinigten Staaten am 20. Janu- Das alles macht Obamas Gegner Bei keinem anderen Thema er- ar 2009 haben viele seinen Absich- wütend. Sie zweifeln seine Geburts- zielen die Rechten größere Wirkung ten zugejubelt: urkunde an, zeichnen ihn mit Stam- als mit ihrer Kritik an Obamas Isra- – Reduzierung der Armut in den meskostüm und einem Knochen, der el-Politik: 329 US-Abgeordnete un- USA durch die Nasenflügel geführt ist. Ob- terzeichneten einen Brief, der die – angemessene Sozialversicherung ama ist die perfekte Zielscheibe für Regierung zur „engen und persön- für alle Bürger (ca. 50 Mio. Ame- die extreme Rechte. Hinzu kommt Ob- lichen Zusammenarbeit mit Israel“ rikaner haben keine Gesundheits- amas Ziel, jene zu schützen, die nach verpflichten soll. Dass Obama ein- versicherung) dem Verständnis der weißen Rechten seitige Vorleistungen von der israe- – Verzicht auf einseitige weltweite keinen Schutz verdienen, weil sie lischen Regierung, wie einen Sied- Aktionen „faul und schwarz“ seien. Manche sei- lungsstopp, forderte, halten sie für – Lösung des Nahost-Konfliktes ner Gegner vergleichen ihn mit Adolf einen Sündenfall. durch Bildung eines unabhängi- Hitler. Konservative protestantische gen Palestinenserstaates, (eines Kirchen der Weißen gehören auch zu Barack Obama vertraut der Kernprobleme beim Kampf Obamas Gegnern. Sie bilden eine ge- auf Jesus Christus gegen den islamischen Terror) schlossene Gesellschaft mit den Wohl- Nach Aussage von Jim Wallis, – Kampf gegen die Erderwärmung. habenden. Sie realisieren nicht, dass einem wichtigen geistlichen Berater sie die Sache Jesu Christi mit Füßen des Präsidenten, auf dem Deutschen Mit Zustimmung ist auch seine treten, wie seinerzeit die Apartheits- Evangelischen Kirchentag in Bremen Rede in der Kairoer Universität aufge- kirchen in Süd Afrika. ist Obama ein in Jesus Christus ver- nommen worden, in der er der musli- ankerter Politiker. Das gibt ihm sei- mischen Welt die Hand reichte. Heu- Widerstand gegen die dialogbereite ne Ruhe, Selbstsicherheit und Aus- te ist der Jubel abgeebbt und es be- Außenpolitik strahlung. In Prag sagte Obama: „Wir ginnt ein zähes Ringen im amerika- Obama hat ein neues Klima in müssen die Stimmen ignorieren, die nischen Repräsentantenhaus und im der internationalen Politik geschaf- sagen, die Welt könne sich nicht än- Kongress. Obama ist bei den Mühen fen. Multilaterale Diplomatie ist wie- dern. Wir müssen insistieren: Yes, in der Arbeitsebene angelangt, sogar der ins Zentrum gerückt. Dialog und we can!“ (Vgl. dazu die Aussage von offener Hass und Feindschaft schlägt Verhandlungen werden als vorrangi- Papst Johannes Paul II vor jugendli- ihm teilweise entgegen. ge Mittel angesehen, um selbst die chen Pilgern in Rom:„Fürchtet Euch kompliziertesten internationalen Kon- nicht und gebt niemals auf. Der Frie- Widerstand gegen die Gesundheitsreform flikte zu lösen. Der heimliche Chef de ist möglich!“). Es geht bei alldem um die Angst der Republikaner, der Radio-Mode- Zurzeit trifft der Präsident der vor Umverteilung; die Angst, dass die rator Limbaugh kommentierte die Vereinigten Staaten bei der seit Jah- Regierung Obama dieses uramerika- Auszeichnung Barack Obamas mit ren überfälligen Gesundheitsreform nische Selbstverständnis aufkündigt, dem Friedessnobelpreis mit folgen- (50 Mio. Amerikaner sind ohne Ge- nach dem jeder alles erreichen kann, den Worten: „Diesen Preis zu gewin- sundheitsversicherung) auf den erbit- aber auch ganz und gar allein für sich nen ist eine größere Peinlichkeit, als terten Widerstand der Konservativen, verantwortlich ist. „Es gab in Ameri- die Olympischen Spiele zu verlieren.“ Wohlhabenden und Mächtigen in der ka nie eine erfolgreiche soziale Bewe- Die Welt wolle die USA entmannen, Wirtschaft, die ihre Privilegien vertei- gung, es gibt darum kein Gefühl dafür, so Limbaugh, sie „liebt geschwächte, digen. Erst am Heiligabend 2009 hat- was ein moderner Wohlfahrtsstaat be- kastrierte Vereinigte Staaten“. Was die te Obama den ersten innenpolitischen deuten kann“, sagt der deutsche Poli- konservative Wähler George W. Bush Erfolg mit dem Abstimmungsergebnis tologe Manfred Henningsen1, der seit übel nahmen, war nicht das Kriegs- 60:40 im Senat für die Gesundheits- 40 Jahren in Obamas Geburtsstaat führen an und für sich, sondern das reform. Der Gesetzestext muss jetzt Hawaii lebt und lehrt, „und daher erfolglose Kriegführen. Es war schon noch im Repräsentantenhaus finali- bemerkenswert, dass George W. Bush siert werden, was ein weiteres hartes 1 Manfred Henningsen, geb. 1938, seit wiedergewählt wurde, nachdem er un- Ringen bedeuten wird. Des weiteren 1970 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Hawaii, Autor von ter Vorspiegelung falscher Tatsachen ist eine starke Lobby der teilweise „Der Mythos Amerika“, Eichborn Verlag einen Angriffskrieg gegen den Irak veralteten amerikanischen Schwer- 2009 geführt hat. industrie gegen dringend notwendi-

10 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

ge Zugeständnisse in der Klimafra- 40 % des weltweiten CO2 Ausstoßes). in Afghanistan aufzwingen. Es ist zu ge, obwohl Amerika zusammen mit Schließlich wollen konservative Si- hoffen, dass der Präsident standhaft China zu den größten Verschmutzern cherheitspolitiker dem Präsidenten bleibt und seine christlich inspirierte der Umwelt gehört (zusammen ca. eine weitgehende militärische Lösung Politik Erfolg hat. ❏

Katastrophale Menschenrechtslage im Ost-Kongo Drei Jahre nach den Wahlen

VON KLAUS LIEBETANZ

rei Jahre nach den Wahlen im Kongo, zu deren Absicherung die Bundeswehr eingesetzt wurde, ist die Menschenrechtssituation im Ost-Kongo katastrophal. Auch 2009 wurden Zehntausende Frauen und Kinder von einzelnen Rebellengruppen, besonders der FDLR (Forces démocratique pour la Libération du Ruan- D1 da) vergewaltigt. Diese unmenschlichen Maßnahmen werden als Mittel der Kriegsführung und Unterdrückung der Bevölkerung genutzt. Auch die offiziellen, aus verschiedenen Rebellenorganisationen gebildete, unter- oder nichtbezahlte Kongolesischen Streitkräfte sind an brutalen Übergriffen gegenüber der Zivilbevölkerung beteiligt. Die Sicherheitssektorreform der Europäischen Union EUSEC und der UNO-Truppe MONUC im Ost-Kongo hat nicht die geplante Wirkung gezeigt.

Kongolesische Menschenrechtler berichten krimineller Elemente aus den jewei- dingungen, Umweltauflagen werden ligen Stadtvierteln um unliebsame nicht beachtet, es werden keine Steu- m110.12.09 fand in der katho- Kritiker auszuschalten. ern gezahlt). In diesem Zusammen- Alischen Akademie Berlin eine Floribert Chebeya, Vorsitzen- hang gibt es willkürliche Verhaftung Diskussionsrunde mit drei kongole- der der Menschenrechtsorganisati- und Einschüchterungen von Journa- sischen Menschenrechtsaktivisten on „Voix des sans Voix“ (Stimme der listen durch die Sicherheitskräfte. über das o.a. Thema statt. Die Ver- Stimmlosen). Er hat viele Berichte Andererseits gibt es immer wieder of- anstaltung wurde durch das „Öku- und Recherchen zu ökonomischen fizielle Berichte über Unregelmäßig- menische Netz Zentralafrika“ (ÖNZ) und sozialen Rechten sowie regiona- keiten; aber es geschieht in der Folge organisiert. Das ÖNZ wird unterstützt le Analysen veröffentlicht. Im März nichts, um die Mängel abzustellen. und finanziert von seinen Mitglie- 2009 wurde er von der kongolesi- Jean Mutombo ist Beauftragter derorganisationen: Brot für die Welt, schen Regierung verhaftet und erst der Vereinigten Evangelischen Missi- Diakonie/Menschenrechte, Misereor, auf Druck einer internationalen Kam- on (VEM) in der DR Kongo. Die VEM Pax Christi, Vereinigte Evangelische pagne freigelassen. Nach seiner Auf- hat ihren Sitz in Deutschland in Wup- Mission. Die Moderation hatte Juli- fassung fehlt der Regierung in der DR pertal. Gleichzeitig ist Mutombo Ver- ane Kippenberg von Human Rights Kongo der Wille, die Menschenrechte treter der „Kirche Christo Kongo“, ein Watch (HRW). durchzusetzen, obwohl diese in der Zusammenschluss von ca. 50 evange- Kizito Mushizi, Direktor von Ra- Verfassung garantiert sind. Es gab vor lischen Kirchen in der DR Kongo. Er dio Maendeleo, der größten unab- der Wahl 2006 viele Versprechungen hat Berichte zu illegalem Abbau von hängigen Rundfunk anstalt im Osten bzgl. der Einhaltung der Menschen- Rohstoffen in der Region der Großen der DR Kongo und Vorsitzender der rechte. Nach der Wahl wurden diese Seen veröffentlicht und engagiert sich Vereinigung der Nationalen Presse. Versprechungen nicht eingehalten. gegen sexuelle Gewalt und gegen mi- Er berichtete anhand von Beispielen Das Phänomen der politischen Kor- litärische Übergriffe auf die Bevöl- über die Willkür der Justiz in der DR ruption ist in der DR Kongo weit ver- kerung. Er berichtete über die Frie- Kongo. Morde an unliebsamen Jour- breitet. Die Rechtsinstitutionen des densarbeit dieser Kirchen, die auch nalisten und Bedrohungen gegenüber Landes werden von einflussreichen ökumenisch mit der katholischen Kir- der Presse werden kaum verfolgt. Es Kräften erpresst. Die Polizei handelt che zusammenarbeiten. Sie schüt- gibt nur wenige Richter. Diese wer- häufig nicht im Auftrag des Volkes, zen vergewaltigte Frauen und brin- den schlecht bezahlt. Das öffnet der sondern steht eher im Dienst von be- gen sie bei Bedarf in Krankenhäuser Korruption Tür und Tor. Korrupte An- stimmten Gruppierungen. Die Poli- unter. Sie überprüfen Minenverträge gehörige der Streitkräfte unterstützen zei ist daher nicht unabhängig, wenn bzgl. des Arbeits- und Umweltschut- sich gegenseitig und bedienen sich Menschenrechtler auf bestimmte Un- zes und prüfen Umsiedelungen infol- 1 Größtenteils ehemalige Hutumilizen, regelmäßigkeiten aufmerksam macht, ge der Ausbeutung von Bodenschät- die in die Demokratische Republik wie z.B. bei der ungesetzmäßigen Nut- zen. Zwei Tage zuvor – so berichtete (DR) Kongo fl ohen zung von Bodenschätzen (Arbeitsbe- Mutombo – wurden zwei Pastoren in

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 11 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Ausübung ihrer Menschenrechtsar- Verbündeten zurück, weil in einem fizielle Beteiligung der ruandischen beit umgebracht. Die VEM setzt ei- UN-Bericht Beweise vorlagen, dass Streitkräfte. Auch dieser militäri- nen Teil des Friedensfonds des BMZ er die CNDR militärisch unterstütz- schen Operation war wenig Erfolg be- mit ihren Partnerorganisationen vor te. In Folge dieses Berichtes drohten schieden, da die FDLR-Streitkräfte im Ort um. Mutombo hält eine Justizre- nämlich mehrere europäische Staaten unwegsamen Gelände (meist Urwald) form in der DR Kongo für dringend ihre Entwicklungshilfe zu streichen, geschickt ausweichen konnten. Den geboten. Ohne Gerechtigkeit wird es von der die Hälfte des Haushalts in 1.200 entwaffneten FDLR-Soldaten keinen Frieden geben. Ferner ging er Ruanda abhängt. In einem Deal zwi- standen nach Angabe des UNHCR auf die miserable Situation der Stra- schen Präsident Kabila und Kagame am Ende der Operation ca. 800.000 ßenkinder ein. Sie werden bei Straf- wurde daher die CNDR der offiziellen interne Vertriebene, Hunderte von ge- fälligkeit in die gleichen unzumutba- Kongoarmee unterstellt. Das geschah töteten Zivilisten und unzählige Ver- ren afrikanischen Gefängnisse wie die aber nur pro forma, da die CNDR gewaltigungen gegenüber. Die enor- Erwachsenen geworfen. Das bedeutet nicht wie die anderen Rebellengrup- men Kollateralschäden an den unbe- für die Kinder und Jugendlichen in pierungen mit anderen Truppenteilen teiligten Zivilisten standen in keinem diesen meist überfüllten Gefängnis- verwürfelt wurde, sondern größten- Verhältnis zum geringen Erfolg dieser se ein zusätzliches Martyrium. Not- teils ihre alte militärische Struktur Militärmission. wendig seien mehr Rechte für Kinder. behielt. Kagame setzte an Stelle von Nkunda nur einen anderen Gefolgs- Die unrühmliche Rolle der Das Problem mit der FDLR2 mann ein, Jean-Bosco Ntaganda, der FARDC im Ost-Kongo Die FDLR sind ruandische Hutu- wegen des Vorwurfs von Kriegsver- Die offiziellen kongolesischen Milizen im Ost-Kongo auf dem Ge- brechen durch den Internationalen Streitkräfte im Ost-Kongo sind zu gro- biet der DR Kongo. Sie waren nach Strafgerichtshof unter Anklage steht. ßen Teilen durch Verwürfelung von dem Völkermord an den ruandischen Die „gemeinsame“ Militäroperation verschiedenen Rebellenbewegungen, Tutsi in die DR Kongo geflohen. Sie von FARDC und ruandischen Streit- die aufgegeben haben, entstanden. wurden anfangs von Präsident Mobu- kräften war nur von mäßigem Erfolg, Ihre Ausbildung, Rechtstaatlichkeit, tu mit Waffen unterstützt und haben weil die Ruander nicht energisch ge- Bezahlung und Versorgung ist sehr sich im Laufe der letzten 15 Jahre gut nug gegen die FDLR vorgingen. Au- gering. Der deutsche Vertreter bei der organisiert und verfügen über ein weit genzeugen beobachteten sogar, wie MONUC, Botschafter Conze erklärte verzweigtes Netz von Unterstützern sie mit den ruandischen Landsleu- 2006 noch bei einer Veranstaltung in in Frankreich, Deutschland und den ten fraternisierten. Die FDLR konn- Berlin, dass von Seiten der Europä- USA. Die FDLR ist im Ost-Kongo ein te der FARDC geschickt ausweichen, ischen Union sichergestellt sei, dass Staat im Staate. Sie drangsalieren die um nach Abschluss der Operation die jeder FARDC-Soldat zehn USD pro kongolesische Bevölkerung, ernten wo Zivilbevölkerung zu drangsalieren. Monat erhält. Das ist ein Hohn, weil sie nicht gesät haben und benutzen Nach Aussagen von Teilnehmern der auch im Ost-Kongo Weltmarktpreise sexuelle Gewalt als Mittel der Unter- Tagung liegt die Zurückhaltung der gelten. Kein Wunder, dass diese fi- drückung und Vertreibung. Kagame-Truppe gegenüber der FDLR nanziell auf sich gestellte Truppe auf an dem Umstand, dass auf dem Gebiet eigene Rechnung plündert und ver- Erster Versuch in 2009 die der FDLR zahlreiche Bodenschätze, gewaltigt. In einem Report vom Juli FDLR zu entwaffnen wie Coltan, Gold und Diamanten ab- 2009 beschreibt HRW die Soldaten Vom 22. Januar bis 25. Febru- gebaut werden, die teilweise über Ru- der FARDC als vorrangige Akteure ar 2009 gab es eine überraschende, anda am kongolesischen Staat vorbei der sexuellen Gewalt im Ostkongo. gemeinsame Militäroperation der of- exportiert werden. Nur so ist zu erklä- 65% der Opfer sind Kinder. fiziellen kongolesischen Streitkräfte ren, dass Ruanda, das selbst kaum Bo- FARDC (Forces Armées de la Répu- denschätze hat, zum Hauptexporteur Die machtpolitische Rolle blique Démocratique du Congo) und von wertvollen Rohstoffen wurde. Ka- der USA im Kongo der Ruandischen Streitkräfte gegen game spielt nicht nur in diesem Fall Trotz neuerer amerikanischer Be- die Stellungen der FDLR im Nord-Ki- ein Doppelspiel. strebungen auch partnerschaftliche vu. Zuvor hatte sich der Machthaber in und humanitäre Perspektiven stärker Ruanda General Paul Kagame, seinen Der zweite Versuch in 2009 die zu fokussieren (Vgl. die Grundsatz- ehemaligen Verbündeten und Gefolgs- FDLR zu entwaffnen rede von Barack Obama im Juli 2009 mann Laurant Nkunda angeblich in Da Präsident Kabila sein Wahl- in Accra (Ghana) über Good Gover- Ruanda unter Hausarrest gestellt. Ge- versprechen von 2006, im Ost-Kon- nance-Strukturen), bleiben einseitige neral Nkunda hatte die CNDR (Cong- go für Sicherheit zu sorgen, im Blick wirtschaftliche Interessen an den Roh- rès national pour la Défence du Peup- auf die kommenden Kommunalwah- stoffen Afrikas bestehen. Im Zweifel le), eine ruandaphone Rebellengrup- len einhalten wollte, startete die offi- werden Wirtschafts- und Machtinter- pe in Ost-Kongo straff organisiert und zielle kongolesische Armee FARDC essen den Menschenrechtsfragen vor- befehligt. Kagame zog seinen alten zusammen mit der MONUC (United gezogen, wie bei der Nichtverhinde- 2 Die folgenden Abschnitte beziehen sich Nations Mission in the DR Congo) im rung des Völkermordes 1994 in Ru- größtenteils auf Informationen aus den 1. Halbjahr 2009 eine weitere Militä- anda, wo die demokratische Clinton- vier ÖNZ-Newslettern von 2009 roperation gegen die FDLR, ohne of- Administration den Vormarsch der

12 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK von ihnen militärisch aufgerüsteten Vorrang für Maßnahmen der kann im Bereich der Sicherheitssek- anglophonen Tutsi nicht durch ei- zivilen Konfliktbearbeitung torreform aktive Unterstützung leis- nen Waffenstillstand und Aufstockung Eine rein militärische Lösung ten, ebenso die EU – Projekte EUSEC der UN-Blauhelm-Mission, wie von zur Lösung der FDLR-Problematik und EUPOL. Zentrales Anliegen aller General Dallaire gefordert, aufhalten scheint nicht angemessen und Erfolg Reformen sollte es sein, den Schutz wollten (Quelle: der CDU-Bundes- versprechend zu sein. Nach Auffas- der Zivilbevölkerung voranzustellen tagsabgeordnete Graf Waldburg-Zeil, sung von ÖNZ wäre es effizienter, die und schnelle Eingreifmechanismen seinerzeit Vorsitzender des Bundes- Masse der FDLR’ler durch substan- aufzubauen, um Menschenrechtsver- tagsausschusses für wirtschaftliche zielle zivile Angebote (Ausbildung, letzungen vorzubeugen und gesche- Zusammenarbeit und Entwicklung). Arbeitsplätze und ein gesichertes Ein- hene juristisch zu bestrafen. Dazu Letztendliches strategisches Ziel der kommen von mindestens 18 Monaten) könnte die Errichtung einer FARDC- USA war die Kontrolle des frankopho- aus der Illegalität heraus zu lösen. Einheit für die interne Aufklärung von nen Kongos durch von ihnen militä- Dabei müssten auch ihre Familien Fällen sexueller Gewalt dienen. risch unterstützte anglophone Ugander einbezogen werden. Hierzu müsste Die Tatsache, dass der Generalst- und Ruander, was wenige Jahre später die Bundesregierung eine gemein- abschef der kongolesischen Streitkräf- durch General Kagame und Ugandas same europäische Lösung anstreben, te, Olenga, perfekt Deutsch spricht Präsident Museweni geschah und zur zumal die genozidäre Hutu-Melizen, und mit einer Deutschen verheiratet Ablösung des Frankreich freundlichen FDLR, die ehemaligen Verbündeten ist, sollte bei den deutschen Bemü- Mobutu führte. Diese Hintergründe Frankreichs waren. Es ist auch mit hungen um eine rechtstaatlich ori- werden von einigen deutschen Politi- Widerstand aus Ruanda zu rechnen, entierte Reform der kongolesischen kern und Angehörigen der Friedens- da die FDLR, wie oben beschrieben, Streitkräfte eine positive Rolle spie- bewegung, die für Paul Kagame wegen zum erheblichen wirtschaftlichen Vor- len. ❏ seiner effektiven Entwicklungspolitik teil Ruandas beitragen. eingenommen sind, nicht erkannt oder Die Drahtzieher der FDLR in bewusst nicht wahrgenommen. Deutschland, Frankreich und Ameri- Barack Obama wird nicht von ka müssten zu Verantwortung gezogen heute auf morgen die auf die Interes- werden. In Deutschland ist bereits der sen der Vereinigten Staaten ausgerich- Chef der FDLR, Ignace Murwanashy- Kurznachrichten tete Außenpolitik verändern können aka, der in Mannheim zusammen mit (vgl. „Widerstand gegen Reformen in seiner deutschen Frau lebt, in 2009 den USA Obamas christliche Zie- verhaftet worden und muss sich vor Islamrat verteidigt le“ in AUFTRAG 277, Seite 10). Die Gericht verantworten. In diesem Zu- Tendenz der deutschen Afrikapolitik sammenhang könnte sich auch eine Kruzifixe ist es bedauerlicherweise, sich nicht politische Lösung abzeichnen. Als einzumischen und Afrika den Fran- Vermittler wäre die römische Frie- in deutschen Gerichten zosen und Engländern zu überlassen. densgemeinde Sant’Egidio eine gute Es bleibt zu hoffen, dass Bundesau- Adresse, wie seinerzeit beim nachhal- er Vorsitzende des Islam- ßenminister Westerwelle eine selbst- tigen Frieden in Mosambik. Drates, Ali Kizilkaya, bewusstere Afrikapolitik durchführt. hat sich für einen Verbleib Dringende Professionalisierung Schlussfolgerungen der FARDC in Ost-Kongo von Kreuzen in deutschen ie Bundesrepublik Deutschland Grundvoraussetzung für die Über- Gerichtssälen ausgespro- Dhat sich 2005 beim UN-Gipfel windung der systematischen sexuellen chen. Die „weit über ein verpflichtet, die Grundsätze der „Res- Gewalt in der Kivu-Region ist auch Jahrtausend gewachsene ponsibility to Protect“ (R2P) zu beach- eine Professionalisierung der FARDC. abendländische Tradition“ ten. Sie muss daher daran interessiert Hierzu ist eine verstärkte Erziehung verdiene „allemal so viel Re- sein, dass die gravierenden und sys- dieser Truppenteile im Ostkongo zur tematischen Menschenrechtsverlet- Rechtstaatlichkeit und zur Bestra- spekt, dass man ihre Symbole zungen, besonders gegen Frauen und fung von Soldaten, die sich schwerer achtet“, sagte Kizilkaya der Kinder im Ostkongo unterbleiben. Des Menschenrechtsverletzungen schul- Tageszeitung „Die Welt“. Er Weiteren beteiligt sich Deutschland dig machen. Das gleiche gilt auch für zeigte sich überzeugt, dass mit ca. 100 Mio. USD an den jährli- unterlassene Dienstaufsichtspflicht ein Kreuz an der Wand „kei- chen Kosten der MONUC und leistet und unterlassenen Verfolgung solcher nen Richter davon abhält, 65 Mio. Euro an Entwicklungshilfe in Straftaten gegen die Menschlichkeit. der DR Kongo. Letztendlich hat sich Voraussetzung dafür ist eine regelmä- nach Maßgabe des deutschen die deutsche Bundeswehr 2006 mit ei- ßige, kontrollierte und angemessene Rechtes zu urteilen“. nem größeren Kontingent an der nicht Bezahlung der Soldaten, angemessene (KNA) ungefährlichen Absicherung der de- Unterkunft in Kasernen, die auch die mokratischen Wahl in der DR Kongo Familien der Soldaten beherbergen. beteiligt. Die Blauhelmmission der MONUC

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 13 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK „Was will Deutschland am Hindukusch?“ Erwiderung auf das Positionspapier 7/2009 des Verbandes Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. (VENRO)

VON KLAUS LIEBETANZ

eben berechtigter Kritik haben die VENRO-Funktionäre eine Reihe von Halbwahrheiten in ihre Argumen- tation übernommen. Major a. D. Klaus Liebetanz, Mitglied des Sachausschuss „Sicherheit und Frieden“ Nder Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) setzt sich im Folgenden kritisch mit dem Positionspapier auseinander. Seine Kritik ist deshalb bemerkenswert, da er als Mitarbeiter im Arbeitsstab Humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes (AS HH) an der Gestaltung des „Koordinationsausschuss Humanitäre Hilfe“ mitgearbeitet, ca. 500 Verwendungsnachweise der deutschen Hilfsorganisationen geprüft und für vier große deutsche Hilfsor- ganisationen das individuelle Taschenbuch für den Auslandseinsatz erstellt hat. Er ist langjähriges Mitglied der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung und hat von 2005 bis 2009 im Auftrag des Auswärtigen Amtes Ergebnis- prüfungen vor Ort von Projekten der deutschen humanitären Hilfe weltweit durchgeführt. Somit kommt mit ihm ein Praktiker zu Wort. Den vollständigen Text des Papiers kann man auf der Webseite www.venro.de nachlesen.

Ansätze der Kritik 2. „Unzulässige“ wichtigsten Staaten und verschiede- Vermischung von ziviler nen großen internationalen Organisa- 1. Die „Unabhängigkeit“ und militärischer Hilfe tionen – der Generalversammlung die von Hilfsorganisationen „Hilfsorganisationen warnen seit „Agenda für den Frieden“ vor. „In Afghanistan sind deutsche Langem vor den negativen Folgen der Hilfsorganisationen nicht erst seit Vermischung von ziviler und militä- Friedenskonsolidierung in der September 2001, sondern teilweise rischer Hilfe, wie sie in Afghanistan Konfliktfolgezeit (post-conflict seit über 30 Jahren tätig und konn- beispielsweise in Form der „Provinci- peace-building) ten in enger Kooperation mit afgha- al Reconstruction Teams“ (PRT) prak- Boutros Ghali hat die „Friedens- nischen Akteuren auch unter schwie- tiziert wird.“ (Pos. Papier S.6, Abs. 3) konsolidierung in der Konfliktfolge- rigsten Umständen Hilfe leisten.“ Mit dieser Aussage unterstreichen zeit“ als neuen Begriff in die Agenda (Pos. Papier S. 4, Abs. 3) die Verfasser des Papiers, dass sie for Peace aufgenommen und in den Dabei wird verschwiegen, dass sich nicht mit den Prinzipien der Ver- Ziffern 55-59 beschrieben. Sie hat die Hilfsorganisationen an der Schre- einten Nationen, insbesondere nicht sich im Laufe der Zeit als eine er- ckensherrschaft der Taliban, insbe- mit der „Agenda for Peace“ und dem folgreiche Form der Konfliktpräven- sondere gegen Frauen, nichts ge- „Brahimireport“, auseinandergesetzt tion erwiesen (Mittelamerika, Hinter- ändert haben. Außerdem haben sie haben. indien, Balkan etc.) und stellt in der dem Talibansystem Kosten im Ge- Regel eine Zusammenarbeit von mi- sundheitswesen erspart, welche das „Agenda for Peace“ – Eine VN- litärischer Stabilisierung und zivilem Regime an anderer Stelle für seine Handlungsanweisung für den Wiederaufbau (humanitäre Hilfe, Ent- Zwecke ausgeben konnte. Mary B. Frieden wicklungszusammenarbeit, Aufbau Anderson hat in ihrer Veröffentli- In der Erklärung des Sicherheits- staatlicher Einrichtungen wie recht- chung „Do Not Harm – How Aid Can rats vom 31. Januar 1992 (kurz nach staatliche Polizei und ein entspre- Support Peace – War“ (Der Einfluss Ende des Kalten Krieges) wurde der chendes Gerichtswesen, Menschen- der humanitären Hilfe auf Krieg und Generalsekretär der Vereinten Natio- rechtsarbeit und der Aufbau der Zi- Frieden) anhand von 14 Feldstudien nen Boutros-Ghali beauftragt, bis zum vilgesellschaft) dar. nachgewiesen, dass Hilfsorganisati- 1. Juli 1992 eine entsprechende Emp- onen durch wohlgemeinte Hilfslie- fehlung auszuarbeiten. Dabei sollte er Forderung nach einem schlüssi- ferungen zum Erstarken von Bürger- prüfen, inwieweit die Fähigkeiten und gen Gesamtkonzept kriegsparteien und damit zur Verlän- Kapazitäten der Vereinten Nationen Der „Friedenskonsolidierung in gerung des Krieges beitragen kön- im Rahmen der VN-Charta zur vor- der Konfliktfolgezeit“ muss ein in sich nen. Außerdem können so Unrechts- beugenden Diplomatie zur Friedens- schlüssiges Gesamtkonzept zu Grun- regime stabilisiert werden. Hilfsor- schaffung (peace-making) und zur de liegen, das den zivilen Mitteln, wie ganisationen handeln nirgendwo im Friedenssicherung (peace-keeping) rechtstaatlicher Polizeiaufbau, wirk- luftleeren Raum. In Krisengebieten gestärkt und effizienter gestaltet wer- same Entwicklungszusammenarbeit sind sie immer hoch politisch, ob- den können. Am 17. Juni 1992 leg- und die Förderung rechtstaatlicher wohl ihre Akteure das nicht wahr te Boutros Ghali – nach gründlicher Strukturen mindestens den gleichen haben wollen. Rücksprache mit den Vertretern der Nachdruck verleiht wie den militäri-

14 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK schen Mitteln, was die Gemeinschaft von VENRO über das deutsche PRT schwommener fundamentalistischer Katholischer Soldaten (GKS) in ihrer können nicht mit Ahnungslosigkeit Pazifismus. Erklärung zu Friedenseinsätzen deut- entschuldigt werden. Sie sind schein- scher Soldaten „Der Friede ist mög- bar bewusst so gewählt worden, um 4. Zweierlei Maß der lich!“ bereits 2004 gefordert hat und der Bundesregierung zu unterstellen, VENRO-Funktionäre erst mit der Kanzlerrede von Angela sie militarisiere die Entwicklungshilfe beim Einsatzrisiko Merkel vom 8.09.2009 zugesagt wur- in Afghanistan. „Die Bundeswehr betreibt zudem de, einschließlich der schrittweisen in fragwürdiger Weise selbst Hilfspro- Übergabe der Verantwortung an die 3. Inkonsequenz der VEN- jekte, um die „Herzen und Köpfe“ der Afghanen (Ownership). Damit wur- RO-Funktionäre afghanischen Zivilbevölkerung für die de eine entscheidende Wende zu ei- „Für die Hilfsorganisationen be- internationalen Interventionen zu ge- ner zielführenden Sicherheitspolitik deuten die genannten Tendenzen zur winnen und den Schutz insbesonde- eingeleitet. zivil-militärischen Zusammenarbeit re der eigenen Soldaten zu erhöhen.“ und zur Unterordnung der Entwick- (Pos. Papier S. 6, Abs. 4) Ergebnisse des Brahimi-Reports lungshilfe unter politisch-militäri- Der Verfasser des Beitrags hat bei Im Jahr 2000 hat sich eine hoch- sche Zielsetzungen eine deutliche seinen zahlreichen weltweiten Ergeb- rangige Kommission unter Leitung Erschwerung und Einschränkung ih- nisprüfungen bei humanitären Pro- des ehemaligen algerischen Außen- rer Arbeit. Sie schaden dem Ansehen jekten die Erfahrung gemacht, dass ministers Lakhdar Brahimi mit der und der Glaubwürdigkeit der NRO die deutschen großen Hilfsorgani- Auswertung von Friedensmissionen als unabhängige und unparteiliche sationen in gefährlichen Krisenge- im Rahmen der Agenda for Peace im humanitäre Akteure.“ (Pos. Papier bieten vermehrt internationale „hu- Auftrag des VN-Generalsekretärs be- S. 6, Abs. 6) manitäre Legionäre“ aus aller Her- schäftigt. In diesem Brahimi-Report Es ist kein Geheimnis, dass so- ren Länder einsetzen und deutsches wurde festgestellt, dass bei einigen wohl das Auswärtige Amt als auch Personal schonen. Gelegentlich fin- VN-Friedensmissionen die Blauhelm- das BMZ als Bundesministerien det man die deutschen Mitarbeiter truppen unzureichend mandatiert und übergeordnete politische Ziele der je- in den weniger gefährdeten Haupt- ausgerüstet waren (z. B. in der VN- weiligen Bundesregierung zum Nut- städten. Einige Hilfsorganisationen Schutzzone Srebrenica oder beim Völ- zen Deutschlands verfolgen. Jede verlassen sich ganz auf ihre lokalen kermord in Ruanda). Dieser Bericht Organisation, die um staatliche Hilfe Partner und verzichten auf eine Kon- gibt also keine Empfehlung, Blauhel- nachsucht, weis doch, dass der Geber trolle vor Ort, eine ideale Anleitung me besser durch Polizisten oder gar damit auch einen politischen Zweck zur Korruption. Wenn nun die Verfas- Friedensfachkräfte zu ersetzen, wie verfolgt, der in der Regel nicht zu ser des Papiers sich zuhause über die es Teile der Friedenbewegung for- beanstanden ist, wie z. B. die För- „Force Protection-Maßnahmen“ der dern. Des Weiteren wurde in diesem derung des Friedens in der Welt, so erheblich gefährdeten deutschen Sol- bemerkenswerten Bericht darauf hin- wie es die Präambel des Grundgeset- daten vor Ort beklagen, ist das mehr gewiesen, dass bei einigen VN-Frie- zes vorsieht. Humanitäre Hilfe ist in als beschämend. densmissionen die Mittel für den zi- bestimmten Fällen ein anerkannter Worum geht es bei der „Force vilen Wiederaufbau im Verhältnis zu diplomatischer Türöffner. Es gehört Protection“? Der Deutsche Bundes- den Militärausgaben zu schwach und schon eine ziemliche Chuzpe dazu, tag stellt für seine Parlamentsarmee, deshalb diese Missionen nicht nach- sich über die politischen Absichten die nur im Auftrag des Deutschen haltig waren. der jeweiligen Bundesregierung zu Bundestages in Auslandseinsätzen beklagen und gleichzeitig erhebli- tätig wird, Haushaltsmittel in gerin- Die deutsche Form der che Geldsummen bei derselben Re- gem Umfang zur Verfügung, damit die „Provincial Reconstruction gierung zu beantragen. Wer wirklich Bundeswehr kleine humanitäre Pro- Teams“ (PRT) unabhängig sein will, muss auf staat- jekte vor Ort durchführen kann, um Das deutsche PRT ist keine mi- liche Mittel verzichten. Hier sind die das Wohlwollen der sie unmittelbar litärische Einrichtung, sondern eine Funktionäre von VENRO inkonse- umgebenden Zivilbevölkerung zu ge- ressortübergreifende Koordinierungs- quent, weil sie genau wissen, dass winnen, damit von dieser Seite keine stelle. Der Leiter/in des PRT ist ein die deutschen „humanitären Groß- zusätzliche Gefahr für die eingesetz- (e) Beamter/in des Auswärtigen Am- organisationen auf dem Markt der ten deutschen Soldaten droht. Diese tes. Der Vertreter des Bundesministe- Barmherzigkeit“ ohne die jährlichen „Quick Impact-Projekte“ haben mit riums für wirtschaftliche Zusammen- ca. 500 Mio. Euro (AA, BMZ, EU) Entwicklungshilfe nichts zu tun. Die- arbeit und Entwicklung (BMZ) und die erheblich schrumpfen würden. Hier se wird ausschließlich durch das BMZ Mitarbeiter der GTZ koordinieren die liegt auch der wahre Grund für ihre initiiert und koordiniert. Entwicklungszusammenarbeit nach Polemik gegenüber der Bundeswehr. den Grundsätzen der Entwicklungs- Sie fürchten einen neuen Konkurren- 5. VENRO wirft dem BMZ hilfe. (Offiziere erhalten bislang keine ten beim Kampf um dieselben Geld- und der GTZ mangelnde ausreichende Ausbildung in der pro- töpfe, nur sagen sie das nicht offen, Professionalität vor fessionellen Entwicklungszusammen- sondern versuchen es ideologisch zu „Die Entwicklungszusammenar- arbeit.) Die irreführenden Aussagen begründen. Hinzu kommt ein ver- beit muss sich konsequent nach dem

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 15 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Bedarf ausrichten; die bestehende zehntelangen Erfahrungen das Ent- richtet sich gegen die anscheinend Unterordnung unter militärische und wicklungsministerium zurückgreifen ideologisch motivierte Wortwahl des politische Prioritäten ist zu beenden.“ kann. Der GTZ mangelnde Professi- Positionspapiers, welches die Wirk- (Pos. Papier S. 8, Abs. 5) onalität vorzuwerfen grenzt an Über- lichkeit nicht darstellt. Mit dieser Aussage werfen die heblichkeit, zumal die von VENRO Sowohl das Auswärtige Amt als Verfasser des Papiers dem Bundes- vertretenen deutschen entwicklungs- auch das Bundesministerium für wirt- ministerium für wirtschaftliche Zu- politischen Nichtregierungsorganisa- schaftliche Zusammenarbeit und Ent- sammenarbeit und Entwicklung un- tionen nicht in der Lage sind, großflä- wicklung sollten sich mit den öffent- professionelle Entwicklungszusam- chig Entwicklungshilfe zu betreiben, lichen Äußerungen von VENRO in menarbeit vor, ohne dafür Beweise sondern maximal örtliche Missstände geeigneter Weise auseinandersetzen. zu liefern. Das sollte vom BMZ nicht abzustellen. Eine Äußerung der betroffenen Stel- unbeantwortet bleiben. Gleichzeitig len wird zu gegebener Zeit veröffent- richtet sich die Kritik gegen die welt- Abschließende Bemerkungen licht werden. weit anerkannte „Deutsche Gesell- Der vorliegende Beitrag richtet Ob den betroffenen Organisati- schaft für Technische Zusammenar- sich nicht gegen die überwiegend onen durch diese Äußerungen des beit“ (GTZ) mit ihren über 10.000 hervorragende Arbeit der deutschen VENRO- Positionspapiers 7/2009 deutschen und ausländischen wissen- Hilfsorganisationen zum Wohle der Schaden entsteht, müssen die Orga- schaftlichen Mitarbeitern. Die GTZ ist betroffenen Menschen, die der Autor nisationen selbst entscheiden. Unbe- die professionelle Durchführungsor- in zahlreichen Artikeln als vorbild- antwortet sollten die Vorwürfe aller- ganisation des BMZ, auf deren jahr- lich herausgestellt hat. Der Beitrag dings nicht bleiben. ❏

Sachausschuss Sicherheit und Frieden Entwicklungen bei der Weiterverbreitung von nuklearer (Waffen-)Technologien

(12.gekürzte Fortschreibung – Zeitraum November 09 bis Februar 10)

VON WERNER BÖS

ie Redaktion wird auch weiterhin über das Monitoring der Proliferationsproblematik des Sachausschus- ses „Sicherheit und Frieden“ berichten. Wie gewohnt, verzichten wir auf die detaillierte Wiedergabe der Dchronologischen Ereignisse und werden uns auf die Bewertungen des Autors stützen. An der chronologi- schen Entwicklung interessierte Leser könne diese bei der Redaktion AUFTRAG per e-mail abrufen (redaktion- [email protected]). Zu den Wahlen im Iran, zur Problematik der atomaren Abrüstung und zum neu- en Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Yukiya Amano kann eine gesonderte Bewertung von Werner Bös bei der Redaktion angefordert werden.

Iran: Grundlage gegenseitigen Respekts das Uran nicht auszuführen und erst ie Erfolgschancen der Annähe- und ohne Bedingungen.“ El Baradei gegen fertige Brennelemente im In- Drungspolitik von US-Präsident forderte Iran auf, den von ihm vorge- land zu tauschen, wurde kritisiert, Obama im Atomstreit mit Iran schwin- legten Kompromiss zu akzeptieren, weil keine Sicherheit gewonnen wer- den. Der scheidende Direktor der In- dem zufolge Iran einen Großteil sei- den konnte. Er wurde nicht als letztes ternationalen Atomenergiebehörde nes niedrig angereicherten Urans ins Wort des Iran gewertet. Die interna- IAEA, Mohamed El Baradei appel- Ausland bringen soll, um dafür Brenn- tionale Verhandlungsgruppe verein- lierte im November 2009 eindringlich elemente für einen Forschungsreaktor barte im Dezember bei einem Treffen, an Teheran doch noch einzulenken. in Teheran zu erhalten. „Wir haben die Lageentwicklung abschließend Er wandte sich ungewöhnlich direkt die erste Gelegenheit seit langem, zu bewerten und über weitere Schrit- an die iranische Führung: „Sie müs- von Konfrontation zu Kooperation zu te zu beraten und setzte Iran damit sen sich in kreative Diplomatie ein- kommen“ sagte der IAEA-Chef, der eine letzte Frist. Nach internationalem bringen. Sie müssen verstehen, dass Ende November nach 12 Jahren aus Druck schien sich der iranische Prä- Sie zum ersten Mal eine echte Ver- dem Amt schied. sident kompromissbereit zu zeigen, pflichtung eines amerikanischen Prä- Schon damals wurden die Chan- als er zu Beginn Februar allgemein sidenten haben, sich vollständig auf cen für ein Abkommen gering einge- erklärte, sein Land sei bereit, einen Verhandlungen einzulassen auf der schätzt. Der Gegenvorschlag des Iran, Vertrag zum Uranaustausch mit den

16 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK

Nuklearmächten abzuschließen. Irans Aber die Atompolitik ist für die der Iran um die Lieferung von Uran Außenminister Mottaki präzisierte auf Herrscher in Teheran nicht allein ein aus Kasachstan bemüht. Demnach der 46. Münchner Sicherheitskonfe- Mittel ihrer Außenpolitik. Es ist eines soll der Abschluss einer Vereinbarung renz die Einlassung seines Präsiden- der höchsten Ziele des Programms, über die Einfuhr von 1350 Tonnen ten insoweit, als der Iran hinsichtlich die Bevölkerung auf die islamistische „gereinigten Urans“ unmittelbar be- des Uranaustausches stets selber ent- Staatsführung einzuschwören. Und je vorstehen. Gemeint ist der sogenann- scheiden will, z.B. zu welchem Zeit- stärker der Druck von außen auf Iran te „Yellowcake“, ein pulverförmiges punkt, welche Menge, an welchen Ort wird, desto leichter wird es, die Op- Produkt, das schon am Abbauort aus etc. Damit degradierte er das ganze positionellen als Landesverräter und natürlichem Uranerz gewonnen wird. scheinbare Entgegenkommen zu ei- Agenten des Westens abzustempeln. Weil die Lieferung von Uran wegen nem neuerlichen Scheinangebot, um Die Atombombe soll die herrschenden der vom UN-Sicherheitsrat gegen Iran drohende Sanktionen zu vermeiden Eliten an der Macht halten. verhängten Sanktionen illegal wäre, oder zumindest zu verzögern. Innenpolitisch herrscht – für den soll ein überhöhter Preis von 450 Mil- Falls der Westen noch über den Westen fatalerweise – im Atomstreit lionen Dollar angeboten worden sein. Kurs Irans im Atomstreit gerätselt ha- kein ernsthafter Druck, Kompromis- Dass Iran versucht, Uran für sein Nu- ben sollte, dann hat Mahmud Ahma- se einzugehen. Der Westen schaut zu- klearprogramm zu importieren, wird dinedschad mit seinen Erklärungen nehmend genervt, zu, weil ihm ande- schon seit einiger Zeit vermutet. Der Hilfestellung gegeben: Anfang De- res zurzeit nicht möglich ist. So kön- Abbau von Erzvorkommen an zwei Or- zember 2009 zehn neue Urananrei- nen sich Ahmadinedschad und seine ten im eigenen Land reicht dafür nicht cherungsanlagen bauen zu wollen Hardliner als Verteidiger der Ehre aus, und der Vorrat an Yellowcake, der und Anfang Februar 2010 Uran auf und der nukleartechnischen Errun- schon in den siebziger Jahren, noch 20 % im Iran anzureichern sowie bei genschaften profilieren. Besonders während der Herrschaft des Schah in den Feierlichkeiten zum 31. Revolu- verführerisch dürfte für den Präsi- Südafrika gekauft wurde, soll weitge- tionstag am 11.02.2010, als er Iran denten die Chance sein, die seit der hend zu Uranhexafluorid (UF6)verar- einen „Atomstaat“ nannte. In Tehe- umstrittenen Wahl aufgebrochene in- beitet worden sein. Zur Anreicherung ran verglich der Präsident die Geg- nenpolitische Kluft zu überbrücken: von Uran wird das gasförmige UF6 in ner mit lästigen Mücken, prahlte mit Das Atomprogramm erfüllt selbst sei- Kaskaden mit einer Vielzahl von Zent- den Errungenschaften seines Landes ne Gegner mit Stolz. An dieser Stel- rifugen eingespeist. Der iranische Vor- und machte deutlich, dass Iran dem le kann der Westen den Hebel von rat an UF6 beläuft sich angeblich auf Westen nicht traut. Dies könnte er- Druck und Drohung bestimmt nicht mehr als 300 Tonnen – was für eine klären, warum das Mullah-Regime ansetzen. Ahmadinedschad sagt, die größere Anzahl von Nuklearwaffen auf alle Vermittlungsvorschläge so Feinde hätten ihre Möglichkeiten aus- ausreichen würde. Aufgrund des „Sa- widersprüchlich reagierte und warum geschöpft, doch die iranische Nation feguards Agreement“ mit der IAEA Teheran es mit einer Einigung, wenn stehe kraftvoll da. Nein, Iran glaubt wäre Iran verpflichtet, der Wiener überhaupt, nicht eilig hat und sogar nicht an Verhandlungen. Behörde den Import von uranhalti- mit einer Eiszeit droht. Teheran zeigt sich unbeeindruckt gem Material zu melden. Die drei von Die Verhandlungsstrategie ist ein von der Drohung mit neuen Sanktio- UN-Sicherheitsrat beschlossenen Re- Musterbeispiel an Zeitlupen-Diplo- nen wie einem Lieferembargo für Öl- solutionen, in denen das Regime im matie. Seit Wiederaufnahme der um- produkte. Bereits jetzt muss der Erd- Iran aufgefordert wurde, alle mit der strittenen Urananreicherung vor drei ölproduzent Iran 40 % seines Benzin- Anreicherung von Uran verbunde- Jahren warf Ahmadinedschad der bedarfs und anderer Ölprodukte im- nen Aktivitäten einzustellen, verbie- Staatengemeinschaft immer wieder portieren. Iran und seine Bevölkerung ten anderen Ländern den Export von Brosamen hin, wenn es ungemütlich sitzen seit Jahren Strafmaßnahmen Materialien, die bei der Anreicherung wurde, und wendete so den großen aus. Vorerst scheint Teheran auf die Verwendung finden könnten. Krach gerade noch ab. Je häufiger die Bedeutung der Vorgespräche zu set- Die kasachische Regierung er- Weltöffentlichkeit bei diesem Katz- zen, die neue Kommunikationskanäle klärt, das Land beachte alle Vorschrif- und Mausspiel ausgetrickst wurde, zu den USA eröffnet haben und wei- ten der IAEA; „deshalb kann von desto mehr verbreitete sich die Über- gert sich unverändert, die Atomfrage einem Uranverkauf außerhalb des zeugung, dass die Atombombe das ei- wieder in der Sechserrunde zu behan- IAEA-Regimes keine Rede sein“. Ka- gentliche Ziel der Iraner sei. Nur eine deln. Teherans Theokraten sitzen am sachstan gehört nach Kanada und echte und offene Zusammenarbeit mit längeren Hebel: Die amerikanischen Australien zu den drei größten Uran- der IAEA könnte das Land von dem Annäherungsversuche, einschließlich produzenten der Welt. Verdacht reinwaschen, dass es an der eines redlichen Kompromissangebots Iran provoziert. Der Westen re- Entwicklung eben dieser Bombe ar- der Urananreicherung im Ausland, agiert. Mit starken Worten. Was bleibt beitet. Auch wenn man die Weigerung haben keine Wirkung gezeigt. Im Ge- ihm übrig? Nach Jahren des Taktie- einer großen und stolzen Nation zur genteil – das Regime kündigte den rens und Täuschens, nach einer lan- Annahme eines empfundenen Dik- energischen weiteren Ausbau seiner gen Zeit der auch vom Westen ver- tats verstehen kann, es gilt nicht, ein Atomanlagen an. passten Chancen, droht der Konflikt Diktat anzunehmen, sondern ein Ko- In dieses Bild passt die Nachricht auf eine Entscheidung zuzutreiben. operationsangebot. vom Sitz der IAEA in Wien, dass sich Die US-Außenministerin beharrt, sie

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 17 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK denke nicht daran, die militärische konservativen Präsidenten Ahmadi- der vergangenen Monate hingerichtet Option vom Tisch zunehmen. Der is- nedschad und den Geistlichen Füh- worden. Neun weitere Demonstranten raelische Premier Benjamin Netan- rer Chamenei zu protestieren. Erneut wurden zum Tode verurteilt. Der Vor- jahu will seine Kampfjets noch nicht bot das Regime umfangreich Sicher- sitzende des Wächterrates, Ayatollah zu einem gezielten Bombardement der heitskräfte und zahlreiche Polizisten Ahmad Dschannati, verteidigte die iranischen Nuklearanlagen losschi- auf, angeblich um Zusammenstöße Hinrichtungen: „Wir dürfen mit den cken, aber die Pläne liegen fertig in zwischen Anhängern der Opposition Feinden Gottes nicht nachsichtig sein, den Schubladen der Militärs. Netan- und des Präsidenten zu verhindern. sonst steht uns eine schreckliche Zu- jahu wird eine iranische Atomwaffe Zum ersten Mal seit Beginn der kunft bevor“. nie akzeptieren. Diesmal würden sich Proteste hatten sich die Demonstran- Die Intelligenz, die Künstler so- die Juden „nicht als Opferlämmer zur ten massiv gegen die Prügelorgien der wie die Jugend und damit die Zukunft Schlachtbank führen lassen“. Milizen gewehrt. Die Demonstranten hat Chamenei verloren. Die Basaris, Die Bewertung des iranischen steckten Autos und Motorräder der die Geschäftsleute in den Städten, Verhaltens gab den Ausschlag dafür, Sicherheitskräfte an. Sie entwanden werden unruhig. Wegen der Proteste dass Strafverschärfungen als unum- den Sicherheitskräften Waffen und verkaufen sie nichts mehr. Die Auftei- gänglich erachtet werden. Im Februar Schutzwesten. Diese Entwicklung lung der staatlichen Ressourcen und startete der UN-Sicherheitsrat unter lässt die Hoffnung auf eine sanfte der zur Privatisierung anstehenden französischem Vorsitz eine Initiative, Revolution endgültig gegen Null sin- Firmen unter die Revolutionswächter die eine vierte Sanktionsrunde ge- ken, zumal die Reaktionen der Mäch- und andere Stützen der Regierung löst gen Teheran zum Ziel hat. Wenn die tigen immer panischer wirken. So, als ihren weiteren Ärger aus. Ebenso die Vereinten Nationen zu keinem ab- die iranische Staatsmacht nach den Tatsache, dass die Macht im Staat zu- gestimmten Verhalten kommen soll- Demonstrationen des Aschura-Festes nehmend in die Hände militärischer ten, will Deutschland unter „willigen zurück schlägt, indem sie ihre Anhän- und paramilitärischer Einheiten über- Partnern“ Verbündete für Sanktionen ger mobilisiert und Zehntausende re- geht. Das Umschwenken der Basaris suchen und dürfte bei den westlichen gierungstreuer Iraner in Teheran und aber hat vor 30 Jahren endgültig den Mächten ein offenes Ohr finden. anderen Städten zu Massenkundge- Sturz des Schah besiegelt. Die Oppo- Schlagstöcke, Tränengas und bungen auf die Straße bringt. Diese sition ist heute damit so vielschichtig Schauprozesse, Wahlfälschung, voll- beschuldigten die Führer der Oppo- wie jene, die mit Chomeini gegen den streckte Todesstrafen und Schnüf- sition, Unruhen in der Islamischen Schah auf die Straße gegangen war. felaktionen im Internet. Das ist das Republik zu schüren und machten Nach wie vor wollen Hardliner in Handwerkszeug des Regimes in Te- sie für das Blutvergießen der ver- der Justiz und im Parlament Mussawi heran. Oppositionsführer Mir Hos- gangenen Tage verantwortlich und verhaften lassen. Da sich die Opposi- sein Mussawi hat Recht mit seiner forderten ihre Bestrafung mit dem tionsbewegung inzwischen aber ver- Forderung nach sofortiger Aufgabe Tod. In Sprechchören bekundeten sie selbständigt hat und nicht mehr nur der Politik der Einschüchterung An- ihre Unterstützung für den Obersten einem Führer folgt, würde sich für das dersdenkender. Führer Ayatollah Ali Chamenei und Regime hinsichtlich der Proteste ver- Doch was tun? Vor dieser Fra- trugen Bilder von ihm. Diese Kund- mutlich nichts Wesentliches ändern, ge stand die iranische Opposition. gebungen wurden vom Staatsfernse- es würde der Opposition aber einen Ihre Anhänger waren wieder mehr- hen umfangreich direkt übertragen. Märtyrer liefern und die Proteste nur fach massiv auf die Straße gegangen, Die Botschaft der Herrschenden an weiter anfeuern. So erklärte Mussawi nachdem sie von Knüppelgarden am das Volk war: Wir sind die überwälti- auf Todesforderungen aus den Reihen 04.11.09 bei einer Demonstration zum gende Mehrheit und haben alles un- der Herrschenden zum Jahreswech- 30. Jahrestag der Besetzung der US- ter Kontrolle! Der Druck auf die Op- sel, er sei „zum Märtyrertum“ bereit. Botschaft und am 07.12.09, dem „Tag position wird durch Terrordrohungen Es werde aber auch dann nicht ge- der Studenten“, verprügelt worden und Schüren von Angst erhöht. In der lingen, die Opposition „mit Verhaf- waren. Seither sind die Universitä- Kraftprobe zwischen der iranischen tungen, Gewalt und Drohungen“ zum ten nicht mehr zur Ruhe gekommen. Opposition und dem Regierungslager Schweigen zu bringen. Ein weiterer Funke wurde der Tod von werden die Demonstranten als „Mo- Im Herbst 2009 hatten die De- Großayatollah Montazeri, der als rang- hareb“ (Feinde Gottes) bezeichnet: monstranten noch angstvoll von einem höchster Geistlicher dem iranischen Kritik am und Widerstand gegenüber Termin, zu dem sie auf die Straße ge- Revolutionsführer Chamenei die Stirn dem geistlichen Oberhaupt ist im Iran hen konnten, zum nächsten geblickt. geboten und die Wiederwahl Ahmadi- ein Tabu – sich Chamenei zu widerset- Das war im Auftaktjahr vor der Re- nedschads als gefälscht abgelehnt hat. zen wird damit gleichgesetzt, sich Gott volution nicht anders gewesen. Auch Bei der Beerdigung Groß-Ayatollah zu widersetzen. Das ist ein Straftatbe- da lagen zwischen einzelnen Kund- Montazeri, vor sowie zum Aschura- stand, auf dem die Todesstrafe steht. gebungen der Opposition Monate, bis Fest nach Weihnachten 2009 formiert Ende Januar wurde die Hinrich- sich der Rhythmus beschleunigte. Die die Opposition sich wieder. Zehntau- tung zweier iranischer Oppositioneller Proteste orientierten sich zwar weiter sende nutzten die Trauerfeier in der von der internationalen Gemeinschaft an festen Terminen. Die nächsten Ter- heiligen Stadt und den Aschura-Tag scharf verurteilt. Die beiden Dissiden- mine wären dann logischerweise der im ganzen Land, um gegen den erz- ten waren nach den Massenprotesten vierzigste Tag nach Montazeris Tod

18 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK und der Beginn der Revolutionsfeier- in Sicht wäre, der eine friedliche Lö- ckung gegen neue Demonstrationen lichkeiten am 1. Februar 2010 gewe- sung herbeiführen könnte. verstanden. sen, die aber ungenutzt blieben. Die Die Häupter der Opposition sind Der Tod von Groß-Ayatollah Mon- neue Unerschrockenheit der Oppo- noch voll aktiv. Doch sie verfügen tazeri vor Weihnachten 2009 kam zur sition und die Unversöhnlichkeit der über keine effektive Organisation im Unzeit. Mit Montazeri verlor die ira- letzten Proteste legen den Schluss Untergrund, mit der sich der Wunsch nische Reformbewegung ihren geist- nahe, dass die Demonstranten immer nach Veränderung anders gestalten lichen Führer, der seine Autorität weniger auf äußere Anlässe angewie- ließe als in gelegentlichen Ausbrü- nicht zuletzt daraus bezog, dass er sen sind. chen der Unzufriedenheit. Sowohl als Theologe weitaus höheres An- Die Demonstranten des Aschura- eine geschlossene Strategie als auch sehen genoss als Revolutionsführer Festes verstanden sich, auch wenn sie Taktik fehlen den Oppositionellen in Ali Chamenei. Sein Tod ist auch ein nicht religiös sind, als in der Tradi- Teheran. Das ist ihre Schwäche, denn Schlag für den Klerus, der im politi- tion Husseins stehend, der sein Le- zu größerem koordinierten Vorge- schen Leben der Islamischen Repu- ben in der Hoffnung für eine gerech- hen haben sie wegen der Repression blik immer weiter an Einfluss ver- te Gesellschaft gelassen hatte. So die nicht die Möglichkeit. Gleichzeitig ist liert, einerseits durch die weltlichen traditionelle Lesart der Schiiten. An gerade dies ihre Stärke. Denn eine Machteliten und andererseits durch diesem Tag betrauern die Schiiten effiziente Geheimpolizei mit einem eine immer radikalere Abwendung im Iran den Märtyrertod ihres drit- weitgespannten Agentennetz wie die vieler junger Iraner vom religiösen ten Imams Hussein im Jahr 680 in iranische kann zwar konspirative Zir- System. Und er schwächt die Refor- der Schlacht von Kerbela gegen die kel zerschlagen, nicht aber eine un- mer, die ohnehin unter Druck stehen Sunniten. Der Sohn Alis und Enkel strukturierte Massenbewegung, die durch die Repressalien der Regierung Mohammeds führte eine Reformbe- nur durch die Gesinnung von Milli- Ahmadinedschad. wegung an und wurde von der Armee onen besteht. Chomeini hatte Montazeri einst des Omayyaden-Kalifen Yazid getötet, Der ehemalige Reform-Präsident als „Frucht meines Lebens“ bezeich- weil er eine gerechte Gesellschaft mit Mohammed Chatami warnt davor, net. Während der iranischen Revoluti- gleichen Chancen für alle schaffen dass die Brutalisierung des Regimes on 1979 und in den ersten Jahren der wollte, gegen das Machtmonopol einer zu einer unkontrollierbaren Radika- Islamischen Republik war Großaya- kleinen Gruppe. Den Demonstranten lisierung der Gegenbewegung füh- tollah Hussein-Ali Montazeri einer hielt das Regime entgegen, dass seit ren werde. Ex-Präsident Haschemi der engsten Mitstreiter des Revoluti- der Ausrufung der Islamischen Repu- Rafsandschani, einer der stärksten onsführers. 1985 wurde der 1922 im blik 1979 das Gute bereits herrsche Gegner des amtierenden Staatschefs zentraliranischen Nadschafabad ge- und der Staat schon in der Nachfolge Mahmud Ahmadinedschad, hat seit borene Geistliche auch offiziell zum Husseins stehe. Mitte Juli 2009, als er sich die For- Nachfolger Chomeinis ernannt. Aber Das glauben immer weniger und derungen der Opposition teilweise als er kurz vor dessen Tod die Mas- die Einschüchterung der Staatsmacht zu eigen machte, demonstrativ nicht senhinrichtungen von Oppositionel- funktioniert nicht mehr. Demonst- mehr das große Freitagsgebet in der len offen kritisierte, fiel Montazeri ranten gehen offensiv gegen Sicher- Teheraner Universität angeführt. Als in Ungnade. An seiner Stelle wurde heitskräfte vor und skandieren Lo- Bedingung für eine neue Beteiligung Ali Chamenei, fast eine Generation sungen gegen Ahmadinedschad und daran fordert er die Freilassung der jünger und ein Geistlicher niedrigen den Geistlichen Führer Chamenei. politischen Gefangenen, Entschädi- Ranges, der neue und heutige Führer Die Konfrontation hat sich verhär- gungen für die während der Unruhen der Islamischen Republik. Montaze- tet, zu einem Dialog ist keine der Verletzten, Versöhnung mit den ho- ri entwickelte sich immer mehr zum beiden Seiten mehr bereit. Seit dem hen Klerikern, die vom Regime be- Kritiker des Regimes und wurde die Tod Montazeris sind Menschen auf leidigt worden seien, und Öffnung der geistliche Führungsfigur der Reform- die Straße gegangen, die zuvor zu Staatsmedien für andere Meinungen. bewegung. Übers Internet verbreitete Hause geblieben waren. Noch immer Nichts davon ist geschehen, im er seine Botschaften und Rechtsausle- stellt die Mittelschicht die Mehrheit Gegenteil. Die bereits bisher dra- gungen. Zuletzt im Sommer 2009, als der Demonstranten. Begonnen hatte konische Kontrolle des Internets ist er die umstrittenen Präsidentenwah- es mit der jungen Generation, ältere durch eine neugeschaffene Instanz len in einer Fatwa für unrechtmäßig Frauen und Männer schlossen sich ih- verstärkt worden. Das Internet und erklärte. Die Regierung von Präsident nen an. Drei Generationen demonst- die damit verbundenen Möglichkei- Mahmud Ahmadinedschad habe kei- rieren bereits. Zudem spitzt sich die ten zur freien Meinungsäußerung und ne Legitimität, schrieb Montazeri. wirtschaftliche Lage zu. Keiner in- Information werden für die iranische Der Großayatollah, der während vestiert mehr, und hält dieser Trend Führung mehr und mehr zur Bedro- und nach der Revolution durchaus ein an, werden sich zunehmend die Ar- hung. Gleichzeitig wird der Geheim- Hardliner gewesen war, entwickelte beitslosen aus der Unterschicht dem dienst der Revolutionswächter orga- sich zum Vordenker eines aufgeklär- Protest anschließen. Der dürfte dann nisatorisch ausgebaut. Die Bekannt- ten Islam, verurteilte die direkte Ein- immer weniger freundlich ausfallen. gabe von Todesurteilen oder anderer mischung des Klerus in die Politik Iran ist im Inneren in Gefahr ausein- hohen Strafen wird in der Öffent- und wollte ihm – der iranischen Tra- ander zu brechen, ohne dass jemand lichkeit in erster Linie als Abschre- dition entsprechend – nur noch eine

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 19 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK beratende und überwachende Funk- nach seiner Definition unschuldige tenschüsseln und Twitter nutzen, eine tion zubilligen. Er plädierte für die Menschen, weshalb der Islam den Maulkorb anzulegen. Meinungs- und Religionsfreiheit, ein- Besitz nuklearer Waffen untersagt. Man sollte sich hüten, das schnel- schließlich der Freiheit, die Religion Sanei vertritt die These, Frauen sei- le Ende des Mullahregimes mit seinen zu wechseln. Die Menschenrechte en im Islam völlig gleichberechtigt. Revolutionswächtern vorauszusagen. müssten Grundlage jeder Rechtsord- Entgegen der Praxis in der Islami- Es stützt sich noch immer auf das Mi- nung sein. Auch die iranische Frauen- schen Republik kann eine Frau sei- litär und auf die Polizei, doch Präsi- bewegung, die die rechtliche Gleich- ner Ansicht nach auch Richter oder dent Ahmadinedschad war noch nie so stellung der Frauen fordert, konnte Staatschef werden. Als Bester seines stark herausgefordert wie heute. Die sich auf die Rechtsauslegung Mont- Studienjahrgangs in Ghom wurde der Regierung steht unter Druck. Wenn azeris berufen. gebürtige Isfahaner bereits mit 25 Jah- sie zögert, den latenten Aufstand ge- Nach dessen Tod ist der Großa- ren Hodschat-ul-Islam, ein Rang, den waltsam niederzuschlagen, dann nicht yatollah Jussuf Sanei zum wichtigs- Größen wie Expräsident Rafsandscha- aus Zurückhaltung sondern aus Kal- ten Verbündeten der iranischen Op- ni nie erreichten. kül: Sie will sich ihrer Sache sicher position in der klerikalen Hierarchie Ahmadinedschad kommt die ge- sein und nicht noch mehr Märtyrer geworden. Dieser sagte einmal, die wisse Ratlosigkeit der Opposition schaffen. Doch die Gefahr besteht in Islamische Republik sei vom Islam nicht zugute. Im Parlament hat er der zunehmenden Militarisierung des so weit entfernt wie der Mond von der große Schwierigkeiten, denn konser- Regimes. Chamenei hat seine Macht Erde. Schon am Tage nach Montaze- vative Widersacher fordern eine Un- schließlich auf den Machtzuwachs ris Beisetzung rotteten sich tausend tersuchung über Milliarden, die aus der Revolutionsgarden und der Mi- regimetreue Bassidsch-Milizionäre seinem Budget verschwunden sind. lizen gegründet. Ist es schon zu spät, vor seinem Haus in Ghom zusam- Vielfach werden die Gehälter nicht um die Regierung und die Opposition men, verprügelten seine Mitarbei- gezahlt. Täglich steigen die Preise zu versöhnen? Dies erscheint tatsäch- ter und hängten Plakate des Geistli- und die Unzufriedenheit. lich immer schwieriger. Dazu müsste chen Führers Ali Chamenei auf. Der Die gravierendste Folge der Aus- das geistliche Oberhaupt große Zuge- 72-jährige Sanei hat bisher nicht das schaltung der Opposition ist eine ständnisse machen. Ist er dazu noch Prestige Montazeris, der zu den Mit- Spaltung der Gesellschaft. Jeder, der in der Lage? Oder ist er nicht schon begründern des Gottesstaates gehör- sich intellektuell oder materiell leis- selbst Geisel der Geheimdienste und te. In der Politik war Sanei nur einmal ten kann, wendet sich vom Regime der fundamentalistischen Milizen, die aktiv, als Chomeini seinen Schüler ab. In den Kollektivtaxis in Teheran er selbst geschaffen hat? zum Mitglied des Wächterrates, des wird vom „Umsturz“ phantasiert – ein Das iranische Regime hat längst geistlichen Verfassungsgerichtes, er- Wort, das noch vor Monaten niemand die wenigen Garantien fallen gelas- nannte. Acht Jahre später verließ er gebraucht hätte. Die Oppositionsbe- sen, die die Verfassung des Landes mit dieses Amt und war wieder wie vorher wegung wird ihre Arbeit fortsetzen den islamischen Geboten in Einklang Theologe in Ghom. Er gehört zur Elite und ist bereit, einen hohen Preis da- zu bringen versuchte. Und es hat da- der eineinhalb Dutzend Groß-Ayatol- für zu bezahlen. Weder das brutale mit den vergeblichen Anspruch bei- lahs der schiitischen Welt, die für ihre Eingreifen auf der Straße, noch gut seite geschoben, die Menschen über- Anhänger „Quelle der Nachahmung“ inszenierte Fernseh-Zeremonien kön- zeugen zu wollen. Die Büchsenspan- sind. Seine Entscheidungen (Fatwas) nen verschleiern, dass die Herrscher- ner der Theokratie terrorisieren und sind für viele Gläubige verbindlich. clique in einer tiefen Krise steckt und unterdrücken, sie versuchen verzwei- Gerade weil Sanei nicht politisch tä- kaum noch Vertrauen bei der Bevöl- felte Proteste im Keim zu ersticken. tig ist, hat seine Haltung ein morali- kerung genießt. Die Proteste reißen Sie haben Menschen erniedrigt – alles sches Gewicht, das dem Regime zum nicht ab, die die Herrschenden im- in der schlechten Tradition der Poli- Ärgernis wird. Zur Wiederwahl Präsi- mer wieder mit harter Hand nieder- zeistaaten. Die geistliche und weltli- dent Ahmadinedschads betonte Sanei, schlagen. che Führung Irans geht in ihrem Akt dieser sei nicht legitimer Staatschef Die Unruhen werden sich, so sieht der Machterhaltung noch weit bruta- und es sei unrechtmäßig, mit seiner es aus, nicht legen, auch wenn die Be- ler vor als das von der Revolution im Regierung zusammenzuarbeiten. Als hörden ihre Machtmittel bis zum Äu- Jahr 1979 gestürzte Schah-Regime. Protestierende verhaftet und miss- ßersten einsetzen. Vielleicht können Das Regime treibt die Re-Ideo- handelt wurden, sagte der Ayatollah, Polizei und Revolutionsgarden sie auf logisierung der Gesellschaft mit Hil- Geständnisse im Gefängnis seien un- kurze Sicht eindämmen. Das löst aber fe der Bassidschi-Milizen voran. Die gültig und wer sich ihrer bediene, be- nicht das Grundproblem: Die Gesell- Milizangehörigen sind sich ihrer Be- gehe eine schwere Sünde. „Mit Terror, schaft ist jung und modern, sie hat deutung bewusst, stellen sie doch die Töten, Folter und Einkerkerung lässt die Nase gestrichen voll vom dump- Speerspitze dar einer Kampagne ge- sich die Lage im Land nicht ändern“, fen Gestern. Die iranische Diktatur gen das, was als schädlicher Einfluss warnte er nach Montazeris Beisetzung. hat es auch mit Drohungen und Ge- des Westens gesehen wird. Der von Alles Radikale widerstrebt dem waltanwendung nicht geschafft, einer Ayatollah Ali Chamenei geforderte Ayatollah. Selbstmordanschläge ver- komplexen und wachsenden Gesell- „sanfte Kampf“ des Regimes beginnt urteilt er als Terrorismus, den der schaft von 71 Millionen Menschen, jetzt schon bei den Schulanfängern. Glaube verbiete. Atomwaffen töten die Internet, Mobiltelefone, Satelli- Um zukünftige Protestbewegungen

20 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK wie die Grüne Bewegung zu verhin- tismus entziehen. Und so ist es auch die Beendigung des feindlichen Ver- dern, will man die islamische Bewe- eines der höchsten Ziele des Atom- hältnisses zu den USA sei entschei- gung von ganz unten stärken. Dazu programms, die in die Unzufrieden- dend für Frieden und Stabilität auf soll es auch an jeder Grundschule heit abdriftende Nation auf die ge- der koreanischen Halbinsel und im ein Bassidschi-Büro geben – nach genwärtige islamische Staatsführung übrigen Asien; Nordkorea wünsche dem Vorbild von Mittelschulen und einzuschwören. Und je mehr der äu- bessere Beziehungen zu Amerika. Universitäten. Dort sollen sich Schü- ßere Druck auf das Land wächst, desto Pjöngjang sei weiter bereit, „auf der ler treffen, die sich für die Bassidschi leichter wird es, die Oppositionellen koreanischen Halbinsel ein dauer- interessieren. Auch Freizeitprogram- als Landesverräter und als Agenten haftes Friedenssystem“ zu etablieren me werden genutzt, um Schüler in die des Westens abzustempeln. Die Atom- und sie „mit Dialog und Verhandlun- richtige Richtung zu lenken. Zudem frage könnte so die islamische Elite gen atomwaffenfrei zu machen“. Mit soll jede Schule einen Mullah für die an der Macht halten. dieser Botschaft gibt Nordkorea mal religiös-ideologische Erziehung be- wieder Hoffnungen auf eine Wieder- kommen. Nordkorea aufnahme der Sechser-Gespräche zur Die Bassidschi-Milizen wurden er Zwischenfall (Seegefecht An- Beendigung des Atomprogramms Auf- von Revolutionsführer Ayatollah Kho- Dfang November 2009 im Gelben trieb. Dann könnte auch das projek- meini vor 31 Jahren ins Leben geru- Meer zwischen Schiffen der nord- und tierte Verbindungsbüro der USA in fen. Bei den Demonstrationen z.B. in südkoreanischen Marine) kam umso Nordkorea eingerichtet werden und Teheran lösen ihre blutigen Gewaltex- überraschender, als sich die Spannun- den Dialog stärken. zesse Empörung und Entsetzen aus. gen zwischen beiden Ländern davor Das kommunistische Nordkorea Das veranlasste den regimekritischen ein wenig entschärft hatten. Nordko- hat Anfang Dezember 2009 überra- Großayatollah Ali Montazeri in der rea hatte sich seit August etwas auf schend eine Währungsreform einge- geistlichen Hochburg Ghom damals das Nachbarland zubewegt. Auch den leitet. Angesichts der Inflation ver- im November 2009 erneut zu einem USA gegenüber zeigte sich das Re- folgte sie das Ziel, das Geld aufzuwer- scharfen Statement, wonach Gewalt gime in Pjöngjang vor dem Zwischen- ten und für dessen störungsfreie Zir- gegen friedliche Demonstranten „eine fall wieder mit Blick auf den Streit um kulation zu sorgen. Außerdem dien- schwere Sünde gegen des Islam und sein Atomwaffenprogramm für bilate- te die Umstellung auch dazu, den die Gesetze der Scharia“ sei. Auch rale Gespräche bereit, wenn es auch aus der Not geborenen kleinteiligen in ihrem privaten Umfeld spüren die weiterhin die Sechser-Runde ablehn- Schwarzmarkthandel vieler Nordkore- Bassidschi, dass ihr Ansehen stark te. Das Gefecht könnte von Nordko- aner im Land zu unterdrücken. Zwei gelitten hat. Trotz des Imageproblems rea provoziert worden sein und der Stellen des Won wurden gestrichen, sollen die Bassidschi keine Nach- Zeitpunkt dafür bewusst gewählt, da so dass es für 1000 alte Won jetzt ei- wuchssorgen haben. In Zeiten hoher doch Präsident Obama in den Tagen nen neuen Schein über 10 Won gibt. Arbeitslosigkeit und schwieriger Auf- danach nach Seoul reiste und somit Im nordkoreanischen Alltag ist nahmeprüfungen für die Universitäten seine volle Aufmerksamkeit gewon- nach der Währungsreform die Ver- könnten für manche Iraner nicht ideo- nen werden konnte. Die neuerlichen wendung ausländischer Währungen logische Gründe sondern ganz prakti- Spannungen führten den Menschen wie Dollar, Euro und dem chinesi- sche Vorteile Anlass sein, den Milzen in der Region das latent bestehende schen Yuan verboten. Ausländische beizutreten. Auch wer Beamter wer- Eskalationsrisiko in Korea drastisch Währungen waren bisher in einigen den will hat es leichter. Das gilt erst vor Augen. nordkoreanischen Geschäften und recht für politische Top-Positionen. Im Jahr 2009, noch wenige Mo- Restaurants akzeptiert worden. Mit Offenbar um die Milizen besser nate vor dem Jahreswechsel hatte diesem Erlass wird allen Personen kontrollieren zu können, hat man die Nordkorea mit neuen Atom- und Ra- und Organisationen mit Ausnahme Truppen noch fester an die Revoluti- ketentests sowie dem Wiederaufbau von Banken verboten, ausländische onswächter (Pasdaran) gebunden. Bis des Atomreaktors in Yongbyon die Währungen zu besitzen. Zunächst war Juni 2009 lag ein loser Verbund vor; internationale Staatengemeinschaft unklar, wie sich die Märkte und der jetzt sind die Bassidschi Teil der Bo- herausgefordert und damit folgerich- private Handel in Zukunft entwickeln dentruppen der Pasdaran. tig Sanktionen der Internationalen würden. Würde man überhaupt noch Wenn es denn in der tief gespal- Gemeinschaft ausgelöst. Von den importierte Waren kaufen können? tenen iranischen Gesellschaft ein na- Gesprächen der Sechser-Gruppe aus Würde es einen Schwarzmarkt ge- tionales Einheitselement gibt, dann Nordkorea, Südkorea, China, Japan, ben? Die Nordkoreaner sind findig hat sie sich bedauerlicherweise in der Russland und den Vereinigten Staa- und clever, sie werden sicher eine Nuklearfrage herauskristallisiert. Für ten zog Pjöngjang sich zurück und Lösung finden, so wurde erwartet. das Atomprogramm (nicht unbedingt begründete die Entwicklung eige- Bislang durfte jeder Koreaner Dollar für die Atombombe) treten selbst die ner Atomwaffen mit dem Willen, die oder Euro besitzen. Wer Verwandte Intellektuellen ein, die dem Westen USA von einem Krieg gegen Nordko- oder Bekannte im Ausland hatte – am freundlichsten gesinnt sind und rea abschrecken zu wollen. In einer viele Nordkoreaner leben in China – den Knüppel-Mullahs am kritischs- von den amtlichen Medien verbrei- ließ sich Waren schicken. Dann gab ten gegenüberstehen. Nicht einmal teten Neujahrsbotschaft 2010 hieß es Tupperparties in den Wohnungen sie können sich dem Sog des Patrio- es dann doch recht überraschend, von Pjöngjang. Man verkaufte für ei-

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 21 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK nen Dollar Nylonstrümpfe, die man in weil Präsident Barack Obama die von zu verlieren. Hochrangige Delegatio- China für 50 Cent eingekauft hatte. Singh geforderten weit reichenden nen verhandeln mit staatlichen und Das durchschnittliche Monatsge- Liefergarantien nicht geben wollte. privaten indischen Energiekonzernen halt lag vor der Währungsreform vom Die USA wollten sich in diesem Fall über Kooperationsverträge. Doch erst Dezember 2009 bei etwa 5000 Won das Recht vorbehalten, bereits gelie- wenn das Zusatzabkommen zum Nuk- im Monat. Das entsprach umgerechnet fertes Uran und Nukleartechnologie learvertrag mit den USA besiegelt ist, einem Euro oder etwas mehr als 1,7 zurückfordern zu können. Russland dürfen sie in Indien Atomkraftwerke Dollar. Ein Kilo Tomaten kostete im verzichtete auf dieses Recht und geht bauen. Indien will seine Nuklearka- Winter bislang bis zu 5000 Won, ein sogar noch ein Stück weiter. Russ- pazität von zurzeit 4,1 Gigawatt auf ganzes Monatsgehalt. Trotzdem gibt land erlaubt Indien die Wiederaufbe- 60 Gigawatt im Jahr 2030 steigern es wenig offene Zeichen einer Hun- reitung ausgebrannter Brennstäbe in und dazu rund 100 Milliarden Dollar gersnot. Viele Menschen arbeiten ne- allen russischen Reaktoren sowie die investieren. benbei und verschaffen sich weitere Anreicherung des gelieferten Urans Aufsehen erregten um die Jahres- Einkommen. Um die Bevölkerung satt im Rahmen bestimmter Grenzen. wende Berichte der Internationalen zu bekommen, fehlen 600.000 Tonnen Für Indien ist die Liefersicherheit Atomenergiebehörde (IAEA) über ei- Getreide. Hinterhofgärten und sogar von großer Bedeutung, da es selbst nur nen Verkauf großer Mengen Uran von Häuserdächer werden als Anbauflä- über geringe Uranvorkommen verfügt. Kasachstan an Iran. „Frei erfunden“ chen für Gemüse zur Selbstversor- Medwedjews Zusicherungen sind po- dementierte der Iran die Vorwürfe. gung genutzt. litisch heikel, da die Atommacht Indi- Kasachstan erklärte, die Beschuldi- Die Folgen der Währungsreform en den Atomwaffensperrvertrag nicht gungen seien „haltlose Unterstellun- waren chaotisch; eine galoppierende unterzeichnet hat. Dass Indien nach gen, die das Ansehen unseres Landes Inflation wurde ausgelöst. Am 1.Ja- Jahrzehnten der Isolation seit dem beschädigen sollen“. Kasachstan hal- nuar 2010 kostete der US-DL noch Jahr 2009 trotzdem mit Uran und te sich streng an die internationalen 98 Won, am 4. Februar bereits 530 ziviler Nukleartechnologie beliefert Regeln zur Nichtweiterverbreitung Won. Die Lebensmittel-Preise sind werden darf, verdankt es den USA. von Atomwaffen. Man erwarte von drastisch gestiegen: statt 20 Won Ende George W. Bush hatte mit Singh 2005 der IAEA, dass sie ihre Behauptun- 2009 kostete Anfang Februar ein Kilo ein entsprechendes Abkommen aus- gen prüfe. Kurz vor Jahresende 2009 Reis 600 Won, der Preis hatte sich gehandelt und dafür auch grünes Licht hatte ein IAEA-Mitgliedsland Nach- verdreißigfacht. Die schlechte Versor- von den 45 Nuklearmaterial-Export- richtenagenturen einen Report zuge- gungslage hatte in mehreren Städten ländern bekommen. Doch US-Kraft- spielt, nach dem Teheran in Kasach- zu Unruhen geführt. Daraufhin wur- werkskonzerne wie General Electric stan 1.350 Tonnen gereinigtes Uran, den Handelsbeschränkungen wieder und Westinghouse können bisher von sogenannten Yellowcake, für 450 Mil- gelockert und als Konsequenz hat der dem Deal nicht profitieren. Es fehlt lionen Dollar kaufen will. Dies wäre Direktor für Finanzen bei der herr- nämlich noch ein Zusatzabkommen ein klarer Bruch der UN-Sanktionen, schenden kommunistischen Partei, zwischen Washington und Neu-De- die Iran zur Aufgabe seiner Anreiche- Pak Nam Gi, seinen Posten räumen lhi über Regeln für die Lieferung und rungspläne zwingen sollen. müssen. Pak war für die Umsetzung Wiederaufarbeitung amerikanischen Kasachstan setzt jedenfalls auf der Währungsunion zuständig gewe- Urans. Uran. Das staatliche Atomunterneh- sen. Umso ärgerlicher ist es für die men Kazatomprom erklärte, Kasach- Andere US-Konzerne, dass jetzt Russland in stan habe 2009 rund 13.900 Ton- Im Wettlauf um Milliardenaufträ- die Bresche springt. Das Auftragsvo- nen Uran gefördert, mehr als Kanada, ge aus Indiens zivilem Nuklearpro- lumen beziffert Rosatom auf „mehrere mehr als Australien. Kasachstan, so gramm hat sich Russland einen ent- Dutzend Milliarden Dollar“. Denkbar das Unternehmen, sei nun der größ- scheidenden Vorteil gegenüber den sei der Bau von zwölf Reaktoren. Der te Uran-Förderer der Welt. In der Tat USA verschafft. Moskau garantiert Vertrag sieht zunächst vier Reakto- besitzt das Land nach Angaben der Indien die fortdauernde Lieferung von ren vor, hält allerdings die Option für World Nuclear Organisation 15 Pro- Uran selbst für den Fall einer Been- weitere offen. Möglicherweise wird zent des globalen Uran-Vorkommens digung der atomaren Zusammenar- davon auch Siemens profitieren. Der und war zu Sowjetzeiten einer der beit der beiden Staaten. Im Gegenzug Münchner Elektrokonzern strebt ein Hauptlieferanten für Uran. Nach dem kauft Indien mindestens vier russi- Bündnis mit Rosatom zum weltweiten Zerfall der Sowjetunion hatte die neue sche Atomreaktoren und gewährt die Bau neuer Atomkraftwerke an. Zur- zentralasiatische Republik 1.410 nu- Option auf weitere Lieferungen. Das zeit allerdings stocken die Verhand- kleare Sprengköpfe geerbt, bekam ist der Kern eines Nuklearabkommens lungen von Siemens mit den Russen. aber viel Anerkennung, als sie alle vom Dezember 2009, das Indiens Mi- Weil sich Siemens früherer Partner militärischen Atomambitionen auf- nisterpräsident Monmohan Singh und Areva aus Frankreich querstellt, der gab und 1994 den letzten Sprengkopf Russlands Präsident Dmitrij Medwed- auch schon einen Milliardenvertrag zur Zerstörung an Russland übergab. jew in Moskau unterzeichneten. in der Tasche hat. Zugleich stieg die Uran-För- Nur zwei Wochen vorher war ein Die ins Hintertreffen geratenen derung auf das Zwanzigfache, von ähnlicher Pakt zwischen Indien und US-Konzerne verstärken derweil ihre 795 Tonnen im Jahr 1997 auf knapp den USA in letzter Minute gescheitert, Lobbyarbeit, um nicht den Anschluss 14.000 im vergangenen Jahr. In 2010,

22 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 SICHERHEIT UND FRIEDENSETHIK so verspricht Kazatomprom, will es Nasarbajew, erklärt, er habe Beweise bischen Emirate wird von derzeit rund 18.000 Tonnen fördern. Der Kampf für „Geheimverhandlungen“ zwischen 15.000 Megawatt pro Jahr bis 2020 auf um die knapper werdenden und be- Teheran und Astana. etwa 40.000 Megawatt steigen. Die grenzten Öl- und Gasreserven hat eine Zum Jahreswechsel 2009/10 läu- vier Atomkraftwerke sollen jeweils Renaissance der Atomkraft ausge- teten auch die Vereinigten Arabi- 1.400 Megawatt Strom erzeugen. Der löst. Weltweit werden Hunderte neu- schen Emirate die Atomkraft-Ära Bau der Meiler in den Emiraten gilt er Atomkraftwerke geplant, in China am Golf ein und vergaben einen Groß- als Startschuss für weitere Atompro- und Indien, Amerika und der Ukrai- auftrag für die ersten Atomkraftwerke jekte am Golf: Staaten wie Katar, Sau- ne, der Arabischen Welt. Inzwischen über rund 40 Milliarden Dollar nach di-Arabien oder Oman haben bereits ist der Preis für Uran stark gefallen. Korea. Damit handelt es sich um das durchblicken lassen, dass sie ähnli- Sollte es tatsächlich einen Deal zu zurzeit größte zivile Atomprojekt welt- che Pläne hegen. Die Errichtung von dem oben erwähnten Preis geben, weit und um die ersten Kernkraft- Nuklearkraftwerken in der an Öl- und dann hat Teheran Kasachstan dreimal werke überhaupt in der Golfregion. Gasreserven reichen Region ist dabei mehr als marktübliche Zahlung an- Ein Konsortium unter Führung des nur auf den ersten Blick widersinnig. geboten. „Der Preis ist so hoch, weil Staatskonzerns Kepco setzte sich im Bislang verfeuerten die Golfstaaten in der Verkauf geheim ist und der Iran Bieterverfahren gegen Konkurrenten ihren Kraftwerken Gas. Dieses wird sich verpflichtet hat, Geheimhaltung aus Frankreich, den USA und Japan aber als Handelsgut immer wertvol- über jene Stellen zu bewahren, die durch. Der Bau der vier Meiler soll ler, sodass die Stromerzeugung mit das Material liefern“, sagt der IAEA- 2012 beginnen und bis 2020 fertig Atomkraft wirtschaftlich Sinn macht. Bericht. Diese Stellen könnten kri- sein. Die Emirate sind zwar der dritt- Politisch ist die Lieferung atomarer minelle Beamte in der kasachischen größte Ölexporteur der Welt, wollen je- Technik in Spannungsgebiete wie die Regierung sein. doch ihren Elektrizitätsbedarf künftig Golfregion umstritten. Anders als der Im November 2009 hatte bereits auch mit Kernkraft decken. Vor allem Iran wollen die Emirate das für den Rachat Alijew, der Schwiegersohn Abu Dhabi treibt das Projekt voran. Betrieb der Atomanlagen benötigte und Erzfeind von Präsident Nursultan Der Strombedarf der Vereinigten Ara- Uran allerdings importieren. ❏

Kurznachrichten „Klare Beweise für die Bemühungen Papst Pius XII. “

kten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die bisher im Vatikanischen Geheimarchiv lagerten, werden Ademnächst, gebührenfrei abrufbar, ins Internet gestellt. Angaben der Stiftung „Pave the Way“ zufolge reagiert der Heilige Stuhl mit diesem Schritt auf eine Reihe von entsprechenden Anfragen, darunter auch von der Stiftung selbst. Der Präsident der Stiftung, der US-amerikanische jüdische Unternehmer Gary L. Krupp, sagte gegen- über ZENIT, dass die Akten zugleich auf der Internetseite von „Pave the Way“ wie auf der des Vatikan ein- gesehen werden könnten. Das Projekt sei Teil des Gesamtanliegens der Stiftung, die Hindernisse auf dem Weg zur Verständigung zwischen den Religionen beseitigen möchte, um die Zusammenarbeit zu fördern und den Missbrauch von Religion für persönliche Ziele zu beenden. Gary L. Krupp bedankte sich im Namen seiner Stiftung beim Kardinalstaatssekretär sowie beim vatika- nischen Verlagshaus Liberia Editrice Vaticana, für das der Einrichtung entgegen gebrachte Vertrauen. Die Digitalisierung von rund 9.000 Dokumentenseiten werde voraussichtlich noch mehrere Wochen dauern. So- bald diese Arbeit abgeschlossen sei, werde dies im Internet angekündigt. Der Stiftungspräsident hofft nun auf eine rege Auseinandersetzung, Kommentare, Anregungen und Kritik sowie Übersetzungen der Akten ins Englische, um einem noch breiteren Historikerkreis die Forschung zu ermöglichen und zu erleichtern. „Bei unserer Erforschung dokumentierter Beweise entdeckten wir, dass Pius XII. insgeheim mehr Ju- den als alle anderen religiösen und politischen Führer seiner Zeit zusammen rettete. Er tat dies unerkannt dort, wo niemand wusste, dass es Pius XII. war, der heimlich handelte um sie zu retten. Gemäß der jüdi- schen Tradition ist dies die höchste Form der Nächstenliebe“, sagte Krupp. Es sei Zeit, dass dieser Papst für seine lebensrettenden Bemühungen geachtet werde. „Ich glaube, Papst Pius XII. sollte als Gerechter unter den Völkern in Yad Vashem in Jerusalem anerkannt werden.“ (Jesús Colina und Michaela Koller / ZENIT)

AUFTRAGAUFTRAG277 277 • MÄRMÄRZÄ Z 2010 23 GESELLSCHAFT NAH UND FERN Hoffen und Bangen für Afghanistan Kirchliche Positionen und die Sehnsucht nach gerechtem Frieden

VON GERHARD ARNOLD1

er 4.September 2009 hat Deutschland tief aufgewühlt. Der deutsche Kommandeur in Kunduz, Oberst Klein, forderte einen nächtlichen Luftangriff auf zwei entführte Tanklastwagen und die beteiligten Taliban Dan. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundeswehr wurde in einem Auslandseinsatz durch einen pro- blematischen Befehl eines deutschen Offiziers eine größere Anzahl unbeteiligter afghanischer Landesbewohner getötet und etliche verletzt. Die genauen Zahlen werden wohl nie ermittelt werden können. Das war nicht die Bundeswehr, wie sie in den Vorstellungen sehr vieler Bürger/innen Gestalt angenommen hatte, eine sympathi- sche und im Grunde eine sehr friedliche international tätige Hilfstruppe in Uniform, Brunnenbauer in oliv. Nicht nur Parlament, Regierung und Öffentlichkeit, auch die christlichen Kirchen waren zu Reaktionen herausgefor- dert, allerdings mit Erschwernissen.

Afghanistan – ein Land che Haltung zu erläutern. Neben ihm ohne einheimische Christen sollte der neue evangelische Militärbi- ür die beiden großen Kirchen in schof Dr. Martin Dutzmann, im Haupt- FDeutschland, die Römisch-Katho- beruf Leiter der Lippischen Landes- lische und die Evangelische Kirche, kirche (Sitz in Detmold), neben seiner vertreten durch die EKD, sind weit- allgemeinen seelsorgerlichen Auf- gespannte internationale kirchliche gabe für die deutschen Soldatinnen Beziehungen selbstverständlich. Aber und Soldaten speziell für die Bundes- Afghanistan gehört zu den ganz weni- wehreinsätze im Ausland zuständig gen Ländern der Erde, in denen kei- sein und sie bei Bedarf auch durch ne einheimischen Christen leben. Die öffentliche Stellungnahmen beglei- deutschen Kirchen haben also keiner- ten. Diese Neuregelung soll auch der lei kirchliche Beziehungen dorthin Entlastung des Rats der EKD dienen. und können deshalb auch keine öku- menische Verantwortung für Chris- Afghanistan als große kirchliche ten in diesem Land wahrnehmen, als Herausforderung deren Sprachrohr oder Anwältin. Al- Im Folgenden soll zunächst die lerdings ist die große Hilfsorganisati- Position der evangelischen Kirche on Caritas International mit etlichen zu verschiedenen Aspekten des deut- Projekten im Land am Hindukusch Renke Brahms, Friedensbeauftragter schen Afghanistan-Engagements aktiv, mit deutschen und einheimi- beim Rat der Evangelischen Kirchen deutlich gemacht, dann die Gemein- schen Projektbetreuern in einem ei- Deutschlands (Quelle: Bremische samkeiten mit den katholischen Bi- genen Büro in der Hauptstadt Kabul. Evangelische Kirche) schöfen geschildert werden. Dadurch können über unabhängige Im August 2008 begannen die Ta- kirchliche Informationskanäle Lage- geordnet hat. Auch für Mitglieder liban in dem bis dahin noch als relativ berichte, Analysen und Projektbe- der katholischen Kirche, die in der ruhig geschilderten Norden des Lan- richte auch an die kirchliche Hierar- Ökumene und in Friedensfragen en- des, deutsche Konvois und Patrouil- chie nach Deutschland gelangen. Das gagiert sind, dürfte die Neuregelung len verschärft anzugreifen und ihnen Diakonische Werk der evangelischen von Interesse sein. Erstmals in ihrer erhebliche Verluste zuzufügen. Das Kirche betreibt derzeit nur zwei be- Geschichte wurde vom Rat der EKD, sorgte nicht nur für große Irritationen fristete Nothilfeprojekte. dem obersten kirchlichen Entschei- in der deutschen Öffentlichkeit, die dungsorgan, die Funktion eines eige- nicht glauben wollte, dass die Bun- Neue evangelische Zuständigkeiten nen Friedensbeauftragten geschaffen. deswehr sich inzwischen in einem seit Ende 2008 Der theologische Leiter der Bremi- Kampfeinsatz befindet. Nur wenige evangelische Christ/ schen Evangelischen Kirche, Renke Der evangelische Militärbischof innen dürften wissen, dass die Evan- Brahms , wurde mit dieser Tätigkeit Martin Dutzmann reiste Ende Mai gelische Kirche in Deutschland (EKD) beauftragt. Seine Aufgabe ist es u.a., 2009 erstmals nach Afghanistan, um ihre Zuständigkeiten für ihr Friedens- auf dem Boden der neuen Friedens- sich in Gesprächen an verschiedenen engagement seit Oktober 2008 neu denkschrift der EKD vom Oktober Stationierungsorten ein eigenes Bild 1 Gerhard Arnold ist evangelischer Theo- 2007 zu Friedensfragen bei Bedarf von der Lage der Soldatinnen und Sol- loge und friedensethischer Publizist Stellung zu nehmen und die kirchli- datinnen, ihren Aufgaben und Nöten,

24 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 GESELLSCHAFT NAH UND FERN zu machen. Als Seelsorger hat er sich immer unübersichtlich, dabei pas- Friedensbeauftragter über keine bes- von Anfang an mit den posttraumati- sierten auch Fehler. Das sei jedoch sere Informationslage als andere Ana- schen Belastungsstörungen (PTBS) keine Entschuldigung für ein Fehl- lysten und Sachverständige und kein der Afghanistan-Heimkehrer befasst. verhalten. Er sagte weiter, dass nach besseres Urteilsvermögen als andere Bereits in einer Presseerklärung der der Friedensdenkschrift der EKD der Fachleute. Die Frage, wie ziviler Auf- EKD vom 08./09. März des Jahres Einsatz „rechtserhaltender Gewalt“ bau verstärkt werden kann ohne mehr hat er von der deutschen Öffentlich- nur in ganz engen Grenzen möglich militärische Präsenz in der Fläche ist keit gefordert, dieses Problem mehr sei. „Dazu gehört unter anderem, dass gerade unter den deutschen Hilfsorga- zu diskutieren. Die Soldaten seien ja der Gewaltgebrauch an ein Gesamt- nisationen umstritten. Er fragt nicht, nicht auf eigenen Wunsch in Afgha- konzept gebunden ist.” An einem sol- ob das Erstarken der Taliban in den nistan. Deshalb könne man nicht von chen stimmigen und umsetzbaren Ge- letzten Jahren nicht auch eine Folge einem ‚normalen‘ Berufsrisiko spre- samtkonzept für den zivilen Aufbau im von viel zu wenig internationaler Mi- chen, wenn Bundeswehr-Angehörige Lande fehle es aber weiterhin. Einen litär- und Polizeipräsenz im Land ge- traumatisiert oder körperlich versehrt schnellen, überhasteten Abzug der wesen ist, ein Manko, auf das Gene- zurückkehrten. Bundeswehr lehnte er ab. räle schon seit Jahren hinweisen. Der In seinem Kurzbericht an die Rückzug vieler Hilfsorganisationen EKD-Synode vom September 2009 Der Friedensbeauftragte der EKD aus zivilen Projekten hängt durch- schreibt er ungeschminkt über seine Der Friedensbeauftragte der wegs mit der fehlenden Sicherheit Eindrücke: „Soldaten bemängelten, EKD, Renke Brahms, erläuterte in zusammen. Wer jetzt einen baldigen dass die politisch Verantwortlichen einem ausführlichen Beitrag im Rhei- Truppenabzug fordert, von einem so- die Ziele des Einsatzes nicht präzise nischen Merkur vom 17. September fortigen ganz zu schweigen, arbeitet genug bestimmt hätten und dass nicht 2009 seine grundsätzliche Positi- den Taliban in die Hände. zu erkennen sei, wann und wie der on zu Afghanistan. „Dieser Krieg ist militärische Einsatz beendet werden aussichtslos“ lautet der Titel; er gibt Die Stellungnahme der EKD könnte. Irritierend war ein Gespräch den Grundtenor des Aufsatzes wie- vom 25. Januar 2010 mit Vertretern ziviler Hilfsorganisa- der. Er zählt die vielen Misserfolge im Im Blick auf die bevorstehende tionen, die am Aufbau Afghanistans Land auf, das gescheiterte Bemühen internationale Afghanistan-Konferenz beteiligt sind. Nicht nur ich hatte den Frieden zu schaffen, die vielen zivi- in London am 28. Januar 2010, aber Eindruck, dass die Arbeit dieser zi- len Opfer der militärischen Einsätze auch zur Beendigung der Kontrover- vilen Kräfte viel zu wenig koordiniert und demzufolge den Ansehensver- se um die EKD-Ratsvorsitzende Bi- ist. Unsere Soldatinnen und Soldaten lust der ausländischen Truppen. Die schöfin Margot Käßmann hat die EKD riskieren in den Einsätzen, in die der Zentralregierung habe keine Stabili- drei Tage zuvor „ein evangelisches Deutsche Bundestag sie geschickt hat, tät im Land geschaffen. Die Bedro- Wort zu Krieg und Frieden in Afgha- ihre Partnerschaften, ihre körperliche hung der deutschen Soldaten habe zu- nistan“ veröffentlicht. Die Verfasser und seelische Gesundheit, ja ihr Le- genommen. Der Friedensbeauftragte wollen auf der Basis der EKD-Frie- ben.“ (S.2 des Berichtes) schreibt: „Die Strategie, Fortschritt densdenkschrift einige Gesichtspunk- Der Militärbischof resumiert im Land, Demokratie und Menschen- te in der aktuellen Afghanistan-Dis- dann: „In der öffentlichen Diskussion rechte durch Schutztruppen zu etab- kussion geltend machen. Die beiden über das militärische Engagement der lieren und dem Terrorismus den Nähr- Leitgedanken der Denkschrift werden Bundesrepublik Deutschland kommt boden zu entziehen, greift offensicht- zitiert: „Christinnen und Christen le- bisher die Rolle der zivilen Akteure lich nicht.“ Nach seiner Überzeugung ben aus Gottes Frieden und sollen für deutlich zu kurz. Eine militärische „müssen die Kriegsgegner als Partner gerechten Frieden sorgen.“ Die Erklä- Intervention hat aber nur dann Sinn, für Waffenstillstandsverhandlungen rung wendet sich an Bundestag und wenn sie mit zivilem Engagement ver- anerkannt und für Friedensgesprä- Bundesregierung mit der Bitte, sich bunden wird.“( Er beruft sich dabei che gewonnen werden. Das schließt für sieben aufgezählte Gesichtspunkte auf die Friedensdenkschrift der EKD Sicherheitsgarantien für alle Kon- auch international einzusetzen. von 2007, in der der Vorrang ziviler fliktparteien ein. In den Überlegungen Die Erklärung fordert unter Ziff. Konfliktlösung vor dem Gebrauch mi- kommt bisher die Rolle zivilgesell- 2: „Das politische Konzept für Af- litärischer Zwangsmittel unmissver- schaftlicher Akteure, auch der Reli- ghanistan hat neben der zivilen auch ständlich betont wird). gionsgemeinschaften, viel zu kurz. Es eine militärische Seite. Sie ist von Nach dem folgenreichen Luftan- wäre vornehmste Aufgabe der deut- vornherein unter dem Gesichtspunkt griff auf zwei von den Taliban entführ- schen Politik, auf die Vereinbarung ei- zu betrachten, wie der Aufbau der Zi- te Tanklaster hat der Militärbischof nes derartigen Stufenplans zu drängen vilgesellschaft geschützt und geför- eine Vorverurteilung des betroffenen und sich für eine legitime afghanische dert werden kann. Wir werben dafür, Oberst Klein abgelehnt, aber auch Regierung und einen schrittweisen dass nicht die militärische Logik das eine rasche Untersuchung des Vor- Rückzug der Truppen einzusetzen.“ Denken, Planen und Organisieren für falls gefordert. Er sagte am 6. Novem- So wenig seine kritische Sicht der Afghanistan beherrscht.“ ber 2009, im Gebiet der Bundeswehr afghanischen Krisenlage zu bemän- Die Bilanz des bisherigen zivi- herrsche Ausnahmezustand. Kriege- geln ist, so problematisch sind sei- len Aufbaus, der „erste Erfolge zu rische Auseinandersetzungen seien ne eigenen Vorschläge. Er verfügt als verzeichnen“ habe, bleibe insgesamt

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 25 GESELLSCHAFT NAH UND FERN zwiespältig. Die Arbeit der Nichtre- innerstaatliche Konflikte mit furcht- ter sehr engen Bedingungen vertret- gierungsorganisationen müsse quanti- baren humanitären Notlagen sehen bar. Kriegerische Handlungen müs- tativ und qualitativ verbessert werden. beide Kirchen die Möglichkeit einer sen der Abwehr eines dauerhaften Besonders zu beachten sei „die öffent- militärischen Intervention vor, gebun- und schweren Schadens für eine Na- liche Ordnung, die Sicherheit der Be- den an strenge Kriterien. Es ist des- tion oder Völkergemeinschaft dienen, völkerung durch polizeilichen Schutz halb nicht überraschend, dass beide aber nur dann, wenn andere Mittel und ein funktionierendes Rechtssys- Kirchen auch in der Beurteilung des nicht wirksam sind. Im Blick auf den tem, den Aufbau einer Wirtschaft, die Afghanistan-Konflikts eine ähnliche Bundeswehreinsatz schreibt er, dass Integration von Bevölkerungsgruppen, Sichtweise vertreten. Deutlich er- er ursprünglich nicht zur Kriegsfüh- die von den Taliban abhängig sind, kennbar wird dies bei den vielfachen rung gedacht gewesen sei, „sondern und die Anbahnung von Gesprächen öffentlichen Äußerungen der beiden zur Stabilisierung des Landes im Rah- mit den Taliban selbst, die Gewähr- Militärbischöfe. men einer umfassenden Aufbauhilfe.“ leistung der Basisinfrastruktur.“ Evangelischerseits wurde von ei- Davon könne gegenwärtig nicht mehr Diese Erklärung versucht, die nem schnellen Abzug der Bundeswehr die Rede sein. Überspitzungen während der Käß- aus Afghanistan abgeraten. Der ka- Bischof Mixa bringt damit das mann-Kontroverse zurückzunehmen. tholische Militärbischof Walter Mixa gleiche Unbehagen über die veränder- Aber es fällt doch auf, dass die poli- äußerte sich ähnlich. Am 22. Oktober te Einsatzweise der Bundeswehr zum tischen Forderungen an Bundesre- letzten Jahres, auf der Gesamtkonfe- Ausdruck wie die evangelische Seite. gierung und Bundestag nichts ent- renz der Militärseelsorge, sagte er, Der Trierer Bischof Joseph Acker- halten, was nicht teilweise schon seit ein schneller Rückzug der Bundes- mann ist Vorsitzender der Deutschen Jahren öffentlich diskutiert wird. Der wehr wäre ein Fehler. Die von den Kommission Justitia et Pax. Genau- Wunsch, auch mit den Taliban sol- Soldaten geleistete Aufbauarbeit wür- so wie die EKD lehnt er den Rück- len nun Gespräche geführt werden, de in Frage gestellt werden und das griff auf die alte Lehre vom gerechten folgt dem neuesten Trend. Versöhnlich Sterben der deutschen Soldaten wäre Krieg ab. Krieg sei immer ein Übel. bleibt der Abschluss des Textes, die nach menschlichen Maßstäben um- In seinem Interview mit der Frankfur- Bekundung von Respekt und Dank- sonst gewesen. ter Rundschau am 05. Januar 2010 barkeit für alle Mitwirkenden am Auf- Vermutlich in Reaktion auf die sagte er zu den ökumenischen Über- bau in Afghanistan und die Fürbitte Käßmann-Kontroverse in der evan- einstimmungen in der Friedensfrage für Bundestag und Bundesregierung. gelischen Kirche hat Bischof Mixa sehr treffend: „Die Unterschiede fal- am 5. Januar 2010 eine ausführliche len nicht wirklich ins Gewicht. Das Beträchtliche Übereinstimmung Erklärung zur aktuellen Afghanistan- schließt nicht aus, dass man bei der mit der katholischen Kirche Diskussion abgegeben. Darin hat er Diskussion um die richtige Friedens- Zwischen der evangelischen und auf die wichtigsten Grundsätze ka- politik gelegentlich zu unterschiedli- der römisch-katholischen Kirche gibt tholischer Friedenslehre hingewie- chen Schlüssen kommt. Meiner Beob- es bereits seit langem große Überein- sen. Demnach ist der Einsatz kriege- achtung nach verlaufen die Diskus- stimmungen in der Friedenslehre. Der rischer Mittel immer ein Übel, nach sionslinien dabei nicht zwischen den Grundgedanke des gerechten Frie- päpstlicher Überzeugung „eine Nie- Kirchen sondern durch die Kirchen dens verbindet beide. Für schwerste derlage der Menschheit“ und nur un- selbst.“ ❏

Verbessertes Afghanistan-Konzept der Bundesregierung

VON KLAUS LIEBETANZ

ie bei ihrer programmatischen Rede am 8.09.2009 angekündigt, hat Bundeskanzlerin Merkel am 27. Januar 2010 ein deutlich verbessertes Afghanistan-Konzept im Deutschen Bundestag vorgelegt. Dies Wgeschah in enger Vorbereitung mit den Bundesministern des Äußeren, des Inneren, der Verteidigung und für Wirtschaftliche Zusammenarbeit. Angela Merkel hat die Verantwortung für ein schlüssiges Gesamtkon- zept der deutschen Afghanistan-Politik übernommen, so wie es ihre Richtlinienkompetenz vorsieht (siehe auch „Friede ist möglich“ von Gemeinschaft Katholischer Soldaten, November 2004). Im folgenden Beitrag werden die wesentlichen Aussagen ihres „Fünf-Punkte-Plans“ wiedergegeben und am Schluss kommentiert.

Merkels „Fünf-Punkte-Plan“ kunft 1.400 deutsche Soldaten in die der wird durch Umschichtung der Ausbildung der afghanischen Streit- Aufgaben im bestehenden Kontin- 1. Verstärkte Ausbildung der kräfte einzubeziehen. Dazu sollen gent gewonnen. Die Ausbildung der afghanischen Armee ca. 500 Soldaten und Soldatinnen Afghanen soll überwiegend nicht Die Planung der Bundeswehr zusätzlich nach Afghanistan ent- mehr in Camps sondern in einer Art sieht vor, statt derzeit 280 in Zu- sandt werden. Der Rest der Ausbil- „Training on the Job“ durchgeführt

26 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 GESELLSCHAFT NAH UND FERN werden. Deutsche Soldaten sollen Taliban kämpfen, zu motivieren, die 2. Vergeudete Zeit durch gemeinsam mit ihren afghanischen Waffen niederzulegen und die Geset- Halbherzigkeit Kameraden für den Schutz der Be- ze zu respektieren. In den letzten neun Jahren des völkerung in der Nordregion sorgen. 5. Vereinbarung gemeinsa- deutschen Afghanistan-Einsatzes mer Ziele mit der afghani- wurde durch Halbherzigkeit auf zivi- 2. Erhöhung der Zahl schen Regierung lem Gebiet (Polizei- und ziviler Wie- deutscher Polizeiausbilder Die Bundesregierung fordert bei deraufbau) viel Zeit verloren. Die Die Zahl der deutschen Polizei- der Afghanistankonferenz in Lon- deutschen Soldaten wurden überwie- ausbilder wird im bilateralen Aus- don von der afghanischen Regie- gend als Lückenbüßer für mangelndes bildungsprojekt von derzeit 123 auf rung gemeinsam vereinbarte Ziele ziviles Engagement benutzt. Obwohl 200 im Jahr 2010 aufgestockt. Da- und überprüfbare Zwischenschrit- die rot-grüne Bundesregierung einen mit kann etwa ein Drittel der neuen te (benchmarks). In den Jahren bis ehrgeizigen Aktionsplan „Zivile Kri- afghanischen Polizeikräfte ausgebil- Ende 2011 sollen insgesamt 300.000 senprävention, Konfliktlösung und det werden, die laut Aufwuchsplan afghanische Sicherheitskräfte (Sol- Friedenskonsolidierung“ verabschie- vorgesehen sind. Hinzu kommt die daten und Polizisten) ausgebildet dete und der Zivilen Konfliktbearbei- Ausbildung von afghanischen Poli- sein. Ferner wird von der afghani- tung verbal Vorrang einräumte, blieb zeitrainern. Zusätzlich wird die Po- schen Regierung ein glaubwürdiger das Verhältnis von zivilen zu militäri- lizeiinfrastruktur weiter ausgebaut. Entwicklungsplan erwartet, der die schen Mitteln beim deutschen Afgha- Die Zahl der deutschen Berater bei Bereitschaft zu strukturellen Refor- nistaneinsatz vier zu eins und damit EUPOL in Afghanistan wird von 45 men für eine gute Regierungsfüh- nicht zielführend für einen Friedens- auf 60 Polizeiexperten erhöht. rung erkennen lässt. Dazu gehören prozess. Anspruch und Wirklichkeit auch überprüfbare Maßnahmen zur klafften bei Rot-Grün weit auseinan- 3. Deutsche Entwicklungs- Korruptionsbekämpfung. der. Das konnte auch der allgemein initiative Die Bundesregierung unterstützt anerkannte Sicherheitsexperte der Die Bundesregierung plant mit das Ziel der afghanischen Regie- Grünen, Winfried Nachtwei, nicht Schwerpunkt in der Nordregion bis rung, bis 2014 die Verantwortung verhindern. Es ist eine Ironie der Po- 2013 jährlich 430 Mio. Euro in den für die Sicherheit in Afghanistan zu litik, dass ausgerechnet mit dem Ein- zivilen Wiederaufbau zu investie- übernehmen. Ein endgültiges, defi- tritt der FDP, der angeblichen „Partei ren. Das ist sechsmal so viel, wie nitives Abzugsdatum der deutschen der sozialen Kälte“, in die Bundes- die rot-grüne Regierung für 2005 Truppen nannte die Kanzlerin nicht. regierung, sich das Schicksal der ge- vorgesehen hatte. Mit der substan- Die Zeit für einen Abzug sei erst ge- schundenen afghanischen Bevölke- ziell angehobenen Entwicklungs- kommen, wenn alle Ziele erreicht rung in der Nordregion zum Besseren hilfe sollen folgende konkrete Ziele seien und es Stabilität in Afghanis- wandeln wird. erreicht werden: tan gebe. „Ein Abzug wäre keine – ca. 3 Mio. Menschen sollen mehr Übergabe in Verantwortung, sondern 3. Gemeinsame militärische Einkommen und Beschäftigung eine Aufgabe in Verantwortungslo- Operationen erhöhen die haben, d.h. drei Viertel der Be- sigkeit“, führte Merkel aus. Sie hält Glaubwürdigkeit völkerung im Schwerpunktge- sich an den Grundsatz: Vorauspla- Gemeinsame militärische Opera- biet der deutschen Verantwor- nen heißt nicht vorausdisponieren. tionen mit den afghanischen Kame- tung, raden – wie sie bereits in Afghanis- – Ausbau weiterer 700 km Stra- Abschließender Kommentar tan praktiziert werden - erhöhen die ße, die ganzjährig zu befahren Glaubwürdigkeit des deutschen mili- sein sollen, 1. zielführende Sicherheits- tärischen Einsatzes. Jeder Soldat, der – Zusätzlich ist geplant, neue und Friedenspolitik zum Unteroffizier ausgebildet wird, Schulen zu bauen und entspre- Mit der massiven Aufstockung lernt schon in der „Inneren Führung“, chende Lehrer und Lehrerinnen der deutschen Entwicklungszusam- dass Führen ohne Vorbild auf Dauer auszubilden, so dass ca. 500.000 menarbeit auf nahezu jährlich eine völlig wirkungslos ist. Wie viel mehr weitere Schüler und Schülerin- halbe Milliarde Euro (sechsmal mehr gilt das für Offiziere. In Afghanistan nen ein Schulausbildung erhal- als bei Rot-Grün) und der geplanten trennt sich die Spreu vom Weizen. Der ten. Verdoppelung der deutschen Po- Beruf des Soldaten ist eben kein Be- lizeiausbilder in Afghanistan hat ruf wie jeder andere 4. Beteiligung am internatio- die christlich-liberale Bundesregie- nalen Reintegrationsfonds rung eine entscheidende Wende in 4. Londoner Afghanistan- Deutschland wird sich in den Richtung zielführender Sicherheits- Konferenz bestätigt das neue kommenden fünf Jahren mit jähr- und Friedenspolitik eingeleitet. Mit deutsche Afghanistan-Konzept lich 10 Mio. Euro am internationalen dem neuen ganzheitlichen Konzept Das neue deutsche Konzept zu Reintegrationsfonds beteiligen. Ziel der Bundesregierung wird erstmals einer erfolgreichen Friedenskonsoli- dieser Maßnahme ist es, regierungs- in Afghanistan der Forderung der dierung in Afghanistan bliebe bruch- feindliche Kämpfer, die zurzeit aus „Agenda for Peace“ der Vereinten stückhaft, wenn die in Afghanistan wirtschaftlichen Gründen bei den Nationen voll entsprochen. beteiligte internationale Gemein-

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 27 GESELLSCHAFT NAH UND FERN schaft, vor allem die großen NATO- stantiellen Integrationsfonds der schritte (benchmarks) zusammen Staaten, nicht auf die gleichen Zie- afghanischen Regierung für aus- mit der afghanischen Regierung le hinarbeiten würden. Die Afgha- steigewillige Talibananhänger, und den internationalen Gebern nistan-Konferenz vom 28. Januar in – Alle Provinzen Afghanistans sol- vereinbart werden. London hat mit der Beteiligung von len bis Ende 2012 unter die Lei- rund 70 Ländern eine „neue Phase tung der Nationalen Afghani- 5. Überwachen durch ein konse- auf dem Weg zu völliger afghanischer schen Sicherheitskräfte gestellt quentes Monitoring Eigenverantwortung“ eingeleitet und werden. Die Absicht der Bundesregierung den Afghanistan-Kurs der Bundes- – Die Korruption und der Drogen- zusammen mit den internationalen regierung bestätigt. Das „Zehn-Sei- handel sollen in einem nachvoll- Partnern eine verlässliche Übergangs- ten-Schlussdokument“ der Londoner ziehbaren Nationalplan nachhal- strategie für die Verantwort in Af- Konferenz enthielt folgende wesentli- tig mit internationaler Unterstüt- ghanistan zu entwickeln ist richtig, chen Ergebnisse: zung bekämpft werden, zielführend und wahrscheinlich der – Aufstockung der afghanischen Si- – Ca. 12.000 Verwaltungsbeamte einzige Weg aus der Sackgasse in Af- cherheitskräfte bis Oktober 2011 sollen für die Provinzebene mit ghanistan. Es wäre aber sicher blau- auf insgesamt 300.000 Personen internationaler Hilfe ausgebildet äugig, eine politische Absichtserklä- (171.000 Soldaten und 134.000 werden. rung bereits für die Durchführung Polizisten), – Der afghanische Wiederaufbau- zu halten. Daher wird es notwendig – Die afghanische Regierung (Ha- fonds und das afghanische Pro- und angeraten sein, dass der Deut- mid Karsai) beabsichtigt bis Ende gramm für die Justizverwaltung sche Bundestag als Auftraggeber in 2014 die Verantwortung für die soll in den nächsten zwei Jahren den nächsten fünf Jahren den an- Sicherheit im ganzen Lande zu finanziell verdoppelt werden. gestrebten und oben beschriebenen übernehmen. – Bis Mitte April soll in Kabul eine Friedensprozess in Afghanistan mit – Die internationale Gemeinschaft Folgekonferenz stattfinden, auf einem konsequenten Monitoring be- unterstützt finanziell einen sub- der konkrete Ziele und Zwischen- gleitet und dokumentiert. ❏

Nikoseli Afrika! Südafrika vor der Fußballweltmeisterschaft

VON ANDREAS M. RAUCH1

ach dem friedvollen Wechsel von einer Politik der Apartheid zu einer rechtsstaatlichen, pluralistischen Demo- kratie für alle Südafrikaner 1994 gilt Südafrika unangefochten als Hoffungsträger Afrikas. Keine Person ver- Nkörpert diese politische Hoffnung für ganz Afrika mehr wie der Friedensnobelpreisträger und Alt-Staatsprä- sident Südafrikas Nelson Mandela. Bis heute kommt ihm in Südafrika und weltweit hohe Anerkennung zu. Das ver- deutlichten 2008 die Feierlichkeiten zu seinem 90. Geburtstag. Davon losgelöst ist die deutsche Wahrnehmung von Südafrika selektiv. Vielen Deutschen blieben die ersten freien Wahlen in Südafrika 1994, die weltweit große Reso- nanz fanden, als politischer Markstein im Gedächtnis. An der Weltwirtschaft Interessierte nahmen positiv wahr, dass Mandelas Nachfolger Thabo Mbeki sich dem Modell der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet fühlt. Sicherlich spielt dabei die starke Präsenz von deutschen Firmen in Südafrika eine Rolle – vor allem in der Autostadt Port Elisabeth mit BMW und Mercedes. Die von vielen befürchtete Verstaatlichung von Schlüsselunternehmen in Südafrika nach der Machtübernahme der Regierung durch den ANC 1994 blieb aus. Viele deutsche und britische Unternehmen konnten weiter wirtschaften und gute Erträge einfahren. Diese positive Entwicklung ist bis Anfang 2008 im Grundsatz geblie- ben. Doch dann tauchten politische Probleme in Südafrika auf, die weltweit Negativ-Schlagzeilen machten. Zudem zeichnen sich 2010 auch in Südafrika Folgen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise ab.

Vom ‚Musterknaben‘ zum ‚Sorgenkind‘ schaftlichen Problemlagen in Südafri- – Korruption und Parteistreitigkei- ngesichts der sich 2010 abzeich- ka sollte nicht verdrängt werden, dass ten des ANC Anenden politischen und wirt- es seit vielen Jahren sechs Konflikt- – Problem Wanderarbeiter lagen in Südafrika gibt: – Kriminalität und Gewaltbereit- 1 Prof. Dr. Andreas M. Rauch war For- schaft schungsstipendiat am Human Sciences er Lehrbeauftragter für Internationale Research Council in Pretoria 1989/90 Politik an den Universitäten Duisburg/ – Umweltzerstörung und Umwelt- und lehrte an der christlichen Universi- Essen und Nürnberg-Erlangen und ist verschmutzung tät Potchefstroom 1994-1999; heute ist im Schuldienst tätig.

28 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

– Fehlende Sinn- und Lebensorien- aus der Kolonialzeit stammt. Heute einer staatlich gelenkten Wirtschaft tierung: das Beispiel Abtreibung wissen wir aus Veröffentlichungen des Südafrikas lauter und Mbeki gerät in – Sicherheitsmängel. Kapstädter Instituts für Sicherheits- wachsendem Maße unter politischen These dieses Beitrages ist, dass studien, dass das Apartheid-Regime Druck. Schließlich muss Mbeki, des- alle sechs Konfliktebenen schon in in Südafrika ebenfalls korrupt war, sen Mandat als Staatspräsident eigent- der Ära der Apartheid und auch un- jedoch in einem anderen Verständnis lich noch bis Mitte 2009 laufen sollte, ter Präsident Mandela latent vorhan- als jenes von der persönlichen Berei- zugunsten von Zuma im September den waren. Aufgrund der politischen cherung durch Einzelne. So sind in 2008 aufgeben. Insgesamt gesehen Spannungen um den neuen ANC- den vergangenen vier Jahren gehei- haben sich seither planwirtschaftli- Führer und Präsidenten Südafrikas me Fonds der Apartheid-Regierung in che Entscheidungen der südafrika- Zuma und aufgrund einer Verschär- einem Umfang von 3,5 Mrd Franken nischen Regierung gehäuft, etwa bei fung der internationalen Konfliktla- (Wert 2005) bekannt und nachgewie- dem Ausbau des Wohnungsbaus und gen und der Weltwirtschaft kommt sen worden. Aufgrund der weltweiten des Gesundheitswesens. Südafrika unter politischen Druck Sanktionspolitik gegen das damali- und die sechs Konfliktebenen werden ge Apartheid-Regime wurden Wege Problem Wanderarbeiter wirkungsmächtiger. gesucht und gefunden, um auf dem anderarbeiter haben im südli- Hinzu kommt eine ausschnitt- Schwarzmarkt Öl, Waffen und tech- Wchen Afrika eine lange Tradi- hafte, deutsche Wahrnehmung vom nisches Gerät zu erwerben – auch zur tion und ihr Einsatz in Südafrika war südlichen Afrika. Die Medien be- nuklearen Rüstung. stets mit Problemen verknüpft. Schon richten über Afrika nur bei drama- Im Falle Zumas ging es aber nur um 1860 erachteten es die Behörden tischen Ereignissen, wie den poli- oberflächlich um den Vorwurf der Kor- der damaligen Vorgängerstaaten Süd- tischen Zuspitzungen in Zimbabwe ruption, sondern um einen Richtungs- afrikas für notwendig, den Zufluss um Präsident Mugabe und der dorti- kampf zwischen Zuma und Thabo schwarzer Wanderarbeiter gesetzlich gen Cholera-Epidemie. Viele Wahr- Mbeki. Während Mbeki für ein Wirt- zu regeln. Während die Wanderarbeit nehmungen von Deutschen reduzie- schaftssystem im Sinne einer Sozialer bei den Männern zu Beginn land- ren sich auf zwei- oder dreiwöchigen Marktwirtschaft à la Ludwig Erhard wirtschaftlichen Beschäftigungen galt Reisen im südlichen Afrika, die oft stand, welches sich zudem seit fast und deshalb saisonal blieb, gab es ab nur in isoliert gelegenen Safari-Un- fünfzehn Jahren bewährte, verkörpert ca. 1890 eine vermehrte Nachfrage terkünften und bestens von der süd- Zuma den eher sozialistisch orientier- nach körperlich starken und tüchti- afrikanischen Alltagswirklichkeit ab- ten Zweig des ANC mit seinen Vor- gen Schwarzen aus Südafrikas Indus- geschirmten Hotelghettos gesammelt stellungen einer Staats- und Planwirt- trie für einfache Arbeiten. Aus den werden. Die Masse der Deutschen schaft. Parteiintern kann sich Zuma Gebieten des heutigen Namibia und kennt weder den tagtäglichen Über- im Dezember 2007 als Vorsitzender Simbabwe sowie aus Botsuana, Leso- lebenskampf der Menschen in Afri- des ANC gegen Mbeki durchsetzen. tho und Mozambik strömten schwarze ka noch in Südafrika. Dies stellt sich Die Entscheidung der Staatsanwalt- Wanderarbeiter in Südafrikas Minen etwa in Großbritannien anders dar: schaft von Pietermaritzburg vom De- und Fabriken. Die Wanderarbeiter die Medienpräsenz und der persön- zember 2007, Zuma strafrechtlich we- nahmen vor allem Arbeiten wahr, die liche Kontakt mit Afrikanern – nicht gen Korruption, Geldwäsche, Betrug südafrikanische Schwarze nicht ma- zuletzt durch die hohe Zahl von Gast- und Erpressung zu verfolgen, stellt chen wollten – und dies blieb so bis arbeitern aus Commonwealth-Staaten sich politisch nur als eine Etappen- etwa 1994. Seit Anfang der achtziger – ist dort eine ganz andere. entscheidung dar. Mbeki steht in Ver- Jahre sank die Rentabilität der Gru- dacht, hinter dem Korruptionsverfah- ben drastisch, vor allem der Goldmi- Korruption und Parteistreitigkeiten ren gegen Zuma zu stehen oder poli- nen. Unter der neuen ANC-geführten des ANC tisch auf dieses Verfahren Einfluss Regierung Südafrikas bestand eine arteistreitigkeiten und Richtungs- genommen zu haben. Präferenz für einheimische Arbeits- Pkämpfe innerhalb des ANC hat es Im September 2008 erklärte ein kräfte in Südafrika, auch wenn die- immer gegeben. Erinnert sei nur an Gericht in Pietermaritzburg die Ent- se nicht immer so leistungsstark wie die unglückliche Rolle von Mandelas scheidung vom Dezember 2007 we- die Wanderarbeiter waren. Diese Ent- einstiger Ehefrau Winnie, der langjäh- gen Verfahrensfehlern für „null und wicklung sei in Zahlen beispielhaft an rigen Führerin der Frauen-Liga des nichtig“. Auf politischer Ebene gerät Lesotho verdeutlicht: 1976 hatte fast ANC. Winnie Mandela konnte nach- Südafrikas Wirtschaft immer mehr in jeder männliche Bürger Lesothos in gewiesen werden, dass sie westliche eine Schieflage, da es als Lieferant der Altersgruppe von 20-54 Jahren Hilfsgelder für ihre Privathäuser in von Rohstoffen und Automobilzulie- eine Anstellung in den Gruben Süd- Soweto abgezweigt hatte. ferer vom US-Absatzmarkt abhängig afrikas, während es 1986 nur noch 38 In so weit stellte es nichts Neu- ist. Als diese im Zuge der weltweiten Prozent und im Jahr 2000 nur noch 15 es dar, dass das ANC-Mitglied Jacob Banken- und Finanzkrise, die immer Prozent waren. Zuma der Korruption beschuldigt wur- stärker zu einer Krise der Automo- Hinzu kommt, dass die Wander- de. Korruption stellt sich als Grund- bilwirtschaft aufwächst, zu massiven arbeiter oftmals unter schlechteren übel in nahezu allen afrikanischen Einbrüchen in Südafrikas Wirtschaft Arbeitsbedingungen wie ihre südaf- Staaten dar, welches teilweise noch führt, werden politische Rufe nach rikanischen Kollegen arbeiten, was

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 29 GESELLSCHAFT NAH UND FERN zu Erkrankungen der Atemorgane – werden, seit Jahren an. 2008 wurden noch immer aufgrund des Drogenhan- etwa der Bildung von Staublungen in Südafrika durchschnittlich fünfzig dels mitunter lebensgefährlich sind. -, zu Hörschäden und Verletzungen Menschen am Tag ermordet. Und das aller Art führt. Die von ihren Frauen sind nur die Fälle, die polizeilich an- Umweltzerstörung und getrennt lebenden Schwarzen führen gezeigt werden. Die Dunkelziffer, be- Umweltverschmutzung oftmals homosexuelle Beziehungen sonders in schwarzen Townships, in üdafrikas Umweltbilanz stellt sich unter Bergarbeitern, was inzwischen denen Menschen ohne Meldung bei Sals katastrophal dar. Seit dem Be- wissenschaftlich gut dokumentiert ist. einer Behörde völlig illegal leben, ginn eines strukturierten Bergbau- Da die Löhne der schwarzen Wander- dürfte tatsächlich um ein vielfaches es zur Förderung von Edelmetallen, arbeiter kaum finanzielle Spielräume höher sein. Kohle und Eisen zu Ende des 19. zulassen, werden von den Wanderar- Die Dramatik der südafrikani- Jahrhunderts und einer zunehmenden beitern in Südafrika kaum heterose- schen Kriminalitätsstatistik liegt auch Ansiedelung von Industrien in Süd- xuelle Beziehungen gepflegt oder gar darin begründet, dass die Südafri- afrika wurde auf die Umwelt keine neue Familien gegründet. Aus der me- kaner auf sämtlichen Verbrechens- Rücksicht genommen. Die ausgesto- dizinischen AIDS-Forschung wissen gebieten, die mit Gewalt zu tun ha- ßenen Schadstoffe und der Raubbau wir heute, dass schwarze Wanderar- ben, weltweit führend sind: Mord, an der Natur erschienen den weißen beiter in ganz Afrika eine der Haup- versuchter Mord, Totschlag, schwere Bewohnern Südafrikas angesichts der tursachen für die rasche und breit- Körperverletzung, versuchte schwere Größe und Weite des Landes zu ge- flächige Verbreitung des HIV-Virus Körperverletzung, Raubüberfälle und ring. Außerdem war der Wille über- in Afrika darstellen und zahlreiche Vergewaltigung. Besonders hinsicht- mächtig, möglichst rasch an die Le- Erkrankungen wie Tuberkulose und lich Vergewaltigungen wird eine hohe bensverhältnisse in den USA und Meningitis auf eine HIV-Infektion Dunkelziffer angenommen, wobei die Westeuropa aufzuschließen. Schließ- zurück zuführen sind. gemeldeten Fälle sich vor allem auf lich ist zu berücksichtigen, dass auch Unter Südafrikas schwarzer Be- die schwarze Bevölkerung Südafri- in der westlichen Welt erst seit den völkerung gibt es nach wie vor einen kas beziehen. Von vielen schwarzen achtziger Jahren – etwa durch „Global hohen Prozentsatz von Menschen, die Frauen gibt es Berichte, dass Verge- 2000“, einen Bericht an den dama- arbeitslos sind oder nur gelegentlich waltigungen mit Schlägen einher ge- ligen US-Präsidenten Jimmy Carter eine Beschäftigung finden. Dieser hen, die oft zu Körperverletzungen – eine Sensibilität für Umweltfragen schwarze Bevölkerungsteil wird als führen, vollzogen von ihren an- oder entstand. hochgradig frustriert eingestuft und betrunkenen Ehemännern. Hinzu tre- Und als es eigentlich Zeit war, gilt als ursächlich für den Hass, den ten Meldungen über Folterungen und konkrete Strategien in der Umwelt- viele schwarze Südafrikaner auf die den Einsatz tödlicher Gewalt durch politik für Südafrika umzusetzen, hat- Wanderarbeiter in Südafrika entwi- Polizeibeamte, wie Amnesty inter- te das Land mit den großen gesell- ckeln. Es kommt vielfach zu Streite- national beispielsweise für die Jah- schaftspolitischen Herausforderun- reien und Schlägereien, mitunter zu re 2007 und 2008 berichtet. Folter gen eines Wechsels von der Apartheid regelrechten Hetzjagden gegen Wan- und Gewalt durch Polizisten reicht zur Demokratie zu kämpfen. Unglück- derarbeiter, zu (Raub-) Überfällen dabei auf eine seit langem bestehen- licherweise ließ sich in den vergan- und Morden, da in den Augen vieler de Praxis aus den Tagen der Apart- genen dreißig Jahren in Südafrika ein Schwarzer Südafrikas die Wanderar- heid zurück. rasantes Wachstum der schwarzen beiter den Südafrikanern die Arbeit Dabei haben sich die absolu- Bevölkerung vor allem in städtischen wegnehmen. Gerade im Jahr 2008 ten Zahlen der Kriminalitätsstatistik Slums beobachten, in denen es we- ließ sich eine Welle der Gewalt ge- Südafrikas insgesamt verbessert. So der eine funktionierende Wasser- und gen Wanderarbeiter in Südafrika be- fiel 2007 die Mordrate um 2 Prozent Energieversorgung noch eine orga- obachten. und versuchter Mord um 18 Prozent, nisierte Abfallwirtschaft gibt. Selbst schwere Körperverletzung um 15 Pro- in städtischen Quartieren, wo Well- Kriminalität und zent und versuchte Körperverletzung blechhütten durch Steinhäuser er- Gewaltbereitschaft um 10 Prozent. Als ursachlich hier- setzt wurden, trat in den drei letzt ewalt und Kriminalität stellen für gilt das Zero-Toleranz-Konzept genannten Punkten keine wirkliche Gin Südafrika ein großes gesell- der New Yorker Polizei, welches in Verbesserung ein. Nur die urbane schaftspolitisches Problem dar. Ange- Südafrika seit einigen Jahren An- Stromversorgung scheint in Südaf- sichts der Fußball-Weltmeisterschaft wendung findet, also kleine Strafta- rika irgendwie zu funktionieren, sei 2010 in Südafrika scheint diese Pro- ten mit hohen Strafmaßnahmen zu sie nun legal erworben oder illegal blemlage seinen Ruf weltweit zu rui- ahnden. Kapstadt und Johannesburg abgezapft. Leider häufen sich in Städ- nieren. Der halbstaatliche Sozialwis- sind nachwievor Brennpunkte des ten wie Pretoria und Johannesburg senschaftliche Forschungsrat (HSRC) Verbrechens, doch hat sich gerade in nunmehr auch der umherliegende in Pretoria belegt aufgrund dieser Si- Johannesburg die Lage entspannt: in- Müll in öffentlichen Anlagen wie etwa tuation eine allgemein negative Stim- zwischen können auch Weiße wieder Parks und Sportstadien, was auch mit mung im Land. Tatsächlich führt Süd- weitgehend gefahrenlos in die Innen- der mangelnden Sensibilisierung der afrika die Liste jener Länder, in de- stadt von Johannesburg fahren, wenn- schwarzen Bevölkerung für eine ge- nen Kriminalitätsstatistiken geführt gleich Stadtteile wie Hillbrow leider ordnete Abfallbeseitigung zu tun hat.

30 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Hinzu kommen Fehler in Süd- che Patientinnen bluten so stark, dass Die Todesfälle infolge von Schwan- afrikas Landwirtschaft, die zu 85 % sie sterben.“ gerschaftsabbrüchen gingen aber um der Viehwirtschaft dient. Durch einen Abtreibungen sind in (Süd-) Afri- 90 Prozent zurück. einseitigen Anbau – etwa von Zitrus- ka eines der Haupttodesursachen von Bestehen bleiben auch in (Süd- früchten-, durch den Entzug von Was- Frauen – und das Thema AIDS und ) Afrika die aus Europa bekannten ser und die starke Nutzung von Wei- Abtreibung sind insgesamt ein ge- Probleme der Säkularisierung und deflächen für Viehhaltung wird eine sellschaftliches Tabu. Etwa 100 Af- des Wertewandels. Der Einfluss der nachhaltige Landwirtschaft erschwert rikanerinnen sterben täglich an den Kirchen geht vor allem in den südaf- und Gottes Schöpfung nicht nachhal- Folgen der nicht fachgerecht durch- rikanischen Städten dramatisch zu- tig genug bewahrt. Dabei macht der geführten Schwangerschaftsabbrüche. rück; viele Frauen sind gar nicht mehr Agrarbereich nur noch 2,7 % der süd- Im südostafrikanischen Malawi ge- christlich sozialisiert, christliche Wer- afrikanischen Wirtschaft aus; 30,9 % hen laut offiziellen Angaben über 30 te verlieren für viele Afrikaner an Be- werden durch die Industrie und 66,4 Prozent aller Fälle von Müttersterb- deutungs- und Gestaltungskraft und % durch den Dienstleistungssektor lichkeit auf solch illegale Abtreibun- der Ruf der Kirche erreicht viele Af- bestritten (Stat. Jahrbuch 2006). gen zurück. Für Seodi White von der rikaner nicht mehr. Kirchenräume Frauenorganisation „Women in Law in werden oftmals nur noch zu denkmal- Fehlende Sinn- und Lebensorientierung: Southern Africa“ ließen sich die vie- geschützten Museumsräumen aus der das Beispiel Abtreibung len Todesfälle von Frauen vermeiden: „Apartheid-Ära“ – so etwa in Preto- er Standpunkt der katholischen „Wenn man Abtreibungen legalisiert, ria, Johannesburg und Bloemfontein. DKirche in Fragen der Abtreibung treibt man die Frauen doch in den Stattdessen nehmen Glücksspiel und wurde auch bei der Afrika-Reise von Untergrund. Man treibt sie dazu, un- Prostitution in beängstigenden Um- Papst Benedikt XVI. im Frühjahr sichere und gesundheitsschädigende fang in den Städten zu. 2009 wiederholt thematisiert: Sexu- Abtreibungen vorzunehmen.“ Doch alität gehört ausschließlich in eine die katholische Kirche kann diese Sicherheitsmängel monogam geführte Ehe, ansonsten ist Position nicht unterstützen, da jeder üdafrika gehörte in den achtziger den Menschen Enthaltsamkeit auf- Mensch Gottes Ebenbild und daher im SJahren zu den Staaten in der Welt, erlegt. besonderem Maße schützenswert ist. in der moderne Informationstechno- Doch viele afrikanische Ärzte se- Das zentrale Problem des Themas logie einen raschen Einzug gehalten hen sich mit einem Alltag ganz ande- Abtreibung in Afrika ist, dass viele hatte: der Einsatz von Computern in rer Art konfrontiert: Frauen kommen Frauen nicht wissen, wie sie verhü- Staat und Wirtschaft in Südafrika war mit schweren Blutungen, Infektio- ten können. Und afrikanische Frauen früh zur Norm geworden – weitaus nen und Verletzungen innerer Orga- lassen sich oft schon in jungen Jahren früher als in Westeuropa. Und auch ne ins Krankenhaus. Sie behaupten, auf Sexualität ein, weil der kirchliche noch im Jahr 2010 sind sämtliche gestürzt zu sein oder einen Unfall zu Einfluss oft zu schwach ist. Oft sind Neuerungen der IT-Branche in Süd- haben. Doch für die Mediziner ist es Frauen aus armen Verhältnissen, afrika erhältlich. Aber auch der weit die Ursache meist klar: Die Frauen die sich zu einer illegalen Abtrei- verbreitete Ausfall von Computern, haben versucht, illegal abzutreiben. bung entschließen. Sie sind häufig Schwierigkeiten beim beschaffen von Sogenannte Hinterhof-Abtreibungen nur schlecht darüber informiert, wie Ersatzteilen und das Verschwinden sind ein weit verbreitetes Phänomen sie eine Schwangerschaft verhindern von Emails sowie das Reparieren von in Afrika, vor allem in südafrikani- können. Hinzu kommt, dass wirksa- Computern bereiten wachsende Pro- schen Townships, in der Mangel an me Verhütungsmittel nicht ausrei- bleme. Im Zweifelsfall ist immer mit medizinischer Versorgung herrscht. chend verfügbar oder zu teuer sind. einem Ausfall der IT-Technologie in Schlecht oder gar nicht ausgebilde- „Werden die Frauen dann schwanger, Südafrika zur rechnen – mit allen te Laien-Mediziner nehmen gegen wissen sie nicht, wie sie ein weiteres Schwierigkeiten, die dieser für eine Geld Schwangerschaftsabbrüche vor. Familienmitglied ernähren sollen. Bei Fußballweltmeisterschaft mit sich Unter miserablen hygienischen Be- jungen Frauen kommt hinzu, dass bringen kann. dingungen und mit haarsträubenden Schwangerschaften kulturell und so- Hinzu kommt ein allgemeiner Hilfsmitteln wie etwa Schießpulver, zial nicht akzeptiert sind in unserem Trend zur Privatisierung von Sicher- Bleichmittel, Stricknadeln oder Klei- Land, wenn die Frauen nicht verheira- heit. Wer sich hervorragende IT-Tech- derbügeln. „Wir waren bei einer Pati- tet sind.“ In Südafrika gibt es bereits niker mit westlichen Kontakten leis- entin, die bei jemanden abgetrieben erste Schritte hin zu einer Liberalisie- ten kann, der hat eher Zugang zum hat, der überhaupt nicht qualifiziert rung. Südafrika hat vor zehn Jahren „world wide web“. Und wer hervorra- ist“, erzählt ein Klinikarzt, der we- sein Abtreibungsrecht liberalisiert. gend ausgebildete Sicherheitskräfte, gen der Brisanz des Themas anonym Hier können Frauen bis zur zwan- am besten mit Kampfsporterfahrung bleiben möchte. „Die Gebärmutter zigsten Schwangerschaftswoche legal oder militärischer Ausbildung, zu be- war durchlöchert – die Verletzungen abtreiben, wenn sie erklären, dass sie schäftigen vermag, dessen Überle- gingen bis in den Darm. Wir mussten körperlich, wirtschaftlich oder sozial benschancen sind im „New South eine umfassende Operation einleiten. nicht in der Lage sind, ein Kind zu Africa“ weitaus besser gesichert als Das ist eine übliche Komplikation. bekommen. Zwar ist seither die Zahl jenes seiner Mitmenschen. Das hängt Blutungen sind am häufigsten. Man- der Abtreibungen nicht gesunken. zum einen damit zusammen, dass

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 31 GESELLSCHAFT NAH UND FERN viele qualifizierte, meist hellhäuti- ergeben haben. Etwa durch regelmä- Wer die Jahresberichte der Stif- ge Polizisten aus dem Polizeidienst ßige und strenge Geschwindigkeits- tung Entwicklung und Frieden der gedrängt, oftmals gemobbt, werden, kontrollen werden nicht nur Unfälle vergangenen fünf Jahre durcharbeitet, weshalb vielfach die „Expertise“ wie vermieden, sondern auch das Rechts- erkennt rasch, dass Südafrika unab- in früheren Zeiten nicht mehr vor- bewusstsein in der südafrikanischen hängig von den erwähnten Konflikten handen ist. Meist sind es junge, bes- Bevölkerung verschärft. von weiteren Problemebenen betrof- tens ausgebildete, hellhäutige Kräfte, Diese Gesamtmisere lässt sich fen ist. Südafrikas Demokratie stellt die Südafrika dringend bräuchte, die durch zahlreiche Beispiele des Allta- sich angesichts der Übermacht des aber aufgrund der Bevorzugung der ges untermauern. Was den Straßenbau ANC und fehlender parteilicher Kon- dunkelhäutigen Bevölkerung keine angeht, so lebt Südafrika vielfach von kurrenten als wenig gefestigt dar. Im Chance gegeben wird: südafrikani- der Substanz. Gerade an den oft nur Menschenrechtsbereich und der In- sche Firmen müssen in der Verwal- notdürftig reparierten Schlaglöchern neren Sicherheit gibt es offenkundi- tung 60 Prozent dunkelhäutige Men- und zahlreichen, abgesperrten Stra- ge Mängel. Die Bildungs- und Woh- schen beschäftigen. ßenabschnitten auf den Autobahnen nungsbaupolitik zeitigt bis heute nicht Hinzu treten wirtschaftliche um Johannesburg, Sandton und Preto- jene Erfolge, die Mandela und Mbeki Probleme allgemeiner Art. Wie die ria wird Südafrikas Mangelwirtschaft einst als Ziele verkündeten. Anderer- deutsche Wirtschaft auch stellt sich deutlich. In kleinen und mittelgroßen seits führt der Machtwechsel 1994 Südafrikas Wirtschaft exportorien- Städten wie Potchefstroom, Klerks- in allen Politik- und Gesellschafts- tiert dar. Doch dieser Export ist auf- dorp, Bloemfontein oder Kimberly bereichen zu einer Normalisierung grund der weltweiten Finanz- und funktionieren regelmäßig ein Teil der der Lage: viele, durch die Politik der Wirtschaftskrise stark eingebrochen; Straßenlaternen nicht. Apartheid hervorgerufene Spannun- auch Deutschland hat seinen bislang Aber auch dunkelhäutigen Süd- gen lösten sich auf und Alltag kehrte ersten Platz an China abgegeben. Ein- afrikanern aus Westeuropa und den in Südafrika ein. Die vom Erzbischof zig der nahezu verdoppelte Goldpreis Commonwealth-Staaten, die nach von Kapstadt, Desmond Tutu geführ- sorgt für sprudelnde Einnahmen, die Jahren der Immigration wieder nach te Wahrheits- und Versöhnungskom- jedoch bei der Masse der knapp 50 Südafrika zurückkehren, fallen die mission half, Wunden zu schließen. Millionen Südafrikaner - davon rund Unterschiede zum „reichen“ Südaf- Vom ehemaligen US-Präsidenten 6 Millionen Hellhäutigen und 46 rika ihrer Erinnerung und Südafri- Ronald Reagan ist die launige Be- Millionen Dunkelhäutigen Südafri- kas Wirklichkeit auf. So sind nicht- merkung überliefert: „Wenn morgen kanern - und der geschätzten rund isolierende Einglasfenster nach wie Afrika im Meer versinkt, würde dies fünf dunkelhäutigen illegalen, nicht vor Standard, während in Westeuro- keinem auffallen.“ Der afrikanische registrierten Millionen Zuwanderern pa umweltfreundliche Doppelglas- Kontinent insgesamt erwirtschaftet bis - etwa aus Botswana und Mozambique Vakuumfenster die Regel sind und heute nur rund zwei Prozent des Welt- - versickern, ohne Breitenwirkung zu Außenmauern in der Regel ganz oder bruttosozialproduktes, wovon Südaf- erzielen. Das macht sich am Kurs des teilweise isoliert werden. Der Haus- rika rund die Hälfte beiträgt. Aber Rand deutlich, dessen Wert gegenüber und Sanitätsbau, vor allem hinsicht- internationale Politik bemisst sich der DM/Euro auf 20 Prozent von dem lich einer umfassenden Wärmeisola- eben nicht an volkswirtschaftlichen im Jahr 1994 sank. tion, kommt nur unzureichend daher: Parametern allein, sondern auch an viele in den letzten fünfzehn Jahren den Grundsätzen der Charta der Ver- Südafrika vor der erbaute Häuser sehen nach wenigen einten Nationen. Fußballweltmeisterschaft Jahren aus, als hätten sie ein vielfa- Zu den Grundsätzen der Charta y suitcase is lost“ – das ist ches Existenzalter hinter sich. der Vereinten gehört auch die Wah- „Meine der ersten Erfahrun- rung des anthropologischen und kul- gen, die Besucher in Südafrika heu- Nikoseli Afrika – Gott schütze Afrika turellen Erbes der Menschheit, und in te machen. Doch der verlorene und üdafrika stellt sich heute insge- diesem Zusammenhang spielt Afrika meist später wiedergefundene Kof- Ssamt gesehen als ein Schwellen- eine besondere Rolle: vom afrikani- fer ist mehr als nur eine persönli- land dar, in dem Strukturen und Pro- schen Kontinent aus fand die Besiede- che Negativerfahrung: es steht für bleme eines Industrie- wie eines Ent- lung der Erde statt. In Ost- und Süd- ein permanentes Missmanagement wicklungslandes enthalten sind. In afrika wurden die ältesten mensch- der ANC-Regierung, mangelndem Or- einem größeren Maßstab hat diese lichen Fossilien in archäologischen ganisationstalent und einer unzurei- Merkmale Südafrika mit China ge- Ausgrabungen aufgespürt, etwa in chenden Vorbereitung auf die Fuß- meinsam. So sind die Regionen Dur- einer Höhle nahe Sterkfontein in Süd- ballweltmeisterschaft. Andererseits ban, Pietermaritzburg, Johannesburg afrika, die auf etwa 4 Millionen Jahre sind die Sportstadien, etwa das von und Pretoria, Kapstadt und Port Elisa- geschätzt werden. Das Transvaal Mu- Soweto, frisch saniert und in einem beth ausgestaltet wie in einem westli- seum in Pretoria und das Nationalmu- mehr als vorzeigbaren Zustand. Nicht chen Industrieland. Große Teile der seum in Bloemfontein geben über die die Sportstätten sind das Problem in Kapprovinz, der Provinz Nord-West Entwicklung des Menschen in Afrika Südafrika, sondern das gesellschaftli- und der Provinz Natal bewegen sich Auskunft. Aber auch andere wichti- che und soziale Umfeld drum herum, jedoch auf dem Niveau eines Entwick- ge Museen haben sich in das „New wenngleich sich hier Verbesserungen lungslandes. South Africa“ gerettet, so etwa der

32 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 GESELLSCHAFT NAH UND FERN bewährte Typ des Hausmuseums wie gab. Andere Einrichtungen wie das Bundespräsident Horst Köhler, z.B. „Melrose House“ oder das „Paul Human Sciences Research Council, langjähriger Direktor der Weltbank Kruger House“ in Pretoria. Das teil- also die nationale Forschungsstätte und mit entwicklungspolitischen so- weise aus der Kolonialzeit stammen- für Sozialwissenschaften in Pretoria, wie weltwirtschaftlichen Fragestellun- de, mit seinen Vogelkäfigen und exo- wurden eher noch gestärkt. Ein Pro- gen bestens betraut, wies bei seinem tischen Vögeln einmalige Schwimm- blem Südafrikas ist aber, dass viele Besuch in Afrika auf die Enzyklika bad am „Caledonian Sports Ground“ Hochschulabsolventen nicht in Südaf- „Progressio Populorum“ von Papst in Pretoria hat es leider nicht in die rika bleiben, sondern in andere Staa- Paul VI. hin, in dem Entwicklung als neue Zeit geschafft: Vögel, Vogelkäs- ten des Commonwealth auswandern. neuer Name für Frieden bezeichnet ten und das Schwimmbad aus den Anfang Februar 2008 bereiste wird. Köhler betonte, dass im Sinne fünfziger Jahren mussten einem vo- Bundespräsident Horst Köhler das des Friedensverständnisses von Paul lumenösen Neubau weichen und nur östliche und südliche Afrika, wel- VI. noch viel in Afrika zu tun sei und der denkmalgeschützte Kiosk durfte ches aufgrund einer bis heute an- das Bewusstsein hierfür unter den stehen bleiben. Und auch einige be- dauernden christlichen Mission von Deutschen sensibilisiert und wach sonders schöne Kirchen und Kapellen vielen Katholiken und Protestanten gehalten werden sollte. Köhler hob wie die „St. Andrews Church“ in Pre- bewohnt wird. Religion ist in Afrika die religiösen Wurzeln Afrikas hervor toria bestehen weiterhin, auch wenn ganz im Unterschied zu Europa kein und erwähnte die Buren in Südafrika, sie meistens geschlossen sind. Thema, da es dort Entwicklungen von die in Transvaal und im Oranje-Free- Auch die Wissenschaftsland- Säkularisierung, Wertewandel und State die Bevölkerung missionierten schaft Südafrika durchlief einen Konfessionalisierung wie in Europa und in Potchefstroom die Bibel in Af- Transformationsprozess. Universitä- nicht gibt: die Menschen wissen um rikaans übersetzten. Bundespräsident ten wie die von Potchefstroom und Bo- die Existenz Gottes und versuchen Köhler rief zur Hilfe für Afrika auf, phutatswana wurden zur Nord-West- mit ihrem irdischen Leben Gott ge- verstanden als Hilfe von Christen für Universität fusioniert. Viele Studi- recht zu werden. Auch Südafrika wird Christen, und ganz im Sinne der Er- engänge, etwa „Deutsch als Fremd- geprägt von christlichen Religionsge- mutigung und Hoffnung vermittelnden sprache“ oder „Afrikaanse Literatur“ meinschaften und Kirchen wie kaum Nationalhymne von Südafrika: „Niko- entfielen, weil es zu wenig Studenten sonst wo auf der Welt. seli Afrika – Gott schütze Afrika!“. ❏

Gemeinschaft Sant’Egidio – ein Vorbild?

VON KLAUS LIEBETANZ

ls Prof. Andrea Riccardi, dem Gründungsmitglied von Sant’Egidio am 21. Mai 2009 der internationa- le Karlspreis in Aachen verliehen wurde, stellte sich für viele Katholiken in Deutschland die Frage: „Was Aist das überhaupt für eine christliche Gemeinschaft, Sant’Egidio in Rom? Insider der internationalen Ge- meinschaft wussten allerdings schon lange, dass Sant’Egidio die erfolgreichste Nichtregierungsorganisation in Sachen Frieden ist. Der Historiker und Schriftsteller Golo Mann hat Sant’Egidio die „kleine UNO von Trasteve- re“ genannt. Im Folgenden wird die Entwicklung und das Handeln von Sant’Egidio beschrieben und die Frage gestellt, ob diese Gemeinschaft ein Vorbild sein kann (Für weiterführende Informationen über die Gemeinschaft Sant‘Egidio siehe auch www.santegidio.de)

Die Entwicklung der Gemeinschaft Sant’Egidio tigten sich mit den Leben des Hl. Be- Kirche Sant’Egidio, den man der Ge- bildete sich im römi- nedikt und des Hl. Franz von Assisi. meinschaft zur Verfügung stellte. Dort 1968schen Virgilio-Gymna- Sie entschlossen sich für die Betreu- fanden dann die täglichen Abendan- sium eine Gruppe von ca. zwanzig ung von verwahrlosten Kindern in dachten der Mitglieder mit einer stark Schülern, die mit dem traditionellen den Barackenstädten am römischen byzantinischen Prägung (meditativer Christentum nicht zufrieden waren, Stadtrand (zumeist Roma) und orga- Gesang) und einer Laienpredigt statt. sondern einen anderen Weg zur ge- nisierten später auch ärztliche Hilfe. Seit 1980 bildeten sich sellschaftlichen Veränderung such- 1970 dehnte sich die Gemein- Sant’Egidio-Gemeinschaften in El ten, als die linksgerichteten Studen- schaft auf römische Universitäten aus. Salvator, Guatemala, Mexico, Boli- ten der 68er Jahre. Hauptinitiator war Auf der Suche nach einem Zentrum vien, Kuba, Argentinien und in den der spätere Kirchenhistoriker And- fand man im alten Stadtteil Trasteve- USA. Diese Ausbreitung geschah im rea Riccardi, der gerade 18 Jahre alt re (ca. 5 km ostwärts vom Vatikan) ei- Wesentlichen durch ehemalige Stu- war. Die Schüler setzten sich mit dem nen „stadteigenen“ leeren ehemaligen denten von römischen Universitäten, Evangelium auseinander und beschäf- Karmelitinnenkonvent mit der kleinen die Sant’Egidio kennengelernt hatten.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 33 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

Später kamen Gemeinschaften in der dere an diesem Programm ist, dass tik und Politik“, so der gleichnamige Elfenbeinküste, Mosambik, Russland neben der Ausgabe von antiretrovi- Buchtitel von Hanspeter Oschwald im und der Ukraine dazu. ralen Medikamenten auch ein per- Herder-Verlag. Ab 1987 wurden die alljährli- sönlichkeitsaufbauendes Programm chen interreligiösen Nachfolgetref- steht, in der die heilende Wirkung Gemeinschaft Sant’Egidio als Vorbild fen von Assisi (von Johannes Paul Jesu Christi eine tiefe Wirkung hat. 1. Die GKS als Gebetsgemein- II initiiert) durch die Gemeinschaft Personen, die ganz am Boden waren, schaft Sant’Egidio organisiert und durch- erfahren eine totale Veränderung und Die Gemeinschaft Katholischer geführt. Es folgten Treffen in Bari, schöpfen neuen Lebensmut. Diese Soldaten muss eine Gebetsgemein- Mailand, Florenz, Venedig, Brüssel, Frauen und Männer sind anschlie- schaft sein, so wie es einer ihrer Grün- Warschau und Malta. Vom 6. bis 8. ßend die erfolgreichsten Vermittler derväter, Oberst Dr. Helmut Korn, September 2009 fand das Treffen der des DREAM-Projekt. gefordert hat. Jesus Christus ist das Religionen und Kulturen im Geiste Haupt der Gemeinschaft Katholischer von Assisi in Krakau statt, siebzig Das Geheimnis von Sant’Egidio Soldaten. Durch Jesus Christus sind Jahre nach dem Ausbruch des zwei- Liebe und Freundschaft alle Mitglieder der Gemeinschaft mit- ten Weltkriegs. Dem Friedensgebet für die Armen einander verbunden. Ohne Ihn kön- geht jeweils ein Kongress voraus, in Die Gemeinschaft Sant’Egidio nen sie nichts positives bewirken, dem über konkrete Möglichkeiten für zeichnete sich von Anfang an durch gemäß dem Wort Jesu: „Ich bin der den Frieden beraten wird. Die Tref- eine „zuvorkommende Liebe zu den Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in fen wurden zum wichtigen Knoten- Armen und Bedürftigen aus, gemäß mir bleibt und in wem ich bleibe, der punkt für das inzwischen weltweite den Worten Jesu „Was ihr für einen bringt reiche Frucht; denn getrennt Netzwerk von Beziehungen, vor allem meiner geringsten Brüder getan habt, von mir könnt ihr nichts vollbringen“ zu den verschieden Kirchen, zur is- das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) (Joh 15,5). Die räumliche Trennung lamischen Welt und zum Judentum. „In ihrer Begegnung mit den Armen der einzelnen GKS-Mitglieder dürfte Im Mittelpunkt dieser interreligiö- findet sich keinerlei Bevormundung kein entscheidendes Hindernis für sen Treffen mit Christen verschiede- oder Herablassung, sondern Achtung, eine Gebetsgemeinschaft sein. ner Konfession, mit Moslems, Juden Aufmerksamkeit und Offenheit für ei- Buddhisten, Taoisten, Hindus, Kon- nen stets einmaligen Austausch für 2. Einsatz für Frieden fuzianer und verschiedne anderen eine geschwisterliche Freundschaft“ und Gerechtigkeit Religionen und Kulturen steht im- (aus der Laudatio für Andrea Riccardi Die Gemeinschaft Katholischer mer die gemeinsame Aussage: Re- von Michel Camdessus, ehem. Gene- Soldaten fühlt sich in besonderer Wei- ligion kann niemals der Grund für ralsekretär des Internationalen Wäh- se dem folgenden Satz aus der Konsti- einen Krieg sein! rungsfonds). tution „Gaudium et Spes“ Nr. 79 ver- 1992 wurde in Rom nach Ver- pflichtet: „Wer als Soldat im Dienste mittlung durch die Gemeinschaft Ausrichtung am Evangelium des Vaterlandes steht, betrachte sich Sant’Egidio der Friedensvertrag Die Praxis orientierte Auslegung als Diener der Sicherheit und Freiheit zwischen den seit fünfzehn Jahren des Evangeliums durch Laien gehört der Völker. In dem er diese Aufgabe verfeindeten Bürgerkriegsparteien zu den wesentlichen Standarts der recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Fes- Mosambiks unterzeichnet. Ende der Gemeinschaft Sant’Egidio neben dem tigung des Friedens bei.“ Neunziger Jahre wurde Friede zwi- täglichen gemeinsamen Gebet. „Das Dieser, für christliche Soldaten schen den Bürgerkriegsparteien in Gebet ist diese unterscheidende Di- entscheidende Satz aus dem II. Vati- Guatemala durch eine weitere Ver- mension, in deren Abwesenheit unser kanischen Konzil muss Maßstab und mittlung von Sant’Egidio geschlos- Handeln zur Aufgeregtheit und das Leitlinie für alles soldatische Han- sen, der heute immer noch anhält. Christentum zu einer Ideologie ver- deln werden. Die Forderung stellt Heute hat die Gemeinschaft in käme“ (Camdessus). eine Wende im Selbstverständnis des Rom 20.000 aktive Mitglieder und Soldaten dar, weil es nicht mehr aus- unterhält dort ca. 400 Suppenkü- Verantwortung für die Welt schließlich um die Interessen der ei- chen für Arme und Bedürftige, dar- Sant’Egidio ist eine Frucht des 2. genen Nation geht, sondern auch um unter auch viele Asylsuchende. Da- Vatikanischen Konzils, das die Welt- das Wohl der Bevölkerung im Einsatz- rüber hinaus werden auch kostenlos verantwortung des Laien in der Kons- land. Frieden und Sicherheit sind of- Medikamente unter ärztlicher Bera- titution „Gaudium et Spes“besonders fensichtlich für betroffene Menschen, tung ausgegeben und sozialrechtli- herausgestellt hat. Gern wird in der besonders Frauen, Kinder und älte- che Beratung durchgeführt. Weltweit Gemeinschaft der folgende bekann- re Menschen in Krisengebieten von werden derzeit 60.000 Mitglieder te Satz des evangelischen Theolo- größter Bedeutung und das höchste gezählt. Die größten Zuwachsraten gen Karl Barth zitiert: „Ein moderner humanitäre Gut. Beim Lernen von gibt es in Afrika. Sant’Egidio führt Christ ist ein Mensch, der in der einen Sant’Egidio geht es nicht darum, dass dort das erfolgreiche Antidrogen- Hand die Bibel und in der anderen die deutsche Streitkräfte zu einer humani- und Aidsprojekt DREAM (Drug Re- Zeitung hat.“ Zusammengefasst kann tären Hilfsorganisation mutieren, die source Enhancement against AIDS man Sant’Egidio mit drei Worten auf Suppenküchen unterhält und Medika- and Malnutrition) durch. Das beson- einen Nenner bringen „Bibel, Mys- mente an Hilfsbedürftige verteilt. Die

34 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 GESELLSCHAFT NAH UND FERN

GKS muss das Alleinstellungsmerk- Es genügt auch nicht, dass Hilfsor- b. Die FDLR (ehemalige Hutumili- mal heutiger Streitkräfte herausar- ganisationen mit staatlicher, finan- zen, die mittlerweile kongolesi- beiten und bestärken. Dieses besteht zieller Unterstützung einen Teil der sche Frauen haben) müssen mit darin, zusammen mit lokalen Sicher- Opfer, meist Frauen und Kinder medi- nachhaltigen Angeboten in die heitskräften die Voraussetzungen da- zinisch behandeln. Die Bundesregie- Zivilgesellschaft integriert wer- für zu schaffen, dass in einem ausge- rung muss zusammen mit der Europä- den. Ein entsprechender Vermitt- wogenen Gesamtkonzept der nachhal- ischen Union darauf dringen, dass die lungsversuch von Sant’Egidio ist tige Prozess zu Frieden und Gerech- schweren, systematischen Menschen- u.a. wegen mangelnder finanziel- tigkeit eingeleitet werden kann, bei rechtsverletzungen im Ost-Kongo im ler Mittel gescheitert (siehe „ka- dem die einheimische Bevölkerung Rahmen der „Responsibility to Pro- tastrophale Menschenrechtslage die wesentliche Verantwortung trägt. tect (R2P)“ überhaupt verhindert wer- im Ost-Kongo, Seite ). Zivile humanitäre und entwick- den. Dazu bedarf es keines erneuten Die Gemeinschaft Katholischer lungspolitische Hilfsorganisationen, militärischen Einsatzes, es genügen Soldaten wäre auf Grund ihre Unab- die ohne jeden Zweifel weltweit nach- finanzielle Mittel für folgende Zwecke: hängigkeit, Glaubwürdigkeit und Un- weislich große humanitäre Erfolge a. Die reguläre kongolesischen eigennützigkeit in besonderer Weise und Fortschritte erzielt haben, tragen Streitkräfte (FARDC) im Ost-Kon- geeignet, Fürsprache im Parlament in Krisengebieten mit fundamentalis- go müssen angemessen bezahlt und bei der Bundesregierung für die tischen Glaubensfanatikern und an- und ihre Familien menschenwür- geschundenen Menschen zu leisten, archistischen Rebellengruppen zur dig untergebracht werden, damit besonders wenn die genannten Insti- Verschlimmbesserung und Verlänge- diese Truppenteile nicht plün- tutionen erwarten, dass die deutschen rung der üblen Gesamtsituation bei, dernd und vergewaltigend durch Soldaten bei ihren Auslandseinsätzen wenn sie auf sich allein gestellt sind, das Land ziehen. ihr Leben aufs Spiel setzen. ❏ wie Mary B. Anderson in „Do Not Harm“ nachgewiesen hat (Vgl. auch „Chancen und Grenzen der Zivilen Konfliktbearbeitung“ im AUFTRAG 276 S. 8ff). Die „Friedenskonsolidie- rung in der Konfliktfolgephase“ (post- Kurznachrichten conflict peace-building) der Agen- da for Peace (Ziffer 55ff.) hat im 21. Militärischer Einsatz ist oft letztes Mittel Jahrhundert eine wichtige Brücken- funktion für weltweite Entwicklung er Hildesheimer Bischof Norbert Trelle hält den Einsatz mi- zu Frieden und Gerechtigkeit (siehe Dlitärischer Mittel unter bestimmten Voraussetzungen für ge- Mittelamerika, Süd-Ost-Asien, Bal- rechtfertigt. Der Mensch habe den Auftrag, die Welt vom Terro- kan ect.). Die Gemeinschaft Katholi- rismus zu befreien; wenn dabei alle friedlichen Mittel versagten, scher Soldaten muss bei ihrer Lobby- bleibe oft als letztes Mittel nur der militärische Einsatz, sagte der Arbeit im Deutschen Bundestag und Diözesanbischof am 4. Februar in Hildesheim. Militärische Ge- bei der Bundesregierung ständig dar- walt, etwa in Afghanistan, dürfe jedoch nur eingesetzt werden, „um auf dringen, dass das Gesamtkonzept dadurch zivile Hilfsmaßnahmen wirksam werden zu lassen und eines Friedenseinsatzes zielführend Lebensräume zu öffnen, in denen Menschen wieder in Sicherheit ist und Soldaten nicht als Lücken- und Gerechtigkeit miteinander leben und arbeiten können“, so büßer einer verfehlten Politik miss- der Bischof. Er äußerte sich beim Friedensgottesdienst unter dem braucht werden. Motto „Wenn Du Frieden willst, bewahre die Schöpfung“, an dem rund 500 Soldaten und zivile Mitarbeiter der Bundeswehr sowie 3. Einsatz für die Angehörige von Polizei und Bundespolizei teilnahmen. geschundene Bevölkerung Weiter sagte Trelle, wo die Umwelt zerstört werde, komme es Die Gemeinschaft Katholischer oft zu Kriegen um die Existenzgrundlagen der Menschen. Daher Soldaten sollte ihren gesamten Ein- sei mit dem militärischen Einsatz in Afghanistan zu Recht auch fluss geltend machen, damit die Lage ein ziviler Hilfseinsatz verbunden. Denn wo Menschen bedroht der geschundenen Bevölkerung in den und ihrer Existenzgrundlagen beraubt würden, dürfe man nicht Einsatzgebieten der Bundeswehr zum tatenlos zuschauen, unterstrich der Bischof. Ausdrücklich zollte Besseren geführt wird. Es ist nicht Trelle den Soldaten, die bei einem „gerechtfertigten militärischen hinzunehmen, dass deutsche Soldaten Einsatz Leib und Leben“ einsetzen, Dank, Respekt und Anerken- in einen nicht ungefährlichen Einsatz nung. Sie seien die Hüter der Ordnung, des Rechts, der Sicher- wie z.B. in die DR Kongo gesandt wer- heit, des Friedens und der Freiheit in Deutschland und jenseits den, um die dortigen demokratischen der deutschen Grenzen. Damit leisteten sie den Menschen einen Wahlen abzusichern und anschlie- wichtigen Dienst, betonte Trelle. (KNA) ßend Teile des Landes (Ost-Kongo) bis heute noch in einer katastropha- len Menschenrechtslage verbleiben.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 35 BILD DES SOLDATEN Internationaler Soldatengottesdienst im Hohen Dom zu Köln

VON BERTRAM BASTIAN

m Donnerstag, den 21. Januar der Fürbitten in verschieden Spra- ein Werk Gottes ist, wie der Mensch. A2010 fand der Internationale Sol- chen, vorgetragen durch Schüler der Somit sollte der Mensch als Ebenbild datengottesdienst im Hohen Dom zu Sprachenschule Hürth (Bild 2). Die Gottes mit dieser Schöpfung auch res-

Bild 1: Soldatinnen und Soldaten Bild 2: Teilnehmer der Sprachenschule Hürth aus vielen Nationen nehmen unterstützen als Messdiener an dem Gottesdienst teil und tragen die einzelnen Fürbitten später im die Feier des Internationalen Gottesdienst in ihrer Landessprache vor Soldatengottesdienstes im Hohen Dom zu Köln musikalische Umrahmung der Feier pektvoll umgehen. Er forderte alle auf, geschah nicht nur durch eine Abord- „für die Bewahrung dieser Weltwirk- Köln statt. Eingeladen hatte der Lei- nung der Militärmusik, sondern auch lichkeit einzutreten, dann für unsere tende Katholische Militärdekan Mainz durch den Männerchor Köln-Wahn Nachbarn und Freunde, dann für un- (mit vorläufigem Dienstsitz ), unter der Leitung von HptFw Markus sere Gesellschaft und dann für unse-

Bild 3: Der Männerchor Köln-Wahn unter der Leitung von HptFw Markus Bild 4: Nach zwölf Jahren in Wolters (nicht im Bild) trug mehrere Lieder vor den Diensten der Katholischen Militärseelsorge kehrt Militärdekan Msgr Rainer Schnettker, zusammen Wolters (Bild 3). In seiner Predigt ging Gregor Ottersbach (rechts) in die mit dem Erzbischof von Köln, Joa- Kardinal Meisner auf den Umgang des Erzdiözese Köln zurück. Links im chim Kardinal Meisner. Soldaten aller Menschen mit der Schöpfung ein, so Bild der Kölner Erzbischof Joachim Teilstreitkräfte sowie Angehörige der wie das diesjährige Wort des Papstes Kardinal Meisner. Bundespolizei unterstützten die Hei- zum Weltfriedenstag vorgegeben hat- lige Messe durch Messdiener (Bild 1) te (Rede Benedikt XVI. auf Seite 5). re Mitwelt“. In seinen Schlusssegen sowie durch das Vortragen der Le- Eindringlich führte der Kölner Erzbi- schloss er nicht nur alle Soldatinnen sung (in Deutsch und Englisch) und schof aus, dass die Schöpfung ebenso und Soldaten sowie Angehörige der

36 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 BILD DES SOLDATEN

Bundespolizei im In- und Ausland ein, und durch Trommeln auf sich aufmerk- zu feiern. Er überbrachte die Grüße sondern bat auch um den Segen für sam, wobei diese Gruppe nicht wahr- des Militärbischofs Walter Mixa und diejenigen, die auf der Domplatte ihre haben möchte, dass die Rechte, welche verabschiedete in diesem Rahmen Mi- Meinung kundtaten. sie selbstverständlich in Anspruch neh- litärdekan Gregor Ottersbach, der nach Während für einige der Gäste ein men wie Rede- und Versammlungsfrei- 12 Jahren in der Militärseelsorge zu- Empfang im Maternus Haus stattfand, heit von den Taliban dem afghanischen rück ins Erzbistum Köln ging (Bild 4). hatten die übrigen Teilnehmer des Got- Volk vorenthaltet wurden. Für den Verteidigungsminister sprach tesdienstes die Möglichkeit mit einem Vor dem Empfang im Maternus der Inspekteur Heer, GenLt Hans-Otto Bus eine Stadtrundfahrt vorzunehmen Haus, bat Msgr. Rainer Schnettker um Budde, der Militärseelsorge den Dank oder zu Fuß die Altstadt um den Dom zu die Grußworte. Für die Militärkurie be- für den Dienst an den Soldaten, gera- erkunden. Auf der Domplatte bestand dankte sich der Militärgeneralvikar, de auch im Auslandseinsatz, aus. Der die Möglichkeit, bei einer Suppe mit Apostolischer Protonotar Walter Wa- Bundesvorsitzende der GKS, OTL i.G. den Bürgerinnen und Bürgern ins Ge- kenhut, für die Bereitschaft des Kar- Rüdiger Attermeyer beschloss die Rei- spräch zu kommen. Eine Handvoll De- dinals, mit den Soldatinnen und Sol- he der Grußworte. Seine Rede ist im monstranten machte mit Transparenten daten diesen wichtigen Gottesdienst Anschluss abgedruckt.

Rede des Bundesvorsitzenden Beitrag zum Frieden ist Bewahrung der Schöpfung

VON RÜDIGER ATTERMEYER

apst Benedikt XVI. hat für den einsatz der Bundeswehr, die auf brei- im November 2004 wurde in der Er- P43. Weltfriedenstages im Jahr teres Interesse in der Gesellschaft als klärung „Friede ist möglich“ für je- 2010 als Thema vorgegeben:„Wenn in der Vergangenheit trifft. Die bei- den Einsatz ein schlüssiges Gesamt- du den Frieden willst, bewahre die den großen christlichen Kirchen in konzept gefordert, das alle, zivile wie Schöpfung“ Deutschland bringen sich dabei ak- militärische Möglichkeiten, abge- Damit werden wir alle angespro- tiv ein. Diese breite Diskussion hat stuft und abgestimmt einsetzt. Nur chen, die zunehmende Umweltkrise uns viele Jahre gefehlt, das war nur unter diesen Rahmenbedingungen wird uns alle betreffen und wir alle ein Thema für Spezialisten – mithin erscheint der Einsatz militärischer haben Einfluss auf die weitere Ent- auch für Soldaten. In der öffentlichen Kräfte ethisch begründbar, weil nur wicklung. Der globale Klimawandel Debatte wird jetzt der Wunsch nach in einem solchen Gesamtkonzept si- mit den Auswirkungen Abschmelzen einem baldigen Rückzug der Solda- chergestellt werden kann, dass mi- der Polkappen und Ausdehnung der ten aus Afghanistan geäußert und das litärische Gewalt die „ultima ratio“, Wüsten ist da nur ein Aspekt. Die Stichwort „Vernetzte Sicherheit“ wird das letzte Mittel bleibt. fortschreitende Abholzung der tro- für manchen in der Öffentlichkeit Im Jahr 2008 haben wir diese pischen Regenwälder und unwie- erstmalig mit Inhalt gefüllt. Allein Position als Kriterien für Ausland- derbringliche Verluste in der Ar- schon durch das Eingreifen und das seinsätze unter der Überschrift „Ver- tenvielfalt sind weitere Beispiele, gegenwärtige Engagement sind alle antwortung übernehmen – moralisch ich könnte gar nicht alle nennen. beteiligten Nationen eine Verpflich- handeln“ an alle Abgeordneten des Als Auswirkungen dieser Entwick- tung gegenüber dem afghanischen Deutschen Bundestages versandt. lungen in unserer Umwelt könnten Volk eingegangen. Ein Rückzug ohne Wenn sich jetzt der Eine oder die An- sich für die Menschen unmittelbar wirkliche Veränderung des alten Zu- dere bei der politischen Arbeit daran eine wachsende Anzahl von Umwelt- standes ist daher nicht verantwortbar. erinnert und diese Saat aufgeht, wür- flüchtlingen und Konflikte um den Die Möglichkeit zu einem vertret- de uns das sicher freuen. Ein wirk- Zugang zu den natürlichen Ressour- baren Rückzug der Streitkräfte wird licher Erfolg wäre aber, wenn durch cen, z.B. Wasser, ergeben. Wenn man vom Erreichen bestimmter Ziele ge- konsequentes Handeln nach dieser aber diese Auswirkungen betrachtet, steuert und weniger von einem Zeit- Debatte die Lebensbedingungen der dann wird klar, dass wir Menschen plan. In der gegenwärtigen Diskus- Menschen in Afghanistan nachhaltig für die Voraussetzungen des Friedens sion kristallisiert sich heraus, dass verbessert würden. auch selbst Verantwortung überneh- ein Erreichen von Verbesserungen Und wenn wir diese unsere Auf- men müssen. Hier ist unser eigenes in den Lebensbedingungen für die gabe recht erfüllen, dann leisten wir Handeln erforderlich, jeder an sei- Afghanen auf der Basis von Stabi- im Sinne des Leitgedankens zum nem Platz. lität und Sicherheit nicht mit mili- diesjährigen Weltfriedenstag unse- Ich sehe uns in Deutschland ge- tärischen Mitteln allein möglich ist. ren spezifischen Beitrag zum Frie- rade inmitten einer sicherheitspoliti- Die GKS hat sich bereits mehrfach den und damit auch zur Bewahrung schen Debatte um den Afghanistan- zu diesem Thema geäußert: bereits der Schöpfung. ❏

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 37 BILD DES SOLDATEN Renovabis würdigt Engagement

berstabsfeldwebel Peter Weber men mit Partnern aus einzelnen der O(im Bild links) vom Katholikenrat insgesamt 29 Renovabis aufgetrage- beim Katholischen Militärbischof, der nen Ländern den Schwerpunkt der mit seinen Kameraden für benachtei- Inlandsarbeit übers Jahr, bei Renova- ligte Zivilisten in Albanien, Bosnien bis-Pfingstaktion und aus Anlass des und andernorts als ehrenamtlicher Zweiten Ökumenischen Kirchentages Partner und Helfer präsent war, hat 2010 in München vermittelt: Unter dieser Tage am bundesweiten Part- dem Motto „Alle sollen eins sein – nerschaftstreffen der Osteuropa-Soli- Miteinander handeln im Osten Eu- daritätsaktion Renovabis in Freising ropas!“ soll nämlich das christliche teilgenommen. Beim Jahrestreffen der Glaubenszeugnis und damit das ge- Renovabis-Partner begegnete er auf meinsame soziale Handeln im Osten dem Domberg rund 130 Gleichge- durch Menschen, die dort zuhause sinnten und sammelte neue Kraft für Der Hauptgeschäftsführer sind, aber auch von uns Nachbarn seine Einsatzfreude und die Bewusst- von Renovabis, Pater Dietger hier im Westen in den Blick genom- seinarbeit für ein zusammenwachsen- Demuth (rechts) unterhält sich mit men und bestärkt werden. des Europa. OStFw Peter Weber (links), dem „Genau in dieser Weise engagiert Er unterhielt sich auch mit Pater Vorsitzenden des Sachausschusses sich Peter Weber seit vielen Jahren“, Dietger Demuth (rechts im Bild), dem V „Soziales Engagement“ des lobte Demuth. Hauptgeschäftsführer von Renovabis. Katholikenrates beim Katholischen (Text und Bild: Der Pater hat bei dem Treffen zusam- Militärbischof Pressedienst Renovabis)

Seminar für Funktionsträger der GKS Kurznachrichten: Papst Benedikt XVI. fordert Schutz und Sicherheit für Irak om 18. bis 20. Juni 2010 findet sorge in Deutschland bis hin zu den er Irak und besonders Christen Vin Mülheim/Ruhr unter der Lei- haushaltsrechtlichen Rahmenbedin- Dund andere religiöse Minder- tung des Haushaltsbeauftragten OSt- gungen, die von den Funktionsträ- heiten im Irak brauchen den Schutz Fw a.D. Johann A. Schacherl das Se- gern der GKS zu beachten sind. In der internationalen Gemeinschaft. minar für Funktionsträger des GKS diesem Seminarabschnitt stellt der Dazu rief Papst Benedikt XVI. in statt. Dieses Seminar findet im 2 jäh- IT-Beauftragte der GKS, OStFw a.D. seinem Appell am gestrigen Sonn- rigen Rhythmus statt und soll die neu- Hubert Berners das von ihm entwik- tag auf. Er forderte konkreten Ein- en Funktionsträger in unserer Ge- kelte Programm vor, welches er auf- satz, damit den Irakern eine Zu- kunft der Versöhnung und der Ge- meinschaft in die Tricks und Kniffe grund seiner eigenen Erfahrungen rechtigkeit gegeben werde. „Mit einweisen, die für die alten Fahrens- als Kreisvorsitzender so gestaltet hat. tiefer Trauer“ habe er von den tra- leute schon das tägliche Brot gewor- Der Bundesvorstand bringt sich in gischen Nachrichten über die Er- den sind. Aus diesem Grund ist der dieses Seminar ein und so wird auch mordung von Christen in der Stadt „Mix“ der Teilnehmer zwischen ganz der Bundesvorsitzende sicherlich et- Mossul erfahren, erklärte Papst Be- Jungen, schon länger im Amte Be- was über die neue Ordnung der GKS nedikt XVI. Mit lebhafter Sorge be- findlichen und ganz alte Hasen eine sagen, die – so ist es geplant – eine obachte er die weitere Eskalation geradezu hervorragende Mischung. Woche vorher auf einem außerordent- der Gewalt im Irak, bezeugte er vor Kreisvorsitzende, die schon ein Jahr lichen Bundeskonferenz inFulda ver- den Pilgern auf dem Petersplatz. und länger im Amt sind, erfahren hier, abschiedet wird. Der Papst beklagte, dass es erneut warum die Sachen so sind, die älte- Anmeldeschluss zu diesem Se- im Irak zum Schaden von wehrlo- sen Menschen verschiedener Reli- ren geben ihre Erfahrungen mit den minar ist der Donnerstag, 15. April gionszugehörigkeit gekommen sei. gesetzlich geregelten Haushalten wei- 2010 beim Haushaltsbeauftragten. Der Papst rief die christlichen Ge- ter und die ganz jungen nehmen so Das dazu erstellte Formblatt kann meinden des Irak dazu auf, nicht nebenbei die Erfahrungen auf, ohne beim örtlichen GKS-Kreis oder müde zu werden, „Sauerteig des dass sie die gleichen Fehler ebenfalls durch eine E-Mail an die Redaktion Guten für das Vaterland zu sein, machen müssen. ([email protected]) zu dem ihr seit Jahrhunderten als Das Programm ist vielfältig und angefordert werden. Es wird dann als vollwertiger Teil gehört“. schlägt einen Bogen von den recht- beschreibbare Word-Datei dem An- (ZENIT) lichen Grundlagen der Militärseel- fragenden zugesandt werden. (BB)

38 AUFTRAGAUFTRAG 277 • MMÄRMÄRZÄ Z20Z 20100 RELGION UND GESELLSCHAFT Bericht aus der Vollversammlung des „Landeskomitee der Katholiken in Bayern“

VON REINHARD KIESSNER

as Landeskomitee der Katholiken in Bayern ist der Zusammenschluss der Diözesanräte der bayerischen Bistümer und der auf Landesebene tätigen kirchlich anerkannten Organisationen und Einrichtungen. Als Dkirchlicher Verband stellt die GKS einen Delegierten im Landeskomitee. Zur Zeit OStFw Reinhard Kieß- ner Kreisvorsitzender München und stellv. Vorsitzender im Bereich Süd der GKS. Durch die Teilnahme als De- legierte in den verschiedensten Ebenen der Laienorganisationen der Katholischen Kirche werden die Ziele der GKS verfolgt, sich in allen Bereichen des Meinungsbildungsprozesses hinsichtlich „Gerechtigkeit und Frieden“ einzubringen.

m Landeskomitee dem höchsten Offenheit für neue Menschen, die zu einsetzen. Dazu gehört, dass sie die IGremium auf bayerischer Landes- dieser Gemeinschaft gehören wollen, Verantwortung der Laien in der Kirche ebene ging es in der Herbstvollver- auch Fremde. am Ort ernst nimmt und unterstützt. sammlung um das Leben auf dem 1. Ein besonderes Markenzeichen 3. Die Land- und Forstwirtschaft Land. Auch die Bundeswehr zieht sich dieser Gemeinschaft sollte die Wert- in all ihren Formen hat auch künftig immer mehr aus der ländlichen Regi- schätzung der Familien sein. Diese eine wichtige Funktion. Die Bedeu- onen zurück und deshalb sollten die Aspekte der einstimmig beschlosse- nen Veröffentlichung länderübergrei- fend für künftige Stationierungskon- zepte Berücksichtigung finden.

In Bayern auf dem Land wohnen und arbeiten – künftig Traum oder Albtraum? Die ländlichen Räume haben ihre Stärken: Sie bieten überschaubare Lebensräume, ein stabiles soziales Umfeld, qualifizierte Arbeitsplätze und besitzen hohen Freizeit- und Er- holungswert. Werden, Wachsen und Vergehen lassen sich dort unmittel- bar erleben – ein wichtiger Bestand- teil menschlicher, auch religiöser Er- fahrung. Aber diesen Stärken stehen OStFw Reinhard Kießner während der Beratungen in der Herbstvollver- Probleme gegenüber: Manche Ge- sammlung des Landeskomitees Bayern (Foto: Thomas Jablowsky) biete sind gekennzeichnet von Ab- gelegenheit, Strukturschwäche, hoher wird eher gelingen, wenn sich das tung einer multifunktionalen Land- Arbeitslosigkeit, niedrigen Einkom- ganze Dorf als „eine Familie“ begreift, bewirtschaftung für alle, wie Ernäh- men, einer ungünstigen Altersstruktur wenn die Generationen einander als rungssicherung, Landschaftspflege, sowie hohen Sterbe- und Abwande- Bereicherung sehen. Die demografi- Naturschutz und dezentrale Energie- rungsverlusten. Der ländliche Raum sche Entwicklung wird sich in den gewinnung, wird zunehmend deutlich. ist also kein homogenes Gebilde, den- nächsten Jahrzehnten auf die länd- Derzeit befinden sich viele landwirt- noch sieht das Landeskomitee der Ka- lichen Räume Bayerns zwar unter- schaftliche Betriebe in existenziellen tholiken in Bayern für die ländlichen schiedlich, in jedem Fall aber gravie- Schwierigkeiten. Sie brauchen unsere Gebiete folgende gemeinsamen Her- rend auswirken. So werden erhebliche Solidarität und Wertschätzung. ausforderungen: Veränderungen unserer Kommunen 4. Der Klimawandel wird das Le- Unsere Dörfer zeichnen sich aus und unserer Pfarrgemeinden notwen- ben auf dem Land verändern, zum durch die erfahrbare Gemeinschaft dig, die Staat und Kirche rechtzeitig Beispiel die Land- und Forstwirtschaft von Menschen. Dabei sollte Gemein- in die Wege leiten müssen, wenn wir sowie den Tourismus. Die absehbare schaft mehr sein als die Summe von „die Kirche im Dorf lassen wollen“. Erschöpfung der Vorräte an fossilen Menschen. Sie lebt vom Miteinander, 2. Die Kirche darf sich mit ih- Energieträgern stellt die bisherige vom Einsatz aller mit ihren je eige- rem pastoralen Angebot nicht aus den Praxis des Pendelns in Frage und ver- nen Talenten. Sie lebt von der Aner- Dörfern zurückziehen. Sie muss sich langt eher nach einem funktionieren- kennung, der Wertschätzung und der weiterhin vor Ort für die Menschen den Netz an öffentlichen Verkehrsmit-

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 39 RELGION UND GESELLSCHAFT teln. Unnötige Verkehrsströme können dung, der verbandlichen und offenen gebieten hat das Landeskomitee in durch eine gut ausgebaute Telekom- Jugendarbeit sowie der Erwachse- einem Diskussionspapier zusammen- munikationsstruktur vermieden wer- nenbildung. Zudem müssen verstärkt gestellt und ruft alle, die an der Ent- den. Gleichzeitig braucht es mehr Ar- Hochschul- und Forschungseinrich- wicklung des ländlichen Raumes teil- beitsplätze und innovative Arbeitsfor- tungen im ländlichen Raum angesie- haben können, auf, diese Herausfor- men auf dem Land. delt werden. derungen gemeinsam zu meistern, da- 5. Bildungskonzepte für ländli- 6. Die Globalisierung erfasst alle mit es attraktiv bleibt, in Bayern auf che Räume sollten sich am Grund- Lebensbereiche und hat die Tendenz, dem Land zu leben und zu lernen, zu satz „Kurze Beine, kurze Wege“ ori- regionale und lokale Besonderhei- wohnen und zu arbeiten. entieren, damit Kinder vor Ort lernen ten zu nivellieren. Deshalb müssen Von der Vollversammlung des können. Dieses Ziel gilt prinzipiell regionale Kultur und Wirtschaft ge- Landeskomitees der Katholiken in auch für Einrichtungen und Angebote stärkt und erhalten werden. Detaillier- Bayern am 14. November 2009 ein- der beruflichen Aus- und Weiterbil- te Überlegungen zu einzelnen Sach- stimmig beschlossen.

Mitgliederversammlung der Katholischen Akademikerarbeit Deutschlands Jugendpastoral – der Weg in Köln

m Samstag, den 14. November Stadt Köln die Kirche St. Johann Bap- und Durchführung der Salzburger A2009 fand die Jahresvollver- tist zur Verfügung gestellt. Bekannt Hochschulwochen im August 2009. sammlung der Katholischen Akade- wurde diese Kirche über die Stadt- Dabei wurde wiederum deutlich, dass mikerarbeit Deutschlands (KAD) im grenzen von Köln, als beim U-Bahn die KAD noch nicht den Bekannt- Arminenhaus in Bonn statt. Zuvor Bau in der Domstadt der Kirchenturm heitsgrad hat, der wünschenswert feierten die Teilnehmer eine Heilige absackte und umzustürzen drohte. wäre. Hier sind noch Handlungsfel- Messe in der Kapelle des Elisabe- Nach der Renovierung wurde die Kir- der bei den Mitgliedsverbänden, da- che umgestaltet und beherbergt jetzt ein Café und die Kirche. Die Kirche für den Raum zum Glauben und das Café als Raum zum Leben. So wie der Glaube das Leben braucht, braucht das Leben den Glauben. Hier ent- stand das neue Angebot der Katho- lischen Kirche für Jugendliche un- ter dem Namen „CRUX – Glauben. Katholisch.Leben“ mit einem an das Andreaskreuz angelehnten Kreuz als Zeichen. Das Kreuz ist ausgestreckt zwischen rechts und links, zwischen oben und unten und will Jugendliche miteinander und mit Gott in Verbin- dung bringen. Die Angebote sind Bild 2: Der neu gewählte Präsident Bild 1: Stadtjugendpfarrer für alle offen, es werden aber auch MinDir a.D. Dr. Wolfgang Burr, Dr. Dominik Meiering hielt den angebotsorientierte Programme für links und der Alt-Präsident Dr. Festvortrag bestimmte Zielgruppen angeboten. Wolfgang Löhr während der Wer über diese erfolgreiche Jugend- Vollversammlung thkrankenhauses mit dem Festred- arbeit näheres erfahren möchte, kann ner, Pfarrer Dr. Dominik Meiering dies auf der Internetseite www.crux- mit eine bessere Abstimmung auch (Bild 1). Er ist Stadtjugendseelsorger koeln.de tun. und gerade bei den Vollversammlung in Köln und trug zu seiner Arbeit vor Die anschließende Vollversamm- des Zentralkomitees der Deutschen unter dem Thema: „Jugendpastoral lung der KAD begann mit dem Bericht Katholiken (ZdK) die Interessen stär- – der Weg in Köln“. Die Kirchenge- des Präsidenten. Der Schwerpunkt ker gebündelt und mit mehr Stimmen meinde St. Severin hat der Jugend der der Arbeit lag in der Vorbereitung vorgetragen werden können. Der Be-

40 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 RELGION UND GESELLSCHAFT richt der Vizepräsidentin und Schatz- sammlung ohne Gegenstimme tat. In wählt. Die Beisitzer Heinrich Sud- meisterin Elke Peters wurde mit In- den anschließenden Neuwahlen zum mann und Bertram Bastian wurden teresse zur Kenntnis genommen. Die Präsidium wurde Dr. Wolfgang Löhr bestätigt, Mechtild Kerckhoff wurde Kassenprüfung ergab eine gute und zum Alt-Präsidenten gewählt, als neu gewählt. Als Schriftführer steht nachvollziehbare Buchführung und Präsident wurde Dr. Wolfgang Burr dem Präsidium wiederum Richard endete mit dem Vorschlag, den Vor- (Bild 2) und als Vizepräsidenten Hu- Weiskorn zur Verfügung. stand zu entlasten, was die Vollver- bertus Wübken und Elke Peters ge- (BB)

Mit Werten führen

VON BERTRAM BASTIAN

nter diesem Motto veranstaltete der Bund Katholischer Unternehmer (BKU), gemeinsam mit der Gemein- schaft Katholischer Soldaten (GKS), der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg (IHK) und dem UKatholischen Bildungswerk eine Abendveranstaltung am Montag den 30. November 2009 ab 18:45 Uhr im Gangolfsaal des Münster-Carré. Was können Bundeswehr, Wirtschaft und Kirche in der Frage der Personal- führung und der Förderung von verantwortungsbereiten Nachwuchskräften voneinander lernen? Drei profilierte Führungspersönlichkeiten aus diesen Bereichen stellten sich der Diskussion.

ach der Begrüßung durch den worden. Hier lernte er für die Men- Punkt: „Man muss Gott mehr gehor- NVorsitzenden der Diözesangruppe schenwürde einzutreten, sagte der chen als den Menschen“. Drittens ist Bonn des BKU Ansgar Rother (Bild 1) General. In seinem Vortrag trug Brig- Führen untrennbar verbunden mit den sprach für die GKS Gen Blotz (Bild deren Bundesvor- 3)3 drei Prinzipien sitzender Oberst- vor,v die aus sei- lt i.G. Rüdiger At- nern Sicht das Wer- termeyer (Bild 2) tefundamentt des ein Grußwort und Dienstes als Sol- stellte den Redner datd ausmachten. des Impulsvortra- AAls erstes Prin- ges, BrigGen Jo- zipz stellte er die sef Blotz vor. Die- Grundsätze der ser ist als General InnerenI Führung der Infanterie und alsa die Unterneh- Kommandeur der Bild 1 menskulturm der Bild 3 Infanterieschule Bundeswehr vor, in Hammelburg mit dem Thema der er schilderte die Entstehung und den Geführten. Damit kommt die werteo- Nachwuchsgewinnung und Förderung geschichtlichen Hintergrund, warum rientierte Menschenführung ins Spiel, des Führungsnachwuchses tagtäglich die Bundeswehr sich diesen Werten führte Josef Blotz aus. „Wer Men- mit der Fragestel- verschrieben hat schenwürde verteidigt, muss Men- lung beschäftigt. undu wie die Ar- schen würdig behandeln“ brachte er Zu Beginn sei- meem diesen hohen dieses dritte Prinzip den Zuhörern nes Vortrages schil- AnspruchA erfüllt. nahe. derte der General, AAls zweites führ- Nach diesen „offiziellen“ Prinzi- wie ihn in Hadamar tet General Blotz pien fügte General Blotz seinem Vor- im Westerwald der dasd Gewissen an trag noch drei private Statements an. dortige, damalige undu untermauer- Das erste ist die Tatsache, dass er sich Schul- und Jugend- tet seine These mit seinen Beruf nicht vorstellen könne, pfarrer beeindruckt ZitatenZ des Gene- ohne diese Wertebindung und Gewis- habe. Jener Pfarrer raloberstr Ludwig senserforschung und das man dazu Faxel hat während Beck, aber auch stehe. Für das Dilemma des Soldaten, der NS-Zeit ggen Bild 2 desd ehemaligen in dem dieser potenziell sich befän- die in Hadamar Verteidigungsmi-V de, zitierte der Vortragende „Gaudi- stattfindenden Euthanasiemorde ge- nisters und Bundeskanzlers Helmut um et Spes, Ziff 79: Wer als Soldat im kämpft und ist deswegen auch ver- Schmidt. Er brachte es mit dem Zitat Dienst des Vaterlandes steht, betrach- haftet und unter Beobachtung gestellt des Clemens Kardinal Galen auf den te sich als Diener der Sicherheit und

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 41 RELGION UND GESELLSCHAFT

Freiheit der Völker. Indem er diese Aufgabe recht (ich interpretiere die- ses „recht“ eben als im Sinne der oben beschriebenen Werteorientie- rung) erfüllt, trägt er wahrhaft zur Fes- tigung des Friedens bei.“ Sein drittes Statement war die Bekenntnis zu den Leitbildern des Hl. Martin als „miles protector“ und des Hauptmanns von Karpanaum, der wegen seines Glau- bens von Jesus selbst gelobt wurde, weil sein Glaube beispielhaft war. Ge- Bild 4 Bild 5 neral Blotz schloss seinen Vortrag mit diesen Beispielen, weil die Geschich- dung der IHK Dario Thomas (Bild 5) und das Vorleben der Werte, betonte te hier deutlich mache, dass man als geleitet. Die Fragen berührten alle der Geschäftsführer auf eine Frage Soldat sowohl christlich handeln als Ausbildungsbereiche, sowohl die der aus dem Publikum. auch glauben könne. Bundeswehr, wobei die Einsätze im Im Schlusswort sprach der Lei- Für die Kirche gab der Leiter der Missionsprokur der Salesianer Don Boscos in Bonn, Bruder Jean Paul Muller (Bild 4, rechts) sein Statement ab. Er betonte, dass gerade bei der Beschäftigung mit den sogenannten Problemkindern (eine Hauptaufgabe seines Ordens) eine feste Grundlage in Führung und Wertevorstellungen, die gelebt würden, den Grundstock für einen Ausbildungserfolg darstellten. Auch bei den Salesianern, die sich an den Brennpunkten der Probleme die- ser Welt befänden, sei die Frage von Verwundung oder gar Tod ein ständi- ger Begleiter. Hier helfe nur der feste Glaube und das eigene Wertegerüst, betonte der Vertreter der kirchlichen Bild 5 Organisationen. Der Geschäftsführer der Fassben- Vordergrund standen, als auch die ter des Katholischen Bildungswerkes der Tenten GmbH & Co KG Christian der Salesianer, die mehr als die Ar- Bonn Dr. Josef Herberger noch das Fassbender (Bild 4, links) antwortete mee weltweit operierten. Interessant Dilemma von Kontrolle und Vertrauen für die Wirtschaft. Er stellte dabei so- für die ca. einhundert interessierten an. Nur Kontrolle sei motivationstö- wohl die Firmenphilosophie als auch Gäste (Bild 6) war die Tatsache, dass tend, unbegrenztes Vertrauen sei die die Leitwerte für das Verhalten vor. bei der Firma Fassbender Tenten im Einladung zum Missbrauch. Mit der Beide grundlegende Formulierungen Schwerpunkt des Interesses die jun- Anregung das Verhältnis der beiden werden den Neuanfängern bei Beginn gen Leute standen, die sich bei der Begriffe in der Gesamtschau der Wer- des Arbeitsverhältnisses in Form ei- Ausbildung nicht im Vordergrund be- tevorstellungen zu besprechen, luden ner kleinen Scheckkarte überreicht, fanden. Gerade diese jungen Men- die Veranstalter zu einem kleinen Im- damit jeder Mitarbeiter und Mitar- schen hätten eine besondere Antenne biss mit Umtrunk in den Räumlichkei- beiterin sich überall daran erinnern für die Philosophie des Unternehmens ten des Münster-Carré ein. ❏ kann, worauf die Führung Wert legt. Gerade in einem wirtschaftlichen Un- ternehmen sei Führung wichtig, damit alle an einem Strang und in dersel- ben Richtung ziehen würden, beton- Redaktionsschluss für te Christian Fassbender. Befehl und Gehorsam würden so durch Kommu- nikation ersetzt, erklärte er den an- AUFTRAG 278 wesenden Gästen. Die anschließende Diskussion Freitag, 16. April 2010 wurde vom stellvertretenden Leiter der Abteilung Aus- und Weiterbil-

42 AUFTRAGAUFTRAG 277 • MMÄRZÄÄRZ 2010 BLICK IN DIE GESCHICHTE

Zeitgeschichte − 50 Jahre Bundeswehr Dr. Helmut Kohl, der sechste Bundeskanzler und die Bundeswehr – Vater der militärischen Multinationalität – Teil I

VON DIETER KILIAN

m 3. April 1930 wurde Hel- nitionskolonne (LMK). In jeder Bttr ments- und Brigadeübungen abwech- mut Josef Michael Kohl als gab es 4 bespannte, d.h. von Pferden selnd in der Pfalz und in Unterfran- Ajüngstes von drei Kindern1 des gezogene Geschütze (7,7 cm Feld- ken und das Scharfschießen auf den Finanzbeamten Johann (Hans) Kohl kanone M 96 n.A. – neuer Art – und Truppenübungsplätzen Hammelburg, (1887-1975) und dessen Frau Cäcilie die 10,5 cm leichte Feldhaubitze Lager Lechfeld und ab 1912 auch (1890-1979; geb. Schnur) in Ludwigs- 98/09), 4 Munitionswagen und ei- in Grafenwöhr statt. Das Regiment hafen am Rhein geboren. Vater Hans nen Beobachtungswagen;5 alle waren (Rgt) gehörte mit dem 5. Feldartille- stammte aus der kleinen unterfränki- 6-spännig. Hinter jedem Geschütz rieregiment (FArtRgt) „König Alfons schen Gemeinde Greußenheim, 15 km ritten 7 und hinter jedem Munitions- XIII. von Spanien“ zur 3. bayerischen nordwestlich von Würzburg; der Beruf von Großvater Kaspar ist mit „Acke- rer“ (Bauer) angegeben. Hans verließ den väterlichen Hof und wurde am 19. Oktober 1906 als Zweijährig-Feiwilli- ger zur 4. Kompanie des 23. Infante- rieregiments nach Landau in der Pfalz unter Oberst Rudolf Dänner eingezo- gen.2 Doch das Leben als Infanterist schien ihm nicht behagt zu haben, denn im September 1908 wechselte er zur I. Abteilung des 12. bayerischen Feldartillerieregiments3 und diente in der 3. Batterie. Regimentskom- mandeur war zunächst Oberst Hopf, dann Oberstleutnant Burkhardt und ab 1912 Oberst Hugo Müller. Die I. Abteilung (Abt) unter Ma- jor Stephan Schneider hatte drei Bat- terien (Bttr)4 und eine Leichte Mu- Bild 1: Parade des 12. bayerischen Felsartillerieregiments 1913 in Landau.

1 Hildegard (1922-2003; verh. Getrey); wagen und dem Beobachtungswagen Feldartillerie Brigade, dem stärksten Walter (1926-1944) und Helmut. jeweils 6 Kanoniere. Jede Batterie Artillerie-Großverband Bayerns. Die 2 Angaben zum militärischen Werdegang gem. Personalbogen 26106 des Bayeri- hatte 126 Pferde. Die Batteriechefs Landauer Truppen unterstanden der schen Hauptstaatsarchivs – Kriegsar- und der Chef der LMK waren Haupt- 3. Königlich Bayerischen Infanterie- chiv. leute. Die Friedensausbildung fand division.6 Hans Kohl nahm als junger 3 Aufgestellt am 1. Oktober 1901. Kom- auf zwei Exerzierplätzen bei Landau Soldat mit seinem Regiment vermut- mandeure: OTL Gebhard(1901/02), Oberst Straßner (1902-06), Oberst Hopf (Ebenberg und Insheim), die Regi- lich an den Kaisermanövern 1908 in (1906-09), OTL Burkhardt (1909-1912), Oberst Müller (1912-1916), OTL Pfeif- 5 Die Geschützausstattung war unter- 6 Bis 1916: Generalleutnant Otto Ritter fer (1916-18). schiedlich: 6 Geschütze, 2 Muniti- von Breitkopf; 1916-17: Generalleut- 4 Jede Bttr: 4 Offz, 1 Wachtmeister, 1 onswagen und 1 Beobachtungswagen nant Ritter von Wenninger (+ 1917); Vize-Wachtmstr., 1 Fähnrich, 17 Uffz, (= sog. „hoher Etat“), 6 bespannte 1917: General Ritter von Huller; 1917- 2 Trompeter und 120 Mannschaften Geschütze (= „mittlerer Etat“) und 4 be- 1918: General Karl Ritter von Schoch („Gemeine“). spannte Geschütze (= „niederer Etat“). (1863-1940).

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 43 BLICK IN DIE GESCHICHTE

Elsass-Lothringen und 1909 im Raum der Kavallerie Maximilian Frhr. von übernahm die LMK Nr. 35. Bei seinen Bad Mergentheim teil. Die Artilleri- Speidel. (1856-1943) am 20. Oktober Einsätzen hat er sich wiederholt als sten, besonders die reitenden, wurden in den Bereitstellungsraum bei Lille hervorragender Frontsoldat mit über- von den Infanteristen als „Quetschko- an die Westfront.11 Im Verlauf des Er- durchschnittlichen Leistungen be- saken“ bezeichnet. Dies führte in den sten Weltkrieges kämpfte Hans Kohl währt. 1912 war ihm die Prinzregent- Landauer Gasthäusern nahezu täglich an verschiedenen Abschnitten der Luitpold-Medaille verliehen worden, zu wilden Schlägereien, weshalb die Westfront. Er nahm an den Herbst- und bereits im Dezember 1914 wurde Batteriechefs der Morgenmeldung der Schlachten 1914 in Lothringen ebenso er – vermutlich im Kampf um die flan- Wachtmeister stets mit Bangen ent- teil wie an der ersten Ypern-Schlacht drischen Orte Wijtschate und Mesen gegensahen. Am 1. Dezember 1908 im November. Dort war das Graben (südlich Ypern) gegen die 4. britische wurde Hans Kohl zum Unteroffizier, von Unterständen wegen des hohen Division – mit dem (Preußischen) Ei- 1913 zum Sergeant und im Januar Grundwassers nicht möglich, und sernen Kreuz 2. Klasse und 1917 mit 1914 zum Vize-Wachtmeister beför- so mussten Geschütze und Munition dem bayerischen Militär-Verdienst- dert. Im August 1914 wurde er – un- mit Wällen aus Sandsäcken geschützt kreuz 1. Klasse15 ausgezeichnet. Sein ter Versetzung zur II. Abteilung seines werden. Unteroffizier Kaiser von der Regiment hatte ihn offenbar auch zum Regiments – zum Offizierstellvertreter 3. Batterie schrieb die sarkastischen EK 1 – es galt im Gegensatz zur „va- ernannt; sein Abteilungskommandeur Verse: terländischen“ (= bayerischen) als war Major Hermann Dietl. „Das Haar wächst uns zur Mähne, „fremde“ Auszeichnung – vorgeschla- Als am 31. Juli um 17 Uhr der die Seife wird uns fremd, gen. Allerdings wurde 1942 auf Anfra- Vorbefehl mit dem Stichwort „Dro- wir putzen keine Zähne, wir wech- ge Kohls geantwortet, es lägen darüber hende Kriegsgefahr“ eintraf, befand er seln nie das Hemd. … . keinerlei Unterlagen mehr vor und sich mit dem Regiment zum Schießen Das Einzige, was noch trocken, ein Vorschlag wäre vom Reichwehr- auf dem Truppenübungsplatz Ham- sind Kehle und Humor. Gruppenkommando 4 am 29.11.1919 melburg. Einen Tag später folgte ge- Doch dieser Heroismus, hat keinen abschlägig beschieden worden;16 im gen 18 Uhr der Befehl zur Mobilma- großen Reiz. Frieden werden Bedeutung und Lei- chung. In aller Eile verlegte die Trup- Es zieht der Rheumatismus fürs stung der Logistik schnell vergessen. pe nach Landau zurück. Dort musste Vaterland ins Kreuz.“ 12 Dabei wird die Tapferkeit der Soldaten der Ansturm von Freiwilligen gestoppt Besonders aber belastete eine der Munitionskolonnen in vielen Re- werden, da es für sie keine Unterkunft Rattenplage. Im Oktober 1916 wur- gimentsgeschichten lobend erwähnt: und kaum Verpflegung gab. Hans Kohl de Kohl Gasschutzoffizier seiner Ab- „Ohne Rücksicht auf das feindliche war mit Mobilmachung als Sektions- teilung.13 Er erlebte den Stellungs- Feuer sind ihre Mun(itions)-Wagen bis führer der Leichten Munitionskolonne krieg vor Verdun, die Schlachten an in die Batteriestellungen vorgefahren in der II. Abteilung7 des bayerischen der Somme und in Flandern, sowie er- und haben die dringend erforderliche Reserve-Feldartillerieregiments Nr. 6 neut jene um Ypern. Sieben Jahrzehn- Munition gebracht.“ 17 eingeplant und wurde zum Feldwebel- te später reichten sich Sohn Helmut Der Munitionsverbrauch der Ar- Leutnant8 befördert. Am 9. Oktober und der französische Staatspräsident tillerie war beträchtlich: der einer verlegte seine Abteilung unter Major über den Gräbern die Hand. Im Fe- Feldkanone lag 1917 pro Jahr bei Karl Wurm erneut nach Hammelburg, bruar 1917 wurden die drei LMK aus 168.323 Granaten und 6.170 Gasgra- wo das neue Regiment9 erstmals übte. dem Regiment herausgelöst14 und als naten und der einer leichten Feldhau- Schwierigkeiten gab es durch den ver- Armeetruppe dem VI. preußischen bitze bei 77.911 Granaten und 1.387 späteten Zugang der 1.832 Pferde, die Reserve-Korps unter dem General der Gasgranaten.18 Die LMK übernahmen das Regiment benötigte. Nach kurzer Infanterie Konrad Ernst von Goßler die Munition zumeist direkt von den Ausbildung und Scharfschießen ver- (1848-1933) zugeordnet; Hans Kohl Munitionszügen. Ab Mitte November legte der Verband im Rahmen der 6. 1918 marschierte der Verband von Königlich Bayerischen Reserve-In- Disposition) von Scanzoni (Jan 1915 Hans Kohl, er war inzwischen Chef 10 bis Jan 1917), GenMaj Paul Ritter von fanterie-Division unter dem General Köberle (bis Juni 1918) und danach einer Munitionskolonne – in den Frie- 7 Das Regt hatte 3 Abt mit je 3 Battr und GenMaj Georg Meyer. In dieser Division 1 LMK. Eine LMK bestand aus 3 Offz, diente auch der Gefreite Adolf Hitler als 15 1866 durch König Ludwig II. gestiftet; 14 Uffz und 158 Mannschaften, sowie Meldegänger der 1. Kp des ResInfRgt bis 1905 gab es nur das MVK. Von 1905 198 Pferden. Der Fahrzeugbestand: 16 unter Oberst Julius List († 1914). bis 1913 gab es – neben Großkreuz, 21 Munitions-, 5 Beobachtungs-, 1 11 Das Unterstellungsverhältnis wechselte Großkomtur, Komtur und Ritterkreuz Küchen- und 1 Futterwagen. wiederholt, so z.B. im Okt 1914 zur 4. – eine 1. und 2. und später noch die 3. 8 Zwischen 1877 und 1919 der unterster KavDiv des Heeres-Kavalleriekorps 1; Klasse. Offi zierdienstgrad. im Oktober 1918 wurde es aufgelöst. 16 Bescheid München vom 22.06.1942 an 9 RgtKdr waren: 1914/15: Oberst Maximi- 12 Beckh, Emil Das Reserve-Feldartil- das WBK Ludwigshafen. lian Obermayer; 1915-1917: OTL Dr. lerie-Regiment Nr. 6 im Weltkrieg 17 Kollmann, Walter Kgl. Bayer. 5. FArtRgt Emil Beckh; 1918: OTL Karl von Ma- 1914/1918, S. 85. König-Alfons XI. von Spanien, S. 25, laisé; Maj. Ludwig Volk, OTL Hermann 13 Gasangriffe gegen das Rgt erfolg- und Beckh, Emil Das Reserve-Feldar- Dietl und OTL Friedreich. ten z.B. am 8./9.Jan 1916 und am tillerie-Regiment Nr. 6 im Weltkrieg, S. 10 Im August 1914 aufgestellt. DivKdr 19.07.1916; eigener Gaseinsatz z.B. 94. waren: 1914: Frhr. von Speidel, GenLt am 16./17.07.1917 (gem. Beckh, Emil 18 Angaben gem. Geschichte des ehem. Streck († Nov 1914), Gen d. Inf Graf a.a.O., S. 148, 162, 235 u. 279 . Königlichen bayerischen 12. FArtRgt, Bothmer (Dez 1914), GenLt z.D. (zur 14 Beckh, Emil a.a.O., S. 193. S. 77 f.

44 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 BLICK IN DIE GESCHICHTE densstandort Landau zurück, wo er des Infanterie-Ersatzbataillons 485 des alliierten Ringens um die Aus- im Januar 1919 zu seiner Stammein- versetzt und blieb dort bis zum 15. dehnung des Brückenkopfes gewor- heit, dem 12. bayrischen Feldartil- August. Während des Westfeldzuges fen. Nach schweren Abwehrkämpfen lerieregiment unter Oberstleutnant diente er zunächst im Infanterie-Er- im Rahmen des II. Fallschirmkorps Eduard Pfeiffer, zurückversetzt und satz-Regiment 263 unter Oberst Gün- unter Generalleutnant Eugen Meindl bis Juli Führer der Sicherheitskom- ther Plehn, dessen Stab ab Juli 1941 (1892-1951; Eichenlaub) gegen die panie Würzburg wurde. Mitte 1919 als Besatzungstruppe nach Commer- in Stärke und Ausrüstung weit über- wurde er durch die Abwicklungsstel- cy in Lothringen, südlich von Verdun, legenen alliierten Landungstruppen, le nach 13 Jahren aus dem aktiven verlegt wurde. Ende Mai 1942 wurde die zudem Lufthoheit besaßen, wur- Dienst entlassen. Eine Beförderung Kohl, inzwischen zum Hauptmann de das kampfunerfahrene Regiment zum Leutnant ist gemäß Personalbo- befördert, als Fürsorgeoffizier zum Schritt für Schritt zurückgedrängt und gen bis Kriegsende nicht nachzuwei- Landesschützen-Ersatz-Bataillon 12 acht Wochen später im Kessel von sen; offenbar erfolgte diese – wie auch versetzt. Dieser Verband – im März Falaise fast vollständig aufgerieben. die zum Oberleutnant der Reserve – 1940 in Wiesbaden aufgestellt – un- Walter Kohl zählte zu den wenigen, erst nach dem Krieg. terstand ab August 1940 der 172. die – wenngleich schwer verwundet – In Landau lernte Hans Kohl Cä- Division unter Generalleutnant Kurt noch herauskamen. Doch was sich als cilie, die Tochter des Lehrers Josef Fischer (1877-†) und stellte die Si- Glück erwies, kehrte sich wenig spä- Schnur (+ 1930) kennen. Er nahm cherungstruppe im westpreußischen ter ins Gegenteil: Nach seiner Gene- sie zur Frau und schulte zum Steuer- Gotenhafen (Gdingen). Wegen eines sung im September 1944 kam Walter sekretär in der bayerischen Finanz- Herzleidens wurde Hans Kohl im Kohl mit dem Dienstgrad Fallschirm- verwaltung um. Winter 1943/44 aus der Wehrmacht jäger in den Stab der II. Abteilung sei- entlassen, jedoch 1945 in den letzten nes Fallschirmjägerregiments unter ie Erzählungen meines Va- Kriegswochen als Chef einer Volks- Oberst Hellmut Hoffmann zunächst an „Dters über den Ersten Welt- sturmkompanie des Wehrersatzbe- die deutsch-holländische Grenze, wo krieg sind mir im Gedächtnis haften zirks Mannheim in Friesenheim ein das Regiment neu aufgestellt worden geblieben“,19 erinnert sich Helmut viertes Mal reaktiviert. Die Einheit war. Wenige Wochen danach – am 19. Kohl. Im Herbst 1938, während der – ihr Auftrag bestand in allgemeinen November 1944 – fiel er in Haltern am Sudetenkrise, wurde Hans Kohl nur Sicherungsaufgaben in unmittelbarer See,15 km südwestlich von Münster, für ein paar Tage eingezogen. Doch Heimatgegend – kam allerdings nicht nur ein halbes Jahr vor Kriegsende kaum ein Jahr später, am 31. August mehr zum Einsatz. Hans Kohl hatte bei einem Tieffliegerangriff. Ein bri- 1939, dem Tag vor Ausbruch des 2. seine „Soldaten“ mit der Feststel- tischer Bomber – von der Flak abge- Weltkrieges, folgte seine dritte Ein- lung, der Krieg sei aus, nach Hause schossen – hatte beim Absturz einen berufung: obwohl bereits 52 Jahre geschickt und damit selbst demobili- Starkstrommast umgerissen, der den alt, musste der fronterfahrene Fami- siert. Diese Handlung zeugt von gro- jungen Soldaten erschlug. Helmut lienvater nun auch am Zweiten Welt- ßem Mut, denn selbst als das Ende des Kohl war vierzehn, als er erfuhr, dass krieg teilnehmen. Als Oberleutnant Krieges erkennbar war, haben nicht sein Bruder mit nur achtzehn Jahren der Reserve kämpfte er zunächst mit wenige – von Standgerichten abgeur- gefallen war. der 13. Kompanie des Infanteriere- teilt – ähnlich aufrechte Handlungen „Der Tod meines Bruders verur- giments 48520 im Polenfeldzug.21 Das mit dem Leben bezahlt. sachte bei mir einen tiefen Schock“ 23, Regiment gehörte zur 263. Infanterie- Wahrscheinlich aus eigener Er- schreibt er. Kohls Familie gehörte zu division unter Generalleutnant Franz fahrung hatte Vater Hans seinem Sohn den vielen, die einen beträchtlichen Karl (1888-1964; Ritterkreuz); die Walter (1926-1944) geraten, Reser- Blutzoll in den beiden großen Krie- Weintrauben im Divisionswappen veoffizier zu werden. Und so meldete gen des 20. Jahrhunderts gezahlt ha- weisen auf ihre rheinische Herkunft sich dieser 1943 mit siebzehn Jahren ben. Onkel Walter, der Bruder von hin. Im Winter 1939/40 war Hans zur Luftwaffe und wurde zum Fall- Helmut Kohls Mutter Cäcilie, war Kohl kurzzeitig Kommandant eines schirmjäger-Regiment 9 versetzt, das als Student im Ersten Weltkrieg ge- polnischen Fleckens namens Zirats22. zunächst unter Führung von Haupt- fallen. Einer der beiden Brüder von Dann ging es an die Westfront: Weih- mann Bodo Göttsche im Januar 1944 Kohls erster Frau Hannelore starb als nachten 1939 verbrachte er in einem in Reims aufgestellt worden war. Das Soldat an den Folgen der Ruhr. Vor Bereitstellungsraum in der Eifel. Am Regiment – der 3. Fallschirmjäger- diesem persönlichen Hintergrund ist 12. Januar 1940 wurde er in den Stab Division unter Generalmajor Walter die Haltung Kohls zu verstehen, nicht Barenthin (1888-1959) unterstellt – an Siegesfeiern der Alliierten in der 19 Vernet, Daniel in: Appel, Reinhard wurde nach nur kurzer Grundausbil- Normandie teilzunehmen, hätte ihn (Hrsg.): Helmut Kohl im Spiegel seiner Macht, S. 48. dung zunächst zur Sicherung des dor- dies doch wieder unmittelbar mit dem 20 Das Regiment war im September 1939 tigen Hafens in den Raum Brest ver- Schicksal seines Bruders in Berüh- im Wehrkreis XII (Koblenz) aufgestellt legt, aber von dort am 7. Juni 1944, rung gebracht. worden. einen Tag nach dem „D-Day“, der Im Spätherbst 1944 wurde Helmut 21 siehe: Kohl, Helmut: Erinnerungen 1930-1982, S. 32. Landung der Alliierten in der Nor- Kohl als Hitlerjunge in ein sog. „Wehr- 22 Die geografi sche Lage dieses Dorfes war mandie („Operation Overlord“), an die 23 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1930- nicht zu ermitteln. Invasionsfront um St. Lo ins Zentrum 1982, S. 37.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 45 BLICK IN DIE GESCHICHTE ertüchtigungslager“ nach Berchtesga- einer Wiederbewaffnung bleibt Kohl gung in Mitteleuropa und beherberg- den verschickt und mit 14 Jahren zum unklar und stellt einschränkend fest, te zahlreiche Logistikeinrichtungen. Luftwaffenhelfer ausgebildet. Neben „die Notwendigkeit eines Wehrbeitra- Kohl nannte sein Bundesland einmal Schulunterricht stand auch vormili- ges bereitete unserer Partei auch in den „Flugzeugträger der NATO“. Gro- tärische Ausbildung auf dem Lehr- der Pfalz einige Probleme, ...“ ße Garnisonen wie Koblenz und Trier, plan. Einen Monat vor Kriegsende Flugplätze und Truppenübungsplätze – an seinem 15. Geburtstag, dem 3. n der Familie von Kohls erster Frau wie Ramstein und Baumholder gehör- April 1945 – wurden die Jungen dort IHannelore (1933-2001; geb. Ren- ten dazu. Koblenz – mit dem Stab des vom Reichsjugendführer Arthur Ax- ner) gab es keine militärische Tradi- III. Korps und später des Heeresfüh- mann (1913-1996) vereidigt. Am 25. tion. Schwiegermutter Irene Renner rungskommandos, dem Zentrum In- April 1945 wurde Berchtesgaden von (1897-1980; geb. Merling)25 stamm- nere Führung, dem Bundeswehr-Zen- über 300 alliierten Lancaster-Flug- te aus einer Bremer Anwaltsfamilie tralkrankenhaus, die Panzerbrigaden zeugen angegriffen. Kohl überlebte und Schwiegervater Wilhelm Renner 14 (alt) und 15 und zahlreichen Korps- den Bombenhagel. Zusammen mit ei- (1890-1952), ein Elektroingenieur, truppen – war bis Ende der 1980er nigen anderen Jungen verließ er das aus einer Bauernfamilie in der Pfalz. Jahre die größte Garnisonsstadt Eu- in Auflösung befindliche Lager und Während des Ersten Weltkrieges hatte ropas. Baumholder war der größte schlug sich zu Fuß in mehreren Wo- er als Ingenieur bei der Fliegertrup- US-Standort in Deutschland und Trier chen über 400 km nach Ludwigshafen pe in der Erprobungsabteilung für zeitweise nach Paris die größte Gar- in die Heimat durch – eine beachtli- Funk- und Funktelegraphie gearbei- nison französischer Truppen. In der che Leistung. Glück hatten sie oben- tet und war im Zweiten Weltkrieg als Landeshauptstadt Mainz lag der ter- drein, dass sie nicht einer fanatischen Konstruktionsingenieur Betriebsdi- ritoriale Stab des Wehrbereichskom- Streife in die Hände gefallen waren. rektor der Hugo Schneider AG (HA- mandos IV mit insgesamt sieben VBK, Bereits am 5. Mai 1945 hatte die 7. SAG), einem großen Rüstungsunter- davon den drei in Rheinland Pfalz US-Armee unter General George S. nehmen, das u.a. Panzerfäuste produ- stationierten VBK 41 (Koblenz), 42 Patton (1885-1945) das zerbombte zierte, „unabkömmlich“ (u.k.) gestellt. (Trier) und 45 (Neustadt a.d.W.), so- Ludwigshafen eingenommen. Als die Hannelore Kohl erlebte als Elfjährige wie dem Heimatschutzkommando 16 Jungen zu Hause ankamen, war der in ihrem sächsischen Wohnort Döbeln (ab 1981 Heimatschutzbrigade 54) in Krieg endgültig vorüber. im letzten Kriegswinter 1944/1945 Zweibrücken. Kohl erlebte in seiner Zunächst begann der Fünfzehn- beim Bahnhofsdienst, den sie jede Amtszeit als Ministerpräsident insge- jährige eine landwirtschaftliche Leh- zweite Woche leisten musste, Leid samt fünf Befehlshaber.26 re, kehrte aber nach wenigen Monaten und Schrecken des Krieges. Das junge Trotz der sieben Jahre als Lan- auf die Schulbank zurück. Noch wäh- Mädchen half beim Bergen von Toten desvater findet die Bundeswehr im rend der Schulzeit trat er in die CDU und bei der Versorgung der Verwunde- ersten Band von Kohls Erinnerungen ein und war einer der Mitbegründer ten, die per Bahn von der Front eintra- der Jahre 1930 bis 1982 keine direk- der Jungen Union in Rheinland-Pfalz. fen. Mutter Irene wurde in einem Werk te Erwähnung. Nur auf einer Fotogra- 1950 bestand Kohl die Reifeprüfung am Fliesband kriegsdienstverpflich- fie aus dem Jahre 1973 ist Helmut in Ludwigshafen und nahm danach tet. Später floh sie mit ihrer Tochter Kohl im Manöver bei französischen im Wintersemester 1950/51 sein Stu- in den Westen. Streitkräften zu sehen.27 Kohl war als dium in Frankfurt mit Schwerpunkt Ministerpräsident wiederholt auch Rechtswissenschaft und Geschich- zog Kohl als Minister- zu Gast bei in seinem Bundesland te auf. 1958 promovierte er mit dem 1969präsident in die Mainzer stationierten US-Truppen; von einer Thema „Die politische Entwicklung Staatskanzlei; seine Eltern erlebten Teilnahme an Veranstaltungen der in der Pfalz und das Wiedererstehen dies noch. Kohls Bundesland Rhein- Bundeswehr hingegen wie Empfän- der Parteien nach 1945“ zum Dr. phil. land-Pfalz – im Falle eines Krieges in gen, Biwaks und Bällen, wird nichts Als die Bundeswehr 1955 gegründet der rückwärtigen Kampfzone gelegen berichtet. Erwähnung findet nur dass wurde, war Kohl bereits im 25. Le- – wies eine hohe Dichte deutscher seine Frau Hannelore, wohl auch we- bensjahr und gehörte damit zu den und alliierter Soldaten auf. Letztere gen ihrer exzellenten Sprachkennt- sog. „weißen Jahrgängen“, die wegen spielten eine bedeutende Rolle bei der nisse, in diesen Jahren gute Kontakte ihres fortgeschrittenen Alters nicht Entwicklung des Landes, waren doch zu den amerikanischen und franzö- mehr zum Wehrdienst herangezogen über lange Jahre bis zu 69.000 US- sischen Soldaten und deren Famili- wurden. Kohl hat die Aufstellung der und ca. 30.000 französische Soldaten, en pflegte.28 Allerdings betonte Kohl Bundeswehr begrüßt und unterstützt, viele mit ihren Familien, dort statio- doch er sagt dies nicht eindeutig, son- niert. Rheinland-Pfalz war der wich- 26 Die Generalmajore Christian Schaeder 1964-1969; Karl-Theodor Molinari dern umschreibt sie mit den Worten, tigste Pfeiler der NATO-Luftverteidi- 1969-1970; Günther Reischle 1970- er habe den „außen- und innenpoliti- 25 Sie hatte zwei Brüder und eine 1971; Achim Oster 1971-1973 und schen Kurs Konrad Adenauers … als Schwester Ilse (1895-1996), die unter Ernst-Ulrich Hantel 1973-1976. Student voller Sympathie“24 begleitet. dem Künstlernamen Ilse Marwenka 27 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1930- Bei der grundsätzlichen Frage nach als Operettenstar in Berlin auftrat. 1982, S. 396. 1933 wanderte sie in die USA aus und 28 Kujacinski, Dona & Kohl, Peter: heiratete einen amerikanischen Offi zier; Hannelore Kohl Ihr Leben, S. 116. 24 Kohl, Helmut, a.a.O., S. 85. beide sind in Arlington begraben. So verzeichnet z.B. die Chronik des

46 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 BLICK IN DIE GESCHICHTE beim ersten Besuch der Bundeswehr Klaus Louia (* 1947). Kommandeur glaublich verschärfte … unfaire Prü- als Kanzler 1982 in Koblenz, er wäre des Jägerbataillons war Oberstleut- fungsbedingungen.“ 31 mit den Problemen der Streitkräfte nant Karl-Christoph von Stünzner- Dass die Anforderungen tatsäch- schon als Ministerpräsident vertraut Karbe (* 1939; später Oberst) und lich erhöht wurden, erscheint frag- gewesen. So hatte er am 13. August Kommandeur der vorgesetzten Hei- lich, aber Walter Kohl empfand dies 1975 das Wehrbereichskommando matschutzbrigade 54 in Trier Oberst so. Bei diesem Andrang höherer Of- IV unter Generalmajor Ernst-Ulrich Hantel (1916-2003) und dabei auch eine Wehrübung mit Reservisten be- sucht. Ein Jahr später, am 11. Juni 1976, informierte er in Begleitung des CDU-Abgeordneten Dr. Manfred Wörner (1934-1994) und des Gene- rals der Kampftruppen, Generalma- jor Fritz Birnstiel (* 1918), an der Kampftruppenschule II in Munster unter Brigadegeneral Hans-Joachim Mack (1928-2008).

m 1. Oktober 1982 wurde Hel- Amut Kohl nach sechs Jahren als Oppositionsführer im Zuge eines konstruktiven Misstrauensvotums – „durch Genschers fliegenden Wech- sel unverhofft zur Macht gekommen“, schrieb der „Spiegel“ 29 – durch den Bundestag zum sechsten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland ge- Bild 2: Helmut Kohl besucht als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz am wählt. Am Tag nach der Wahl seines 13. August 1975 das Wehrbereichskommando IV unter Generalmajor Vaters zum Kanzler trat sein ältester Ernst-Ulrich Hantel (1916-2003). Während einer Gefechtsübung mit Sohn Walter (* 1963) seinen Dienst Reservisten lässt er sich ins Manövergelände einweisen; links Horst als Soldat auf Zeit (SaZ 2) in der Bun- Teltschik, seit 1972 Referent in der Mainzer Staatskanzlei. Seitdem zählt deswehr an. Später folgte auch der Teltschik zum engsten Beraterkreis von Kohl, war maßgeblich an den jüngere Bruder. Nach Peter Kiesinger deutsch-deutschen Verhandlungen der Wendezeit und der Deutschen war es das zweite Mal, dass die Söh- Wiedervereinigung beteiligt; T. leitete von 1999 bis 2008 die Münchner ne eines Bundeskanzlers Wehrdienst Sicherheitskonferenz. leisteten und sogar Reserveoffiziere wurden. Zu dieser Zeit der NATO- Eberhard Wetter (* 1932; später Bri- fiziere handelte es sich um Servili- Nachrüstung war dies auch ein per- gadegeneral). Walter Kohl war ein tät gepaart mit Neugier. Die Eltern sönliches Signal. Walter Kohl diente umgänglicher und engagierter Sol- Kohl bemühten sich, das öffentliche in der 2. Kompanie des Jägerbatail- dat, der rasch Vertrauen und Aner- Interesse vom Dienst ihres Ältesten lons 54230 in der Saarpfalz-Kaserne kennung seiner Kameraden gewann fernzuhalten. Daher besuchten sie im saarländischen Bexbach und ver- und deshalb zum Vertrauensmann ge- ihn zwar nicht im Standort, nahmen brachte, soweit nicht auf Lehrgängen, wählt wurde. Seine Prominenz brach- aber aus der Distanz großen Anteil an seine gesamte Dienstzeit in dieser te ihm allerdings Nachteile: So be- seinem Dienst. So empfing der Kanz- Einheit – zuerst als Rekrut, später richtete er – zu Recht wenig begei- ler im März 1984 die Offiziere und als Gruppenführer und Stellvertre- stert – von seiner Abschlussprüfung Unteroffiziere der 2. Kompanie des tender Zugführer. Kompaniechef wa- als Reserveoffizier im Herbst 1984 an Bataillons 542 – einschließlich des ren zunächst Hauptmann Siegfried der Kampftruppenschule 1 in Ham- Fähnrichs Kohl – im Kanzleramt, als Wolf (* 1951; später Oberst) und ab melburg unter Brigadegeneral Ger- dieses im Rahmen einer Weiterbil- April 1983 Oberleutnant Norbert Fal- hard Ohm (1924-1990) als Schulkom- dung die Bundeshauptstadt besuchte kowski, und als Kompaniefeldwebel mandeur: „Normalerweise war es in – eine große Auszeichnung. Am 30. die Hauptfeldwebel Karl-Heinz So- Hammelburg so, dass ein Reserveoffi- September 1984 wurde Walter Kohl libieda (* 1947; bis April 1984) und ziersanwärter von ein oder zwei Offi- als Fähnrich entlassen und ein Jahr Jagdbombergeschwaders 33 in Büchel zieren geprüft wurde. In meinem Fall später zum Leutnant der Reserve be- zwar Besuche der rheinlandpfälzischen war das anders. Ich hatte die zweifel- fördert. In einem Interview sagte er Ministerpräsidenten Dr. Vogel (1978) hafte Ehre, nicht nur von fünf Stabs- Jahre später: „Mein Name hat mich oft und Dr. Wagner (1989), aber keinen von Dr. Kohl. offizieren, sondern auch noch gleich in fast erdrückt.“ Auch Peter (* 1965), 29 Spiegel Nr. 50/82 v. 13.12.1982, S. 28 f. Gegenwart von zwei Generälen geprüft 31 Kujacinski, Dona & Kohl, Peter a.a.O., 30 Das Bataillon wurde 1996 aufgelöst. zu werden. Es waren wieder einmal un- S. 193 f.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 47 BLICK IN DIE GESCHICHTE der zweite Sohn, ging zur Bundeswehr dung zu berichten, und ich brachte die Familien der in Deutschland sta- und verpflichtete sich als Reserveof- alles jeweils in der darauffolgenden tionierten US-Soldaten. In ihrer Dan- fizieranwärter (ROA) und Soldat auf Kabinettssitzung zur Sprache“.34 kesrede erwähnte Hannelore Kohl Zeit für zwei Jahre. In der Traditi- Somit gelangten Informationen ihre Erfahrungen „als Mutter von zwei on seines gefallenen Onkels Walter aus der Truppe – auch wenn es nur Söhnen, die in der Bundeswehr ge- meldete er sich zu den Fallschirmjä- Ausschnitte und individuelle Erfah- dient haben.“ gern. Kohls Fahrer Eckhard Seeber (* 1938), der von 1956 bis 1960 als Stabsunteroffizier in der 1. Luftlande- division gedient hatte, dürfte diesen Entschluss auch beeinflusst haben. „Ecki hatte seinen Beruf bei Offizieren der Bundeswehr gelernt“.32 Am 1. Juli 1985 trat Peter Kohl seinen Dienst im Fallschirmjägerba- taillon 263 unter Oberstleutnant Pe- ter Morscheid (bis März 1987) in der Graf-Werder-Kaserne in Saarlouis33 an. Der Verband gehörte zur Luftlan- de-Brigade 26 „Saarland“ unter Bri- gadegeneral Fridolin („Fritz“) Eckert (1935-2004). Zunächst durchlief er die Grundausbildung in der 5. Kom- panie unter Hauptmann John Müller und Hauptfeldwebel Kaiser als Kom- paniefeldwebel. Nach der Vollausbil- dung in der 2. Kompanie unter Ober- leutnant Viktor Schicker und Haupt- feldwebel Gerhard Sterzenbach wur- de er zu seiner Stammeinheit, der 3. Bild 3: Ministerpräsident Kohl zu Besuch bei der Panzertruppenschule Kompanie, unter Hauptmann Armin in Munster 1976; rechts von ihm der damalige Verteidigungsexperte Birk und Hauptfeldwebel Wolfgang der CDU Dr. Manfred Wörner, Brigadegeneral Hans-Joachim Mack, Leiser versetzt. In dieser Zeit absol- der Schulkommandeur, und Generalmajor Fritz Birnstiel, General der vierte er den ROA- und den Fall- Kampftruppen im Heeresamt schirmspringerlehrgang in Altenstadt, wo er das Fallschirmspringerabzei- rungen waren – verzugslos und „unfri- ach seiner ersten Wahl bekann- chen in Bronze erwarb. Am Ende sei- siert“ durch Zwischenebenen direkt Nte Kohl sich in seiner Regie- ner Dienstzeit hatte er mehr als 25 in die Kabinettssitzungen. „Es muss rungserklärung am 13. Oktober 1982 Sprünge und trug das Springerabzei- Manfred Wörner schon sehr gefuchst uneingeschränkt in der außenpoliti- chen in Silber. Im April 1987 über- haben, wenn ich manchmal mit Be- schen Kontinuität seines Vorgängers nahm Oberstleutnant Hans-Heinrich richten über Unzulänglichkeiten im Schmidt stehend zum NATO-Nach- Dieter (* 1947; später Generalleut- Heer und bei der Luftwaffe ankam rüstungsbeschluss, bei gleichzeitiger nant) das Bataillon. Ein Vierteljahr und erzählte, was die Soldaten be- Erneuerung der Grundlagen der deut- später, am 30. Juni 1987, schied Pe- drückte: …“ 35 schen Außen- und Sicherheitspolitik. ter Kohl als Leutnant der Reserve aus. Mutter Hannelore Kohl erlebte Mit dem Bündnis als einen Kernpunkt Auch an der Dienstzeit ihres zweiten die insgesamt vier Jahre Bundeswehr- deutscher Staatsräson wollte er seine Sohnes nahmen die Eltern nur aus zeit ihrer beiden Söhne mit all den Bemühungen als „eine Politik für die der Distanz Anteil, um Medienrum- Belastungen, die die meisten Mütter Freiheit, ¼ für den Frieden in Euro- mel von ihm fernzuhalten. Doch am von Wehrpflichtigen kennen – vom pa und weltweit, … für das Selbstbe- Wochenende erzählten – wie überall Waschen und Bügeln der Uniformen stimmungsrecht des ganzen deutschen – die Söhne ihren Eltern über ihre Er- bis zum Lernen der Dienstgradabzei- Volkes, … für die Einigung Europas lebnisse „beim Bund“: „Meine Söhne chen. 1987 verlieh ihr die amerikani- und … für die Menschenrechte und wussten eine Menge über Mängel bei sche „First Lady“ Nancy Reagan in gegen Hunger und Not“ gestalten. der praktischen Bundeswehrausbil- Washington den „International Ser- Frieden schaffen ohne Waffen nannte 32 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1930- vice Award“, eine Auszeichnung der er einen „verständlichen Wunsch, ei- 1982, S. 168. „United Services Organisation“ und nen schönen Traum“, aber es wäre vor 33 Das Bataillon wurde 1982 aufgestellt; würdigte damit deren Engagement für allem „eine lebensgefährliche Illusi- seit 1994 ist es in Zweibrücken statio- on“. Frieden schaffen nur durch Waf- niert. Ab November 1985 bis Juli 1998 34 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982- gehörte das Bataillon zur multinationa- 1990, S. 240 f. fen wäre tödliche Verblendung. Die len Allied Mobile Brigade (AMF (L). 35 Ebenda. Aufgabe unserer Zeit hingegen wäre

48 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 BLICK IN DIE GESCHICHTE

„Frieden schaffen mit immer weniger der Wiedervereinigung, der Neuord- dass es in der Bibliografie Helmut Waffen.“ Dieses Ziel wurde erreicht. nung Osteuropas und der beginnen- Kohls39 – im Gegensatz zu seinem In seiner Rede auf dem Parteitag der den ethnischen Konflikte auf dem Vorgänger – nahezu keine Veröffent- CDU in am 1. Oktober 1990 Balkan. Für die Bundeswehr brach- lichungen über das Thema Sicher- sagte er dazu in der Rückschau: „Vor ten diese Jahre einschneidende Ver- heitspolitik gibt. Andererseits gab acht Jahren, nach Übernahme der Re- änderungen. Erstens wurden – noch es in der Ära Kohl, wie bereits ange- gierungsverantwortung, habe ich mei- behutsam – die Weichen für die ers- deutet, – fundamentale Veränderun- ne Außen- und Sicherheitspolitik unter ten Auslandseinsätze der Bundeswehr gen im deutschen Militärwesen – so- das Motto gestellt: Frieden schaffen gestellt. Während des 2. Golfkrieges wohl in den politischen Grundzügen mit weniger Waffen. Heute können wir 1991 stand das gerade wiederverein- als auch bei der Bundeswehr, die der ganz einfach sagen: Wir haben Wort te Deutschland militärisch noch ab- Kanzler maßgeblich beeinflusst hatte. gehalten.“ seits; Genscher, oberster Gestalter Als Sohn eines ehemaligen Soldaten, Zur Bundeswehr fand Kohl Wor- deutscher Außenpolitik, zahlte lieber. war Kohl – wie Adenauer – als kon- te, die lange nicht mehr gehört wor- Doch dann folgten Kambodscha, So- servativer Politiker per se ein Befür- den waren: „Der Dienst in der Bun- malia und der Balkan. Mit der Wie- worter des Militärs. deswehr ist Friedensdienst und damit dervereinigung stand die Bundes- „Zur Bundeswehr habe ich auch ein Ehrendienst. … Die allgemeine wehr vor der einmaligen Aufgabe der ein emotional begründetes Verhältnis. Wehrpflicht ist für unsere Verteidigung Übernahme der Nationalen Volksar- Mein Vater war Offizier im Ersten Welt- unerlässlich. … Wir werden dafür sor- mee. Drittens schließlich folgte der krieg. … In unserer Familie herrschte gen müssen, dass die Lasten für die strukturelle Übergang in die militä- eine soldatenfreundliche Atmosphäre, Landesverteidigung gerechter verteilt rische Multinationalität des Heeres36 auch von Seiten meiner Mutter. … Mit werden.“ und parallel vollzog sich ein massi- großer Sympathie habe ich die Arbeit Nur wenige Monate später, am 6. ver Abbau der Truppenstärke; die der Bundeswehr begleitet und ihren März 1983, kam es zu vorgezogenen Bundeswehr halbierte sich nahezu. militärpolitischen Auftrag nachhal- Neuwahlen, bei denen CDU/ CSU Am 22. Januar 1988 wurde in Paris tig gefördert. Ob Wehrpflichtige oder zwar die absolute Mehrheit verfehl- die Schaffung einer deutsch-franzö- Generäle – mit Soldaten aus allen ten, aber mit fast 49 Prozent ein her- sischen Brigade konkretisiert und die Diensträngen habe ich viele Gesprä- ausragendes Wahlergebnis einfuhren. Einrichtung eines gemeinsamen Ver- che geführt.“ 40 Es war ein Votum für den außen- und teidigungsrates beschlossen.37 Später Dies wird ohne Abstriche auch sicherheitspolitischen Kurs Helmut wurden weitere Großverbände des von den befragten Gruppenleitern Kohls und zugleich eine nachträg- Heeres in multinationale Strukturen im Kanzleramt bestätigt: Seine „Ein- liche Bestätigung der Entscheidung der NATO eingegliedert. Obwohl alle stellung … gegenüber den Soldaten Helmut Schmidts. drei Zäsuren beispiellos waren, wur- und ihren Familien war im höchsten den sie von Politik und Militär weit- Maße von Verantwortung und Für- m 29. März 1983 wurde Kohl zum gehend erfolgreich gemeistert. Da- sorge geprägt“, schrieb einer von ih- A2. Mal, und nach der gewonne- bei war die Stimmung der Truppe in nen. Doch diese positive Beziehung nen Wahl 1987 zum 11. Deutschen dieser Zeit des Umbruchs diffus. Der zur Bundeswehr wird dem Leser von Bundestag am 11. März zum dritten neue Auftrag nach dem Zusammen- Kohls „Erinnerungen“ nicht deut- Male Kanzler. Am 17. Januar 1991 bruch des kommunistischen Osteu- lich. Im ersten Band, der die Jahre – nach den ersten gesamtdeutschen ropas und die deutsche Enthaltsam- 1930 bis 1982 beschreibt, wird die Wahlen zum 12. Bundestag im De- keit am 2. Golfkrieg 1990/91, rühr- Bundeswehr nur einmal erwähnt, ob- zember 1990 – wurde er zum vierten ten am Selbstbewusstsein der Armee. gleich in diesem langen Zeitraum die Mal gewählt – zum ersten Kanzler des Das damalige Motto der Bundeswehr Gründung der Armee und Kohls Zeit vereinten Deutschlands. Schließlich „wir produzieren Sicherheit“ galt über als Ministerpräsident und Oppositi- folgte am 15. November 1994 ein Nacht nicht mehr, und neue Aufgaben onsführer fällt. Im 2. Band seiner Er- fünftes Mal: nach den Wahlen zum waren noch nicht gefunden. innerungen von 1982 bis199041 ist der 13. Bundestag. In den fünf Kabinet- „Kohl und Waigel (= Finanzmi- Bundeswehr unter dem Titel „Lieb- ten Kohl dienten – einschließlich des nister im Kabinett Kohl) kennen die lingskind“ das 33. Kapitel gewidmet. Kanzlers – insgesamt 57 Minister (da- Bundeswehr vornehmlich aus deren Darin skizziert er die Geschichte der von 10 Damen); 14 von ihnen haben Paradefunktion bei Staatsbesuchen“, Bundeswehr; sie liest sich wie die als Soldat in Wehrmacht, Bundeswehr 38 urteilt Helmut Schmidt. Gestützt nüchterne, distanzierte Abhandlung bzw. NVA Dienst geleistet. wird dieses negative – gleichwohl des Historikers Kohl: „Die Entschei- überzogene – Urteil auch dadurch, dung gegen Wehrdienst … kann im- ohls 16-jährige Amtszeit kann in 36 Bei Luftwaffe und Marine bestand sie mer nur die Gewissensentscheidung Kzwei, beinahe gleich lange Ab- seit langem. schnitte unterteilt werden. Der erste 37 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982- 39 hrsg. durch die Konrad-Adenauer- stand noch im Zeichen des Kalten 1990, S. 608. Die Bildung einer Stiftung. gemeinsamen Brigade war bereits am 40 Kohl, Helmut Mein Tagebuch 1998- Krieges, des NATO-Doppelbeschlus- 13.11.1987 beschlossen worden. 2000, S. 27. ses und der Ost-West-Konfrontation, 38 Schmidt, Helmut: Handeln für Deutsch- 41 Kohl, Helmut Erinnerungen 1982-1990, der zweite ab Ende 1989 im Zeichen land, S. 168. S. 396 ff.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 49 BLICK IN DIE GESCHICHTE des Einzelnen sein. Sie kann nicht zur chanikers Stephan Albrecht von der Kohl bereits als Stabsabteilungsleiter Maxime für die Politik unseres Staates Instandsetzungsstaffel des Aufklä- Fü S III in enge politische Zirkel ein, erhoben werden. Niemand von uns hat rungsgeschwaders 51 „Immelmann“ wie z.B. beim Treffen des Kanzlers mit das Recht, unserer Republik … aufzu- drückte er bei einem Zwischenstopp dem stellvertretenden US-Außenmi- erlegen, waffenlos zu sein.“ 42 in Bremgarten Anfang der 1990er nister Eagleburger am Nachmittag Zwar betont er: „Auf unsere Sol- Jahre. Doch so jovial er im Umgang des 30. Januars 199048, als über US- daten können wir stolz sein“, doch im mit jungen Soldaten war, – so schien Vorschläge zur Truppenreduzierung Text wird diese Zuneigung nicht deut- er – von den Generalen Naumann für die Wiener „Verhandlungen über lich. Zwar spricht Kohl sehr häufig und von Kirchbach abgesehen – ho- konventionelle Streitkräfte in Euro- von „unserer Bundeswehr“ und nennt hen Soldaten eher distanziert gegen- pa“ (VKSE) diskutiert wurde. In der den Wehrdienst „Ehrendienst“, doch über zu stehen. Dieser Eindruck wird Frage der Teilnahme eines deutschen eine emotionale Seite zum Militär von vielen Betroffenen jedoch nicht Regierungschefs alliierten Siegesfei- klingt nicht an. Kein Wort von Begeg- geteilt. So wurden die Inspekteure ern stellte Kohl fest: „Es ist für den nungen mit Soldaten, keine Details zu Antritts- und Abschiedsbesuchen deutschen Bundeskanzler kein Grund seiner zahlreichen Besuche, keine empfangen und konnten dabei in den zum Feiern, wenn andere ihren Sieg in Anekdote. Nur die Namen der Ver- etwa halbstündigen Gesprächen un- einer Schlacht begehen, in der Zehn- teidigungsminister werden genannt. mittelbar aus ihrer Sicht vortragen. tausende Deutsche elend umgekom- Soldaten hingegen bleiben in diesem Auch hatte er wiederholt einen grö- men sind.“ 49 Kapitel unerwähnt, und nur die Na- ßeren Kreis von Generalen und Admi- Kohl hätte – wie erwähnt – auch men dreier Generale der Bundeswehr ralen – auch Divisionskommandeure aus persönlichen Gründen „niemals tauchen auf: Neben General Dr. Gün- – in seinen Bonner Bungalow einge- an den Jahrestagen der Landung al- ter Kießling (1925-2009), dem unter laden, und diese informellen Treffen liierter Truppen in der Normandie der Überschrift „Kein Sicherheitsri- zogen sich – gefördert durch Wein aus teilgenommen.“ 50 Diese Haltung siko“ ein eigenes Kapitel gewidmet Kohlschen Beständen – bisweilen tief schmälert jedoch weder sein Eintre- ist,43 sind es die Generale Bastian, in die Nacht hin. Von den Nachfol- ten für eine verstärkte militärische „ein Wortführer der ‚Friedensbewe- gern Schröder und Merkel sind solche Zusammenarbeit noch sein Bemühen gung‘“ und Steinhoff im Zusammen- Begegnungen weder überliefert noch um Aussöhnung mit den ehemaligen hang mit der Gedenkfeier in Bitburg. vorstellbar. Vielleicht fiel gerade aus Kriegsgegnern – im Gegenteil. Generalleutnant Schönbohm 44 wird diesem persönlichen Kennen Kohls Insgesamt vier Verteidigungsmi- erst im Band der Jahre 1990-1994 Urteil über die Generalität verhalten nister – Wörner, Scholz, Stoltenberg lobend erwähnt: „Zusammen mit Ge- aus: „Jetzt hören Sie doch wirklich auf, und Rühe – waren in den fünf Kabi- neralleutnant Jörg Schönbohm, dem diese Schimäre eines Komplotts von netten Kohls zwischen 1982 und 1998 späteren brandenburgischen Innenmi- Generälen an die Wand zu malen! Ich vertreten. Wörners Tragik liegt in sei- nister, und seinen Mitarbeitern gelang kann Ihnen nur sagen: Meine Erfah- nem Verhalten in der sog. „Kießling- dem Minister (= Stoltenberg) eine Mei- rung mit Generälen der Bundeswehr Affäre“, die eigentlich „Wörner-Af- sterleistung“. 45 (= Auflösung/ Einglie- besteht nicht darin, dass sie besonders färe heißen müsste. Als er nach fast derung NVA) eckig sind, sondern ich wünschte mir, sechs Jahren im Amt am 1. Juli 1988 Die Gründung des deutsch-nie- dass manche mehr Ecken und Kanten als erster Deutscher Generalsekretär derländischen Korps wird im Band hätten, um das einmal bildlich auszu- der NATO wurde, folgte ihm der Jurist der Jahre 1990-1994 ebenso genannt, drücken“. 47 und politische Seiteneinsteiger Prof. wie – im Kapitel 36 46 – die ersten Rupert Scholz (* 1937). Eine glück- Auslandseinsätze der Bundeswehr. ls im Oktober 1988 Verteidi- liche Wahl war es nicht: mit dem mi- Kohl hatte keinerlei Berührungsäng- Agungsminister Rupert Scholz – litärfernen Dr. Hans Apel und dem ste mit der Armee. Er schoss mit im Rahmen eines offiziellen Besu- farb- und oft hilflos scheinenden Dr. einem Leopard-Panzer im scharfen ches von Bundeskanzler Kohl – als er- Franz Josef Jung gehört Scholz zu Schuss und gehörte zu jenen Politi- ster deutscher Verteidigungsminister den drei schwächsten Verteidigungs- kern, die stets die Soldaten-Crew des die Sowjetunion besuchte, bestand 48 An der Besprechung mit Eagleburger Luftwaffen-Airbusses der Flugbereit- die kleine Delegation von Scholz nur und dem stellvertretenden Sicherheits- schaft persönlich begrüßten; selbst öl- aus Generalleutnant Schönbohm, dem berater Gates nahmen deutscherseits nur acht Personen teil: neben dem verschmierte Hände, wie jene des Me- Leiter des Planungsstabes und Gene- Kanzler und General Naumann, die ralmajor , dem Leiter Minister Genscher und Stoltenberg, 42 a.a.O., S. 398. der Abteilung Militärpolitik im Mini- die Ministerialdirektoren Teltschik und 43 a.a.O., S. 235-239. sterium (Fü S III), sowie dem Presse- Holik, sowie der Leiter des Kanzlerbü- 44 Schönbohm trat erst nach seiner aktiven ros und der Referatsleiter 212. Siehe: Zeit als Offi zier der CDU bei. Kohl war sprecher und dem Adjutanten. Gene- Dokumente zur Deutschlandpolitik auch privat zu Gast im Hause Schön- ralinspekteur Wellershoff flog nicht Deutsche Einheit Sonderedition aus bohm im brandenburgischen Klein- mit. Den von ihm geschätzten dama- den Akten des Bundeskanzleramtes machnow, wo beide im Garten „unter ligen Generalmajor Naumann band 1989/90, S. 739. einer riesigen alten Eiche“ saßen. 49 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982- 45 Kohl, Helmut Erinnerungen 1990-1994, 47 Kohl, Helmut: 9. Sitzung des Deutschen 1990, S. 289. S. 414. Bundestages am 15.12.1994 (Bulletin 50 Ebenda. Keiner seiner Vorgänger war zu 46 a.a.O., S. 564 ff. Nr. 117/S. 1061 vom 17.12.1994). einem 6. Juni eingeladen worden.

50 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 BLICK IN DIE GESCHICHTE ministern. Doch bereits nach einer und Naumann kam auch dadurch z.S. Ulrich Weißer (* 1938), dann Woche im Amt hielt sich Scholz für zum Ausdruck, dass beide nach ih- von Oberst i.G. Wilfried Scheffer (* einen militärischen „Fachmann“ – rer Dienstzeit in der Bundeswehr zu 1939; später Brigadegeneral), Kapi- sprich: war beratungsresistent. Der Vorsitzenden des Militärausschusses tän z.S. Rudolf Lange (* 1941; spä- „Spiegel“ schrieb „mit politischem der NATO berufen wurden. ter Konteradmiral) und den Obersten Instinkt wäre er nicht gerade geseg- net“. Scholz selbst sagte zu seiner Wahl: „Kohl hat mich … gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, dies zu ma- chen. …, er würde gerne jemanden ha- ben, der bereit wäre, unabhängig und … unbefangen mögliche neue Kon- zeptionen in der Sicherheitspolitik zu entwickeln. … Ich habe die Zeit auf der Hardthöhe, … in einer sehr, sehr guten, … in einer sehr dankbaren Er- innerung.“ 51 Nach dem Tod von Franz Josef Strauß kam es zu einer Kabinettsum- bildung. Scholz übergab nach nur elf Monaten im April 1989 die Befehls- und Kommandogewalt an Dr. Ger- hard Stoltenberg, den letzten Vertei- digungsminister, der noch Soldat in der Wehrmacht gewesen war. Doch der Kanzler hielt ihn nicht, als er drei Jahre später im Frühjahr 1992 we- gen einer Lieferung von 15 Panzern an die Türkei unter Druck geriet.52 Nachfolger Rühe war mit sechsein- halb Jahren der bisher dienstälteste Verteidigungsminister. Zwar selbst kein Vorbild für zeitgemäße Men- schenführung, besaß er aber inner- parteilichen Einfluss. Fünf Generalinspekteure stan- den während der Amtszeit Kohls an Bild 4: Eine Seite aus dem Gästebuch dokumentiert den Besuch von der militärischen Spitze der Bundes- Bundeskanzler Helmut Kohl beim Zentrum Innere Führung 1982 in Koblenz; wehr: Brandt, Altenburg, Wellershoff, links Verteidigungsminister Manfred Wörner, rechts Brigadegeneral Dieter Naumann und Bagger. Der SPD-nahe Clauß, der Kdr ZINFü. Jürgen Brandt blieb nach dem Re- gierungswechsel Schmidt-Kohl nur Horst Teltschik (* 1940; s.a. Abb. i.G. Dieter Schuster (* 1946; später wenige Monate bis zu seiner Pen- S. 47), der wichtigste außenpolitische Brigadegeneral) und Gertmann Sude sionierung Ende März 1983 auf Po- Berater Kohls und Leiter der Abtei- (* 1949; später Generalmajor) gelei- sten. Auch Hartmut Bagger, der letz- lung 2 im Kanzleramt bis 1991,53 hat- tet. Nur wenige Wochen nach seiner te Generalinspekteur unter Kohl, te von 1960 bis 1962 als Zeitsoldat Amtsübernahme stand für den neuen wurde nach dem Regierungswech- (SaZ 2), zuletzt als Leutnant, beim Bundeskanzler, begleitet von Vertei- sel 1998 nicht sofort ausgewechselt. damaligen Panzerbataillon 5454 un- digungsminister Dr. Manfred Wör- Kohls Wertschätzung für Altenburg ter Oberstleutnant Weidemann in der ner und Heeresinspekteur Meinhard Pommernkaserne im nordhessischen Glanz (1924-2005; Freitod), der erste 51 Interview mit Werner Siebeck im „Alpha-Forum“ des Bayerischen Rund- Wolfhagen gedient. Die Gruppe 23 Truppenbesuch auf dem Programm. funks am 20.03.1998 im Kanzleramt, die Teltschik unter- Am 29. November 1982 reiste er ins 52 Bereits 1991 geriet Stoltenberg in stand, wurde zunächst von Kapitän nahe Koblenz, wo er das Zentrum für Bedrängnis, als er Panzer aus NVA-Be- Innere Führung unter Schulkomman- ständen an den israelischen Geheim- 53 Nach dem Ausscheiden Teltschiks wur- dienst Mossad liefern wollte. Die Aktion de MinDir Joachim Bitterlich (* 1948) deur Brigadegeneral Dieter Clauß der als „landwirtschaftliche Geräte“ dessen Nachfolger und blieb dies bis (* 1934; später General) und Trup- getarnten Fahrzeuge wurde gestoppt. 1998. Danach war Bitterlich Botschafter penteile der Panzerbrigade 15 un- Die Lieferung der Panzer an die Türkei bei der NATO (1998/99) und in Madrid. ter Oberst Werner von Scheven (* hingegen hatte der Haushaltsausschuss 2002 wurde er mit nur 54 Jahren in den ausdrücklich untersagt und die Mittel einstweiligen Ruhestand versetzt. 1937; später Generalleutnant) in der dafür gesperrt. 54 1981 in PzBtl 64 umbenannt. Fritsch-Kaserne besuchte. Soldaten

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 51 BLICK IN DIE GESCHICHTE der Panzerbataillone 153 und 154 kutierte der Bundestag darüber und wehr im Staat, wenn der Regierung- (Westerburg) führten dem Kanzler auf sprach sich einen Tag später mit deut- schef einen seiner drei ranghöchsten dem Standortübungsplatz Gefechts- licher Mehrheit für die Nachrüstung Offiziere nicht persönlich kennt.58 ausschnitte vor. Später sprach Kohl aus. Zu Recht stellt Kohl fest, dass es „Er hatte auch nichts getan, um die- mit einzelnen Soldaten und fragte im Falle einer Ablehnung nicht zur sem Mangel abzuhelfen“, schreibt nach ihren beruflichen Wünschen. Wiedervereinigung gekommen wäre.55 Kießling. 59 Dann überreichte General Glanz dem Doch dann wandte sich das Blatt: Kanzler das schwarze Barett der Pan- ein Regierungschef hat öfter als „Was als ‚Fall Kießling‘ begonnen zertruppe. KKohl die zweijährig stattfinden- hatte, war … zum ‚Fall Wörner‘ ge- Am 1. Juli 1983 traf Bundeskanz- den Besprechungen der Spitzenmili- worden.“ 60 Als im Frühjahr offenkun- ler Kohl anlässlich einer Veranstal- tärs besucht: Auf insgesamt fünf Kom- dig geworden war, dass die Vorwürfe tung in Freiburg beim Aufklärungs- mandeurtagungen der Bundeswehr gegen Kießling haltlos waren, stellte geschwader 51 „Immelmann“ unter (1984 in Travemünde, 1988 in Würz- Kohl in einer Pressekonferenz am 1. Oberst Manfred Purucker in Brem- burg, 1991 in Bonn, 1992 in Leipzig Februar – zwei Wochen vor der Kom- garten ein und nutzte seinen kurzen und 1997 in Berlin) war Kanzler Kohl mandeurtagung – klar, dass Fehler Aufenthalt zum Gespräch mit einigen als Ehrengast. Auch dies belegt sein gemacht wurden. „Richtig ist, dass Soldaten. Im September 1983 be- Interesse und seine Wertschätzung es eine Fehlentscheidung war, den suchte der Kanzler die Heeresübung für die Bundeswehr. Erstmals nahm Vier-Sterne-General … in den einst- „Wehrhafte Löwen“ des III. Korps er am 15. Februar 1984 – gerade von weiligen Ruhestand zu versetzen. … unter Generalleutnant Mack. An dem einer Moskau-Reise zurückgekehrt General Kießling hat bittere Wochen Manöver nahmen etwa 42.500 Solda- – als Gast an der 27. Kommandeur- durchmachen müssen, aber auch für ten teil, darunter 3.500 Angehörige tagung der Bundeswehr unter Ge- Manfred Wörner war dies eine Zeit, an der 1. Brigade der 3. (US) Panzerdi- neralinspekteur Altenburg im Kur- die er lange in seinem Leben zurück- vision und ein belgischer Verband. hotel „Maritim“ in Travemünde teil. denken wird.“ 61 Übungstruppe Blau war die 5. Panzer- Zu Beginn seiner Rede nahm er aus Wörner bot mehrfach seinen division (Diez), Übungstruppe Rot die aktuellem Anlass zu den „Ereignis- Rücktritt an. Doch der Kanzler be- 2. Panzergrenadierdivision (Kassel), sen, die uns alle, nicht zuletzt mich hielt seinen Verteidigungsminister und der Leitungs- und Schiedsrich- selbst, aber auch Sie in der Bundes- gegen den eindringlichen Rat seiner terdienst wurde von der 12. Panzer- wehr … sehr bewegt haben“, Stellung engsten Mitarbeiter, seiner Partei- division (Veitshöchheim) gestellt. Die – dem „Fall Kießling“. Die Affäre um freunde62 und gegen die öffentliche Luftwaffe beteiligte sich im Rahmen den angeblich homosexuellen Gene- Meinung im Amt: „Damals im par- der NATO-Übung „Cold Fire“. Die ral und die dilettantische und unfaire lamentarischen Untersuchungsaus- Operationen fanden überwiegend in Behandlung seitens des Ministers und schuss wurde der Bundeskanzler auf- Nordhessen statt. Kohl besichtigte u.. seines Umfeldes hatten die Tagespoli- gefordert, dieses Rücktrittsgesuch zu das Panzergrenadierbataillon 52 aus tik der ersten Wochen des Jahres 1984 präsentieren -… : Er wusste nichts Rotenburg (Fulda) unter Oberstleut- überschattet. Vor den Kommandeuren anderes zu sagen, als er habe dieses nant Conrad. Einen Monat später, am stellt Kohl fest, dass Wörner „pflicht- Rücktrittsgesuch in den Papierkorb 19. Oktober 1983, stattete Bundes- gemäß gehandelt“ und alles versucht geworfen. So dürfte kein Disziplinar- kanzler Helmut Kohl dem Marineflie- hätte, um die Persönlichkeitsrechte vorgesetzter … mit seiner Verantwor- gergeschwader (MGF) 1 im schleswig- Dr. Kießlings zu schützen. Ein Wort tung umgehen.“ 63 holsteinischen Jagel einen Besuch des Bedauerns gegenüber Kießling, In seinen „Erinnerungen“ argu- ab. Er wurde durch Verteidigungs- der an der Tagung nicht teilnahm, mentiert Kohl politisch: „Ich war der minister Wörner, Vizeadmiral Ansgar fiel hingegen nicht.56 Im zweiten Teil Überzeugung, dass ein derart qualifi- Bethge (1924-2008), den Inspekteur seiner Rede skizzierte der Kanzler zierter, engagierter und kenntnisrei- der Marine und Vizeadmiral Günter seine Sicherheitspolitik vor dem Hin- Fromm (* 1924), den Befehlshaber tergrund des NATO-Nachrüstungsbe- der Flotte begleitet und vom Kommo- schlusses. 58 Bei Kohls Amtsübernahme 1982 gab dore, Kapitän zur See Klaus Wewet- In seinen Erinnerungen schreibt es in der Bundeswehr drei Vier-Sterne- Generale: Generalinspekteur Altenburg, zer, begrüßt. 1992 besuchte Kohl das Kohl, dass auch er „… den Beteue- Dr. Kießling und General Chalupa, den Geschwader ein zweites Mal, aber nur rungen des Generals nicht glaubte.“ Oberbefehlshaber der Alliierten Streit- für einen Zwischenstopp. 57 Diese Aussage erstaunt, weil er kräfte Mitteleuropa. In der im Parlament, Medien und Kießling nicht persönlich kannte. 59 Kießling, Günter: Versäumter Wider- Öffentlichkeit erbittert geführten Überdies wirft dies ein bezeichnen- spruch, S. 135. 60 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982- Nachrüstungsdebatte, deren Gegner des Licht auf die Stellung der Bundes- 1990, S. 237. mit Geld aus Ost-Berlin massiv un- 61 a.a.O., S. 238. terstützt wurden, blieb Kanzler Kohl 55 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982- 62 Auch der bayerische Ministerpräsident standhaft. Dabei hätte er es sich leicht 1990, S. 201 f. Strauß hatte Wörners Ablösung empfoh- 56 Kohl hat Kießling auch später zu kei- len. machen und die Verantwortung auf nem Gespräch empfangen. 63 General a.D. Dr. Kießling am die Entscheidung Schmidts abwälzen 57 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982-1990 15.09.2008 in einem Interview mit können. Am 21. November 1983 dis- Kapitel „Kein Sicherheitsrisiko“, S. 236 f. Deutschlandradio Kultur.

52 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 BLICK IN DIE GESCHICHTE cher Minister die Chance haben mus- Oberst Jörg Rappke teilnahm. In An- Leibrandt aus Hamburg vom kaiser- ste, erneut Vertrauen zu erwerben.“ 64 wesenheit u.a. des Inspekteurs der lichen Pionierbataillon 29. Als auf Dieses Lob basiert darauf, dass Luftwaffe Eberhard Eimler (* 1930) der Anhöhe von Douaumont, vor dem Wörner „einen guten Job“ gemacht wurde dem Kanzler in einem 75-mi- riesigen Beinhaus, in dem Überreste habe. Dagegen aber stehen eklatante nütigem Programm das Nutzungs- von 130.000 Gefallenen liegen, im Fehler, die er in diesem Fall selbst spektrum des Autobahn-Notlande- Nebelregen das Heeresmusikkorps zu verantworten bzw. geduldet hat. platzes (NLP) II/7 auf der A 29 vor- 10 aus Ulm unter der Leitung von Wahrscheinlich hatte Kohl bei die- gestellt. Sechs Jahre später stattete Major Simon Dach und ein französi- ser Entscheidung auch bündnispo- Helmut Kohl dem Geschwader unter sches Musikkorps die beiden Natio- nalhymnen spielten und danach das „Lied vom guten Kameraden“ und das französische Pendant, „Sonne- rie aux morts“ intonierten, ergriff Mitterrand Kohls Hand – eine Geste die Versöhnung der einstigen „Erb- feinde“. Helmuts Kohls Vater Hans hatte Anfang des 20. Jahrhunderts hier gekämpft, und ein Vierteljahr- hundert später, am 14. Juni 1940, wurde am gleichen Ort der Unter- offizier Francois Mitterrand von ei- nem Geschosssplitter verwundet und dann gefangen genommen, nachdem er sich durch große Tapferkeit aus- gezeichnet hatte. Ebenso großen Symbolgehalt hat- te eine gemeinsame deutsch-franzö- sische 36-Stunden-Übung, die vor der Gedenkfeier östlich von Verdun 22. September 1984: Vor der Gefallenengedenkstätte für die Toten der durchgeführt wurde und an der 1.200 Schlachten um Verdun, als das Heeresmusikkorps 10 der Bundeswehr Soldaten, u.a. der Panzerbrigade 34 die „Marseillaise“ intonierte, griff Mitterrand nach der Hand von Bundes- aus Koblenz unter Brigadegeneral kanzler Helmut Kohl. Schweigend standen der französische Sozialist und Klaus Vollmer (* 1930) mit etwa 80 der deutsche Christdemokrat vor einem mit den Nationalfahnen beider Kettenfahrzeugen beteiligt waren. Länder bedeckten Katafalk auf dem weiten Platz vor dem Beinhaus von Dem Manöver folgte ein gemeinsa- Douaumont und demonstrierten Hand in Hand die Versöhnung der mer Appell auf dem benachbarten einstigen „Erbfeinde”. Flugplatz von Étain. Zur Hauptver- kehrszeit rollten deutsche Panzer litische Aspekte berücksichtigt. Es Oberst Hans-Otto Elger einen Kurz- nach Verdun, und deutsche Tornado- liegt eine große Tragik darin, dass besuch ab: Am 24.Aril 1990 trug er Flugzeuge flogen Angriffe. die Erfolgsbilanz65 Wörners – neben sich in das Gästebuch ein. Helmut Schmidt der bisher profilier- teste Verteidigungsminister – durch m 22. September 1984 gedach- Literaturverzeichnis: diese Affäre getrübt bleibt. Aten Kohl und Mitterrand bei Ver- folgt in Teil 2 Am 6. April 1984 besichtigte dun auf den Soldatenfriedhöfen in Kohl die Übung „Highway 84“ der Consenvoye und auf dem Hügel von Dank: Luftwaffe bei Ahlhorn, an der u.a. Douaumont der Gefallenen beider Besonderer Dank gilt den auch das dort stationierte Hubschrau- Völker. In der gemeinsamen Erklä- Herren Rudi Meiszies, Pressere- bertransportgeschwader (HTG) 6466 rung hieß es: „Europa ist unsere ge- ferent der Pressestelle WBK II, unter seinem neuen Kommodore meinsame kulturelle Heimat, und wir Archivoberrat Dr. Saupe vom Bayeri- sind Erben einer großen europäischen schen Hauptstaatsarchiv, Oberstleut- 64 Kohl, Helmut: Erinnerungen 1982- Tradition. … Wir haben uns versöhnt. nant a.D. Joachim Schick, General- 1990, S. 239. Wir haben uns verständigt. Wir sind major Gertmann Sude und Oberst a.D. 65 Eine – Wörners Fähigkeiten loben- de – Beurteilung liefert Generalmajor Freunde geworden.“ Siegfried Wolf sowie der S1-Abtei- a.D. Jürgen Reichardt in seinem 2008 Der Schriftsteller Ernst Jün- lung der LLBrig 26. erschienenen Buch „Hardthöhe Bonn – ger (1895-1998), der vor Verdun in Im Strudel einer Affäre“. „Stahlgewittern“ gekämpft hatte, ge- Bildnachweis: 66 Das Geschwader war der einzige rein- hörte ebenso zu den Ehrengästen wie BPA, PrSt WBK II (ehem. IV) rassige Hubschraubertransportverband der Luftwaffe. Es wurde 1966 in Dienst Hannelore Kohl, ihr Sohn Walter und Mainz, PzTrSch Munster, ZInFü gestellt und 1994 aufgelöst. der 89-jährige Leutnant a.D. Fritz Koblenz.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 53 KIRCHE UNTER SOLDATEN

12. Seminar der GKS-Akademie Oberst Helmut Korn Programmauszug

Montag, 9. November 2009 Mittwoch, 11. November 2009 15: 00 Uhr Begrüßung, Einführung in das 7:30 Uhr Hl. Messe in der Kapelle des Seminar, sowie Zielsetzung und Bonifatiushauses Organisation Vorstellung 9:15 Uhr Frauen und Männer in der Bibel – des Bonifatiushauses was sie uns heute im soldatischen 16:00 Uhr Internationale Soldatenwallfahrt Dienst zu sagen haben nach Lourdes – Wiege für 60 Jahre Dr. Andreas Ruffing, Leiter der Frieden in Europa Kirchlichen Arbeitsstelle Männer- Militärdekan Msgr. Johann Meyer, seelsorge Geistlicher Beirat der GKS auf 11:15 Uhr Arbeitsgruppen zum Thema: Bundesebene und Deutscher mein persönlicher Glaube / mein Pilgerleiter Lourdes persönliches Glaubensbekenntnis als 19:00 Uhr Aus dem Glauben leben, Soldat / Soldatin Gottes Angebot an jeden Menschen 15:00 Uhr Grußwort des Schirmherrn der Gabriele Kuby, Soziologin und Akademie Oberst Helmut Korn Buchautorin GenLt Wolfgang Korte, Director Joint danach gesellige Runde zum Warfare Centre, Stavanger, Norwegen Kennenlernen 15:45 Uhr Die GKS – ein katholischer Verband Dienstag, 10. November 2009 in der Bundeswehr – Hilfe für ein Leben aus dem Glauben 8:30 Uhr Hl. Messe in der Kapelle des Oberstlt i.G. Rüdiger Attermeyer, Bonifatiushauses Bundesvorsitzender GKS 9:30 Uhr Oberst Dr. Helmut Korn – Soldat 16:30 Uhr Der Glaube im Leben eines Soldaten und Christ – ein Leben aus dem aus Sicht des Katholischen Militär- Glauben bischofs für die Deutsche Bundeswehr BrigGen a.D. Friedhelm Koch Militärbischof und Diözesanbischof 11:15 Uhr Gelebter Glaube und Zeugnis von Augsburg, Dr. Walter Mixa Jesus Christus während der 18:00 Uhr Vesper in der Kapelle des Bonifatius- kommunistischen Zeit hauses MilPfr Cpt Mgr Jan Pacner, 19:15 Uhr Empfang durch den Katholischen Dozent an der Verteidigungs- Militärbischof Dr. Walter Mixa akademie in Brünn 15:30 Uhr Führung durch den Dom Fulda, Donnerstag, 12. November 2009 anschl. Empfang beim Oberbürger- 7:30 Uhr Eucharistiefeier in der Kapelle des meister der Stadt Fulda im Bonifatiushauses Stadtschloss 9:30 Uhr Exkursion über Homberg (Efze) 19:00 Uhr Die Akademie Oberst Helmut Korn im nach Fritzlar Überblick von 1987 bis 2008 19:00 Uhr nach Rückkehr Abendessen im Oberstlt a.D. Paul Schulz, Ehren- Bonifatiushaus, Möglichkeit des bundesvorsitzender GKS, bis 2005 Gesprächs Leiter der Akademie Oberst Helmut Korn, Chefredakteur AUFTRAG Freitag, 13. November 2009 bis 2008 7:30 Uhr Eucharistiefeier zum Abschluss des danachTreffen zum Gedanken- Seminars mit Reisesegen austausch 9:15 Uhr Auswertung der Woche, Impulse für das 13. Seminar 11:00 Uhr Schlusswort und Verabschiedung

54 AUFTRAGAUFTRAG 277 • MMÄRZÄÄRZ 2010 KIRCHE UNTER SOLDATEN

12. Seminar der GKS-Akademie Oberst Helmut Korn Kann der persönliche Glaube an Jesus Christus für den Soldaten hilfreich sein im täglichen Dienst – auch im Einsatz?

VON BERTRAM BASTIAN

it diesem Titel führte die GKS vom Montag, den 09. bis Freitag, den 13. November 2009 das 12. Se- minar der Akademie Oberst Helmut Korn im Bonifatiushaus in Fulda durch. Gemäß dem Leitsatz der MGKS „im Glauben verwurzelt“ wurde in dieser Woche den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, die persönliche Glaubenserfahrung in die Gespräche mit den Referentinnen und Referenten einzubringen. In un- mittelbarem Zusammenhang mit Fragen nach dem Glauben steht die Frage: Kann Glaube ohne Vertrauen ge- lebt werden? Somit wurde während des Seminars die Entstehung von Glauben und Vertrauen aber auch ihre Gefährdungen untersucht, diskutiert und dargelegt.

m Anfang des Seminars stand der Vortrag des Deut- Aschen Pilgerleiters und Geistlichen Beirats der GKS auf Bundesebene Militärdekan Msgr. Johann Meyer über die Lourdes Wallfahrten, von den Anfängen bis zur Gegen- wart. Während der Referent seine zahlreichen Eindrücke schilderte, liefen in einer Diashow Bilder der vergange- nen Lourdeswallfahrten im Plenum. Diese wechselnden optischen Eindrücke, verbunden mit den persönlichen Erlebnissen in und außerhalb des heiligen Bereiches, er- gaben eine beeindruckende Schilderung der Internationa- len Soldatenwallfahrt Lourdes. Mit diesem Vortrag wurde ein gelungener Einstieg in die persönliche Glaubensfrage praktiziert: Die schon in Lourdes waren, erinnerten sich an ihre Erlebnisse, die noch nicht in Lourdes dabei waren, sahen und hörten diese Glaubenszeugnisse.

ontagabend ist traditionell eine offene Akademieve- Mranstaltung zusammen mit dem Bonifatiushaus, so dass auch Bürgerinnen und Bürger aus Fulda den Vortrag Bild 1: von links: Gabriele Kuby, Soziologin der Soziologin und Buchautorin Gabriele Kuby (Bild 1) und Buchautorin, Gunter Geiger, Direktor des folgen konnten. Unter dem Titel „Aus dem Glauben leben, Bonifatiushauses, Oberst a.D. Karl-Jürgen Klein, Leiter Gottes Angebot an jeden Menschen“ schilderte die Refe- der Akademie Korn rentin ihren persönlichen Lebensweg auf der Suche nach Gott. Ansatzpunkt sei die Frage, ob der Mensch ein wei- Rednerin ihre These. Der Zeitgeist und damit der Relati- terentwickeltes Tier sei oder ein gottähnliches Geschöpf. vismus würden die Bemühungen untergraben, ein gottge- Durch die Freiheit des Einzelnen zwischen gut und böse fälliges Leben zu führen, welches nicht so bequem sei wie zu unterscheiden, zwischen Anpassung und Widerstand die Anpassung an die Beliebigkeit, sagte Kuby, bevor sie sei es leicht zu erkennen, das dies alles im Widerspruch die Vielfalt des Glaubens darstellte, der die echte Alter- zu den Tieren stehe, führte die Rednerin aus. Solche Ent- native zur Beliebigkeit sei. Sie habe zwar die Schätze der scheidungen führten dazu, dass es keinen neutralen Men- Kirche gefunden, aber in einer zerrissenen Kirche, schloss schen gäbe, sagte Gabriele Kuby, alles habe ein plus oder die Rednerin mit diesem Hinweis auf die ökumenischen ein minus. Letztendlich betrachtet müsse sich jeder auf Bemühungen des Papstes. Nach einer kurzen Fragerun- seiner Suche nach der Wahrheit entscheiden, ob für oder de stellte die Buchautorin dem Publikum noch ihre Wer- gegen Jesus Christus. Trotzdem bliebe es immer eine Ein- ke vor, bevor in der geselligen Runde Gabriele Kuby den zelentscheidung des Menschen, angelehnt an das Wort Teilnehmern des Seminars noch weiter für Diskussionen des damaligen Kardinals Ratzinger, dass es so viele Wege zur Verfügung stand. zu Gott gäbe, wie es Menschen gäbe. Gesellschaftlich be- trachtet, habe eine ungeheure Werteverschiebung stattge- ienstagmorgen nach der Hl. Messe trug BrigGen a.D. funden seit der sogenannten 68er Revolution. Das Böse DFriedhelm Koch zum Leben von Oberst Dr. Helmut würde mundgerecht dargeboten als das Gute, erläuterte die Korn vor. Ausgangspunkt war sein Vortrag bei den Feier-

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kommunistischen Zeit“ an. Der Vortrag ist im Folgenden abgedruckt. Während der Aussprache nach seinem Vor- trag gab Jan Pacner Einblicke in die Militärseelsorge der heutigen Zeit in Tschechien. So wisse er nicht, welcher Religionsgemeinschaft die Soldaten angehörten, da eine derartige Abfrage in der Armee nie getätigt wurde. Die Militärpfarrer seien Berufssoldaten für eine Zeit von acht Jahren, die aber verlängert werden könnte und tragen Uni- form und Dienstgrade, was bei ihm zu sehen sei. Die seel- sorgerische Tätigkeit sei stark auf persönliche Gespräche zugeschnitten. Da eine allgemeine Religionserziehung in Tschechien nicht üblich sei, gäbe es auch Vorbehalte ge- genüber den Pfarrern, die am normalen Dienst teilnäh- men. Diese Vorbehalte seien historisch zu sehen: Früher gab es den Politruk (Politoffizier) jetzt eben den Pfarrer. Eine Familienseelsorge gäbe es nur, wenn es die Familie ausdrücklich wünschen würde. Eine offensive Werbung im Sinne einer Missionierung sei verboten. Eine Laienarbeit werde erst aufgebaut, ebenso die Ökumene, wobei es hier – Bild 2: Militärpfarrer Magister Captain Jan Pacner, wie überall – stark auf die handelnden Personen ankäme. Dozent an der Verteidigungsakadmie in Brno (Brünn) Nachmittags wurde der Fuldaer Dom besichtigt, be- bei seinem Vortrag vor der Oberbürgermeister im Stadtschloss zu einem klei- nen Empfang einlud. Am Abend stellte Oberstlt a.D. Paul lichkeiten zum 25. Todestag von Helmut Korn, die 2008 Schulz die Geschichte der Akademie Helmut Korn vor in Fulda stattgefunden haben (abgedruckt in AUFTRAG (Bild 3). Von den ersten Überlegungen einer katholischen 271, Seite 12 ff und im Buch „Als Soldat und Christ dem Akademie bis zum 11. Seminar im Jahr 2007 gab er einen Frieden verpflichtet“ auf den Seiten 36 bis 53). Da es kei- Überblick über Themen und Zielsetzungen der verschiede- ne wesentlichen neuen Erkenntnisse gäbe, beschränke er nen Veranstaltungen. Er verwies auf das Buch „Als Soldat sich auf die wesentlichen Fakten und reichere seinen jet- und Christ dem Frieden verpflichtet“, in dem die Semina- zigen Vortrag mit Erlebnissen an, die er mit Oberst Korn re der Akademie Helmut Korn zusammengefasst wurden hatte. So wurde dieser Teil des Seminars für die Zuhörer und dessen erstes Exemplar dem Militärbischof vor dem zu einem lebendigen Zeugnis eines gelebten Glaubens als Empfang übergeben würde (siehe auch Titelbild). Soldat und Christ. Danach schloss sich der Vortrag von Militärpfarrer Jan ittwochmorgen hielt Dr. Andreas Ruffing, Leiter der Pacner1 aus Tschechien (Bild 2) unter dem Titel „Geleb- MKirchlichen Arbeitsstelle Männerseelsorge der Deut- ter Glaube und Zeugnis von Jesus Christus während der schen Bischofskonferenz, den Vortrag „Männer und Frauen

Bild 3: Die zwei Ehrenbundesvorsitzenden der Bild 4: Der Leiter der Kirchlichen Arbeitsstelle GKS: links Oberstlt a.D Paul Schulz, erster Leiter der Männerseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz Akademie Helmut Korn, daneben Oberst a.D. Karl- Dr. Andreas Ruffing bei seinem Vortrag Jürgen Klein, jetziger Leiter der Akademie Korn in der Bibel – was sie uns heute im soldatischen Dienst zu 1 Magister Jan Pacner ist Dozent an der Verteidigungsakademie in Brno (Brünn) und bekleidet den Rang eines Hauptmanns sagen haben“. Dr. Ruffing (Bild 4) nahm drei Männer als (Captain) Beispiele aus der Bibel: Abraham, David und Jeremia. Die

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nicht einzuschmeicheln, aus zu harren, ja zu sagen zum Joch der eigenen und fremden Geschichte, heißt Gottes Vernunft anzuerkennen und zu verteidigen. Anhand dieser drei Beispiele machte Dr. Ruffing nach- haltig klar, dass die biblischen Menschengeschichten im- mer auch Gottgeschichten sind, die gegen das Gottverges- sen und die Gottgewöhnung gerichtet sind. Er beendete seinen Vortrag mit dem Zitat von Dietrich Bonhoeffer: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstands- kraft geben wird, wie wir brauchen. Aber er gibt sie uns nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, son- dern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. “ Nach seinem Vortrag wurden in Kleingruppen Beispiele besprochen, wie man selbst in Grenzsituationen gekommen ist und wie man sie bewältigte. Hier bestand die Möglich- keit im persönlichen Gespräch sein eigenes Gottverständ- nis darzulegen und darüber zu reden. Es wurden deshalb auch keine Zusammenfassungen im Plenum vorgenommen. Bild 5: Der Schirmherr der Akademie Korn, Generalleutnant Wolfgang Korte bei seinem Grußwort m Nachmittag sprach der Schirmherr der Akademie während des Seminars AGenLt Wolfgang Korte (Bild 5) zu den Teilnehmern. Sein Grußwort war ein Bekenntnis zum christlichen Glau- Verheißung an Abraham, sein Vertrauen in Gott und sein ben gerade als Soldat und ist aus diesem Grund als eigener Verhalten in der Grenzsituation als Gott ihn aufforderte, Vortrag im Wortlaut abgedruckt (Seite 60 ff). seinen Sohn zu opfern. Daraus kristallisierte der Redner Nach einer kleinen Pause stellte der Bundesvorsitzen- die Fragen heraus, die uns heute beschäftigen würden: de der GKS im Vortrag „Die Gemeinschaft Katholischer Welche Lebensziele treiben mich an? Was bin ich bereit, Soldaten (GKS) – ein katholischer Verband in der Bun- dafür zu investieren? Wie verhalte ich mich, wenn ich an deswehr – Hilfen für ein Leben aus dem Glauben“ den meine Grenzen stoße? Hier gäbe es nur die individuellen Verband vor (siehe Vortrag Seite 63 ff). Antworten des Einzelnen in seiner Freiheit, verbunden Zum Schluss der Vortragsreihe an diesem Tag trug der mit der Verantwortung für diese Entscheidung. Leichter Katholische Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr mache es auf alle Fälle, ein Gottvertrauen zu besitzen, wie und Augsburger Diözesanbischof Dr. Walter Mixa vor. Sein Abraham es gezeigt habe. Am Beispiel David zeigte der Thema „Der Glaube eines Soldaten aus Sicht des katho- Referent den kometenhaften Aufstieg vom Hirtenjungen lischen Militärbischofs“ gliederte er in die Abschnitte zum König, die Versuchung als Mächtiger, den Machtmiss- Soldat im Neuen Testament, Vorbildcharakter des Solda- brauch aber auch die Misserfolge, als sich sein Sohn gegen ten, Glauben des Soldaten und schloss mit Bemerkungen ihn wendet, das Versagen des Tempelbaues. Daraus leite- zum Geschenk von Lourdes. Im Neuen Testament stünde te Dr. Ruffing die Fragen ab: Wie geht es mir im dienstli- nichts gegen die Soldaten, führte Bischof Mixa aus. Der chen Alltag zwischen Erfolg und Misserfolg? Was ist für Glaube des Hauptmanns von Karphanaum wird beispiel- den Einzelnen „gerechtes Herrschen“? Wenn man Verant- haft dargestellt bis hin zum Soldaten unterm Kreuz, der wortung trägt, sucht man dann den Rat anderer, wendet sagte: „Dies ist wahrhaftig Gottes Sohn“. Somit könne nie- man sich an Gott? Hier stehe David nur in Teilbereichen mand die Bibel gegen die Soldaten ins Feld führen. Die als positives Vorbild da, es zeige aber auch, dass man vor Heiligen Sebastian und St. Martin seien große Vorbilder, Überheblichkeit und Fehlern nie sicher sein könne. Zum an denen sich die Gläubigen – nicht nur die Soldaten – gerechten Herrschen machte der Redner einen Vorschlag orientieren könnten. Ein bewusstes Leben aus dem Glau- von Augustinus, der nach einer Aufzählung von Beispielen ben habe trotzdem noch Höhen und Tiefen, Stärken und mit den Worten endet „Gute ermutigen, Böse ertragen und Schwächen, aber im Glauben zu leben gäbe Kraft, die Tie- – ach – alle lieben“. Am Beispiel Jeremia zeigte der Vor- fen zu bestehen und Klugheit in Höhen nicht übermütig zu tragende einen Menschen, der als unbequemer Mahner in werden. So seien die Kardinaltugenden immer wieder ge- einer chaotischen Zeit an seinem Auftrag fast verzweifelt, fragt, führte der Bischof aus, und gäben damit eine ideale der mit sich, seinem Umfeld und mit seinem Gott „nicht Richtschnur für das tägliche Leben ab. Dieses Leben im klar kommt“, aber dennoch seine Hoffnung auf Gott setzt. und aus dem Glauben solle aber ruhig nach außen gezeigt An diesem Beispiel Jeremia machte der Leiter der Kirch- werden. „Raus aus dem Plüschsessel, ran an die Buletten“ lichen Arbeitsstelle für Männerseelsorge folgende Fragen forderte der Bischof seine gläubigen Soldaten auf, ihren fest: Ändert sich das Gottesbild, wenn sich die Lebenssi- Glauben zu zeigen, denn Glaube sei auf Gemeinschaft tuation verändert? Wie geht man mit Enttäuschungen, mit ausgelegt aber nicht auf Vereinsmeierei. Für die Schön- Überforderungen um? In welchen Situationen spüre ich heit und Weisheit der katholischen Kirche stünde auch Aggression und Zorn? Als Schlussfolgerungen zitierte der das Geschenk Lourdes, in dem die Soldaten als Vorbilder Redner Jürgen Rennert, der sagte: Jeremia sein, heißt sich im Glauben aufträten. In der anschließenden Fragerun-

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 57 KIRCHE UNTER SOLDATEN de nahm Bischof Mixa zu der Zusammenarbeit der zivilen Dr. Mixa das erste Exemplar des Buches „Als Soldat und Gemeinde mit den Militärpfarrämtern Stellung. Soldaten Christ dem Frieden verpflichtet“, eine Zusammenfassung sollten ruhig in Uniform in der Gemeindekirche am Got- der ersten elf Seminare der Akademie und der Feierlich- tesdienst teilnehmen, sagte der Bischof auf eine entspre- keiten anlässlich des 25. Todestages von Oberst Korn im chend Frage, dann würden automatisch die Zivilgemein- Jahre 2008. Das zweite Buch erhielt der Schirmherr der den sich mit der Problematik der Soldaten beschäftigen. Akademie aus den Händen des Bundesvorsitzenden (sie- Zur besseren Vorbereitung auf die Auslandseinsätze sei he Titelbild). immer mehr interkulturelle Kompetenz notwendig, deshalb Der Donnerstag stand im Zeichen der Exkursion sei die Gründung einer Zentrums für ethische Bildung in über Homberg (Efze) nach Fritzlar, in deren Verlauf auch den Streitkräften am Institut für Theologie und Frieden die Vorträge in Diskussionen nachbereitet wurden. Am in Hamburg geplant. Freitag wurde nach der Feier der Eucharistie das Semi- Nach einer Vesper in der Kapelle des Bonifatiushau- nar ausgewertet, beurteilt und letzte Fragen beantwortet. ses lud der Militärbischof zu einem Empfang ein. Bevor Impulse für das 13. Seminar im Jahr 2011 wurden vom es zur allgemeinen Stärkung ging, überreichte der Bun- Akademieleiter Oberst a.D. Dipl.-Ing. Karl-Jürgen Klein desvorsitzende Rüdiger Attermeyer dem Militärbischof aufgenommen. ❏

Gelebter Glaube und Zeugnis von Jesus Christus während der kommunistischen Zeit

VON JAN PACNER

ch muss zugeben, dass es für mich nicht einfach war, das bedeutet nicht die kommunistische Weltanschauung Idiesen Vortrag vorzubereiten. Die Hauptschwierigkeit hatten, war es verboten. Eine Bemerkung: wie sie wissen, ist lag darin, dass mir viele Gedanken eingefallen sind und freies Denken für alle kommunistische Regime gefährlich es war ganz schwierig, sie ein bisschen zu systematisieren. und darum (trotz aller Proklamierungen) ausgeschlossen. Außerdem will ich nicht wie einer sprechen, der verschie- Nach dem Verlassen der Universität wäre mein Vater dene Ratschläge geben kann, weil er eine gewisse Zeit die zur Armee geschickt worden, aber weil er Kinderlähmung unnatürliche Wirklichkeit eines kommunistischen Staates gehabt hatte und dadurch ein Bein schwächer war, konn- erlebt hat. Ich muss auch betonen, dass ich nur die Zeit te er nicht Wehrdienst machen und arbeitete 12 Jahre als der so genannten Normalisierung erfahren habe, die sicher Buchhalter. Dabei wurde ihm nach gewisser Zeit erlaubt, nicht einfach war, aber nicht mit der Situation der fünfzi- Mathematik auf der naturwissenschaftlichen Fakultät in ger Jahre verglichen werden kann. Jene Zeit ist für mich Brno zu studieren, weil die Naturwissenschaften nicht so – und war auch vor dem Jahr 1989 – unvorstellbar, obwohl tief von dem Regime und seiner Ideologie beeinflusst wa- ich mit vielen Leuten, beginnend mit meinen Eltern, über ren. Nach dem Studiumsabschluss begann er in einem Da- diese Zeit ausführlich gesprochen habe. tenzentrum zu arbeiten, im Jahre 1969 erhielt er Doktorat, Weil mein Nachdenken wesentlich mit gelebtem Glau- aber es wurde ihm immer verboten zu unterrichten. In den ben und christlichem Zeugnis zu tun hat, werde ich Ihnen siebziger Jahren konnte er zuerst die Funktion eines Chefs keinen allgemeinen Überblick oder eine fachliche Studie von Programmierern im Datenzentrum ausüben. Mit fort- über die kommunistische Zeit in meiner Heimat anbieten, schreitender Normalisierung wurde aber von Leuten, die sondern einige persönliche Erfahrungen, die sehr eng mit führende Positionen hatten, gefordert, ihre Untergeordne- der Familie verbunden sind, in der ich aufgewachsen bin. te in Marxismus auszubilden. Das lehnte Vater ab und die Ich hatte nämlich das Glück oder, frommer ausgedrückt, Leitungsposition wurde ihm abgenommen. (Persönliche erhielt ich eine riesige Gabe, dass in unserer Familie Erinnerung, Anmerkung des Dozenten) Glaube wirklich gelebt wurde, auch mit der Bereitschaft, Erst nach dem Jahre 89 konnte mein Vater einige Jah- für ihn etwas zu opfern. Lassen Sie mich Ihnen meine El- re im Gymnasium unterrichten und auch Vorlesungen für tern vorstellen. eine breitere Öffentlichkeit veranstalten. Mein Vater schloss das Gymnasium am Ende des Zwei- Meine Mutter war Krankenschwester, sehr geschickt ten Weltkriegs ab, dann studierte er Philosophie und Ge- und liebte ihre Arbeit. Sie war immer bereit, sich den Kran- schichte auf der philosophischen Fakultät in Brno (Brünn). ken zu widmen, auch eine Begegnung mit einem Priester Er war in den katholischen Studentenkreisen tätig und nach ihnen zu vermitteln, was gewisses Risiko vorstellte. Weil dem kommunistischen Putsch im Jahre 1948 begann er sie dann lange mit uns Kindern zu Hause blieb (ich habe Schwierigkeiten zu haben. Es wurde ihm noch erlaubt, die vier jüngere Geschwister), hatte sie keine Berufsschwie- Abschlussprüfung zu machen, aber das war alles. In einer rigkeiten, aber sie unterstützte immer ihren Mann, obwohl freien Gesellschaft wäre er sicher auf der Uni als Dokto- seine Entscheidungen selbstverständlich auch Nachteile rand geblieben, aber für Leute wie ihn, die eine falsche, (z.B. finanzielle) und Fragen (z.B. Zukunft von uns Kin-

58 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 KIRCHE UNTER SOLDATEN dern) mitbrachten. Ich konnte wiederholend feststellen, chant von der Stadt Tˇrebíˇc, wo ich geboren wurde und dass für meine Eltern Vertrauen in Gott kein leerer Begriff, aufgewachsen bin, war ein wichtiges Mitglied in dieser sondern eine lebendige Wirklichkeit war, die sie nicht ir- Organisation. Meine Eltern waren damit natürlich nicht gendwohin nach oben entrückte, sondern ihre Kraft im einverstanden und obwohl wir zu einer anderen Pfarr- Alltag bestätigte. gemeinde gehörten, wurde uns aus Sicherheitsgründen Ich bezweifle, dass meine Eltern mit einem solchen Lob klar gesagt, dass er gewisse Sachen nicht wissen durfte, einverstanden wären, sie schätzten sich sicher nicht als dass es leider besser sei, ein Treffen mit ihm zu vermei- Helden oder Superchristen, sie hatten selbstverständlich den. Aber sie verurteilten ihn als Menschen nie und ver- ihre Fehler und Begrenzungen und mussten ihre Entschei- zichteten auf endgültige Urteile. Wenn er während mei- dung für ein Leben aus Glauben mit seinen Konsequenzen ner Gymnasienjahren plötzlich starb und ich dazu einen und innere und äußere Wahrhaftigkeit erneut durchringen. nicht zuviel passenden Kommentar hatte, wurde mir klar gesagt, dass ich lieber schweigen sollte. Erst allmählich ielleicht kann ich jetzt einige Punkte summarisiert lernte ich, dass die Wirklichkeit, und vor allem ein Ge- Vunterstreichen, die für mich in unserer Familie be- heimnis eines Menschen, nie schwarzweiß ist. Leider sonders wichtig waren: muss ich bemerken, dass diese große Versuchung und Glaube, der seine Grundlage kennt. In der Schule Vereinfachung (im Sinne „wir sind gut und die anderen hörte ich wiederholt und eigentlich wurde überall betont, sind schlecht“) einige Gläubige, die früher sehr mutig wa- dass es hier eine sogenannte wissenschaftliche Weltan- ren, in sich haben und jetzt, wenn es keine klare Fronten schauung gebe, die einzig richtig sei. Die Wissenschaft mehr gibt, nach verschiedenen Feinden suchen und als habe bewiesen, dass es einen Gott nicht geben kann und solche auch die Christen betrachten, die nicht dieselben es sei sicher, dass Religion verschwinden werde. Ich weiß, Meinungen wie sie haben. dass diese Ansichten auch im Westen existierten, aber bei Vielleicht die wichtigste Sache – Glaube, der mit ei- uns war es eine offizielle Doktrin. Darum war es so wich- ner Freude am Leben verbunden ist. Von der kommunis- tig, gute Informationen zu haben. Mein Vater diskutierte tischen Propaganda wurde wieder und wieder betont, das mit uns Kindern systematisch religiöse Themen und wir Christentum sei lebensfeindlich, weil es mit einem Le- konnten wahrnehmen, dass diese Frage gar nicht endgül- ben nach dem Tode rechnet und dadurch dieses irdische tig gelöst ist, dass hier viele gebildete Christen waren und Leben entwertet. Der Glaube solle dazu dienen, die un- sind, die den Glauben reflektierten, die keine Angst vor terdrückten Werktätigen zu beruhigen, sie durch falsche schweren Problemen hatten und dass es gute Gründe, so- Hoffnungen von revolutionären Aktivitäten abzuwenden. gar sehr gute Gründe für den christlichen Glauben noch Wir Christen müssen leider zugeben, dass es gewisse Spi- immer gebe. Und wir stellten fest, dass im Gegenteil die ritualitäten geben, die zu Geringschätzung von dieser Welt kommunistische Doktrin keine wirkliche Fragen und kein und diesem Leben geneigt sind. Auch heute kann man die kritisches Denken erlaubt. Ablehnung einer solchen Einstellung sehen: „God does Wahrhaftigkeit des Lebens. Eine Theorie mag schön not exist. Enjoy your life. – Einen Gott gibt es nicht. Ge- sein, aber was gilt, ist konkretes Leben. Ein junger Mensch nieße dein Leben.“ Es war für mich wahnsinnig wichtig, konnte in siebziger und achtziger Jahren deutlich beob- das ich erfassen konnte, dass meine Eltern (und auch an- achten, dass in der Gesellschaft immer etwas vorgespielt dere Christen) das Leben liebten, dass sie fähig waren, die wurde. Es wurde anders gedacht und anders in der Öffent- Schönheit von Natur und menschlichen Werken zu sehen lichkeit gesprochen und das verursachte eine seltsame, und zu genießen, dass ihr Glauben ihnen Lust am Leben bedrängte Stimmung. Und dabei sollten wir uns beina- und eine positive Einstellung zu anderen Leuten brachte. he an der Schwelle des Paradieses befinden! Zum Glück konnte ich nicht nur bei meinen Eltern spüren, dass das ie Sie sehen können, das Leben meiner Eltern war Leben aus dem Glauben anspruchsvoll ist, aber zur inne- Wfür mich wirklich ein Glaubenszeugnis. Aber auch ren Freiheit führt. Das, worüber meine Eltern sprachen, ich war in meiner Reifezeit Elternkritisch, auch ich such- bemühten sie sich auch zu leben. Gebet bedeutete keine te nach meinem eigenen Lebensweg. Wie allgemein be- Ausrede für Untätigkeit, sondern einen Impuls für Han- kannt ist, sind in diesem Alter vor allem Zeitgenossen und deln. Und Glauben war keine Summe von toten Lehrsät- Vorbilder von Bedeutung. Auch in jener Zeit entstanden zen, sondern vor allem ein lebendiges Verhältnis zu Jesus verschiedene Jugendkreise und andere Bewegungen, die Christus, das Konsequenzen fürs Leben hat. sich bemühten, den Glauben der Jugendlichen zu entfal- Die Wirklichkeit, dass ich mich bemühe, gut zu leben, ten und sich gegenseitig zu unterstützen. Diese Aktivitäten bedeutet nicht, dass ich die anderen verurteilen kann. Ich waren aber damals inoffiziell, de facto verboten und mit muss zugeben, dass ich, besonders als Teenager, nicht fä- einem Risiko verbunden, besonders für die, die sie leite- hig war, diese Einstellung wirklich zu schätzen. In diesem ten. Einerseits bedeutete das, dass viele Angst hatten, an Alter sieht man ziemlich schwarzweiß und ich war sehr diesen Tätigkeiten teilzunehmen, anderseits lag darin für kritisch gegenüber Kommunisten und auch denen, die uns auch Attraktivität, wir machten etwas, was verboten sich mit ihnen irgendwie verstrickt hatten. Wie Sie viel- und ein bisschen gefährlich war, wir gingen nicht mit der leicht gehört haben, gab es bei uns eine Priesterorganisa- Menge, wir waren auf der richtigen Seite. Vielleicht war tion genannt Pacem in terris (es war ein Missbrauch von es für uns damals einfacher, sich für das Christentum zu Benennung einer Enzyklika vom Papst Johannes XXIII), entscheiden, als jetzt, wo es so viele, oft interessante An- die mit dem Regime kollaborierte. Zum Beispiel der De- gebote und Lebensweisen gibt.

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 59 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Ich besuchte den Jugendkreis in unserer Stadt, der lebnisse und tiefgehende Glaubenszeugnisse. Ich denke, von Universitätsstudenten geführt wurde, die ungefähr 5 dass es fast unmöglich ist, diese Erfahrungen weiterzuge- Jahre älter als wir waren und die für uns zu positiven Vor- ben, z. B. wenn uns ein Priester besuchte, der den vori- bildern wurden. Hier konnte ich viele von meinen Fragen gen Nachmittag auf der Polizeistation in Prag verbracht beantworten und vor allem sah ich junge Leute, die ich hatte, wo er wegen seiner Tätigkeit befragt wurde, dann bewunderte und die bereit waren, ihren Glauben zu leben fuhr er mit einem Nachtzug nach Mähren und dort in den und ihn mit uns zu teilen, die ganz normal aussahen und Bergen nicht weit von der slowakischen Grenze feierte er sich nicht schämten, dass sie glaubten. Wir hatten nicht mit uns Eucharistie, bei der er ganz einfach sagte, dass es nur, wenn ich es so ausdrücken darf, „fromme“ Treffen, sinnvoll ist, als ein Christ zu leben, dass das Verhältnis sondern gemeinsam erlebten wir viel Spaß und – was für zu Christus eine Quelle der Freude und Lebenserfüllung mich besonders wichtig war – machten während der Ferien ist – und wir konnten wahrnehmen, dass es keine fromme die Bergwanderungen, vor allem in der Slowakei, die mich Phrase ist, dass es für ihn gilt – und dass es auch für uns tief beeindruckten. Obwohl – wie erwähnt – unsere Eltern gelten kann und soll. uns die Liebe zur Natur einprägten, bedeuteten diese Wan- In einem solchen Milieu entstand auch, nachdem ich derungen wesentlich näheren Kontakt mit der Natur und Fachmathematik auf der Uni zu studieren begonnen hatte, durch ihre Schönheit auch mit Gott. Ich bin immer dank- meine Berufung zum Priestertum. Dann hatte ich Schwie- bar, dass ich seit dem Jahre 89 ohne Schwierigkeiten in rigkeiten mit der Staatspolizei, weil – wie mir gesagt wur- verschiedene Berggebiete, vor allem in die Alpen, reisen de – ich leider von den Leuten stark beeinflusst war, die kann und auf ihren Pfaden und Klettersteigen erlebte ich die wahre sozialistische Denkweise nicht hatten. Weil viele der schönsten Momente meines Lebens. damals de facto gerade die Staatspolizei entschied, wer Jugendarbeit wurde Priestern, die in Pfarrgemeinden zum Theologiestudium zugelassen wurde, musste ich vier tätig waren, de facto verboten, und war für sie u.a. mit der Jahre warten, bevor die Lage besser wurde und ich zum Gefahr verbunden, dass ihnen sogenannte Staatserlaub- Theologiestudium angenommen wurde. Ich machte einen nis für den priesterlichen Dienst entzogen werden konn- zweijährigen Wehrdienst, der für uns obligatorisch war, te. Dann durften sie offiziell nicht als Priester wirken und und zwei Jahre arbeitete als Sanitäter im Krankenhaus. arbeiteten z.B. als Heizer, Fensterputzer oder Mauernhel- Beides war eine gute, obwohl von Zeit zu Zeit auch harte fer. Aber viele von ihnen, setzten – zusammen mit Pries- Lebensschule. Als ich im Jahre 1987 ins Priesterseminar tern, die insgeheim geweiht wurden, einige von ihnen in eintrat, konnten wir spüren, dass sich gewisse Sachen ein der ehemaligen DDR - in ihrer Freizeit Jugendarbeit fort. bisschen zu ändern begannen, aber wir ahnten nicht, was Vor allem die Salesianer veranstalten verschiedene Aus- nach zwei Jahren geschehen würde. flüge und besonders so genannte „Hüttchen“. Das waren Abschließend möchte ich betonen, dass obwohl von Ferienaufenthalte meistens für Burschen mit religiösen Strukturen und offiziellen Möglichkeiten her ein riesiger Programmen und vielen Sportaktivitäten, die ihre Zen- Unterschied zwischen Leben der Kirche in einer freien tren meistens in allein stehenden Gebäuden in Bergge- Gesellschaft und in kommunistischer Diktatur ist, bin ich bieten hatten. Die Salesianer bauten allmählich ein Netz überzeugt, dass immer und überall die wichtigste Sache von Mitarbeitern auf, oft Hochschulstudenten, die diese ist, eine persönliche Entscheidung für den Glauben, für „Hüttchen“ führten. Jede solche Gruppe wurde von einem Jesus Christus zu machen. Und wenn diese Entscheidung Priester besucht, der dort Eucharistie feierte, eine Kate- reif und gesund sein soll, braucht man Vorbilder, Glau- chese hatte und Möglichkeit zu persönlichen Gesprächen bensgemeinschaft und Erfahrung eines Glaubens, der mit oder zu Beichten anbot. Es waren für uns sehr starke Er- Freude am Leben verbunden ist. ❏

12. Seminar Akademie Oberst Helmut Korn Gedanken zur Ethik des Soldatenberufes

VON GENLT WOLFGANG KORTE

m 01. Juli dieses Jahres habe ich mein 40. Dienst- getragen haben, noch tragen oder irgendwann einmal Ajahr vollendet. Heute weiß ich, dass mir die Trag- tragen werden. weite meiner Entscheidung, Offizier zu werden, damals In den ersten Jahren meines Dienstes stand eindeu- nicht wirklich bewusst war. Ich habe mich für einen tig der handwerkliche Aspekt unseres Berufes im Vorder- Beruf entschieden, den ich damals für einen von vielen grund. Ich will damit nicht sagen, dass meine Vorgesetzten, möglichen hielt. Erst sehr viel später habe ich, wie si- Lehrer und Ausbilder der charakterlichen und intellek- cher auch viele von Ihnen erkannt, wie anspruchsvoll tuellen Seite unseres Berufes keine Beachtung geschenkt meine Wahl tatsächlich war. Wenn ich hier heute von hätten, aber das nahm man so nebenbei mit. Es stand Soldaten spreche, spreche ich vornehmlich von Offi- nicht so im Fokus, wie es vielleicht von Anfang an hätte zieren und Unteroffizieren, die Führungsverantwortung sein können oder sollen. Natürlich war das Thema Innere

60 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Führung wichtig, es war ja sogar Sperrfach auf manchen Innere Stärke und Kraft zur Führung können nur aus Lehrgängen. Aber mir war ehrlich gesagt wichtiger, dass Charakter und ethisch begründeter Überzeugung erwach- meine Offiziere und Unteroffiziere ihren Panzer und ihre sen. Innere Stärke jedoch ohne Wertebindung kann sehr Waffen beherrschten. schnell auch der falschen Sache dienen, dem persönlichen Sie werden mir sicher Recht geben und auch die Er- Ehrgeiz oder der eigenen Eitelkeit zum Beispiel. Das läuft fahrung gemacht haben, dass man allen idealtypischen dann aber schnell auf Missbrauch von zur Führung anver- Anforderungen unseres Berufes wohl nie wird in Gänze trauten Abhängigen hinaus. Soll jedoch Rechtfertigung mehr entsprechen können. Am einfachsten sind in der Regel sein als vordergründige Erklärung oder bequeme Ausrede, die zu erfüllen, die eher der technokratischen Bewältigung dann brauchen wir dafür einen Maßstab, Werte, die außer- der vielschichtigen Aufgaben eines Soldaten zuzurechnen halb unseres eigenen Nutzens liegen. sind. Diese mehr handwerklichen Fähigkeiten kann man Die fast schon unmenschliche Aufgabe, fremdes Leben sich erarbeiten, man kann sie erlernen und trainieren. Das zu verantworten, legitimiert sich nicht allein durch das staat- gilt nicht in gleichem Masse für Charakter und Geist, die liche Gewaltmonopol, ein Mandat oder das Soldatengesetz aber ganz genau so Attribute unseres Berufes sind, ja die mit seinem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Wir kommen gerade im Beruf des militärischen Führers eine besondere an einer individualistischen, persönlichen Entscheidung Ausprägung erfahren. Womit ich nicht gesagt haben will, und Rechtfertigung nicht vorbei. dass dies nicht auch für andere Berufe gelten kann. Diese Attribute, Charakter und Geist, bilden sich durch persön- ie jeder andere Beruf dient auch der Beruf des Soldaten liches Erleben, Erfahren und Einsicht heraus. Wzunächst einmal der Sicherung des Lebensunterhalts. Wenn die Zweckbestimmung des Berufes jedoch die Siche- ls ich Personalführer und später Referatsleiter in der rung der Grundlagen menschlicher Existenz einschließt, AAbteilung Personal war, ist mir ganz besonders be- wenn es also um Bewahrung von Leben, Menschenwürde, wusst geworden, wie vielschichtig aber auch wie unprä- Freiheit, Frieden und Recht geht - so unser Grundgesetz - zise Begriffe sein können, mit denen wir Menschen cha- dann gewinnt die Sache eine ganz neue Dimension, eine Di- rakterisieren, und wie viele Probleme sie bereiten können mension, die es in vielen anderen Berufen nicht gibt, ohne in einer Welt und in einer Umgebung, in der in der Regel diese damit in irgend einer Form abwerten zu wollen. Wir nur das Konkrete, das Beweisbare, das Belegbare zählt, teilen diese besondere Dimension mit Berufen wie z.B. dem das was wir messen und zählen können. Viel zu selten des Pfarrers, des Arztes, dem des Pädagogen, des Politikers wird Charaktereigenschaften im Vergleich mit und in der und anderen. Wir sind weiß Gott nicht einmalig. Aber auch Konkurrenz zu Leistungsparametern die richtige Gewich- wenn die jeweiligen Zweckbestimmungen sehr unterschied- tung eingeräumt. lich sind, gehört doch zu diesen Berufen, wie zu dem des Für mich war dies immer ein Grund mehr, mich mit militärischen Führers, eine ideelle Verpflichtung, ein Wer- diesen Attributen näher zu befassen und sie mehr in das tebezug, eine besondere Verantwortungsethik. Zentrum unseres Berufsverständnisses zu rücken. Denn Das Berufsbild des Soldaten, gerade in Deutschland, ist es ist doch der Charakter, der im Wesentlichen die Glaub- sehr komplex. Es ist bis heute belastet mit Klischees, mit würdigkeit und die Überzeugungskraft des militärischen Vorurteilen und natürlich mit den schlimmen Ereignissen Führers bestimmt, es ist der Charakter, es ist die Persön- unserer Vergangenheit. Wir Deutsche haben unsere beson- lichkeit die ihn verlässlich und berechenbar machet, Ei- deren Traumata zu verkraften. genschaften, die die Forderung des Soldatengesetzes an Die sehr pauschalen moralischen Angriffe auf die deut- ihn, Vorbild zu sein, doch erst möglich machen. schen Soldaten nach 1945 zwangen zu einer selbstkriti- Geist oder Intellekt wiederum verleihen dem militä- schen Auseinandersetzung. Wer dies wahrhaftig tat, musste rischen Führer die Kraft zum Verstehen, zum Urteil, zur zwangsläufig zu der Erkenntnis kommen, dass der faktische Entscheidung. Der Charakter ist auch der Ort, wo das Missbrauch der Soldaten der Wehrmacht für Angriffskriege, Gewissen zum Massstab unseres Handelns wird. An Wer- Unterdrückung und Schlimmeres, mit der Opferrolle gegen- ten orientiertes Handeln, zielgerichtetes Handeln, Han- über einer verbrecherischen Politik and Staatsmacht allein deln gegen Mode und Zeitgeist und eine Lebensführung nicht zu erklären, geschweige denn zu entschuldigen war. die versucht, diesen Grundsätzen zu folgen, das erfordert Wer die Pflicht zur persönlichen, ethischen Rechtfertigung Geist und Charakter. ernst nahm, musste erkennen, dass das Prinzip von Befehl Eine unserer wichtigsten Aufgaben gerade heute, in und Gehorsam, dass Pflichterfüllung, Liebe zum Vaterland Zeiten der Einsätze, ist es, Soldaten auf Extremsituationen oder Sorge um die eigene Familie allein nicht ausreichten, vorzubereiten und sie in solchen Grenzsituationen dann weil sie nicht an Recht und Gesetz, nicht an das Gebot der auch zu führen. Verantwortung für fremdes Leben zu tra- Menschenrechte und nicht an eine Gewissensentscheidung gen, ist aber eine ungeheure Anforderung. Um ihr gerecht gebunden waren. werden zu können, bedarf es innerer Stärke und geistiger Dass unsere Väter und Großväter für die Nationalsozi- Durchdringung. Leben zu verantworten bedarf eines wirk- alisten in den Krieg zogen, Unrecht taten, ja vielleicht tun lich guten, überzeugenden Grundes, eines klaren Zieles mussten, und doch dabei ihrem Land im Guten zu dienen und der Rechtfertigung vor seinen Soldaten, aber vor allem glaubten, ist nicht vorwerfbar. Das verdient vor allem un- auch vor sich selbst. Ein rein militärischer Zweck allein ser Mitgefühl. Wer sich jedoch auch noch nach dem Zu- reicht da nicht aus, er bedarf einer überzeugenden ethi- sammenbruch indirekt durch die Nationalsozialisten miss- schen Legitimation. brauchen liess, weil er sich der Wahrheit und der Einsicht

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 61 KIRCHE UNTER SOLDATEN in die Schuld verschloss, kann nicht auf unser Verständnis entweder durch Handeln oder durch Unterlassung schuldig zählen. Wenn wir die Diskussion suchen, den Dingen auf zu werden. Das heißt natürlich nicht, dass wir wegen die- den Grund gehen, dann weil wir uns ohne dies den Blick ses Dilemmas die Ethik als Prinzip zur Disposition stellen auf die Zukunft verstellen. und als Maßstab für verantwortliches Handeln aufgeben. Der Aufstand des Gewissens, der zum 20. Juli führte, Wie sonst sollte der Mensch auf die Frage: „Was soll ich hatte bei vielen der Handelnden vielleicht keine demokra- tun?“ eine Antwort finden oder in seiner Selbstzerstörung tische Zielsetzung, sondern andere Motive. Er zeigt uns aber gestoppt werden? eindrucksvoll das mutige Einstehen auch von Soldaten, de- Oder anders gefragt: „Wie kann ich das Leben anderer nen das Koordinatensystem der Werte auch in schwierigen ermöglichen? Was kann ich tun? Wie kann ich am Aufbau Zeiten nicht verloren gegangen war. Diese Männer und Frau- und an der Umsetzung einer entsprechenden Ordnung mit- en traten ein für ein freies Deutschland, für einen Rechts- wirken? Wie also kann ich Verantwortung übernehmen? “ staat, für Selbstbehauptung gegenüber Unterdrückung, für vor allem aber auch: „Wie kann ich Ziele und Mittel mei- Würde und Anstand, für die Widerherstellung der Ehre einer nes Handelns vor Gott, als der von mir erkannten höchsten Kulturnation, für ihr Vaterland und nicht zuletzt in vielen Instanz, rechtfertigen?“ Fällen für ihre christliche Überzeugung und ihren Glauben. Jeder von uns musste bzw. muss sich zwangsläufig ir- Die militärischen Führer unter ihnen hätten dies nicht tun gendwann mit den Grundlagen unseres Berufes, mit seiner können, wenn sie eine rein handwerkliche Vorstellung vom ethischen Legitimation auseinandersetzen. Wir sollen Le- Wesen ihres Berufes gehabt hätten. Aber da war eben auch ben schützen, dazu Soldaten einsetzen und führen, denen die Verpflichtung des Charakters, des Geistes und des im wir im Namen des Staates, dem wir dienen, die Ausübung Glauben eingebundenen Gewissens. von Gewalt zumuten. Wir verlangen von unseren Soldaten sogar den Einsatz ihres Lebens. Wir verantworten also auch as ist es, das Menschen die grundsätzliche Fähigkeit fremdes Leben, nicht nur unser eigenes. Aus dieser Pflicht Wverleiht, zwischen gut und böse zu unterscheiden? gibt es keinen Ausweg, auch nicht den der Verweigerung Was gibt ihnen die Kraft, sich für das als richtig erkannte oder Verdrängung. Diesem Dilemma können wir nicht ent- auch einzusetzen? kommen. Es führt zwangsläufig in die Schuld. Es gibt wohl kaum wichtigere Fragen, denen man im Wir Christen können uns glücklich schätzen, das uns Leben begegnen kann. Und oft ist man darauf nicht oder eine Antwort in dieser Not gegeben ist: Nämlich die christ- nur unzureichend vorbereitet. Es geht nicht darum, immer liche Zusage der Erlösung aus der Schuldverstrickung, die gleich die passende Antwort parat zu haben, über quasi ein Vergebung der Sünde. Wer wirklich konsequent zu Ende Nachschlagewerk für moralisch einwandfreies Handeln zu denkt, kommt immer an den Punkt, an dem letzte Antwor- verfügen. Sondern es geht darum, letzte Verbindlichkeiten ten nicht mehr durch Menschen gegeben werden können. zu kennen, seinen Standort bestimmt zu haben und im Cha- Nun, im Frieden hier in Deutschland, im täglichen rakter gefestigt zu sein. Ethische Fragen sind Lebensfragen, Routinedienst belastet uns diese Verantwortung für frem- denen wir nicht ausweichen können, zu denen wir Stellung des Leben nicht so unmittelbar. Das ändert sich jedoch im beziehen müssen. Wir Mensch sind zum Leben in der Ge- gleichen Augenblick indem es zum Einsatz kommt, ja ei- meinschaft bestimmt. Gemeinsames Leben aber verlangt gentlich schon, wenn wir uns auf ihn vorbereiten. Und wenn nach Gestaltung der Beziehungen untereinander, nach Re- wir einmal in dieser Situation gewesen sind, lässt sie uns nie geln und nach einer Instanz, die die Einhaltung dieser Re- wieder los. Wir müssen darauf vorbereitet sein. geln garantiert und sich u.a. auch für den Schutz des Ein- Der Widerspruch zwischen ethischer Maßstabsetzung zelnen und der Gemeinschaft verantwortlich fühlt. Leben und realer Verantwortung, die Unvereinbarkeit von Anspruch zu schützen, u.a. indem ich den Frieden wahre, ist somit ein und Wirklichkeit begegnen uns immer wieder, im Grossen wesentlicher Zweck des Staates und politischen Handelns. wie im Kleinen. Wer dies erkennen und danach handeln Und dazu sind Instrumente, wie auch das Militär, un- will, darf sich vor allem nicht selbst in den Mittelpunkt stel- verzichtbar. Damit landen wir fast zwangsläufig in einem Di- len. Wer glaubwürdig sein will, muss zunächst einmal von lemma, weil die Realität, Konflikte auch gewaltsam austra- seinem eigenen Handeln überzeugt sein. Wer Gefolgschaft gen können zu müssen, uns zwingt, Mittel bereit zu halten, einfordern will, muss selbst klaren Prinzipien folgen. Wer an ihnen auszubilden und in der letzten Konsequenz auch führen will, muss bereit sein sich selbst führen zu lassen. anzuwenden, die dem Gebot der Bejahung und des Schut- Diesen Anforderungen gerecht zu werden ist sehr schwer zes von Leben diametral entgegenstehen. und besonders in Extremsituationen fast unmenschlich. Die Wo es um Ethik geht, geht es oft auch um eigentlich un- Lebensbedingungen unserer materiell orientierten Konsum- lösbare Wertekonflikte, also Dilemmata. Das war besonders gesellschaft machen es nicht gerade leichter. Da ist wenig in Zeiten des auf nuklearer Abschreckung basierenden Kal- Platz für Charakterbildung. Das Klima wird hauptsächlich ten Krieges sehr deutlich. Ein nuklearer Krieg, mit dessen durch Konsum und Genuss, Reizüberflutung, Vorteilsden- Drohung der Frieden gesichert werden sollte, hätte das Ge- ken, Distanz zu gemeinschaftlichem Denken und Handeln, bot des Schutzes von Leben in sein Gegenteil verkehrt. Es Verneinung von Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Dienen, gab jedoch zu dieser Drohung keine akzeptable Alternative. Pflichtbewusstsein, Disziplin usw. geprägt. Es herrschen Die Unmöglichkeit, ethische Ansprüche zuverlässig in oft ethische Gleichgültigkeit und Doppelmoral. Und doch jeder Situation in die Realität zu übertragen, gehört zum We- sollen, ja müssen wir uns behaupten. sen der Ethik. Hier liegt der Grund dafür, dass nach christ- Auch die intellektuellen Verführungen sind vielfältig: lichem Verständnis der Mensch keine andere Wahl hat, als Ideologien, Propaganda, Gutmenschentum, Realitätsverwei-

62 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 KIRCHE UNTER SOLDATEN gerung, Meinungsmanipulation, um nur einige zu nennen. und Maß im Urteil. Der Geist beweist sich im Ringen um Aber wir leben nun einmal in dieser Welt und nicht in der, das Koordinatensystem der eigenen Werteorientierung, im die wir gerne hätten. Uns unser christlich geprägtes Wer- Erkennen von Problemen, der Erarbeitung von Lösungen tesystem zu erhalten und es gegen alle diese Widrigkeiten sowie in der Beteiligung an der geistigen Auseinanderset- und Anfechtungen zu behaupten, ist die wesentliche Her- zung zur Durchsetzung derselben. Wir haben uns einen an- ausforderung, die wir zu meistern haben. Sie wird uns im- spruchsvollen Beruf ausgesucht, der Persönlichkeit und In- mer begleiten. tellekt, Standfestigkeit und Anpassungsfähigkeit, Toleranz, Der Kompass durch die Unübersichtlichkeit in diesem Energie und Bereitschaft Verantwortung zu tragen, verlangt. Gewirr des Lebens ist unser Glaube, sind die uns von Jesus Ich werde schon bald das Ende dieses beruflichen Lebens- gelehrten und vorgelebten Gebote. Sie orientieren sich am abschnitts erreicht haben, für den es dann Bilanz zu ziehen Menschen als Ebenbild Gottes und an seinen ihm von Gott gilt. Da werden auch alle die Fragen, die ich hier aufgewor- verliehenen unveräußerlichen Rechten. Die wesentliche fen habe, wieder zu beantworten sein. Leistung ist, dieses zu erkennen, sich dieses Verständnis per- Sie haben mit Masse noch einen längeren Weg vor sich. sönlich zu erarbeiten und es in der Wahrnehmung der eige- Irgendwie beneide ich sie darum. Begreifen sie ihren Be- nen Verantwortung umzusetzen. Hilfe kann nur bedingt von ruf als einen geistigen Beruf, als Probe des Charakters und außen kommen, von Eltern, Erziehern, der Schule, der Kir- als einen von ganz wenigen, die in dieser Zeit der vielfa- che. Unsere wichtigste Stütze und Hilfe ist Gott selbst. Sein chen Orientierungslosigkeit und der vermeintlichen Auf- Sohn hat uns ziemlich genau gezeigt, wie es geht. Auch im lösung von Lebensformen und Sinninhalten noch ethisch Wissen darum, dass nur wenige von uns diesem Ideal näher begründetes Handeln verlangt. Für ein gelungenes Leben kommen, - die, die es tatsächlich schaffen, werden von uns gibt es kein Patentrezept, aber vielleicht einen Rat. Ver- als Heilige verehrt - sind wir aufgefordert es zu versuchen. suchen Sie Gottes Gebote zu leben so gut Sie können. Ich Was dazu gehört, lässt sich nicht in Ausbildungspläne kann mir keinen Fall vorstellen, in dem dies anderen oder fassen und im Lehrsaal oder auf dem Übungsplatz vermit- einem selbst schaden könnte. Sie werden es, wie auch ich, teln. Charakterbildung geschieht durch Selbstkontrolle, nur unzulänglich schaffen. Aber es lohnt sich, und es ist Selbststeuerung, Selbstüberwindung, Selbstbeherrschung ein gutes Gefühl. ❏

12. Seminar Akademie Oberst Helmut Korn Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS) – ein katholischer Verband in der Bundeswehr – Hilfen für ein Leben aus dem Glauben

VON RÜDIGER ATTERMEYER

ls Bundesvorsitzender der GKS möchte ich sie daher Bereits zur Zeit der Gründung der Bundeswehr im Jahre Ahier nicht nur herzlich begrüßen, das wäre mir ent- 1956 machten sich katholische Offiziere, die durch den schieden zu wenig. Ich möchte vielmehr das Thema aus Zweiten Weltkrieg geprägt waren, eigene Gedanken da- meiner Sicht aufgreifen, meiner Sicht als Bundesvorsit- rüber, wie der Geist dieser neuen deutschen Streitkräf- zender dieser Gemeinschaft, aber auch aus meiner Sicht te in ihrem Sinne ausgestaltet werden könnte. Diesen als eigenständige Person, die ein eigenes Glaubensver- Männern kam es darauf an, der „Armee ein Gesicht zu ständnis hat, das sich weiterentwickelt. geben“, das sich deutlich von dem der Wehrmacht un- So wie gerade angesprochen möchte ich meinen Bei- terscheiden sollte. Geprägt waren diese Männer nicht trag zur Akademie auch gliedern, ich möchte zunächst nur von der Wehrmacht, sondern auch durch ihre Arbeit die Wurzeln der Gemeinschaft darstellen, dann etwas zum in katholischen Verbänden nach 1945. Da ist vor allem Programm, den Zielen und Wegen der GKS sagen, bevor der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zu ich zu meinem eigenen Verständnis komme. nennen, wo auch Oberst Korn, der nicht nur Namensge- ber dieser Akademieveranstaltung ist, selbst engagiert Zu den Wurzeln war. Zugegeben, die politischen und gesellschaftlichen ch halte es für unerlässlich, sich mit der Entstehung Rahmenbedingungen waren schon andere als zur Zeit Ides Verbandes zu beschäftigen, wenn man den heuti- der Wehrmacht, aber die Unsicherheit und das Suchen gen Stand wirklich verstehen möchte. Alles hat eben sei- waren auf allen Feldern der Gesellschaft noch groß. Und ne Entstehungsgeschichte! So leitet sich die Historie des „nicht wie die Wehrmacht sein“ ist allein aber noch kein Verbandes eben aus der Geschichte der Streitkräfte ab. neuer Entwurf!

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 63 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Es entwickelten sich zunächst örtliche Gesprächs- weiter. Bereits zu dieser Zeit Anfang der 60er Jahre war kreise noch ohne feste Struktur, in denen Gedanken die Teilnahme von Unteroffizieren und Mannschaften ge- frei ausgetauscht wurden. In dieser frühen Zeit sind der plant, was dann im Jahr 1970 mit dem Übergang zur Ge- Köln-Bonner Raum aber auch Rendsburg als Keimzel- meinschaft Katholischer Soldaten umgesetzt wurde. Dabei len zu nennen, in denen die Idee der „Organisation ei- zeigte sich rasch, dass dies ein richtiger Schritt war, denn ner Kernschar katholischer Soldaten“ als Laienapostolat seit diesem Zeitpunkt bringen Soldaten aller Dienstgrade bereits erörtert wurde. Auch die Schule der Bundeswehr ihr Engagement, ihr Können und ihre Erfahrungen in die für Innere Führung – das heutige Zentrum Innere Füh- Gemeinschaft ein. rung – war naturgemäß eine Einrichtung, in der man sol- Das Programm che Gedanken aufgriff. Einer der Dozenten, Dr. Helmut estgehalten wurden die Grundgedanken stets in den Ibach, entwickelte schon damals die Idee einer Akade- FGrundlagendokumenten. Nach vielen Diskussionen mieveranstaltung, die letztlich 1987 mit der Gründung über die Organisationsform verabschiedet der Führungs- der GKS-Akademie Oberst Helmut Korn in die Tat um- kreis des KOK die „Königsteiner Ordnung 1963“. Wenn gesetzt wurde. Helmut Korn selbst in diesem Zusammenhang von „Sat- Im März 1960 findet eine erste sogenannte „Akade- zungskämpfen“ spricht, dann kann ich mir heute dazu mietagung“ des KMBA für Offiziere in Königstein/Taunus ein stilles Schmunzeln nicht verkneifen! Nach der „Ord- statt. Dabei erklären sich engagierte katholische Offiziere nung 70 der GKS“ verabschiedete die Bundeskonferenz bereit, im militärkirchlichen Bereich mitzuarbeiten. Dr. im Rahmen der 16. Woche der Begegnung in Freising eine Martin Gritz, Militäroberpfarrer bei der Schule für Innere Erklärung mit 17 Thesen zu den „Grundsätzen und Zie- Führung, kam in der Zusammenfassung dieser Veranstal- len der GKS“. 1982 gibt es eine Standortbestimmung der tung zum Ergebnis: „Es ist nicht nur möglich, als katho- GKS sowie eine überarbeitete Ordnung. 1986 wurde ein lischer Christ Soldat zu sein und als Offizier katholischer neues Konzept mit dem Titel „Ziele und Wege der GKS“ Christ zu bleiben. Es ist sogar notwendig, dass katholische vorgestellt. Hier hat sich nicht nur der Name bis heute er- Christen Offiziere werden und diese Offiziere (nicht: alle halten, auch die Inhalte sind seither im Wesentlichen bis Offiziere) als katholische Christen ‚dienen’. Denn davon heute unverändert geblieben. wird die Qualität dessen mitbestimmt, was wir – als Volk Nach dieser gerade beschriebenen Phase der program- und als Staat – sind bzw. werden wollen.“ Erste program- matischen Aufbauarbeit wurde allerdings in den frühen matische Ansätze werden damit nach meiner Ansicht er- 90er Jahren eine Anpassung an die neuen sicherheitspo- kennbar, ein Einstieg ist jedenfalls geschafft. litischen Rahmenbedingungen erforderlich. Die GKS re- Es werden bei dieser ersten Akademietagung erste agierte auf diese Herausforderungen und 1995 wurde das Strukturen aufgebaut. Dabei werden sogenannte Vertrau- neue Grundsatzprogramm „Gemeinsam in die Zukunft! ensmänner gewählt, die für die Idee in der Fläche werben Ziele und Weg der GKS“ herausgegeben. Dann wurde aus und in ersten Ansätzen verbindliche Formen für die Laien- der „Armee der Einheit“ die „Armee im Einsatz“. Diese arbeit in der Kirche unter Soldaten entwickeln. Dazu findet Tatsache sowie die mit der Transformation der Bundes- im Mai 1960 eine Versammlung dieser Vertrauensmänner wehr zusammenhängenden Veränderungen innerhalb der im KMBA in Bonn statt, bei der sich konkretere Kontu- Militärseelsorge machten eine erneute Überprüfung er- ren einer Offiziervereinigung abzeichnen. Am 17.03.1961 forderlich. Diese wurde mit dem „Leitershofener Grund- kommt es dann im Rahmen der zweiten Akademietagung satzprogramm“ von 2007 dokumentiert. Der bewährte Ti- des KMBA zur offiziellen Gründung des „Königsteiner tel „Gemeinsam in die Zukunft! Ziele und Weg der GKS“ Offizierkreises“ (KOK). Die „Königsteiner Grundsätze“ konnte dabei zu Recht beibehalten werden, denn bewährte werden formuliert, die von Helmut Korn zusammenge- Leitsätze und Prinzipien wurden unverändert beibehalten. fasst wurden mit den Worten: „Wir sind uns bewusst, dass Dieses Prinzip von sich den Herausforderungen der Zu- der ‚Königsteiner Kreis’ durch ein konsequentes Einste- kunft durch Anpassungen zu stellen und dabei an Bewähr- hen für die staatsbürgerliche und politische Bildung aus tem festzuhalten halte ich für einen wirklich tragfähigen dem Geiste christlicher Verantwortung und Toleranz einen Ansatz für künftige Weiterentwicklungen. wichtigen und wertvollen Beitrag zur geistigen Formung Die Gemeinschaft Katholischer Soldaten, die im Jahr der Bundeswehr leisten kann“. 2011 auf ein fünfzigjähriges Bestehen zurückblicken wird, Es werden darüber hinaus in Königstein Sprecher in versteht sich selbst als ein freier Zusammenschluss vom den Wehrbereichen gewählt; damit wird aus dieser Keim- eigenverantwortlichen Gläubigen in der Bundeswehr im zelle heraus die Ausfächerung in die Fläche angestoßen. Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs. Im Weiteren entstehen „Königsteiner Offizierkreise“ (KOK) Ich zitiere aus dem Leitershofener Programm: „Die in zahlreichen Standorten, diese werden im Wehrbereich GKS wird in dem besonderen Berufsbereich Bundeswehr auf der mittleren Ebene zusammengefasst. Jeder Kreis und in den Bereichen Sicherheit, Frieden und Gerech- benennt einen Sprecher und ein Sprecher im des KOK im tigkeit sowie Innere Führung tätig. Ziel ist es, aus der Wehrbereich wird benannt. Die Sprecher im Wehrbereich Perspektive des christlichen Glaubens heraus auf die wählen schließlich einen „Sprecher des Führungskreises Lebensfragen und die Lebenssituation der Soldaten und KOK“. Mit der dargestellten Struktur wird die noch heute ihrer Familien Antworten zu geben. Sie will Katholiken innerhalb der GKS gültige Struktur deutlich erkennbar, in der Bundeswehr, Soldaten in der katholischen Kirche auch wenn sich verschiedene Bezeichnungen gewandelt und katholischen Soldaten in Staat und Gesellschaft sitt- haben, aus „Sprechern“ wurden „Vorsitzende“ und so lich-religiöse Orientierung und geistige Heimat bieten.

64 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 KIRCHE UNTER SOLDATEN

Sie will ihre Anliegen, die sich aus den Besonderheiten te Kamerad, den ich mir an der Seite wünsche? Kann ich des Soldatenberufes ergeben, in den Meinungsbildungs- wirklich schießen, wenn es darauf ankommt? prozess von Kirche, Politik und Gesellschaft einbringen Ich weiß es bis heute nicht, denn ich persönlich bin da- und in den Streitkräften zur Verwirklichung des christli- mals nicht in die entscheidende Lage gestellt worden. Aber chen Zeugnisses durch Besinnung, Bildung und Begeg- ich habe mir in meiner persönlichen Einsatzvorbereitung nung beitragen.“ eigene Gedanken zu den genannten Fragen gemacht. Wo- Soweit die einleitenden Originalzitate aus dem aktu- ran aber konnte ich mich orientieren? Patentrezepte grei- ellen Grundsatzprogramm. Das muss man sicher erstmal fen nicht, andererseits kann auch niemand alle möglichen sacken lassen, aber – was bedeutet das in der praktischen Situationen vorausdenken, die sich ergeben könnten. Also Umsetzung? heißt es, sich auf Grundsätze zu beschränken, die verin- Die Umsetzung erfolgt in zwei Richtungen, nach innen nerlicht in der entscheidenden, konkreten Situation das und außen. Einerseits bietet die GKS für ihre Mitglieder instinktive Handeln bestimmen mögen. Etwa so wie in der Orientierung auf der Basis der katholischen Soziallehre – Chemie, wo man beispielsweise besser die Reaktionsme- und damit letztlich auf Basis des katholischen Glaubens chanismen der Halogene und einwertigen Metalle zum Salz – für die berufspezifischen Herausforderungen an. An- lernt und nicht die Einzelreaktion bestimmter Elemente. dererseits versucht die GKS in der Wirkung nach außen Einfluss auf Entscheidungsträger in Politik und Gesell- ir waren gut ausgebildet, obwohl die Bundeswehr da- schaft zu nehmen, um auch dort zu den Grundsätzen ent- Wmals noch nicht so viel Erfahrung damit hatte, und sprechenden Entscheidungen anzuregen. ich fühlte mich auch geistig einigermaßen gerüstet – und Und wenn es gerade um dieses inhaltliche Wirken dann kam alles viel früher und ganz anders als erwartet. geht, dann kommen unsere Sachausschüsse ins Spiel. Sie Wir hatten gerade die Boing 707 der Flugbereitschaft in schaffen Grundlagen für beide Aspekte der Arbeit und Split/Kroatien verlassen und gingen auf das Abfertigungs- liefern die Argumente für die Diskussion, die dann aber gebäude zu, als drei Kombis auf eine britische HERCULES jeder für sich zu verarbeiten hat – ich komme auf diesen C-130 zufuhren. Dort, am Rande des Rollfeldes, wurden Aspekt noch zurück. dann drei Särge umgeladen und wir standen dreihundert Ich habe hier sicher in erster Linie die SA InFü und Meter daneben. Die Szene erinnerte mich spontan an die S&F angesprochen. Der SA International ist nach meinem Eingangssequenz im Film Platoon, nur waren wir jetzt mit- Verständnis der „Transporteur“, der GKS-Positionen in den ten drin. Was war passiert? Am Vortag noch in Köln hat- internationalen Raum der katholischen Laienorganisatio- ten wir davon gehört, dass ein britischer Schützenpanzer nen bringt. Er hat damit in der heutigen Zeit der multina- in eine Minensperre geraten und auf eine Mine aufgefah- tionalen Einsätze eine ganz wichtige Rolle. ren war. Da das Gelände rundherum vermint war, konnte keine unmittelbare Hilfe von außen geleistet werden. Als Verständnis der GKS und ihres Wirkens dann ein Hubschrauber herangeführt war, kam die Hilfe er soeben dargestellte Laienverband in der Katholi- für drei Soldaten zu spät. Und wir standen alle mehr oder Dschen Militärseelsorge gründet sie auf dem Glauben weniger betroffen auf dem Rollfeld. So entstand bereits der katholischen Kirche. Ich sage dies ganz bewusst, denn am ersten Abend Nachbereitungsbedarf, auf den niemand diese Basis ist wichtig. Auf dieser Grundlage ist dann si- spontan vorbereitet war. Da kam es darauf an, einen Ge- cher viel Ausgestaltung möglich, nicht jedoch abseits – sprächsfaden aufzugreifen und zu moderieren, zuzuhören so mein Verständnis. Dies auch nach außen darzustellen und eigene Worte zu finden. Ohne persönliche Vorberei- bleibt beständige Aufgabe, denn andere Strömungen gibt tung, ohne eigene Position gelingt dies nicht überzeugend. es genug. Kurz gesagt: Wo katholisch oder noch genauer Eine weitere Situation habe ich ebenso lebendig im gesagt wo GKS draufsteht, da muss auch GKS drin sein! Gedächtnis. Ich hatte den Auftrag, ein erstes Instandset- Ich erlebe an mir selbst, dass mein eigenes Selbst- zungskommando nach Sarajevo in „die Box“ zu schicken verständnis und mein Glaube sich mit mir wandeln. Und – als „box“ wurde damals Bosnien bezeichnet. Ich erin- ich denke nicht, dass es einfach nur ein Älterwerden ist, nere an das Jahr 1996, als die „sniper-alley“ ihrem Na- obwohl es auch etwas davon hat, denn ich bin schließlich men noch traurige Ehre machte und die Lage, in die ich noch ein Jahr älter als unsere Gemeinschaft! Ich vertraue die beiden Soldaten zu schicken hatte, war für mich nicht nicht darauf, einfach nur die Erfahrungen anzusammeln, abschätzbar, ich selber war bis dahin nicht selbst in Sa- die sich so am Wegesrand ergeben, das reicht mir nicht. rajevo gewesen, dies gelang mir erst zwei Wochen später. Manche Entwicklungen muss man einfach bewusst und je- Und selbst zu fahren kam nicht in Frage, dafür fehlten der für sich selbst anstoßen, so meine ich. Und genau zu mir als Chef der InstKp die erforderlichen technischen dieser persönlichen Entwicklung des einzelnen, suchen- Fachkenntnisse. Damit blieb mir nur die Möglichkeit, das den Soldaten und seiner Familien, möchte wir Orientie- Personal nach den bekannten Anforderungen und bester rung anbieten. Personenkenntnis auszuwählen und diese Entscheidung Was heißt dies konkret? Lassen sie mich dazu zwei dann zu verantworten. Beispiele darstellen. Bevor ich Anfang 1996 als KpChef Verantwortung übernehmen heißt dann, nicht nur für in den Einsatz auf den Balkan ging, stellten sich für mich die vorhersehbaren Folgen des Handelns aufzukommen, ganz konkrete, handfeste Fragen: Wie stark bin ich in sondern letztlich auch für die unvorhersehbaren. Die Fra- Grenzsituationen, die ich mir nicht einmal in der Phan- ge nach der Schuld ist dann eine andere, allerdings nicht tasie vorstellen kann? Bin ich dann selbst noch der ech- nur eine juristische. Klar ist damit für mich heute, dass

AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 65 KIRCHE UNTER SOLDATEN ein solcher Entscheidungsträger damit letztlich auf Ver- Die deutsche Geschichte hat uns gelehrt, dass Macht gebung angewiesen ist. Ich meine, diese Frage ist aktu- (und Soldaten üben im Einsatz immer Macht aus!), wenn eller denn je. sie nicht ethisch gebunden ist, entarten kann. Genau an Sie erkennen an diesen Beispielen, dass eine eigene, dieser Stelle haben unsere Altvorderen in der katholischen ethisch begründete Position der Verantwortung für den Sol- Laienarbeit unter den Soldaten den Hebel angesetzt. Die daten grundsätzlich und für den militärischen Führer im Notwendigkeit und Aktualität vor dem Hintergrund der Einsatz ganz besonders wichtig ist. Wo diese fehlt, herrscht derzeitigen Herausforderungen der Streitkräfte habe ich Unsicherheit, weil ein Instinkt für das richtige Handeln versucht darzustellen. Und dass dieser Prozess nicht nur nicht ausgeprägt ist. Ist dies aber der Fall, dann ist nicht im Zeitalter der Transformation ein ständiger ist und damit klar, wie man sich tunlichst gegenüber den Schädeln ge- der ständigen Begleitung bedarf, da sind wir uns sicher ei- töteter Menschen verhält, um ein sicher noch geläufiges nig. Daher wird die GKS auch weiter ihrem Auftrag nach- Negativbeispiel zu bemühen. kommen und die Soldaten und ihre Familien begleiten. ❏

In memoriam: Flottenarzt a.D. Dr. Werner Pfeiffer * 30.08.1920 in Münster, † 14. Januar 2010 Havixbeck icht mehr viele Aktive in der „Kir- sich „berufliche Leistung und ehren- Nche unter Soldaten“ werden sich amtlichesa Engagement für die Kirche an den ersten Vorsitzenden der ersten unteru Soldaten verbinden lassen“. „Beratenden Versammlung beim Ka- Gemeinsam mit Kapitän z.S. Norbert tholischen Militärbischof“, Flottenarzt Schütz, Mitglied im Bundesvorstand Dr. med. Werner Pfeiffer, erinnern. vvon KOK und GKS, überreichte der Sind doch seit dem mehr als 30 Jahre Militärbischof Flottenarzt Dr. Pfeiffer ins Land gegangen. Diese Beratende died päpstliche Ernennung zum „Ritter Versammlung - Vorläuferin der Zent- desd Ordens vom hl. Papst Silvester“. ralen Versammlung, des heutigen Ka- Neben seinen dienstlichen Ver- tholikenrates - etablierte sich infolge wwendungen als leitender Sanitätsof- des II. Vatikanischen Konzils (1962- fizierf bei der Marinedivision Nordsee 1965) und seiner Umsetzung durch ini Wilhelmshaven, als Kommandoarzt die Gemeinsame Synode der Bistümer beib der Flotte in Glücksburg und zu- in der Bundesrepublik Deutschland lletzt als Kommandoarzt des Marine- (1972-1975) als zunächst noch nicht unterstützungskommandou wieder in offizielles, allerdings vom Militärbi- WilhelmshavenW war Dr. Pfeiffer Jahr- schof gewolltes Gremium des Laien- zehntez als Sportmediziner im deut- apostolats in der Katholischen Mili- schen Sportärztebund tätig. 1972 wur- tärseelsorge. Die Aufgabe dieser Ver- ded er als Sportarzt zu den 20. Olympi- sammlung von Delegierten aus allen schen Spielen nach München berufen. Wehrbereichen war: Nach seiner dienstlichen Zurruhesetzung im Jahr 1980 – Beratung des Bischofs und der Pfarrer, galt sein Engagement dem DJK-Sportverband und dem – Mitverantwortung für die Sendung der Kirche in der Malteser Ritterorden im Raum Münster. Bis 2002 versah Welt von heute, er das Amt des Verbandssportarztes beim DJK-Diözesan- – Weltverantwortung in der Form des persönlichen Zeug- verband Münster. Durch seinen ehrenamtlichen Einsatz nisses und durch die Mitarbeit in katholischen Ver- hat er über mehr als fünf Jahrzehnte hinweg den katholi- bänden. schen Sportverband mitgestaltet und mitgeprägt. Darüber 1978 verzichtete Dr. Pfeiffer auf eine Wiederwahl als hinaus war er Donat des souveränen Malteser Ritterordens Vorsitzender. Damit wollte er in dem Laienorgan - inzwi- und zählte 1953 zu den Mitbegründern des Malteser Hilfs- schen strukturiert, in „Zentrale Versammlung der katho- dienstes in Münster. lischen Soldaten im Jurisdiktionsbereich des Katholi- Die Beisetzung von Dr. Pfeiffer fand am 20. Januar schen Militärbischofs“ umbenannt und mit einer Ordnung nach einem Seelenamt in der Pfarrkirche St. Dionysius in versehen, die am 05.06.1979 in Kraft trat - den Weg frei Havixbeck auf dem Zentralfriedhof in Münster statt. Die machen für die jüngere Generation. Bei der 24. Gesamt- Vorstände des Katholikenrates und der GKS gedachten konferenz der Katholischen Militärseelsorge 1979 in Bad beim Gottesdienst anlässlich ihrer Sitzungen im KMBA am Kissingen würdigte Militärbischof Erzbischof Dr. Elmar 23. Januar des Verstorbenen und empfahlen ihn der Güte Maria Kredel, dass sich in der Person Pfeifers zeige, wie des himmlischen Vaters. Möge er ruhen in Frieden. (PS)

66 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS

GKS Kreis Hammelburg „offen zu sein für Gott und die Menschen um uns herum“. Am Beispiel der Legende „Das steinerne Herz“ erläuterte „Advent – Licht – Weg“ Wagner den Kindern das Wirken des Heiligen Nikolaus. In Anlehnung an das Thema des Wochenendes ermutigte er die Soldatenfamilien „dem anderen zum Licht“ zu werden. on diesem Thema fühlten sich zahlreiche Soldatenfa- Die musikalische Begleitung der Eucharistiefeier über- Vmilien und GKS-Mitglieder der beiden Militärseelsor- nahm der Vorsitzende des GKS-Kreises Hauptfeldwebel gebezirke Hammelburg und Walldürn angesprochen und Christian Hüfner. Nach einer kurzen Rückschau, bei der fanden sich daher anfangs Dezember zu einem Familien- sich alle sehr zufrieden über den Inhalt und Verlauf des wochenende in der Tagungsstätte Wildbad in Rothenburg Wochenendes äußerten und Mittagessen machten sich die o.d.T. ein. Familien auf die Rückfahrt an ihre Wohnorte. (Text und Foto: Ludwig Deschner)

Star-Ballett als Ministranten

arren können bei allem Sinn für Humor und Ausgelas- Nsenheit auch ernsthafte Aufgaben übernehmen. Davon konnten sich die Besucher der katholischen Standortkirche und Kuratie Christkönig Hammelburg überzeugen, denn das „Star Ballett“ der Gemeinschaft katholischer Soldaten (GKS) übernahm den Ministrantendienst bei der Messfeier am Faschingssonntag. Nach einem sensationellen Auftritt Referentin Tilly Bieber (links) erarbeitet mit den am Pfarrfasching, bei dem die sechs „begnadeten Körper“ Teilnehmern das Advents- ABC das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen hinrissen, entschlossen sich die Mimen spontan dazu, den Gottes- Die beiden Militärpfarrer Stefan Frank und Artur dienst mitzugestalten. Der fünften Jahreszeit entsprechend Wagner sowie die Pfarrhelfer Achim Blum bzw. Wolfgang trug der Vorsitzende des GKS-Kreises, Franz Herrler, ver- Krug hatten alles sorgfältig vorbereitet, so dass bei über schiedene Texte und Gebete vor. 80 Teilnehmern, darunter viele Kleinkinder, keine Lan- geweile entstand. Damit sich die Eltern ungestört mit der Themenstellung auseinandersetzen konnten, bastelten die Kinder unter der Obhut des allseits geschätzten „Bastel- Opa“ Bothfeld Nikolausfiguren und verschiedenen Weih- nachtsschmuck. Nachzudenken: „Was wäre, wenn Weihnachten nicht vor über 2000 Jahren, sondern heute stattgefunden hät- te“, dazu lud die Referentin Tilly Bieber die Teilnehmer- runde ein. Als Antwort trug sie einen Artikel vor, wie die Weihnachtsgeschichte im Telegrammstil in einer Zeitung zu lesen wäre: Säugling im Stall gefunden – Polizei und Jugendamt ermitteln – Schreiner aus Nazareth und un- mündige Mutter vorläufig festgenommen! Was ist uns an Weihnachten wichtig? In einem Ad- vents–ABC spürten die Teilnehmer Werten, persönlichen Vorsitzende des GKS- Kreises Franz Herrler beim Erwartungen und Wünschen nach, die Orientierung geben, Vortrag, im Hintergrund Militärpfarrer Stefan Frank, der um sich auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. Die einzel- sich über den Text freut. nen Begriffe von A (Ankunft) bis Z (Zeit schenken) wurden auf Wortkarten zusammen mit Teelichtern spiralförmig als „Als Christen brauchen wir keine Masken, sondern Bodenbild visualisiert und mit passenden Geschichten un- ein offenes Gesicht mit dem wir den Mitmenschen begeg- termalt. Abschließend wurde nach den Klängen eines alt- nen“, griff Militärpfarrer Stefan Frank in seiner Ansprache peruanischen Weihnachtliedes ein meditativer Tanz auf- die vielfältigen Masken auf, hinter denen sich Menschen geführt. Am Samstagnachmittag bestand die Möglichkeit nicht nur während des Faschings allzu oft verstecken. zu einem Spaziergang auf den Rothenburger Weihnachts- Für die nächste Faschingssaison ist ein erneuter Auftritt markt mit seiner romantischen Kulisse. des Männerballetts geplant – beim Pfarrfasching und im Im Familiengottesdienst, der von den Kindern mit- Gottesdienst. gestaltet wurde, forderte Militärpfarrer Wagner dazu auf (Text und Foto: Ludwig Deschner)

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GKS-Kreis Bonn Gedankenaustausch und es wurden selbstverständlich all die Dinge im kleinen Kreis angesprochen, die auch wei- Adventliche Besinnung terhin die reibungslose Zusammenarbeit der Laiengremi- en mit der Militärseelsorge Bonn zum Gegenstand hatten. Die Besucher waren sich einig: Wir freuen uns schon auf um Abschluss der diesjährigen Aktivitäten in der Lai- das Jahresprogramm 2010! Zenarbeit beim katholischen Militärpfarramt Bonn lu- (Text und Bild: Reinhold Gradl) den Militärdekan Benno Porovne und Oberstabsfeldwebel Joachim Lensch, Vorsitzender GKS-Kreis Bonn, am Don- nerstag 17. Dezember 2009 zu der – schon traditionellen – adventlichen Besinnung ins Geistliche Forum auf der Hardthöhe ein. Militärpfarramt Bonn „Der Mensch als Mittelpunkt der Gesellschaft“

Anmerkungen zur Sozialenzyklika Caritas in Veritate nter diesem Thema hatte das katholische Militärpfarr- Uamt Bonn am 10. November zu einem Vortrag in das Geistliche Forum auf die Hardthöhe geladen. Ausgehend von der anfänglich breiten öffentlichen Diskussion zu der Botschaft Papst Benedikts erhob sich die Frage, welche Strahlkraft diese Enzyklika auf Kirche und Gesellschaft vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen und immer noch andauernden weltweiten Finanzkrise besitzen kann. Als Referent konnte Prof. Dr. Manfred Spieker von der Die Bläser-Combo von Geschäftszimmersoldat Robert Universität Osnabrück gewonnen werden, der am Institut Baumgärtner (in der Mitte am Saxophon) gab dem für Katholische Theologie der Universität Osnabrück bis Abend den musikalischen Rahmen 2008 eine Professur für Christliche Sozialwissenschaften inne hatte und die Entwicklung der Katholischen Sozial- Wie bei den Veranstaltungen der Katholischen Mili- lehre in verschiedenen Funktionen intensiv begleitet hat. tärseelsorge Bonn üblich, wurde der Abend durch einen Diese profunde Kenntnis wurde im Vortrag sehr schnell Gottesdienst eingeleitet. Militärdekan Porovne zelebrierte deutlich. Klar strukturiert und straff zusammengefasst be- eine stimmungsvolle und nachdenklich stimmende Mes- se. Die vielen Kerzen, die am Licht aus Bethlehem ent- zündet und an die zahlreichen Besucher für die Feier des Gottesdienstes verteilt worden waren, trugen das ihre zu der Ruhe bei, die Dekan Porovne in seinen besinnlichen Worten auf die Mitfeiernden übertrug. Obergefreiter Ro- bert Baumgärtner trug mit seiner Blechbläser-Combo zur stimmungsvollen Gestaltung bei. Den Jahresrückblick leitete Oberstleutnant Thomas Mayer durch die Geschichte vom buckligen Josef ein. Da- bei wurden sicher dem einen oder anderen seine „Höcker“, aber auch seine Verpflichtung für die ihm Anvertrauten be- wusst gemacht. Anschließend führte dann OStFw Joachim Lensch in seinem Vortrag noch mal durch die Vielzahl der Veranstaltungen der Militärgemeinde Bonn im Jahre 2009 – vom Empfang zum Weltfriedenstag über Wallfahrten und Familienwochenenden bis hin zu Vortragsveranstaltun- gen. Er dankte den Mithelfenden ebenso wie den immer zahlreichen treuen Teilnehmern. Insbesondere die stets Professor Dr. Manfred Spieker während seines Vortrages vorhandene Bereitschaft der Pensionäre Gisela Gawenda im Geistlichen Forum und Leo Schmidt würdigte er mit einem kleinen Präsent. Dekan Porovne führte unter den Klängen der Combo vom schrieb Prof. Dr. Spieker die Entwicklung und die teilweise geistlichen und geistigen Teil der Veranstaltung zur Stär- weit reichenden Auswirkungen der katholischen Sozialleh- kung des Körpers mit Grünkohl und Pinkel über. Dieses re sowie die dafür grundlegenden päpstlichen Schreiben, gemütliche Beisammensein diente den Teilnehmern zum bevor er die wichtigsten Aussagen von „Caritas in Veritate“

68 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 AUS BEREICHEN, STANDORTEN UND GKS darstellte und kommentierte. So spannt sich der inhaltli- che Bogen der Enzyklika von der „Liebe als Mittelpunkt der kirchlichen Soziallehre“ über kritische Aussagen des Heiligen Vaters zur „Globalisierung“ hin zu „Feststellun- gen zu Markt, Staat und Gesellschaft“ und Forderungen an einen verantwortungsvollen Umgang mit Biotechnolo- gie. Letzteres bedeutet die Schaffung nach einer verant- wortungsvollen Bioethik, die in engem Zusammenhang mit einer – schon lange erforderlichen – christlich orientierten Sozialethik stehen sollte, um letztendlich nicht zu einer Kultur des Todes mit Abtreibung, eugenischer Geburten- planung oder der Akzeptanz von Euthanasie zu führen. Die anschließende lebhafte Diskussion unter Leitung von Oberstleutnant Reinhold Gradl zeigte noch einmal das große Interesse der Zuhörer an der Thematik auf. Dabei Erwachsene und Kinder beim Musizieren wurden vielerlei Aspekte des Vortrages nachhaltig ver- deutlicht und die Vielschichtigkeit von „Caritas in Veri- durch die Behandlung des Themas in der Öffentlichkeit tate“ noch einmal heraus gestellt. Es bleibt als Botschaft, zu einer starken Verunsicherung bei den Soldaten. Der dass die Umsetzung dieser Enzyklika nur gelingen kann, Rückhalt durch die Politik und die Anerkennung der Ar- wenn sich jeder Einzelne mit der Thematik persönlich beit im Auslandseinsatz ist in der Bevölkerung nicht zu auseinander setzt und seine Konsequenzen für seine per- erkennen. Warum wird ein im Auslandseinsatz getöteter sönlichen Möglichkeiten in Staat, Kirche und Gesellschaft Soldat nicht so verabschiedet, wie ein Fußballstar, der den auslotet und nutzt. Freitod gewählt hatte? So wurde dieser Abend, eingerahmt von einer Heili- Während der Arbeitseinheiten bastelten die Kinder gen Messe mit Militärdekan Porovne zu Beginn und einem unter der Anleitung von Rosa Ponzel Windlichter. Gläser kleinen Imbiss mit Gulaschsuppe zum Abschluss, von al- wurden mit Window-Colors reich verziert und schmückten len als sehr gewinnbringend empfunden. Viele Besucher beim Bingo und beim abendlichen Musizieren den Raum. äußerten abschließend den Wunsch, die Thematik der Ka- Die Messe zum dritten Advent feierten alle zusammen tholischen Soziallehre in weiteren Vorträgen zu vertiefen. mit Militärdekan Michael Berning, dem Standortpfarrer (Text: Reinhold Gradl, Bild: Pressestelle SKA) von Köln-Wahn. Für Entspannung sorgte der gemeinsame Winterspaziergang im bergischen Land. Ein Bummel über den Weihnachtsmarkt im Innenhof des Tagungszentrums und der Bingoabend gehörten schon zum festen Bestand- teil der Veranstaltung. GKS Kreis Köln-Wahn Zum Abschluss wurde noch in gemütlicher Runde ge- meinsam musiziert und Adventslieder gesungen. Adventswochenende (Text und Foto: Magdalene Berners)

as abgelegene, von viel Natur und Stille umgebene DTagungszentrum des Erzbistums Köln „Maria in der Aue“ bietet den idealen Ort für ein besinnliches Familien- wochenende. Traditionell hatte der GKS-Kreisvorsitzende Neujahrsempfang OTL Albert Hecht vom GKS Köln-Wahn am dritten Ad- vent eingeladen. Am Freitagabend wurde in adventlicher in Köln-Wahn Atmosphäre kurz Rückschau gehalten. Das Jahresthema „Innere Führung“ wurde im Bil- um traditionellen Neujahrsempfang im Casino in Köln- dungsteil nochmals aufgegriffen und vertieft. Vom Zen- ZWahn konnte der Bereichsvorsitzende West, Oberstlt trum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz konn- Albert Hecht, am 9. Februar 2010 ca. 120 Gäste begrüßen, ten der evangelische Militärdekan Stefan Jurkiewicz und an ihrer Spitze der Befehlshaber des Luftwaffenführungs- nochmals Oberst i.G. Siegfried Morbe gewonnen werden. kommandos GenLt Peter Schelzig. Zu Beginn des Fest- Innere Führung – in Verbindung mit Auslandeinsätzen aktes trug der Männerchor Köln-Wahn unter der Leitung ist ein sehr umfangreiches und vielschichtiges Thema. von HptFw Markus Wolters heitere Lieder vor, passend zur Führen bedeutet Ziele erreichen durch Einwirkung auf fünften Jahreszeit im Rheinland (Bild 1). den Menschen. Die beiden Referenten verstanden es alle Als Festredner sprach der Katholische Militärbischof Zuhörer, sowohl die Soldaten als auch die Ehefrauen, mit für die Bundeswehr und Augsburger Diözesanbischof Dr. ihren teils sehr persönlichen Erlebnissen und Einschät- Walter Mixa (Bild 2) über Ehe und Familie. Bischof Mixa zungen zu fesseln. Auch nach den Ausführungen wurde freute sich, dass die GKS Köln-Wahn in diesem Jahr das noch über das Thema diskutiert. Der von einem deutschen Thema Ehe und Familie in den Mittelpunkt ihrer Veran- Offizier angeforderte Luftschlag Anfang September führte staltungen stellen will und schlug einen Bogen von der

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grundlegendes Werk geschrieben habe. Als Konsequenz mahnte der Katholische Militärbischof die rückhaltlose Förderung von Ehe und Familie an, die ebenfalls in der Enzyklika „Deus caritas est“ von Papst Benedikt XVI. gefordert würde. Anstelle des zweiten Einkommens der Ehefrau und Mutter könne – wie in Schweden – ein Be- treuungsgeld treten, welches durch Anrechnung auf den Rentenanspruch die Absicherung der Frau im Alter deut- lich erhöhen würde, führte Dr. Mixa während der Fragen nach seinen Vortrag aus. Als Dankeschön für diese Grundsatzrede überreichte Oberstlt Albert Hecht dem Bischof ein kleines Präsent, bevor sich die versammelten Gäste bei einem Imbiss noch Bild 1: Unter der Leitung von HptFw Markus Wollters ausgiebig unterhalten konnten. (rechts im Bild) bereitet sich der Männerchor Köln-Wahn (Text und Foto: Bertram Bastian) auf seinen Auftritt vor

Stellung der Ehe und Familie in der Gesellschaft hin zur Stellung dieser Institutionen in der Theologie und schloss mit den Bemühungen der Katholischen Militärseelsorge GKS Kreis Unna auf diesen Feldern und deren Konsequenzen. In der Gesellschaft muss mittlerweile die Mutter eben- Helfen oder Wegsehen falls berufstätig sein, damit die Familie über die Runden komme. Dies sei eine Fehlentwicklung, führte Dr. Mixa aus, schließlich sei die Erziehung der liebenden Mutter nter diesem Motto hat der GKS-Kreis Unna vom 04. diejenige Form der Erziehung, die nicht nur naturgemäß Ubis 06.12.2009 ein Familienwochenende in Brilon vorgesehen sei, sondern auch die Beste, die es gäbe. Des- durchgeführt. Bedingt durch die Abwesenheit des Vorsit- halb müsse der Staat die Familie unterstützen, anstelle ein zenden Ralf Eisenhardt führten der Stellvertreter Franz- Erziehungsmonopol über die Krippen aufzubauen, erläu- Josef Johland mit der Geschäftsführerin Alex Krampe terte der Militärbischof. Die Krippe sollte die Ausnahme durch das Wochenende. Unterstützt wurden sie durch den für besondere Fälle wie Alleinerziehende sein und nicht Militärpfarrer Martin Tilles, der am Freitagabend und am zur Regel werden. Über die theologische Einordnung der Samstagmorgen das Thema mit den Teilnehmern aufarbei-

Bild 2: Militärbischof Dr. Walter Mixa bei seiner Rede im Casino Köln-Wahn während des Neujahrsempfanges kleinsten Zelle des Gemeinwesens kam Bischof Mixa auf die Bemühungen der Militärseelsorge in diesem Themen- kreis zu sprechen. Hier sprach er die gute und erfolgrei- Bei den fröhlichen Gesichtern kann der Nikolaus nichts che Zusammenarbeit mit dem Zentralen Institut für Ehe Schlechtes vorgelesen haben und Familie in der Gesellschaft an der Katholischen Uni- versität Eichstätt-Ingolstadt an, deren Referenten auch tete. Der Nikolaus wurde mit eigener musikalischer Um- für Veranstaltungen während der Familienwochenenden rahmung durch die Familien begrüßt und das Wochenende zur Verfügung stünden. Hier sei an erster Stelle Dr. Peter somit weihnachtlich gestaltet. Wendel zu nennen, der schon über Fernbeziehungen ein (Text und Foto: Franz-Josef Johland)

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GKS Kreis München hof, vorbei am Stachus, der Dreifaltigkeitskirche und der ehemaligen Karmelitenkirche zum Hotel Bayerischer Hof Treffpunkt: „Julia“ (ehemaliges Palais Montgelas) wobei jeweils die Bauwerke vorgestellt und erläutert wurden. Keiner der Teilnehmer hatte bisher eine Stadtführung m 24. 10.2009 trafen sich 22 Mitglieder des GKS- von München so intensiv und informationsreich erlebt. Herr AKreis Münchenünchen zu eeineminem gganzanz bbesonderenesonderen Rundgang Künzel hatte zu jeder der Sehenswürdigkeiten eine beson- durch ihre Garnisonsstadt.arnisonsstadt. JuliaJulia ist eineein Skulptur, dere Geschichte parat und zeigte nebenbei Details die vor- die der Stadtdt MünchenMünchen anlässlichanläl sslich dder Partner- her selbst eingefleischten Münchnern nicht bekannt waren. schaft der beideneiden StäStädtedte 196819968 von Verona ge- Nach vier interessanten Stunden Fußmarsch über schenkt wurde.rde. Es istist bisbis heute ein schöner Kopfsteinpflaster und Asphalt ging es stilecht in das Hof- Brauch, dasss die verver-- l liebteniebten BBurschen in bräuhaus zum Mittagessen. Hier wurde neben ausführli- München Julialia einen BlumenstraußBluB mens in den chen Gesprächen bei Münchner Köstlichkeiten (Bier und Arm legen. WWirir müss- tenten PePech haben, Haxe) die Gemeinschaft gepflegt. Die letzte Etappe führte wenn Julia beiei unse- r remem RuRundgangn nicht zum Ausgangspunkt „Julia“ zurück. In der naheliegenden gerade frischehe BluBlu-- menmem n bekommenbeko hat. Heilig Geist Kirche fand die gelungene Veranstaltung mit Diese Beschreibungreibung solltesos llte didie Teilneh- dem Gebet der GKS und einigen Kirchenliedern einen mer zum Treffpunkteffpunkt führenführen undun hatte den würdigen Abschluss. OStFw Kießner bedankte sich bei Zweck, sichh scschonhon vorhervorher mmit der Stadt Lutz Künzel für die Stadtführung der besonderen Art und zu beschäftigen.gen. Um 08:0008:00 UUhr trafen wünschte den Teilnehmern einen guten Nachhauseweg. alle gemeldetenten TeiTeil-l- nehmernehmer aan der Julia- (Text und Foto: Reinhard Kießner) Skulptur ein.. Nach derer BeBegrü-grü- ßungßung ddurch den Kreisvorsitzendenenden Oberstabsfeldwe-Obersta bel Reinhardd KießnerKießner über übergabgab er an den Durchführendennden Lutzz Künzel.Künzel Während GKS Bereich NRW (alt) eines Kamingesprächesngespräches bei einem Familien- wochenende hatte er sich mit den Worten „Der GKS-Kreis Letztmalige Bereichskonferenz München hat mir und meiner Familie schon viele schöne Stunden und Tage bereitet – jetzt möchte ich auch mal was zurückgeben“ bereit erklärt diesen besonderen Stadtrund- vor der Fusion gang durchzuführen. om 28. bis 30. August 2009 trafen sich zum letzten VMal in dieser Zusammensetzung die Delegierten mit ihren Familien zur Bereichskonferenz der GKS in NRW. Tagungsort war die Malteser-Kommende vor den Toren Kölns, inmitten der reizvollen Umgebung des oberbergi- schen Landes. Im Schatten von Schloss Ehreshoven, des prächtigsten Adelssitzes im Bergischen Land, existiert die Kommende seit Anfang des Jahres 2000 als modernes Tagungszentrum. Als Gäste waren der Bundesvorsitzende OLT a.D. Paul Brochhagen anwesend, sowie als ehemali- ge Bereichsvorsitzende der stellvertretende Bundesvorsit- zende OLT i.G. Rüdiger Attermeyer und der Haushaltsbe- auftragte OStFw a.D. Johann Schacherl, aus terminlichen In der Heilig Geist Kirche fand die Stadtführung einen Gründen konnte Oberst a.D. Karl-Jürgen Klein leider würdigen Abschluss, in dem das Gebet der GKS und nicht teilnehmen. einige Kirchenlieder vorgetragen wurden Zur Bestandsaufnahme der Lage der GKS in NRW be- richtete anfangs der Vorsitzende OTL Albert Hecht über Nach einem Kurzvortrag über die Stadtgründung ging die Aktivitäten auf Bereichsebene, bevor die Kreise über es weiter in die benachbarte Peterskirche, dort fand eine ihre vielfältigen Tätigkeiten informierten. Einweisung in die Baugeschichte und Kurzführung statt. Des Weiteren galt es zu beachten: Am 01.01.2010 Weiter ging es über Sendlinger Strasse zur Asamkirche fusionierte der Bereich NRW mit dem Bereich Hessen/ vorbei an den Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert zu- Rheinland-Pfalz/Saarland zum Bereich West. Vom 18. bis rück zur Fußgängerzone. Nach einer Besprechung über 20.12.2009 fand dazu im Tagungszentrum des Erzbistums die ehemalige Augustinerkirche und Kurzeinweisung über Köln „Maria in der Aue“ eine gemeinsame Konferenz von die Michaelskirche fanden einige Teilnehmer den Weg in Delegierten aus beiden Bereichen statt. die Wittelsbacher Gruft (Grab Ludwig II.). Die neue Ordnung der GKS war ein weiterer wichtiger Weiter ging es zur Frauenkirche (mit Besichtigung Punkt für die Zukunft. Intensiv und zum Teil kontrovers des Prunkgrabmals Ludwig des Bayern durch den Max- wurde über einzelne Punkte der Ordnung diskutiert. Am

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Schluss der Debatte fanden die Delegierten zu einer ab- gestimmten Meinung im Bereich. Am Samstagabend folgte ein leicht wehmütiger Rück- blick zu den Wurzeln des Bereiches NRW. Der ehemalige Bereichsvorsitzende Johann Schacherl berichtete in kurz- weiliger Art von vielen Veranstaltungen. Die von ihm mit- gebrachten Fotos riefen viele Erinnerungen bei den An- wesenden wach. Es war ein interessanter Abend, in dem so Manches erzählt wurde, von den Anfängen bis heute. Im Bildungsteil am Sonntagmorgen informierte Marti- na Müller, Referentin bei der KAS für Familienförderung, über die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldaten- betreuung e.V., kurz KAS. Die KAS betreut die Soldaten, Familienangehörigen und Zivilbediensteten der Bundes- wehr außerdienstlich: Sie betreibt Familienbetreuungs- heime, ist in der offenen Betreuung tätig, bietet Seminare für Soldatenfamilien zum Thema „Fern-Beziehung“ an, um nur einige Punkte zu nennen (siehe Bericht im AUF- Der neue Vorstand des Bereiches West (von links): TRAG 276, S. 76). OStFw Joachim Lensch (stv. Vorsitzender), Hptm Wilfried Den Sonntagsgottesdienst besuchte die Gruppe in der Puth (stv. Vorsitzender), OTL Albert Hecht (sitzend, hauseigenen Kapelle. Spontan erklärten sich die Kinder Vorsitzender), StFw Wolfgang Wedekin (stv. Vorsitzen- und Jugendlichen bereit, durch musikalische Begleitung der), Hptm Christian Bumann (stv. Vorsitzender). Es und Altardienst den Gottesdienst mit zu gestalten. Als Er- fehlen OTL Alfred Warner (erster stv. Vorsitzender) und gebnis dieser Bereichskonferenz wurde wiederholt festge- Hptm Michael Wilke (stv. Vorsitzender), deren stellt: Wo viele Menschen zusammen sind, muss es Struk- Einverständniserklärung dem Wahlvorstand vorlag.

Vorständen im Tagungshaus Maria in der Aue, um die Fu- sion der Bereiche im Westen Deutschlands durchzuführen. Als Gast war der neue Bundesvorsitzende OTL i.G. Rü- diger Attermeyer bei der Vereinigung der Bereiche anwe- send und konnte so Zeuge werden, wie eine Fusion glatt und gut vorbereitet vonstatten gehen kann. Aufgrund der Kürze der Vorbereitungszeit und der fortgeschrittenen Jahreszeit sprach OTL Albert Hecht dem Geschäftsführer des Bereiches NRW, OStFw Hubert Berners, ein großes Lob aus, da er die Vorbereitungen für dieses Wochenende schnell und problemlos durchführte. Die alten Vorstände der beiden Bereiche hatten in vor- hergehenden Gesprächen einen Vorschlag erarbeitet, der Drei Generationen von Vorsitzenden des Bereiches den Delegierten vorgestellt wurde. Dabei wurde von OTL Nordrhein-Westfalen. Von links: OStFw a.D. Johann Hecht betont, dass diese Vorgespräche auf Augenhöhe un- Schacherl, OTL Albert Hecht, OTL i.G. Rüdiger ter absoluter Gleichheit der beiden Vorstände durchgeführt Attermeyer wurden, um Ungerechtigkeiten oder gar eine „feindliche Übernahme“ zu vermeiden. Die anschließende Personal- turen geben, aber ohne die Basis geht es nicht. Als Einzel- debatte brachte die notwendige Klarheit für die Delegier- kämpfer kommt man nicht zurecht, nur gemeinsam sind ten und so konnte am Schluss des Tages der neue Vorstand wir (die GKS) stark. Das muss nach außen gezeigt werden. des Bereiches West gewählt werden. Zu beachten gab es, (Text und Foto: Magdalene Berners) dass Hptm Wilfried Puth Ende Mai aus dem aktiven Dienst ausscheidet und somit gleich ein Nachrücker mitgewählt wurde, damit der Vorstand des großen Bereiches uneinge- schränkt arbeitsfähig bleibt. Den Gottesdienst zelebrierte der Leitende Katholische GKS Bereich West Militärdekan Mainz mit vorläufigem Dienstsitz Koblenz, Msgr. Rainer Schnettker, der von Jugendlichen der mit- Fusion der Bereiche im Westen gereisten Familien unterstützt wurde. Danach besuchte man bei frostigen Temperaturen den Weihnachtsmarkt, der trotz eines herrlichen Bläserkonzertes wenig frequentiert om 18. bis 20. Dezember 2009 trafen sich Delegier- war. Heftiger Schneefall erschwerte den Teilnehmern am Vte aus dem Bereich Nordrhein-Westfalen sowie dem Sonntag die Heimfahrt. Bereich Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen mit ihren (Text und Foto: Bertram Bastian)

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Internationaler Sachausschuss ebenso anwesend wie der Bundesgeschäftsführer, Oberstlt Artur Ernst und der Haushaltsbeauftragte, OStFw a.D. Jo- Vorbereitung der AMI Gesamtkonferenz hann Schacherl. Auf dieser Gesamtkonferenz in Berlin wird das Papier in Deutschland „Staat, Gesellschaft, Kirche – in Verantwortung für die Sol- daten“ diskutiert werden. Als Vortragende sind deshalb Re- m 20. Februar 2010 fand die Sitzung des Internatio- präsentanten aus diesen Bereichen vorgesehen, um diese Analen Sachausschusses unter der Leitung von Oberstlt Erklärung voranzubringen. Nach einem gemeinsamen Ge- Christoph Auer im Christlichen Jugenddorfwerk Deutsch- bet, trug die Generalsekretärin über die Tagung FORUM lands e.V. (CJD) in Bonn statt. Schwerpunkt der Sitzung in Rom vor. Dieses Gremium von katholischen Nichtregie- war die Vorbereitung der Gesamtkonferenz der Apostolat rungsorganisationen traf sich unter der Leitung des Vatikans Militaire International (AMI) in Deutschland vom 26. bis in Rom, wobei AMI dort in der Versammlung die Stimme 29. September 2010 in Berlin. der katholischen Soldaten der Mitgliedsnationen darstellt.

Bild 1: Der Präsident AMI, BrigGen Reinhard Kloss Bild 2: Der Bundesvorsitzende GKS Oberstlt i.G. und die Generalsekretärin Nelleke Swinkels-van de Rüdiger Attermeyer und der Vorsitzende des Horst während der Besprechung des Internationalen Internationalen Sachausschusses Oberstlt Christoph Sachausschusses Auer besprechen die Möglichkeiten der Unterstützung der AMI-Konferenz in Berlin Als Gäste konnte Christoph Auer den Präsidenten AMI, den deutschen BrigGen Reinhard Kloss begrüßen Anschließend wurde der grobe Ablauf der Konferenz struk- und die Generalsekretärin AMI, Frau Nelleke Swinkels- turiert, damit die Vorbereitungen fortgeführt werden kön- van de Horst, aus den Niederlanden (Bild 1). Da die Ge- nen. Gasthörer von der GKS während der Konferenz sind meinschaft Katholischer Soldaten bei der Tagung in Ber- herzlich willkommen. Wenn das Programm detailliert fest- lin als Gastgeber mit auftritt, waren vom Bundesvorstand steht, wird es im AUFTRAG veröffentlicht werden. der Vorsitzende, Oberstlt i.G. Rüdiger Attermeyer (Bild 2), (Text und Fotos: Bertram Bastian)

Ausklang: iebe Leser, für Sie ungewohnt an dieser Stelle, möchte ich mich in diesem AUFTRAG vor den LBuchbesprechungen noch einmal zu Wort melden. Ich bedanke mich vor allem bei den Krei- sen und den Bereichen, die Ihre Beiträge schicken. Ohne diese Beiträge der sogenannten und im- mer wieder zitierten Basis wäre eine Verbandszeitschrift eine inhaltslose Hülle. Auch wenn einige Zusendungen nach dem Redaktionsschluss kamen, wird in Zusammenarbeit mit dem Layouter die Redaktion sich bemühen, dass Ihre Schilderung der Basisarbeit zeitgerecht erscheinen wird. Das bedingt, dass die Zuschriften aber auch Ihre Anregungen uns mitgeteilt werden. Scheuen Sie sich nicht, setzen Sie sich hin und schreiben Sie uns, was Sie bewegt und was Sie bewegt haben. Damit unser AUFTRAG ein lebendiger Spiegel der Arbeit in unserer GKS wird. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Zusammenarbeit!

AUFTRAGAUFTRAG277 277 • MMÄRZÄÄRZ 2010 73 BUCHBESPRECHUNGEN

Buchbesprechung: Perlenschnur und Rosenkranz

as Büchlein trägt den Untertitel er beide Seiten sowohl die christli- on bezeugen. Dankenswerter Weise D„Wenn Christen und Muslime che aber auch die muslimische Seite sind am Schluss des lesenswerten gemeinsam Zukunft ma- dieses Dialoges, dem Büchleins ein Interview mit Theodor chen“. Einen treffende- PapstP Benedikt XVI. Khoury, emeritierter Religionswis- ren Text hätte man nicht in seiner Regensbur- senschaftler aus Münster, und der finden können, denn ge- ger Rede einen wich- erwähnte offene Brief abgedruckt, nau diese Textzeile ist tigent Impuls gegeben so dass der Leser einen viel besseren das Ziel und das Pro- hat.h Haben dem Ober- Eindruck in die Vorlesung des Paps- gramm des vorliegenden haupth der Katholischen tes in Regensburg und ihre Auswir- Buches von Martin Loh- Kirche doch 38 nam- kungen bekommt, als durch die ver- mann, des Sprechers des hafteh Wissenschaftler zerrenden Schlagzeilen der Massen- Arbeitskreises Enga- des Islam in einem of- publikationen. gierter Katholiken in der fenenf Brief geantwortet (Bertram Bastian) CDU/CSU Fraktion des undu Stellung bezogen. Deutschen Bundestages. Dies ist auch ein Anlie- Perlenschnur und Rosenkranz, Von den allgemein be- gen von Lohmann: Stel- Wenn Christen und Muslime kannten Klischees aus- lungl beziehen! Bei al- gemeinsam Zukunft machen, gehend, dringt der Autor llen Unterschieden ge- von Martin Lohmann, immer tiefer in den ge- genseitigen Respekt 139 Seiten, wünschten und notwendigen Dialog bekunden, gegründet auf festem ei- Patris-Verlag Vallendar 2009, der Religionen ein. Dabei beleuchtet genen Glauben die eigene Religi- ISBN 978-3-8760-332-5

Buchbesprechung: Mutter Angelica – eine Nonne schreibt Fernsehgeschichte

as Buch beschreibt das Leben von des Sozialstaates, in dem dieser junge zu bieten, meist nur im Vertrauen auf DRita Rizzo, die 1923 in eine zum Mensch aufwächst und das macht die- Gott. Mit dem italienischen Tempe- Scheitern verurteilte Familie zur Welt se Buch noch in- rament ihrer Eltern ver- kam. Durch Krankheiten gezeichnet, teressanter, denn sehen, erklärt Schwes- findet sie ihren Weg zu Christus und Schilderungen der tert Angelica in diesem nach erheblichen Schwierigkeiten in Verhältnisse in den Buch dem Leser Dinge den Orden der Klarissen der ewi- 20er und 30er Jah- wiew Vertrauen, Glauben, gen Anbetung. Die dortigen Probleme ren aus den Verei- Zuversicht.Z Dass sie da- meistert die junge Nonne mit ihrem nigten Staaten sind beib schier unglaublichen unerschütterlichen Glauben an Gott, durch die Holly- ErfolgE hat, würzt das Ge- der ihr nicht nur die Kraft der Tat gibt, wood-Produktio- schehen. Ein gut lesba- sondern auch die Geduld, Krankhei- nen verfälscht. In rres Buch, welches zum ten zu erdulden. Von Schwierigkeiten diesem Buch er- Nachdenken über den ermuntert, verlässt sich Schwester lebt man hautnah eigenen Glauben anregt. Angelica nur auf ihren Gott und das mit, wie die Un- (Bertram Bastian) mit gutem Erfolg. Der Autor des Bu- terschicht um das ches begleitet Schwester Angelica in Überleben kämpft. MutterM Angelica – den letzten Jahren ihres Lebens, um Daneben erhält der einee Nonne schreibt eben dieses Leben aufzuschreiben. Leser einen guten Fernsehgeschichte,F Herausgekommen ist eine authen- Einblick in kirch- vonv Raymond Arroyo, tische Geschichte eines Menschen, liche Hierarchien, 4304 Seiten, der seinen Weg zum Glauben schil- immer gepaart mit dem Willen einer Media Maria Verlag, Illertissen, 2009, dert. Es ist aber auch eine Geschichte Frau, diesen Schwierigkeiten die Stirn ISBN 978-3-9811452-7-4

74 AUFTRAG 277 • MÄRZ 2010 TERMINE

Termine für das Laienapostolat in der Kath. Militärseelsorge

2010 Allg. Termine u. Bundesebene GKS-Sachausschüsse 25.03. Weltfriedenstag, Bonn SA »Innere Führung« 16.-17.04. VV ZdK 15.03. Sitzung, Bonn 21.-25.04. Seminar Dritte Lebensphase, Nürnberg 23.-26.04. gemeinsam mit SA S & F, Berlin 23.-25.04. Sachausschuss Ehe-Familie-Partnerschaft 04.10. Sitzung, Bonn 12.-16.05. 2. Ökumenischer Kirchentag, München 15.11. Sitzung, Bonn 19.-25.05. 52. Int. Soldatenwallfahrt, Lourdes SA »Sicherheit und Frieden« 09.-13.06. Seminar Dritte Lebensphase, 16.04. Sitzung, Bonn (geplant) Cloppenburg 23.-26.04. gemeinsam mit SA IF, Berlin 12.-13.06. Außerordentliche Bundeskonferenz, Fulda 05.11. Sitzung, Bonn (geplant) 19.06. Vorstand KR, Bensberg SA »International« 18.-20.06. Seminar für Funktionsträger, 07.-09.05. Berlin Mülheim / Ruhr 27.-29.08. Berlin 02.-04.07. Bundesvorstandssitzung, Berlin 09.-11.07. Sachausschuss Dienstalltag und Christsein Vorschau 2011 12.-13.09. Vorkonferenz für 50. WdB 13.-17.09. 50.Woche der Begegnung, Bensberg 22.01. Jahresempfang MGV, Vorstand KR, Sitzung EA 26.-29.09. AMI-Konferenz, Berlin 04.-08.05. Seminar Dritte Lebensphase, Nürnberg 01.-03.10. Sachausschuss Ehe-Familie-Partnerschaft 18.-24.05. 53. Int. Soldatenwallfahrt, Lourdes 18.-22.10. 55. Gesamtkonferenz, Potsdam 15.-19.06 Seminar Dritte Lebensphase, 20.-24.10. Seminar Dritte Lebensphase, Nürnberg Cloppenburg 06.-07.11. Bundesvorstandssitzung, Mülheim / Ruhr 11.-12.09. Vorkonferenz 13.11. Vorstand KR, Berlin 12.-15.09. Katholikenrat, Untermarchtal 19.-20.11. VV ZdK, Bad Godesberg 14.-17.09. Bundeskonferenz, Untermarchtal Bereichs- / Arbeitskonferenzen / Familienwochenenden 07.-11.11. 13. Seminar Akademie Korn, Fulda 10.11. Festakt 50 Jahre GKS KMilD Kiel / GKS Nord/Küste 19.-21.03. DAK Nord 01 / 10, Stapelfeld Vorschau 2012 05.-07.11. DAK Nord 02 / 10, Parchim 2012 98. Deutscher Katholikentag, Mannheim KMilD Erfurt 19.-21-03. DAK Mitte, Dassel Regionale Zuständigkeit der Katholischen Militärdekanate 25.-27.06. FWE, Paderborn KMilD Kiel: Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schles- 22.-24.10. DAK & BK, Kloster Drübeck wig-Holstein, Dienststellen im Bereich des Flottenkommandos KMilD Mainz KMilD Mainz: Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- 28.-29.10. DAK West 02 / 10, Vallendar Pfalz, Saarland KMilD München KMilD München: Bayern, Baden-Württemberg 26.-28.03. DAK Süd 01 / 10, Lambach KMilD Erfurt: Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, 16.-18.07. Bereichskonferenz Süd, Leitershofen Sachsen-Anhalt, Bremen, Niedersachsen 24.-26.09. DAK Süd 02 / 10, Teisendorf VERWENDETE ABKÜRZUNGEN: BK – Konferenz der GKS im Bereich …, BuKonf – Bundeskonferenz der GKS, BV GKS – Bundesvorstand der GKS, DAK – Dekanatsarbeitskonferenz im Bereich …, EA – Exekutivausschuss, FWE – Familienwochenende, GKMD – Gemeinschaft der kath. Männer Deutschlands, IS – Internationaler Sachausschuss, IThF – Institut Theologie und Frieden, Hamburg, KMilD – Kath. Militärdekanat, MGV – Militärgeneralvikar, SA InFü – Sachaus- schuss »Innere Führung«, SA S+F – Sachausschuss »Sicherheit und Frieden«, WB – Wehrbereich, WdB – Woche der Begeg- nung, KR – Katholikenrat beim Militärbischof, VV ZdK – Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

AUFTRAGAUFTRAG277 277 • MMÄRZÄÄRZ 2010 75 Impressum AUFTRAG ist das Organ der GEMEINSCHAFT KATHOLISCHER SOLDATEN (GKS) und erscheint viermal im Jahr. Hrsg.: GKS, Am Weidendamm 2, Das Kreuz der GKS 10117 Berlin Das »Kreuz der GKS« ist das Symbol www.katholische-soldaten.de der Gemeinschaft Katholischer Sol- Redaktion: verantwortlicher Redakteur daten. Vier Kreise als Symbol für die Bertram Bastian (BB), GKS-Kreise an der Basis formen in Paul Schulz (PS), Oberstlt a.D., Redakteur, einem größeren Kreis, der wiederum Klaus Brandt (bt), Oberstlt a.D., Redakteur die Gemeinschaft versinnbildlicht, ein Zuschriften: Redaktion AUFTRAG c/o Bertram Bastian, Kreuz, unter dem sich katholische Sol- Alter Heerweg 104, 53123 Bonn, daten versammeln. Tel: 0177-7054965, Fax: 0228-6199164, E-Mail: [email protected] Für unverlangte Einsendungen wird keine Haftung übernommen. Namensartikel werden allein vom Verfasser verantwortet. Nicht immer sind bei Nachdrucken die Inhaber von Rechten feststellbar oder erreichbar. In solchen Aus- nahmefällen verpfl ichtet sich der Herausgeber, nachträglich geltend gemachte rechtmäßige Ansprüche nach den üblichen Honorarsätzen Der Königsteiner Engel zu vergüten. Der »siebte Engel mit der siebten Posaune« Druck: Verlag Haus Altenberg GmbH, (Offb 11,15–19) ist der Bote der Hoff- Carl-Mosterts-Platz 1, 40477 Düsseldorf. Überweisungen und Spenden an: nung, der die uneingeschränkte Herrschaft GKS e.V. Berlin, Pax Bank eG Köln, Gottes ankündigt. Dieser apokalyptische BLZ: 370 601 93, Konto-Nr.: 1 017 495 018. Engel am Haus der Begegnung in Königstein/ Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Ts., dem Grün dungsort des Königsteiner Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe. Nachbe stellung gegen Offi zier kreises (KOK), ist heute noch das eine Schutzgebühr von EUR 10,- an Tradi tionszeichen der GKS, das die katho- den ausliefernden Verlag. lische Laienarbeit in der Militärseelsorge seit mehr als 40 Jahren begleitet. ISSN 1866-0843