Download (3.78
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
DOI 10.6094/helden.heroes.heros./2019/AH/07 Christian A. Bachmann 67 „I’m afraid, my reaction to your noble experiment is somewhat ambivalent.“ Metaisierung, Ambiguität und Heldentum zwischen Dekonstruktion und lampshading in Steve Gerbers Howard the Duck (1976–1978) I eine Rolle spielt, namentlich in Kinofilmen, TV/ Stream-Serien und der Werbung, ist in mehr- Im Januar 1976 erscheint das erste Heft der facher Hinsicht die Folie, vor der die Howard- Marvel Comics-Serie Howard the Duck. How- Geschichten zu verstehen sind. Das betrifft die ard, eine anthropomorphe Ente, die Walt Dis- Genese der Figur im Rahmen einer Geschichte, neys Donald Duck nachgeahmt ist, tritt erstmals in der Superheldenfiguren zumindest auftreten, als komische Nebenfigur in der 19. Ausgabe von den Publikationsrahmen (den auf Superhelden- Marvels Heftreihe Adventure into Fear auf. Darin narrationen spezialisierten Marvel Verlag), das erzählt Steve Gerber (1947–2008) eine selbst- Marktumfeld (in dem solche Geschichten den referentielle Geschichte über Heldentum und größten Anteil sowohl nach Produktionsvolumina Comics, auf die im Folgenden noch genauer als auch nach Umsatz haben), die Ästhetik (na- zurückgekommen wird. Funktional als comic re- mentlich den sog. Marvel-Zeichenstil), die Se- lief eingesetzt, um im Moment der Verzweiflung miotik (jene der Superheldencomics) und selbst eines Helden Entlastung zu bringen – und wohl die Materialität (das standardisierte amerika- zugleich die Handlung aus einer Sackgasse zu nische Comicheftformat mit einer festgelegten befreien –, gibt sich Howard als Personifikation Seitenzahl, reservierten Werbeseiten, redaktio- des Absurden zu erkennen, als Ente, die gegen nellen Peritexten usw.). Inhaltlich lässt sich der ihren Willen „in a world of talking hairless apes“ Superheldentypus von den späten 1930er bis versetzt wurde: „now that’s absurdity“ (Gerber in die 1970er Jahre umreißen als heteronor- u.a. I 19). mativ geprägte, meist überwiegend maskuline Als Wesen aus einer anderen (Comic-)‚Di- Leser*innen-Identifikationsfigur, die durch einen mension‘, die ausschließlich von anthropomor- äußeren Umstand – ein ‚wissenschaftliches‘ Ex- phen Tieren bevölkert wird, erfüllt Howard the periment (Ant-Man), den Biss einer Giftspinne Duck eine sozialkritische Rolle, die im Comic (Spider-Man), die Wirkung der Sonnenstrahlen erstmals Armundo D. Condos (1872–1956) Mar- (Superman), technische Körpererweiterungen sianer Mr. Skygack inne hatte. Der titelgebende (Ironman) … – übermenschliche Kräfte verlie- Außerirdische bezieht im Zeitungsstrip Mr Sky- hen bekommt, die für ‚das Gute‘ einzusetzen ein gack from Mars (1907–1912) eine Beobachter- genretypischer Automatismus ist. Meistenteils position, aus der er technische Neuerungen und sind diese Fähigkeiten hochgradig spezialisiert, gesellschaftliche Praktiken in den USA humoris- insbesondere wenn die Figuren in Gruppen auf- tisch kommentiert. Gerber schließt mit Howard treten; Figuren wie Superman erhalten jedoch hier (bewusst oder unbewusst) an. Anders als auch sukzessive weitere Kräfte. Spezialisierung Skygack, der als vorgeblich neutraler und häufig und zunehmende Allmacht sind als komplemen- unverständiger Beobachter inszeniert wird, lässt täre Figurengestaltungsstrategien zu verste- Gerber seine Ente als hellsichtigen, d.h. aufge- hen, die eine serielle Variation immer gleicher klärten Außenseiter u.a. mediensoziologische narrativer Muster ermöglichen: einerseits durch Missstände kommentieren, darunter den Prä- einander ergänzende Figuren in variablen Kon- sidentschaftswahlkampf 1976 (an dem Howard stellationen, andererseits durch eine schrittweise als fiktiver Kandidat teilnimmt; 225-243), New- greifende Überbietungslogik. Ihnen stehen spie- Age-Trends der Post-Hippie-Zeit (287-290), gelbildlich Superschurken gegenüber, die die Psychotherapie und Wahnsinn (bspw. 291), Re- jeweilige Narration in Gang bringen, worauf die ligiösität (289, 293), und nicht zuletzt das Super- Heldenfiguren reagieren können. Reinhold C. heldentum (u.a. 195-224). Reitberger und Wolfgang J. Fuchs resümieren Dieses comicspezifische Heldentum, das erst 1971 – freilich ohne trennscharf zwischen Hel- in jüngerer Zeit auch außerhalb von Comic-Heften den, Göttern u.a. zu unterscheiden:1 helden. heroes. héros. Christian A. Bachmann 68 Superman & Co. stellten für die noch jun- Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich gen Comic Books eine neue Spezies von auf die von Gerber verfassten Howard-Comic- Helden dar, göttergleich in ihren Fähigkei- hefte, die im Zeitraum von 1976 bis 1978 als ten. Eine Spezies, die sich von der alten vor Howard the Duck Nr. 1–27 und Howard the allem durch die Gewandung unterschied. Duck Annual Nr. 1 (1977) erschienen sind. Be- Die neuen Helden trugen ein farbenfrohes rücksichtigt werden darüber hinaus frühere Ge- Trikot, mit oder ohne Maske und Cape, als schichten mit bzw. über Howard in Adventures eine Art Markenzeichen wie einst Herakles Into Fear Nr. 19 (1973), The Man-Thing Nr. 1 seine Löwenhaut. […] Die meisten der Su- (1974), Giant-Size Man-Thing Nr. 4 und 5 (1975) perhelden beziehen […] ihre besonderen sowie Marvel Treasury Edition Nr. 12 (1976).4 Fähigkeiten aus den traditionellen Denk- Alle hier genannten Geschichten wurden von schemata der alten Mythen, verwandeln Gerber geschrieben und zum Teil auch heraus- diese aber derart, daß sie schon wieder gegeben.5 Mit der Ablösung von Gerber als Au- als ursprünglich, das heißt, neuartig im tor durch u.a. Bill Mantlo ergeben sich Verschie- modernen Sinn anzusehen sind. Aber bungen, die eine hier nicht zu leistende nähere als Nachfolger und Reinkarnationen der Untersuchung erfordern. antiken Heroen verkörpern alle Superhel- den den auch heute noch vorhandenen Wunschgedanken nach dem Paraklet, dem Helfer, der göttergleich (als Schutz- II engel) den Sterblichen wunderbare Ret- tung bringt. (Fuchs/Reitberger 101-102) Nachdem Howard zunächst aus der Swamp- Thing-Handlung entfernt wird, erhält die Figur im Das spezifische Merkmal des – hier nur verkürzt Januar 1976, wohl auf Grund der Begeisterung als Typus zu betrachtenden – Comic-Superhel- der Fans für die ungewöhnliche Ente, eine ei- den, sein zentrales ‚Heroem‘, ist die Aufspaltung gene Heftserie.6 Auf der Cover-Illustration deren seiner Identität. Nach dem Vorbild des Pulp-Hel- erster Ausgabe, gezeichnet von Frank Brunner, den Zorro verfügt der Superheld über eine erste, erkennen wir die in Anzugjacke, Hemd und Kra- womöglich eigentliche heroische Identität, die watte gekleidete und mit einem Schwert bewaff- mittels einer farbenfrohen Verkleidung deutlich nete Ente vor dem Hintergrund einer Mauer aus markiert wird, und eine zweite Identität, die auf behauenen Steinen, vor der eine spärlich beklei- die eine oder andere Weise ein Abtauchen in der dete Frau als zu beschützende damsel in dis- Gesellschaft ermöglicht: Superman tarnt sich als tress liegt. Überschattet werden die Figuren von der Normalo-Journalist Clark Kent, Spider-Man den Umrissen einer muskulösen Figur mit ahis- agiert ohne Kostüm als Student und Photojour- torischem, aber fantasytypisch behörntem Helm, nalist Peter Parker, Batman als der Millionär und die beherzt ein deutlich größeres Schwert führt Lebemann Bruce Wayne, der monströse Hulk (Abb. 1). Gerber und Brunner stellen hier offen- heißt im bürgerlichen Leben Bruce Banner.2 Der kundig darauf ab, Howard ein diametral entge- so gestaltete Superheld ist in doppelter Weise gengesetztes Heldenbild kontradiktorisch ge- paradox: der Typologie Ulrich Bröcklings fol- genüberzustellen. Der Schatten referiert kaum gend, ist der Superheld – im Trikot – ein „mora- verhohlen auf die Comicadaption von Robert E. lisch regulierter Abweichler“ (9), der durch sein Howards Roman Conan the Barbarian, die seit moralisch-heroisches Agieren zur Nachahmung Ende 1970 bei Marvel Comics erscheint. Die anregt, sich dabei aber gerade nicht zu erken- Serie ist nicht nur ein großer kommerzieller Er- nen gibt und so eine Verehrung durch ein zu bil- folg für den Verlag, sie markiert auch den Beginn dendes Gefolge zumindest erschwert. einer bis in die 1980er Jahre reichenden (und Dieser Heldentypus zeigt in den 1970er Jah- jüngst wieder auflebenden7) Welle transmedi- ren jedoch Auflösungserscheinungen, die eine aler Fantasy-Kriegererzählungen im gleichen zunehmende Ambiguierung mit sich bringen, Stil, unter denen die Conan-Verfilmungen mit d.h. die eindeutige und unzweifelhafte Stellver- Arnold Schwarzenegger (Conan the Barbarian, treterschaft der Superhelden für ‚das Gute‘ wird 1982; Conan the Destroyer, 1984) die bekann- einer Revision unterzogen.3 Die folgende Be- testen sind (vgl. Sabin 150). Conan vertritt ar- trachtung fokussiert vor dieser Folie drei Ebenen chetypisch den Heldentypus des ‚Barbaren‘, der Ambiguierung der Figur Howard the Duck: eines hypermaskulinen, hypermuskulösen, semiotische, narrative sowie thematische. Zuvor (meist) weißen, heterosexuellen Mannes (vgl. ist die Figur jedoch medienhistorisch zu kontex- Boletsi 96), der überwiegend, wenn nicht gar tualisieren, um das Umfeld zu konturieren, in ausschließlich über kämpferische Handlungen dem die Figur verortet ist. definiert ist, die er in der Regel leicht bekleidet helden. heroes. héros. Metaisierung, Ambiguität und Heldentum 69 Merkmal von Helden angesehen werden, als basales Heroem.8 Superheldenfiguren, obschon vielfach hybride in ihrer Anlage (Batman, Spider- Man, Black Panther usw.), sind denn auch primär menschliche Figuren, denen allenfalls Tier-ähn- liche Kräfte zufallen.9 Howard ‚the Duck‘ weicht davon signifikant