Unbeabsichtigt war dies, so scheint es, der kürzeste Weg nach Übersee. Denn die Option, Noch Muckis die die Dallas Mavericks trotz hochklassiger Konkurrenten auf Nowitzki erwarben, haben sie zulegen sofort eingelöst. Sie umgarnten ihn, als sei er bereits ein Super- Niemals zuvor wurde ein star. Zwei Tage nach dem „draf- deutscher Zweitligaspieler von der ting“ tauchte der Immobilien- US-Profiliga verpflichtet. händler und Multimillionär wagt den riskanten Ross Perot Jr., Sohn des ehe- Sprung nach Dallas. maligen US-Präsidentschafts- kandidaten und Eigner der Ma- er Aufbruch in die Neue Welt wird vericks, mit einem Leibwächter hektisch. Denn jeden Augenblick und mit Cheftrainer Don Nel- Dmuß der Würzburger Basketball- son im mittelalterlichen Anwe- Profi Dirk Nowitzki, 20, mit einem Fax sei- sen Geschwindners auf. No- nes neuen Arbeitgebers rechnen: „Ankunft witzki sollte gleich nach Dallas in Texas, morgen um sieben.“ mitkommen. Die Dallas Mavericks, ein renommier- Dort war alles bestens präpa- tes Team der National Basketball Asso- riert. Auf dem Flughafen be- ciation (NBA), haben Nowitzki für drei stürmten ihn zwölf Kamera- Jahre verpflichtet. Doch solange ein Ar- teams; in einer Zeitung vor Ort beitskampf („lock-out“) zwischen Club- wurde er mit einer netten besitzern und Spielern die Geschäfte in Schlagzeile begrüßt: „The Ger- der nordamerikanischen Glitzerliga lähmt, man Wunderkind“; Mitarbeiter hält sich der Jungstar in seiner Heimat auf eines Radiosenders schleppten Trab: Er punktet auf Abruf für seinen beim Interview Leckereien aus Stammverein DJK Würzburg. deutschen Landen ins Studio;

Mit Nowitzki, und vor allem wegen ihm, H. R. SAUER und in einem Jugendzentrum stiegen die Franken in die erste Liga auf. Basketballer Nowitzki: Kürzester Weg nach Übersee feuerten ihn Kinder mit Sprech- Ohne ihn, so schwant DJK-Basketball-Chef chören an. Wolfgang Malisch, „wird es schwer, fürch- Nachdem er eine Nacht „über das ganze terlich schwer“. Und so danken die Würz- Gedöns geschlafen hatte“, sagte Nowitzki burger Fans für jede Woche, in der sich die dem Vertragswerk zu: drei Millionen Dollar NBA-Unterhändler noch über Millionen- für drei Jahre – in Würzburg kassierte er gagen streiten. knapp 2000 Mark pro Monat. Daß die NBA-Scouts den 2,11-Meter- Doch Zweifel bleiben. Der Basketball- Mann überhaupt aufgespürt haben, gilt in Profi ahnt, daß das erste Jahr „knüppel- der Szene als große Überraschung. No- hart“ wird: „In der Abwehr und unter dem witzki ist erst der vierte deutsche Spieler, Korb fehlt es mir.“ Mit seinen 107 Kilo- der sich über die „drafts“, eine Art Athle- gramm sei er „ein Würstchen“, woraus tenbörse für Clubs, in die US-Profiliga vor- Nowitzki folgert: „Ich muß noch Muckis wagt. Und anders als seine Vorgänger aus zulegen.“

Deutschland, die vor ihrem NBA-Debüt die PHOTOS / NBA C. HERTER Mit Körperkraft allein wird Nowitzki rauhen Sitten des amerikanischen Sports in Nowitzki, Cheftrainer Nelson (M.)* nicht geholfen sein, das darwinistische College-Teams verinnerlichten, kennt No- „The German Wunderkind“ Auswahlverfahren des US-Profisports ist witzki bisher nur das heimelige Franken- nichts für zarte Seelen. Hansi Gnad schei- land: Er hat immer in Würzburg gespielt der deutschen Basketball-Equipe und seit terte einst beim Probetraining in Miami und dort noch zuletzt im Unteren Katzen- drei Jahren Nowitzkis zusätzlicher Privat- knapp: „Es ist die Hölle.“ Henning Har- bergweg gelebt – im Hause seiner Eltern. trainer, zieht unter einer Ablage eine Liste nisch mokierte sich über einen „fast mi- Schon melden sich die Bedenkenträger hervor und zählt vergnüglich die Millio- litärischen Führungsstil“ auf dem College zu Wort. Svetislav Pesic, Trainer des deut- nenofferten der kontinentalen Spitzenver- – und buchte nach zwei Wochen seinen schen Meisters Alba Berlin, zweifelt: „Dirk eine auf. Rückflug. muß noch geschliffen werden. Den NBA- Nowitzki hat sie alle abgelehnt. Denn Selbst , der sich als ein- Coaches traue ich das nicht zu.“ Und bis zu diesem Sommer plädierte Mentor ziger Deutscher im egomanischen Be- Albas ehemaliger Manager Marco Baldi, Geschwindner für die bodenständige Va- triebsklima der NBA wirklich durchsetzen der Nowitzki als „eines der größten Ta- riante: Taktische Erfahrung sollte der konnte, erinnert sich nur ungern an seinen lente, das der Basketball hierzulande je- Hochbegabte weiterhin als Antreiber in Start. Vier bittere Lehrjahre brachte er – mals hervorgebracht hat“ preist, hätte Würzburg sammeln, und den technischen ebenfalls in Dallas – hinter sich. Immer einen behutsameren Karrieresprung emp- Feinschliff würde ihm der Ex-Profi höchst- dann, wenn er in den Schlußminuten eines fohlen: „Noch zwei Jahre in einem eu- selbst in den Sonderschichten zur Mit- längst gewonnenen Spiels aufs Feld durfte, ropäischen Spitzenteam würden ihm ga- tagszeit verpassen – in der Turnhalle von paßten die Kollegen die Bälle haarscharf an rantiert bessertun.“ Rattelsdorf. ihm vorbei. An Gelegenheiten zu einem Wechsel Schrempf war schnell klar: „Du ver- mangelte es nicht. Holger Geschwindner, * Nach der Zusage bei den Dallas Mavericks im Juni, suchst nun mal, einem anderen den Job bei den Olympischen Spielen 1972 Kapitän rechts Mannschaftskollege Steve Nash. wegzunehmen.“ ™

der spiegel 39/1998 211