Emanuel Schmidt (Johanneum)

Frederick Philip Grove/Felix Paul Greve

Like the face of Europe, my memory is a palimpsest on which writing has overlaid writing – F.P.G.

Frederick Philip Grove/Felix Paul Greve gilt wegen seiner umfangreichen, stilsicheren und äußerst lebendigen, realistischen Erzählweise als einer der wichtigsten kanadischen Schriftsteller von Prärie-Romanen. Er gewann 1947 den kanadischen Literaturpreis, den Governor General`s Award, für seine Autobiographie „In Search of Myself“ (1946), in der er seine westpreußische Herkunft und Bildungsstation in die Legende umwandelt mit seinen britisch-schwedischen Eltern Europa als große Bildungsreise durchwandert zu haben, bevor er nach Kanada auswanderte. Die ehrenvolle Medaille hat er schon im Jahre 1934 für seine Prärie-Romane erhalten. Er wurde 1941 Mitglied der kanadischen Akademie der Wissenschaften, der Royal Society of Canada und erhielt zweimal den Titel eines Ehrendoktors von zwei kanadischen Universitäten. Seine literarischen Tätigkeiten erhielten vielfältige öffentliche Anerkennung: In den 1960er und 70er Jahren wurden seine Romane für Literaturkurse in ganz Kanada genutzt und die Schüler in den Schulen lernten die Geschichte ihrer kanadischen Vorfahren durch die Pflichtlektüre Groves kennen. Trotz dieser vielen Ehren und unermüdlicher Übersetzertätigkeiten litt er aber auch in Kanada unter akutem Geldmangel. Der am 14. Februar 1879 in Radomno (ehemals Westpreußen, heute Polen) geborene Sohn von Eduard und Bertha Greve wurde ursprünglich als Felix Paul Greve bekannt. Nach einem Aufenthalt als Gutsverwalter in Pommern nahm die Familie 1881 ihren Wohnsitz in Hamburg an. Die Eltern trennten sich ein Jahr später und der dreijährige Felix Paul lebte nun mit seiner älteren Schwester bei seiner Mutter, die eine Pension führte. Greve besuchte die Volksschule und die Realschule in St. Pauli, danach die Gelehrtenschule des Johanneums. Dort zeigte sich seine besondere Begabung in den alten Sprachen: 1898 legte er ein sehr gutes Abitur ab und erhielt mehrere Stipendien, mit deren Hilfe er an den Universitäten Bonn und München klassische Philologie und Archäologie studierte, wo er – zwar noch Student – doch schon als Autor und Übersetzer Kontakt mit dem Kreis um knüpfte. Sein Studium führte ihn für ein Jahr 1900/1901 an das Deutsche Archäologische Institut nach Rom. Im Jahr 1903 begann Felix ein Verhältnis mit Else Endell, der Frau seines Freundes und Architekten , mit der er nach Palermo durchbrannte. Als er später wieder nach Deutschland zurückkehrte, wurde er in Bonn verhaftet, da ein ehemaliger Mäzen aus dem George Kreis ihn wegen Zahlungsunfähigkeit angezeigt hatte. Seine einjährige Haft nutzte Greve zum Übersetzen und Schreiben und nahm auch Kontakt mit André Gide und H.G. Wells auf. Danach verbrachte er mit Else Endell Zeit in der Schweiz und in Frankreich; sie heirateten 1907 in . Er geriet wieder in Geldschwierigkeiten und hatte Schulden, gleichzeitig aber auch eine Übersetzung von an zwei Verlage verkauft. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, täuschte er 1909 schließlich einen Selbstmord vor und floh an Bord der SS Megantic nach Nordamerika. Seine Frau, Else Endell folgte ihm ein Jahr später nach Kentucky, wo das Paar bis zu seiner Trennung 1911 auf einer Farm lebte. Felix Paul Greve reiste 1912 weiter nach Kanada, gab seine alte Identität auf und startete ein neues Leben als Frederick Paul Grove. Neben dieser neuen Identität schrieb und übersetzte er aber auch weiterhin unter verschiedenen Pseudonymen: So benutzte er das Pseudonym Fanny Essler für zahlreiche Gedichte, welche in der Zeitschrift „Die Freistatt“ veröffentlicht wurden. Man vermutet, dass dieses Pseudonym Felix und Else gemeinsam in ihrer Lyrik Emanuel Schmidt (Johanneum) verwandt haben. Daneben übersetzte er für den Insel Verlag als F.C. Gerden „decadent literature“ und als Konrad Thorer den spanischen Autor Cervantes und Lesage. Nach seiner Ankunft in , Winnipeg nahm Felix Paul Greve eine Lehrerstelle unter dem Namen Fred Grove an. Während des Unterrichts in den ländlichen Gemeinschaften Manitobas lernte er die Kollegin Catherine Wiens kennen, welche er 1914 heiratete und mit ihr bis zu seinem Tod eng verbunden blieb. Die Heiratsurkunde gibt an, dass Grove sechs Jahre älter als sein tatsächliches Alter sein sollte und - dieses Mal - in Moskau (Russland) geboren wurde. Grove und seine neue Frau hatten gemeinsam zwei Kinder, die 1915 geborene und im Alter von zwölf Jahren verstorbene Phyllis May und den 1930 geborenen Arthur Leonard. Im Jahr 1915 studierte Frederick an der Universität von Manitoba und beendete sein Studium mit einem B.A. in Französisch und Deutsch. Er beendete seine Lehrer- Karriere, um sich nun ganz dem Schreiben widmen zu können. Seine ersten kanadischen Publikationen waren „Over Prairie Trails“ (1922), „Turn of the Year“ (1923) und „Settlers of the Marsh“ (1925); die ersten realistischen Novellen Kanadas. worauf sich die nachfolgende Literatur bezog. Grove durchreiste Kanada mehrmals, steigerte somit seine nationale Anerkennung und nahm schließlich eine Arbeitsstelle in der Ariston Press an, in welcher er auch seine Autobiographie „In Search of Myself“ veröffentlichte. Groves Ruhelosigkeit und Geldmangel führte ihn immer wieder an neue Orte, so zog er mit seiner Familie in die kanadische Provinz , wegen seiner Fruchtbarkeit des Bodens von den Einwohnern als „The Golden Horseshoe“ bezeichnet und schließlich kaufte er eine Farm nahe der kleinen Stadt Simcoe. Hier starb er am 19. August 1948 an einem Schlaganfall und wurde in Rapid City (Manitoba) neben seiner Tochter Phyllis May begraben. Catherine Wiens lebte lange genug, um die Wahrheit über die Doppelidentität ihres Mannes, welche 1973 vom kanadischen Literaturwissenschaftler D.O. Spettigue entdeckt wurde, zu erfahren. Und so erfuhr auch die Gelehrtenschule des Johanneums 1986 von ihrem berühmten Schüler.