Max Reichpietsch Und Sein Ufer Vor 60 Jahren Wurde Die Straße, an Der Das WZB Liegt, Umbenannt

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Max Reichpietsch Und Sein Ufer Vor 60 Jahren Wurde Die Straße, an Der Das WZB Liegt, Umbenannt Zu guter Letzt Max Reichpietsch und sein Ufer Vor 60 Jahren wurde die Straße, an der das WZB liegt, umbenannt Von Christoph Albrecht Was verbindet in Berlin die Gesellschaft fr Marinekabinett) gebaut worden war, seine Technische Zusammenarbeit (GTZ), das Arbeits- und Wohnrume. Zu dem Komplex WZB und das Bundesministerium der Ver- gehrt auch der Bendlerblock, der 1938 als teidigung? Es ist die Uferstraße entlang des Erweiterungsbau des Reichsmarineamtes fer- Landwehrkanals, deren Name „Reichpietsc- tig gestellt wurde. In dessen Hof wurden hufer“ zwar einigermaßen vertraut, deren Stauffenberg und andere Widerstands- Namensbedeutung aber wenig bekannt ist. kmpfer gegen die nationalsozialistische Dik- Wie sonst knnte es sein, dass dieses Unbe- tatur erschossen; heute erinnert eine Gedenk- kannte immer wieder von Absendern, die sttte an die Verschwrer. 1935 hatte in dem Christoph Albrecht [Foto: David Ausserhofer] Post an das WZB adressieren, als Reichs- kaiserlichen Gebudekomplex das Ober- pietschufer geschrieben wird? Was ein kommando der Wehrmacht (OKW) seinen Christoph Albrecht, geboren 1950, „Reichspietsch“ sein sollte, wre fr die Ab- Sitz genommen. Den Ablauf der Ereignisse Beauftragter fr Forschungsmana- sender dann sicher immer noch offen, aber beschreibt Stephanie Jaeckel in der „Kreuz- gement und ffentlichkeitsarbeit dieser Begriff scheint weniger kryptisch zu berger Chronik fçr Kultur, Geschichte und im Forschungsschwerpunkt „Ar- sein als „Reichpietsch“. Alltag in Kreuzberg“ ber „Widerstand auf beit, Sozialstruktur und Sozial- Straßenschildern“: staat“. Nach dem Studium der In diesem Jahr fallen zwei Jahrestage zusam- Volkswirtschaftslehre und Sozio- men, die mit dem Namen Reichpietsch ver- „Es war im Sommer 1917, als die kaiserliche logie an der Universitt Tbingen bunden sind: Vor 90 Jahren, am 5. September Flotte tatenlos in den Hfen von Kiel und und an der TU Berlin arbeitete er 1917, wurde Max Reichpietsch in Kln- Wilhelmshaven vor Anker lag. Sie kam nicht als Redakteur in einem Forschungs- Wahn erschossen. Der 1894 in Berlin-Char- zum Einsatz, denn statt fr eine von Tirpitz projekt an der FU Berlin, als wis- lottenburg geborene Matrose war einer der geplante Entscheidungsschlacht in der nahen senschaftlicher Mitarbeiter im Organisatoren des Wilhelmshavener Matro- Nordsee hatten sich die Englnder fr eine WZB, als Redakteur bei der „tages- senaufstandes im Sommer 1917. Mit ihm Blockade in weiter Ferne entschieden. So zeitung“ und als wissenschaftlicher wurde ein weiterer aufstndischer Matrose, musste sich die deutsche Marine aufs Warten Mitarbeiter im Studiengang „Jour- Albin Kbis, hingerichtet. verlegen, denn ihre schweren Schlachtschiffe nalisten-Weiterbildung“ an der FU waren auf offener See nur schwer zu man- Berlin, ehe er 1990 wieder ans Seit 60 Jahren, dem 31. Juli 1947, trgt der vrieren. WZB kam. Abschnitt der Uferstraße, der Kreuzberg und Tiergarten verbindet, Reichpietschs Namen. Entsprechend war die Laune an Bord. Die Warum aber wurde sein Name fçr diese Mannschaft verbrachte die Tage unter Deck, Straße gewhlt? Am 20. Oktober 1946 Landgang oder Heimurlaub waren untersagt. wurde die neue Stadtverordnetenver- Dabei wussten alle, dass der Krieg lngst ver- sammlung fr Groß-Berlin gewhlt. Die SPD loren war. Das Essen war miserabel, seit dem erreichte 48,7 Prozent der Stimmen, die CDU Winter herrschte Hunger im Deutschen 22,2 Prozent, die SED 19,8 Prozent, und die Reich. Matrosen und Heizer wurden vom LDP 9,3 Prozent. Die Versammlung konstitu- Drrgemse nicht mehr satt, lediglich die Of- ierte sich am 26. November und whlte den fiziere kamen noch in den Genuss von Fleisch Sozialdemokraten Otto Suhr zu ihrem Vor- und frischem Gemse. Zu alledem mussten steher. Schon wenige Monate spter wurde die Matrosen stundenlangen Exerzierdienst im Verordnungsblatt fr Groß-Berlin „ (. .) ertragen, wo sie nicht selten von ihren satten die Umbenennung von rund 150 Straßen, Offizieren beschimpft und schikaniert wur- Pltzen und Brcken bekannt(gegeben), de- den. ren Namen an das nationalsozialistische Re- gime und an das Kaiserreich erinnerten“. Ihr Unmut wuchs und entlud sich schließlich: Die Mannschaften mehrerer Schiffe traten in Vom 7. Dezember 1933 bis zum 30. Juli 1947 den Hungerstreik und verweigerten den mor- hatte dieses Straßenstck „Tirpitzufer“ ge- gendlichen Dienstantritt. Am 1. August ver- heißen, benannt nach dem Großadmiral Al- ließen 49 Mann der „Prinzregent Luitpold“ fred von Tirpitz (1849–1930), bis 1916 das Schiff, um sich auf dem Deich die Fße zu Staatssekretr im Reichsmarineamt und Be- vertreten. Als einige von Ihnen fr den Spa- grnder der deutschen Hochseeflotte Tirpitz ziergang mit Arrest bestraft wurden, reagier- hatte in dem heute vom Verteidigungs- ten die Matrosen am nchsten Tag mit einem ministerium genutzten Komplex, der von weiteren Landgang, der die 400 Heizer und 1911 bis 1914 fr die obersten Marine- Matrosen in nahe gelegene Kneipen fhrte. behrden (Reichsmarineamt, Admiralstab, Aber anstatt mit diesem Protest ihre Arbeits- 54 WZB-Mitteilungen Heft 116 Juni 2007 Zu guter Letzt bedingungen zu verbessern, wurden sie vor der auf.“ Noch heute wird in Berlin-Grnau, das Kriegsgericht gestellt. einem Ortsteil der ehemaligen „Hauptstadt der DDR“ – im Oktober 2007 zum 49. Mal –, Die Anklage lautete auf politische Bettigung eine Kutterregatta um den Max-Reich- und Meuterei. Auf dem Flaggschiff „Fried- pietsch-Albin-Kbis-Gedchtnis-Pokal durch rich der Große“ wurden der Oberheizer den Seesportclub Berlin-Grnau ausgetragen. Sachse sowie die Matrosen Weber und Reich- Aber auch in „Westdeutschland“ sind Reich- pietsch als „Vertrauensleute“ heraus- pietsch und Kbis nicht ganz vergessen: Die Erinnert. Max Reichpietsch und Albin Kbis gegriffen. Von der „Prinzregent Luitpold“ Kulturvereinigung Leverkusen ruft auf zu ei- (mit dem falschen Nachnamen „Kbes“) auf mussten sich der Heizer Kbis und der Ma- nem Gedenken „90 Jahre nach der Er- einer Gedenkkarte. [Abbildung: Wikipedia] trose Becker verantworten. Alle fnf wurden schießung von Albin Kbis und Max Reich- am 26. August 1917 als so genannte Haupt- pietsch“ am 8. September 2007 am Doppel- rdelsfhrer eines Aufstandes zum Tode ver- grab fr die beiden in Kln-Wahn, und ihr urteilt. Ein unabhngiger Gutachter, der Ju- Aufruf endet in einem Sprachbild, das von stiziar des Reichsmarineamtes und die Offi- 1917 stammen knnte: „Feuer raus aus den zialverteidiger konnten jedoch keinen Kesseln der Kriegsmaschinerie!“ Aufstand besttigen, was drei der Todes- kandidaten die Begnadigung bescherte. An Am 31. Juli 1947 wurde nicht nur eine Straße Reichpietsch und Kbis jedoch sollte ein nach Max Reichpietsch benannt; eine vom Exempel statuiert werden. Am 5. September Reichpietschufer abzweigende Straße bekam 1917 wurden die vermeintlichen Delin- den Namen „Kbisstraße“. Sie luft an einer quenten in der Wahner Heide bei Kln er- durch Kriegszerstrungen entstandenen Frei- schossen. flche entlang, die seit Jahrzehnten als „K- bis-Dreieck“ bezeichnet wird. Dieses Drei- Ein Zeuge im Prozess, der USPD-Reichstags- eck, zwischen Kurfrstendamm und Tier- abgeordnete Wilhelm Dittmann, erinnerte garten gelegen und eingerahmt von jngst sich spter: „Reichpietsch machte den Ein- errichteten Botschaften, wird seit einigen druck eines sehr geweckten, frischen jungen Jahren neu bebaut fr „Arbeiten und Woh- Mannes, war aber politisch vllig ungeschult nen in neuen Dimensionen“, wie der ent- und unerfahren (. .). Da er schon 1912 als sprechende Investoren-Prospekt ankndigt. Achtzehnjhriger freiwillig in die Marine ein- „Ein traditionelles Zentrum des historischen getreten war, hatte es ihm an jeder Gelegen- Berlins wird wieder zum Leben erweckt“, so heit und politischen Schulung gefehlt, so dass wird die Qualitt des Standorts beschrieben. er 1917 als Dreiundzwanzigjhriger auch Auch wenn der Name „Kbis“ fast auf jeder von den damals aktuellen politischen Fragen Seite auftaucht: Wer oder was „Kbis“ ist, nur ganz naive und unklare Vorstellungen be- darber gibt der Prospekt keine Auskunft. saß. Max Reichpietsch hatte gegen seine schlechten Arbeitsbedingungen opponiert. Verurteilt aber wurde er als Revolutionr.“ Weiterfhrende Literatur Als ich einem in der DDR aufgewachsenen Stephanie Jckel, Widerstand auf Straßenschildern (1): Reichpietschufer – Max Reichpietsch, in: Kreuzberger Kollegen von meinem Interesse erzhlte, Summary mich mit den mir noch kaum bekannten Zu- Chronik fr Kultur, Geschichte und Alltag in Kreuzberg, And who was Reichpietsch? sammenhngen zum Namen „Reichpietsch“ Juni 2001 zu beschftigen, blitzte der Unterschied zwi- The street on which the WZB is lo- schen „Geschichtsunterricht la Bundes- www.Luise.de, Der Luisenstdtische Bildungsverein e.V. cated has been called Reichpietsch- republik“ und „Geschichtsunterricht la im Internet, Edition Luisenstadt, Herausgeber: Hans- ufer for 60 years. It is named after DDR“ auf. Er war çberrascht, dass mir dieser Jrgen Mende a sailor who participated in the Name und das damit verbundene Schicksal 1917 sailors’ revolt in Wilhelms- nicht vertraut waren. „Reichpietsch und K- Regionalgeschichtliches Museum fr Mitte, Tiergarten, haven, was subsequently sen- bis waren fr uns ein Begriff; sie galten als Wedding tenced to death and then executed Revolutionre und Vorbilder, ihre Namen in Cologne. From 1933 to 1945 the tauchten im Laufe der Schulzeit immer wie- Wikipedia street bore the name of Grand Ad- miral Alfred von Tirpitz (1849– 1930), the founder of the German ocean-going fleet. It was renamed in 1947 by the municipal ad- ministration of Greater Berlin. On July 31, 1947, the city authorities changed the names of some 150 streets, squares, and bridges that recalled the Nazi regime and the German Empire. WZB-Mitteilungen Heft 116 Juni 2007 55.
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