Bedeutende Österreichische Kriegsgeologen Im Einsatz an Der Südfront Des Ersten Weltkrieges
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Geo.Alp, Vol. 11 2014 117 - 134 Bedeutende österreichische Kriegsgeologen im Einsatz an der Südfront des Ersten Weltkrieges Significant Austrian War Geologists in Combat Mission at the Southern Front during World War I Daniela Angetter1 & Bernhard Hubmann2 1 Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung. Forschungsbereich Österreichisches Biographisches Lexikon der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2 Institut für Erdwissenschaften, Universität Graz Zusammenfassung Erste Ansätze „kriegsgeologischer“ Auseinandersetzungen reichen zumindest in das 19. Jahrhundert zurück; mit dem Ersten Weltkrieg, nachdem der Stellungs- und Festungskrieg die Errichtung ausgedehn- ter kriegstechnischer Infrastruktur notwendig machte, kam der geologischen Kenntnis des Untergrundes schlagartig große Bedeutung zu. Als sich im Mai 1915 Italien an den Kriegshandlungen beteiligte, stellte dies eine besondere Herausfor- derung für die österreichisch-ungarische Armeeführung dar, denn die „Südfront“ verlief zum größten Teil in gebirgigem Gelände. Verspätet, erst gegen Ende des Krieges, fanden am Institut für Forstliche Standorte an der Hochschule für Bodenkultur in Wien drei Kriegsgeologenkurse statt, in denen für den Fronteinsatz relevante ingenieurgeologische Fragenstellungen behandelt wurden. Bedeutende, an der Südfront eingesetzte österreichische Kriegsgeologen waren Raimund von Klebels- berg, Julius von Pia, Robert Schwinner, Albrecht Spitz und Artur von Winkler-Hermaden sowie Heinrich Beck, Kurt Ehrenberg, Alois Hauser und Andreas Thurner. Abstract First approaches in “war geology” lead back at least to the 19th century; during World War I, when static warfare necessitated the construction of extensive war-related infrastructure, geological knowledge of the subsurface abruptly was in great demand. A particular challenge for the Austro-Hungarian army leadership arose when Italy participated in the war in May 1915, because the “southern front” consisted mainly of mountainous terrain. Somewhat belatedly, towards the end of the war, three courses for war geologists were organized at the Institut für Forstliche Standorte (“Institute for Forests”) at the University of Agricultural Sciences in Vienna to instruct various aspects in engineering geology relevant to mission. Important Austrian geologists fighting at the Southern Front during World War I were Raimund von Klebelsberg, Julius von Pia, Robert Schwinner, Albrecht Spitz and Artur von Winkler-Hermaden as well as Heinrich Beck, Kurt Ehrenberg, Alois Hauser and Andreas Thurner. 117 Einleitung Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in der österrei- 1913, S. 464). Die Notwendigkeit geologischer chisch-ungarischen Monarchie erste gedankliche Kenntnisse für den Stellungskrieg, den Festungs- Ansätze über die Bedeutung der Geologie für die bau und Festungskrieg sowie die Errichtung ei- militärische Terrainlehre. 1855 verfasste der Offi- ner kriegsmäßigen Infrastruktur wurde im Ersten zier Rudolf Baron von Schmidburg (1810-1902) Weltkrieg nur allzu rasch deutlich. unter dem Pseudonym R.B.S. sein Werk „Grundzü- Der Erste Weltkrieg gilt als einer der markantes- ge einer physikalisch vergleichenden Terrainlehre in ten Wendepunkte in der Kriegsgeschichte. Zum ihrer Beziehung auf das Kriegswesen als Leitfaden ersten Mal gab es Millionenheere und Massen- zum Vortrage und Selbstunterrichte für Eingeweihte vernichtung und zum ersten Mal war auch die und Laien“, in dem er auf die Notwendigkeit geo- Zivilbevölkerung von einem Krieg weit mehr be- logischen Wissens für die Herstellung militärto- troffen als je zuvor. pographischer Karten hinwies. 14 Jahre später Mit dem Ausbruch des Krieges zwischen Öster- erfolgte dann eine verbesserte Auflage dieses reich-Ungarn und Italien im Mai 1915 entwi- Erstlingswerks, in dessen Vorwort Schmidburg ckelte sich ein groß angelegter Stellungskrieg anmerkte „ … so haben wir noch kein Handbuch im Hochgebirge. Bis dahin hatten kriegführende für k. k. Offiziere, welches den in jüngster Zeit auf Heere Pässe und Berge nur überschritten, um dem Gebiete der Naturwissenschaften gemach- die Entscheidungen primär in den Ebenen oder ten Riesenfortschritten entsprechend, geologische Tälern zu suchen. Kampfhandlungen im Gebirge und geognostische Behelfe als Erläuterungen in galten als unmöglich. Diese allgemeingültige solcher Ausdehnung enthält. …“. 1896 publizierte Auffassung über den Gebirgskrieg klingt verwun- Schmidburg eine „Anleitung zur Orientierung im derlich, bedenkt man, dass die Grenze der öster- Gebirge nach den Grundlinien der in die physika- reichisch-ungarischen Monarchie zu vier Fünftel lisch vergleichende Terrainlehre eingreifenden gebirgigen Charakter aufwies. Diese teilweisen Geologie der Gegenwart“, worin er unter anderem hochalpinen Grenzen – oft oberhalb der Baum- die wichtigsten Gesteinstypen und deren Zusam- grenze – hatten letztlich doch den Ausschlag ge- mensetzungen, die Entwicklung in der Bildung geben, dass der alpine Grenzverlauf zwangsläufig der festen Terrainteile und der Erdkruste über- immer mehr in den Bereich militärischer Planun- haupt, den Zusammenhang und die äußeren gen rückte und besondere, für den Gebirgskampf Formen der Gebirge sowie die Charakteristik der bestimmte Truppen zur Aufstellung kamen. Von Gebirgs-, Berg- und Flachländer sowie der großen der Ortlergruppe, über Riva, den Monte Pasub- Ebenen behandelte. Schmidburg vertrat den io, die Dolomiten, mit Festungen auf der Cima Standpunkt, dass zwar ein Soldat kein Geologe d‘Asta, Mamolada usw., entlang des Hauptkamms sein muss, er jedoch mit einigen geologischen der Karnischen Alpen, über den Predil-Pass, den Grundkenntnissen (darunter Begriffen aus der Isonzo bildete sich bis Monfalcone eine Front Naturlehre, der Geologie, der Geognosie und der (Abb. 1). Das Hochgebirge musste infrastrukturell Mineralogie) vertraut sein sollte, um das Terrain erschlossen werden: Stellungen, Kavernen, Stra- für militärische Operationen richtig zu beurteilen ßen und Seilbahnen wurden gebaut. (Häusler, 2003, S. 20ff.). Einen gewissen Einfluss auf die Infrastruktur des Im deutschsprachigen Raum findet sich der Be- Hochgebirges hatte bereits vor dem Ersten Welt- griff Militärgeologie erstmals im Jahre 1912 und krieg die Gründung des Österreichischen Alpen- geht auf den deutschen Pionieroffizier und pro- vereins, der 1862 als erster Bergsteigerverband movierten Geologen Walter Kranz (1873-1953) auf dem europäischen Festland ins Leben geru- zurück. Dieser formulierte 1913 in seiner ersten fen wurde. Nicht unerheblich bei dieser Grün- Publikation über Militärgeologie in der Kriegs- dung war der Einsatz von Eduard Suess (1831- technischen Zeitschrift „Je mehr die Waffengat- 1914), Anton Edler von Ruthner (1817-1897) und tung zur sorgfältigen Anpassung an das Gelände in Eduard Fenzl (1808-1879). Ziel war unter ande- jeder Kriegsform zwingt, um so fühlbarer wird dem rem das „Wegsammachen der Ostalpen“ (Suess, Soldaten der Einfluß des Bodens selbst …“. (Kranz, 1912). 1873 erfolgte der Zusammenschluss zum 118 Geo.Alp,Vol.11 2014 Abb. 1: Ungefährer Verlauf der Südfront in den Jahren 1915-1917; aus verschiedenen Quellen zusammengezeichnet. Beachte: bis Kriegsende waren für die zu Österreich-Ungarn gehörenden Ortschaften die Schreibweisen Bozen (Bolzano), Brixen (Bres- sanone), Görz (Gorizia), Klausen (Chiusa), Meran (Merano), Neumarkt (Egna), Tolmein (Tolmin), Trient (Trento), Triest (Trieste) und Zimmers (Cembra) offiziell. Fig. 1: Approximate distribution of the southern front during the years 1915-1917; redrawn from various sources. Note: by the end of World War I notation for Austrian-Hungarian villages north/east of the border officially were Bozen (Bolzano), Brixen (Bressanone), Görz (Gorizia), Klausen (Chiusa), Meran (Merano), Neumarkt (Enga), Tolmein (Tolmin), Trient (Trento), Triest (Tri- este) and Zimmers (Cembra). Deutschen und Oesterreichischen Alpenverein. dann wieder im eroberten Raum zum weiteren Wanderwege, Klettersteige sowie Alpenvereins- Vorrücken. Gegen kleinere feindliche Abteilun- hütten wurden errichtet und gegen Ende des gen, wie Feldwachen, Spähtrupps oder einzelne 19. Jahrhunderts erkannte man auch die Bedeu- Patrouillen wurden gezielte Stoßtruppunterneh- tung des militärischen Schilaufes (Schaumann, men geführt. Die Angriffe erfolgten oft nachts, 1980, S. 457ff.). im Schutz der Dunkelheit, sowie unter Ausnüt- Die kriegführenden Truppen des Ersten Welt- zung schwierigster alpiner Geländeverhältnisse. kriegs hatten im Hochgebirge vorerst nur wenig Diese im Prinzip einfach klingenden taktischen an militärischen Möglichkeiten: Einerseits ein di- Maßnahmen sahen in der Praxis ganz anders aus. rektes Überrennen der gegnerischen Höhenstel- Unzählige Angriffspläne scheiterten vor allem lungen mit nachfolgenden Flankenangriffen im an plötzlich auftretenden Wetterstürzen, Natur- feindlichen Gebiet und ein Aufrollen der gegne- katastrophen wie Lawinenabgängen, Stein- und rischen Hauptkampflinie von hinten, andererseits Blitzschlägen, aber auch an dem unbekannten die Durchführung kleinerer Gefechtsaktionen, Gelände. Vieles, was vor dem Krieg als gebirgs- wobei der Hauptvorstoß in den Tälern erfolgte. militärisches Standardwissen galt, musste auf Im Ersten Weltkrieg wurden beide taktischen Grund der nun gemachten Erfahrungen rasch Maßnahmen realisiert, oft auch in Kombination. reformiert und reorganisiert werden (von Lichem, Während Eliteeinheiten hochalpine Kampflinien 1981, S. 15-17). Somit gewannen das Kriegsver- überrannten, stießen Infanterietruppen durch die messungswesen und die Kriegsgeologie zusätz-