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SWR2 Musikstunde

Ein Instrument spielt verrückt Klaviere, Karrieren und Krisen um 1800 (4)

Von Wolfgang Scherer

Sendung: Donnerstag, 01. Oktober 2015 9.05 – 10.00 Uhr

Redaktion: Ulla Zierau

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1 SWR2 Musikstunde, Donnerstag, 1. Oktober 2015, mit Wolfang Scherer

Ein Instrument spielt verrückt Klaviere, Karrieren und Krisen um 1800 (4)

Im Mai 1805 kommt ein nicht mehr ganz so junger Bravour-Pianist in die Londoner Musikmetropole: ein hochgewachsener, gutaussehender Mann mit sehr großen Händen, mit beträchtlichem Charme, Witz und guten Manieren, eine insgesamt angenehme Erscheinung, fast wie Le Beau Dussek, der zu diesem Zeitpunkt schon vor seinen Gläubigern aus dem englischen Pianopolis geflohen war, um mit dem Prinzen Louis Ferdinand von Preußen zu konzertieren - und zu trinken. Auch der legendäre Clementi-Schüler John Field hat die Themsestadt verlassen; von ihm hört man, dass er in St. Petersburg mit seinen Star-Allüren, seinen erotischen Eskapaden und seinen skandalösen Alkoholexzessen ebenso Furore macht wie mit seinen Konzerten, für die er horrende Honorarsummen erhält. Um Fields früheren Rivalen Johann Nepomuk Hummel ist es etwas ruhiger geworden; er dient inzwischen auf Empfehlung des großen Haydn als Kapellmeister beim Fürsten Esterházy; ein anderer ehemaliger Konkurrent, Glorious John Cramer, konzertiert nicht mehr viel, sondern widmet sich der Klavierpädagogik und lässt unter seinem Namen Fortepianos fabrizieren. Er ist gut im Geschäft. Über den Neuankömmling, einen Virtuosen aus Salzburg, der bei den Mozarts in die Lehre gegangen war, ist in den Salons zu hören, er sei nicht nur ein leidenschaftlicher Klavierspieler, sondern ein ebenso passionierter Billard- und Kartenspieler. An einem Billardtisch soll er einmal so viel Geld verloren haben, dass er seinem Gegner die Einnahmen aus einem noch anstehenden Konzert überschreiben musste. Womöglich ist er sogar ein gerissener Falschspieler …? Jedenfalls, so munkelt man, hat er zuletzt aus Brüssel fliehen müssen, weil man ihn beim Betrug ertappt hatte… Sein Name: Joseph Johann Baptist Wölfl. Nun, in , nimmt Wölfl Kontakt auf mit Clementi, Glorious John Cramer und dem Impresario , der Anfang der 90er Jahre nach London geholt und zu triumphalen Erfolgen verholfen hatte. Als Woelfl mit einem neuen Klavierkonzert am 27. Mai 1805 in den Hanover Square Rooms erfolgreich debütiert, beschließt er, sich in London niederzulassen.

Musik 1 ams M0092535 / 009 5´55 Joseph Wölfl 3. Satz „Allegro molto `Le Coucou`“ aus Konzert für Klavier und Orchester Nr. 6 D-Dur op. 49 Yorck Kronenberg, Klavier Cpo, 777374-2 SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern, Leitung: Johannes Moesus

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Yorck Kronenberg und das SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern waren das, mit dem 3. Satz „Le Coucou“ aus dem Klavierkonzert op. 49 von Joseph Wölfl. Während seiner Wiener Zeit hatte Wölfl zu den schärfsten Konkurrenten Beethovens gezählt, dem viel daran lag, seine beherrschende Position unbedingt zu behaupten, und der deshalb jeden jungen Pianisten als potentiellen Rivalen betrachtete. Denn es ging um einen heiß umkämpften Markt. Um den enorm wachsenden Musikmarkt. Es ging um mehr als sechstausend Klavierschülerinnen und –schüler allein in Wien; um eine Handvoll Mäzene aus Adel und Großbürgertum, es ging um Verleger und Veranstalter, Theaterleiter und Instrumentenbauer. Gewiss, Klavierwettkämpfe hatten seit den Cembalo-Tagen Händels und Scarlattis Tradition. Aber mit dem Siegeszug des Hammerklaviers, mit der Eroberung der Salons durch das Pianoforte stehen sie nun ganz oben auf der Tagesordnung des Musiklebens. Und mit wem ist Beethoven in jenen Jahren auch nicht alles in den Ring gestiegen, um sich in den eleganten Arenen der Wiener Palais musikalisch zu duellieren. Einer seiner Gegner war der seinerzeit ziemlich populäre Joseph Gelinek, ein geweihter Priester, zwölf Jahre älter als Beethoven, und ziemlich siegesgewiss. „Dem will ich´s zeigen“, ließ er seine Anhänger wissen. Aber es kam anders. „In dem jungen Menschen steckt der Satan!“, soll er nach dem Wettstreit gejammert haben, „nie habe ich so spielen gehört!“ Abbé Gelinek, der mit gespitzten Ohren Beethovens Improvisationen zu lauschen pflegte, um sie hernach wie ein Falschmünzer in seine beliebten Variationen zu verwandeln, er gehörte zweifellos zu jenen Klaviermeistern, die Beethoven zu seinen erklärten Todfeinden rechnete. Für den charmanten Wölfl, der damals von dem ziemlich vermögenden Bankier Raimund Wetzlar, Freiherr von Plankenstern protegiert wurde, mag das freilich nicht gegolten haben. In der Villa des Freiherrn am Schönbrunner Schlosspark war mehrfach zu einem Klavier-Duell zwischen Beethoven und Wölfl geladen worden. Die Wiener Hautevolee liebte derlei Gesellschaftsspiele. Man amüsierte sich prächtig, wenn tüchtige Klavier-Athleten gegeneinander antraten, tapfere Gladiatoren der Tastatur, und man hatte hernach wunderbaren Gesprächsstoff für schier unerschöpfliche Konversation. Was das Treffen zwischen Wölfl und Beethoven betraf, so ging daraus kein eindeutiger Sieger hervor. Der etwas hochmütigen Pose Beethovens hatte der drei Jahre jüngere Wölfl jedenfalls durch sein – wie es die Kritik formulierte – liebenswürdiges Wesen viel voraus. „Die größere Partei schien sich auf seine Seite zu neigen.“ Wölfl ließ es sich denn auch nicht nehmen, Beethoven gleich drei seiner Klaviersonaten zu widmen. Beethovens Antwort auf diese Dedikation ist nicht überliefert. Vielleicht zum Glück!

Musik 2 ams M0386207 / 003 4´37 Joseph Wölfl 3.Satz „Rondo“ aus Sonate für Klavier Nr. 1 C-Dur op. 31 Laure Colladant, Hammerklavier Harmonia mundi France, MAN 4860 3 Laure Colladant spielt den dritten Satz aus der Sonate op. 31 von Joseph Wölfl. Nun, welchem „Kämpfer vorzugsweise die Siegespalme“ zu überreichen war, das konnte im Wettstreit zwischen Wölfl und Beethoven kaum entschieden werden. Im Falle des Klavier-Duells mit dem schillernden, extravaganten Daniel Steibelt im Jahr darauf war das anders. Der hatte in Paris mit einigem Erfolg seine Oper Romeo und Julia auf die Bühne gebracht, musste dann aber die Stadt Hals über Kopf verlassen: wie Le Beau Dussek war er auf der Flucht vor Verlegern und Gläubigern, die er um ihr Geld geprellt und seine Kompositionen gleich mehrfach verkauft hatte; und wie John Field pflegte er einen luxuriösen Lebenswandel und litt ständig unter akuter Geldnot. Als er das englische Mekka der Klaviervirtuosen an der Themse erreichte, eilte ihm außerdem der Ruf voraus, Kleptomane zu sein… Bekannt war er jedenfalls in ganz Europa als der Tremolo-Pianist. Auf seinen Konzertreisen begleitete ihn von nun an eine Engländerin, die er für seine Frau ausgab, und die das Tamburin spielte, während er auf dem Pianoforte tremolierte wie der Teufel: die beiden müssen Stürme der Begeisterung ausgelöst haben, wohin sie auch kamen. In Prag konnte sich das Publikum nicht satt sehen am schönen Arm der Engländerin und die Damen der Gesellschaft kannten bald keinen brennenderen Wunsch, als das Tamburin-Spiel zu erlernen. Also ließ der geschäftstüchtige Steibelt eine Wagenladung Tamburins kommen, verkaufte sie einige Wochen lang in Prag und seine Frau erteilte den Damen Unterricht. Dann reisten die beiden ab. Nach Wien. Und wie immer, wenn er in deutschsprachigen Landen unterwegs war, gab sich der Berliner Steibelt als Ausländer aus und tat so, als könne er kein Deutsch verstehen. In Wien sollte Steibelt nun auf Beethoven treffen. Und zwar im Rahmen einer Soirée beim Grafen Moritz Fries in seinem Wiener Palais am Josephsplatz. Fries, Manufakturbesitzer, Gutsherr und Bankier, ist damals einer der reichsten Männer Wiens. Er hat das Rencontre einfädeln lassen. Und Steibelt rührt nun die Werbetrommel stärker als seine Frau das Tamburin. Der eitle Virtuose ist ziemlich von sich eingenommen. Schon bangen die Freunde Beethovens um seine pianistische Reputation. Schließlich hat er einen Ruf zu verlieren. Und eine Position im Wiener Klavierkosmos. Als es an diesem Abend am Josephsplatz in Anwesenheit der allerersten Wiener Gesellschaft soweit ist, setzt sich Beethoven ans Pianoforte und spielt den Klavierpart aus seinem neuen Gassenhauer-Trio.

Musik 3 CD 2 take 7 0´57 3. Satz „Tema con variazioni” aus Klaviertrio B-Dur op. 11, Nr. 1 Trio Wanderer HMC 902100.03, LC 7045

4 Keine glückliche Wahl, denn der Spieler kann sich bei diesen Variationen nicht richtig zeigen. Steibelt hört mit höflicher Herablassung zu und lässt ein paar ganz nette Komplimente fallen. Dann spielt er einige seiner Kompositionen und zieht mit seinen effektvollen Tremolos, die damals etwas Neues waren in den Wiener Salons, eine bizarre Show ab. Wie wild flattern seine Finger über die Klaviatur. Dann ist es vorbei. Die Abendgesellschaft applaudiert. Er erhebt sich und lächelt. Man blickt sich um nach Beethoven. Aber der ist nicht mehr zum Spielen zu bewegen. Die Anwesenden werfen sich vielsagende Blicke zu und nehmen ihre Gespräche wieder auf. Diese Runde geht eindeutig an Steibelt. Da ist man sich sicher. Acht Tage später kommt es zur Revanche. Wieder beim Grafen Fries. Diesmal greift Steibelt Beethovens Variationensatz auf: eine Kampfansage. Er will zeigen, was er aus so einer Vorgabe alles machen kann. Als sich der Applaus gelegt hat, blicken alle erwartungsvoll zu Beethoven. Was wird er tun? Der steht mürrisch auf, geht zum Instrument und im Vorbeigehen greift er sich ein Notenblatt des Streichquartetts von Steibelt, das zuvor gespielt worden war, stellt es auf das Pult über der Klaviatur, dann dreht er es für jeden sichtbar herum, so dass es nun auf dem Kopf steht, und beginnt.

Musik 4 ams M0014739 / 012 4´11 Ludwig van Beethoven 4. Satz „Prestissimo“ aus Klaviersonate Nr. 1 f-Moll op. 2 Nr. 1 Ronald Brautigam, Fortpiano Globe, GLO 7002

Noch bevor Beethoven zu Ende war, schlich sich Steibelt aus dem Saal. Mit dem wollte er nichts mehr zu tun haben. Seine Tournee brach er ab und weigerte sich, Beethoven jemals wieder zu begegnen. Und wenn er irgendwo eingeladen war, machte er es zur Bedingung, dass Beethoven nicht auch anwesend sein würde. Dann suchte er das Weite, das heißt: er ging nach Russland, wo der skandalumwitterte John Field mit seinen spektakulären Konzertauftritten für Furore sorgte. Das Leben eines reisenden Virtuosen gab Steibelt auf und wurde Kapellmeister, dann Operndirektor in St. Petersburg. Indessen: wie lange Beethoven im Rahmen jener denkwürdigen Soirée beim Grafen Fries wirklich gespielt hatte, das wissen wir nicht. Seine Improvisationen, für die er Zeit seines Lebens so berühmt wie berüchtigt war, die konnten mitunter stundenlang dauern. Wer seine musikalischen Ausflüge in die Klang- und Ideenwelt des Klaviers erlebt hat, war überwältigt von der Intensität und der inspirierten Energie, die sein erfindungsreiches und ausdrucksstarkes Spiel auszeichneten. Sicher sind viele Berichte der Augen- und Ohrenzeugen seiner Klavierkunst nach seinem Tod jener Verklärung geschuldet, mit der man ihn zum tragischen Heros des klassischen Wiener Dreigestirns erhob – Haydn-Mozart-Beethoven - und zum Beispiel sein „titanisches Spiel“ rühmte. Eines ist jedenfalls gewiss: kein anderer seiner Klavier-Rivalen hat damals in Wien so viele 5 Instrumente ruiniert, Saiten zerrissen, Hämmerchen zerbrochen und Tasten demoliert wie Beethoven. Und mit zunehmender Taubheit sollte das noch schlimmer werden. Im April 1814 - Beethoven hörte damals so gut wie gar nichts mehr – besuchte ihn einmal sein junger Freund, der Geiger Louis Spohr, der damals das Orchester des Theaters an der Wien leitete. Er geriet mitten in eine Trio-Probe hinein und erlebte einen Beethoven, der im Forte so fest auf die Tasten schlug, dass die Saiten klirrten, und im Piano so leise spielte, dass ganze Tongruppen ausblieben. „Ein Genuss war´s nicht“, meinte er, „denn erstlich stimmte das Pianoforte sehr schlecht, was Beethoven weniger bekümmerte, da er ohnehin nichts davon hörte, und zweitens war von der früher so bewunderten Virtuosität des Künstlers infolge seiner Taubheit fast gar nichts mehr übrig geblieben. Taub zu sein, wie soll ein Musiker das ertragen, ohne zu verzweifeln? Beethovens fast fortwährender Trübsinn war mir von nun an kein Rätsel mehr.“ Am 11. April ist es so weit. Im Saal des Hotels zum Römischen Kaiser. Das Publikum applaudiert, als die drei Musiker auf die Bühne kommen: der Geiger Schuppanzigh, der Cellist Linke und der Pianist Beethoven. Er hat das Klaviertrio, das nun erklingt, dem Erzherzog Rudolph von Österreich gewidmet.

Musik 5 CD take 6 6´16 Ludwig van Beethoven 3. Satz „Scherzo – Allegro” aus Klaviertrio Nr. 7 B-Dur op. 97 “Erzherzog” Alexander Melnikov, Fortepiano; Isabell Faust, Violine; Jean-Guihen Queyras, Violoncello HMC 902125, LC 7045

Alexander Melnikov, Fortepiano; Isabelle Faust, Violine; und Jean-Guihen Queyras, Violoncello. Sie spielten das Scherzo aus dem Erzherzogtrio op. 97 von Ludwig van Beethoven. Bei seiner Uraufführung am 14. April 1814 im Römischen Kaiser in Wien war das Publikum bald unruhig geworden und hatte zusehends irritiert gewirkt. Denn das Klavier wollte sich sich nicht so recht einfügen ins Musizieren. Immer wieder war es viel zu laut oder man hörte es gar nicht… Was die Konzertbesucher damals erlebten, das war der letzte öffentliche Auftritt von Beethoven als Pianist. Dabei war zehn Jahre zuvor sein Klavier-Vortrag in den Wiener Salons einmal Piano- Performance avant-la-lettre gewesen. Nur, dass er mit den Jahren immer weniger Lust verspürte, sich herausfordern zu lassen. Oder auf Kommando seiner Mäzene und zum Vergnügen aristokratischer Abendgesellschaften vor dem Instrument im Salon irgendeines Palais Platz zu nehmen. Immer öfter weigerte er sich, auf Geheiß aufzuspielen. Immer öfter kommt es deswegen zu delikaten Szenen in den Salons. „Für diese Schweine spiele ich nicht!“, soll er bei einer dieser Verweigerungen ausgerufen haben. Zusammen mit dem jungen , der ebenfalls aus Bonn stammte und nun seit einigen Jahren sein Assistent ist - seine Korrespondenz 6 mit Verlegern führt, Noten kopiert, Botengänge erledigt und seinem Meister auch eine schönere Wohnung auf der Wiener Mölkerbastei besorgt – mit diesem Ries zusammen am Klavier gibt Beethoven bei einem Hauskonzert diesen Marsch zu vier Händen zum Besten.

Musik 6 ams M0018764 005 4´47 Ludwig van Beethoven Nr. 3 D-Dur “ Vivace” aus Drei Märsche für Klavier zu vier Händen Andreas Grau und Götz Schumacher, Klavier Konzertmitschnitt Schloss Engers Neuwied

Allein, der junge Ries und Beethoven spielten diesen Marsch nicht zu Ende. Weil man sich unterhielt, anstatt ihnen zuzuhören, war Beethoven wütend aufgesprungen, hatte den Klavierdeckel zugeschlagen und war nicht mehr zu bewegen, sich wieder ans Klavier zu setzen. Bei einer anderen Gelegenheit, einer Abendgesellschaft auf Schloss Grätz, bei seinem Freund und Mäzen, dem Fürsten Lichnowsky, hatte Beethoven – wie Ries berichtet – überhaupt keine Lust, vor der Gesellschaft zu spielen. Dem heftigen Drängen hatte er sich hartnäckig verweigert und sich im Musikzimmer eingeschlossen. Beim Fürsten Lichnowsky waren nun aber allerhand Gäste zu dieser Soirée geladen, darunter auch die napoleonischen Offiziere, die auf dem Gut einquartiert waren und die unbedingt Beethoven zu hören wünschten. Ob er die anwesenden französischen Militärs, immerhin Feinde seines Vaterlandes, nicht unterhalten mochte, ob ihn das aufdringliche Drängen des Fürsten genervt hat oder ob ihm einfach die ganze elegante Abendgesellschaft zuwider war, das sagt uns Ries nicht. Jedenfalls: Als man die Tür zu dem Musikzimmer öffnen wollte, wo Beethoven allein am Klavier saß, kam es zum Tumult: „Wenn nicht Graf Oppersdorf und einige andere gewesen wären, so wäre es zu einer derben Schlägerei gekommen, denn Beethoven hatte den Stuhl schon aufgehoben. Um ihn auf des Fürsten Kopf zu zerbrechen, nachdem der Fürst die Zimmertür, die Beethoven nicht aufmachen wollte, zertreten hatte.“ Soweit Ferdinand Ries. Der soll als Klavierspieler zwar ein „Holzhacker“ gewesen sein, hatte aber am 1. August 1804 mit Beethovens drittem Klavierkonzert im Wiener Augarten sein Debüt geben und dazu sogar in Absprache mit dem Meister eine eigene Kadenz schreiben dürfen.

7 Musik 7 CD 2 take 3 4´35 Ludwig van Beethoven Schluss des dritten Satzes „Rondo. Allegro“ aus Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37 Arthur Schoonderwoerd, Fortepiano Ensemble Cristofori Alpha 820, LC

Arthur Schoonderwoerd und das Ensemble Cristofori waren das, mit dem Schluss des dritten Klavierkonzerts op. 37 von Ludwig van Beethoven, mit dem sein 20jähriger Assistent Ferdinand Ries im Wiener Augarten sein Debüt gegeben hatte. Seine Zeit bei Beethoven wird allerdings bald ein abruptes Ende nehmen. Die Wirren der napoleonischen Kriege holten ihn ein und sollten ihn in den folgenden Jahren kreuz und quer durch Europa treiben, immer auf der Flucht vor Musterung und Einberufung. Mal sollte er als Bürger des französisch besetzten Koblenz in Armee eingezogen werden, mal als Bewohner Wiens in die Dienste des österreichischen Militärs treten. Ries hat bald die Nase voll. Er muss verschwinden. Er bricht auf zu einer ausgedehnten Konzertreise. Sein Fernziel: Russland, wohin es auch Field und Steibelt verschlagen hatte. Er ahnt nicht, dass Napoleons Grande Armée ihm auf den Fersen bleiben und bald gegen Moskau vorrücken wird. Seine Flucht findet erst in London ein Ende. Dort ist gerade Joseph Wölfl, der liebenswürdige Rivale Beethovens, viel zu früh verstorben. Neben dem alten Clementi und dem einflussreichen Glorious John Cramer, Ignaz Moscheles und Friedrich Kalkbrenner, etabliert er sich bald als angesehener Klavierlehrer der wohlhabenden Kreise, heiratet eine Dame aus begüterter Familie, avanciert zu einem Direktor der Philharmonic Society und bestellt in ihrem Auftrag bei seinem alten Lehrer die neunte Sinfonie. Seiner Einladung, nach London zu reisen, wo man „Ihre Kompositionen allen anderen vorzieht“, wie Ries schreibt, wird Beethoven nie nachkommen. Zuerst mochte er nicht. Auch nicht als man ihm höhere Reisekosten anbot. Zuletzt konnte er nicht mehr. (Ca.: 1´51)

Musik 8 ams M0049807 /003 5´01 Ferdinand Ries 2. Satz „Larghetto con moto“ aus Klavierkonzert Nr. 8 As-Dur op. 151 „Gruß an den Rhein“ Christopher Hinterhuber, Klavier New Zealand Symphony Orchestra, Leitung: Uwe Grodd Naxos, 8.557638

8 Christopher Hinterhuber und das New Zealand Symphony Orchestra waren das, heute zum Schluss der Musikstunde, mit dem „Larghetto“ aus dem Klavierkonzert Nr. 8 As-Dur op. 151 von Ferdinand Ries. Ihnen wünsche ich noch einen angenehmen Tag! „Tschüss!“ und – wenn Sie mögen – „Bis morgen!“ sagt: Wolfgang Scherer.

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