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FDIEAMILIE ZEITSCHRIFT FÜR FAUNDCHANWALT UND RECHT FAMILIENGERICHT

HERAUSGEBER AUS DEM INHALT Michael Klein Gerd Weinreich AUS DER PRAXIS Dieter Büte Prof. Dr. Wolfgang Burandt Wolfram Viefhues Dr. Klaus-Peter Horndasch Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht – Anwendungsfälle und (ungelöste) Probleme in der Praxis · S. 354 Dr. Norbert Kleffmann Jörg Kleinwegener Thomas Herr Bernd Kuckenburg Wer sich in Gefahr begibt, kommt nicht (mehr) darin um oder Renate Perleberg-Kölbel das (Ver)Handeln auf eigene Gefahr beim Abschluss von Ehe- Dr. Franz-Thomas Roßmann und Scheidungsfolgenverträgen · S. 362 Walter Schellhorn Andreas Herzog Peter Schwolow Heirat mit Hindernissen – Ansprüche bei missglückten Dr. Jürgen Soyka Hochzeitsfeierlichkeiten · S. 364 Dr. Wolfram Viefhues Michael O. Heuchemer Kardinalfehler der Rechtsprechung im Umgangsrecht · S. 368 BEIRAT Dr. Peter Finger Bewertung im Zugewinn Dr. Peter Gerhardt Bernd Kuckenburg Frank Götsche Bewertung von Finanzanlagen · S. 373 Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg Beate Jokisch RECHTSPRECHUNG Dr. Eberhard Jüdt Dr. Rainer Kemper BGH Scheidungsfolgenvereinbarung / Formbedürftigkeit / Gerichtlich Carsten Kleffmann festgestellter Vergleich · S. 379 Dr. Martin Menne BGH Ehevertag / Unternehmerehe / Sittenwidrigkeit / Antragserfordernis Dr. Vera Onstein in einer Unterhaltsfolgesache · S. 382 Heinrich Schürmann BGH Regressanspruch des Scheinvaters · S. 387 Prof. Dr. Kai Schulte-Bunert Dr. Alexander Schwonberg OLG Düsseldorf Konkreter Bedarf beim Kindesunterhalt / Kosten der Wolfgang Schwackenberg Kinderfrau · S. 398 Mathias Volker OLG Kostenverteilung im Vaterschaftsverfahren · S. 399 Hartmut Wick OLG München Isolierter Antrag zum Zugewinnausgleich während des Scheidungsverfahrens · S. 402

Heft 7 Juli 2017 Seiten 353 – 408

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08976_05-17_210x297_V2_4c.indd 1 03.02.17 08:53 FuR FAMILIE UND RECHT INHALT 7 ∙ 2017

FuR aktuell III BGH, Beschl. v. 29.03.2017 – XII ZB 567/16 Impressum V Rechtsmittel / Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand / Einlegung beim falschen Gericht / Wahrung Editorial der fristgemäßen Weiterleitung an das zuständige Gericht 381 Kinderehen – Wie schützen wir Kinder am besten? BGH, Beschl. v. 15.03.2017 – XII ZB 109/16 Peter Finger 353 Ehevertrag / Unternehmerehe / Sittenwidrigkeit / Antragserfordernis in einer Unterhaltsfolgesache 382 Aus der Praxis BGH, Beschl. v. 15.03.2017 – XII ZB 245/16 Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht – Auskunftspflicht über die persönlichen Verhältnisse Anwendungsfälle und (ungelöste) Probleme in eines Kindes / Vollstreckung durch Festsetzung eines der Praxis – Teil 1 Zwangsgeldes 385 Wolfram Viefhues 354 BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 391/16 Wer sich in Gefahr begibt, kommt nicht (mehr) Auskunftsverfahren über die persönlichen Verhält­ darin um oder das (Ver)Handeln auf eigene Ge- nisse eines Kindes / Bestellung eines Verfahrensbei­ fahr beim Abschluss von Ehe- und Scheidungs­ standes durch den Rechtspfleger / Zulässigkeit der folgenverträgen Rechtspflegererinnerung 386 Thomas Herr 362 BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 56/16 Heirat mit Hindernissen – Ansprüche bei miss- Regressanspruch des Scheinvaters / Verjährung 387 glückten Hochzeitsfeierlichkeiten BGH, Beschl. v. 29.03.2017 – XII ZB 51/16 Andreas Herzog 364 Betreuungssache / Erfordernis der Beschlusszu­ Kardinalfehler der Rechtsprechung im Umgangs- stellung an alle beschwerdeberechtigte Beteiligten recht – Rechtsfehler, Rechtsverletzungen und die gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG 389 (In-)Effizienz prozess- und materiell-rechtlicher BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 260/16 Korrekturmechanismen im Instanzenzug am Betreuung / Erfordernis der Betreuung für Aufgaben­ Beispiel der Eltern-Kind-Entfremdung kreise nach der Lebenssituation 389 Michael O. Heuchemer 368 BGH, Beschl. v. 08.03.2017 – XII ZB 516/16 Bewertung im Zugewinn Unterbringungssache / Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger / Notwendige Bekanntgabe Bewertung von Finanzanlagen an den Betroffenen persönlich 390 Bernd Kuckenburg 373 BGH, Beschl. v. 22.02.2017 – XII ZB 341/16 Unterbringungssache / Anhörung des Betroffenen / Buchbesprechung Anwesenheit des Verfahrenspflegers / Absehen der Bekanntgabe eines Gutachtens an den Betroffenen / Uricher (Hrsg.), Erbrecht – Testamentsgestaltung, Aufgabe des Verfahrenspflegers in diesem Fall 390 Vertragsgestaltung, Prozessführung Ernst Sarres 378 BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 358/16 Unterbringungsverfahren / Anhörung durch den Rechtsprechung beauftragten Richter / Anhörung im Wege der Rechtshilfe / Begründungserfordernis bei Unter­ Familienrecht bringungen für länger als ein Jahr 391 BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16 BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 460/16 Scheidungsfolgenvereinbarung / Formbedürftigkeit / Unterbringungssache / Beschwerderecht des Ver­ Gerichtlich festgestellter Vergleich 379 fahrenspflegers / Antragsbefugnis nach § 62 FamFG 393 BGH, Beschl. v. 29.03.2017 – XII ZB 576/16 BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 385/15 Rechtsmittel / Rechtsmittelbegründungsfrist / Ablauf / Versorgungsausgleich / Behandlung geringfügiger Unwirksame Verlängerung 380 Anrechte bei Tod eines Ehegatten 393

FuR 7 · 2017 I FuR FAMILIE UND RECHT

BGH, Beschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 510/16 OLG München, Beschl. v. 09.02.2017 – 12 WF 66/17 Betreuung / Betreuungsbedarf / Betreuerauswahl / Inhalt­ Isolierter Antrag zum Zugewinnausgleich während liche Anforderung an ein Sachverständigengutachten 394 des Scheidungsverfahrens 402 KG, Beschl. v. 02.02.2017 – 13 UF 163/16 Erbrecht Ferienumgang des Umgangsberechtigten in Thai­ land nach Widerruf einer zuvor erteilten Zustim­ BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 299/15 mung der Kindesmutter 396 FamFG / Rechtsbeschwerde / Staatskasse / Frist 403 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.02.2017 – 3 Wx 16/17 OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.10.2016 – 13 WF 226/16 Ehevertrag / Erbverzicht / Bedingung 405 Vollstreckung von Umgangsvergleichen 397 OLG München, Beschl. v. 24.04.2017 – 31 Wx 128/17 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.09.2016 – 13 WF 224/16 Ersatzerbfolge / Wegfall des Schlusserben / Kostenentscheidung bei verspäteter Auskunft 397 Ermittlung des gemeinsamen Willens 405 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.06.2016 – 1 UF 12/16 OLG München, Beschl. v. 24.04.2017 – 31 Wx 463/16 Konkreter Bedarf beim Kindesunterhalt / Kosten der Testamentsauslegung / Vor- und Nacherbe / Kinderfrau 398 Ersatznacherbfolge 407 OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.01.2017 – 1 WF 182/16 Kostenverteilung im Vaterschaftsverfahren 399 Vorschau auf die nächste Ausgabe: OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.07.2016 – 6 UF 98/16 ■■ Perleberg-Kölbel, Zugewinn und Nebengüterrecht Kindeswohlprüfung bei Umgangsrecht des leibli­ in der Insolvenz chen Vaters 399 ■■ Götsche, Kindschaftsrechtliche Angelegenheiten OLG Jena, Beschl. v. 13.01.2017 – 4 WF 702/16 von alltäglicher oder erheblicher Bedeutung Verfahrenswert im unterhaltsrechtlichen Stufenverfahren 401 ■■ Jokisch, Die Entwicklung zur elterlichen Sorge und OLG Köln, Beschl. v. 08.11.2016 – 26 UF 107/16 zum Umgangsrecht seit dem Jahre 2016 Strenge Anforderungen an die Verwirkung von ­titulierten Unterhaltsrückständen 402 und weitere

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sprechend anwendbar, weil diese unterhaltsrechtliche Be- Gesetzgebung ziehung nicht in gleichem Umfang Ausdruck einer besonde- ren Verantwortung des Verpflichteten für den Berechtigten „„Bundesrat stimmt Reform des Mutterschutzes zu ist, die derjenigen von Ehegatten vergleichbar ist. Der Mutterschutz gilt künftig auch für Schülerinnen, Stu- BGH, Beschl. v. 12.04.2017 – XII ZB 254/16; Jurion-Fund- dentinnen und Praktikantinnen. Das sieht eine umfassende stelle: JurionRS 2017, 13403 Novelle des Mutterschutzgesetzes vor, der der Bundesrat am 12.05.2017 zugestimmt hat. Es ist die erste Reform die- „„Entschädigung wegen überlanger Dauer eines ses Gesetzes seit 65 Jahren. familiengerichtlichen Ordnungsmittelverfahrens Mehr Flexibilität im Sinne der Mütter § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG begründet einen Entschädigungs- Ihr Ziel ist es, den Mutterschutz flexibler zu gestalten. So anspruch gegen den Staat wegen überlanger Dauer eines ge- können Studentinnen für verpflichtende Veranstaltungen, richtlichen Verfahrens. Liegt eine sachlich nicht gerechtfertigte Prüfungen oder Praktika beispielsweise Ausnahmen bean- Verfahrensverzögerung vor, entfällt die haftungsbegründende tragen, ohne deswegen Nachteile zu erleiden. Arbeitsver- Rechtsgutsverletzung – die unangemessene Verfahrensdauer bote gegen den Willen einer Frau sind künftig nicht mehr – selbst dann nicht, wenn die Klage oder der Rechtsbehelf möglich. Stattdessen sollen ihre Arbeitsplätze umgestaltet im Ausgangsverfahren von vorneherein erkennbar aussicht- werden, um Gesundheitsgefährdungen auszuschließen. los waren. Dem Umstand, dass das Rechtsschutzbegehren Auch die Möglichkeit für freiwillige Sonntagsarbeit wird des Betroffenen von Anfang an unbegründet war, kann, so- erweitert. Für Arbeitszeiten zwischen 20 und 22 Uhr gilt weit eine Entschädigung für immaterielle Nachteile geltend künftig ein behördliches Genehmigungsverfahren. gemacht wird, dadurch Rechnung getragen werden, dass Längere Schutzfristen bei Behinderung eine Geldentschädigung versagt und ggf. gem. § 198 Abs. 2 Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass die Schutzfrist für Satz 2, Abs. 4 Satz 1 GVG lediglich die Unangemessenheit der Frauen nach der Geburt eines behinderten Kindes um vier Wo- Verfahrensdauer festgestellt wird. Durch eine Anhörungsrüge chen verlängert wird und damit insgesamt 12 Wochen beträgt. oder eine Gegenvorstellung wird kein entschädigungsrecht- Änderungen wirken größtenteils Anfang 2018 lich isoliert zu betrachtendes Verfahren eingeleitet. Vielmehr Die neuen Regelungen treten überwiegend zum 01.01.2018 ist die Bearbeitungsdauer für diese Rechtsbehelfe dem Haupt- in Kraft. Die Verlängerung des Mutterschutzes auf 12 Wo- sacheverfahren hinzuzurechnen. chen bei der Geburt eines behinderten Kindes greift bereits BGH, Beschl. v. 13.04.2017 – III ZR 277/16; Jurion-Fund- am Tag nach der Verkündung. stelle: JurionRS 2017, 13427 Entschließung zur Evaluierung des Gesetzes Der Bundesrat begrüßt die Reform und insb. die damit vor- gesehene Ausweitung des Mutterschutzrechtes. Bedenken „„Geltungsbereich für Auskunftsverlangen über äußert er jedoch ggü. dem geplanten Genehmigungsverfah- Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung bei vor dem ren für Nachtarbeit. Damit sei ein erheblicher Mehraufwand 01.09.2009 geschiedenen Ehen für die Aufsichtsbehörden verbunden, heißt es in einer das Ist eine Ehe vor dem 01.09.2009 rechtskräftig geschieden Gesetz begleitenden Entschließung vom 12.05.2017. Die worden, sind die Vorschriften der §§ 1378 Abs. 2, 1384 BGB Länder fordern die Bundesregierung deshalb auf, i.R.d. Eva- in der seit dem 01.09.2009 geltenden Fassung, nach denen luation des Gesetzes die Effektivität des Genehmigungsver- im Falle der Ehescheidung für die Höhe der Ausgleichsfor- fahrens zu überprüfen. Auch die Auswirkungen der Rege- derung an die Stelle der Beendigung des Güterstands der lungen zum Verbot von Nacht- und Mehrarbeit sollten in Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags tritt den Blick genommen werden. und sich das für die Begrenzung der Ausgleichsforderung Quelle: Bundesrat; Plenum kompakt vom 12.05.2017 maßgebliche Vermögen des Ausgleichspflichtigen in Fällen der illoyalen Vermögensminderung um den dem Endver- mögen hinzuzurechnenden Betrag erhöht, nicht anwend- Rechtsprechung bar. Die Vorschrift des § 1379 Abs. 1 BGB a.F. ist auf vor dem 01.09.2009 abgeschlossene Sachverhalte, nämlich den „„Geschiedener Ehegatte schuldet seinem früheren durch rechtskräftige Scheidung beendeten Güterstand, wei- Ehegatten keinen Verfahrenskostenvorschuss ter anzuwenden. Das gilt unabhängig davon, ob ein Zuge- Nach Rechtskraft der Scheidung kann zwischen den ge- winnausgleichsverfahren am 01.09.2009 bereits anhängig schiedenen Ehegatten kein Anspruch auf Verfahrenskosten- war oder nicht. vorschuss mehr entstehen. Dem Ehegatten ist in § 1360a BGH, Beschl. v. 05.04.2017 – XII ZB 259/16; Jurion-Fund- Abs. 4 BGB ausdrücklich ein über den allgemeinen Lebens- stelle: JurionRS 2017, 13305 bedarf hinausgehender Anspruch auf Zahlung eines Verfah- renskostenvorschusses zugebilligt worden. Diese Regelung „„Halbierung des Barwerts der Versorgung zur ist indessen nach ihrem Wortlaut auf den Familienunterhalt Ermittlung des Ausgleichswert möglich – und durch die Bezugnahme in § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB Aus der Verpflichtung, nach § 5 VersAusglG den Ausgleichs- auf den Trennungsunterhalt – beschränkt. Für den nach- wert in einer bestimmten Bezugsgröße mitzuteilen, folgt kei- ehelichen Unterhalt ist § 1360a Abs. 4 BGB auch nicht ent- ne Verpflichtung des Versorgungsträgers, auch die Teilung

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des Anrechts i.S.d. §§ 10, 11 VersAusglG durch Teilung die- Grundlohn gewährten Zuschläge »für« Sonntags-, Feier- ser Bezugsgröße vorzunehmen. Bei der Wahl des bei der Tei- tags- und Nachtarbeit geleistet werden. Die Zahlung des lung maßgeblichen Rechenweges ist der Versorgungsträger Zuschlags muss folglich entsprechend zweckbestimmt er- in den Grenzen des § 11 Abs. 1 VersAusglG vielmehr grds. folgen. Zulagen für andere Erschwernisse sind nicht steuer- frei. Es ist daher gleichermaßen zulässig, den Kapitalwert zu frei. Die einem Polizeibeamten gezahlte Zulage für Dienst halbieren – auch mit der Folge verschieden hoher Anrechte zu wechselnden Zeiten nach § 17a EZulV ist daher nicht wegen unterschiedlicher Berechnungsgrundlagen. Mit der nach § 3b EStG steuerfrei. Denn die Zulagen für Dienst zu Halbierung des Barwerts der Versorgung zur Ermittlung des wechselnden Zeiten gem. §§ 17a ff. EZulV werden nicht für Ausgleichswerts wird zudem eine wertmäßige Entsprechung geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gewährt. i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG sichergestellt. BFH, Urt. v. 15.02.2017 – VI R 30/16; Jurion-Fundstelle: OLG Bremen, Beschl. v. 16.03.2017 – 5 UF 136/16; Jurion- JurionRS 2017, 12991 Fundstelle: JurionRS 2017, 13298 „„Monatliche Provisionszahlungen sind bei „„Keine Wertaddition bei gegenläufigen Anträgen Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen im Verfahren der elterlichen Sorge Bei der Bemessung der Höhe des Elterngeldanspruchs wer- Der Verfahrenswert nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG ist den Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach für jedes die Regelung der elterlichen Sorge betreffendes den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu Verfahren ein Festwert, der lediglich bei sich nach den be- behandeln sind, nicht berücksichtigt. Damit ist allein das sonderen Umständen des Einzelfalls ergebender Unbilligkeit Steuerrecht als Maßstab für die Bestimmung der Berech- erhöht oder herabgesetzt werden kann. Durch gegenläufige nungsgrundlage des Elterngeldes. Nicht zum Monatsgehalt Anträge im Bereich der elterlichen Sorge ist wie bei Anträ- zählen insb. Zahlungen innerhalb eines Kalenderjahres als gen zu unterschiedlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge viertel- oder halbjährliche Teilbeträge. Erhält eine Eltern- eine Änderung des Verfahrensgegenstandes im Hinblick auf geldberechtigte die Provisionszahlungen indes als monatli- den festzusetzenden Verfahrenswert nicht gegeben. che Teilbeträge und nicht nur im halb- oder vierteljährlichen OLG Bamberg, Beschl. v. 19.01.2017 – 2 WF 3/17; Jurion- Turnus, so sind die Provisionen als laufender Arbeitslohn bei Fundstelle: JurionRS 2017, 13389 der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen. SG Fulda, Urt. v. 09.02.2017 – S 4 EG 2/16; Jurion-Fundstelle: „„Mutwilligkeit bei Beantragung von Verfahrens­ JurionRS 2017, 13339 kostenhilfe in Sorgerechtsverfahren Es ist jedenfalls nicht grds. mutwillig, das FamG ohne vorhe- „„Hartz IV: Jobcenter streiten über Schulgeld für rige Inanspruchnahme des Jugendamtes anzurufen. Daraus Trennungskinder folgt aber nicht, dass die Anrufung des FamG bei unter- Das Schulgeld für Kinder von Langzeitarbeitslosen muss bliebener Inanspruchnahme des Jugendamtes unter keinen das Jobcenter zahlen, in dessen Bezirk die Schüler ihren Umständen mutwillig sein kann. In Kindschaftsverfahren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies gilt auch dann, wenn gibt es durchaus Fallkonstellationen, in denen die soforti- sie sich zum Stichtag am Beginn des Schulhalbjahres bei ge Anrufung des FamG ohne vorherige außergerichtliche dem umgangsberechtigten Elternteil im Zuständigkeitsbe- Bemühungen (insb. über das Jugendamt) als mutwillig an- reich eines anderen Jobcenters aufhalten. Dies hat das SG gesehen werden kann. Hierbei ist insb. zu beachten, dass Dortmund im Falle von zwei Schülern entschieden, die bei durch die vorherige Einschaltung des Jugendamtes eine ihrer Mutter in Iserlohn leben. Mehrmals im Monat halten Vermittlung zwischen den Eltern bereits auf einer deutlich sie sich bei ihrem Vater in Hagen auf. Als sie dies auch an niedrigeren Eskalationsstufe erfolgen und unter Umständen einem 1. Februar taten, weigerten sich die Jobcenter Mär- sogar einer Beschleunigung dienen kann. Je nach Personal- kischer Kreis und Hagen, Leistungen zur Ausstattung mit situation gibt es Jugendämter, deren Fachkräfte besonders persönlichem Schulbedarf (»Schulgeld«) für das folgende kompetent sind, Streitigkeiten zwischen Eltern in verhältnis- Schulhalbjahr zu erbringen, weil sie sich jeweils nicht für mäßig kurzer Zeit einer vernünftigen Lösung zuzuführen. zuständig hielten. Auf die Klage der Schüler verurteilte das Auch wenn keine Pflicht zur außergerichtlichen Einigung SG das Jobcenter Märkischer Kreis, das Schulgeld zu zah- besteht, so kann doch die tatsächliche Einigungsbereit- len. Zwar sei während des Aufenthalts von Minderjährigen schaft eines Elternteiles zur Annahme der Mutwilligkeit des beim Umgangsberechtigten für teilbare Geldleistungen zur Verfahrenskostenhilfegesuchs aus anderen Gründen führen. Bestreitung des Lebensunterhalts das Jobcenter zuständig, OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.03.2017 – 2 WF 164/16; Jurion- in dessen Bezirk der Umgangsberechtigte seinen gewöhn- Fundstelle: JurionRS 2017, 13344 lichen Aufenthalt habe (»temporäre Bedarfsgemeinschaft«). Dies gelte jedoch nicht für das einmalig im Schulhalbjahr „„Keine Steuerfreiheit von Lohnzuschlägen für geleistete Schulgeld von 30 bzw. 70 €, das nicht tageweise Dienst zu wechselnden Zeiten teilbar sei. Es sei wenig naheliegend, dass der umgangsbe- Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich rechtigte Elternteil, wenn sich das Kind am Stichtag bei ihm geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben aufhalte, auch tatsächlich derjenige sei, der für das kom- dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie be- mende Schulhalbjahr sämtlichen Schulbedarf anschaffe. stimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Die SG Dortmund, Urt. v. 16.05.2017 – S 19 AS 2534/15; Jurion- Steuerbefreiung tritt allerdings nur ein, wenn die neben dem Fundstelle: JurionRS 2017, 359711

IV FuR 7 · 2017 FuR Heft 7/2017 · 28. Jahrgang · Seiten 353 – 408 FAMILIE UND RECHT

Editorial

Kinderehen

– Wie schützen wir Kinder am besten? Dr. M., ist mit A., ihrem Mann, volljährig, beide syrische Staatsangehörige, über die Balkanroute vor den Kriegsereignissen geflohen. Geboren ist sie am 01.01.1994. In Syrien haben beide geheiratet als M. 14 Jahre alt war. Bei uns kann für sie ein Vormund bestellt werden, dessen Aufgabenkreis sich nach §§ 1800 und 1633 BGB bestimmt. Heirat macht eben nicht frei. So wird sie vom Jugendamt in Obhut genommen. Ihren Mann darf sie nur zeitlich begrenzt sehen. Diese Anordnungen hebt das OLG Bamberg auf (NZFam 2016, 807; Rechtsbeschwerde zum BGH, Az.: XII ZB 292/16). Die Ehe sei in Syrien formwirksam geschlossen. Sachliche Voraussetzungen für sie seien nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB für jeden Verlobten gesondert zu beurteilen. Syrisches Recht lasse die Eheschließung aber für M. zu (Andrae NZFam 2016, 922. Art. 6 EGBGB) – deutsche ordre public stehe nicht entgegen. Jedenfalls müsse M. »geschützt« werden. Diesen Schutz könne sie nur über ihre Ehe erhalten. Peter Finger Zu OLG Bamberg liegen inzwischen einige fachliche Stellungnahmen vor (Andrae NZFam 2016, 923; Antomo NZFam 2016, 1155 und dies. NJW 2016, 3558); über ein besonderes Projekt berich­ tet Yassari in NJW-aktuell 2016 (Heft 33), 19; Coester für die Kinderrechtekommission des DFGT, FamRZ 2017, 77, zuletzt der Fachausschuss des Dt. Anwaltvereins, Stand Feb. 2017. Durchgängig wenden sie sich entschieden gegen die geplante Neufassung die (vor allem) für Art. 13 EGBGB als Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorliegt (Stand Feb. 2017). Danach soll ■ eine Ehe, die für die Ehemündigkeit eines Verlobten nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB ausländischem Recht unterliegt, aufhebbar sein, wenn dieser zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht voll­ jährig war, aber das 16. Lebensjahr vollendet hatte, allerdings mit besonderen Überleitungsvor­ schriften, ■ aber unwirksam, wenn er jünger war, etwa (nur) 14.

Jugendliche in diesem Alter könnten die vermögensrechtlichen Folgen ihrer Heirat häufig nicht über­ sehen. Häufig bedeute die frühe Eheschließung den Abbruch einer Schul- oder Berufsausbildung. Ohnehin übten oft andere erheblichen Druck aus. Deshalb sollten ihre Verbindungen keine weiteren Rechtswirkungen haben (S. 16 des Entwurfs). Tatsächlich ist aber nahezu das Gegenteil richtig: ■ Art. 6 Abs. 1 GG schützt Ehe und Familie in besonderer Form. Diesen Schutz versagen wir, wenn die Ehe einer Vierzehnjährigen, die nach Heimatrecht heiraten kann, für uns folgenlos bleibt. ■ Gerade die junge Frau, die wir schützen wollen, wird durch den Entwurf eben um den Schutz gebracht, den sie braucht und der sich gerade aus ihrer Ehe ergibt, für Unterhalt, Versorgungs­ ausgleich und vermögensrechtliche Beteiligung. Im Übrigen muss sie nicht immer schon mit 14 Jahren zu uns gekommen und nun noch minderjährig sein. ■ Denn ihre Ehe bleibt selbst dann unwirksam, wenn sie längere Zeit mit ihrem Mann zusammen­ gelebt hat und dann nach Deutschland übergesiedelt ist. Heilung ist nicht vorgesehen. Renten-, Unterhalts- und Erbansprüche gehen ihr so dann zwangsläufig verloren, was verfassungsrechtlich äußerst bedenklich ist (so Coester FamRZ 2017, 77 (79)). ■ Selbst die Aufhebbarkeit von Ehen von Minderjährigen, dazu § 1316 Abs. 3 BGB in der Fas­ sung des Entwurfs, führt zu merkwürdigen Brüchen, gerade in Europa, auch wenn dabei die Bestätigung nach Volljährigkeit möglich bleiben soll. In Portugal, Schottland und Malta ist das Mindestalter bei der Heirat 16 Jahre, Frankreich, Italien, Spanien und Luxemburg kennen einen richterlichen Dispens, Spanien und die Russ. Föderation die Mündigkeitserklärung.

Letztlich ist der Entwurf doch wohl eher vom bevorstehenden Wahlkampf geprägt und so jedenfalls zu großen Teilen unüberlegt, uneinsichtig, mit teils fatalen Folgen ausgestattet, verfassungsrechtlich kaum haltbar und daher schon im Ansatz verfehlt. Auf die Heimatländer der Geflüchteten – vielleicht ist das beabsichtigt? – werden wir so jedenfalls keinen Druck ausüben. Das Gesetz ist inzwischen in der Nacht vom 01. auf den 02. Juni 2017 vom Bundestag verabschiedet worden. Ihr Dr. Peter Finger

FuR 7 · 2017 353 Aus der Praxis

Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht – Anwendungsfälle und (ungelöste) Probleme in der Praxis – Teil 1 Von Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht führender Richter am Amtsgericht a.D., Gelsenkirchen

Die anteilige Haftung mehrerer Personen gegenüber einem des anderen Elternteils angeordnet werden kann.8 Eine ge- Unterhaltsberechtigten ist in der familienrechtlichen Praxis richtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleich- keine Seltenheit. In dem Beitrag sollen verschiedene Anwen- mäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne dungsfälle der anteiligen Haftung und z.T. noch ungelöste eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz Probleme dieser unterhaltsrechtlichen Konstellation näher nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmo- beleuchtet werden. dells durch einen Elternteil hindert eine solche gerichtliche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender A. Wann greift anteilige Haftung? Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzel- Anteilige Haftung kann vor allem in folgenden Fallgestaltun- fall festzustellende Kindeswohl.9 gen auftreten:  Beim Volljährigenunterhalt. 2. Unterhaltsbedarf des Kindes  Im Fall des Wechselmodells beim Minderjährigenunter- Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach den halt. beiderseitigen zusammengerechneten Einkünften der Eltern  Bei der Haftung mehrerer Geschwister für Elternunter- und umfasst neben dem sich daraus ergebenden Regelbedarf halt. insbesondere die nach den Umständen angemessenen Mehr- I. Volljährigenunterhalt kosten, die durch die Aufteilung der Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells entstehen.10 Hierzu können neben den Für den Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes sind beide Fahrtkosten insbesondere erhöhte Unterkunftskosten gehö- Elternteile zum Barunterhalt verpflichtet (sog. beiderseitige ren, weil der im Tabellenbetrag enthaltene – und in einigen Barunterhaltspflicht).1 Denn ein Betreuungsbedarf kommt unterhaltsrechtlichen Leitlinien (z.B. Ziff. 21.5.2. der Süd- für das nunmehr volljährig gewordene Kind kraft Gesetzes deutschen Leitlinien) mit 20 % des Barunterhaltsanspruchs nicht mehr in Betracht; an seine Stelle ist ein erhöhter Barun- angesetzte – Anteil für die Deckung des Wohnbedarfs des terhaltsbedarf getreten. Der Elementarunterhalt bemisst sich Kindes möglicherweise nicht auskömmlich ist, um die Kosten nun nicht mehr grundsätzlich allein nach dem Einkommen für die Vorhaltung von zwei eingerichteten Kinderzimmern des früher allein barunterhaltspflichtigen Antragsgegners, son- in den Wohnungen11 der beiden Elternteile vollständig abzu- dern nach den zusammengerechneten Einkünften beider bilden.12 Daher liegt der von den Eltern zu tragende Bedarf Elternteile, die anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögens- regelmäßig deutlich höher als beim herkömmlichen Resi- verhältnissen für den Unterhalt des volljährigen Antragstellers denzmodell.13 aufzukommen haben (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).2 Dies gilt auch für privilegierte Volljährige nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB.3 In den Durchschnittsfällen richtet sich die anteilige Barunterhaltspflicht beider auf Kindesbarunterhalt haftender 1 Zur Berechnung s.u. Elternteile allein nach deren Einkommens- und nicht zusätz- 2 BGH, Beschl. v. 07.12.2016 – XII ZB 422/15, FuR 2017, 199 = FamRZ lich auch nach deren Vermögensverhältnissen.4 2017, 317 m. Anm. Knittel. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.06.2016 – 13 WF 565/16, NZFam 2017, 118. Zum schlüssigen Antrag gegen einen Elternteil gehört daher 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.06.2016 – 13 WF 565/16, NZFam 2017, 118. 5 BGH, Beschl. v. 07.12.2016 – XII ZB 422/15, FuR 2017, 199 = FamRZ auch die Darlegung, welcher Haftungsanteil auf diesen in An- 2017, 317 m. Anm. Knittel; KG, Beschl. v. 13.07.2015 – 25 UF 57/15, spruch genommenen Elternteil entfällt.5 Dazu sind konkrete FamRZ 2016, 379; OLG Bremen, Beschl. v. 29.06.2011 – 4 WF 51/11, Darlegungen zur Einkommenssituation des anderen Eltern- NJW 2011, 2596. teils erforderlich. Die Anteile der Eltern sind dabei unter Vor- 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.06.2016 – 13 WF 565/16, NZFam 2017, 118 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 12.01.2011 – XII ZR 83/08, FamRZ 2011, wegabzug des sogenannten angemessenen Selbstbehalts zu 454 = FuR 2011, 295. ermitteln.6 7 BGH, Beschl. v. 12.03.2014 – XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917 = FuR 2017, 419; OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.04.2013 – 2 UF 394/12, FamRZ Das Kindergeld wird bei volljährigen Kindern in voller Höhe 2014, 46. auf den Bedarf angerechnet (§ 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB). 8 BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532 = FuR 2017, 253; dazu die Stellungnahme des Vorstands des Deutschen Familien- Details der Berechnung siehe unten Teil C auf S. 358 ff. gerichtstags in FamRZ 2017, 584. 9 BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532 = FuR II. Wechselmodell beim Minderjährigenunterhalt 2017, 253. In der Praxis gibt es Fallgestaltungen, in denen beide Eltern- 10 BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 = FuR 2017, 208; BGH, Beschl. v. 20.04.2016 – XII ZB 45/15, FuR 2016, teile in völlig oder annähernd gleichem Umfang die Betreu- 465 = FamRZ 2016, 1053 mit Anm. Seiler; BGH, Beschl. v. 05.11.2014 – ung der Kinder übernehmen, die sich dann abwechselnd für XII ZB 599/13, FuR 2015, 164 = FamRZ 2015, 536 Rn. 18 und einen bestimmten Zeitraum beim Vater und für einen glei- Beschl. v. 12.03.2014 – XII ZB 234/13, FuR 2014, 419 = FamRZ 2014, chen Zeitraum bei der Mutter aufhalten.7 917 Rn. 29. 11 Zu den Wohnkosten s. BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, 1. Möglichkeit des Wechselmodels FamRZ 2017, 437 = FuR 2017, 208. 12 Vgl. Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen 4th Issue Der BGH geht jetzt – gegen die bisher h.M. – davon aus, dass Praxis, 9. Aufl., § 2 Rn. 449. durch gerichtliche Umgangsregelung auch gegen den Willen 13 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.05.2015 – 7 UF 10/15, FamRZ 2016, 142.

354 FuR 7 · 2017 Viefhues · Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht Aus der Praxis

3. Anteilige Haftung Berechnungsbeispiele für den direkten Ausgleich des Bei einem echten Wechselmodell haften wegen der pa- Kindergeldes: ritätischen Betreuung des Kindes folglich beide Eltern für dessen Barunterhalt. Denn die Vorschrift des § 1606 Kindergeldverteilung nach Maßgabe der Einkommens- Abs. 3 Satz 2 BGB passt nicht auf die Fallgestaltung des verhältnisse 14 echten Wechselmodells und ist daher nicht anwendbar. bereinigtes Net- Daher wird bei einem echten Wechselmodell kein Eltern- toeinkommen 2.400,00 € 3.400,00 € 2.600,00 € teil durch die von ihm geleistete Betreuung vom Barun- des Vaters terhalt für das Kind befreit. Denn anderenfalls wären bei- bereinigtes Net- de Elternteile vom Barunterhalt befreit, obwohl nur der toeinkommen 1.350,00 € 1.500,00 € 2.300,00 € Betreuungsbedarf des Kindes gedeckt wäre. Demgegen- über bliebe der in § 1612a Abs. 1 BGB und den Sätzen der Mutter der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesene sächliche (Regel-) Summe 3.750,00 € 4.900,00 € 4.900,00 € Bedarf­ offen.15 Berechnung der Haftungsverteilung zwischen den Für den ermittelten Bedarf (Regelbedarf und etwaiger Mehr- Eltern: bedarf) haben die Eltern folglich anteilig aufzukommen, bereinigtes Net- wobei auf den Verteilungsmaßstab der Einkommens- und toeinkommen 2.400,00 € 3.400,00 € 2.600,00 € Vermögensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zurück- des Vaters zugreifen ist. abzgl. angemes- 4. Konkrete Berechnung der anteiligen Haftung sener Selbst- -1.300,00 € -1.300,00 € -1.300,00 € Die Anteile der Eltern sind dabei unter Vorwegabzug des behalt sogenannten angemessenen Selbstbehalts 16 anzurechnen zu ermitteln. 1.100,00 € 2.100,00 € 1.300,00 € Es ist nicht nur der notwendige Selbstbehalt abzuziehen.17 beim Vater Dies wäre nur bei Eingreifen der gesteigerten Unterhalts- pflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB gerechtfertigt. Ein solcher bereinigtes Net- Fall liegt aber nicht vor, soweit der Bedarf der Kinder von toeinkommen 1.350,00 € 1.500,00 € 2.300,00 € den beiderseitig barunterhaltspflichtigen Eltern aufgebracht der Mutter werden kann, ohne dass deren angemessener Selbstbehalt abzgl. angemes- berührt wird. sener Selbst- -1.300,00 € -1.300,00 € -1.300,00 € behalt 5. Praktische Abwicklung anzurechnen bei Weil zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass die Eltern beim 50,00 € 200,00 € 1.000,00 € Wechselmodell einen Teil des Unterhalts in Natur decken,18 der Mutter findet ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich zwischen den El- tern typischerweise nur in Form einer den Tabellenunterhalt Haftungsanteil des 19 95,65 % 91,30 % 56,52 % nicht erreichenden Ausgleichszahlung statt. Vaters in %

6. Ausgleich des Kindergeldes Grundsätzlich wird die Hälfte des Kindergeldes bedarfsmin- 14 BGH, Beschl. v. 05.11.2014 – XII ZB 599/13, FamRZ 2015, 536 = FuR dernd bei der Berechnung des Barunterhalts berücksichtigt.20 2015, 164; BGH, Beschl. v. 20.04.2016 – XII ZB 45/15, FuR 2016, 465 = FamRZ 2016, 1053 m. Anm. Seiler. Diese auf den Barunterhalt entfallende Hälfte des Kinder- 15 BGH, Beschl. v. 05.11.2014 – XII ZB 599/13, FamRZ 2015, 536 = FuR geldes ist nach dem Maßstab der elterlichen Einkommens- 2015, 164; BGH, Beschl. v. 20.04.2016 – XII ZB 45/15, FuR 2016, verhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zu verteilen. Die 465 = FamRZ 2016, 1053 m. Anm. Seiler. andere Hälfte des Kindergeldes soll den Betreuungsauf- 16 BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 = FuR 2017, 208. wand ausgleichen und wird daher beim Wechselmodell auf 17 Eine Übersicht über die Verfahrensweisen der Oberlandesgerichte gibt beide Eltern, die ja die Betreuung in gleichem Umfang leis- Horndasch in FuR 2016, 632 ff. ten, hälftig verteilt. 18 BGH, Beschl. v. 20.04.2016 – XII ZB 45/15, FuR 2016, 465 = FamRZ 2016, 1053 m. Anm. Seiler; vgl. BGH, Beschl. v. 12.03.2014 – XII ZB 234/13, Dies kann zur Vereinfachung auch in Form der Verrechnung FuR 2014, 419 = FamRZ 2014, 917 Rn. 29 und BGH, Urt. v. 21.12.2005 – XII ZR 126/03, FamRZ 2006, 1015, 1017 = FuR 2006, 420. der beiderseitigen Leistungen verwirklicht werden, die zu 19 Vgl. Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen dem Zweck erfolgt, dass ein Elternteil nur noch die nach Praxis, 9. Aufl., § 2 Rn. 449. Abzug der Hälfte des auf die Betreuung entfallenden Kin- 20 BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 = FuR dergeldanteils verbleibende Unterhaltsspitze zu zahlen hat.21 2017, 208; BGH, Beschl. v. 20.04.2016 – XII ZB 45/15, FuR 2016, 465 = NJW 2016, 2122 m. Anm. Reinken = FamRZ 2016, 1220 m. Anm. Es ist aber auch ein isolierter Ausgleich im Rahmen des fa- Maurer; BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 22 milienrechtlichen Ausgleichsanspruchs möglich. Dieser fa- 437 = FuR 2017, 208. milienrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt der Schranke 21 BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 = FuR des § 1613 Abs. 1 BGB.23 Rückwirkend kann der andere 2017, 208. 22 BGH, Beschl. v. 20.04.2016 – XII ZB 45/15, FuR 2016, 465 = FamRZ Elternteil daher nur auf Zahlung in Anspruch genommen 2016, 1053 m. Anm. Seiler. werden, wenn er vorher gem. § 1613 BGB ordnungsgemäß 23 So schon BGH, Beschl. v. 17.04.2013 – XII ZB 329/12, FamRZ aufgefordert worden ist. 2013, 1027.

FuR 7 · 2017 355 Aus der Praxis Viefhues · Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht

Haftungsanteil der (im Anschluss an BSG v. 25.04.2013 – B 8 SO 21/11 R, 4,35 % 8,70 % 43,48 % Mutter in % FamRZ 2014, 385). c) Erhält der Unterhaltsberechtigte aus diesem Grund nachran- Kindergeld 192,00 € 192,00 € 192,00 € gige Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 19 Abs. 2 Satz 2, 27 ff. SGB XII) und haften mehrere unterhaltspflichtige Kinder Anteil entfallend auf gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig für den Eltern- den Betreuungsunter- 96,00 € 96,00 € 96,00 € unterhalt, stellt der gesetzliche Übergang des Unterhaltsan- halt spruchs auf den Sozialhilfeträger für ein privilegiertes Kind Verteilung des Anteils mit einem unter 100.000 € liegenden steuerlichen Gesamt- Betreuungsunterhalt einkommen eine unbillige Härte i.S.v. § 94 Abs. 3 Satz 1 Vater 48,00 € 48,00 € 48,00 € Nr. 2 SGB XII dar, wenn und soweit dieses Kind den unter- Mutter 48,00 € 48,00 € 48,00 € haltsberechtigten Elternteil nur wegen des Vorhandenseins nicht privilegierter Geschwister nicht auf die bedarfsdeckende Anteil entfallend auf Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen verwei- 96,00 € 96,00 € 96,00 € den Barunterhalt sen kann. Verteilung des Anteils d) In diesem Fall kann das privilegierte Kind der Geltendmachung Barunterhalt des Unterhaltsanspruchs durch den unterhaltsberechtigten Vater 91,83 € 87,65 € 54,26 € ­Elternteil den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten, und zwar sowohl wegen vergan- Mutter 4,17 € 8,35 € 41,74 € gener als auch wegen zukünftiger Unterhaltszeiträume.« Gesamt Kindergeldanteil Es muss dabei unterschieden werden zwischen dem Teil Vater 139,83 € 135,65 € 102,26 € des Unterhaltsbedarfs, den die Grundsicherung abdecken Mutter 52,17 € 56,35 € 89,74 € kann, und dem Teil, der nicht abgedeckt wird. Die Entscheidung behandelt vornehmlich den abgedeckten III. Haftung mehrerer Geschwister für Eltern­ Bereich. Für diesen gilt: unterhalt  Der weniger verdienende Sohn wird nicht herangezogen, 1. Anteilige Haftung  der gut verdienende Sohn wird nur mit dem Anteil heran- Mehrere Kinder haften gem. § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB als gezogen, der sich gleichermaßen bei fiktiver Berücksichti- Teilschuldner nach Maßgabe ihrer Erwerbs- und Vermögens- gung des Anteils des weniger verdienenden Sohnes ergibt. verhältnisse auf Elternunterhalt.24 Wird ein Kind in Anspruch genommen, gehört daher zur schlüssigen Darlegung des An- Für den Bedarfsbereich, der über die Grundsicherung (und spruchs auch die Begründung der Haftungsquote. Demnach eventuelle weitergehende Einkünfte der Unterhaltsberechtig- sind im Verfahren auch Angaben zu den finanziellen Verhält- ten) hinausgeht, werden wieder beide Kinder anteilig her- nissen der übrigen Kinder (Geschwister) erforderlich. angezogen. Hier findet dann wieder der Übergang auf den Träger von Sozialhilfeleistungen statt, denn in diesem Bereich Geschwister sind deshalb auch untereinander zur Auskunft 25 werden beide Kinder vom Gesetz her grundsätzlich wieder verpflichtet. Es besteht auch ein Auskunftsanspruch hin- gleich behandelt.28 sichtlich der Einkommensverhältnisse des jeweiligen Ehegat- ten,26 da auch dessen Einkünfte über den Familienunterhalt IV. Anteilige Haftung auch beim Minderjährigen­ von Bedeutung sein können. unterhalt? Einen neuen Anwendungsfall liefert der BGH mit seiner Ent- 2. Übergegangene Ansprüche (§ 94 Abs. 3 Satz 1 29 Nr. 2 SGB XII) scheidung vom 15.02.2017, die sich mit der Haftung einer Die anteilige Haftung aller Kinder kann auch als Grund für auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Tochter be- die Einschränkung des Anspruchsübergangs auf den So- fasst, die ein minderjähriges Kind betreut. zialhilfeträger (§ 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII) von Be- Danach bemisst sich beim Verwandtenunterhalt der Unter- deutung sein: haltsbedarf gem. § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstel- BGH, Beschl. v. 08.07.2015 – XII ZB 56/14:27 lung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Bei min- »a) Für den Unterhaltsberechtigten besteht grundsätzlich die derjährigen Kindern, die noch im Haushalt (mindestens) Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Leistungen eines Elternteils leben, handelt es sich dabei um eine ab- der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geleitete Lebensstellung. Sie leitet sich grundsätzlich von (§§ 41 ff. SGB XII); eine Verletzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der 24 Vgl. BGH FamRZ 2004, 186. entgangenen Leistungen führen. 25 BGH FamRZ 2003, 1836. 26 Siehe BGH, Urt. v. 02.06.2010 – XII ZR 124/08, NJW 2011, 226 = FuR b) Die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im 2011, 81 und OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2010 – II-5 WF 157/10, Alter und bei Erwerbsminderung ist gemäß § 43 Abs. 3 Satz 6 FamRZ 2011, 1302. SGB XII schon dann insgesamt ausgeschlossen, wenn bei 27 BGH FamRZ 2015, 1467 = FuR 2015, 608; zum Problemfall s.a. Wefers einer Mehrzahl von unterhaltspflichtigen Kindern des Leis- FamRB 2014, 222. 28 Stein NZFam 2015, 886. tungsberechtigten nur eines der Kinder über steuerliche 29 BGH, Beschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 201/16, FuR 2017, 325 = NZFam Gesamteinkünfte i.H.v. 100.000 € oder mehr verfügt 2017, 312.

356 FuR 7 · 2017 Viefhues · Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht Aus der Praxis

beiden Elternteilen ab, so dass bei der Bedarfsbemessung Berechnungsweise nach BGH v. 25.02.2017: auf die zusammengerechneten Einkünfte beider Eltern ab- zustellen ist.30 Insoweit besteht beim minderjährigen Kind Zusammengerechnetes Einkommen beider 4.600,00 € auch kein Unterschied zu einem abgeleiteten Barunterhalt- Eltern sanspruch eines volljährigen Kindes, der sich ebenfalls nach Bedarf aus zusammengerechnetem 700,00 € den zusammengerechneten Einkünften beider Elternteile Einkommen bemisst.31 abzgl. Kindergeld zu 1/2 -96,00 € Auf diesen Unterhaltsbedarf des Kindes ist gem. § 1612b Restbedarf 604,00 € Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BGB beim minderjährigen Kind gedeckt durch Zahl-Elternteil -433,00 € das hälftige Kindergeld anzurechnen. Denn nach der gesetz- verbleiben als Naturalunterhaltsanteil lichen Regelung in § 1612b Abs. 1 Satz 1 BGB entlastet das 171,00 € des betreuenden Elternteils Kindergeld die Eltern minderjähriger Kinder zur Hälfte von ihrer Barunterhaltspflicht und steht zur anderen Hälfte dem Der Ehegattenunterhalt errechnet sich danach wie folgt: betreuenden Elternteil (im Wechselmodell den betreuenden Elternteilen) zu.32 Barunterhalts­ Betreuender pflichtiger Ehegatte Ehegatte Der danach verbleibende Unterhaltsbedarf des minderjäh- rigen Kindes wird grundsätzlich überwiegend durch den Einkommen 2.600,00 € 2.000,00 € Kindesunterhalt des barunterhaltspflichtigen Elternteils ge- Abzgl. Kindesunterhalt -433,00 € -171,00 € Anzurechnendes Rest- deckt. Auf der Ebene der Leistungsfähigkeit ist allerdings 2.167,00 € 1.829,00 € dessen Unterhaltspflicht auf den Betrag begrenzt, den der einkommen Unterhaltspflichtige bei alleiniger Unterhaltshaftung auf der Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte, wobei auch Die Differenz der beiderseitigen Einkommen erhöht sich auf dessen Barunterhaltspflicht um das bei minderjährigen Kin- 338,00 € (statt 167,00 €), der Unterhalt nach der 3/7-Quote­ dern auf den Barunterhalt entfallende hälftige Kindergeld auf 144,86 € (statt 71,57 €). Das bedeutet im Fallbeispiel gemindert wäre. eine Erhöhung um 73,29 €. Geht es um die Leistungsfähigkeit des kindesbetreuenden Da der BGH auch die einem Elternteil anrechenbaren fik- Elternteils für den Elternunterhalt, zieht der BGH von des- tiven Einkünfte als bestimmend für den Bedarf des Kindes sen Erwerbseinkünften der Barunterhaltsbedarf ihres Kindes ansieht,34 wäre eine solche Berechnung auch vorzunehmen, nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des wenn der unterhaltsberechtigte kindesbetreuende Ehegatte hälftigen Kindergelds und abzüglich des vom Kindesvater zwar keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, dazu aber unterhalts- geleisteten Barunterhalts abzusetzen. Denn in dieser Höhe rechtlich verpflichtet wäre (Einzelheiten zur Berücksichti- leistet dieser Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt rest- gung fiktiver Einkünfte bei anteiliger Haftung siehe in Teil 2 lichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. in der kommenden Ausgabe der FuR). Diese beim Elternunterhalt entwickelten Überlegungen sind B. Berechnungsgrundsätze bei anteiliger Haftung aber auch auf den in der Praxis wesentlich häufigeren Fall Bei anteiliger Barunterhaltspflicht beider Eltern haften diese des Ehegattenunterhalts anzuwenden.33 Dadurch ergeben als gleichnahe Verwandte gleichrangig, jedoch nicht als Ge- sich bei berufstätigen, kinderbetreuenden Ehegatten regel- samtschuldner. Vielmehr sind sie Teilschuldner und haften mäßig erhebliche Auswirkungen. Denn dann sind bei einem nur für den auf sie entfallenden Teil des Unterhalts. Unterhaltsanspruch eines erwerbstätigen Ehegatten, der ein Berechnung dieses Anteils Kind betreut, durchweg Abzüge von seinem anrechenbaren Bei der ist – am Beispiel eines Einkommen vorzunehmen. Dadurch verändert sich die Be- volljährigen Kindes detailliert erläutert – wie folgt vorzu­ rechnung des Ehegattenunterhalts erheblich. gehen:  Bei Studierenden, die nicht im Haushalt der Eltern oder Bisherige Berechnungsweise: eines Elternteils wohnen, ist ein fester Bedarfssatz in der Düsseldorfer Tabelle vorgesehen (derzeit 735 €), der auch Einkommen des barunterhaltspflichtigen 2.600,00 € Elternteils 30 BGH, Beschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 201/16, FuR 2017, 325 = NZFam Kindesunterhalt (K = 13 Jahre alt) 529,00 € 2017, 312; BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FuR 2017, abzgl. Kindergeld zu 1/2 -96,00 € 208 = FamRZ 2017, 437 Rn. 25 und BGH, Urt. v. 17.12.2003 – XII ZR 224/00, FamRZ 2004, 370, 373 = FuR 2004, 419. Zu zahlen sind 433,00 € 31 BGH, Beschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 201/16, FuR 2017, 325 = NZFam Anzurechnendes Resteinkommen des 2017, 312; BGH, Urt. v. 02.03.1994 – XII ZR 215/92, FamRZ 1994, 696, 2.167,00 € 698 = FuR 1994, 173 (red. LS m. Anm.). ­barunterhaltspflichtigen Elternteils 32 BGH, Beschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 201/16, FuR 2017, 325; BGH, Einkommen des betreuenden Elternteils 2.000,00 € Beschl. v. 11.11.2017 – XII ZB 565/15, FuR 2017, 208 = FamRZ 2017, 437 Rn. 47 ff. und Beschl. v. 20.04.2016 – XII ZB 45/15, FamRZ 2016, Einkommensdifferenz der Eltern 167,00 € 1053 Rn. 23 ff. Ehegattenunterhalt des betreuenden Eltern- 33 Vgl. Hauß FamRB 2017, 168. 71,57 € teils (3/7 der Differenz) 34 BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 = FuR 2017, 208.

FuR 7 · 2017 357 Aus der Praxis Viefhues · Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht

einen Anteil für Wohnkosten enthält. Dieser Bedarfssatz Bei einem Einkommen von 2.700 € beträgt die Unterhalts- kann auch für ein Kind mit eigenem Hausstand einge- verpflichtung nach der Düsseldorfer Tabelle (Einkommens- setzt werden. bereich 2.301 € bis 2.700 €) für ein volljähriges Kind 607 €.  Ansonsten ist der Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes Nach Abzug des vollen Kindergeldes von 192 € verbleibt eine nach dem zusammengerechneten bereinigten Einkom- Verpflichtung von 415 €. Allein in Höhe dieses reduzierten men beider Eltern festzustellen. Vorrangige Unterhalts- Betrags ist der Elternteil zur Zahlung verpflichtet. pflichten35 und anzuerkennende Schulden sind abzuziehen.  Auf diesen Bedarf des volljährigen Kindes ist eigenes berei- Nimmt man eine Höherstufung in die nächste Stufe der Düs- nigtes Einkommen des Kindes bedarfsmindernd voll an- seldorfer Tabelle (Einkommensbereich 2.701 € bis 3.100 €) zurechnen. Dies gilt auch für eine Ausbildungsvergütung36 vor, beträgt die Unterhaltsverpflichtung 633 € und nach Ab- und BAFöG-Leistungen.37 Solange ein solcher Antrag des zug des Kindergeldes verbleiben 441 €. Kindes auf BAföG-Leistungen nicht von vornherein aus- II. Berechnung bei einem volljährigen Kind, das noch sichtslos ist, muss dieser Antrag gestellt werden. Geschieht bei einem Elternteil wohnt dies nicht, muss es sich ein fiktives Einkommen in Höhe 38 Lebt das volljährige Kind noch bei einem Elternteil, der BAföG-Leistungen anrechnen lassen. ­berechnet sich der Unterhalt wie folgt:  Auch das Kindergeld wird bei volljährigen Kindern in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet (§ 1612b Abs. 1 bereinigtes Nettoeinkommen des Vaters 2.700,00 € Nr. 2 BGB). bereinigtes Nettoeinkommen der Mutter 1.350,00 €  Für den verbliebenden Restbetrag haften die Eltern an- teilig.39 Es ist vom Einkommen der Eltern vorab jeweils Summe 4.050,00 € der angemessene Selbstbehalt abzuziehen.40  In Einzelfällen kann eine wertende Verschiebung der Der Unterhaltsbedarf ergibt sich dann aus Haftungsquote angemessen sein, so z.B. wenn ein voll- der Düsseldorfer Tabelle: jähriges behinderte Kind weiterhin von einem Elternteil Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes 759,00 € betreut und gepflegt werden muss.41 Das Ausmaß der Ver- abzgl. volles Kindergeld -192,00 € schiebung ist abhängig vom Umfang der tatsächlich er- verbleibender ungedeckter Bedarf des Kindes 567,00 € forderlichen und zu erbringenden Betreuungsleistungen. Berechnung der Haftungsverteilung C. Berechnungsbeispiele bei anteiliger Haftung bereinigtes Nettoeinkommen des Vaters 2.700,00 € Selbstbehalt gegenüber Volljährigen 1.300,00 € I. Berechnung bei einem Studenten anzurechnen beim Vater 1.400,00 € Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes (Student mit eigenem Haushalt) 735,00 € bereinigtes Nettoeinkommen der Mutter 1.350,00 € Abzgl. volles Kindergeld 192,00 € Selbstbehalt gegenüber Volljährigen 1.300,00 € verbleibender ungedeckter Bedarf 543,00 € anzurechnen bei der Mutter 50,00 € des Kindes Haftungsanteil des Vaters in % 96,55 % Berechnung der Haftungsverteilung Haftungsanteil der Mutter in % 3,45 % Vaters 2.700,00 € bereinigtes Nettoeinkommen des Unterhaltsanspruch gegen den Vater 547,45 € Selbstbehalt ggu. Volljährigem 1.300,00 € Unterhaltsanspruch gegen die Mutter 19,55 € anzurechnen beim Vater 1.400,00 € Summe 567,00 € bereinigtes Nettoeinkommen der Mutter 1.350,00 € Selbstbehalt ggü. Volljährigem 1.300,00 € 35 OLG Koblenz, Beschl. v. 14.08.2003 – 7 WF 396/03, FamRZ 2004, 829– 830 = FuR 2004, 320–322; vgl. BGH, Urt. v. 09.01.2002 – XII ZR 34/00, anzurechnen bei der Mutter 50,00 € NJW 2002, 2026–2029 = FuR 2002, 223. 36 BGH FamRZ 2006, 99 m. Anm. Viefhues, FamRZ 2006, 103 und Scholz FamRZ 2006, 106. Haftungsanteil des Vaters in % 96,55 % 37 OLG Hamm, Beschl. v. 27.09.2013 – 2 WF 161/13, FamRZ 2014, Haftungsanteil der Mutter in % 3,45 % 565 = FuR 2014, 186. Unterhaltsanspruch gegen den Vater 524,28 € 38 OLG Hamm, Beschl. v. 27.09.2013 – 2 WF 161/13, FuR 2014, 186 = FamRZ 2014, 565; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.02.2009 – 2 WF 6/09, NJW-RR 2010, Unterhaltsanspruch gegen die Mutter 18,72 € 8; zur Anrechnung fiktiver Leistungen der Grundsicherung bei einem volljähri- Summe 543,00 € gen Kind s. OLG Hamm, Beschl. v. 10.09.2015 – 4 UF 13/15, FuR 2016, 180. 39 Zur Berechnung s.u. 40 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.06.2016 – 13 WF 565/16, NzFam 2017, 118 Die Unterhaltspflicht des Elternteils ist nach der Rspr. des BGH unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 12.01.2011 – XII ZR 83/08, FamRZ 2011, bei anteiliger Haftung jedoch immer auf den Betrag begrenzt, 454 = FuR 2011, 295. den der Unterhaltspflichtige bei alleiniger Unterhaltshaftung 41 OLG Brandenburg, Beschl. v. 02.01.2007 – 9 UF 159/06, FamRZ 2008, 42 174, m.w.N. auf der Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte. 42 BGH, Beschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 201/16, FuR 2017, 325 = NZFam 2017, 312; BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FuR 2017, Zu den weiteren Auswirkungen siehe Teil 2 in der kommen- 208 = FamRZ 2017, 437 m.w.N.; s.a. Nr. 13.1.1. der Unterhaltsleitlinien den Ausgabe der FuR. der Oberlandesgerichte.

358 FuR 7 · 2017 Viefhues · Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht Aus der Praxis

Auch hier ist die Begrenzung auf den Betrag zu beachten, den eingeschränkte Leistungsfähigkeit ergeben soll.46 Für die An- der Unterhaltspflichtige bei alleiniger Unterhaltshaftung auf nahme einer Leistungsunfähigkeit bedarf es der vollständigen der Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte.43 Darlegung sowohl der eigenen Einkünfte wie auch des eigenen Vermögens durch den Unterhaltspflichtigen. Bei einem Einkommen von 2.700 € beträgt die Unterhalts- verpflichtung nach der Düsseldorfer Tabelle (Einkommens- Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine bereich 2.301 € bis 2.700 €) für ein volljähriges Kind 607 €. krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähig- Nach Abzug des vollen Kindergeldes von 192 € verbleibt eine keit berufen will, muss – so betont der BGH erneut – Verpflichtung von 415 €. Die Zahlungspflicht des Elternteils grundsätzlich Art und Umfang der behaupteten gesund- beschränkt sich auch hier auf diesen Betrag. heitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben, und er hat ferner darzulegen, inwieweit die behaupteten ge- Nimmt man eine Höherstufung in die nächste Stufe der Düs- sundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit seldorfer Tabelle (Einkommensbereich 2.701 € bis 3.100 €) auswirken.47 Auch hier ist umfassender anwaltlicher Sach- vor, beträgt die Unterhaltsverpflichtung 633 € und nach Ab- vortrag unverzichtbar.48 zug des Kindergeldes verbleiben 441 €. Die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises mit einem III. Berechnung bei Bezug von Ausbildungsvergütung Grad der Behinderung von 70 % genügt nicht.

Bezieht das Kind Ausbildungsvergütung, verändert sich Zur Darlegung der Leistungsunfähigkeit des Unterhalts- die Berechnung wie folgt: schuldners gehört auch die eingewandte Unterhaltsbe- dürftigkeit einer gem. § 1609 Nr. 3 BGB vorrangig be- Der Unterhaltsbedarf ergibt sich dann aus der rechtigten Ehefrau. Damit muss der Unterhaltspflichtige Düsseldorfer Tabelle: diejenigen Umstände darlegen und beweisen, die einen Unterhaltsanspruch seiner Ehefrau gegen ihn begründen, Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes 759,00 € weil es sich dabei um eine das Einkommen mindernde abzgl. volles Kindergeld -192,00 € Verbindlichkeit handelt.49 Der bloße Vortrag, dass seine abzgl. Ausbildungsvergütung Ehefrau kein laufendes Einkommen bezieht, reicht für (nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen) -450,00 € die Feststellung der Unterhaltsbedürftigkeit und für die verbleibender ungedeckter Bedarf des Kindes 117,00 € Bemessung des Bedarfs der Ehefrau des Antragsgegners nicht aus, wenn dies vom Unterhaltsberechtigten bestrit- 50 Berechnung der Haftungsverteilung ten wird. bereinigtes Nettoeinkommen des Vaters 2.700,00 € II. Darlegungslast beim Abänderungsverfahren nach Selbstbehalt gegenüber Volljährigen 1.300,00 € Eintritt der Volljährigkeit des Kindes anzurechnen beim Vater 1.400,00 € 1. Weitergeltung des Titels aus der Zeit der Minder­ jährigkeit bereinigtes Nettoeinkommen der Mutter 1.350,00 € Der Unterhaltsanspruch im Verwandtenunterhalt ist zeitlich 51 Selbstbehalt gegenüber Volljährigen 1.300,00 € nicht begrenzt. Folglich beginnt der Unterhaltsanspruch anzurechnen bei der Mutter 50,00 € des Kindes mit der Geburt und besteht dem Grunde nach lebenslang.52 Er erlischt nicht automatisch bei Volljährig- keit oder wandelt sich in einen Anspruch mit einer anderen Haftungsanteil des Vaters in % 96,55 % Haftungsanteil der Mutter in % 3,45 % Unterhaltsanspruch gegen den Vater 112,97 € 43 BGH, Beschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 201/16, FuR 2017, 325 = NZFam 2017, 312; BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15, FuR 2017, Unterhaltsanspruch gegen die Mutter 4,03 € 208 = FamRZ 2017, 437 m.w.N.; s.a. Nr. 13.1.1. der Unterhaltsleitlinien Summe 117,00 € der Oberlandesgerichte. 44 BGH, Beschl. v. 07.12.2016 – XII ZB 422/15, FuR 2017, 199 = FamRZ 2017, 317 m. Anm. Knittel, unter Hinweis auf BGH, Beschl. v. 10.07.2013 Die Begrenzung auf den Betrag, den der Unterhaltspflichti- – XII ZB 298/12, FuR 2013, 657 = FamRZ 2013, 1563 Rn. 16. ge bei alleiniger Unterhaltshaftung auf der Grundlage seines 45 Zur Darlegungs- und Beweislast im Unterhaltsrecht umfassend Bömelburg Einkommens zu zahlen hätte, hat hier keine Bedeutung. FF 2015, 273 (Teil 1) und FF 2015, 350 (Teil 2). 46 OLG Hamm, Beschl. v. 24.06.2011 – 2 WF 146/11, FamRB 2011, 270– D. Durchsetzung des Unterhalts bei anteiliger 271. Haftung 47 So auch BGH, Beschl. v. 10.07.2013 – XII ZB 297/12, FuR 2013, 653 = FamRZ 2013, 1558 Rn. 13; zum Ehegattenunterhalt wegen Krankheit I. Darlegungslast beim Leistungsverfahren auf BGH, Urt. v. 25.10.2006 – XII ZR 190/03, FamRZ 2007, 200, 201 f. = Volljährigenunterhalt FuR 2007, 25 und BGH, Urt. v. 27.06.2001 – XII ZR 135/99, FamRZ Verlangt das volljährige Kind in einem Leistungsverfahren 2001, 1291, 1292 = FuR 2001, 404. 48 S.a. KG, Beschl. v. 01.06.2015 – 13 UF 40/15, FuR 2015, 732. erstmalig Unterhalt von einem seiner beiden Elternteile, hat 49 BGH, Urt. v. 14.04.2010 – XII ZR 89/08, FuR 2010, 394 = NJW 2010, es seinen Unterhaltsanspruch, seinen unterhaltsrechtlichen 2056 m. Anm. Born. Bedarf und seine Bedürftigkeit sowie grundsätzlich auch die 50 OLG Hamm, Beschl. v. 24.06.2011 – 2 WF 146/11, FamRB 2011, 270– Haftungsanteile des in Anspruch genommenen Elternteils 271. 51 Götz, Unterhalt für volljährige Kinder – Überlegungen zu einer Reform gem. § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB – und damit das beiderseitige des Verwandtenunterhaltes, 2007, S. 165; zu den rechtspolitischen Über- Elterneinkommen – darzulegen und zu beweisen.44 legungen einer gesetzlich definierten zeitlichen Begrenzung des Volljähri- genunterhalts s. S. 181 ff. Der Unterhaltspflichtige hat die Darlegungs- und Beweis- 52 BGH FamRZ 1984, 682 f.; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 1999, 676, last45 für die Umstände, aus denen sich seine fehlende oder 677; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 907; OLG Hamm FuR 2007, 182. FuR 7 · 2017 359 Aus der Praxis Viefhues · Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht

rechtlichen Grundlage um. Die Anspruchsgrundlage bleibt eine solche Erinnerung ist aber nicht das Familiengericht, über den Zeitpunkt der Volljährigkeit hinaus identisch.53 Der sondern das Vollsteckungsgericht zuständig (vgl. §§ 766, Anspruch des – volljährigen – Kindes endet erst mit einer 764 ZPO).67 abgeschlossenen Ausbildung oder wenn das Kind auf andere OLG Hamm, Beschl. v. 23.12.2015 – 2 WF 198/15:68 Weise eine eigenständige Lebensstellung erlangt hat.54 Der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes ist also mit »Der Eintritt der Volljährigkeit des Kindes verbunden mit dem dem des volljährigen Kindes identisch. Wegfall der Vollstreckungsbefugnis ist jedenfalls dann ein zuläs- siger Einwand im Vollstreckungsabwehrverfahren gegen den Der zur Zeit der Minderjährigkeit des Kindes erlangte Ti- die Vollstreckung weiterhin betreibenden Elternteil, wenn der tel gilt somit auch nach Eintritt der Volljährigkeit fort.55 Titel auf Zahlung an den betreuenden Elternteil selbst lautet. Anders ist dies lediglich dann, wenn der Titel ausdrücklich auf die Zeit bis zur Volljährigkeit des Kindes befristet worden Bei einer Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen ist der ist,56 wie dies bei Urkunden des Jugendamtes vielfach der von einem Elternteil im Wege der Verfahrensstandschaft er- Fall ist. strittene Titel auf Zahlung von Kindesunterhalt jedenfalls dann in entsprechender Anwendung des § 371 BGB von diesem he- 2. Vollstreckungsberechtigung aus dem in der Zeit der rauszugeben Minderjährigkeit erlangten Titel , wenn dem Kind mittlerweile eine vollstreckbare Teilausfertigung des Titels erteilt worden ist.« Der bisher für das Kind handelnde Elternteil ist nicht berech- tigt, die Vollstreckung aus dem Titel fortzusetzen, und zwar 3. Abänderung eines Titels aus der Zeit der auch nicht hinsichtlich der Unterhaltsrückstände. Eine Aus- ­Minderjährigkeit nahme besteht dann, wenn das Kind den Anspruch an diesen Für beide Seiten kann eine Änderung der titulierten Unter- Elternteil abgetreten hat.57 Das Abtretungsverbot der §§ 400 haltsverpflichtung nur mittels Abänderungsverfahren nach BGB, 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt in diesem Fall nicht.58 § 238 FamFG bei einem gerichtlichen Titel und gem. § 239 FamFG bei einem außergerichtlichen Titel erfolgen. Ist der Titel in Verfahrensstandschaft erlangt worden, steht der Name des Kindes nicht im Rubrum. Nach Eintritt der Die wesentliche Änderung der für die Unterhaltsbestimmung Volljährigkeit des Kindes kann der Titel daher auf das Kind maßgeblichen tatsächlichen Umstände liegt bereits im Ein- umgeschrieben werden;59 das Kind kann dann im eigenen tritt der Volljährigkeit und in dem damit verbundenen Wech- Namen vollstrecken. sel in die nächste Alterststufe der Düsseldorfer Tabelle sowie ggf. in der jetzt bestehenden anteiligen Barunterhaltspflicht Vollstreckt nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes auch des anderen Elternteils. der Elternteil aus einem solchen Titel, so ist er zwar weiterhin – formell – Inhaber des Titels, ist aber nicht mehr berech- Beteiligter dieses Abänderungsverfahrens ist immer das tigt, aus diesem Titel zu vollstrecken60 und muss mit einem Kind,69 gleichgültig ob es auf Antragstellerseite oder Antrags- ­Vollstreckungsgegenantrag nach § 120 Abs. 1 FamFG gegnerseite das Verfahren führt. i.V.m. § 767 ZPO rechnen.61 Handelt es sich aber um einen Titel, den ein Elternteil als gesetzlicher Vertreter des Kindes 53 BGH FamRZ 1984, 682; OLG Köln, FamRZ 1995, 308. erwirkt hat – wenn der 54 Endrich in: Scholz-Stein, Praxishandbuch Familienrecht, Teil I, Rn. 25. Unterhalt nach dem Abschluss des Scheidungsverfahrens titu- 55 BGH, Beschl. 07.12.2016 – XII ZB 422/15, FuR 2017, 199 = FamRZ liert worden ist, dann ist Titelinhaber das Kind, das nach Ein- 2017, 370 mit Anm. Knittel; BGH FamRZ 1994, 696, 697. tritt seiner Volljährigkeit selbst vollstrecken muss. Denn auch 56 OLG Brandenburg FamRZ 2004, 1888; vgl. auch Gottwald FamRZ 2007, 1474. die gesetzliche Vertretung durch den betreuenden Elternteil 57 Seiler in: Gerhardt/Heintschel-Heinegg/Klein, HB FA FamR, 2015, Kap. 6 62 endet mit der Volljährigkeit des Kindes. Eine Umschrei- Rn. 420; Gerhardt in: Gerhardt/Heintschel-Heinegg/Klein, HB FA FamR, bung des Titels ist jedoch nicht erforderlich, da das Kind be- 2015, Kap. 6 Rn. 1042. reits als Beteiligter des Verfahrens im Rubrum des Titels steht. 58 Gießler FamRZ 1994, 800; Gerhardt in: Gerhardt/Heintschel-Heinegg/ Klein, HB FA FamR, 2015, Kap. 6 Rn. 1047. Nach Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes kann auch das 59 OLG Brandenburg FamRZ 1997, 509; Büte in: Bäumel/Büte/Poppen, Unterhaltsrecht, § 1629 BGB Rn. 8. Jugendamt nicht mehr als Beistand und damit als gesetzlicher 60 OLG Hamm FamRZ 1992, 843; OLG Köln FamRZ 1995, 308. 63 Vertreter des Kindes tätig werden. 61 Roßmann in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Der Unterhaltsprozess, 2013, Kap. 3 Rn. 199. Vollstreckt der Elternteil, der während der Zeit der Minder- 62 Soyka a.a.O., Rn. 226; OLG Hamm FamRZ 1990, 1375. jährigkeit des Kindes aufgrund der ihm damals zustehenden 63 OLG Brandenburg FamRZ 2006, 1782. gesetzlichen Vertretungsmacht einen Unterhaltstitel erwirkt 64 Roßmann in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Der Unterhaltsprozess, 2013, Kap. 3 Rn. 201; vgl. aber OLG Hamm FamRZ 1992, 843; OLG hatte, nach Eintritt der Volljährigkeit weiter, so ist die Lage Köln, Beschl. v. 16.08.1994 – 25 WF 172/94, FamRZ 1995, 308. komplizierter. 65 Roßmann in: Eschenbruch/Schürmann/Menne, Der Unterhaltsprozess, 2013, Kap. 3 Rn. 202. Ein Vollstreckungsgegenantrag nach § 120 Abs. 1 FamFG 66 OLG Nürnberg, Beschl. v. 01.02.2010 – 7 WF 45/10, FamRZ 2010, i.V.m. § 767 ZPO gegen den Elternteil soll ohne Erfolg sein, 1010 = FuR 2010, 297; vgl. auch Roßmann in: Eschenbruch/Schürmann/ weil dieser vollstreckende Elternteil nicht Gläubiger des Titels Menne, Der Unterhaltsprozess, 2013, Kap. 3 Rn. 203. 64 67 OLG Nürnberg, Beschl. v. 01.02.2010 – 7 WF 45/10, FamRZ 2010, ist. Ein Vollstreckungsgegenantrag gegen das Kind scheidet 1010 = FuR 2010, 297; vgl. auch Roßmann in: Eschenbruch/Schürmann/ 65 aus, weil das Kind nicht vollstreckt. Menne, Der Unterhaltsprozess, 2013, Kap. 3 Rn. 203. 68 OLG Hamm FamRZ 2016, 1100. Jedoch kann der Wegfall der gesetzlichen Vertretungsmacht 69 OLG Koblenz, Beschl. v. 09.05.2016 – 13 WF 430/16, FuR 2017, im Rahmen einer Erinnerung geltend gemacht werden.66 Für 39 = MDR 2016, 1054–1055.

360 FuR 7 · 2017 Viefhues · Anteilige Haftung im Unterhaltsrecht Aus der Praxis

Der besondere Gerichtsstand des § 232 Abs. 1 Nr. 2 Antragstellers aufzukommen haben (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 FamFG, nachdem immer das Gericht am Wohnsitz des Kin- BGB). Schon dies allein kann die Beurteilung rechtfertigen, dass des zuständig ist, gilt für minderjährige Kinder und für privi- sich die maßgeblichen Verhältnisse seit Abschluss der Unterhalts- legierte volljährige Kinder i.S.d. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB, vereinbarung geändert haben, auf welcher der abzuändernde nicht aber für andere Volljährige. Zuständig ist dann nach der Unterhaltstitel beruht, geändert haben. Etwas anderes mag – allgemeinen Zuständigkeitsregelung das Familiengericht am ausnahmsweise – dann gelten, wenn die Beteiligten mit der in Wohnsitz des jeweiligen Antragsgegners. der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes getroffenen Unterhalts- regelung schon eine Vereinbarung für die Zeit nach dem Eintritt 4. Darlegungslast beim Eintritt der Volljährigkeit der Volljährigkeit des Kindes und damit für den Zeitraum der Die Tatsache der Volljährigkeit führt zu einer Verlagerung der Mithaftung beider Elternteile treffen wollten.« Darlegungs- und Beweislast auf das volljährige Kind, das das Fortbestehen der rechtlichen Grundlagen des Unterhaltsan- 5. Behandlung von Unterhaltsrückständen aus der Zeit spruchs und seine Bedürftigkeit darlegen muss, auch in einem der Minderjährigkeit Abänderungsverfahren des Unterhaltspflichtigen.70 Auch hinsichtlich der Unterhaltsrückstände aus der Zeit der Minderjährigkeit ist nur noch das jetzt volljährige Kind be- Begründet wird diese zu Lasten des Kindes geänderte Be- rechtigt, nicht aber der Elternteil, der das Kind bisher ver- weislastverteilung damit, dass der Unterhaltsanspruch des treten hat.73 Das gilt auch dann, wenn dieser Elternteil in volljährigen Kindes zwar mit dem des minderjährigen Kin- der Vergangenheit den finanziellen Bedarf des Kindes sicher- des identisch ist, sich aber auf andere Grundlagen stützt. gestellt hat, weil der barunterhaltspflichtige Elternteil keinen Das minderjährige Kind, das noch zur Schule geht, hat oder nur zu geringen Unterhalt gezahlt hat. grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch. Das volljährige Kind muss sich dagegen selbst unterhalten. Ein Unterhalts- Daraus ergeben sich für den bisher betreuenden Elternteil anspruch besteht nur noch für die Zeit der Ausbildung, Probleme, denn dieser hat in der Vergangenheit nicht nur wobei der Unterhalt auch deshalb auf einer neuen Basis Betreuungsleistungen erbracht, sondern auch – quasi als Vor- steht, weil grundsätzlich beide Elternteile barunterhalts­ schuss auf den ausstehenden Unterhalt – noch eigene Geld- pflichtig sind. mittel zur Versorgung des Kindes aufgewandt, das eigentlich der barunterhaltspflichtige andere Elternteil hätte zur Ver- Verlangt der Unterhaltsschuldner die Abänderung eines Titels fügung stellen müssen. Jetzt kann aber nur noch das Kind über Kindesunterhalt aus der Zeit der Minderjährigkeit des diese Unterhaltsrückstände gegen den zahlungspflichtigen inzwischen volljährigen Kindes, so muss also das unterhalts- Elternteil geltend machen und vollstrecken.74 berechtigte volljährige Kind darlegen und beweisen, dass sein Unterhaltsanspruch weiter fortbesteht. Dazu gehört auch im Der Elternteil, der in der Vergangenheit das Kind unterhalten Abänderungsverfahren eines Elternteils insbesondere der hat, wird auch hier auf den familienrechtliche Ausgleichs- schlüssige Vortrag, welcher Haftungsanteil auf den antrag- anspruch gegen den anderen Elternteil verwiesen (zu den stellenden Elternteil entfällt.71 sich daraus ergebenden praktischen Schwierigkeiten siehe Teil 2 in der kommenden Ausgabe der FuR). BGH, Beschl. v. 07.12.2016 – XII ZB 422/15:72 (Der Beitrag wird in der nächsten Ausgabe der FuR fort- »Besteht ein Titel aus der Zeit der Minderjährigkeit, so gesetzt) ändern sich mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes die maßgeblichen Verhältnisse, die Grundlage des bestehen- den Titels waren. 70 BGH, Beschl. v. 07.12.2016 – XII ZB 422/15, FuR 2017, 199 = FamRZ 2017, 317 m. Anm. Knittel. Ein Betreuungsbedarf kommt für das nunmehr volljährig ge- 71 BGH, Beschl. v. 07.12.2016 – XII ZB 422/15, FuR 2017, 199 = FamRZ wordene Kind kraft Gesetzes nicht mehr in Betracht; an seine 2017, 317 m. Anm. Knittel; OLG Bremen, Beschl. v. 29.06.2011 – 4 WF 51/11, NJW 2011, 2596. Stelle ist ein erhöhter Barunterhaltsbedarf getreten. Der Elemen- 72 BGH FuR 2017, 317 = NZFam 2017, 111 = FamRZ 2017, 317 m. Anm. tarunterhalt bemisst sich nun nicht mehr grundsätzlich allein Knittel. nach dem Einkommen des früher allein barunterhaltspflichtigen 73 OLG Nürnberg FamRZ 2002, 407 und OLG Koblenz FamRZ 2005, 993 Antragsgegners, sondern nach den zusammengerechneten Ein- für den Fall der Beendigung der Prozessstandschaft gem. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB durch Sorgerechtswechsel. künften beider Elternteile, die anteilig nach ihren Erwerbs- 74 Zur möglichen Abtretung des Unterhaltsrückstandes durch das Kind an und Vermögensverhältnissen für den Unterhalt des volljährigen diesen Elternteil s.o. bei Fn. 57.

FuR 7 · 2017 361 Aus der Praxis Herr · Wer sich in Gefahr begibt, kommt nicht (mehr) darin um

Wer sich in Gefahr begibt, kommt nicht (mehr) darin um oder das (Ver)Handeln auf eigene Gefahr beim Abschluss von Ehe- und Scheidungs­ folgenverträgen (Stand der Rspr. zur subjektiven Vertragsimparität nach der Entscheidung des BGH vom 15.03.2017 – XII ZB 109/16) Von Dr. Thomas Herr, Rechtsanwalt, Kassel

Zwei neue OLG-Entscheidungen ließen aufhorchen: wel- II. OLG Bamberg, Beschl. v. 18.02.2016 – che Tatumstände der notariellen Urkundsverhandlung 2 UF 247/145 streiten für bzw. gegen die Kontrollfestigkeit des Ehe- 1. Sachverhalt6 oder Scheidungsfolgenvertrages,1 wenn es sich um Um- stände handelt, auf die der benachteiligte Ehegatte Ein- Die für die Ehefrau sämtlich nachteiligen Vertragsklauseln fluss nehmen kann, ihn aber wissentlich nicht ausübt? wurden nicht als einzeln, sondern als in ihrer Gesamtschau Nunmehr hat sich der BGH dazu geäußert. Dieser Beitrag als objektiv sittenwidrig angesehen. beschränkt sich auf seine Ausführungen zur subjektiven Zur subjektiven Seite wurden folgende Tatsachen festgestellt Imparität. Hinsichtlich der Entscheidung im Übrigen, die oder als wahr unterstellt: wichtige Ausführungen auch zu Kernbereichsfragen und  die Ehefrau war in die vorangegangenen Vertragsverhand- zum Unternehmerehevertrag enthält wird auf Soyka, FuR lungen nicht eingebunden, 2017, 382 (in dieser Ausgabe) verwiesen.  sie hatte keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung, Herr  sie hatte keinen Vertragsentwurf zur Durchsicht und Prü- A. Neue Rechtsprechung fung erhalten, I. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 31.10.2014 –  zum Notartermin sei sie mitgenommen worden mit der 20 UF 7/142 Begründung, sie müsse mit,  die Ehefrau erhielt vor der Beurkundung keinen Vertrags- 1. Sachverhalt entwurf ausgehändigt, hatte aber die Möglichkeit, den Die objektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit (§ 138 Vertrag zuvor zu lesen, 3 Abs. 1 BGB) wurden vom OLG festgestellt.  das noch nicht einen Monat alte gemeinsame Kind war bei Zur subjektiven Seite wurden folgende Tatsachen festgestellt der Beurkundung dabei; die Ehefrau befürchtete, es werde oder als wahr unterstellt: möglicherweise schreien.  die Ehefrau erhielt vor der Beurkundung keinen Vertrags- entwurf, 2. Zweiter Rechtszug (OLG)  der konkrete Vertragsinhalt wurde ihr erst bei der Ur- Es kann auf die nachfolgenden Ausführungen zur BGH-Ent- kundsverhandlung bekannt gegeben, scheidung verwiesen werden.  sie wusste jedoch, dass es um die »Trennung der geschäftli- 3. Dritter Rechtszug (BGH) chen Dinge des Ehemannes vom privaten Vermögen« ging Die Ehefrau sei allein aufgrund der Tatsache in einer unterlege- und besprach dies zuvor mit ihrem Vater, nen Verhandlungsposition gewesen, dass sie zuvor keinen Ver-  sie hatte trotz der Ausführungen des Notars die Begriffe tragsentwurf erhalten hatte. Das Verlesen der Urkunde durch »Zugewinnausgleich« und »Versorgungsausgleich« nicht den Notar genügte nicht. Daraus folge, so der BGH, eine »ledig- verstanden, fasste aber bei der Beurkundung nicht nach, lich passive Rolle«. Wenn das OLG dies auf die wirtschaftliche  sie vertraute dem Ehemann »blind«, was für sie der ent- und soziale Überlegenheit des Ehemannes zurückgeführt habe, scheidende Grund war, zu unterzeichnen. bewege sich dies im Rahmen tatrichterlicher Feststellungen. 2. Rechtliche Würdigung und Entscheidung – Folgender Zusatz ist dann noch von Interesse: »Beim Notar- ­Zweiter Rechtszug (OLG) termin war schließlich das noch nicht einen Monat alte Kind Das OLG entschied wie folgt: »Wer bewusst »blind« vertraut dabei, und es ist ebenfalls nachvollziehbar, dass die Ehefrau des- und sich auf diese Weise bewusst in die Hände des gegenüber- wegen den Beurkundungstermin möglichst schnell hinter sich stehenden Verhandlungs- und Vertragspartners begibt, ist nicht bringen wollte.« Opfer eines Ungleichgewichts an Erfahrung und Intellekt, son- Außerdem sei es im Fall einer vorliegenden, subjektiven Im- dern enttäuschten Vertrauens. Enttäuschtes Vertrauen genügt parität nicht erforderlich, dass der benachteiligte Ehegatte indessen nach Überzeugung des Senats nicht als subjektives Ele- den Vertrag nur mit Bedenken oder quasi widerwillig ab- ment im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB. Wer bewusst darauf verzichtet, im Rahmen der Vertragsverhandlungen selbst oder durch eigene Berater seine Interessen zu wahren, kann nicht 1 Ab hier in diesem Beitrag nur noch »Ehevertrag«. erwarten, dass dieses Versäumnis später durch das Verdikt des 2 FamRZ 2015, 500. § 138 Abs. 1 BGB behoben wird.« 3 Deren Darstellung und Abhandlung ist zum Thema dieses Beitrags nicht veranlasst. 3. Rechtliche Würdigung und Entscheidung – 4 BGH – XII ZB 14/15. 5 Nicht veröffentlicht. Dritter Rechtszug (BGH) 6 Da die Entscheidung nicht veröffentlicht ist, musste auf den Tatbestand der Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde zurückgenommen.4 BGH-Entscheidung zurückgegriffen werden.

362 FuR 7 · 2017 Herr · Wer sich in Gefahr begibt, kommt nicht (mehr) darin um Aus der Praxis

schließt. Vielmehr sei durch § 138 Abs. 1 BGB auch und 1. Die Anwesenheit des Kleinkindes gerade der Ehegatte geschützt, der dem Verlangen des über- Das geringste Gewicht hat die bloße Anwesenheit des Babies, legenen Ehegatten widerstandslos Folge leistet. das bei Beurkundung keineswegs schrie. Offensichtlich be- stand auch nicht einmal Anlass zur Annahme, dass es gleich B. Stellungnahme zu schreien beginnt. Das Baby war lediglich zugegen und mit I. Ausgangslage / Tatsächliche Umstände / Fallgruppen ihm das ihm natürlich eigene, abstrakte Risiko des Babyge- Nicht selten sind Fälle einer subjektiven Unterlegenheit, die schreis. Nur die Gefahr der Verwirklichung dieses Risikos be- auf Umständen beruhen, welche der benachteiligte Ehegatten sorgte die Mutter und beeinträchtigte sie insoweit. Dies hat selbst (mit)verursacht hat, sie zumindest kennt und das damit der BGH für nachvollziehbar gehalten verbundene Risiko sehenden Auges hinnimmt. Es begegnet allerdings Bedenken, einem solchem Umstand Beispiele: die Sittenwidrigkeit begründende oder auch nur verstärkende Bedeutung beizumessen. Ohne sich hier auf eine Abgrenzung  die Sprachkenntnisse genügen nicht zum Verständnis einlassen zu müssen ist die Mitnahme eines Kleinkindes zum des Vertrages,7 Notar unbedingt dem eigenen Risikobereich zuzuordnen.  der Vertrag wird intellektuell oder juristisch nicht hin- reichend verstanden,8 Andernfalls müssten die Notare künftig in Betracht ziehen,  die Partei hat keinen Vertragsentwurf erhalten,9 solche Beurkundungen abzulehnen oder sich in der Verhand-  die Frau ist schwanger,10 lung zur Urkunde bestätigen zu lassen, dass sich die Mutter durch das Kind nicht beeinträchtigt fühlt. Mütter sollten vor-  die Frau hat ein Baby auf dem Schoss,11 sorglich ein Kind mitnehmen.  u.a. Der Anwesenheit des Kleinkindes kann allerdings die Bedeu- Wie die neueren Entscheidungen des OLG Karlsruhe und tung einer Plausibilitätskontrolle beigemessen werden. des OLG Bamberg zeigen, bestand hier grundsätzlicher Klä- rungsbedarf. Dies zeigen auch ältere Judikate: 2. »Blindes Vertrauen« / Widerstandsloses Folge leisten Hier sind wir im Auge des – im Einzelfall möglicherweise Nach den beiden wichtigen Entscheidungen des BVerfG vom existenzvernichtenden – Orkans. 06.02.200112 und 29.03.200113 ist die Schwangerschaft ein Indiz für subjektive Impatität. Die Beeinflussungen des benachteiligten Ehegatten sind viel- Das OLG Stuttgart hatte 1982 genügen lassen, dass ein in- fältig und für den Notar oft überhaupt nicht erkennbar: tellektuell normal begabter, aber rechtsunkundiger Ehegatte  durch den begünstigten Ehegatte selbst, Inhalt und Folgen des Vertrages nicht verstand.14  durch seine Eltern (die Schwiegereltern des benachteilig- ten Ehegatten), Das OLG Frankfurt verweist eine fehlende Notarbelehrung in  durch eine Bank, den Risikobereich des Ehegatten, da eine fehlende Belehrung  ja gerade dazu führe, dass der Erklärende bewusst in Unkennt- durch (insbesondere erwachsene) gemeinsame Kinder nis bleibt und dann gleichwohl seine Erklärung abgibt.15 oder Kinder aus einer anderen Verbindung,  durch Andere, die ein wirtschaftliches, emotionales oder sons- Das OLG Köln behandelt sprachliche oder inhaltliche tiges Interesse an einem bestimmten Vertragsinhalt haben. Schwierigkeiten unter dem Handeln auf eigene Gefahr.16 Soweit sich die Entscheidungen im Bereich der Vertragskont- Die fehlende Belehrung durch den Notar ist oft nicht beweis- bar. Notare sollen im Hinblick auf ihre Erinnerung an die rolle bewegen ist allerdings darauf hinzuweisen, dass diese das 20 Recht der Willensmängel dogmatisch nicht verdrängt. Das Beurkundung »schlechte Zeugen« sein. gilt insbesondere für die Irrtumsanfechtung,17 was aber oft Die Entscheidung des BGH geht trotz weiter bestehender auf Beweisprobleme stößt. Bedenken wegen des »Verhandelns auf eigene Gefahr« in eine II. (Ver)handeln auf eigene Gefahr? gute Richtung, auch weil sie der Familienarbeit ausdrücklich 21 Zugegeben: Die Grundsätze des Handels auf eigene Gefahr sind die ihr zukommende Wertigkeit beimisst. Dies entspricht dem Schadensersatzrecht zuzuordnen (§ 254 BGB). Wer sich der Forderung des BVerfG nach Teilhabegerechtigkeit bei bewusst in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, erfüllt den Tatbestand der schuldhaften Selbstgefährdung.18 Im Sinne einer schlagwortartigen Verkürzung des Problems passt der 7 OLG Köln FamRZ 2002, 457. 8 OLG Stuttgart DNotZ 1983, 693, 695. Begriff aber zu gut, als dass der Verfasser der Versuchung wider- 9 OLG Frankfurt, Urt. v. 28.01.2011 – 4 UF 67/10, juris. stehen konnte, ihn auch auf die Anwendung der subjektiven 10 BVerfG FamRZ 2001, 343. Vertrags(im)parität bei der Urkundsverhandlung des Ehevertrags 11 BGH, Beschl. v. 15.03.2017 – XII ZB 109/16, JurionRS 2017, 12426. im Sinne des »Verhandelns auf eigene Gefahr« anzuwenden.19 12 BVerfG FamRZ 2001, 343. 13 BVerfG FamRZ 2001, 985. Anders ausgedrückt bzw. gefragt: 14 OLG Stuttgart DNotZ 1983, 693, 695; krit. Kanzleiter DNotZ 1983, 697. 15 OLG Frankfurt, Urt. v. 28.01.2011 – 4 UF 67/10, juris; vgl. auch OLG Welche Umstände sind dem (möglicherweise) unterlegenen, Frankfurt, Urt. v. 20.07.2005 – 5 UF 75/04, juris. welche dem (möglicherweise) überlegenen Ehegatten zuzu- 16 OLG Köln FamRZ 2002, 457. rechnen, um damit die subjektiven Merkmale der Sittenwid- 17 OLG Frankfurt, Urt. v. 28.01.2011 – 4 UF 67/10, juris. 18 Palandt/Grüneberg, 75. Aufl., § 254 BGB Rn. 32. rigkeit zu begründen oder auszuschließen? 19 Ähnlich bereits OLG Köln FamRZ 2002, 457; vgl. auch Herr, Eheverträge Auch hier kann sich eine Betrachtung der einzelnen, der neu- und Scheidungsfolgenvereinbarungen, 2016, § 8 Satz 25. 20 Kanzleiter DNotZ 1983, 699. en BGH-Entscheidung zugrunde liegenden, Tatsachen und 21 BGH, Beschl. v. 15.03.2017 – XII ZB 109/16, Rn. 41, JurionRS eine anschließende Gesamtbewertung lohnen: 2017, 12426. FuR 7 · 2017 363 Aus der Praxis Herzog · Heirat mit Hindernissen

der Prüfung von Eheverträgen22 und der diesbezüglich von seine Rechtsfolgen. Ein nachteiliger Ehevertrag ist grundsätz- Dauner-Lieb auf dem 21. Deutschen Familiengerichtstag lich niemandem zu verwehren. 2015 erhobenen Forderung.23 Nach der Rechtsprechung des BGH führt die Inhaltskon- All dies betrifft jedoch die dogmatische Ebene und stößt im trolle nämlich nicht zu einer Zwangsteilhabe.24 So können konkreten Verfahren oft auf Beweisschwierigkeiten. Außer- z.B. Heiratswillige nicht gezwungen werden, den Versor- dem bleibt offen, was ohne weitere Einzelfallumstände gungsausgleich für ihre Ehescheidung hinzunehmen.25 Ein gelten soll, wenn ein Ehegatte dem anderen blind vertraut nach bzw. trotz externer Beratung geschlossener Vertrag und ob dieser andere damit wirklich die Kontrollfestigkeit kann nur noch aus anderen Gründen verbotswidrig sein, des Vertrags riskiert. etwa wegen eines Verzicht auf künftigen Trennungsunter- 26 III. Lösungsvorschlag: gesetzliche Beratungspflicht halt, oder sittenwidrig, etwa wegen des »Verschüttens« von Unterhaltsquellen.27 Es gibt nur eine Möglichkeit, das Problem des blinden Ver- trauens rechtssicher, auch unter Beweisgesichtspunkten, zu lösen: 22 BVerfG FamRZ 2002, 527. Die gesetzliche, externe, getrennte Beratungspflicht beider 23 Vgl. den Festvortrag von Dauner-Lieb, Die Zukunft der Familie und der Ehegatten vor dem Abschluss von Ehe- und Scheidungs- Familienarbeit, Brühler Schriften zum Familienrecht, S. 25 f. folgenverträgen und die Vorlage einer Bescheinigung beim 24 BGH FamRZ 2014, 629, 632. Notar. Wer dann unterschreibt, tut dies nicht »blind«, son- 25 BGH FamRZ 1996, 1536. nachgewiesener 26 Siehe i.E. Herr, Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen, 2016, dern in positiver Kenntnis der Risiken und § 8 Rn. 9, § 9 Rn. 247 ff. damit »kontrollfest« auf eigene Gefahr. »Blindes« Vertrauen 27 Siehe i.E. Herr, Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen, 2016, gibt es dann nicht mehr und folglich auch keinen Streit über § 9 Rn. 18 mit Hinweis auf Hoffmann FF 2004, 1, 7.

Heirat mit Hindernissen – Ansprüche bei missglückten Hochzeitsfeierlichkeiten Von Andreas Herzog, LL.M. (Tilburg), Richter am Amtsgericht, Geilenkirchen

Es soll der schönste Tag im Leben werden. Doch was, wenn in Erwartung der Ehe gemachte Aufwendungen oder durch an dem Tag, den Mann und Frau lang erwarten, etwas schief eingegangene Verbindlichkeiten entstanden ist, zu ersetzen.1 geht? Vielleicht, weil der Ehemann oder die Ehefrau in spe kalte Füße bekommt, die Hochzeitsfeier nicht ganz dem an- Voraussetzung für solche Ansprüche gem. § 1298 BGB ist ein gedachten Verlauf folgt, das Feuerwerk ein Eigenleben ent- ernsthaftes wechselseitiges Heiratsversprechen, wobei weder der wickelt oder auch die Hochzeitsreise nicht ganz so traum- Begriff »Verlöbnis« verwendet, noch bestimmte formelle Schrit- te wie eine Verlobungsanzeige, ein Ringtausch oder eine Ver- haft verläuft. Der vorliegende Aufsatz gibt einen Überblick 2 über die Rechtsprechung zu möglichen Ersatzansprüchen, lobungsfeier eingehalten werden müssen. Indizien für das Vor- welche entstehen können, wenn dieser besondere Tag nicht liegen eines ernsthaften wechselseitigen Heiratsversprechens sind nur mit positiven Erinnerungen endet. z.B. die Festlegung eines konkreten Datums, die Versendung von Einladungskarten oder auch die Absprache eines Traugesprächs.3 I. Einleitung Die geltend gemachten Aufwendungen dürfen nicht nur der Rechtsprechung und Literatur zu den familienrechtlichen An- Ausgestaltung der vor-, also nichtehelichen, Lebensgemein- sprüchen, wenn die Ehe erst einmal geschlossen ist, sind zahl- schaft dienen.4 Überlassen Eltern ihrem Kind und dessen reich und leuchten alle möglichen und unmöglichen Facetten Verlobtem aufgrund eines Verlöbnisses eine Wohnung, so aus, weniger Beachtung finden dagegen der Augenblick, der kann nach Auflösung des Verlöbnisses eine Erstattung des Tag und der ganze feierliche Ablauf, in denen genau diese An- Nutzungswertes nicht gem. § 1298 BGB verlangt werden, da sprüche entstehen. Und dabei verlaufen diese Tage nicht selten Aufwendungen in Erwartung der Ehe nur solche sind, die in alles andere als reibungslos. Wenn nun im Erscheinungsmonat ihrem sachlichen Kern in die Eheschließung und Ehezeit hin- des vorliegenden Heftes die alljährliche Hochzeitssaison wie- einzielen, während sich eine solche Gebrauchsüberlassung im der ihrem Zenit zugeht, so bietet dies Anlass genug, einmal tatsächlichen Zusammenleben bereits während der Verlöbnis- näher zu betrachten, wie man sich nicht nur am Hochzeits- zeit erschöpft.5 Ersatzfähig sind z.B. die Kosten für den Druck buffet schadlos halten kann, wenn trotz aller Planung, die mit von Einladungskarten, festliche Kleidung wie ein Brautkleid, diesem Tag verbunden ist, etwas schiefgeht. II. Rückzug in letzter Minute 1 Einen umfassenden Überblick über Ansprüche bei Beendigung eines Verlöb- Wandelt die Verlobte auf den Spuren von Julia Roberts als nisses bietet: Erbarth FPR 2011, 89. Braut, die sich nicht traut, oder ergreift der Verlobte das Ha- 2 AG Neumünster FamRZ 2000, 817; zur Doppeldeutigkeit des Begriffes senpanier, so bleibt der jeweils andere zwar auf den geplatzten Verlöbnis i.S. eines formlosen Eheversprechens und einer Bekanntgabe der Verlobung, vgl. RG JW 1928, 3047. Eheträumen, nicht aber auf den für die Hochzeit getätigten 3 AG Neumünster FamRZ 2000, 817. Aufwendungen sitzen. Denn der vom Verlöbnis Zurücktreten- 4 OLG Braunschweig MDR 1998, 1294. de ist gem. § 1298 BGB verpflichtet, den Schaden, der durch 5 OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 899.

364 FuR 7 · 2017 Herzog · Heirat mit Hindernissen Aus der Praxis

den Kauf von Hausrat für die spätere Ehewohnung oder die um eine Trauung zwischen Mann und Frau, sondern um eine gebuchte Hochzeitsreise.6 Gemäß § 1298 Abs. 1 Satz 2 BGB Feier der Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspart- ist auch der aufgrund von Dispositionen hinsichtlich des Ver- nerschaft handelt.15 Zum anderen entstehen Entschädigungs- mögens und der Erwerbsstellung entstandene Schaden ersatz- ansprüche nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG gegen ihn, wenn fähig; Gesundheitsschäden aufgrund der einseitigen Beendi- der gewerbliche Mietvertrag über die Räumlichkeiten für die gung des Verlöbnisses werden aber von § 1298 BGB nicht Hochzeitsfeier nur am letztgenannten Punkt scheitert.16 umfasst, insoweit scheidet auch eine analoge Anwendung aus.7 Keine gute Idee ist es, wenn die Beteiligten versuchen, bei Der gewöhnliche Bruch der Verlöbnistreue führt, wenn nicht der Hochzeitsfeier an der Mehrwertsteuer zu sparen. Dann gleich ein Fall von Heiratsschwindelei vorliegt, nicht zu Scha- laufen sie Gefahr, dass bei Vertragsverletzungen eventuelle densersatzansprüchen nach den §§ 823 ff. BGB, da er nicht Schadensersatzansprüche aufgrund einer Nichtigkeit des als unerlaubte Handlung anzusehen ist.8 Vertrages ins Leere gehen.17 Während § 1298 BGB nur einen Anspruch gegen den zu- Im Saal angekommen sollten die Brautleute trotz der dann rücktretenden Verlobten begründet, haben als Folge der auf sie einströmenden Glückwünsche und Geschenke nicht Flucht am Trautage die beiden ehemaligen Verlobten nicht vergessen, eventuelle Mängel, wenn sie die dekorative Gestal- nur gem. § 1301 BGB die Zuwendungen aller Art des jeweils tung der Feier im Gesamten einem professionellen Anbieter anderen nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte anvertraut haben, festzustellen und zu rügen. Falls der Vertrag Bereicherung zurückzugeben,9 sondern gem. § 1301 BGB nämlich nicht nur die Anlieferung von ggf. auch individuell analog auch die Geschenke der Eltern und der ihnen nach gefertigter Dekoration beinhaltet, sondern auch z.B. deren Be- § 1298 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichgestellten Personen.10 festigung und die (künstlerische) Gesamtgestaltung, dann fin- det das Werkvertragsrecht Anwendung mit der Folge, dass bei III. Probleme mit der Trauung zu später Rüge Mängelrechte aufgrund stillschweigender Bil- Sind sich aber die Verlobten einig und wollen sie die Ehe ein- ligung gem. § 640 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeschlossen sind.18 gehen, so lauern die nächsten Hürden im Standesamt. Wird eine Eheschließung durch eine vom Standesbeamten ver- V. Hochzeitsschmaus und Hochzeitstanz schuldete, unnötige Verzögerung unmöglich, z.B. aufgrund Hat jeder seinen Platz gefunden, freuen sich Hochzeitspaar des Versterbens eines Verlobten, so kann dies eine Haftung und Gäste üblicherweise auf ein ordentliches Hochzeitsessen. wegen einer Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB i.V.m. Nimmt der Caterer es mit den ihm obliegenden Pflichten zur Art. 34 GG begründen. Denn der Standesbeamte ist gegen- Lebensmittelkontrolle aus dem Bewirtungsverhältnis dann über den Trauungswilligen gem. § 13 Abs. 3 PStG i.V.m. nicht so genau und führt dies zur erheblichen Erkrankung Nr. 13.4 PStG-VwV verpflichtet, gegebenenfalls eine unver- der Brautleute bzw. auch der Hochzeitsgäste, begründet dies zügliche Eheschließung zu ermöglichen, wenn sich einer der nicht nur einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufprei- Verlobten in erkennbarer Todesgefahr befindet.11 ses gem. §§ 651, 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 441 Abs. 3 und 4 BGB, sondern auch Schadensersatzansprüche gem. §§ 651, IV. Hochzeitsfeier mit und ohne Scherben 434, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, wobei diese sogar Wer auf dem Weg von der Kirche bzw. dem Standesamt zu Schmerzensgeldansprüche aufgrund des Reputationsverlustes den Feierlichkeiten als Brautpaar in einer Kutsche oder einem und der getrübten Hochzeitsfreude umfassen können.19 sonstigen würdigen Gefährt in einen Verkehrsunfall verwi- ckelt wird, kann nach Auffassung des LG Görlitz die Kosten Ist das Hochzeitsessen in nicht ganz so dramatischem Um- weder für die Hochzeitskutsche, noch für die festliche Klei- fang mangelhaft, weil z.B. das bestellte Kindermenü fehlt, die dung als materielle Schadenspositionen geltend machen, da langsame oder fehlende Bedienung zum Erkalten der Speisen die Kleidung bereits für die Trauung im Standesamt genutzt oder dazu führt, dass die Gäste selbst bei der Bedienung aus- und die Fahrt auch schon angetreten wurde.12 helfen müssen, so kann dies in entsprechender Anwendung Zu den nicht ersatzfähigen Schadenspositionen zählen bei einer vielleicht dann nicht stattfindenden Hochzeitsfeier ent- 6 OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 899; AG Neumünster FamRZ 2000, 817, 818; Jauernig/Budzikiewicz, BGB, 16. Aufl. 2015, §§ 1298, 1299 Rn. 3. gangene Gastgeschenke, da der Zweck einer Hochzeit nicht 7 OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 355 f. 13 auf eine Gewinnerzielungsabsicht gerichtet ist. 8 OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 355; vgl. Jauernig/Budzikiewicz, a.a.O., welcher bei Heiratsschwindlerei auf deliktische Ansprüche hinweist. Schadensersatz gem. §§ 280, 282, 241 Abs. 2 BGB kann 9 OLG Köln NJW 1961, 1726. einem Hochzeitspaar dann zustehen, wenn die angemieteten 10 Roth, in: MüKo/BGB, 7.Aufl. 2017, § 1301 Rn. 7. Räume, sei es aufgrund einer schlichten Verweigerung, sei es 11 OLG Nürnberg FamRZ 1988, 1047 (mit Anm. Bosch); OLG Nürnberg StAZ 1991, 14; BGH FamRZ 1989, 1048 (mit krit. Anm. Bosch); BGH aufgrund einer Doppelbelegung, für die Hochzeitsfeier nicht FamRZ 1991, 541 (mit Anm. Bosch); OLG Düsseldorf FamRZ 2004, 703; zur Verfügung gestellt werden können. Der Gastwirt muss siehe vertiefend: Bingel StAZ 1989, 382; Hepting/Gaaz, Familie und Per- aber nicht für eine seelische Beeinträchtigung der Brautleute sonenstand, 2. Aufl. 2015, Teil III Rn. 179. haften, da er nicht vorhersehen muss, dass deren psychische 12 LG Görlitz SP 2001, 376. 13 OLG Frankfurt BB 2011, 1474. Reaktionen nach Art, Intensität und Dauer derart stark aus- 14 OLG Saarbrücken NJW 1998, 2912. fallen, dass sie einer Körperverletzung oder Gesundheitsschä- 15 AG Neuss NJW 2003, 3785. digung gleichkommen.14 Anders dagegen, wenn der Vermie- 16 AG Köln, Urt. v. 17.06.2014 – 147 C 68/14, JurionRS 2014, 18945; ter seine konservative Grundhaltung bei der Vermietung von bestätigend LG Köln NJW 2016, 510. 17 OLG Frankfurt BB 2011, 1474. Hochzeitsräumlichkeiten gewahrt sehen möchte. Zum einen 18 AG München, Urt. v. 24.09.2010 – 114 C 31049/09, BeckRS 2011, 15237. kommt eine Anfechtung eines Mietvertrages nämlich selbst 19 BGHZ 116, 104; LG Ansbach, Urt. v. 12.07.2011 – 3 O 1139/10, BeckRS dann nicht in Betracht, wenn es sich bei der »Hochzeit« nicht 2011, 21606.

FuR 7 · 2017 365 Aus der Praxis Herzog · Heirat mit Hindernissen

der §§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB dazu führen, dass die Ehe- technische Gegenstände nur von Inhabern einer Erlaubnis leute den Zahlungsanspruch des Gastwirts mindern können.20 nach § 7 bzw. § 27 1. SprengV oder eines Befähigungsscheins gem. § 20 SprengG oder bei Vorliegen einer Ausnahmege- Ist das Hochzeitsbuffet abgeräumt und die Hochzeitstorte an- nehmigung gem. § 24 1. SprengV abgebrannt werden dürfen. geschnitten, so folgt der Hochzeitstanz als nächster gefahren- Ohne den Besitz einer Erlaubnis, eines Befähigungsscheins trächtiger Teil der Feierlichkeiten. Der Gastwirt muss damit oder einer Ausnahmegenehmigung ist das Zünden eines rechnen, dass sich die feiernden und eventuell alkoholisierten Feuerwerks ein Verstoß gegen § 23 Abs. 2 1. SprengV und Gäste unverständig verhalten und in ihrer Gehsicherheit ein- damit eine Verletzung eines Schutzgesetzes i.S.v. § 823 Abs. 2 geschränkt sind. Die Hochzeitsgäste ihrerseits müssen sich BGB, welche zu einer deliktischen Haftung der Veranstalter grundsätzlich darauf einstellen, dass eine Tanzfläche glatt sein führt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Verkehrssiche- kann, ohne dass der Gastwirt hierauf besonders hinweisen rungspflichten im Übrigen eingehalten wurden.28 muss, solange bei Benutzung eines für solche Festlichkeiten üblichen Schuhwerks kein Sturz droht.21 Gleiten allerdings Endet die Hochzeitsfeier statt mit einem romantischen Feuer- selbst die Stühle auf solch einer Tanzfläche besonders leicht werk mit verletzten Hochzeitsgästen aufgrund fehlgegangener weg, liegt eine schadensersatzauslösende Verletzung der Ver- Raketen und muss die Hochzeitsfeier deshalb abgebrochen kehrssicherungspflicht des Gastwirts vor.22 werden, so steht den Brautleuten nach der Rechtsprechung kein Schmerzensgeld für die psychische Beeinträchtigung zu, Ist nicht der glatte Fußboden, sondern der exzessive Tanzstil sofern sie nicht eine medizinisch relevante Auswirkung der eines anderen Hochzeitsgastes der Grund für Verletzungen erlittenen Angst und Trauer darlegen können29. auf der Tanzfläche, so kommt eine Haftung des Tänzers gem. § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Dabei richtet sich der an- So romantisch sie auch anmuten mögen, sollten die Braut- zuwendende Sorgfaltsmaßstab normalerweise nach der Um- leute und Veranstalter der Hochzeitsfeier doch besser auf den sicht und Rücksichtnahme, welche von einem besonnenen Einsatz von Himmelslaternen verzichten. Abgesehen davon, und gewissenhaften Tänzer aufgebracht wird.23 Dieser Sorg- dass das Aufsteigenlassen mittlerweile durch das Landesrecht faltsmaßstab ist jedoch erhöht, wenn der Tänzer auf einer weitestgehend verboten ist,30 stellt es sich unabhängig von allgemein belebten Tanzfläche bei einer Hochzeit eine Tanz- den jeweiligen Witterungs- und Windverhältnissen als Ver- form wählt, die besondere Anforderungen an die Körper- stoß gegen die Verkehrssicherungspflichten dar, weil nach beherrschung und den Gleichgewichtssinn stellt, z.B. indem dem Loslassen üblicherweise keinerlei Einwirkungsmöglich- er »Luftgitarre spielt«.24 keiten mehr bestehen, wodurch eine deliktische Haftung gem. §§ 823 ff. BGB begründet wird.31 Kein Schadensersatzanspruch wegen öffentlicher Musikwie- dergabe muss übrigens wegen der zum Tanz gespielten Musik VIII. Hochzeitsunterkünfte und ihre Gefahren befürchtet werden. Gemäß einem Urteil des AG Bochum ist Begeben sich die Hochzeitsgäste, nachdem der letzte Tanz nämlich eine Hochzeitsfeier aufgrund der persönlichen Ver- getanzt und das letzte Bier getrunken ist, schließlich in ihr bundenheit der Teilnehmer i.S.v. § 15 Abs. 3 UrhG nicht Hotel zurück, sollten sie sich vorher gut überlegt haben, wie öffentlich, selbst wenn hunderte Gäste geladen sind.25 sie ihren zur Feierlichkeit getragenen Schmuck aufbewahren. Wird er z.B. im Auto auf dem Hotelparkplatz gelassen, so VI. Alle mal lächeln! haftet der Hotelbesitzer hierfür gem. §§ 701 f. BGB nicht, Ein fester Bestandteil des Hochzeitstages ist das Fotoshooting, falls nicht ein ausdrücklicher Verwahrungsvertrag für die denn der denkwürdige Tag will ja für die Ewigkeit festgehalten im Auto befindlichen Gegenstände geschlossen wurde.32 sein. Streit entsteht allerdings nicht nur darüber, wer in der Selbst wenn ein Pförtnerhäuschen existiert, der Parkplatz ersten Reihe stehen darf, sondern auch darüber, wer die Fotos abgesperrt oder eine Überwachungskamera installiert ist, später wie nutzen darf. Werden Fotoaufnahmen ohne die gem. begründet dies nach der allgemeinen Verkehrsanschauung § 22 Satz 1 KUG erforderliche Einwilligung des Ehepaares, kein Vertrauen dahingehend, dass der Hotelbetreiber das z.B. vom Gastwirt, verwendet, um für die Räumlichkeiten zu werben, so begründet dies mangels einer schweren Persönlich- keitsrechtsverletzung zwar keinen Schadensersatzanspruch, 20 AG München, Urt. v. 02.02.2016 – 159 C 601/15, JurionRS 2016, 17294. rechtfertigt aber eine fiktive Lizenzgebühr gem. §§ 812 Abs. 1 21 BGH NJW 1991, 921; OLGR Naumburg 2007, 269, 270. Satz 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB, bei deren Bemessung auch 22 BGH NJW 1991, 921. die überdurchschnittliche Eingriffsintensität in einen persön- 23 OLG Hamm NJW-RR 1988, 1245; OLG Oldenburg NJW-RR 1990, 1437. 24 OLG Hamm NJW-RR 2010, 450. lichen, intimen Moment im Leben des Ehepaares Berücksich- 25 AG Bochum GRUR-RR 2009, 166. 26 tigung findet. 26 LG ZUM-RD 2010, 625. 27 EGMR, Entscheidung vom 16.06.2016 – Az. 68273/10, 34194/11, Wer sein Eheglück mit einem prominenteren Partner sucht, BeckRS 2016, 14000; OLG Hamburg ZUM 2009, 65; dagegen Geldent- muss dagegen wohl oder übel weitestgehend mit der Bericht- schädigung zusprechend LG Köln, Urt. v. 30.07.2008 – 28 O 148/08, erstattung leben, da hilft auch kein Zug durch alle Instanzen JurionRS 2008, 36316; LG Hamburg ZUM 2008, 801; OLG Köln ZUM 27 2009, 486; Unterlassungsansprüche bejahend: LG AfP 2003, 2010; bis hin zum EGMR unter Berufung auf Art. 8 EMRK. zur aktuellen Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts zur Hochzeits- berichterstattung vgl. Sajuntz NJW 2017, 698, 700. VII. (K)ein funkelnder Abschluss der 28 OLGR Düsseldorf 2003, 344, 345. Hochzeitsfeier 29 OLG Brandenburg NJW-RR 2005, 253, 254. Egal, ob es sich um eine Überraschung oder einen expliziten 30 Z.B. in Nordrhein-Westfalen durch die Fluglaternenverordnung vom 13.07.2009 oder in Rheinland-Pfalz durch die Gefahrenabwehrverord- Wunsch der Brautleute handelt, zu vorgerückter Stunde das nung-Himmelslaternen vom 31.08.2009. Fest mit einem Feuerwerk zu krönen, sollte auf keinen Fall 31 OLG Koblenz, Urt. v. 15.10.2015 – 6 U 923/14, JurionRS 2015, 29117. übersehen werden, dass nach § 23 Abs. 2 1. SprengV pyro- 32 LG Köln, Urt. v. 12.05.2016 – 22 O 285/15, JurionRS 2016, 23000.

366 FuR 7 · 2017 Herzog · Heirat mit Hindernissen Aus der Praxis

Fahrzeug bewachen, vor Diebstählen schützen und hierfür BGB verlangen, sondern darüber hinaus noch den Reisepreis haften will.33 mindern, denn bei solch einer Reise soll nach Ansicht des AG Frankfurt am Main der Wegfall von zu besonderen Zwecken Findet die Hochzeitsfeier in dem zur Übernachtung genutz- im Rahmen der Reise mitgeführter Kleidung die Reisequali- ten Hotel statt, so muss der Gastwirt damit rechnen, dass die tät negativ beeinträchtigten.38 Hochzeitsteilnehmer wertvollen Schmuck bei sich führen, so dass sich seine Schutzpflichten erhöhen. Dann muss er die Gäs- Wer sich beim Reiseveranstalter schadlos halten will, weil ge- te bei konkreten Diebstahlsgefahren diskret warnen und eine rade der Charakter der Hochzeitsreise als solcher durch Reise- Verwahrung im Hotelsafe anregen, andernfalls haftet er gem. mängel beeinträchtigt war, muss diese Eigenschaft der Reise §§ 701 f. BGB. Allerdings kommt auch ein Mitverschulden auch zum Gegenstand des Reisevertrages machen, andernfalls der bestohlenen Gäste in Betracht, wenn sie erkennen können, kann er hieraus keine Rechte herleiten.39 dass die Zimmer nicht hinreichend gegen Diebstähle gesichert sind, und den Schmuck trotzdem offen stehen lassen.34 Keinen Schadensersatz dürfen die frisch Vermählten erwar- ten, wenn sie ihre Flitterwochen in Urlaubsregionen ver- IX. Ab in die Flitterwochen bringen, in denen allgemein eine erhöhte Kriminalitätsrate Eine klassische Gondelfahrt in Venedig, ein romantischer bekannt ist, und sie tatsächlich Opfer einer Straftat werden, Spaziergang auf dem Champs-Élysées oder auch ein Besuch denn in diesem Fall realisiert sich nur das in den Gefahrenbe- in Las Vegas – für viele Paare gehört die Hochzeitsreise zum reich der Reisenden gehörende allgemeine Lebensrisiko, und festen Bestandteil der Hochzeitsplanungen. ein Reisemangel i.S.v. § 651c Abs. 1 BGB ist zu verneinen.40 Mögen sich die Brautleute für die Hochzeitsfeier auch einen Wenn aber das Brautpaar daraus eine Reisepreisminderung oder mehrere Tage Urlaub genommen haben, so rechtferti- ableiten will, dass es im gebuchten Hotelzimmer statt des gen Beeinträchtigungen der geschuldeten Dienstleistungen erwarteten Doppelbettes nur Einzelbetten vorfindet und am Hochzeitstag keinen Schadensersatz gem. § 651f BGB, sich die Nächte im Urlaub deshalb nicht ganz so feurig denn die Hochzeitsfeier selbst unterfällt grundsätzlich nicht gestalten, lese es besser zuvor das mittlerweile legendä- dem Reisevertragsrecht, und die Norm ist insoweit auch nicht re Urteil des AG Mönchengladbach, das nicht nur eine einer Analogie zugänglich.35 Minderung versagt, sondern gleichzeitig lebensnahe Ab- hilfemöglichkeiten anbietet.41 Reisevertragsrecht kommt aber dann zur Anwendung, wenn die Hochzeitsfeier direkt mit der Hochzeitsreise kombiniert X. Fazit werden soll, also die Reise als »Hochzeitspaket« gebucht wird Mag auch der zentrale rechtliche Gesichtpunkt am Hoch- und dann einzelne Bestandteile, wie z.B. ein Hochzeitsdin- zeitstag die Eheschließung i.S.v. § 1310 Abs. 1 BGB sein, so ner, fehlen. In diesem Fall ist das Reisevertragsrecht anwend- sind doch die rechtlichen Beziehungen, die den Hochzeits- bar und es ist, da das Erlebnis der Hochzeit im Vordergrund rummel durchziehen, bunter und vielfältiger als mancher steht, gegenüber welchem die normalen Urlaubsleistungen Brautstrauß. Und es scheint, als sei fast jeder Moment des untergeordnet sind, nach Ansicht des LG Hamburg zumin- Hochzeitstages bereits Gegenstand von Gerichtsverfahren ge- dest eine Minderung gem. § 651d Abs. 1 BGB gerechtfertigt, wesen, wenn auch die Rechtsprechungsdichte hierzu naturge- mag auch je nach Einzelfall die Schwelle für einen Schadens- mäß nicht so hoch ist wie zum Ende der Ehe im Rahmen der ersatzanspruch nach § 651f BGB noch nicht überschritten Scheidung. Die dargestellte Bandbreite der Rechtsprechung sein.36 zeigt letztendlich, dass selbst eine wohldurchdachte Planung dieses Tages die Brautleute weder davor schützt, Pannen zu Bei einem solchen Heiratspaket obliegt dem Reiseveranstal- erleben, die über solche Zwischenfälle hinausgehen, die den ter auch die Prüfung, ob die für die Eheschließung notwen- Tag (im humorvollen Sinne) zu einem unvergesslichen ma- digen Unterlagen vorliegen. Verletzt er diese Kontroll- und chen, noch davor, dass sie ihre Hochzeitserinnerungen mit Korrekturfunktion, haftet er zwar einerseits anteilig für den einem Anwalt oder Richter teilen müssen. entstandenen Schaden, z.B. für die Kosten einer Neugravur der Eheringe, er muss aber andererseits aufgrund des zu beja- henden Mitverschuldens der Brautleute keine Minderung des 33 LG Köln, Urt. v. 12.05.2016 – 22 O 285/15, JurionRS 2016, 23000. Reisepreises hinnehmen, denen diese Vorbereitung eigentlich 34 OLG München VersR 1990, 1245. 37 35 OLG Brandenburg NJW-RR 2005, 253, 254. zunächst obliegt. 36 LG Hamburg NJW-RR 1997, 1138, welches von einer 30 %-Minderung ausgeht; kritisch insb. zum Berechnungsweg: Tempel RRa 1997, 131. Die für die Hochzeit angeschafften Kleidungsstücke können 37 AG Düsseldorf, Urt. v. 18.11.1991 – 37 C 11022/91, BeckRS 1991, 05959. im Übrigen bedenkenlos mit in die Flitterwochen genom- 38 AG Frankfurt am Main NJW-RR 1993, 1328 f; zur Haftung bei der Be- men werden, wenn die Brautleute sich für eine Kreuzfahrt schädigung eines Brautkleides bei der Reinigung s.a. AG Augsburg, Urt. v. entscheiden. Werden die Kleidungsstücke durch das Personal 30.11.2016 – 73 C 208/16, BeckRS 2016, 111461. 39 AG Bad Homburg, Urt. v. 02.03.1999 – 2 C 4972/98, BeckRS 1999, 14967. durch falsches Bügeln beschädigt, so können die Hochzeits- 40 OLG München NJW-RR 2004, 1698, für einen nächtlichen Hotelüberfall reisenden vom Veranstalter der Reise nicht nur Schadensersatz in Kenia im Jahr 2002. wegen der verdorbenen Kleidungsstücke gem. § 651f Abs. 1 41 AG Mönchengladbach NJW 1995, 884.

FuR 7 · 2017 367 Aus der Praxis Heuchemer · Kardinalfehler der Rechtsprechung im Umgangsrecht

Kardinalfehler der Rechtsprechung im Umgangsrecht – Rechtsfehler, Rechtsverletzungen und die (In-)Effizienz prozess- und materiell-rechtli­ cher Korrekturmechanismen im Instanzenzug am Beispiel der Eltern-Kind-Entfremdung (Parental Alienation Syndrome »PAS«) Von Dr. Michael O. Heuchemer, Rechtsanwalt, Bendorf

Während in einer aktuellen Entscheidung der BGH1 unter damit gerichtliche Entscheidungen wieder mehr dem Willen Würdigung der Bedeutung des Umgangs für das Kindeswohl des Gesetzgebers, v.a. aber den verfassungsmäßig verbrieften ein paritätisches Wechselmodell als Umgangsregelung selbst Grundrechten und den in der Europäischen Menschenrechts- bei Ablehnung durch einen Elternteil für möglich erachtet, konvention formulierten Menschenrechten entsprechen. 2 hat hingegen das BVerfG in einer Entscheidung aus dem Jahr 5 2016 eine Beschwerde eines Vaters gegen einen unbefriste- Nachdem im ausgewählten Fallbeispiel ein FamG nach ten Umgangsausschluss mit seiner im Jahr 2003 geborenen der Scheidung entgegen dem Antrag des Vaters und ohne Tochter verworfen und damit einerseits die Entscheidung des rechtlich nachvollziehbaren Grund das Sorgerecht für den BGH konterkariert und andererseits die Rechtsprechung im einzigen, gemeinsamen, ehelichen Sohn ganz auf die Mutter Vergleich zu früheren Entscheidungen, auch des EGMR,3 übertragen hatte, verhinderte diese sodann gerichtlich ga- revolutioniert. Begründet wurde diese Entscheidung des rantierte Umgangstreffen des Vaters mit seinem Sohn bzw. BVerfG mit dem angeblich nach Sachverständigen-Auf- machte diese, teilweise sogar mit dem Sohn als Sprachrohr, fassung gefährdeten Kindswohl. Die Gefährdung resultiere von Eigentumsübertragungen an die Kindesmutter abhängig. einerseits daraus, dass beide Eltern das betroffene Kind auf- Die gerichtliche Klage auf Durchsetzung und Verbesserung grund ihres langjährigen Streits in einen es erheblich belas- des Umgangs wurde vom FamG nicht nur abgewiesen, son- tenden Konflikt gebracht hätten, den es dadurch zu lösen dern es wurde sogar eine zweijährige Umgangssperre ausge- versuche, dass es den Vater ablehne. Andererseits ergebe sich sprochen. Die angerufene Beschwerdeinstanz verdoppelte eine Kindswohlgefährdung aus der Nichtbeachtung des geäu- nach Vorliegen eines weiteren Gutachtens kurzerhand das ßerten Kindeswillens, in diesem Fall bis zum 18. Lebensjahr Umgangsverbot, ohne jeglichen Vortrag des Kindsvaters keinen Umgang mit dem Vater mehr haben zu wollen. Selbst i.S.d. Beschwerdeschrift materiell zur Kenntnis zu nehmen, das Außerachtlassen des beeinflussten Willens sei nur dann so dass der Vater seinen Sohn de facto zwischen dessen 11. gerechtfertigt, wenn die manipulierten Äußerungen des Kin- und 17. Lebensjahr nicht mehr treffen konnte, und dies, ob- des den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entsprächen. gleich vorher zwischen Vater und Sohn eine enge persönliche Bindung bestanden hatte. Eine Rechtsbeschwerde zum BGH, Dies wirft den Aspekt der Konsistenz der höchstrichterlichen deren Ergebnis vor dem Hintergrund der oben genannten familiengerichtlichen Rechtsprechung auf und lässt, pointiert BGH-Entscheidung sehr interessant gewesen wäre, war vom formuliert, fragen: Wie falsch muss eine Entscheidung sein, OLG im Beschluss nicht zugelassen worden: Gemessen an um mit Sicherheit an irgendeiner Stelle im nationalen fach- den nunmehr erfolgten, streng am Kindeswohl orientierten gerichtlichen Rechtszug aufgehoben zu werden? Die Frage scheint vermessen angesichts der grundsätzlichen Justizgläu- bigkeit, welche zugleich natürlich auch ein Fundament unse- 1 BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 601/15, wobei der 12. Senat im Rah- res Verfassungsstaates ist. Freilich: Der Kapitulationspunkt men einer sorgfältigen Herleitung aus dem Grundgedanken des Kindeswohls des Rechtssystems ist es, wenn Entscheidungen im gesamten die bis dato gültige, gefestigte Rspr. »umstürzt«, wonach das »Wechselmo- dell« beim Widerstand eines Elternteils grds. nicht statuiert werden soll. fachgerichtlichen Rechtszug standhalten, die materiell grob 2 Beschl. v. 17.09.2016 – 1 BvR 1547/16, FamRZ 2016, 1917. rechtswidrig sind und – speziell im Familienrecht – gefes- 3 EGMR, 25735/94 v. 13.07.2000, Abs.-Nr. 34 (Elsholz ./. Deutschland). tigten wissenschaftlichen Erkenntnissen krass widersprechen. 4 Fälle, in denen schlicht das Ergebnis am Ende des fachgerichtlichen Rechts- Dann ist der systemimmanente Fehler nicht mehr zu recht- zugs derart befremdet und inkommensurabel ist mit gefestigten wissen- schaftlichen Erkenntnissen zum Kindeswohl, müssen Anlass sein, dies zu fertigen. Die Ausgangsfrage lässt sich dann nicht mehr quali- thematisieren und auch die Rolle von Sachverständigen kritisch zu hinter- fiziert beantworten.4 Schon diese Eingangsüberlegung mag fragen. Denn diese müssen konsequent auf ihre Rolle als Erkenntnisge- aufzeigen: Die Fälle sind Legion. hilfen beschränkt bleiben – während das Gericht die Letztverantwortung trägt. Im vorliegenden Aufsatz wird ein derartiger Fall besprochen: Wenn Im Bereich des die BVerfG-Entscheidung betreffenden Fa- es gefestigte Rspr. ist, dass weder in Fällen der Pädophilie des Vaters milienrechts ist eine Fehlersuche durch die meist nur rudi- (OLG Hamm FamRZ 1993, 1233; vgl. dazu auch BVerfG FamRZ 2005, 1816/1971 m. Anm. Motzer noch der Strafhaft des Vaters (OLG Hamm mentär bekannte Faktenlage besonders schwierig, andererseits FamRZ 2003, 951; Palandt/Götz, § 1684 Rn. 18) noch einer Aidserkran- auch sujetbedingt besonders lohnend, weshalb anhand eines kung des Vaters (OLG Hamm NJW 1989, 2336; OLG Frankfurt NJW exemplarisch, induktiv aufbereiteten Falls aus dem Umgangs- 1991, 1554) noch des ausgeprägten Alkoholismus des Vaters (KG FamRZ recht aufgezeigt werden soll, dass Fälle des Versagens sämtli- 2002, 412) der Umgang ohne weiteres ausgeschlossen werden darf und selbst bei der Gefahr sexuellen Missbrauchs der Ausschluss des Umgangs cher Korrekturmechanismen nicht nur denkbar sind, sondern nach gefestigter Rspr. nicht zwingend ist (OLG Celle FamRZ 1998, 971; bis einschließlich der Instanz des EGMR sogar durch struk- Palandt/Götz, § 1684 Rn. 36), so wird der vorliegend statuierte Umgangs- turelle Gegebenheiten im Rahmen des Ist-Zustands unseres ausschluss zum Nachteil eines Professors und Chefarztes – noch dazu im Justizsystems begünstigt werden. Rahmen eines dilatorisch geführten Verfahrens – keinen materiellen Be- stand haben können. Zu den strukturellen prozessualen Ursachen einer Ziel soll es sein, anhand dieses Falles Schwachstellen in der mangelnden Korrektur im gesamten Rechtszug siehe BeckOK StGB/Heu- 4th Issue chemer, § 13 StGB Rn. 52a-c. Rechtspraxis vor dem Hintergrund psychotherapeutischer 5 Der Instanzenzug war: AG Jena: Az. 44 F 172/06, OLG Jena: Az. 1 UF Erkenntnisse zu erkennen und Veränderungen anzuregen, 156/08, BVerfG: 1 BvR 2109/10, EGMR: Beschwerde Nr. 29837/11.

368 FuR 7 · 2017 Heuchemer · Kardinalfehler der Rechtsprechung im Umgangsrecht Aus der Praxis

Maßgaben und der dortigen Betonung des strengen Maßstabs hatte kürzlich auf seiner Website geschrieben, das PAS sei beim Umgangsausschluss im Fall einer Trennung von Eltern eine Form häuslicher Gewalt, da es jemandes Beziehung mit und Kind6 hätte die Entscheidung nicht stand gehalten, zu- Kindern beschädige. Pamela Roche, eine Kennerin der Stel- mal es mehr als begrüßenswert ist, dass der BGH es in dieser lungnahmen und der Meinungsbildung der Amerikanischen jüngsten Grundsatzentscheidung kritisch beäugt, wenn die Psychologischen Gesellschaft (APA), schreibt: »Future APA Streitigkeiten der Eltern sich »zum größten Teil auf vermö- policy can neither deny the existence of parental alienation gensrechtliche Fragen beziehen«7 – denn allzu leicht wird das nor deny that it is child abuse, without contradicting publis- Kindeswohl vom sich »sperrenden« Elternteil als Faustpfand hed APA material«.12 für Vermögensinteressen missbraucht, und das »Kindeswohl« Obwohl im vorliegenden Fall sämtliche Diagnosekriterien, wird bloß als Vorwand vorgebracht. Eine Beschwerde gegen 13 14 dieses erneute Umgangsverbot beim BVerfG blieb trotz Be- wie sie von Gardner et al. formuliert worden waren, nach- schleunigungsgebot fast zwei Jahre liegen, bis dann per Form- weislich erfüllt waren, war das PAS im erstinstanzlichen Gut- blatt begründungslos mitgeteilt wurde, die Beschwerde werde achten kein Thema. Im zweitinstanzlichen Gutachten ver- nicht zur Verhandlung angenommen. Ähnlich verlief die frist- neinte der Gutachter das Vorliegen eines PAS, weil es ein gerecht erhobene Menschenrechtsbeschwerde beim EGMR. anerkanntes PAS-Syndrom mit Diagnosenummer nicht gebe und weil selbst von Befürwortern des Konzeptes eingeräumt Auch wenn das mit diesen Abläufen verbundene Unrecht mit werde, dass solcherlei Beeinflussungsprozesse lediglich im Al- den Händen zu greifen ist, lohnt es, sich mit einzelnen Ele- ter zwischen acht und zwölf Jahren ihre Wirkung entfalten menten näher zu beschäftigen. könnten, das Kind aber zur Zeit der Begutachtung älter sei. Dabei übersah er aber, dass angefangen von einem ursprüng- Nicht unwesentlich für den Unwillen der Berufungsinstan- lichen Besuchsrechtssyndrom15,16 Umgang schon ab dem zen, sich mit dem Fall zu beschäftigen, scheint der durch die Missachtung des Beschleunigungsgebotes (auch im Lichte des Art. 6 EMRK) bewirkte Zeitverlust zu sein, der vom erst- instanzlichen FamG angefangen sich bis zu den höchsten 6 Vgl. BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 601/15 Rn. 8, mit den Maß- gaben zum Kindeswohl nach § 1697a BGB unter Berücksichtigung der Gerichten erstreckte. Dies geschieht ungeachtet der einfach Grundrechtspositionen der Eltern; vgl. BVerfG FamRZ 2013, 361, 363. rechtlich, verfassungsrechtlich und konventionsrechtlich be- 7 BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 601/15, Rn. 34. denklichen Tatsache, dass dem Beschleunigungsgebot in die- 8 Zum Inhalt dieser verfassungskräftigen Gewährleistung BVerfGE 21, 191 sen familienrechtlichen Konstellationen ein ganz besonders [194]; 96, 205 [216], BVerfGE 25, 137 [140]; 134, 106 [117 Rn. 32], BVerfGE 47, 182 [187 ff.]; 86, 133 [146]; st. Rspr., Beschl. v. 09.05.2003 – hoher Stellenwert zukommt. Dies gilt logisch notwendig be- 1 BvR 2190/00, siehe jüngst auch BverfG, Beschl. v. 27.03.2014 – 1 BvR reits deshalb, weil ansonsten eine Rechtsvereitelung eintreten 2819/14. kann durch diejenige Erledigung, die dann eintritt, wenn ent- 9 Zum Inhalt des verfassungsrechtlichen Schutzgehalts BVerfGE 69, 141, weder das betroffene Kind/der Jugendliche die Volljährigkeit 143 f.; BVerfG NVwZ 1994, 61; NJW 1994, 996 m.w.N., zur zusätzlichen konventionsrechtlichen Dimension EGMR, Urt. v. 27.10.1993 Dombo erreicht oder ein sonstiger in Familiensachen angesichts ihrer Beheer, Serie A 274, Ziffer 33; EGMR, Urt. v. 23.10.1996 Ankerl, RJD Sensibilität gut denkbarer faktischer Erledigungstatbestand 1996 – V Z. 38; EGMR, Urt. v. 19.10.2004, Makhfi, 59335/00. eintritt. Das Konventionsrecht auf Erledigung des Verfahrens 10 (CASE OF ELSHOLZ v. , (Applicationno. 25735/94), Urteil binnen angemessener Zeit aus Art. 6 Abs. 1 EMRK hat inso- 2000; AFFAIRE ZAVŘEL c. RÉPUBLIQUE TCHÈQUE (Requêteno 14044/05) Urteil (in Französisch) rechtskräftig 18.04.2007; Koudelka fern eine besondere normative Bedeutung in diesen Zusam- gegen Tschechien vom 20.07.2006 (no. 1633/05). menhängen – leider spottet die empirische Realität diesem 11 1 BvR 1547/16. Rechtsprinzip – wie zu zeigen sein wird – nur zu oft. Damit 12 http:​/​/​www.​parentherald.​com/​articles/​72615/​20161010/​parental-​ ist zugleich das Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 alienation-​latest-​news-​updates-​parental-​alienation-​really-​exist-​apa-​ 8 confirms-​psychological-​child-​abuse.​htm. Abs. 1 GG sowie das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus 13 RA Gardner: Parental Alienation Syndrome (PAS): Sixteen Years Later. 9 Art. 19 Abs. 4 GG im Kern ausgehebelt. In: Academy Forum. 45, Nr. 1, 2001, S. 10–12. 14 Andritzky W.: Parental Alienation Syndrome. Nicht instrumentalisieren las- Von besonderer Bedeutung ist die auch im vorliegenden Fall sen. DtschArztebl, 100, 2003, S. 81–82. Im Gegensatz zum Besuchsrechts- übermächtige Rolle der Gutachter, deren Meinung sowohl syndrom zeigen sich beimPAS mehrere, einfach erkennbare Symptome im das FamG wie das OLG unhinterfragt übernommen hatten. Verhalten des Kindes: Es werden Meinungen und wörtliche Formulierun- gen vom betreuenden Elternteil übernommen, die dessen Haltung zum Aufgrund psychologischer Gutachten hat sich im Verlauf der anderen charakterisieren. Das Gesagte wird in nicht kindgerechter Sprache letzten beiden Jahrzehnte aber auch die Rechtsprechung der (»Er hat einen Machtkomplex.«) und gekünstelter Stimmlage vorgebracht. obersten Gerichte diametral gewandelt, obwohl die Grund- Es werden neue Ablehnungsgründe »hinzuerfunden«, das Kind wirkt beim und Menschenrechte bekanntlich gleich geblieben sind. Gespräch motorisch unruhig und gespannt. Nicht nur der andere Eltern- teil, sondern dessen gesamtes soziales und familiäres Umfeld wird in die Wurde zunächst das Vorliegen eines sogenannten Parental Ablehnung miteinbezogen, zum Beispiel früher geliebte Großeltern und Alienation Syndrome (PAS) als kindswohlgefährdend ange- Freunde. Das Kind »spaltet«: Der betreuende Elternteil ist nur »gut«, der sehen und durch Einflussnahme auf die entfremdende Person andere nur »schlecht«, die natürliche Ambivalenz fehlt. Das Kind ergreift einzudämmen versucht,10 so wird aktuell jedwede geäußerte reflexhaft für den Betreuer Partei. Das Kind betont auffällig, dass alles, was es sage, sein eigener Wille sei (»Ich will das.«). Wenn der Entfremdungs- Umgangsablehnung durch das Kind dazu benutzt, auch un- prozess fortgeschritten und sich der betreuende Elternteil sicher ist, dass 11 begrenzt Umgang auszuschließen. das Kind keinen Wunsch nach Kontakt zum anderen mehr äußert, betont er oft: »Ich wäre der/die Letzte, die etwas gegen Besuche hat, aber das Kind Mittlerweile besteht international vorherrschend die Mei- will nicht.« nung, eine induzierte Eltern-Kind-Entfremdung sei als Form 15 Folgen von Vaterentbehrung, Eine Literaturstudie, Rotraut Erhard, Her- psychischen Missbrauchs anzusehen. In den Staaten Brasi- bert Janig, unter Mitarbeit von Matthias Lang, Gabriele Deschka und Karl Krisch, S. 104–106, Wien und Klagenfurt, 2003. lien und Mexiko gilt das Vorliegen eines PAS als Verbrechen 16 Andritzky, W.: Parental Alienation Syndrome. Nicht instrumentalisieren des Entfremders und das amerikanische Justizministerium lassen. Dtsch Arztebl 2003; 100: A 81–82.

FuR 7 · 2017 369 Aus der Praxis Heuchemer · Kardinalfehler der Rechtsprechung im Umgangsrecht

11. Lebensalter des Sohnes komplett verhindert und schon zum Ausdruck kommt, widersprochen worden, etwa das lange vorher, gemäß gerichtlicher Aussage des damals fünf- »Zur-Ruhe-Kommen« des Kindes nach Umgangsabbruch sei jährigen Kindes, wider dessen Wunsch erheblich behindert ein Ausdruck der »Seelenruhe« des Kindes.25 Alle diese Aus- worden war.17 führungen zum Zweitgutachten wurden ignoriert. Ignoriert

18 wurden auch alle angebotenen Zeugenaussagen aus dem Ver- Wilfrid von Boch-Galhau , Facharzt für psychotherapeuti- wandtenkreis des Vaters, die hätten belegen können, dass sich sche Medizin, Nervenarzt/Psychotherapie und Kenner des der Sohn bei seinem Vater immer wohlgefühlt hatte und sich PAS schreibt zu diesem Thema: auch schon heftig gewehrt hatte, als er zurück zur Mutter »In den letzten Jahren sehen wir in der psychiatrischen und psy- gebracht werden sollte; nur die Zusicherung des Vaters, ihm chotherapeutischen Praxis vermehrt sowohl erwachsene Schei- per Gerichtsentscheid den Weg zum Vater zu sichern, konn- dungskinder als auch betroffene Eltern, die durch Entfremdung te das Kind beruhigen. Stattdessen wurde Vater und Sohn und Kontaktabbruch nach Trennung/Scheidung erheblich trau- ein de facto fast sechsjähriges Umgangsverbot auferlegt, eine matisiert sind. Diese Menschen kommen häufig mit schweren psychische Traumatisierung, die durch das kindliche Zeit- psychischen und/oder psychosomatischen Beschwerden zur Bera- erleben noch potenziert wird.26 Diese vorangegangene Wil- tung/Behandlung.«19 lensäußerung des Kindes, noch im Vertrauen auf den Schutz Neuere Gerichtsentscheidungen, die bei Vorliegen einer PAS- Symptomatik mit einer Umgangssperre – nicht etwa gegen- 17 Nachweislicher Inhalt der Akte OLG Jena – 1 UF 156/08. über dem Entfremder – zum Nachteil des abgewiesenen El- 18 Wilfrid von Boch-Galhau, Die induzierte Eltern-Kind-Entfremdung und ihre Folgen (Parental Alienation Syndrome – PAS) im Rahmen von Tren- ternteils reagieren, leisten einen Beitrag zur psychiatrischen nung und Scheidung. Internationale Konferenz, Das Parental Alienation Schädigung des Kindes bzw. zu dessen »psychischem Miss- Syndrome (PAS), http:​/​/​www.​pas-​konferenz.​de/​d/​einfuehrung.​html. brauch« (s.o.), resultieren doch die Belastungen des Kindes 19 Diese Traumatisierung beschreibt und begründet er a.a.O. wie folgt ergän- nicht aus den Spannungen zwischen den Eltern, sondern aus zend: »Neuere Forschungen bezeichnen die Folge von induzierter Eltern- Kind-Entfremdung als »Pathological Alienation«, »Parental Alienation« dem Interessenskonflikt zwischen ihm und der Mutter. Das »Parental Alienation Disorder«, »Alienated Child« oder »Parental Alienation »Nicht-Mehr-Sehen-Wollen« ist als Ausdruck von Resigna- Syndrome«.« … »PAS ist nicht »Umgangsvereitelung« oder »jedwede Art tion gegenüber dem übermächtigen Entfremder zu verstehen, von Kontaktverweigerung und/oder Entfremdung« eines Kindes gegenüber eine kindliche Form einer schweren reaktiven Depression.20,21 dem außerhalb lebenden Elternteil bei Trennung/Scheidung – wie viele meinen –, sondern eine psychiatrisch relevante kindliche Störung aufgrund Mittlerweile sind die negativen Folgen einer Vaterentbehrung einer psychischen Traumatisierung. Im Unterschied zu anderen, z.B. psy- chodynamischen Erklärungsversuchen von kindlicher Kontaktverweigerung gründlich untersucht und belegt, wobei anders als bei aktu- liegt bei PAS regelmäßig eine massive Umgangsbehinderung/-vereitelung ellen Urteilsbegründungen nicht nur auf das »Jetzt« geschaut und/oder Manipulation/Indoktrination des Kindes vor. Die aktive Ma- wird, sondern auch gravierende negative Folgen bis in das nipulation erfolgt – bewusst oder unbewusst – durch den hauptsächlich Erwachsenenalter hinein belegt sind.22,23 betreuenden Elternteil und/oder andere wichtige Bezugspersonen (nicht ge- schlechtsspezifisch!), von denen das Kind abhängig ist. Bei den manipulie- Der Psychotherapeut und Kinderpsychiater Horst Petri renden Bezugspersonen lassen sich häufig psychische Auffälligkeiten iden- tifizieren, z.B. schwere narzisstische und/oder Borderline-Persönlichkeits- schreibt zu diesem Thema in einem Artikel aus dem Deut- störungen, traumatische Kindheitserfahrungen, paranoide Verarbeitung 24 schen Ärzteblatt: » … Diese Befunde sind durch die jün- der Scheidungskrise und/oder Psychosen. Auch Einstellung und Verhalten gere Bindungsforschung eindringlich bestätigt und ergänzt professioneller Scheidungsbegleiter spielen im weiteren Verlauf von Ent- worden. Nach ihr verfügen Mütter und Väter über ein unter- fremdungsprozessen eine wichtige Rolle. Wichtige Entfremdungstechniken bei der Induktion von PAS sind u.a. Abwertung, realitätsverzerrende Ne- schiedliches, aber in idealer Weise komplementär angebore- gativdarstellung des anderen Elternteils, Umgangsboykott, Kontaktunter- nes Bindungsrepertoire, das durch die bindungssuchenden brechung, gezielte Fehlinformationen, suggestive Beeinflussung und/oder Verhaltensmuster des Kindes aktiviert wird. … In der Fami- Vermittlung von verwirrenden Doppelbotschaften. Bisweilen wird direkte lienforschung besteht heute weitgehende Einigkeit darüber, psychische (z.B. Androhung von Liebesentzug und/oder Suizid) und kör- perliche Gewalt (z. B. Schläge, Einsperren) gegen die Kinder eingesetzt. Der dass diese spezifischen Vaterfunktionen durch die Mutter ohnehin bestehende Loyalitätskonflikt des Kindes wird verschärft. Angst, allein nicht ersetzbar und durch soziale Ersatzväter nur be- Abhängigkeit und Identifikation mit dem Entfremder spielen bei der Ent- dingt kompensierbar sind. Insofern muss man im Fall eines stehung der kindlichen Symptomatik eine wichtige Rolle. Eine verwandte definitiven Vaterverlustes von einem vergleichbaren Trauma Psychodynamik findet sich beim Stockholm-Syndrom bei Geiselnahmen oder auch bei Sektensystemen. Manche Fälle von PAS der hochgradigen für das Kind ausgehen wie bei der Mutterentbehrung. … Form zeigen in ihrer Dynamik Gemeinsamkeiten mit dem »Münchhausen- Ein Alarmsignal sollte bei jedem Arzt jedoch dann aufleuch- by-Proxy-Syndrom«, einer schweren kindlichen Störung, bei der Eltern an ten, wenn die Mutter um eine Bescheinigung bittet, die die ihren Kindern Krankheitssymptome vortäuschen bzw. künstlich erzeugen. Aussetzung der Besuchsregelung mit dem Vater wegen der Die betroffenen Kinder sind auf Hilfe von außen angewiesen.« 20 Michaela Hachenberg, Diplomarbeit am Psychologischen Institut der Schwierigkeiten des Kindes zum Ziel hat. Ärzte können aus Universität Würzburg im Oktober 2014 unter dem Titel: »Elterliche Ent- vielerlei Gründen zu einem solchen Zugeständnis bereit sein, fremdung – Diagnose und mögliche Folgen«, zitiert nach W. Boch-Gal- nichts ahnend, welchen Teufelskreis sie damit in Gang set- hau: http:​/​/​www.​pas-​konferenz.​de/​d/​einfuehrung.​html. zen, von Jugendamts- und Gerichtsstreitigkeiten bis zum PAS 21 Katrin Hummel, Entsorgte Väter, Lübbe-Verlag, 2010. 22 Folgen von Vaterentbehrung, Eine Literaturstudie, Rotraut Erhard, Her- (parental alienation syndrome). Die Entfremdung des Kindes bert Janig, unter Mitarbeit von Matthias Lang, Gabriele Deschka und Karl vom Vater führt in vielen Fällen über dessen Ausgrenzung Krisch, Wien und Klagenfurt, S. 38–104, 2003. zum völligen Kontaktabbruch.« 23 Horst Petri, Das Drama der Vaterentbehrung, Ernst Reinhardt Verlag, München, Basel, 7. aktualisierte Ausg., S. 136–159. Auch im vorliegenden Fall war vom Kindesvater ausführlich 24 Horst Petri, DtschArztebl 2007; 104(22): A 1572–4. auf die Erfüllung der Diagnosekriterien eines PAS hinge- 25 Katrin Hummel, Entsorgte Väter, Lübbe-Verlag, 2010. 26 Weitl, A.: Erklärung zum subjektiven Zeitempfinden in Abhängigkeit des Al- wiesen worden. Zudem war der irrigen Auffassung, wie sie ters. 2007. http:​/​/​home.​arcor.​de/​andreas.​weitl/​SubjektivesZeitempfinden.​ in einem Großteil der gängigen Gutachterformulierungen pdf.

370 FuR 7 · 2017 Heuchemer · Kardinalfehler der Rechtsprechung im Umgangsrecht Aus der Praxis

durch den Vater bzw. darauf, dass eine spätere Gerichtsent- vor Gericht belastend sind, gerade wenn es um beeinfluss- scheidung – wie vom Vater in Aussicht gestellt – erfolgen te Aussagen geht, wo Kinder fürchten müssen, durch einen würde, wurde, obgleich beweisbar, völlig ignoriert, weil sie Fehler bei der Aussage Sanktionen durch den Entfremder zu nicht im Gerichtssaal geäußert worden war, obwohl für eine erfahren, warum nimmt dann niemand der angeblich doch so solche Aussage ein von einer einzigen Erziehungsberechtigten um das »Kindeswohl« besorgten Gutachter oder Juristen von abhängiges Kind, welches die Ohnmacht seines Vaters erlebt einer meist wiederholten Aussage vor Gericht Abstand? hat, optimal »vorbereitet« werden kann. Im vorliegenden Fall war das Kind insgesamt viermal vor Ge- Vor diesem Hintergrund erscheinen die Ausführungen des richt und von insgesamt drei Gutachtern befragt worden. Hin- BVerfG27 als nicht nachvollziehbar, wenn in einer Entschei- zu kommen Gespräche mit den Vertretern des Jugendamtes dung zur Rechtfertigung eines fast zweijährigen Umgangsaus- und des Verfahrensbeistandes. Hatte es das Kind direkt nach schlusses zu lesen ist: »Darüber hinaus haben die Fachgerichte der Scheidung zunächst noch gewagt, gegenüber dem Richter das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung plausibel mit den zu gestehen, dass er gerne mit seinem Vater Urlaub machen Einschätzungen der Sachverständigen begründet, wonach das möchte, haben die dann jeweils den »Anhörungen« folgenden Kind ein Übergehen seiner Willensäußerung als Kontrollver- »mütterlichen Zwiegespräche« mit dem Jungen dazu geführt, lust bezüglich seiner Person erleben und es seine Selbstwirk- dass später ohne entsprechende Vorankündigungen oder Zwi- samkeitsüberzeugung verlieren würde, was zu psychischen Er- schenfälle beim vorausgegangenen Umgangskontakt der Vater krankungen oder Verhaltensauffälligkeiten des Kindes führen beim Versuch, seinen Sohn zum regulären Umgang abzuholen, könnte«. von der Polizei, die angeblich vom Sohn gerufen worden war, aufgefordert wurde sich zu entfernen bzw. dass ihm versuchte Tatsächlich ist das Phänomen der »eigenen Meinung« ein Kindesentführung vorgeworfen worden war. Konsequenter- Diagnosekriterium für das Vorliegen eines PAS. Dieser »eige- weise hatte dann auch das Kind vor Gericht ausgesagt, nicht ne Wille« und die »eigene Meinung« werden vom betreuen- mehr den Vater besuchen zu wollen. Und diese Aussage soll den Elternteil besonders gefördert. Von PAS betroffene Kin- den tatsächlichen Willen des Kindes widerspiegeln? der können teilweise schon mit drei oder vier Jahren, darauf hinweisen, dass alles was sie sagen, auch wirklich ihre eigene Unabhängig vom Vorliegen eines elterlichen Entfremdungs- Meinung ist.28 syndroms wie im vorliegenden Fall wird, wenn zudem heute Gerichte die Meinungsäußerungen und »Erlebnisberichte« Die in solchen Formulierungen der Gutachter neben der Ver- von Kindern nahezu absolut setzen, meist vergessen, wie be- kennung eines PAS zum Ausdruck kommende Vorstellung, einflussbar solche Aussagen auch jenseits der Einflussnahme das Kindeswohl sei ein binäres und beständiges »Alles-oder eines entfremdenden Elternteils sind. Die Erkenntnisse der Nichts-Phänomen« ist wegen ihrer groben Vereinfachung Rechtspsychologie der letzten Jahre haben hier wertvolle mehr als bedenklich. Für solche Sachverständigenmeinun- Aufklärung geleistet, wie Aussagen vor Gericht durch frühe- gen gibt es im Übrigen auch kaum eine Evidenz. Abgesehen re Aussagen vor anderen Institutionen wie Jugendamt, Gut- davon, dass auch nach Maßgabe des Gesetzgebers Willensäu- achter, soziales Umfeld beeinflusst werden, weil der Zeuge (in ßerungen eines Kindes zu Sorgerechtsentscheidungen anders diesem Fall das Kind) die Erinnerung an solche früheren Aus- zu bewerten sind als im Falle von Umgangsablehnung, was aber im Interesse einer offensichtlich angestrebten »Simplifi- zierung« geflissentlich übersehen wird, müssten sich die aller- 27 1 BvR 3326/14. meisten Erwachsenen – Gutachter und Richter eingeschlos- 28 Andritzky W.: Parental Alienation Syndrome. Nicht instrumentalisieren sen – den Vorwurf gefallen lassen, sie riskierten bei ihren lassen, DtschArztebl, 100, 2003, S. 81–82. 29 Der Essener Kinderarzt und Kinder- und Jugendlichentherapeut Ulrich Kindern einen personalen Kontrollverlust, wenn sie nicht Kohns schreibt auf der Website des Jugendamtes Ratingen: »Die Beach- allen Willensäußerungen nachkommen. Derartige Psycho- tung sinnvoller Grenzen und Regeln trägt zur gesunden seelischen Ent- logismen aus der Nach-68-er Zeit sind heute außerhalb von wicklung bei. Gebote, Verbote und Rituale geben Orientierung für richtiges Gerichtssälen weitgehend überholt. Vielmehr ist es gerade im Verhalten. Sie schützen das Kind vor Überforderung, da es die Tragweite 29 seines Verhaltens aufgrund des Alters nicht abschätzen kann.« In seinem Kindesinteresse, Gebote und Verbote zu setzen. Buch »Warum unsere Kinder Tyrannen werden: Oder: Die Abschaffung der Kindheit« aus dem Jahr 2008 (Gütersloher Verlagshaus. 2008) beschreibt Beim PAS haben die Kinder gelernt sich so äußern, wie dies Michael Winterhoff, wie die Maxime, Kinder seien in allen erzieherischen der Entfremder erwartet. Andererseits erwarten Kinder be- Belangen, partnerschaftlich, sprich als kleine Erwachsene zu behandeln, wusst oder unbewusst, dass der ausgeschlossene Elternteil nicht als Ursache für die immer stärker auftretenden Beziehungsstörungen zwi- ausgeschlossen wird, jedenfalls nicht langfristig, und dass er schen Kindern und Erwachsenen anzusehen ist. Die kindliche Psyche näh- me ebenso Schaden wie die Fähigkeit zur sozialen Interaktion. Vielmehr trotz gegensätzlicher Äußerungen des Kindes weiter versucht, zeigten Eltern durch angemessene Kritik und Regelsetzungen den Kindern Verbindung zu halten. Obwohl keine Antwort gesendet wird, ihre Liebe und Zuwendung. Nach Rogge (Jan-Uwe Rogge: http:​/​/​www.​​ werden z.B. E-Mails genauestens registriert und memoriert. gesundheit.de/​ familie/​ kindheit-​ und-​ jugend/​ pubertaet/​ pubertaet-​ zwischen-​ ​​ freiraum-​und-​konsequenz) zeigen Studienergebnisse, dass bei pubertieren- Das spätere Schuldgefühl der dann erwachsenen Kinder, wenn den Mädchen ein fünfzehnminütiger Streit mit der Mutter alle 1,5 Tage durch ihre Äußerungen vor Gericht die Kontakte und Bindun- vorkommt, bei Jungen alle vier Tage sechs Minuten. Streit, das sollte vor allem gestressten Eltern klar sein, ist zur Ablösung erforderlich. Psycho- gen zum Vater oder zu dessen Verwandtschaft abgebrochen logen vertreten sogar die Meinung, dass eher konfliktarme Entwicklungen sind, wenn diese wie Gerichte und Gutachter die ablehnen- Anlass zur Sorge geben als konfliktreiche. Sich mit Erwachsenen streiten den Äußerungen als echte Willensäußerung verkennen und zu können, ist außerdem eine der vielen, für die Entwicklung notwendigen das Kind abschreiben, vermögen sich offensichtlich nicht alle Gelegenheiten, Grenzen auszuloten. Haim Omer (Wachsame Sorge. Wie Eltern ihren Kindern ein guter Anker sind. 2. Aufl. 2016) zeigt, wie wichtig Psychologen vorzustellen. Man erwartet, dass der entfremdete es für Kinder ist, nicht nur die eigenen Möglichkeiten, sondern auch die Elternteil klüger handelt als sich Psychologen in ihren Gut- Konsequenzen eigenen Handelns zu erkennen und dabei die Grenzen der achten äußern. Wenn es schon unbestritten ist, dass Aussagen Anderen zu respektieren.

FuR 7 · 2017 371 Aus der Praxis Heuchemer · Kardinalfehler der Rechtsprechung im Umgangsrecht

sagen nicht mehr sicher von der tatsächlich erlebten Wahrheit sollen, ohne die Würde des Entrechteten als Subjekt zu verlet- trennen kann.30,31,32 zen, ohne ihn zum bloßen rechtlosen Objekt der Staatsgewalt zu machen? Nicht nur die Justizgrundrechte, sondern auch die Dieser Aspekt der Aussagepsychologie wird auch meist über- Menschenwürdegarantie aus Art. 1 GG eines Beschwerdefüh- sehen, wenn es um die Bewertung von Gutachten geht. Viele rers bzw. das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 Familiengerichtsgutachter sind überwiegend oder ausschließ- i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG widerstreiten dieser Vorgehensweise lich als Gutachter tätig; ihnen fehlt ein Korrektiv durch die zutiefst: Es ist ein wesentlicher, verfassungskräftiger Aspekt der Wirklichkeit, wie es z.B. Psychotherapeuten erleben, die trau- Menschenwürde und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, matisierte Kinder behandeln und deren Krankheitsgeschichte den Schutz sakrosankter Grundrechte aller Beteiligten und da- mit den tatsächlichen Hintergründen erarbeiten. Gutachter mit auch der Grundrechte des Vaters zu gewährleisten. Dem ohne solche Mechanismen zur Selbstkorrektur laufen Gefahr, Schutz der Familie als Ganzes aus Art. 6 GG steht insofern zunehmend mehr auch unhaltbare oder ungesicherte Aussagen auch die Würdegarantie als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts zu glauben, wenn sie diese nur oft genug wiederholt oder bei von Seiten des Rechtssuchenden gegenüber. anderen Gutachtern ähnlicher Qualifikation gelesen haben. In seinem Urteil aus dem Jahr 2000 in Sachen Elsholz vs. Hinzu kommt, dass Gerichte meist wissen, wie die Gutachter Deutschland hatte der EGMR die Bundesrepublik erheblich eingestellt sind. So war im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt gerügt und den Fachgerichten im instanzgerichtlichen, na- der Gutachterernennung aufgrund einer entsprechenden tionalen Rechtszug die Verletzung zentraler Menschenrechte Website-Gestaltung ersichtlich, dass die GWG (Gesellschaft vorgeworfen, wenn sie einem Vater den Umgang mit seinem für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie), Kind verweigern.34 Dem wäre nichts hinzuzufügen, würden deren Mitglied der Gutachter war, die Existenz eines PAS nicht neuere Gerichtsentscheidungen belegen, dass die Be- weitgehend negierte. Das zuständige FamG kannte zudem achtung der Menschenrechte durch Gerichte auch weiterhin den Gutachter von früheren Gutachten. Es musste dem Ge- keine Selbstverständlichkeit ist. richt daher klar sein, dass er das Vorliegen eines PAS auch im vorliegenden Fall wider das Vorbringen des Kindesvaters Eine mehrjährige Umgangsunterbrechung, wie sie in den letz- dezidiert negieren würde. Der Gutachter konnte umgekehrt ten Jahren vielerorts wieder für Recht erachtet wird, bedeutet davon ausgehen, dass das Gericht ihn genau wegen seiner für das betroffene Kind eine Potenzierung der im Rahmen der Haltung ausgewählt hat.33 In diesem Zusammenhang sei auf PAS-Dynamik sich ergebenden psychischen Traumatisierung. eine mögliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Gutachter Die einseitige, in ein vieljähriges Umgangsverbot mündende von den Gerichten hingewiesen, v.a. wenn sie hauptberuflich Entrechtung und Instrumentalisierung eines Elternteils im Gutachten erstellen, wie es z.B. bei Mitgliedern der Gesell- vermeintlichen Kindesinteresse wie im vorgestellten Fallbei- schaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie spiel stellt zudem einen entwürdigenden Verstoß gegen Art. 1 zu erwarten ist. Aus einer Arbeit aus der Ludwig-Maximi- und Art. 3 des Grundgesetzes dar. lians-Universität München geht hervor, dass bei mehr als 22 % der Gutachter mehr als 50 % ihrer Einnahmen aus Es erscheint daher unumgänglich, (1) dass Gerichte wieder Gutachtertätigkeit stammen, wohl auch bei dem Gutachter konsequenter rechtliche Prinzipien wie das Recht auf recht- im vorliegenden Fall. liches Gehör, Beschleunigungsgebote und bestehende Grund- rechte beachten, wobei der jüngste Beschluss des BGH ein Rechtlich gesehen ist es vor dem Hintergrund einander wi- wichtiger Meilenstein ist, (2) dass die Gerichte, Gutachter derstrebender Auffassungen der »Fachleute« zur Richtigkeit und Jugendämter ihren bisherigen Umgang mit einer PAS- des Umgangsausschlusses eigentlich auch unvertretbar, das Konstellation in allen entscheidungsrelevanten Aspekten Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen, aber überdenken und dass (3) zukünftig nur noch Psychothera- auch das nach Art. 8 der Menschenrechtskonvention verbrief- peuten mit regelmäßiger Praxiserfahrung als Gutachter in te Recht eines Vaters auf Umgang leichtfertig außer Kraft zu Sorge- und Umgangsrechtsverfahren bestellt werden. setzen, ohne vorher gemäßigtere Lösungsansätze verfolgt und auch eine Einflussnahme auf den Entfremder versucht zu ha- ben; von Rechten der Großeltern oder anderen Verwandten des Vaters gar nicht zu reden. Dies wird gestützt durch den 30 Gabrielle F. Principe, Erica Schindewolf, Natural Conversations as a Source aktuellen Beschluss des BGH, in dem überzeugend statuiert of False Memories in Children: Implications for the Testimony of Young Witnesses, Dev Rev, 2012 Sep; 32(3): 205–223. wird, ein Familiengerichtsverfahren dürfe grundsätzlich nicht 31 Mark L. Howe, Lauren M. Knott, The fallibility of memory in judicial ohne eine den Umgang ausgestaltende Regelung beendet wer- processes: Lessons from the past and their modern consequences, Memory, den. Dies gelte auch, wenn ein Umgang dem Kindeswohl im 2015 Jul 4; 23(5): 633–656. Ergebnis zuwiderliefe. 32 Volbert, R. & Steller, M. (2014), Is This Testimony Truthful, Fabricated, or Based on False Memory? Credibility Assessment 25 Years After Steller and Wenn Gerichte jetzt auch bei erwiesener Beeinflussung des Köhnken (1989), European Psychologist, 19 (3), 207–220. 33 Benedikt Jordan, Ursula Gresser. Gerichtsgutachten. Oft wird die Tendenz Kindeswillens Umgang mit dem abgelehnten Elternteil ver- vorgegeben. Bei einer Befragung von Gutachtern gab etwa ein Viertel an, hindern, wären Bemühungen um Umgang gegen den Willen beim Gutachtenauftrag durch das Gericht eine Tendenz signalisiert bekom- des sorgeberechtigten Elternteils künftig sogar kontraproduk- men zu haben, DtschArztebl 2014; 111(6):A210–2. tiv. Sie gäben dem verhindernden Elternteil freie Hand und 34 EGMR, 25735/94 v. 13.07.2000, Abs.-Nr. 34 (Elsholz ./. Deutsch- land): »… By refusing to allow the father access to his child and by ruling in fortgesetztem psychischen Kindesmissbrauch freien Lauf. favour of the mother, who had been given sole custody, the German courts, including the Federal Constitutional Court, violated the State’s constitutio- Wie soll es gehen, dass man dem entfremdeten Elternteil jeg- nal duty to protect its citizens against violations of their rights by private liche Rechte verwehrt und dass Grundrechte dieses Elternteils individuals. The State must enforce the observance of human rights in its absolut dem vermeintlichen Kindeswohl unterzuordnen sein domestic legal order. …«.

372 FuR 7 · 2017 Bewertung im Zugewinn

Bewertung von Finanzanlagen Von Bernd Kuckenburg, Fachanwalt für Familien- und Steuerrecht, Mediator, vereidigter Buchprüfer, Hannover

Das Gesetz trifft keine Regelung, wie Vermögenswerte jekte nach Finanzin- und Finanzierungsinstrumenten tre- zu bewerten sind und behilft sich mit dem unbestimmten ten, diese ausgleichen und es dabei umwandeln, Rechtsbegriff des »Wertes« nach § 1376 BGB.1 Wenn eine  anbietergestützte oder anbietereigene Zweitmarktnotie- Bewertung zu erfolgen hat, hat der Tatrichter die Bewer- rungen, tungsmethode, gegebenenfalls sachverständig beraten, ein-  Rückkaufswerte der Emittenten/Anbieter/Fondsgesell- zelfalladäquat auszuwählen.2 Dabei hat das Gericht letztlich schaft, die Verpflichtung, den Wert zu schätzen (§ 738 Abs. 2 BGB;  Marktpreise vergleichbarer Kapitalanlagen bzw. Finanz- §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB; § 260 Abs. 2 Satz 3 AktG). instrumente. Das Gericht entscheidet dabei nach seiner freien Überzeu- gung (§ 287 Abs. 2 ZPO; § 260 Abs. 2 Satz 1 AktG; § 17 Derartige Kurse/Preise sollten von einer Börse, einem kom- Abs. 1 SpruchG; § 37 Abs. 1 FamFG).3 merziellen Händler, einer Preisagentur oder einer Aufsichts- behörde gestellt werden (sog. Zweitmarkt). Angaben von Wenn die Rechtsprechung den wahren Wert, also den Ver- singulären Erwerbern oder Erwerbsinteressenten können kehrswert, zugrunde legen will, scheiden Bewertungsregeln dabei nur nachrangig berücksichtigt werden. Diese markt- des Handelsrechts nach § 253 HGB, mit der Obergrenze des orientierten Kurse/Preise müssen tatsächliche Transaktionen Anschaffungskostenprinzips, des Bewertungsgesetzes nach im ordentlichen Geschäftsgang und nicht »Notverkäufe« oder § 11 BewG, das sich an Vereinfachungs- und Fiskalaspekten unverbindliche »asking prices« repräsentieren. Kuckenburg orientiert und das vereinfachte Ertragswertverfahren nach 3. Bewertungsmethoden 4 § 199 BewG aus. Wenn Preise nicht feststellbar sind, muss der wahre Wert/ I. Grundsätze zur Bewertung von Finanzanlagen »fair value« festgestellt werden. Dieses kann bei Fonds bspw. nach der Nettoinventarmethode geschehen bzw. aus Buch- 1. Selbstständig bewertbarer Vermögensgegenstand werten abgeleitet werden, falls diese nach IFRS ermittelt Die Finanzanlage muss, wie alle anderen Vermögensgegen- worden sind. stände, selbstständig bewertbar sein.5 Dies ist schon dann Ansonsten erfolgt eine sogenannte direkte Bewertung nach nicht der Fall, wenn sie Betriebsvermögen und damit Teil Effektivzinsmethoden auf Basis der Ertragswertverfahren eines anderen Gesamtvermögenswertes sind, was die Unter- unter Antizipation aller künftigen Zahlungsströme, Abzin- nehmensbewertung erforderlich macht. sung auf den Stichtag und unter besonderer Berücksichti- Ein Ansatz als Teil einer Bewertungseinheit ist auch bei gung der Steuerauswirkungen (Steuervorteile, Steuernach- (finanzierten) Kapitalanlagen6 relevant: teile, latente Steuer).  finanzierte Fondsbeteiligungen, Bei der direkten Anteilsbewertung wird auf die Sicht des  Grund- und dazu abgeschlossenes Sicherungsgeschäft einzelnen Anteilseigners und damit nicht auf die Werte des (sog. hedge accounting), Unternehmens/Emittenten als Ganzes abgestellt. Der An-  in andere Anlagen eingebettete Derivate, teilswert wird aus den Zahlungsströmen zwischen Unterneh-  bei abgetretenen und mit aufgeteilten Bezugsrechten ver- 7 men und dem Anteilseigner abgeleitet. Diese Bewertung ist sehene Lebensversicherungen. typisch bei der Anteilsbewertung von Publikumsgesellschaf- Problematisch ist dabei insbesondere der erst zukünftig reali- ten, indem dem einzelnen Gesellschafter in keiner Weise die sierbare Vermögenswert mit einer Ungewissheit über das Ob Informationen (nur Geschäftsberichte statt Jahresabschlüsse, und die Höhe des Werts,8 wie z.B. bei Anwartschaftsrechten, keine Beteiligung bei Gesellschaftsbeschlüssen, Einblick in »Exspektanzen«, bei Kapitalanlagen wie Aktienoptionen,9 das Rechnungswesen) zur Verfügung stehen, die sonst dem aber auch z.B. bei geschlossenen Fonds mit Totalverlustrisiko Mitunternehmer zustehen.11 und langfristiger Bindung. 2. Vergleichswertorientierte Marktpreisableitung 1 Klein/Kuckenburg, HB FamVermR, 2. Aufl. 2015, Kap. 2, Rn. 1409 ff. 2 BGH FamRZ 1999, 361; 2011, 622 und 1367; 2014, 98; Klein/Kucken- Beobachtete Marktpreise können ähnlich dem sog. stichtag- burg, Rn. 1415 m.w.N. nahen Veräußerungspreis eine Bewertung ersetzen und zu- 3 Klein/Kuckenburg, Rn. 1434 f. m.w.N. mindest der Plausibilisierung der Wertermittlung dienen. 4 Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Schei- dung, 6. Aufl. 2015, Rn. 118 m.w.N.; Büte, Zugewinn und Ehescheidung, Bewertungsquellen können sein:10 4. Aufl. 2012, Rn. 58; Jonas, WPg 2011, 299 ff., 302; Klein/Kuckenburg,  Amtliche/öffentliche Börsen, Rn. 1414.  5 BGH FamRZ 2011, 183–188. Internethandelsplattform/virtuelle Handelsplätze, 6 Zacher, DAV-Skript, Familienrecht 2015, S. 14.  sog. Zweitmarktbörsen/Makler, 7 BGH FamRZ 1992, 1155, Klein FuR 1995, 307 f.  Händler/professionelle Ankäufer/Finanzintermediäre (Fi- 8 BGH FamRZ 2011, 183 ff. nanzintermediäre – englisch financial intermediaries – sind 9 Bejahend Kogel FamRZ 2007, 950. 10 Zacher, S. 15 f. Unternehmen, die auf dem Finanzmarkt als Vermittler 11 WP-Handbuch II, A 34 ff.; vgl. ausführlich, auch zur indirekten Anteils- zwischen Nachfrage und Angebot der Wirtschaftssub- bewertung: Klein/Kuckenburg, Rn. 1612 m.w.N.

FuR 7 · 2017 373 Bewertung im Zugewinn Kuckenburg · Bewertung von Finanzanlagen

4. Marktfähigkeit und Abschlagsfaktoren  Internet-/virtuelle Depots bei eBanking, Wie bei der Unternehmensbewertung muss stets Marktfähig-  Steuererklärungen bzw. -bescheide (ggf. auch bei keit gegeben und festgestellt werden.12 »Aufgeschobene Reali- Abgeltungsteuer über die Veranlagungsoption); bei der sierbarkeit« des Vermögenswerts kann zu einem Wertabschlag Gesellschaft das Betriebsstättenfinanzamt und Wohnsitz- führen.13 Gleiches hat bei Rückzahlungs- und Nachschussrisi- finanzamt beim Ehegatten, ken bei geschlossenen Fonds zu gelten (§ 172 Abs. 4 HGB).  Auskünfte durch den Steuerberater als Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB; problematisch wegen steuerlicher Sichtweise Wertabschläge bei »zu niedrigen« Marktpreisen bzw. Börsen- 21 kursen von Kapitalanlagen werden vom BGH abgelehnt.14 und Verschwiegenheitsverpflichtung ),  Wie bei der Unternehmensbewertung sind Größenabschlä- Schrift- bzw. Emailverkehr und Auskünfte von einzelnen ge, Liquiditätsabschläge, Fungibilitätsabschläge, Diversifika- Anbietern, Emittenten, Banken, freien Finanzdienstleis- tionsabschläge oder Länderabschläge abzulehnen.15 Letztlich tern, Vermögensverwaltern,  sind Veräußerungskosten wie z.B. Bankspesen, Makler- und Jahresberichte, Jahresabschlüsse, Quartalsberichte, Rund- Brokerkosten abzusetzen.16 schreiben,  Börsennotierungen, 5. Wertzuschläge und Wertaufhellung  Internethandelsplattformen und Finanzportale, z.B. Zunächst sind zukünftige Steuervorteile denkbar. Zur Er- – www.​onvista.​de, mittlung des Wertes einer Abschreibungsgesellschaft die – www.​finanzen.​net, i.d.R. in Form einer KG betrieben wird, wird in der Litera- – www.​oanda.​com, tur empfohlen, den zu erwartenden Veräußerungserlös bei – www.​marketwatch.​com, Beendigung der Beteiligung zu ermitteln. Hierzu sind die bis – www.​investing.​com, dahin noch zu erwartenden Steuervorteile hinzuzurechnen. – www.​godmade-​trader.​de, Abzuziehen sind noch offene Zahlungsverpflichtungen sowie  Zweitmarktbörsen (geschl. Fonds), z.B. 17 die mit der Veräußerung ausgelösten Steuern. So urteilt – www.​zweitmarkt.​de, 18 auch der BGH, soweit ein Stichtagsbezug gegeben ist. – www.​deutscher-​zweitmarkt.​de, Allerdings sind die überkommenen, verlustträchtigen und nur – www.​zweitmarktboerse.​de, auf Steuervorteilen aufbauenden Anlageformen (z.B. Medien-  (andere) Finanzmakler/Banken/Finanzintermediäre, fonds, Schiffsfonds, Flugzeugfonds, manche Immobilienfonds,  Professionelle Ankäufer bzw. Zweitmarktfonds, z.B. Leasingfonds) durch die sogenannte Totalüberschussprogno- – www.​asuco.​de, se seit der Geltung des § 15b EStG obsolet. Über die Veran- – www.​htb-​zweitmarkt.​de, lagungsoption bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sind  Sachverständige unter Berücksichtigung familienrechtlicher spätere Steuererstattungen aus Verlusten zu berücksichtigen. Besonderheiten und betriebswirtschaftlicher Methoden. Wie bei der Unternehmensbewertung ist eine sogenannte II. Bewertung von Finanzanlagen / Assets spätere Wertaufhellung nur in ganz eingeschränktem Maße, Die folgende Darstellung ist nur beispielhaft und kann somit ähnlich der Abgrenzung wertbeeinflussender und wertauf- nicht abschließend sein. hellender Umstände des Jahresabschlusses gem. § 252 Abs. 1 Durch das ab dem 22.07.2013 geltende Kapitalanlagegesetz- Nr. 4 HGB, zu berücksichtigen. Dies setzt aber eine Stich- buch (KAGB) sind neue Begrifflichkeiten eingeführt worden, tagsverknüpfung zwingend voraus. die sich nur beschränkt durchsetzen: Bei fehlgeschlagenen und defizitären Kapitalanlagen sind  geschlossene Fonds = geschlossene inländische Publi- etwaige Schadensersatzansprüche bzw. Rückabwicklungsan- kums-AIF (alternative investment fonds) und sprüche gegen Emittenten, Banken und Finanzdienstleister  offene Investmentfonds von Wertpapieren = OGAW zu berücksichtigen. (Organismen für gemeinsame Anlage von Wertpapieren). 6. Latente Steuern 1. Geschlossene (Publikums-) Fonds / Sachwertfonds Wie bei der Bewertung aller Vermögensgegenstände im Zuge- Die geschlossenen Publikumsfonds, oder auch Sachwert- winn hat der Abzug der latenten (genauer fiktiven) individu- fonds genannt, werden als Publikumspersonengesellschaften ellen stichtagsrelevanten Veräußerungsgewinnbesteuerung (meist in Form der GmbH & Co KG oder auch als GbR), be- 19 zu erfolgen. trieben, welche kollektiv Kapital der Anlegergesellschafter in konkret oder nur abstrakt (sog. Blind Pools) definierte Anla- 7. Bewertungsquellen und Bewertungsmaterial (Auskunftsdokumente) 12 BGH FamRZ 2011, 1367 ff., Rn. 49 mHa BGH FamRZ 1978, 332; 2008, Auskunft und Informationen sind wie bei anderen Vermö- 761, Rn. 20. genswerten gem. § 1379 BGB zu beschaffen. Informations- 13 BGH FamRZ 2003, 153 ff. = FuR 2002, 501 ff., Rn. 15 f. quellen, auch für die Existenz der Finanzanlage, können dabei 14 BGH FamRZ 2012, 1479 ff., Rn. 21 ff.; anders teilweise die Lit.: MüKoBGB/Koch, § 1376 Rn. 14. auch Mail- oder Papierkorrespondenz sein. 15 Klein/Kuckenburg, Rn. 1520 m.w.N. 16 BGH FamRZ 1989, 1276 ff., Rn. 17. Als Informationsquellen der Bewertungspraxis sind insbeson- 17 Schröder, Bewertung im Zugewinnausgleich, 4. Aufl., Rn. 153, dere zu nennen:20 m.w.N. unter Hinweis auf ein nicht veröffentlichtes Urteil des OLG Hamm  Bank- und Depotauszüge, Erträgnismitteilungen, An- v. 20.03.1984 – 1 UF 233/82. kaufs- und Verkaufsbestätigungen, 18 BGH FamRZ 2011, 183, Rn. 24 ff. 19 BGH FamRZ 2011, 1367, Rn. 47; Klein/Kuckenburg, Rn. 1529 m.w.N.  Jahresendzusammenfassungen/-depotübersichten/Erträg- 20 Zacher, S. 18 f. nisaufstellungen der Banken, 21 Zustimmend LG Münster DStR 2014, 919 f. mit Anm. Wacker.

374 FuR 7 · 2017 Kuckenburg · Bewertung von Finanzanlagen Bewertung im Zugewinn

gegegenstände investieren. Der Beitritt und Zeichnungsphase etwaige Nachschussverpflichtung oder Rückzahlungsver- sind zeit- und kapitalmäßig begrenzt (»geschlossen«). pflichtung (§ 172 Abs. 4 HGB bzw. § 735 BGB, trotz § 707 BGB) berücksichtigt werden. Ursprünglich waren sie oft stark steuerlich motiviert (sog. »Abschreibungsgesellschaften«) wobei die Verlustverrech- Gleiches gilt für steuerliche Anerkennungsrisiken, bei ggf. nungsmöglichkeiten immer weiter, zuletzt über die Total- rückwirkendem Wegfall der gewährten Steuervorteile und et- überschussprognose nach § 15b EStG, eingeschränkt werden. waiger Schadensersatzansprüche gegen Dritte (sog. Prospekt-, Banken- und Vermittlerhaftung). Beispiele von Sachwertfonds: 2. Offene (Publikums-) Fonds / Investmentfonds  Immobilienfonds, Die offenen Investment- bzw. Publikumsfonds haben ein  Medienfonds, variables Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft,  Schifffonds, das aus dem Kapital seiner Anleger gegen Ausgabe von An-  sonstige Mobilien bzw. Leasing-Fonds, teilsscheinen gebildet und i.d.R. nach dem Prinzip der Risi-  Lebensversicherungsfonds, komischung investiert wird.27  Private Equity Fonds. Die Kapitalverwaltungsgesellschaft (vor Einführung des Auch wenn sie oft zum Stichtag nicht fungibel, d.h. kündbar KAGB im Juli 2013: Kapitalanlagegesellschaft) sammelt das sind, ist der Wert im Zugewinnausgleichsverfahren anzusetzen.22 Geld der Anleger, bündelt es in einem Sondervermögen – dem Investmentfonds – und investiert es in einem oder 23 Der BGH führt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 287 mehreren Anlagebereichen. ZPO aus, dass geschlossene Immobilienfonds, die als Kom- manditgesellschaft betrieben werden, einer besonderen Bewer- Das Geld im Fonds wird nach vorher festgelegten Anlage- tung unterliegen. Zwar handelt es sich regelmäßig um eine KG prinzipien z.B. in Aktien, festverzinslichen Wertpapieren, mit der Folge, dass die Unternehmensbewertung nach allge- am Geldmarkt und/oder in Immobilien angelegt. Invest- meinen Grundsätzen, insbesondere nach der Ertragswertme- mentfonds müssen im Regelfall bei der Geldanlage den thode des IDW, angezeigt wäre.24 Die Rechte an dieser Mit- Grundsatz der Risikomischung beachten, d.h., es darf nicht unternehmerschaft sind aber nach dieser Rechtsprechung des das gesamte Fondsvermögen in nur eine Aktie oder nur eine BGH überhaupt nicht oder nur schlecht veräußerbar. Immobilie investiert werden. Durch die Streuung des Geldes auf verschiedene Anlagegegenstände (Diversifikation) wird Diese Prämisse des BGH verkennt aber das Bestehen des o.g. das Anlagerisiko reduziert. mit Fundstellen bezeichneten sog. Zweitmarktes für geschlos- sene Immobilienfonds. Trotz der angeblich eingeschränkten Beispiele: Verkehrsfähigkeit sind diese Beteiligungen nach Ansicht des  BGH gleichwohl nicht wertlos. Der Wert liegt nach Ansicht Aktienfonds,  des BGH in einer langfristigen Investition und Aussicht auf Renten- bzw. Anleihefonds,  Steuervorteile, die in Hinblick auf die Dauer der Beteiligung gemischte Fonds,  erzielt werden. Dies kann aber zu einer Wertlosigkeit führen, Spezial-Fonds,  wenn die Steuervorteile vor dem Stichtag bereits teilweise oder Dachfonds,  gar vollständig in Anspruch genommen worden sind und kei- VV-(vermögensverwaltende) Fonds,  ne oder nur eine geringe Schlusszahlung zu erwarten ist. globale Fonds,  Regionenfonds, Entsprechend der Ermittlung des Wertes von Abschreibungs-  Länderfonds, gesellschaften, die ebenfalls regelmäßig in Form einer KG be-  Fonds mit und ohne Laufzeitbegrenzung, trieben werden, ermittelt sich der Wert nach BGH25 wie folgt:  Ausschüttung oder Thesaurierung,  Veräußerungserlös bei Beendigung der Beteiligung,  Eurofonds bzw. Fremdwährungsfonds.  zuzüglich noch zu erwartender Steuervorteile,  abzüglich (Nach-) Zahlungsverpflichtungen, Offene Publikumsfonds sind selbständig mit ihrem Ver-  abzüglich mit der Veräußerung ausgelöste Steuern (auch kehrswert anzusetzen. Die Anteilscheine können in der hier latente Steuerlast oder Verlustvortrag). Regel börsentäglich (Marktpreis) gehandelt werden. Da der tatsächliche Veräußerungserlös bei derartigen Anlagen Meistens liegen also Kurswerte bzw. Marktnotierungen im oftmals nicht dem prognostizierten entspricht, liegt hier ein Handel vor, die Marktunsicherheiten beinhalten. Hilfswei- besonders schwieriges Prognoseproblem, dass der BGH unter se sind die Ausgabe- und Rücknahmepreise der Fondgesell- Anwendung von § 287 ZPO (§ 37 Abs. 2 FamFG) umgeht. schaftsanteile heranzuziehen. Die genannte Methode liefert nach Ansicht des BGH einen 22 BGH FamRZ 2011, 622; Kuckenburg, Unternehmensbewertung der frei- verlässlichen Rückschluss auf den zum maßgeblichen Stichtag beruflichen Praxis und des geschlossenen Fonds im Zugewinnausgleichsver- bestehenden Wert. fahren, FuR 2011, 512 ff., 514 f.; Klein/Müting, HB FamVermR, 2. Aufl., Kap. 2, Rn. 1393, »geschlossener Immobilienfonds«; vgl. auch Schulz/ Richtiger dürfte eine Verkehrswertermittlung nach Zweit- Hauß, Rn. 544. marktnotierungen sein. Auch können die Grundsätze der 23 BGH FamRZ 2011, 622. Unternehmensbewertung ohne Berücksichtigung einer Abfin- 24 Vgl. B; Klein/Kuckenburg, Rn. 1409 ff. 26 25 BGH FamRZ 2011, 622; Kuckenburg, Unternehmensbewertung der frei- dungsregelung im Gesellschaftsvertrag herangezogen werden. beruflichen Praxis und des geschlossenen Fonds im Zugewinnausgleichsver- fahren, FuR 2011, 512 ff., 514 f. Nach welcher Bewertungsmethode man auch vorgeht, es 26 BGH FamRZ 1999, 361 ff. muss wegen der mitunternehmerischen Beteiligung eine 27 Zacher, S. 34; Wikipedia: offene Investmentfonds.

FuR 7 · 2017 375 Bewertung im Zugewinn Kuckenburg · Bewertung von Finanzanlagen

(Hypothekenpfandbriefe) oder öffentliche Kredite (Öffentliche Inventarwert Hilfsweise kann der herangezogen werden. Pfandbriefe) besonders gedeckt sind. Diese dürfen in Deutsch- Dies ist die Summe der im Sondervermögen enthaltenen Ver- land nur von Banken gemäß Pfandbriefgesetz ausgegeben wer- mögenswerte, wobei der Ausgabepreis durch den anteiligen den. Sie bieten hohe Sicherheit bei meist niedriger Verzinsung.37 Inventarwert plus Aufgabeaufschlag (Agio) zur Abdeckung der Vertriebskosten und der Emittentenmarge gebildet wird: Der Bewertungsansatz erfolgt nach Kurswerten bei vorhande- nen Marktnotierungen; hilfsweise durch Diskontierung der = + Ausgabepreis anteiliger Inventarwert Ausgabeauf- zu erwartenden Zahlungsströme. Gegebenenfalls haben Ab- schlag/Agio schläge bei zweifelhafter Bonität des Emittenten zu erfolgen. Bei privaten Veräußerungsgeschäften bzw. -gewinnen ist die Die latente Steuer folgt den üblichen Regeln. 28 latente Steuer in Abzug zu bringen. 5. Aktien-, Wandel- und Optionsanleihen 3. Aktien Aktienanleihen (»Reverse-Convertible-Bonds«) werden da- Aktien sind verbriefte Mitgliedschaftsrechte (Wertpapiere) durch charakterisiert, dass der Emittent am Ende der Lauf- an einer AG, SE, KGaA oder einer anderen vergleichbaren zeit das Wahlrecht zur Rückzahlung oder zur Lieferung von Kapitalgesellschaftsform. Der Wert für die familienrechtliche einer vorher festgelegten Anzahl von Aktien – zusätzlich zur Beurteilung leitet sich aus dem Verkehrswert, Kurswert ab.29 laufenden Zinszahlung – hat. Da es sich dabei häufig um Börsenpapiere handelt, die auch Bei Wandelanleihen (»Convertible-Bonds«) kann der An- als vertretbare Kapitalwertpapiere oder Effekten bezeichnet leger/Gläubiger nach der Verzinsungsphase (statt Rückzah- werden, wird der Verkehrswert durch den mittleren Tageskurs lung) die Anleihe gegen Aktien (gegebenenfalls mit Zuzah- zum Stichtag (strenges Stichtagsprinzip ohne Berücksichti- lung) eintauschen. gung von Kursschwankungen) zzgl. etwa bis zum Stichtag Bei Optionsanleihen wird dieses u.U. in einem selbstständig 30 aufgelaufener Zinsen bestimmt. Gegebenenfalls sind soge- handelbaren Optionsschein verbrieft.38 nannte Paketzuschläge zu berücksichtigen.31 Der Bewertungsansatz erfolgt nach Kurswerten bei vorhan- In der Bewertungslehre IDW S 1 und in der gesellschafts- denen Marktnotierungen und hilfsweise durch Kombination rechtlichen Rechtsprechung ist aber unbestritten, dass der aus Diskontierung der Zahlungsströme und Bewertung des Börsenkurs nicht dem Verkehrswert repräsentiert. Dieser Wandlung-/Optionsrechts.39 Anpassungen sind eventuell stellt nur die Wertuntergrenze32 dar. So werden ausscheiden- wegen zweifelhafter Bonität und der Unsicherheit des Um- de Aktionäre bei einem Squeeze out nicht nach dem Börsen- tauschwerts bei Wandelanleihen/Optionsanleihen geboten, kurs, sondern nach dem Anteilswert im Zuge einer Unterneh- falls diese nicht bereits eingepreist sind. Die latente Steuer mensbewertung abgefunden. Dies hat seinen Grund darin, folgt bei Anlagen im Privatvermögen aus § 20 Abs. 2 EStG. dass die überwiegend im Streubesitz befindlichen Anteile einem Minderheitsabschlag (»minority discount«) bei Bör- 6. Genussrechte / Genussscheine senkurs unterliegen.33 Genussrechte gewähren einen Anspruch auf Teilhabe am laufenden Gewinn und gegebenenfalls am (Betriebs-)Ver- Da der BGH34 auch im Familienrecht eine Verkehrswertbe- mögen, wobei auch eine Verlustbeteiligung möglich ist. Es wertung verlangt, darf der Anspruchsberechtigte im Zuge- liegt eine relativ freie inhaltliche Gestaltungsfreiheit als sog. winnausgleich nicht schlechter gestellt werden als der gesell- Mezzaninekapital40 an der Grenze zwischen Eigenkapital und schaftsrechtlich Berechtigte. Ist die AG nicht börsennotiert, Fremdkapital vor. kann der Verkehrswert ohnehin nur durch die Unterneh- Genussscheine sind verbriefte Genussrechte, die als Wert- mensbewertung ermittelt werden. Bei vinkulierten Aktien papiere handelbar sind.41 (Namensaktien) kommt ein Abschlag wegen fehlender Han- delbarkeit in Betracht. Der Bewertungsansatz erfolgt nach Kurswerten bei vorhan- denen Marktnotierungen (Genussscheine). Ansonsten hat Da eine Veräußerung zum Stichtag unterstellt wird, ist die eine Unternehmensbewertung oder Barwertermittlung über latente Steuer35 auf Veräußerungsgewinne gem. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG in Abzug zu bringen. Denkbar sind aber auch dem Unternehmenswert gegenzurechnende Steuervorteile bei 28 BGH FamRZ 2011, 622 und 1367. Verlusten (§ 20 Abs. 6 EStG). Bei Arbeitnehmeraktien erfolgt 29 Klein/Müting, Kap. 2, Stichwort: Wertpapiere. 30 BGH FamRZ 2001, 413; Palandt/Brudermüller, § 1376 Rn. 24. keine Besteuerung nach § 20 Abs. 8 EStG. Die Versteuerung 31 MüKoBGB/Koch, § 1376, Rn. 14. folgt § 19 EStG. 32 BVerfG AG 2011, 873; BVerfG AG 2011, 128; BGHZ 186, 229; OLG Karlsruhe AG 2015, 789; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 4. Anleihen und Pfandbriefe 8. Aufl. 2016, Rn. 201, 283, 291, 293, 309; IDW S 1, Tz. 14–16, 142. Bei Anleihen und Pfandbriefen handelt es sich um mit- 33 Großfeld, Rn. 293 ff. tel- und langfristige Kreditaufnahmen von Unternehmen, 34 St. Rspr. des BGH FamRZ 2011, 622 und 1367. 35 BGH FamRZ 2011, 1367. Staaten u.a. gegen Schuldverschreibungen (Wertpapiere) mit 36 Zacher, S. 31. meistens fester oder auch variabler Verzinsung (»Floating- 37 Zacher, S. 31. Rate-Notes«).36 38 Zacher, S. 32. 39 Zacher, S. 32. Sog. »Junk-Bonds« sind Anleihen von Emittenten mit zwei- 40 Mezzanine-Kapital oder Mezzanine-Finanzierungen (italienisch mezzo felhafter Bonität bei meist entsprechend höherer Verzinsung. ›halb‹; französisch Zwischengeschoss) beschreibt als Sammelbegriff Finan- zierungsarten, die in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Ausgestaltun- Pfandbriefe (»Covered-Bonds« oder gedeckte Schuldverschrei- gen eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital darstellen. bungen) werden als Anleihen definiert, die durch Hypotheken 41 Zacher, S. 33.

376 FuR 7 · 2017 Kuckenburg · Bewertung von Finanzanlagen Bewertung im Zugewinn

Diskontierung der zu erwartenden Zahlungsströme unter Be- Die Schwierigkeiten bei der Bewertung liegen bei der Ab- rücksichtigung der latenten Steuer zu erfolgen.42 zinsung und den Unsicherheitsfaktoren über die weitere 7. Zertifikate Wertentwicklung. Die latente Steuer ist wie üblich zu be- rücksichtigen. Ursprünglich wurde der Begriff des Zertifikats allgemein für Anteilsscheine von Investmentfonds im Sinne einer Urkunde 9. Swaps für ausgegebene oder hinterlegte Wertpapiere verwendet. Der Unter »Swaps« (englisch für Tausch/Austausch) versteht man Begriff wird heute im engeren Sinne für spezielle Schuldver- den Tausch von Verbindlichkeiten mit unterschiedlichen schreibungen (Anleihen) eines Emittenten (regelmäßig Kreditin- Konditionen im Rahmen eines strukturierten Produkts zwi- stitute) verwandt, bei denen der Anleger zunächst oder statt einer schen zwei oder mehreren Vertragsparteien (im Regelfall An- (meist relativ geringen) Verzinsung an der Wertentwicklung an- leger/Bank). Es werden Zahlungsströme über eine bestimmte derer Vermögenswerte (Aktien, Indices, Währungen, Rohstoffe Periode ausgetauscht (Unterschied zu »Futures/Forwards«, oder Waren etc.), dem sog. »Underlying« partizipiert.43 die zeitpunktbezogen sind).48 Unter einem »Underlying« (bzw. deutsch: Basiswert) versteht Beispiele für Swaps: man ein Handelsobjekt bzw. Kassamarktinstrument, dass einem Termin-, Terminkontrakt- oder Optionsgeschäft zugrunde liegt  Zinsswaps, (z.B. Options- oder Futureskontrakte). Dieses »Underlying« ist  Währungsswaps, die Basis für die Bewertung dieses Termin- oder Optionsge-  kombinierte Zins- und Währungsswaps, schäfts, somit auch für die Preisfindung des Produktes. Generell  weitere Mischformen bzw. um zusätzliche Komponenten ist für die Wertermittlung weniger der Wert des »Underlying«, erweiterte Swaps-Produkte. sondern die Struktur der Wette hierauf entscheidend. Der Bewertungsansatz49 erfolgt, soweit es sich nicht nur Diese erfolgt nach Kurswerten bei vorhandenen Marktnotie- um ein Sicherungsgeschäft handelt, über Marktpreise, so- 50 rungen, hilfsweise durch Barwertermittlung durch Diskontie- weit diese im Einzelfall vorliegen (CFD -Broker, wie www.​ rung der Zahlungsströme und gegebenenfalls kombiniert mit onvista.​de). Falls keine Marktpreise ermittelbar sind, kann der Bewertung der Rückzahlungsmodalitäten im Einzelfall der Wert nur durch finanzmathematische Berechnungs- (Wertentwicklung des »Underlying«). Falls nicht schon im und Simulationsmodelle ermittelt werden (www.​much-​net.​ Kurswert eingepreist, sind zweifelhafte Bonität des Emittenten com). Dabei werden das Swaps-Geschäft »zerlegt« und die und Unsicherheit der Entwicklung der Schlusszahlung (Total- möglichen Deckungsgeschäfte bewertet. Dieses beinhaltet verlust möglich) zu beachten.44 Die latenten Steuern folgen regelmäßig Unsicherheitsfaktoren. Die latente Steuer ist wie den am Stichtag geltenden allgemeinen Besteuerungsregeln. üblich zu berücksichtigen. 8. Optionen und Futures / Forwards 10. Produkte des »Grauen« Kapitalmarkts Unter Option versteht man das Recht, eine vorab bestimmte Es gibt naturgemäß keine einheitliche Definition für den Menge eines Basiswerts in einem bestimmten Tarif oder in- »Grauen« Kapitalmarkt. Hierzu gehören manche un- nerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu einem bestimmten regulierte Genussrechtsemissionen, aber auch kollektive Preis zu kaufen (Call-Optionen) bzw. zu verkaufen (Put-Op- partiarische Darlehen. Hinter vielen verbergen sich reine tionen).45 Dieses Recht wird regelmäßig in Optionsscheinen Schneeballsysteme, bei denen die vermeintlichen Renditen, verbrieft, die einen eigenen Marktwert haben und oft selbst- manchmal über Jahre hinweg, aus dem frisch erworbenen ständig an Börsen oder außerbörslich gehandelt werden. Geld der neu hinzugetretenen Anleger an die bisher beige- tretenen Anleger ausgezahlt werden. Futures sind unbedingte Termingeschäfte, die die Verpflichtung zur Lieferung/Abnahme eines bestimmten Anlagegegenstandes Fraglich ist, ob hier ein Vermögenswert vorliegt, wenn gegen zu einem fest vereinbarten Preis in der Zukunft beinhalten. Kapitalanlageregelungen verstoßen wird. Auch sind nega- tive Werte denkbar. Regelmäßig wird ein Marktpreis nicht Forwards sind im Gegensatz zu Futures außerbörslich un- feststellbar sein. Falls Werthaltigkeit überhaupt gegeben ist, 46 bedingte Termingeschäfte. kommt die Unternehmensbewertung und/oder die Bewer- 51 Auch hier sind verschiedene Basisprodukte (»Underlyings«) tung von Anleihen in Betracht. denkbar. Der Bewertungsansatz erfolgt zum Marktpreis, so- Zu bedenken sind deshalb diverse Unsicherheitsfaktoren, weit ein Handel möglich und feststellbar ist. Hilfsweise kann zukünftige Fälligkeit, Rückzahlungsverpflichtungen der An- eine Einzelbewertung aus der Differenz zwischen dem Wert leger, Steuerbarkeit und Steuerhöhe (selbst bei Schneeball- des Basiswerts (»Underlying«) und Optionsprämien zum 47 system), werthaltige Schadensersatzansprüche gegenüber Stichtag mit dem Zeitwert des Optionsscheins erfolgen: Dritten. Die latente Steuer folgt allgemeinen Regeln.

Kurs des Basiswerts zum Stichtag – Optionsprämie (Strike Price) 42 Zacher, S. 33. 43 Zacher, S. 36. – Anpassung wegen Abzinsung (Höhe des Diskontierungssat- 44 Zacher, S. 36. zes?) über Restlaufzeit (Zeitpunkt der Ausübung der Option?) 45 Zacher, S. 37 f. 46 Zacher, S. 37 f. – Anpassung wegen Unsicherheit der Wertentwicklung 47 Zacher, S. 37 f. 48 Zacher, S. 38 f. (Restlaufzeit/Volatilität) 49 Zacher, S. 39. = Zeitwert 50 CFD: Contracts For Difference. 51 Zacher, S. 40 f. FuR 7 · 2017 377 Buchbesprechung

Uricher (Hrsg.), Erbrecht – Testamentsgestaltung, Ver­ Pflichtteilsrechtsverhältnis fast jeder gegen jeden (Informa- tragsgestaltung, Prozessführung, 3. Aufl. 2016, Nomos tions-)ansprüche zu haben scheint. Der inzwischen hierzu Verlag, Baden-Baden, 1.188 S., geb. inkl. CD-ROM, 118 €, ISBN angehäufte »bunte Strauß« an Anspruchsgrundlagen ist aber 978-3-8487-2575-5 auch hier weitgehend transparent in die umfangreiche Be- arbeitung aufgenommen worden. Das in 3. Auflage erschienene Handbuch legt weiterhin gro- ßen Wert auf Praxisnähe, wobei die Erläuterungen zu der be- Ein Löwenanteil des Werkes belegt die Testamentsvollstre- eindruckend großen Anzahl von Mustern den Leser zusätzlich ckung (§ 5) mit fast 200 Seiten, die die gesamte Bandbrei- über die erbrechtlichen Hintergründe gut und weiterführend te dieses Rechtsinstituts abdeckt, mit wiederum zahlreichen informieren. Die Darstellungen in diesem Buch mit 12 Ka- Mustern und Klagerubren, was die nachfolgende thematische piteln behandeln die folgenden Rechtsbereiche: 1. Ansprüche Auswahl belegt: Die Anordnung der Testamentsvollstreckung des Alleinerben, 2. Vermächtnis, 3. Ansprüche der Erbenge- (TV), die Arten der TV, ausgewählte Formulare für die Ab- meinschaft, 4. Pflichtteilsrecht, 5. Testamentsvollstreckung, wicklung einer TV, die TV im Unternehmensbereich, der TV 6. Erbscheinsverfahren, 7. Letztwillige Verfügungen, 8. Erb- im Prozess, Vergütungstabellen, Beendigungstatbestände. Das verzicht, 9. Nachlasspflegschaft- und verwaltung, 10. Nach- Erbscheinsverfahren (§ 6) zeichnet sich u.a. durch Ausführun- lassinsolvenz, 11.Vorweggenommene Erbfolge, 12. Die Ab- gen und durch ein Muster zum Europäischen Nachlasszeugnis wicklung des Mandats in Erbsachen. aus. Lesenswert ist auch der umfangeiche § 7 (Gestaltung von letztwilligen Verfügungen) mit zahlreichen Vorfragen und Er- Damit deckt das Werk die relevanten Rechtsgebiete ab, mit wägungen zur Testamentsgestaltung sowie der nachhaltigen denen der erbrechtlich und/oder familienrechtlich tätige Behandlung der verschiedenen Testamentsarten inkl. zahl- Dienstleister in Berührung kommen kann, etwa der Rechts- reicher sog. Muster. Interessenkonflikte beim Ehegattentesta- anwalt, der Notar der Steuerberater, der Nachlasspfleger, der ment sind ebenso problematisiert wie spezielle Prüfungs- und Nachlassverwalter oder der Erbenermittler. Belehrungspflichten des Notars nach § 17 BeurkG. Für die Der Einstieg beginnt mit Ansprüchen des Alleinerben, wobei – Gestaltungspraxis unentbehrlich ist das hier aufgenommene wie in allen anderen Kapiteln – ein ausführliches Schrifttums- ausführliche Kapitel zum Erbverzicht (Pflichtteilsverzicht), das und Inhaltverzeichnis vorangestellt ist, welches die Arbeit mit neben den erläuternden Ausführungen u.a. mit zahlreichen dem Buch erfreulich erleichtert. Thematisch sind hier u.a. Mustern die Auswahlmöglichkeiten verdeutlicht. Die Nach- hervorzuheben: Feststellung des Erbrechts, erbrechtliche Le- lasspfleghaft und die Nachlassverwaltung sind als Spezialma- gitimation, Auslegung von Testamenten, Auskunftsansprüche, terien ausführlich in einem eigenen Kapitel abgehandelt. Die Herausgabeansprüche, Ansprüche des Vor-und Nacherben. Nachlasspflegschaft hat u.a. dann eine besondere Funktion, wenn es bis zur Klärung der Nachfolgeverhältnisse z.B. um Von den hier zur Beurteilung ausgewählten Kapiteln über- die Sicherung von Nachlassvermögen geht (»Versiegelung der zeugt in Folge auch Kapitel 2 (Vermächtnis) mit der Abgren- Wohnung«). Hierauf wird intensiv mit Mustern eingegangen. zung von Erbe/Vermächtnisnehmer, der Behandlung der Nachlasspflegschaft und -verwaltung mit ihren zahlreichen zahlreichen Vermächtnistypen, Auskunfts-und Verfahrens- Einzelaufgaben haben einen eigenen besonderen Stellenwert fragen sowie bspw. mit häufig interessierenden Klagemus- im erbrechtlichen Spektrum, Möglichkeiten und rechtliche‚ tern. Es folgen ausführliche Kapitel zur Erbengemeinschaft, Besonderheiten können hier vom Leser abgerufen werden. Mit dem Pflichtteilsrecht und der Testamentsvollstreckung. Zur vergleichbarer Ausführlichkeit wie bei den vorausgehenden Erbengemeinschaft wird u.a. empfohlen, wie der Miterbe in Kapiteln schließt das Handbuch mit folgenden, eigenständig den verschiedenen, meist schwierigen (außergerichtlichen) behandelten Themen ab: Nachlassinsolvenz (§ 10: Verfahrens- Situationen vorgehen könnte, wobei der Autor zunächst eröffnung, z.B. u.a.: Antragsberechtigungen, Wirkungen der ausführlich auf Informationsbeschaffung und Nachlasssi- Verfahrenseröffnung, Bedeutung für die Haftung, Verteilung cherung eingeht und u.a. mehrere Vorschläge zu Aufforde- des Nachlasses); Vorweggenommene Erbfolge (§ 11: Mandat, rungsscheiben und Informationsbeschaffungskorrespondenz Beratung, Steuerrechtliche Grundlagen), Die Abwicklung des macht, die gerade beim Mandatsauftakt sehr hilfreich und Mandats in Erbsachen (§ 12: Erstkontakt, Vergütung, Sach- entlastend sein können. Im Weiteren wird die Verwaltung verhaltsaufnahme, Rechtsdienstleistungsgesetz). bei der Gesamthand ebenso ausführlich abgehandelt wie Das vielseitige Handbuch mit der erbrechtlichen Hand- die Vorbereitung der Auseinandersetzung. Hinzu kommen schrift von zehn Autoren dokumentiert erneut die Bedeu- Klageschriften als Muster, die mit ihren Begründungsteilen tung und auch den hohen Schwierigkeitsgrad der »Materie den Einstieg erleichtern. Das Muster für die hochriskante Erbrecht«. Wer mit guten Erläuterungen bei gleichzeitiger Teilungsklage enthält einen gut vertretbaren Sachverhalt, notwendiger Auswertung von Rechtsprechung und Schrift- der sich auf die Aufteilung von Geld richtet. Anschließend tum sowie mit gut 800 Arbeitshilfen und Mustern zu den wird mit gut 100 Seiten das kardinale Pflichtteilsrecht ein- führenden erbrechtlichen Rechtsbereichen den denkbar si- schließlich der verschiedenen Anspruchsarten deswegen gut chersten Weg beim Umgang mit Mandat, Mandanten und und praxisorientiert bedient, weil auch hier die Darstellung dem nicht nur rechtlich geprägten Erbrecht anstrebt, wird u.a. den gesamten vorauss. Mandatsweg von der Anspruchs- mit diesem Werk nicht nur ausführlich informiert und ins- vorbereitung bis zu einem denkbaren Pflichtteilsvergleich truiert, sondern erhält vornehmlich einen qualitativ zuver- mit den forensischen Zwischenstadien erfasst, wobei auch lässigen und damit durchweg empfehlenswerten, fachlich verschiedene risikobezogene Detailfragen (z.B. Verjährung) starken Ratgeber. behandelt werden. Völlig unabhängig davon bieten sich ver- einfachende gesetzgeberische Maßnahmen an, weil beim Ernst Sarres, Rechtsanwalt, Düsseldorf

378 FuR 7 · 2017 Rechtsprechung

Familienrecht

Scheidungsfolgenvereinbarung / Form­ auseinandergesetzt, ob ein nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande bedürftigkeit / Gerichtlich festgestellter gekommener Vergleich ebenfalls die notarielle Beurkun- dung ersetzt. Dies hat er bejaht, da er von einer analogen Vergleich Anwendung ausgeht. Insoweit hat der BGH sich mit den BGB §§ 127a, 1378 Abs. 3 Satz 2; ZPO § 278 Abs. 6; FamFG verschiedenen Auffassungen auseinandergesetzt und sich der § 113 Abs. 1 Auffassung angeschlossen, dass ein nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommener Vergleich ein vollwertiger Vergleich ist Auf einen gerichtlich festgestellten Vergleich nach § 278 und deswegen die notarielle Beurkundung in entsprechender Abs. 6 ZPO findet § 127a BGB entsprechende Anwendung. Anwendung des § 127a BGB ersetzt wird. BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 71/16 – OLG Schleswig Dabei geht der BGH davon aus, dass einer unmittelbaren in Anwendung des § 127a BGB der Wortlaut der Vorschrift „„Sachverhalt entgegensteht. Dies begründet er damit, dass bei einem nach Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Schei- § 278 Abs. 6 ZPO errichten Vergleich eine Protokollierung dungsfolgenvergleichs. fehlt. In diesem Zusammenhang weist der BGH darauf hin, dass die Feststellungen des Gerichts, dass ein Vergleich zustan- Die Ehe der Beteiligten wurde im November 2011 rechtskräf- de gekommen ist, kein Protokoll in diesem Sinne darstellen. tig geschieden. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens schlos- Aus diesem Grund geht er von einer analogen Anwendung sen die Beteiligten einen Scheidungsfolgenvergleich, dessen des § 127a BGB aus. Er nimmt eine planwidrige Regelungs- Zustandekommen das AG mit Beschluss vom 04.07.2011 lücke an und geht von vergleichbaren Sachverhalten aus, die gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO fest- der Gesetzgeber geregelt hat. stellte. Darin wurde u.a. die Veräußerung der gemeinsamen Dazu bezieht der BGH sich auf die Gesetzesgeschichte. Er Immobilie, die Verteilung der Kosten und des Erlöses sowie zeigt auf, dass bei der Schaffung des § 127a BGB nur diese ein wechselseitiger Verzicht auf Zugewinnausgleichsansprü- eine Möglichkeit einen gerichtlichen Vergleich abzuschließen che geregelt. im Gesetz vorgesehen war. Daraus leitet er ab, dass für den Zuvor hatte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom Gesetzgeber bei der damaligen Neugestaltung des Beurkun- 11.03.2010 Auskunft zu ihrem Anfangs- und Endvermö- dungsrechtes kein Anlass bestand, die Regelung in § 127a gen erteilt. Dabei hatte sie nicht angegeben, dass sie Eigen- BGB auf andere Formen eines Vergleichsabschlusses zu er- tümerin zweier Stammblätter bei einem Handballverein mit strecken. einem Wert von ca. 3.500 € war und dass sie im Zeitpunkt Als unerheblich sieht der BGH an, dass der Gesetzgeber nach der Rechtshängigkeit der Scheidung über eine Beteiligung an Einführung des § 278 Abs. 6 ZPO keine Anstalten vorge- einem Fond verfügte. nommen hat, die Vorschrift des § 127a BGB entsprechend zu Mit Schreiben vom 04.07.2012 und vom 29.12.2014 erklär- ändern. Dies steht nach Auffassung des BGH einer nachträg- te der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin die An- lich entstandenen Regelungslücke nicht entgegen. Insoweit fechtung der Scheidungsfolgenvereinbarung wegen arglistiger bezieht der BGH sich auf die Begründung des Gesetzent- Täuschung im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung wurfes, in dem überhaupt nicht darauf eingegangen wird, der Antragsgegnerin zu ihrem Endvermögen. Er begehrt im ob § 278 Abs. 6 ZPO die notarielle Beurkundung ersetzt. Wege des Stufenantrages von der Antragsgegnerin Auskunft Vielmehr weist der BGH darauf hin, dass aus den Gesetzes- und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Das AG hat materialien der Wille des Gesetzgebers erkennbar wird, den den Antrag insgesamt zurückgewiesen. Die Beschwerde des Beschluss-Vergleich in seinen Wirkungen einem gerichtlich Antragstellers blieb ebenso ohne Erfolg wie die Rechtsbe- protokollierten Vergleich im vollem Umfang gleichzustellen. schwerde. Deswegen verneint der BGH eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, den Beschluss-Vergleich vom Anwendungsbe- „„Entscheidungsinhalt reich des § 127a BGB auszunehmen. Vielmehr geht er davon Der BGH hat sich mit der Zurückweisung des gesamten aus, dass mit der Einführung des § 278 Abs. 6 ZPO den Ver- Stufenantrages befasst und dies für zulässig erachtet, wenn fahrensbeteiligten eine Möglichkeit geschaffen werden sollte, in dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage unter erleichterten Voraussetzungen eine einvernehmliche fehlt. Diese Voraussetzung hat er bejaht, weil er davon aus- Regelung zur Beendigung ihres Rechtsstreits herbeizuführen, geht, dass durch den gerichtlich festgestellten Vergleich vom wobei nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber ohne eine 04.07.2011 beide Beteiligten auf wechselseitige Zugewinn- entsprechende gesetzliche Regelung von dieser Möglichkeit ansprüche verzichtet haben. rechtsgeschäftliche Erklärungen ausnehmen wollte, die nach materiellem Recht der notariellen Beurkundung bedürfen. Sodann hat der BGH sich mit den Formerfordernissen des § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB unter Verweis auf § 127a BGB Ferner geht er davon aus, dass die Sachverhalte vergleichbar auseinandergesetzt, wobei eine Beurkundung durch einen sind. Insbesondere fehlt es nach BGH nicht an der erforderli- Prozessvergleich ersetzt wird, der beim Prozessgericht proto- chen Funktionsäquivalenz zu einer notariellen Beurkundung. kolliert worden ist. Da dies im vorliegenden Fall nicht ge- Dazu führt er aus, dass die Verfahrensgarantien für die Betei- schehen ist, sondern der Vergleich im schriftlichen Verfah- ligten durch einen im Beschlusswege zustande gekommenen ren festgestellt worden ist, hat der BGH sich mit der Frage Vergleich ausreichend gewahrt sind.

FuR 7 · 2017 379 Rechtsprechung Familienrecht

Der BGH verweist darauf, dass nach dem Beurkundungs- hat, liegt nach Auffassung des BGH deswegen eine vorsätz- gesetz sich die Anforderungen an notarielle Beurkundungen liche Täuschung nicht vor. Diese Kenntnis leitet er daraus an den Notar und an andere, für öffentliche Beurkundun- ab, dass der Antragsteller während der Ehezeit wiederholt die gen zuständige Urkundspersonen, nicht aber an Gerichte Freistellungsaufträge für die fragliche Fondbeteiligung unter- wenden. Insbesondere weist der BGH darauf hin, dass mit schrieben hat. Abschaffung des früheren § 128 BGB die Gerichte keine Be- Im Zusammenhang würdigt der BGH die Behauptung urkundungstätigkeiten mehr vornehmen. Aus diesem Grund des Antragstellers, er habe die Freistellungsaufträge jeweils ist ein ordnungsgemäß protokollierter Vergleich einer no- »blind« unterschrieben. Dabei weist der BGH darauf hin, tariellen Beurkundung gleichwertig, ohne dass besondere dass dies von der Antragsgegnerin bestritten ist und der An- Anforderungen gegeben sein müssen. Daher darf bei § 278 tragsteller die dazu erforderliche Beweislast trägt. Gleiches gilt Abs. 6 ZPO nicht darauf abgestellt werden, welche Förm- nach BGH für die unterbliebene Angabe der Stammblätter lichkeiten einer notariellen Beurkundung erfüllt sind. Ent- für die Handballmannschaft. Der BGH weist darauf hin, dass scheidend ist nach Auffassung des BGH vielmehr die Gleich- der Antragsteller die Antragsgegnerin während der Ehezeit wertigkeit mit einem protokollierten Vergleich. Dies folgert mehrfach zu Heimspielen in Handballvereins begleitet hat er daraus, dass mit Einführung des Beschluss-Vergleichs nur und dass die Antragsgegnerin davon ausgehen konnte, dass eine erleichterte Möglichkeit zur Verfügung gestellt werden er hiervon Kenntnis hatte. Im Übrigen verweist der BGH auf sollte, ein Gerichtsverfahren mit einem Vergleichsabschluss den nur geringen Wert. zu beenden. Insbesondere geht der BGH auch davon aus, dass die mit einer notariellen Beurkundung verbundenen Schutzzwecke in gleicher Weise durch den Beschlussver- „„Praxishinweis gleich wie durch eine gerichtliche Protokollierung eines Mit dieser Entscheidung hat der BGH einen erheblichen Vergleichs erfüllt werden. Dabei stellt er insbesondere auf Streitpunkt geregelt, nämlich die Frage, ob ein gerichtlich die Schutzzwecke Übereilung und besondere Bedeutung des festgestellter Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO die notarielle Rechtsgeschäfts ab. Was den Schutzzweck der Übereilung Form ersetzt, die nach § 127a ZPO nur bei einem gerichtlich angeht sieht der BGH sogar in dem Vergleichsabschluss nach protokollierten Vergleich möglich ist. Bis dahin wurden die § 278 Abs. 6 ZPO eine effektivere Beachtung, weil viel mehr Auffassungen vertreten, dass im Hinblick auf den Wortlaut Zeit besteht, den Vergleich durch Schriftsätze vorzubereiten. des § 127a ZPO ein Beschluss-Vergleich nach § 278 Abs. 6 Im Übrigen wird die Bedeutung des Beschluss-Vergleichs da- ZPO die Voraussetzungen nicht erfüllt. Eine andere Meinung durch gewahrt, dass erst durch den gerichtlichen Beschluss hat die Auffassung vertreten, dass dies nur dann der Fall ist, das wirksame Zustandekommen eines Vergleichs bewirkt wenn der Vergleichsvorschlag vom Gericht stammt, während werden kann. eine dritte Auffassung die Meinung vertreten hat, dass beide Vergleichsarten gleichstehen. Für letzteres hat der BGH sich Auch im Hinblick auf die Beratungs- und Warnfunktion entschieden. sieht der BGH keine Abweichungen. Dabei geht er davon (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) aus, dass sowohl bei dem protokollierten als auch bei dem Beschluss-Vergleich vom Gericht lediglich geprüft wird, ob der unterbreitete Vergleich nicht gegen die guten Sitten, ge- Rechtsmittel / Rechtsmittelbegründungs­ setzliche Verbote oder die öffentliche Ordnung verstößt. Als frist / Ablauf / Unwirksame Verlängerung unerheblich sieht der BGH an, ob der Vergleichsvorschlag vom Gericht stammt oder von den Parteien zur Feststellung FamFG § 117 Abs. 1; ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2 vorgelegt wurde. Da in § 278 Abs. 6 ZPO beide Möglich- Die Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechts- keiten des Vergleichsabschlusses gleichgestellt sind, darf aus mittels durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts diesem Grund, soweit es um die formersetzende Wirkung ist nicht wirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des geht, eine differenzierte Betrachtung nicht vorgenommen Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegrün- werden. dung bereits abgelaufen war (im Anschluss an Senats- Anschließend hat der BGH sich mit der Frage der wirksamen beschl. v. 09.11.2005 – XII ZB 140/05, FamRZ 2006, 190 Anfechtung der Scheidungsfolgenvereinbarung nach § 123 und v. 24.01.1996 – XII ZB 184/95, FamRZ 1996, 543; Abs. 1 BGB befasst. Dass die Antragsgegnerin in der Aus- BGHZ 116, 377 = NJW 1992, 842 und BGH, Beschl. v. kunft zu ihrem Endvermögen tatsächliche Vermögenswerte 12.02.2009 – VII ZB 76/07, NJW 2009, 1149 = JurBüro nicht angegeben hat, füllt nach Auffassung des BGH den 2009, 390). Anfechtungstatbestand des § 123 Abs. 1 BGB nur dann an, wenn der Täuschende die Unrichtigkeit der falschen Angaben BGH, Beschl. v. 29.03.2017 – XII ZB 576/16 – OLG Bamberg gekannt und gleichzeitig das Bewusstsein und den Willen ge- habt hat, durch die irreführenden Angaben und das Unterlas- „„Sachverhalt sen der Aufklärung über die wahre Sachlage einen Irrtum zu Die Ehe der Beteiligten wurde im Dezember 2003 rechts- erregen oder aufrecht zu erhalten und den Getäuschten damit kräftig geschieden. Eine Hausratsverteilung fand weder bei zu einer Willenserklärung zu bewegen, die er sonst nicht oder der Trennung noch bei der Scheidung statt. Im Jahr 2013 mit anderem Willen abgegeben hätte. Aus diesem Grund hat der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Heraus- lehnt der BGH bloße Fahrlässigkeit ab. Wenn der Erklärende gabe verschiedener Gegenstände des früheren, gemeinsamen fahrlässig davon ausging, dass der Erklärungsempfänger von Hausstandes begehrt, deren Gesamtwert er mit rd. 85.000 € den nicht offenbarten Umständen ohnehin selbst Kenntnis beziffert hat. Für den Fall der Unmöglichkeit der Herausga-

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be hat er Auskunft über den Verbleib der Gegenstände und Als unerheblich sieht der BGH an, wann der Antragsteller- Schadensersatz verlangt. vertreter Kenntnis vom Hinweis des OLG erhalten hat. Dies begründet er damit, dass die verstrichene Beschwerdebegrün- Das AG hat die Anträge abgewiesen. Gegen diesen, ihm dungsfrist – unabhängig von Vertrauensschutzgesichtspunkten am 06.05.2016 zugestellten, Beschluss hat der Antragstel- – keiner Verlängerung zugänglich war. Insbesondere ist – vorauf ler fristgemäß Beschwerde eingelegt. Mit beim OLG am der BGH hinweist – ein Wiedereinsetzungsantrag nicht erfolgt. 06.07.2016 (einem Mittwoch) eingegangenen Schreiben hat die Rechtsfachwirtin G. für den Antragsteller gebeten, die Praxishinweis Begründungsfrist für die Beschwerde bis zum 27.07.2016 zu „„ verlängern. Der Senatsvorsitzende hat der Verfahrensbevoll- Interessant wären Erwägungen zu der Frage gewesen, um wel- mächtigten des Antragstellers unter dem 07.07.2016 mit- che Art von Familiensache es sich überhaupt handelt. Da es sich geteilt, dass Fristverlängerungsgesuch sei unwirksam, weil es um die Herausgabe von Haushaltsgegenstände handelt, könn- nicht von einem Rechtsanwalt eingereicht worden sei und te sowohl ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB als auch auch insoweit Anwaltszwang bestehe. ein Antrag auf Hausratverteilung in Betracht kommen. Würde letzterer vorliegen, wäre eine Beschwerdebegründungsfrist gar Am 08.07.2016 ist beim OLG ein von der Antragsteller- nicht in Erwägung zu ziehen, da es sich dann um eine FG-Fa- vertreterin unterzeichneter Antrag auf Fristverlängerung miliensache handelt, für die eine Beschwerdebegründungsfrist eingegangen. Mit Verfügung vom 11.07.2016 hat der stell- im Gegensatz zu einer Familienstreitsache gar nicht gegeben ist. vertretende Vorsitzende die Fristverlängerung antragsgemäß (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) genehmigt. Auf einen weiteren Fristverlängerungsantrag der Antragstellervertreterin vom 27.07.2016, die Begrün- Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- dungsfrist nochmals bis zum 10.08.2016 zu verlängern, hat Fundstelle: JurionRS 2017, 12844 das OLG darauf hingewiesen, dass die Beschwerdebegrün- dungsfrist nicht eingehalten worden sei. Mit Beschluss vom Rechtsmittel / Wiedereinsetzung in den 23.08.2016 hat es die Beschwerde als unzulässig verworfen. vorherigen Stand / Einlegung beim fal­ Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragstellers blieb ohne Erfolg. schen Gericht / Wahrung der fristgemäßen Weiterleitung an das zuständige Gericht „„Entscheidungsinhalt ZPO § 233 Der BGH hat die Auffassung des OLG geteilt, dass die Be- schwerde unzulässig ist, weil die Frist zur Begründung der Eröffnet ein Gericht die Möglichkeit von Weiterleitung Beschwerde am 06.07.2016 endete und durch Verfügung von Schriftstücken an das zuständige Gericht, so genügt vom 11.07.2016 nicht wirksam verlängert wurde, weil der der Anwalt seinen Sorgfaltspflichten bereits dann, wenn maßgebliche Verlängerungsantrag erst nach Fristablauf beim er einen fristgebundenen Schriftsatz so rechtzeitig abgibt, OLG eingegangen ist. dass er einen fristgemäßen Eingang beim zuständigen Ge- richt mit Sicherheit erwarten darf (im Anschluss an BGH, Insoweit hat der BGH sich mit dem Vertrauensschutz aus- Beschl. v. 23.03.2006 – XI ZB 56/05, AnbBl 2006 491 und einandergesetzt und darauf hingewiesen, dass ein Verfahrens- v. 12.07.1961 – I ZB 2/61, VersR 1961, 923). beteiligter, dem eine beantragte Verlängerung der Rechtsmit- telbegründungsfrist gewährt worden ist, grundsätzlich darauf BGH, Beschl. v. 29.03.2017 – XII ZB 567/16 – OLG Düsseldorf vertrauen darf, dass die betreffende richterliche Verfügung wirksam ist. Er hat allerdings auch hervorgehoben, dass sich „„Sachverhalt die Grenzen aus dem Gebot der Rechtssicherheit und Rechts- Die Rechtsbeschwerde betrifft die Wiedereinsetzung in den klarheit ergeben. Daraus folgert der BGH, dass dann, wenn der vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbe- Vorsitzende die Rechtsmittelbegründungsfrist aufgrund eines gründungsfrist. Die Berufungsbegründung ist verspätet beim vor deren Ablauf gestellten Antrags verlängert, seine Verfügung OLG eingegangen. Auf entsprechenden Hinweis des Vorsit- auch dann wirksam ist, wenn der Verlängerungsantrag verfah- zenden haben die Kläger mitgeteilt, dass ihr Prozessbevoll- rensrechtlich nicht wirksam gestellt worden ist. Auf der ande- mächtigter den Schriftsatz zwei Tage vor Fristablauf in das ren Seite ist die Verlängerung der Frist zur Begründung eines beim AG für das OLG eingerichtete Postaustauschfach gelegt Rechtsmittels durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts hat. Nach Kenntnis des Prozessbevollmächtigten werde dieses nicht wirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlän- täglich geleert und der Inhalt zum OLG transportiert. Das gerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits OLG hat darin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den abgelaufen war. Daraus leitet der BGH ab, dass die dem An- vorherigen Stand gesehen, diesen zurückgewiesen und die Be- tragsteller gewährte Fristverlängerung nicht wirksam ist, weil rufung verworfen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde sie erst auf den nach Fristablauf eingegangenen, entsprechend führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. § 114 Abs. 1 FamFG vom Verfahrensbevollmächtigten des An- tragstellers bezeichneten Antrag erfolgt ist. „„Entscheidungsinhalt Insbesondere geht der BGH davon aus, dass die gewährte Frist- Der BGH geht zunächst davon aus, dass ein Rechtsanwalt verlängerung nicht durch den Verlängerungsantrag der Rechts- von der Möglichkeit, einen fristgebundenen Schriftsatz bei fachwirtin erfolgt ist, weil das OLG ausdrücklich auf die Unwirk- der Annahmestelle eines Gerichts zur Weiterleitung an das samkeit dieses Gesuches hingewiesen und die Fristverlängerung zuständige Gericht zu geben, solange Gebrauch machen darf, erst auf den verspäteten Antrag des Rechtsanwalts gewährt hat. wie er mit Sicherheit noch einen fristgerechten Eingang er-

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warten darf. Gibt er den Schriftsatz am letzten Tag der Frist „„Sachverhalt ab, so liegt ein Sorgfaltsverstoß vor, wenn er sich nicht durch Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten ausdrückliches Befragen vergewissert, dass der Eingang beim im restlichen Scheidungsverbund noch um nachehelichen zuständigen Gericht noch am gleichen Tag erfolgen wird. Dies Unterhalt und den Versorgungsausgleich. begründet der BGH damit, dass ein Anwalt, der eine Rechts- Die Beteiligten heirateten im März 1993. Aus der Ehe ist mittelbegründungsfrist bis zum letzten Tage ausschöpft, we- ein am 03.12.1995 geborenes Kind hervorgegangen. Die gen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos eine er- Ehegatten schlossen am 28.12.1995 einen notariellen »Ehe- höhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist vertrag und Erbverzicht«. Darin verzichteten die Ehegatten sicherzustellen. Allerdings weist der BGH darauf hin, dass gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt ausgenommen des dann, wenn der Schriftsatz – wie hier – mehrere Tage vor Ab- Betreuungs- und Krankenunterhalts. Außerdem regelten sie, lauf der Frist abgegeben wird, diese erhöhten Anforderungen dass mit Abschluss der Kinderbetreuung der Verzicht wieder nicht bestehen. Eröffnet ein Gericht die Möglichkeit der Wei- in Kraft tritt und der Unterhalt nicht aus anderen Gründen terleitung von Schriftstücken an das zuständige Gericht, so ge- verlangt werden kann. Ferner enthielt der Vertrag die Rege- nügt der Anwalt seinen Sorgfaltspflichten bereits dann, wenn lung, dass der Betreuungsunterhalt auf jeden Fall endet, wenn er einen fristgebundenen Schriftsatz so rechtzeitig abgibt, dass das jüngste der gemeinschaftlichen Kinder das 18. Lebens- er einen fristgemäßen Eingang beim zuständigen Gericht mit jahr vollendet hat. Außerdem begrenzten sie die Höhe eines Sicherheit erwarten darf. Allerdings gibt es – worauf der BGH etwaigen nachehelichen Unterhalts auf 3.000 DM monatlich. ausdrücklich hinweist – keine für den Normalfall festgelegte Ferner schlossen sie den Zugewinn und den Versorgungsaus- Beförderungszeit bei der Weiterleitung durch die Justiz. gleich aus. Vielmehr sind gewisse Verzögerungen mit höherer Wahr- Hintergrund für den Abschluss des notariellen Ehevertrags scheinlichkeit zu erwarten als bei einer Briefbeförderung, weil war eine Umstrukturierung des der Mutter des Ehemannes Wachtmeister durch vorrangige dienstliche Tätigkeiten oder gehörenden Unternehmens. Dieses wurde von einem Einzel- andere Umstände vorübergehend verhindert sein können. Hier unternehmen in eine GmbH & Co. KG umgewandelt, von geht der BGH von einer außergewöhnlichen Verzögerung des der nach den Feststellungen des OLG zunächst 12 % der Ge- Postaustausches aus. Zur Begründung weist der BGH darauf schäftsanteile auf den Ehemann übertragen werden sollten. hin, dass bei täglicher Leerung des Faches am Vormittag der Nach dessen Angaben hatte seine Mutter die Übertragung Prozessbevollmächtigte der Kläger darauf vertrauen durfte, dass der Geschäftsanteile vom Abschluss des Ehevertrags abhängig der Schriftsatz, der am 22.08.2016 morgens in das Fach gelegt gemacht. wurde, vor Ende der am 24.08.2016 abgelaufenen Berufungs- begründungsfrist beim OLG eingehen würde. Die Mutter des Ehemannes übertrug diesem 2008 weitere 33 % der Geschäftsanteile sowie 45 % auf dessen Schwester Als unerheblich sieht der BGH an, dass es einen ausdrückli- und behielt ihrerseits noch 10 % der Geschäftsanteile. chen schriftlichen Hinweis gibt, dass in das Gerichtsfach kei- ne Fristsachen eingelegt werden sollen. Dies sieht der BGH Die Ehegatten trennten sich im November 2011. Der Schei- lediglich als Hinweis darauf an, dass mit Einlegung in das dungsantrag wurde im November 2012 zugestellt. Die Schei- Fach die Frist noch nicht gewahrt ist, weil es sich um eine dung ist seit 25.11.2014 rechtskräftig. gemeinsame Postannahmestelle handelt. Die 1969 geborene Ehefrau absolvierte nach Erwerb des qua- (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) lifizierten Hauptschulabschlusses eine Lehre zur Bürokauffrau und übte den Beruf bis zu ihrer Eheschließung aus. Nach der Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- Eheschließung wechselte sie ihren Arbeitsplatz und arbeitete Fundstelle: JurionRS 2017, 12637 bis 1995 sowie von 1998 bis 2008 im Familienunternehmen überwiegend in Teilzeitbeschäftigung als Sekretärin. Ehevertrag / Unternehmerehe / Sittenwid­ rigkeit / Antragserfordernis in einer Aufgrund einer erstmals 1997 diagnostizierten Multiplen Sklerose ist die Ehefrau zu 100 % erwerbsbehindert und in Unterhaltsfolgesache Pflegestufe II. eingestuft. Sie bezieht seit 2008 eine Erwerbs- BGH §§ 138 Abs. 1, 1408; FamFG § 117 Abs. 1 Satz 1 minderungsrente von derzeit monatlich 777 € und ist Inha- berin eines Aktiendepots mit einem Wert von rd. 46.000 €. a) Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags aufgrund einer Der 1963 geborene Ehemann erzielt Einkünfte aus Gewerbe- Gesamtschau der zu den Scheidungsfolgen getroffenen betrieb, Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalver- Regelungen im Falle der sogenannten Unternehmerehe mögen. Er leistet Unterhalt an die volljährige Tochter, die (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 29.01.2014 – XII ZB Studentin ist. 303/13, FamRZ 2014, 629 = FuR 2014, 477 und Senats- Die Ehefrau beruft sich auf eine Unwirksamkeit des Ehever- urt. v. 31.10.2012 – XII ZR 129/10, FamRZ 2013, 195). trags und hat im Scheidungsverbundverfahren Ehegatten- b) Zum Erfordernis eines bestimmten Antrages der Be- unterhalt wegen Krankheit, bestehend aus einem Elementar- schwerdebegründung in einer Unterhaltsfolgesache (im und Altersvorsorgeunterhalt, geltend gemacht. Anschluss an Senatsbeschl. v. 10.06.2015 – XII ZB 611/14, FamRZ 2015, 1375 = FuR 2015, 527 und v. 04.09.2013 – Das AG hat die Ehe der Beteiligten geschieden, den Unterhalts- XII ZB 87/12, FamRZ 2013, 1879 = FuR 2014, 37). antrag abgewiesen und zudem ausgesprochen, dass ein Versor- gungsausgleich nicht stattfinde. Auf die von der Ehefrau hin- BGH, Beschl. v. 15.03.2017 – XII ZB 109/16 – OLG Bamberg sichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich und nachehelicher

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Unterhalt eingelegte Beschwerde hat das OLG den Versorgungs- der BGH darauf, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausgleich durchgeführt und den Ehemann zu gestuften Unter- noch nicht vorhersehbar war, dass die Ehefrau wegen Alters haltszahlungen verpflichtet. Die dagegen gerichtete Rechtsbe- oder Krankheit unterhaltsbedürftig werden würde. schwerde des Ehemannes, mit welcher er die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses erstrebt, hat keinen Erfolg. Die Erkrankung an Multipler Sklerose wurde erst 1997 fest- gestellt. Wann eine Unterhaltsbedürftigkeit wegen Alters entstehen würde, war bei der seinerzeit 26-jährigen Ehefrau „„Entscheidungsinhalt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ebenfalls noch nicht Der BGH hat sich zunächst mit der Rechtsbeschwerde gegen abzusehen. die Versorgungsausgleichsentscheidung auseinandergesetzt und sieht diese Beschwerde als unzulässig an, weil es an einer Sodann befasst der BGH sich mit dem Versorgungsausgleich. nach § 70 Abs. 1 FamFG erforderlichen Zulassung durch das Den Ausschluss des Versorgungsausgleichs sieht er als nicht OLG fehlt. nachteilig für die Ehefrau an, da sie während der Ehezeit hö- here Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung Zwar weist der BGH darauf hin, dass die Zulassung der erworben hat als der Ehemann. Dieser hat nämlich ledig- Rechtsbeschwerde keine Einschränkungen enthält. Allerdings lich ein Anrecht aus einer auf Kapitalisierung gerichteten geht der BGH davon aus, dass sich solche Beschränkungen betrieblichen Altersversorgung erworben, das nicht dem Ver- aus den Entscheidungsgründen ergeben können. Insoweit sorgungsausgleich unterfiel. weist er darauf hin, dass sich aus der Begründung des an- gefochtenen Beschlusses eindeutig ergibt, dass die Rechtsbe- Sodann befasst der BGH sich mit dem Ausschluss des Zuge- schwerde nur zum Verfahrensgegenstand des nachehelichen winnausgleichs, den er ebenfalls nicht für sittenwidrig hält. Er Unterhalts zugelassen worden ist. weist zunächst darauf hin, dass der Zugewinnausgleich nicht vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts umfasst wird. Innerhalb der Zulassung betreffend den nachehelichen Dies nimmt er auch für den Fall an, dass bei Unternehmer- Unterhalt sieht der BGH allerdings keine weiteren Beschrän- ehen der selbständige, erwerbstätige Ehegatte seine Alters- kungen der Rechtsbeschwerde. Er weist darauf hin, dass eine versorgung nicht durch die Bildung von Vorsorgevermögen Beschränkung nur auf einen tatsächlichen und rechtlich selb- i.S.d. § 2 VersAusglG, sondern im Wesentlichen durch die ständigen Teil des Gesamtstreitstoffes möglich ist, nicht aber Ansammlung privaten Vermögens aufbaut. Insofern erkennt auf einzelne Rechtsfragen. Aus diesem Grund ist es nicht der BGH ein legitimes Interesse des erwerbstätigen Ehegat- möglich, die Zulassung auf die Frage der Zulässigkeit eines ten an, das Vermögen seines selbständigen Erwerbsbetriebes Rechtsmittels zu beschränken. durch die Vereinbarung der Gütertrennung einem möglichen, Deshalb hat der BGH sich zunächst mit der Frage befasst, existenzbedrohenden Zugriff eines Ehegatten im Scheidungs- ob der Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt ist. Danach fall zu entziehen und damit nicht nur für sich, sondern auch verlangt die Ehefrau als Rechtsmittelführerin nur nacheheli- für die Familie die Lebensgrundlage zu erhalten. chen Unterhalt, ohne diesen zu beziffern. Der BGH sieht dies Daraus leitet der BGH ab, dass die ehevertraglichen Einzelre- allerdings als unerheblich an, weil sich aus der Beschwerdebe- gelungen nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit rechtfertigen. gründung ergibt, dass die Ehefrau ihren in erster Instanz ge- Sodann prüft er, ob sich die Sittenwidrigkeit möglicherweise stellten Antrag weiterverfolgen will. Daraus ergibt sich nach aus einer Gesamtwürdigung aufgrund eines Zusammenwir- Auffassung des BGH eindeutig, in welchem Umfang und mit kens aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen begründen welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten lässt. Insoweit hebt er hervor, dass aus dem objektiven Zusam- werden soll. Insbesondere geht der BGH davon aus, dass ein menspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf eine Grundurteil im vorliegenden Fall nicht begehrt worden ist, weiterhin erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstig- weil der Begründungsantrag ausdrücklich auf die Zuerken- ten Ehemannes geschlossen werden kann, wenn die Annahme nung von Unterhalt gerichtet ist. gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertrags- Der BGH geht ferner davon aus, dass der Ehevertrag gem. inhalt eine auf ungleiche Verhandlungspositionen basierende § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist. Insofern verweist er auf einseitige Dominanz eines Ehegatten, und damit eine Störung seine Ausführungen zu den Kernbereichen. Er hebt hervor, der subjektiven Vertragsparität, wiederspiegelt. dass der Betreuungsunterhalt zum Kernbereich des Schei- Zwar räumt der BGH ein, dass ein unausgewogener Vertrags- dungsfolgenrechts gehört nicht der freien Disposition der inhalt ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungs- Ehegatten unterliegt, was allerdings nicht bedeutet, dass er position des belasteten Ehegatten sein kann. Gleichzeitig jeglicher Modifikation entzogen ist. Für den vorliegenden Fall verlangt er allerdings innerhalb der Vertragsurkunde verstär- sieht der BGH insoweit keine Probleme der Sittenwidrigkeit, kende Umstände, die auf eine subjektive Imparität hindeu- weil der Betreuungsunterhalt nicht ausgeschlossen ist und die ten, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, Beschränkung der Höhe nach die Ehefrau nicht daran hin- sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektuel- dert, die Kindesinteressen ausreichend zu berücksichtigen. ler Unterlegenheit. Im Hinblick darauf hat der BGH zu- Ferner geht der BGH davon aus, dass auch der Unterhalt we- nächst eine einseitige Benachteiligung in objektiver Hinsicht gen Alters und Krankheit zu den Kernbereichen gehört, deren geprüft. Er weist darauf hin, dass mit dem Alters- und Kran- Ausschluss keine Bedenken der Sittenwidrigkeit begründet, kenvorsorgeunterhalt Unterhaltstatbestände ausgeschlossen wenn im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht ab- sind, die zum Kernbereich gehören und insoweit schon bei sehbar ist, ob, wann und unter welchen wirtschaftlichen Ge- Vertragsabschluss mit höherer Wahrscheinlichkeit auf Seiten gebenheiten ein Ehegatte wegen Alters oder Krankheit unter- der wirtschaftlich schwächeren und insoweit unzureichend haltsbedürftig werden könnte. Aus diesem Grund verweist abgesicherten Ehefrau eine spezifische Bedürfnislage abseh-

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bar war. Ferner weist der BGH darauf hin, dass mit den ehe- Ehevertrags abhängig gemacht hat. Dies rechtfertigt nach Auf- bedingten Einkommens- und Versorgungsnachteilen nur auf fassung des BGH insbesondere keinen Unterhaltsverzicht. Seiten der Ehefrau zu rechnen war, die die Kinderbetreuung und Haushaltsführung übernahm. Außerdem berücksichtigt „„Praxishinweis der BGH, dass feststand, dass der Ehemann seine Altersver- Zunächst wird auf den Beitrag von Herr verwiesen (FuR 2017, sorgung nahezu ausschließlich auf eine private Vermögens- 362 ff. in dieser Ausgabe). Der BGH hat sich zunächst mit den bildung stützte, an welche die Ehefrau aufgrund des Aus- einzelnen Scheidungsfolgen auseinandergesetzt und geprüft, schlusses des Zugewinns nicht partizipieren konnte. ob im Hinblick auf deren Regelungen der Vorwurf der Sitten- Ferner argumentiert der BGH, dass im Unterschied zu einem widrigkeit gerechtfertigt ist. Dies hat er im Hinblick auf seine vor Eheschließung abgeschlossenen Ehevertrag die Ehefrau Kernbereichslehre verneint. Er ist davon ausgegangen, dass der im vorliegenden Fall auf bereits in der bestehenden Ehe er- Betreuungsunterhalt nicht ausgeschlossen ist. In der betrags- langte Rechtspositionen verzichtet hat, ohne dass hierfür von mäßigen Begrenzung des Betreuungsunterhalts auf 3.000 DM Seiten des Ehemannes eine Kompensation geleistet wurde. sieht er keine Verletzung der Kindesinteressen. Hier hätte der Außerdem erwägt er, dass der Ausschluss des Versorgungs- BGH vielleicht prüfen können, ob überhaupt ein Eingriff in ausgleichs aus der damaligen Sicht zwar in beschränktem den Betreuungsunterhalt gegeben ist. Dieser will nämlich ledig- Ausmaß für sie vorteilhaft gewesen sein mag, dies aber nichts lich die Einkommenseinbußen durch Unterhalt ersetzen, die daran ändert, dass ihr durch die Übernahme der Familien- durch die Kinderbetreuung eingetreten sind. Wenn der Unter- arbeit Versorgungsnachteile entstanden sind, die durch Kin- haltsberechtigte mit einer vollzeitigen Tätigkeit nicht mehr ver- dererziehungszeiten nicht hinreichend kompensiert wurden. dienen kann als den vereinbarten Unterhalt, handelt es sich bei der Unterhaltsbeschränkung lediglich um einen Eingriff in den Ferner geht der BGH davon aus, dass auch in subjektiver Aufstockungsunterhalt, der in keiner Weise schützenswert ist. Hinsicht der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gerechtfertigt ist. Dies begründet er damit, dass die Ehefrau in die Verhand- Einen Eingriff in den Unterhalt wegen Krankheit und wegen lungen, die dem Abschluss der Verträge vorausgingen, nicht Alters, der ebenfalls zu den Kernbereichen gehört, verneint eingebunden war. der BGH mit seiner bisherigen Auffassung, dass hier die Be- dürfnislage bei Eintritt der Krankheit oder des Alters ent- Sie hatte keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung und ihr scheidend ist. Damit weicht der BGH allerdings von seiner wurde vor Abschluss des Ehevertrags kein Vertragsentwurf eigenen Prüfungsstruktur ab. Entscheidend für die Beurtei- zur Verfügung gestellt. Im Notartermin wurde der Vertrag lung der Sittenwidrigkeit sind danach nämlich die Umstände, zwar vorgelesen. Er wurde sodann von ihr unterschrieben, die bei Vertragsabschluss gegeben waren und nicht Umstän- ohne diesen Vertrag zum Durchlesen in der Hand gehabt zu de, die sich später einstellen, wenn die Bedürfnislage eintritt. haben. Daraus leitet der BGH ab, dass die Ehefrau gegenüber Gleichwohl hat der BGH in mehreren Entscheidungen auf dem Ehemann und dessen Verwandten in einer unterlegene letzteres abgestellt. Eine Beeinträchtigung durch den Aus- Verhandlungsposition gewesen sei und eine lediglich passive schluss des Versorgungsausgleichs sieht der BGH deswegen Rolle eingenommen habe. nicht, weil die Ehefrau sogar ausgleichspflichtig wäre, weil Ferner beanstandet der BGH nicht die Annahme des OLG, nämlich der Mann keine Altersversorgung betreibt, die im dass diese Konstellation letztlich auf die wirtschaftliche und Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen ist. soziale Überlegenheit des Ehemannes beruht habe, die dieser Auch mit dem Ausgleich der Zugewinngemeinschaft lässt sich bei Vertragsabschluss ausnutzte. Desweiteren weist er darauf nach Auffassung des BGH der Vorwurf der Sittenwidrigkeit hin, dass beim Notartermin noch das einen Monat alte Kind nicht begründen. Dies gilt für den Fall, dass der begünstigte mit dabei war und ebenfalls nachvollziehbar ist, dass die Ehe- Ehegatte eine Altersversorgung betreibt, die voll umfänglich frau deswegen den Beurkundungstermin möglichst schnell in den Zugewinn hineinfällt. Letztlich führt dies dazu, dass hinter sich bringen wollte. der andere Ehegatte an der Altersvorsorge dieses Ehegatten Außerdem hebt der BGH hervor, dass in dem Termin haupt- nicht partizipiert. sächlich die Umwandlung des Unternehmens beurkundet worden ist, an welcher die Ehefrau gar nicht beteiligt war. Dies sieht der BGH allerdings als Konsequenz des Ausschlus- Deswegen billigt er die Annahme des OLG, dass eine sub- ses des Zugewinnausgleichs an, dem er deswegen ein vorran- jektive Imparität infolge der Ausnutzung der sozialen und giges Interesse – gerade bei Unternehmerehen – einräumt, da wirtschaftlichen Abhängigkeit der Ehefrau gegeben war. dadurch die mögliche Zerschlagung des Unternehmens durch den Zugewinnausgleich verhindert wird. Diese Problemstel- Als unerheblich sieht der BGH an, dass der Ehefrau die Rege- lung ist häufig Gegenstand von Streitpunkten, wenn es um lung egal gewesen sei und sie die Möglichkeit gehabt habe, den die Beurteilung von Eheverträgen im Fall einer sogenannten Vertrag zuvor im Büro des Unternehmens zu lesen. Insbeson- Unternehmerehe geht. Die Auffassung des BGH dürfte schon dere geht der BGH davon aus, dass für die subjektive Impari- deswegen zutreffen, weil das Gesetz selbst als möglichen Gü- tät nicht erforderlich ist, dass der benachteiligte Ehegatte den terstand die Gütertrennung vorsieht. Dieser Güterstand wäre Vertrag nur mit Bedenken oder quasi widerwillig abschließt. anderenfalls sittenwidrig. Dass ein Ehegatte den wirksamen Der BGH hebt hervor, dass dieser durch § 138 Abs. 1 BGB Ausschluss nutzt, um weitere Vorteile zu erzielen, dürfte den auch und gerade dann geschützt ist, wenn er dem Verlangen Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht rechtfertigen. des überlegenen Ehegatten widerstandslos Folge leistet. Als unerheblich sieht er an, dass die Mutter des Ehemannes die Interessant sind allerdings die weiteren Erwägungen des Übertragung der Geschäftsanteile von dem Abschluss eines BGH zur Gesamtwürdigung des Ehevertrags. In diesem Zu-

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sammenhang würdigt der BGH nämlich, i.R. einer Gesamt- von Zwangsmitteln gem. §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 schau, ob die Eingriffe in die einzelnen Scheidungsfolgen ins- ZPO vollstreckt. gesamt nicht die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit erfüllen. Insofern setzt er sich nochmals BGH, Beschl. v. 15.03.2017 – XII ZB 245/16 – OLG Branden­ mit den einzelnen Regelungen auseinander und arbeitet de- burg ren Benachteiligung für die Ehefrau heraus. Dabei handelt es sich um einen Ausschluss des Unterhalts wegen Krankheit „„Sachverhalt und wegen Alters, der schon bei Vertragsabschluss mit hoher Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Verhängung eines Wahrscheinlichkeit auf Seiten der wirtschaftlich schwächeren Ordnungsgeldes von 100 €. Das OLG hatte sie durch Be- und insoweit unzureichend abgesicherten Ehefrau bei einer schluss vom 15.07.2015 verpflichtet, dem Vater Auskunft Bedürfnislage eintritt, die durch ehebedingte Benachteiligun- über den Gesundheitszustand des Kindes zu erteilen und gen geprägt ist. hierzu aktuelle Atteste vorzulegen. Die Antragsgegnerin hat diese Auskunft bis zum 15.08.2015 nicht erteilt. Sodann befasst der BGH sich mit der Altersversorgung, an der die Ehefrau wegen des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs Das AG hat daraufhin gegen sie ein Ordnungsgeld i.H.v. 100 € nicht partizipiert, obwohl sie ehebedingte Nachteile in ihrer festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das OLG Versorgungslage haben wird, weil sie die Haushaltsführung zurückgewiesen. Auf die zulässige Rechtsbeschwerde wurde und Kinderbetreuung in der Ehe übernommen hat und auf- das Ordnungsgeld in ein Zwangsgeld umgewandelt. grund dieser Rollenverteilung nur durch Kindererziehung eigene Versorgungsanwartschaften bildet, die weit hinter denen „„Entscheidungsinhalt zurückbleiben, die im Falle einer Erwerbstätigkeit zu erwarten Der BGH geht davon aus, dass die Auskunftserteilung über wären. Außerdem führt der BGH an, dass die Ehefrau letztlich die persönlichen Verhältnisse eines Kindes als unvertretbare auch dadurch, dass der Ehevertrag erst während der Ehe ge- Handlung i.S.d. § 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG anzusehen ist, so- schlossen worden ist, auf bereits bestehende Rechtspositionen dass § 888 ZPO entsprechend anzuwenden ist. Daraus folgt, verzichtet hat, ohne dass hierfür von Seiten des Ehemannes dass der Schuldner durch Zwangsgeld zur Vornahme der Kompensation geleistet wurde. Dies lässt der BGH objektiv für Handlung anzuhalten ist. den Vorwurf der objektiven Sittenwidrigkeit genügen. Die Regelung in § 89 FamFG, in der es um die Regelung des Sodann befasst der BGH sich mit den subjektiven Vorausset- Umgangs geht, hat der BGH für nicht einschlägig erachtet. zungen. Diese sind bei einer subjektiven Imparität infolge der Er hat sich der überwiegenden Auffassung angeschlossen und Ausnutzung der sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeit bezieht sich auf § 1686 BGB, wonach jeder Elternteil bei be- des benachteiligten Ehegatten gegeben. Hier verlangt der BGH rechtigtem Interesse vom anderen Elternteil Auskunft über die neben den objektiven Umständen noch weitere Umstände, die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen kann, soweit sich außerhalb der Vertragsurkunde zu erkennen geben und dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Diese Regelung, die den durch die objektiven Umstände hervorgerufenen Vor- die mit Wirkung zum 01.07.1998 gilt, hat demzufolge den wurf der Sittenwidrigkeit verstärken. Dazu führt er an, dass in § 1634 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelten Auskunftsanspruch die Ehefrau keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung hatte, abgelöst. Dieser Auskunftsanspruch galt als Ausgleich für ein ihr der Vertrag erst in dem Notartermin vorgelesen wurde, eingeschränktes oder ausgeschlossenes Umgangsrecht. Dem- ohne dass sie selbst die Gelegenheit hatte, diesen eigenständig gegenüber weist der BGH darauf hin, dass der jetzigen Rege- zu überprüfen. Sie hat eine rein passive Rolle eingenommen. lung, neben dieser reinen Ersatzfunktion, zusätzlich eine Er- Dies begründet der BGH damit, dass sie beim Notartermin gänzungsfunktion gegenüber dem Umgangsrecht zukommt. auch noch dass ein Monate alte Kind dabei hatte und daraus § 1686 BGB will im Grundsatz nach jedem Elternteil, ohne zu schließen ist, dass sie den Termin so schnell wie möglich Rücksicht auf die Verteilung des Sorgerechts, ermöglichen, hinter sich bringen wollte. Daraus ergibt sich, dass der Ver- vom anderen Elternteil die wesentlichen Informationen zu fahrensbevollmächtigte eines benachteiligten Ehegatten auch den persönlichen Verhältnissen des Kindes zu erhalten, an die umfassend zu den subjektiven Umständen vortragen muss, er anders nicht in zumutbarer Weise gelangen kann. Daraus die sich außerhalb der Vertragsurkurkunde ergeben. Alleine leitet der BGH ab, dass die Auskunftsverpflichtung selbstän- der Hinweis auf den Umfang der nachteiligen Wirkungen im dig neben der Regelung des Umgangs steht. Da diese Auskunft Rahmen der einzelnen Scheidungsfolgen reicht nicht aus. auf persönliches Wissen des Auskunftspflichtigen beruht, han- (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) delt es sich um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 ZPO vollstreckt wird. Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- Fundstelle: JurionRS 2017, 12426 Der BGH hat in der Sache selbst entschieden, weil die Vor- aussetzungen für die Festsetzung des Zwangsgeldes vorliegen Auskunftspflicht über die persönlichen und eine Androhung der Zwangsmittel nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht stattfindet. Er geht davon aus, dass der Antrag auf Verhältnisse eines Kindes / Vollstreckung Festsetzung eines Ordnungsgeldes von vornherein in einen durch Festsetzung eines Zwangsgeldes Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes auszulegen war. BGB § 1686; FamFG § 95 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 888 (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) Eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung über die persön- Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- lichen Verhältnisse eines Kindes wird durch die Verhängung Fundstelle: JurionRS 2017, 12174

FuR 7 · 2017 385 Rechtsprechung Familienrecht

Auskunftsverfahren über die persönlichen Verfügung vertrauen und sie deshalb nicht mehr abgeändert Verhältnisse eines Kindes / Bestellung werden kann. eines Verfahrensbeistandes durch den Daraus leitet der BGH ab, dass die Statthaftigkeit nach § 11 Rechtspfleger / Zulässigkeit der Rechts­ Abs. 2 Satz 1 RPflG erfüllt ist. Er verweist auf § 158 Abs. 2 Satz 4 FamFG, wonach in einer Kindschaftssache die Bestel- pflegererinnerung lung eines Verfahrensbeistandes oder deren Aufhebung sowie FamFG § 158 Abs. 3 Satz 4; RPflG § 11 Abs. 2 die Ablehnung einer derartigen Maßnahme nicht selbständig anfechtbar sind. Das bedeutet, dass ein Rechtsmittel gegen Wird in einer Kindschaftssache durch den Rechtspfleger ein die Bestellung, wäre sie vom Richter angeordnet worden, Verfahrensbeistand bestellt, findet gegen diese Entschei- nicht statthaft wäre. Daraus leitet er ab, dass in diesem Fall dung die befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG statt. die Rechtspfleger-Erinnerung statthaft ist. BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 391/16 – OLG Stuttgart Die Ausschlussregelung des § 11 Abs. 3 RPflG greift nach Auffassung des BGH deswegen nicht, weil die Bestellung des „„Sachverhalt Verfahrensbeistandes gem. § 158 Abs. 5 FamFG jederzeit Der Antragsteller wendet sich gegen die Bestellung eines aufgehoben werden kann, wenn die Interessen des Kindes Verfahrensbeistandes in einer Kindschaftssache durch den von einem Rechtsanwalt oder einen anderen geeigneten Ver- Rechtspfleger. fahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. Der Antragsteller ist der Vater, die Antragsgegnerin die Mut- Auch aus der Regelung des § 158 Abs. 3 Satz 4 FamFG leitet ter des im Februar 2003 geborenen Sohnes. Im Oktober 2015 der BGH nicht ab, dass die Rechtspflegererinnerung nicht hat der Antragsteller einen Antrag auf Auskunftserteilung über statthaft ist. Der BGH bezieht sich auf Art. 19 Abs. 4 GG, die persönlichen Verhältnisse des gemeinsamen Kindes gem. wonach ein möglichst lückenloser Schutz gegen die Verlet- § 1686 BGB gestellt. Mit Beschluss vom 21.01.2016 hat die zung der Rechtsspähre des Einzelnen durch Eingriffe der öf- Rechtspflegerin des AG für das Kind eine Rechtsanwältin zum fentlichen Gewalt gegeben sein müssen. Dazu gehört nach berufsmäßigen Verfahrensbeistand bestellt und ihr die weitere Auffassung des BGH auch, dass ein Rechtspfleger eine Ent- Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren scheidung rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht der richter- Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie an einer einver- lichen Prüfung unterstellen muss. Insbesondere hat der BGH nehmlichen Regelung des Verfahrensgegenstandes mitzuwirken. die Auffassung abgelehnt, dass die Bestellung eines Verfah- rensbeistandes nicht in die Rechte der Eltern eingreifen wür- Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller fristgerecht Be- de; eine Beeinträchtigung der Eltern ergebe sich nur im Hin- schwerde eingelegt. Mit Verfügung vom 22.02.2016 hat die blick auf das wirtschaftliche Risiko, möglicherweise an den Rechtspflegerin die Akte dem zuständigen Richter mit dem Kosten der Verfahrensbeistandschaft beteiligt zu werden. Dies Vermerk vorgelegt, dass sie der Erinnerung nicht abhelfe. Mit lehnt der BGH mit dem Argument ab, dass im Hinblick auf Beschluss vom 24.02.2016 hat der Richter die Erinnerung die Aufgabenwahrnehmung des Verfahrensbeistandes durch- mit der Begründung zurückgewiesen, der Beschluss vom aus in die elterliche Sorge nach § 1626 BGB eingegriffen 21.01.2016 sei gem. § 158 Abs. 3 Satz 4 FamFG nicht selb- wird. Dies begründet er damit, dass der Verfahrensbeistand ständig anfechtbar. die Aufgabe hat, das subjektive und objektive Interesse des Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das OLG zurückge- Kindes zu ermitteln und im gerichtlichen Verfahren zur Gel- wiesen. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Ent- tung zu bringen. Die umfassende Wahrnehmung sämtlicher scheidung des AG und des OLG sowie Zurückverweisung Belange und Interessen des Kindes ist im Grunde Bestandteil der Sache. der elterlichen Sorge, sodass in dieses Elternrecht eingegriffen wird. Außerdem weist der BGH darauf hin, dass sich der „„Entscheidungsinhalt Eingriff in das Elternrecht auch dadurch verstärkt, dass dem Der BGH geht davon aus, dass die befristete Erinnerung nach Verfahrensbeistand – wie hier – zusätzliche Aufgaben übertra- § 11 Abs. 2 RPflG statthaft ist, weil der Rechtspfleger über gen werden, nämlich Gespräche mit den Eltern und weiteren die Bestellung des Verfahrensbeistandes entschieden hat. Er Bezugspersonen des Kindes zu führen, sowie am Zustande- weist darauf hin, dass die Erinnerung dann statthaft ist, wenn kommen einer einvernehmlichen Regelung mitzuwirken. gegen Entscheidungen des Rechtspflegers ein Rechtsmittel Dass die Entscheidung dennoch nicht selbständig anfechtbar nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ist, begründet der BGH damit, dass der Verfahrensbeistand nicht gegeben ist. Daraus leitet er ab, dass die Rechtspfleger- nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, sodass letztlich der Erinnerung immer eröffnet ist, wenn die Entscheidung, hätte Eingriff in das Elternrecht möglichst gering gehalten wird. Dies sie ein Richter erlassen, im konkreten Fall unanfechtbar wäre, führt im Ergebnis dazu, dass das Elternrecht durch Eingriffe etwa weil von vornherein kein statthaftes Rechtsmittel gege- der öffentlichen Gewalt beeinträchtigt wird, sodass den be- ben oder ein statthaftes Rechtsmittel aus anderen Gründen troffenen Eltern die Möglichkeit zur Verfügung steht, die Ent- unzulässig ist. scheidung des Rechtspflegers gerichtlich überprüfen zu lassen. Eine Ausnahme sieht der BGH für gerichtliche Verfügungen des Rechtspflegers, die nach den dafür geltenden Bestim- „„Praxishinweis mungen wirksam geworden sind und nicht mehr abgeändert Mit gleichen Erwägungen dürfte auch eine Rechtspfleger- werden können. Deren Unanfechtbarkeit beruht nach Auf- Entscheidung im vereinfachten Unterhaltsverfahren zu be- fassung des BGH darauf, dass Dritte auf den Bestand der urteilen sein.

386 FuR 7 · 2017 Familienrecht Rechtsprechung

Gemäß § 256 FamFG kann die Beschwerde gegen den Fest- „„Entscheidungsinhalt setzungsbeschluss nicht auf Einwendungen gestützt werden, Der BGH geht davon aus, dass ein etwaiger Schadensersatz- die nach § 252 Abs. 2 FamFG nicht erhoben worden waren, anspruch verjährt ist. Als rechtlichen Ausgangspunkt für den bevor der Festsetzungsbeschluss verfügt war. Das bedeutet, vom Antragsteller geltend gemacht Regressanspruch sieht der dass die Beschwerde insoweit unzulässig ist. Auch in diesem BGH § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB an, wonach der Unterhalts- Fall müsste die Möglichkeit einer Rechtspfleger-Beschwerde anspruch eines Kindes gegen einen Elternteil auf einen Drit- nach § 11 RPflG gegeben sein. ten übergeht, der als Vater Unterhalt geleistet hat. Zwar geht er davon aus, dass der übergegangene Anspruch mit dem ur- (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) sprünglichen Unterhaltsanspruch identisch ist, sodass er, wie Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- dieser selbst, nach § 195 BGB der regelmäßigen Verjährung Fundstelle: JurionRS 2017, 12568 von drei Jahren unterliegt. Der BGH verweist aber auf § 199 Abs. 1 BGB, wonach die Regressanspruch des Scheinvaters / regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres be- Verjährung ginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person BGB §§ 195, 199, 1600d Abs. 4, 1607 Abs. 3 Satz 2 des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahr- Zur Verjährung des Regressanspruchs eines Scheinvaters. lässigkeit hätte erlangen müssen.

BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 56/16 – OLG Düsseldorf Dabei geht der BGH davon aus, dass sein Anspruch in dem Zeitpunkt entstanden ist, in dem der Berechtigte diesen erst- mals geltend macht und notfalls Klage erheben kann, um „„Sachverhalt die Hemmung der Verjährung zu erreichen. Dabei weist er Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner auf Erstattung darauf hin, dass die Verjährungsfrist für gesetzliche Unter- von Unterhaltsaufwendungen für ein Kind in Anspruch, wel- haltsansprüche gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes ches im Oktober 1995 während der Ehe des Antragstellers mit frühestens am Schluss des Jahres beginnen kann, in dem die der Kindesmutter geboren worden ist. Nachdem sich die Ehe- Entscheidung über die erfolgreiche Anfechtung der Vater- leute im Jahr 2008 getrennt hatten, wurde ihre Ehe im März schaft rechtskräftig geworden ist. Dies begründet der BGH 2010 geschieden. Im Rahmen eines vom Antragsteller im Fe- damit, dass ein gesetzlicher Anspruch auf Kindesunterhalt bruar 2009 eingeleiteten Vaterschaftsanfechtungsverfahrens gegen einen Dritten von vorneherein nicht entstehen kann, gab die Kindesmutter gegenüber dem Jugendamt an, in der wenn und solange ein anderer Mann aufgrund von § 1592 Empfängniszeit sowohl mit dem Antragsteller als auch mit Nr. 1 oder Nr. 2 BGB als Vater des Kindes – und damit als mehreren anderen Männern Geschlechtsverkehr gehabt zu Unterhaltspflichtiger – anzusehen ist. Dabei weist er darauf haben, an deren Namen sie sich nicht mehr erinnern könne. hin, dass der Antragsteller der Vater des Kindes, welches wäh- Erstmals mit Schreiben vom 11.03.2009 forderte der Antrag- rend seiner Ehe mit der Kindesmutter geboren worden ist, steller den Antragsgegner, den er für den Erzeuger des Kindes war und erst nach rechtskräftiger Anfechtung seiner Vater- hält, zu Erteilung von Auskünften über Einkommen und Ver- schaft rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes mögen sowie Zahlung von Kindesunterhalt auf. Durch Urteil mit Wirkung für und gegen Jedermann feststeht, dass das vom 05.03.2010, rechtskräftig seit 01.05.2010, stellte das AG Kind nicht von ihm abstammt. Damit steht nach Auffassung fest, dass dies nicht das Kind des Antragstellers ist. des BGH ebenfalls rückwirkend fest, dass der Antragsteller Im vorliegenden Verfahren macht der Antragsteller gegen den dem Kind gesetzlichen Kindesunterhalt nicht geschuldet hat Antragsgegner übergegangenen Kindesunterhalt für die Zeit und somit als Dritter i.S.d. § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB in von Oktober 1995 bis November 2008 geltend. In der als Betracht kommt. «Stufenklage« überschriebenen Antragsschrift seines Verfah- Zwar weist der BGH darauf hin, dass der Erzeuger wegen rensbevollmächtigten vom 08.07.2011 hat der Antragsteller § 1600d Abs. 4 BGB grundsätzlich erst dann auf Unterhalt in das AG um Einleitung und Zustellung sowie um Anberau- Anspruch genommen werden kann, wenn er die Vaterschaft mung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gebeten wirksam anerkannt hat oder seine Vaterschaft rechtskräftig und im Anschluss daran einen Auskunftsanspruch gestellt festgestellt ist. Mit Blick auf die Rechtsausübungssperre fol- sowie sich vorbehalten, einen bezifferten Schadensersatzan- gert er daraus, dass die Verjährungsfrist für den Unterhalts- spruch zu stellen. anspruch des Kindes vor der rechtskräftigen Feststellung der Das AG hat Zeugenbeweis erhoben. Die Mitwirkung an Vaterschaft nicht ihm aufgesetzt werden kann, weil diesem einem vom AG angeordneten Abstammungsgutachten hat Unterhaltsanspruch vor der Feststellung der Vaterschaft des der Antragsgegner verweigert. Nachdem er durch Teilbe- Erzeugers jede Realisierungsmöglichkeit fehlt. schluss des AG antragsgemäß zur Auskunftserteilung ver- Der BGH geht ferner davon aus, dass sich nach diesen Maß- pflichtet worden war, hat der Antragsteller mit Schriftsatz stäben auch die Verjährung des nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 vom 06.10.2014 den Erstattungsanspruch beziffert. BGB auf den Scheinvater übergegangenen Unterhaltsan- Das AG hat den Antragsgegner zu Unterhaltszahlungen ver- spruchs beurteilt. Dies bedeutet, dass der gerichtlichen Inan- pflichtet. Das OLG hat die Beschwerde des Antragsgegners spruchnahme des Erzeugers im Wege des Scheinvaterregresses und die angefochtene Entscheidung aufgehoben und den die wirksame Anerkennung oder die rechtskräftige Feststel- Antrag insgesamt zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete lung der Vaterschaft des Erzeugers vorausgehen muss. Ferner Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. weist er darauf hin, dass die Abstammungsfrage grundsätz-

FuR 7 · 2017 387 Rechtsprechung Familienrecht

lich nicht inzident im Regressverfahren als Vorfrage geklärt gendamt als Kläger gem. §§ 1706, 1709a f. BGB namens werden kann. des Kindes ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren eingeleitet hätte. Hieraus wurde gefolgert, dass sich die Rechtspraxis Eine Ausnahme nimmt der BGH dann an, wenn davon aus- auf eine Wartezeit von etwa 18 Monaten einstellen könne. zugehen ist, dass eine Vaterschaftsfeststellung in absehbarer Daraus leitet der BGH allerdings nicht ab, dass der Schein- Zeit nicht zu erwarten ist und insbesondere schützenswerte vater auch solange mit der Hinhaltung eines entsprechen- Kindesinteressen der inzidenten Feststellung nicht entgegen- den Rechtsstreits warten darf. Dies begründet der BGH da- stehen. Dies setzt nach BGH allerdings voraus, dass die Va- mit, dass es keineswegs ausgeschlossen ist, dass die Prognose terschaft des Regressschuldners unstreitig sein muss und es einer längeren Wartezeit auch aufgrund anderer Tatsachen müssen von dem Scheinvater zumindest die Voraussetzungen gerechtfertigt erscheint, so insbesondere dann, wenn der dargelegt werden, an die § 1600d Abs. 2 BGB die Vermutung mutmaßliche Erzeuger und die Kindesmutter als gesetzli- der Vaterschaft des mutmaßlichen Erzeugers knüpft. che Vertreterin des minderjährigen Kindes die Einleitung Wenn allerdings – so führt der BGH aus – die Rechtsaus- eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens schon ausdrücklich übungssperre durch den Scheinvater im Regressverfahren abgelehnt haben oder – wie auch im vorliegenden Fall – ihr durchbrochen werden kann, vermag § 1600d Abs. 4 BGB sonstiges Verhalten schon zum Zeitpunkt der rechtskräfti- auch den Beginn der Verjährungsfrist in objektiver Hinsicht gen Vaterschaftsanfechtung nahe legt, dass sie auf absehba- nicht beeinflussen. In diesem Fall ist nämlich die Vorschrift re Zeit kein Interesse an einer Vaterschaftsfeststellung hat. kein hinreichendes Hindernis für die gerichtliche Durch- Außerdem weist der BGH darauf hin, dass dann, wenn ein setzung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs mehr. Es gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren während der bleibt vielmehr dabei, dass für den Beginn der Verjährung Rechtshängigkeit des Scheinvaterregresses eingeleitet wird, in objektiver Hinsicht in diesen Ausnahmefällen nur auf die dieses nicht zur Abweisung des Regressanspruches führt, Rechtskraft der Entscheidung in Vaterschaftsanfechtungsver- sondern zu einer Aussetzung des Regressverfahrens. Aus die- fahren abzustellen ist. sem Grund geht der BGH davon aus, dass die Verjährungs- frist gem. §§ 195, 199 BGB mit Ablauf des 31.12.2010 Allerdings weist der BGH auch darauf hin, dass der Beginn begann und am 31.12.2013 endete. der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB als subjekti- ves Element die erforderliche Kenntnis von den anspruchs- Der BGH geht ferner davon aus, dass die am 12.07.2011 bei begründenden Umständen und der Person des Schuldners Gericht eingegangene Antragsschrift des Antragstellers vom voraussetzt. Der BGH geht davon aus, dass der Gläubiger 08.07.2011 nicht zu einer Hemmung der Verjährung nach diese Kenntnis nicht erst dann hat, wenn der Anspruch be- § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 204 Abs. 4 Nr. 1 ZPO geführt wiesen ist oder der Gläubiger selbst keinerlei Zweifel mehr hat. Zwar räumt der BGH ein, dass ein Stufenantrag die hat. Vielmehr reicht es nach BGH aus, dass dem Gläubiger Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB für – aufgrund der ihm bekannten Tatsachen – eine gerichtliche den geltend gemachten unbezifferten Anspruch auf Leistun- Geltendmachung seines Anspruchs bei ständiger Würdigung gen in voller Höhe herbeiführt. Im vorliegenden Fall verneint der Erfolgsaussichten zuzumuten ist, was andererseits nicht der BGH allerdings die Erhebung einer Stufenklage. Er führt bedeutet, dass die Rechtsverfolgung für den Gläubiger risiko- dazu aus, dass im Wege der Auslegung der Antragsschrift und los erscheinen muss. der sonstigen vorliegenden Unterlagen zu entscheiden ist, ob der Antragsteller bereits einen unbezifferten Leistungsantrag Insoweit hebt der BGH hervor, dass der Antragsteller spä- in der dritten Stufe eines Stufenantrags rechtshängig machen testens im Jahr 2010 Kenntnis von der Person des Antrags- wollte oder nicht. Als unerheblich sieht der BGH dabei an, gegners als den möglichen Erzeuger besaß. Unzumutbarkeits- dass die Antragsschrift mit »Stufenklage« überschrieben ist. gesichtspunkte im Hinblick auf die Erfolgsaussichten seiner Im vorliegenden Fall stützt er sich auf den formulierten An- Rechtsverfolgung hat der BGH auch nicht darin gesehen, trag, in dem ausdrücklich die Auskunft und die Abgabe der dass dieser den Regressanspruch unter Durchbrechung der eidesstattlichen Versicherungen mit Ziffern versehen sind, Sperrwirkung des § 1600d Abs. 4 BGB verfolgten musste. während der Leistungsantrag nur vorbehalten ist. Diese Aus- Insoweit hat der BGH erwogen, ob der Antragsteller noch legung widerspricht nach Auffassung des BGH auch nicht eine gewisse Zeit warten durfte, um sich zu vergewissern, ob unbedingt dem wohlverstandenen Interesse des Antragstellers die Vaterschaft für das Kind durch den Antragsgegner an- im Zeitpunkt der Antragstellung. erkannt oder ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren betrieben Dies begründet er insbesondere damit, dass eine unmittel- wird. bar bevorstehende Verjährung der Regressansprüche bei einer Er weist darauf hin, dass die Durchbrechung der Rechts- Einleitung des Verfahrens im Jahr 2011 nicht gegeben war ausübungssperre von der Erwartung abhängig zu machen und außerdem der Verfahrenswert sogar auf Anregung des ist, dass auf absehbare Zeit keine Vaterschaftsfeststellung Antragstellers nur mit 1.000 € festgesetzt werden sollte, was erfolgt und diese Erwartung insbesondere dann als gerecht- bei einem Leistungsantrag nicht der Fall gewesen wäre. Aus fertigt angesehen wird, wenn die Antragsbefugten von der diesem Grund geht der BGH davon aus, dass der Regress- Möglichkeit eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens länge- anspruch erstmals im Oktober 2014 gerichtlich geltend ge- re Zeit keinen Gebrauch gemacht haben. Als länger Zeit macht worden und deswegen verjährt ist. ist nach Auffassung des BGH ein solcher Zeitraum zu ver- (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) stehen, der deutlich über die Zeitspanne hinausgeht, inner- halb derer ein Scheinvater nach dem bis zum 30.06.1998 Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- geltenden Recht hätte damit rechnen können, dass das Ju- Fundstelle: JurionRS 2017, 12425

388 FuR 7 · 2017 Familienrecht Rechtsprechung

Betreuungssache / Erfordernis der Be­ benkreise ein Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der schlusszustellung an alle beschwerde­ konkreten gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Dabei genügt es, wenn ein Handlungsbedarf berechtigte Beteiligten gem. § 41 Abs. 1 in dem betreffenden Aufgabenkreis jederzeit auftreten Satz 2 FamFG kann (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 510/16, JurionRS 2017, 12641 und v. 06.07.2016 – XII ZB FamFG § 41 131/16, FamRZ 2016, 1668 = FuR 2016, 654). § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG, wonach ein anfechtbarer Be- schluss demjenigen zuzustellen ist, dessen erklärten Willen BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 260/16 – LG Koblenz er nicht entspricht, findet im Betreuungsverfahren nicht nur auf den Betroffenen selbst, sondern auch auf die übrigen be- „„Sachverhalt schwerdeberechtigten Beteiligten Anwendung (Fortführung Mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet sich die ursprünglich be- von Senatsbeschl. v. 13.05.2015 – XII ZB 491/14, FamRZ vollmächtige Ehefrau des Betroffenen gegen die Bestellung der 2015, 1374 = FuR 2015, 600). Tochter des Betroffenen zur Betreuerin. Der Betroffene leidet an einer mittelschweren Demenz in rascher Progredienz. Zu BGH, Beschl. v. 29.03.2017 – XII ZB 51/16 – LG Frankfurt einer freien Willensbildung ist der Betroffene krankheitsbe- (Oder) dingt nicht mehr in der Lage. Am 14.02.2014 erteilte der Betroffene seiner damaligen langjährigen Lebensgefährtin eine „„Sachverhalt umfassende Vorsorgevollmacht, während er zugleich in einer Der beteiligte Sohn der Betroffenen wendet sich gegen die Betreuungsverfügung seine Tochter als Betreuerin vorschlug. Verwerfung seiner Beschwerde. Das AG hat für die Betroffene im Hinblick auf eine bestehende Vollmacht eine Kontroll- Ob er damals noch geschäftsfähig war, ist nach dem Inhalt betreuung eingerichtet. Die Bekanntgabe dieses Beschlusses des vorliegenden Sachverständigengutachtens sehr zweifel- an den Sohn der Beteiligten ist durch am 02.09.2015 vor- haft. Am 28.08.2015 heiratete der Betroffene seine Lebens- genommen Aufgabe zur Post erfolgt. Er hat am 21.10.2015 gefährtin. Zu diesem Zeitpunkt war er geschäftsunfähig. Die beim AG Beschwerde eingelegt, die das AG verworfen hat. Tochter widerrief mit Schreiben vom 18.09.2015 die Vor- Hiergegen wendet sich der Sohn der Betroffenen mit der sorgevollmacht zugunsten der jetzigen Ehefrau. Rechtsbeschwerde, die Erfolg hat. Das AG hat mit Beschluss vom 02.12.2014 die Tochter als Betreuerin für verschiedene Aufgabenkreise bestellt. Die da- „„Entscheidungsinhalt gegen gerichtete Beschwerde hat das LG zurückgewiesen. Mit Der BGH hat sich mit § 41 FamFG auseinandergesetzt, wo- der Rechtsbeschwerde wendet sich die Ehefrau erfolgreich nach ein anfechtbarer Beschluss demjenigen zuzustellen ist, gegen die Einrichtung der Betreuung. dessen erklärten Willen er nicht entspricht. Daraus leitet der BGH ab, dass das Unterbleiben einer gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 „„Entscheidungsinhalt FamFG erforderlichen Zustellung zur Unwirksamkeit der Be- Der BGH bezieht sich auf § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB, wo- kanntgabe führt, weshalb nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG die nach ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden darf, Beschwerdefrist nicht zu laufen beginnt. in denen die Betreuung erforderlich ist. Dies ist aufgrund der Dabei geht er davon aus, dass der Empfänger selbst nicht der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu Betroffene sein muss. Maßgebend ist vielmehr, dass er am beurteilen. Dabei genügt es, wenn ein Handlungsbedarf in Verfahren beteiligt wurde. Die vom AG getroffene Entschei- dem betreffenden Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann. dung entspricht nicht seinem erklärten Willen, sodass er gem. Der BGH weist darauf hin, dass die im Februar 2014 erteilte § 303 FamFG ein eigenes Beschwerderecht hat. Vorsorgevollmacht der Erforderlichkeit einer Betreuung nicht Daraus leitet der BGH ab, dass der angefochtene Beschluss dem entgegensteht, nachdem die Tochter diese Vollmacht wirksam Sohn der Betroffenen hätte zugestellt werden müssen, um die widerrufen hat. Beschwerdefrist in Lauf zu setzen. Dabei geht der BGH davon Beanstandet hat der BGH allerdings, dass die Betreuerin für den aus, dass die Einrichtung der Kontrollbetreuung dem erklärten Aufgabenkreis »Geltendmachung von Rechten des Betreuten Willen des Sohnes der Betroffenen widerspricht. Dies leitet er gegenüber seiner Ehefrau« angeordnet worden ist. Zwar weist daraus ab, dass er sich im amtsgerichtlichen Verfahren unter er darauf hin, dass der Aufgabenkreis Eheaufhebung nicht da- Hinweis auf die ihm von der Betroffenen erteilten General- von betroffen ist. Weitere Rechte des Betroffenen, die er gegen- vollmacht gegen die Einrichtung der Betreuung gewandt hat. über der Ehefrau geltend machen könnte, sieht der BGH nicht. (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) Ferner vermisst der BGH Feststellungen dazu, ob die Tochter Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- geeignet erscheint, die Rechte des Betroffenen zu wahren, nach- Fundstelle: JurionRS 2017, 13192 dem der ungeklärte Vorwurf im Raum steht, sie habe im Zu- sammenwirken mit ihrem Bruder versucht, Konten des Betrof- fenen über insgesamt 200.000 € zu kündigen und dieses Geld Betreuung / Erfordernis der Betreuung für ebenso wie insgesamt 20.000 € vom Girokonto des Betroffenen Aufgabenkreise nach der Lebenssituation jeweils hälftig auf die Konten der Geschwister zu transferieren. BGB § 1896 Abs. 2 (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- in denen die Betreuung erforderlich ist. Für welche Aufga- Fundstelle: JurionRS 2017, 12641

FuR 7 · 2017 389 Rechtsprechung Familienrecht

Unterbringungssache / Bekanntgabe des Zwar räumt der BGH ein, dass § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG Gutachtens an den Verfahrenspfleger / die Möglichkeit eröffnet, von einer erneuten Anhörung der Betroffenen abzusehen. Dies ist nach BGH allerdings dann Notwendige Bekanntgabe an den Be­ nicht möglich, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges troffenen persönlich zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem FamFG §§ 317, 319, 321, 325 Abs. 1 Fall muss das Beschwerdegericht den betroffenen Teil des Verfahrens nachholen. Dabei wertet der BGH die im Wege In einem Betreuungs- oder Unterbringungsverfahren ersetzt der Rechtshilfe erfolgte Anhörung durch das AG als ver- die Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger fahrensfehlerhaft, weil sie ohne Teilnahme des Verfahrens- nicht die notwendige Bekanntgabe an den Betroffenen per- pflegers durchgeführt worden ist. Der BGH bezieht sich auf sönlich. § 317 Abs. 1 Satz 1 FamFG, wonach die Bestellung eines Verfahrenspflegers die Wahrung der Belange des Betroffe- BGH, Beschl. v. 08.03.2017 – XII ZB 516/16 – LG Arnsberg nen gewährleisten soll. Aus diesem Grund ist der Verfah- renspfleger im selben Umfang wie der Betroffene an den „„Sachverhalt Verfahrenshandlungen zu beteiligen. Die 44-jährige Betroffene leidet an Alkoholismus, wegen Daraus leitet der BGH ab, dass dann, wenn das Betreuungs- dessen sie bereits durch einstweilige Anordnung geschlossen gericht vor Anhörung des Betroffenen die Erforderlichkeit untergebracht war. Nach ihrer Entlassung wurde sie mehrfach einer Verfahrenspflegerbestellung erkannt hat, es in Unter- hilfebedürftig aufgefunden. Auf Antrag ihres Betreuers hat bringungssachen regelmäßig den Verfahrenspfleger schon vor das AG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens der abschließenden Anhörung des Betroffenen zu bestellen die geschlossene Unterbringung der Betroffenen für die Dau- hat. Sodann muss das Gericht sicherstellen, dass dieser an er eines Jahres genehmigt. Das LG hat die Beschwerde der der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann, wobei dem Betroffenen zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Rechts- Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zusteht. beschwerde hat Erfolg. (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) „„Entscheidungsinhalt Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- Der BGH hat sich mit der Verwerfung des Sachverständigen- Fundstelle: JurionRS 2017, 12176 gutachtens befasst und auf § 37 Abs. 2 FamFG hingewiesen, wonach erforderlich ist, dass das Gericht den Beteiligten Ge- legenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Der BGH weist Unterbringungssache / Anhörung des Be­ darauf hin, dass das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut troffenen / Anwesenheit des Verfahrens­ grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich zur Verfügung pflegers / Absehen der Bekanntgabe eines zu stellen ist. Ferner hebt der BGH hervor, dass davon unter den Voraussetzungen des § 325 Abs. 1 FamFG abgesehen wer- Gutachtens an den Betroffenen / Aufgabe den kann. Sodann hat er sich mit dem Verfahren befasst und des Verfahrenspflegers in diesem Fall ist zu dem Ergebnis gelangt, dass dieses den Anforderungen FamFG §§ 315 Abs. 2 u. Abs. 2 Nr. 2, 317 nicht gerecht wird. a) Im Unterbringungsverfahren ist dem Betreuer und dem Er weist darauf hin, dass sich aus der Gerichtsakte nicht Verfahrenspfleger die Anwesenheit bei der persönlichen ersehen lässt, dass der Inhalt des Gutachtens der Betroffe- Anhörung des Betroffenen zu ermöglichen (im Anschluss nen in vollem Umfang bekanntgegeben worden ist, sodass an Senatsbeschl. v. 15.02.2012 – XII ZB 389/11, FamRZ diese zu den festgestellten Indikationen und möglichen Be- 2012, 619 = FuR 2012, 317 und v. 02.03.2011 – XII ZB handlungsalternativen keine Frage stellen konnte und keine 346/10, FamRZ 2011, 805 = FuR 2011, 404). ausreichende Möglichkeit hatte, durch die Erhebung von b) Sieht das Gericht im Unterbringungsverfahren von Einwendungen und Vorbehalte an die Sachverständige eine der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe eines andere Einschätzung zu erreichen. Ferner vermisst der BGH Gutachtens an den anwaltlich nicht vertretenen Be- Hinweise darauf, dass die Betroffene durch die Bekanntgabe troffenen ab, weil zu besorgen ist, dass die Bekannt- des Gutachtens Gesundheitsnachteile zu befürchten hätte. gabe die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder Der BGH weist ferner darauf hin, dass die Bekanntgabe des zumindest ernsthaft gefährden werde, muss ein Ver- Gutachtens an den Verfahrenspfleger eine Bekanntgabe an fahrenspfleger bestellt, diesem das Gutachten über- die Betroffene nicht ersetzt, weil der Verfahrenspfleger nicht geben werden und die Erwartung gerechtfertigt sein, gesetzlicher Vertreter der Betroffenen ist. Daraus leitet der dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über BGH ab, dass eine Bekanntgabe an den Verfahrenspfleger nur das Gutachten spricht (im Anschluss an die Senats- dann ausreicht, wenn das Gericht entsprechend § 325 Abs. 1 beschl. v. 08.06.2011 – XII ZB 43/11 – FamFG 2011, FamFG von einer schriftlichen Bekanntgabe des Gutachtens 1289 = FuR 2011, 565 und v. 11.08.2010 – XII ZB an den Betroffenen absieht, weil zu besorgen ist, dass die Be- 138/10, BtPrax 2010, 278). kanntgabe die Gesundheit des Betroffenen schädigen oder c) Die vorrangige Aufgabe des Verfahrenspflegers besteht zumindest ernsthaft gefährden könnte. Ferner beanstandet er, darin, gegenüber dem Gericht den Willen des Betreuten dass das LG es dem Verfahrenspfleger nicht ermöglicht hat, Kund zu tun und dessen aus Art. 103 Abs. 1 GG folgen- an einer erneut durchzuführenden, persönlichen Anhörung den Anspruch auf rechtliches Gehör zu verwirklichen (im der Betroffenen teilzunehmen. Anschluss an die Senatsbeschl. v. 14.08.2013 – XII ZB

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270/13, FamRZ 2013, 1731 und v. 22.08.2012 – XII ZB ständigengutachten äußern konnte. Dies begründet der BGH 474/11, FamRZ 2012, 1798 = FuR 2012, 661). damit, dass das AG erst im Anhörungstermin vom 25.05.2016 das Gutachten an die Betreuerin und die Verfahrenspflegerin BGH, Beschl. v. 22.02.2017 – XII ZB 341/16 – LG Mönchen­ mit der Maßgabe übergeben hat, dass die Betreuerin das Gut- gladbach achten mit dem Betroffenen besprechen solle. Sodann hat das Gericht ohne Unterbrechung des Termins den Betroffenen „„Sachverhalt angehört. Zwar empfiehlt der Sachverständige am Ende des Der Betroffene wendet sich gegen die Genehmigung seiner Gutachtens, dass die Eröffnung des Gutachtens oder der Ent- Unterbringung für zwei Jahre. Für ihn ist eine Betreuerin scheidungsgründe des Gerichts an den Betroffenen möglichst bestellt. Zu ihrem Aufgabenkreis gehören u.a. die Aufent- vermittelt (bspw. über die Betreuerin) erfolgen solle, stellt haltsbestimmung und die Gesundheitsfürsorge. In voran- aber zugleich dar, dass schwerwiegende gesundheitliche Risi- gegangenen Verfahren war die geschlossene Unterbringung ken bei behutsamer Vorgehensweise nicht zu befürchten sind. des Betroffenen durch rechtskräftigen Beschluss des LG vom Dies wertet der BGH dahingehend, dass das Gutachten keine 23.12.2015 bis 27.05.2016 genehmigt worden. Grundlage bietet, um vor der Eröffnung an den Betroffenen von seiner Anhörung abzusehen. Mit Beschluss vom 25.05.2016 hat das AG die weitere Unter- bringung des Betroffenen bis zum 25.05.2018 genehmigt. Die vom Beschwerdegericht nachgeholte Anhörung leidet Dem lag das Sachverständigengutachten einer Fachärztin für nach Auffassung des BGH darunter, dass weder die Betreue- Psychiatrie und Psychotherapie vom 03.05.2016 zugrunde, rin noch die Verfahrenspflegerin hinzugezogen worden sind. wonach der Betroffene im Zusammenhang mit einem Dro- Darin sieht der BGH einen Verstoß gegen § 315 Abs. 1 Nr. 2 genabusus an einer Psychose des schizophrenen Formenkrei- FamFG für die Betreuerin und gegen § 317 Abs. 1 Satz 1 ses leide und sich hinsichtlich der unabdingbaren, geordneten FamFG betreffend den Verfahrenspfleger. Dabei weist der fachärztlichen Versorgung «inklusive Psychopharmakothera- BGH darauf hin, dass die Bestellung eines Verfahrenspflegers pie« in der Vergangenheit stets incompliant erwiesen habe. in einer Unterbringungssache die Wahrung der Belange des Die Sachverständige wies am Schluss ihres Gutachtens darauf Betroffenen in dem Verfahren gewährleisten soll. Ist bereits hin, dass die Eröffnung des Gutachtens möglichst vermittelt ein Betreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis den Verfahrens- (bspw. über die Betreuerin) erfolgen solle. gegenstand umfasst, hat der Verfahrenspfleger in erster Li- nie die Pflicht, den Verfahrensgarantien, insbesondere dem Das AG hat das Sachverständigengutachten im Anhörungs- Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör, Geltung zu termin der Betreuerin und der Verfahrenspflegerin übergeben verschaffen. und unmittelbar im Anschluss den Betroffenen persönlich angehört und den Genehmigungsbeschluss seinem wesent- Außerdem hat der Verfahrenspfleger den tatsächlichen oder lichen Inhalt nach verkündet. mutmaßlichen Willen des Betreuten zu erkunden und in das Verfahren einzubringen. Draus leitet der BGH ab, dass der Die vom Betroffenen eingelegte Beschwerde hat das LG nach Verfahrenspfleger vom Gericht im selben Umfang wie der erneuter Anhörung des Betroffenen zurückgewiesen, ohne die Betroffene an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen ist. Betreuerin und die Verfahrenspflegerin vor der Entscheidung Ferner hebt er hervor, dass dem Verfahrenspfleger ein eigenes über den Anhörungstermin zu unterrichten. Hiergegen rich- Anhörungsrecht zusteht. Daraus folgt, dass die Anhörung tet sich seine Rechtsbeschwerde die Erfolg hat. ohne Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers verfahrensfehlerhaft ist und den Betroffenen in seinem An- „„Entscheidungsinhalt spruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der BGH sieht einen Verfahrensfehler darin, dass der Betrof- (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) fene nicht in der gebotenen Weise angehört worden ist. Der BGH bezieht sich auf § 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG, wonach Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- das Gericht den Betroffenen vor einer Unterbringungsmaß- Fundstelle: JurionRS 2017, 12408 nahme persönlich anzuhören hat. Dies dient – so der BGH – nicht nur der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks, Unterbringungsverfahren / Anhörung sondern auch dem Anspruch auf rechtliches Gehör. durch den beauftragten Richter / Anhö­ Ferner weist der BGH darauf hin, dass dann, wenn das Ge- rung im Wege der Rechtshilfe / Begrün­ richt von der vollständigen schriftlichen Bekanntgabe eines Gutachtens an den Betroffenen absieht, ein Verfahrenspfleger dungserfordernis bei Unterbringungen bestellt werden, ihm das Gutachten übergeben werden und die für länger als ein Jahr Erwartung gerechtfertigt sein muss, dass der Verfahrenspfle- FamFG §§ 28 Abs. 4, 68 Abs. 3 Satz 2, 319 Abs. 1 u. 4, ger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht. Dabei 329 Abs. 1 weist der BGH darauf hin, dass diese Verpflichtung gem. § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG auch im Beschwerdeverfahren gilt. Von a) Zu den Voraussetzungen, unter denen die Beschwerde- einer erneuten Anhörung darf insbesondere dann nicht abge- kammer im Unterbringungsverfahren eines ihrer Mitglie- sehen werden, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges ver- der mit der Anhörung des Betroffenen beauftragen kann fahrensfehlerhaft vorgegangen ist. Den Verfahrensfehler sieht (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 15.06.2016 – XII ZB der BGH darin, dass der anwaltlich nicht vertretene Betroffe- 581/15, FamRZ 2016, 1446 = FuR 2016, 578). ne sich mangels Kenntnis weder selbst, noch durch einen Ver- b) § 319 Abs. 4 FamFG schließt die Möglichkeit, die vor der fahrenspfleger oder Verfahrensbevollmächtigten zum Sachver- Genehmigung einer Unterbringungsmaßnahme zwin-

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gend gebotene Anhörung des Betroffenen im Wege der dies ausnahmsweise ausreichen soll. Nicht beanstandet hat Rechtshilfe vorzunehmen, nicht völlig aus. Diese Mög- der BGH allerdings, dass das Beschwerdegericht eines sei- lichkeit ist jedoch auf eng begrenzte Ausnahmefälle ner Mitglieder mit der Anhörung des Betroffenen beauftragt beschränkt. Macht das Gericht von dieser Möglichkeit hat. Letztlich überlässt er dem Beschwerdegericht die Ent- Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe scheidung, ob es wegen der Besonderheiten des Falles da- hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (im Anschluss rauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen eige- an Senatsbeschl. v. 02.03.2016 – XII ZB 258/15, FamRZ nen Eindruck von dem Betroffenen verschafft oder ob der 2016, 804 = FuR 2016, 406). Kammer durch eine vom beauftragten Richter durchgeführte c) Zu den Voraussetzungen und Begründungsanforderun- Anhörung eine ausreichende Grundlage für die zu treffende gen, wenn eine Unterbringung für länger als ein Jahr Entscheidung vermittelt wird. Allerdings hebt er hervor, dass angeordnet oder genehmigt werden soll (im Anschluss die Anhörung durch den beauftragten Richter nur in ihrem an Senatsbeschl. v. 06.04.2016 – XII ZB 575/15, FamRZ objektiven Ertrag und als dessen persönlicher Eindruck ver- 2016, 1063 = FuR 2016, 477). wertet werden darf. BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 358/16 – LG Landshut Im vorliegenden Fall hat der BGH die Entscheidung des LG gebilligt, weil dies der Anhörung des Betroffenen kein beson- „„Sachverhalt deres Gewicht beigemessen hat. Dies leitet der BGH daraus Die Betroffene wendet sich gegen die betreuungsgerichtliche ab, dass das Gericht seine Entscheidung im Wesentlichen auf Genehmigung ihrer Unterbringung. Für die Betroffene ist die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverstän- seit Mai 2015 ein Betreuer bestellt. Nachdem sie ab Septem- digen zu den medizinischen Voraussetzungen für die Verlän- ber 2015 zunächst freiwillig und ab Oktober 2016 aufgrund gerung einer freiheitsentziehenden Unterbringung erstellten mehrfach verlängerter betreuungsgerichtlicher Genehmigun- Gutachten gestützt hat. gen vorläufig in einer geschlossenen Einrichtung unterge- Ferner hat der BGH nicht beanstandet, dass das Sachver- bracht war, hat ihr Betreuer im Februar 2016 die dauerhafte ständigengutachten der Betroffenen nicht bekanntgegeben Unterbringung der Betroffenen über den 21.03.2016 hinaus worden ist. Zwar setzt die Verwertung eines Sachverstän- für den längst möglichen Zeitraum beantragt. digengutachtens gem. § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Das AG hat nach Einholung eines Sachverständigengutach- Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme ein- tens und Anhörung der Betroffenen im Wege der Rechtshilfe räumt. Allerdings weist der BGH darauf hin, dass unter den am 21.04.2016 die Unterbringung der Betroffenen in einer Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG davon abgesehen geschlossenen Einrichtung bis längstens 20.03.2018 geneh- werden kann. Letztlich geht er davon aus, dass das Gutachten migt. Ihre Beschwerde hat das LG nach Anhörung der Be- der Betroffenen vor ihrer Anhörung im Beschwerdeverfahren troffenen durch den Berichterstatter als beauftragten Richter zugeleitet worden ist. Zudem verweist er darauf, dass die Be- zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung troffene zwischenzeitlich einen Verfahrensbevollmächtigen und Zurückverweisung. bestellt hat, dem vor dem Anhörungstermin Akteneinsicht gewährt wurde, sodass die Betroffene jedenfalls auf diesem Weg rechtzeitig vor ihrer Anhörung im Beschwerdeverfahren „„Entscheidungsinhalt Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens erlangt hat. Der BGH hat sich zunächst mit der Anhörung der Betroffe- nen durch das Beschwerdegericht auseinandergesetzt und ist Allerdings vermisst der BGH einen Vermerk über die im Be- zu dem Ergebnis gelangt, dass diese nicht verfahrensfehler- schwerdeverfahren erfolgte Anhörung der Betroffenen. Er frei erfolgt ist. Der Verweis auf § 319 Abs. 1 Satz 1 FamFG, verweist auf § 28 Abs. 4 Satz 1 und 2 FamFG, wonach über wonach der Betroffene vor einer Unterbringungsmaßnahme eine persönliche Anhörung ein Vermerk zu fertigen ist, in persönlich anzuhören ist, um sich einen persönlichen Ein- dem die wesentlichen Vorgänge der persönlichen Anhörung druck von ihn zu verschaffen, ist berechtigt. Insbesondere hat aufzunehmen sind. Dies gilt auch für die persönliche An- der BGH hervorgehoben, dass das Beschwerdegericht nicht hörung der Betroffenen nach § 319 FamFG in einem Unter- von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen bringungsverfahren. Eine ausdrückliche Anordnung von durfte, weil die im Wege der Rechtshilfe durchgeführte An- Mindestvoraussetzungen über den Inhalt und Form des Ver- hörung durch das AG fehlerhaft war. Allerdings weist er da- merks enthält die Vorschrift dabei nicht. Dabei kann die Dar- rauf hin, dass es nicht völlig ausgeschlossen ist, dass die vor stellung des Ergebnisses der Anhörung im tatbestandlichen Genehmigung einer Unterbringungsmaßnahme zwingend Teil des angefochtenen Beschlusses ebenfalls ausreichend gebotene Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechts- sein. Fehlt es allerdings an einem Anhörungsvermerk und hilfe vorzunehmen ist. Der BGH hebt hervor, dass in der wird das Ergebnis der Anhörung auch nicht in anderer Weise Regel der Richter, der über die Unterbringungsmaßnahme zu dokumentiert, stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der zur entscheiden hat, sich einen persönlichen Eindruck von dem Aufhebung der Entscheidung führen kann. Insoweit bezieht Betroffenen und dessen Lebensumständen verschaffen muss. sich der BGH auf die zur Verfügung gestellten Akten, denen Daraus leitet der BGH ab, dass die Anhörung des Betroffenen ein Vermerk nicht zu entnehmen ist. Ferner geht der BGH im Weg der Rechtshilfe nur in eng begrenzten Ausnahme- davon aus, dass allein die Angaben in den Beschlussgründen fällen möglich ist, etwa dann, wenn der Betroffene kommu- zu dürftig sind, um den Vermerk zu ersetzen. nikationsunfähig ist. Ferner beanstandet er, dass für die Genehmigung der Unter- Insbesondere hebt der BGH hervor, dass das Gericht dann, bringung die ein Jahr überschreitet, die Erwägungen in dem wenn es von einer Anhörung im Wege der Rechtshilfe Ge- angefochtenen Beschluss nicht ausreichen. Der BGH weist brauch macht, die Möglichkeit begründen muss, warum auf einen erheblichen Begründungszwang hin, wenn die

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Unterbringung von mehr als einem Jahr angeordnet wird. Die der Feststellung der Rechtswidrigkeit haben. Dieses Interesse Gründe dafür müssen festgehalten werden. Solche Gründe er- bezieht sich nicht auf den Verfahrenspfleger. geben sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) einer notwenigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung. Die- Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- se Gründe müssen deutlich und erkennbar hervortreten. Den Fundstelle: JurionRS 2017, 12566 Anforderungen genügt die Entscheidung nicht, da sich solche Gründe aus der angefochtenen Entscheidung nicht entneh- Versorgungsausgleich / Behandlung ge­ men lassen. Der Hinweis darauf, dass bei der Betroffenen ringfügiger Anrechte bei Tod eines Ehe­ eine vollkommene Krankheitsuneinsichtigkeit verbunden mit einer Weigerungshaltung vorliegt, reicht nicht aus. Der BGH gatten vermisst einen konkreten Therapieplan oder eine sonst wis- VersAusglG §§ 18, 31 senschaftlich fundierte Prognose einer voraussichtlichen Hei- lungsdauer von mehr als einem Jahr. Insbesondere vermisst Zur Behandlung geringfügiger Anrechte (§ 18 VersAusglG) er Argumente, warum durch Therapiemaßnahmen und wäh- beim Tod eines Ehegatten vor Rechtskraft der Entscheidung rend einer zunächst auf ein Jahr begrenzten Unterbringungen über den Versorgungsausgleich (§ 31 VersAusglG). eine Verbesserung des Krankheitsbildes nicht zu erwarten ist. BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 385/15 – OLG Schleswig (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- „„Sachverhalt Fundstelle: JurionRS 2017, 12567 Durch den im Dezember 2004 zugestellten Antrag hat das AG die im Mai 1989 geschlossene Ehe der Antragstellerin Unterbringungssache / Beschwerderecht und ihres Ehemannes geschieden und den Versorgungsaus- gleich durchgeführt. Der Ausspruch der Scheidung ist seit des Verfahrenspflegers / Antragsbefugnis August 2010 rechtskräftig. Auf die Berufung der Antrag- nach § 62 FamFG stellerin hat das OLG die Folgesache Versorgungsausgleich FamFG §§ 62, 335 Abs. 2 wegen Rechtsmängeln der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS) in Bezug auf die Berechnung Dass dem Verfahrenspfleger nach § 335 Abs. 2 FamFG von Staatsgutschriften rentenferner Jahrgänge abgetrennt und eingeräumte Beschwerderecht umfasst nicht die Antrags- ausgesetzt sowie im Mai 2012 wieder aufgenommen. Am befugnis nach § 62 FamFG (im Anschluss an Senatsbeschl. 24.09.2014 verstarb der Ehemann. Er wurde von der nun- v. 15.02.2012 – XII ZB 389/11, FamRZ 2012, 619 = FuR mehrigen Antragsgegnerin beerbt. 2012, 317). Während der Ehezeit hat die Antragstellerin Anwartschaf- BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – XII ZB 460/16 – LG Stuttgart ten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben und darüber hinaus eine private Lebensversicherung angespart. Der Ehemann hat Anrechte in der gesetzlichen Rentenver- „„Sachverhalt sicherung erworben sowie eine private Lebensversicherung Die Betroffene, die an Demenz mit psychomotorischer Un- angespart. Außerdem hat er noch Versorgungspunkte in der ruhe und Sturzneigung leidet und nicht geh- und stehfähig Pflichtversicherung (VBL Klassik) erworben. ist, stürzte im Seniorenpflegeheim und zog sich ein Brillenhä- matom zu. Auf Antrag der vorsorgebevollmächtigen Tochter Das AG hat unter Anwendung des bis 31.08.2009 gelten- der Betroffenen hat das AG durch Beschluss vom 12.08.2016 den Rechts eine gesetzliche Rentenanwartschaft vom Ver- eine zeitweilige Schutzfixierung der Betroffenen in Form einer sicherungskonto des Ehemannes auf dasjenige der Ehefrau Drei-Punkt-Fixierung bei Bedarf während der Nachtzeit und übertragen. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. eines Bauchgurts im Sitzwagen/Sitzhose bis zum 31.08.2016 Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückver- genehmigt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Verfah- weisung. renspflegers hat das LG zurückgewiesen. Mit der hiergegen erhobenen Rechtsbeschwerde begehrt der Verfahrenspfleger „„Entscheidungsinhalt die Feststellung, dass die Beschlüsse des AG und des LG die Der BGH hat sich mit § 31 Abs. 1 VersAusglG auseinan- Betroffene in ihren Rechten verletzt haben. Die Beschwerde dergesetzt, wonach bei Tod des Ehemannes nach Rechtskraft ist unzulässig. der Scheidung, aber vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich, das Recht des überlebenden Ehegatten „„Entscheidungsinhalt gegen die Erben geltend zu machen ist. Allerdings weist der Der BGH begründet die Unzulässigkeit der Beschwerde da- BGH darauf hin, dass der überlebende Ehegatte durch den mit, dass der Verfahrenspfleger gem. § 335 Abs. 2 FamFG in Wertausgleich nicht bessergestellt werden darf, als wenn der Unterbringungssachen ein eigenes Beschwerderecht hat, dass Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre. Um dies zu jedoch nicht die Antragsbefugnis nach § 62 FamFG umfasst. gewährleisten ist eine Gesamtbilanz aller auszugleichenden § 62 FamFG setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, Anrechte zu erstellen und der Ausgleich in Höhe des sich dass der Beschwerdeführer durch die erledigte Maßnahme in daraus insgesamt ergebenden Ausgleichswertes durchzufüh- seinen Rechten verletzt worden ist. Daraus leitet der BGH ren. Sind mehrere Rechte auszugleichen, ist nach billigem ab, dass auch nur diejenigen Beteiligten antragsbefugt sind, Ermessen zu entscheiden, welche Anrechte zum Ausgleich die ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 62 Abs. 2 FamFG an herangezogen werden (§ 31 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG).

FuR 7 · 2017 393 Rechtsprechung Familienrecht

In diesem Zusammenhang hat sich der BGH mit § 18 Abs. 2 aus leitet der BGH ab, dass die Vorschrift nicht den Zweck VersAusglG befasst, wonach einzelne Anrechte mit einem ge- verfolgt, solche Besserstellungen des ausgleichsberechtigten ringen Ausgleichswert nicht auszugleichen sind. Dabei hat er Ehegatten zu beschränken, die sich aus der Systematik des sich der Auffassung angeschlossen, dass die Bagatellprüfung Versorgungsausgleichs selbst ergeben. nach § 18 VersAusglG dann vorzunehmen ist, wenn die Ge- Insgesamt geht der BGH im Ergebnis davon aus, dass die samtausgleichsdifferenz als solche nicht die Geringfügigkeits- beiderseits in der privaten Lebensversicherung erworbenen grenze überschreitet. Dabei hebt er hervor, dass grundsätz- Anrechte, ebenso wie das vom verstorbenen Ehemann bei lich der Halbteilungsgrundsatz gilt und der Gesetzeszweck der VBL erworbene Anrecht, in die Gesamtbilanz einzustel- des § 18 VersAusglG darin besteht, einen unverhältnismä- len sind. ßigen Aufwand für den Versorgungsträger, eine sogenannte Splitterversorgung, zu vermeiden. Wenn diese Gesetzesziele Ferner geht er davon aus, dass der Durchführung des Ver- nicht erreicht werden, tritt der Halbteilungsgrundsatz in den sorgungsausgleichs zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht die Vordergrund. Dies ist nach Auffassung des BGH insbesonde- Rspr. des BGH zur Unwirksamkeit der Staatgutschriftenre- re dann der Fall, wenn die geringfügigen Anrechte lediglich gelung der VBL für rentenferne Versicherte entgegensteht. Rechnungsposten in der Gesamtbilanz darstellen, ohne dass Dies begründet er damit, dass das bei der VBL bestehende sie selbst zum Ausgleich herangezogen werden. Versorgungsanrecht im vorliegenden Fall lediglich Bedeutung in Form des mit ihm korrespondierenden Kapitalwerts als Auf der anderen Seite soll von einem Ausgleich dann ab- Rechnungsposten in der zu erstellenden Gesamtbilanz aller gesehen werden, wenn das geringfügige Anrecht selbst zum auszugleichenden Anrechte hat. Die Staatgutschrift des kurz Ausgleich heranzuziehen ist, wie dies vor allem dann unaus- vor der Systemumstellung in die Pflichtversicherung eingetre- weichlich wäre, wenn ausschließlich der verstorbene Ehegatte tenen Ehemannes ist bisher mit 1,00 € monatlich errechnet. ehezeitliche Versorgungsanrechte erworben hatte oder über- Angesichts dieses ohnehin geringen Wertes der Staatgutschrift haupt nur geringfügige Anrechte für den Gesamtausgleich lässt die durch die Tarifpartei zu treffende Nachjustierung für zur Verfügung stehen. Gleiches soll nach BGH dann gelten, den Ehemann allenfalls eine wirtschaftlich bedeutungslose wenn ein an sich höheres Anrecht zum Ausgleich herange- Veränderung im Bagatellbereich erwarten. zogen werden soll, nach durchgeführter Gesamtsaldierung jedoch nur noch eine geringe Wertdifferenz zum konkre- Beanstandet hat der BGH allerdings die von der VBL er- ten Ausgleich verbleibt, welches die Bagatellgrenze des § 18 teilte Versorgungsauskunft, die inhaltlich auf einer Zugrun- Abs. 3 VersAusglG für sich genommen nicht übersteigt. delegung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren beruht und deswegen nicht verwertbar ist. Dies beruht auf einer Für den vorliegenden Fall geht der BGH davon aus, dass Ungleichbehandlung von ausgleichsberechtigten Personen dann, wenn das OLG die beiderseits erworbenen geringfügi- männlichen und weiblichen Geschlechts und verstößt gegen gen Anrechte als Rechnungsposten in der Gesamtsaldierung Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Daraus leitet der BGH ab, dass es berücksichtigt hätte, diese Anrechte nicht für die Durchfüh- insoweit an einer erforderlichen Feststellung für die maß- rung des Gesamtausgleichs herangezogen werden müssten, geblichen Barwertfaktoren fehlt, sodass die Entscheidung sondern es hätte gem. § 31 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG ein aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverwei- entsprechend höherer Wertanteil des vom Ehemann in der sen ist. gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechts auf die Antragstellerin übertragen werden können. In diesem (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) Fall steht weder ein Verwaltungsaufwand noch das Interesse Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- an der Vermeidung von Splitterversorgungen einer Einbezie- Fundstelle: JurionRS 2017, 12853 hung entgegen. Der Gesamtsaldierung steht nach Auffassung des BGH auch Betreuung / Betreuungsbedarf / Betreuer­ nicht der Grundsatz entgegen, dass der überlebende Ehegat- auswahl / Inhaltliche Anforderung an ein te durch den Wertausgleich nicht bessergestellt werden darf, Sachverständigengutachten als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre. In dieser Regelung hat der BGH lediglich zum Aus- BGB §§ 1896 Abs. 2, 1897; FamFG § 280 Abs. 3 druck gebracht, dass der überlebende Ehegatte nicht unter Beibehaltung seiner eigenen Anrechte den vollen Ausgleich a) Zum Betreuungsbedarf nach § 1896 Abs. 2 BGB und zur der Anrechte des Verstorbenen verlangen kann, sondern der Betreuerauswahl. Ausgleich auf die Wertdifferenz der beiderseits erworbenen b) Zu den inhaltlichen Anforderungen an ein Sachverstän- Anrechte beschränkt bleibt. digengutachten in einem Betreuungsverfahren (im An- schluss an Senatsbeschl. v. 19.01.2011 – XII ZB 226/10, Ist die Summe der eigenen Anrechte geringer als diejenigen, FamRZ 2011, 637). die der überlebende Ehegatte nach durchgeführtem Versor- gungsausgleich gehabt hätte, besteht ein Bedürfnis, diese BGH, Beschl. v. 15.02.2017 – XII ZB 510/16 – LG Magdeburg Lücke zu schließen. In dieser Höhe ist der Wertausgleich zu Lasten eines der Anrechte oder ggf. mehrere Anrechte des „„Sachverhalt Verstorbenen durchzuführen. Hat der Überlebende hingegen Die im Jahr 1956 geborene Betroffene erlitt 1999 einen eigene, höhere Anrechte als der Verstorbene, läuft das Recht ersten und im Mai 2014 einen zweiten Schlaganfall, nach auf Wertausgleich nach § 31 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG ins dem sie halbseitig gelähmt ist, nicht mehr schreiben kann Leere. Darin erschöpft sich nach Auffassung des BGH der und große Artikulationsprobleme hat. Um ihre Versorgung Regelungsgehalt des § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG. Dar- sicherzustellen, die ihr berufstätiger Ehemann im ehelichen

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Anwesen nicht gewährleisten konnte, wurde sie in eine Pfle- leisten sollen, dass das Gericht seiner Pflicht, das Gutachten geeinrichtung aufgenommen. auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, nachgekommen Ende 2015 regte der Ehemann der Betroffenen, der zwischen- ist. Das Gutachten muss aus diesem Grund Art und Ausmaß zeitlich mit einer neuen Partnerin zusammenlebt, die Ein- der Erkrankung im Einzelnen und anhand der Vorgeschichte richtung einer Betreuung für die Betroffene an, weil diese der durchgeführten Untersuchungen und der sonstigen Er- massiv nach Hause dränge. Nach Einleitung des Betreuungs- kenntnisse diese darstellen und wissenschaftlich begründen. verfahrens reichte er eine ihn als Bevollmächtigten benennen- de Vorsorgevollmacht vom 13.07.2014 zur Akte, die nicht Dies verlangt der BGH, weil das Gericht anderenfalls nicht in von der Betroffenen unterschrieben ist. Dieser ist ein Anhang der Lage ist, das Gutachten zu überprüfen und sich eine eige- mit der Erklärung beigefügt, dass die Betroffene wegen ihrer ne Meinung von der Richtigkeit der vom Sachverständigen rechtsseitigen Lähmung nicht unterschreiben könne und des- gezogenen Schlussfolgerungen zu bilden. Insoweit beanstan- halb als Zeugen für die Vollmacht ihre beiden erwachsenen det der BGH, dass sich aus dem Gutachten nicht nachvoll- Söhne benenne. Unterschrieben ist der Anhang von einem ziehen lässt, wie der Gutachter zu seiner Diagnose gelangt der Söhne. Nach Einholung eines Sachverständigengutach- ist. Der BGH verweist darauf, dass das Gutachten lediglich tens und Anhörung der Betroffenen hat das AG eine Berufs- eine kurze Darstellung des mit der Betroffenen geführten Ge- betreuerin für verschiedene Aufgabenkreise bestellt. sprächs beinhaltet, sowie Angaben der Wohnbereichsleiterin des Pflegeheims zum augenscheinlich körperlichen Zustand Die dagegen gerichteten Beschwerden der Betroffenen, des der Betroffenen enthält. Es sind weder Tests noch Untersu- Ehemannes und der Söhne hat das LG zurückgewiesen. Die chungen mitgeteilt worden. Welche Befunde die dargestellten Rechtsbeschwerde der Betroffenen und ihres Ehemannes war Diagnosen tragen, ist ebenfalls nicht ausgeführt. erfolgreich. Ferner beanstandet der BGH die Überlegung zum Betreu- „„Entscheidungsinhalt ungsbedarf nach § 1896 Abs. 2 BGB. Danach darf der Be- Der BGH hatte zunächst die Annahme eines Betreuungsbe- treuer nur für Aufgaben bestellt werden, in denen die Be- darfs beanstandet. Nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB müssen treuung erforderlich ist. Dies ist aufgrund der konkreten die dort genannten Krankheiten oder Behinderungen vor- gegenwärtigen Lebenssituation der Betroffenen zu beurtei- liegen, sodass der Betroffene aufgrund dieser gesundheit- len. Dabei genügt es, wenn ein Handlungsbedarf in dem be- lichen Einschränkungen seine Angelegenheiten ganz oder troffenen Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann. Der BGH teilweise nicht besorgen kann. Diese Voraussetzungen sind beanstandet, dass mit Ausnahme des Bereichs der Aufent- nach Auffassung des BGH nicht festgestellt worden. Er ver- haltsbestimmung der angefochtenen Entscheidung nicht zu weist darauf, dass das AG als Diagnose vordergründig eine entnehmen ist, inwieweit weitere Aufgabenkreise erforder- körperliche Behinderung nach zwei Schlaganfällen mit Halb- lich sind. seitenlähmung rechts und einer hochgradigen motorischen Schließlich befasst der BGH sich mit der vorgelegten Vorsor- Sprachstörung sowie eine seelische Behinderung im Sinne gevollmacht und beanstandet, dass das Gericht dennoch von eines hirnorganischen Psychosyndroms mit deutlichen kog- der Anordnung einer Betreuung ausgegangen ist. Insoweit nitiven Einschränkungen im Sinne von Einschränkungen der beanstandet er, dass das LG zur Begründung der Annahme, Urteils- und Kritikfähigkeit und mit völliger Fehleinschät- der Ehemann sei als Betreuer nicht geeignet, sich ausschließ- zung der eigenen Leistungsfähigkeit festgestellt hat. Insoweit lich darauf stützt, dass er mit seiner Lebensgefährtin die Be- hat es ohne weitere Differenzierung auf die körperliche und troffene besucht hat. Darin sieht der BGH keine konkreten geistige Behinderung abgestellt. Dies sieht der BGH als nicht Umstände dafür, dass die Vollmachtserteilung eine Gefahr für ausreichend an. das Wohl der Betroffenen mit sich bringt. Ferner weist der BGH darauf hin, dass sich der Entscheidung Ferner sieht der BGH keine Umstände, die einen Widerruf nicht entnehmen lässt, dass das Psychosyndrom die Betrof- der Vollmacht rechtfertigen. Dies ist nach Auffassung des fene an der Erledigung ihrer Angelegenheiten hindert. Dies BGH nur dann der Fall, wenn eine Gefährdungslage für die lässt sich nach Auffassung des BGH allenfalls für den Bereich Betroffene anders nicht abgewendet werden kann. Auch dafür der Aufenthaltsbestimmung entnehmen. sieht er keine Anhaltspunkte. Desweiteren hat der BGH sich mit dem Sachverständigen- Schließlich beanstandet der BGH auch die Betreueraus- gutachten auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis ge- wahl. Insbesondere kritisiert er, dass das AG es abgelehnt langt, dass dies nicht den Anforderungen des § 280 Abs. 3 hat, die Berufsbetreuerin durch den Ehemann als Betreu- FamFG genügt, sodass die Feststellung, die Betroffene leide er zu ersetzen. Die in Bezug genommene Norm durch das unter einem hirnorganischen Psychosyndrom auf eine Ver- AG, nämlich § 1908b Abs. 1 Satz 3 BGB bezieht sich nach letzung nach § 26 FamFG beruht. Unter Bezugnahme auf Auffassung des BGH jedoch nur auf die Fälle, in denen bei § 280 Abs. 3 FamFG geht der BGH davon aus, dass sich das Fortbestehen der Betreuung eine isolierte Entscheidung über Gutachten auf das Krankheitsbild einschließlich der Krank- die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen heitsentwicklung (Nr. 1), die durchgeführten Untersuchun- werden soll. gen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnis- se (Nr. 2), den körperlichen und psychiatrischen Zustand der Der BGH weist darauf hin, dass im Hinblick darauf die Betroffenen (Nr. 3), den Umfang des Aufgabenkreises (Nr. 4) Vorschrift für die Betreuerauswahl bei einer Neubestellung und die voraussichtliche Dauer der Maßnahme (Nr. 5) zu er- gar nicht einschlägig ist. Hier gilt nach BGH vielmehr strecken hat. Dabei geht er davon aus, dass diese Anforderun- § 1897 BGB. Den Unterschied sieht der BGH darin, dass gen an den Inhalt des Sachverständigengutachtens gewähr- in § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB dem Richter bei der Auswahl

FuR 7 · 2017 395 Rechtsprechung Familienrecht

des Betreuers kein Ermessen eingeräumt wird. Er hat viel- Anordnungsverfahren. Es lag gerade keine Angelegenheit von mehr die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betreute erheblicher Bedeutung für die Kinder i.S.v. §§ 1687 Abs. 1 wünscht. Der Wille des Betreuten kann nur dann unberück- Satz 1, 1628 Satz 1 BGB vor, weil eine Angelegenheit von er- sichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen heblicher Bedeutung und damit eine Sorgesache nur dann vor- Person dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft. Dazu muss liegt, wenn es sich um eine Reise in Kriegs- oder Krisengebiete eine konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die handelt. Das ist bei einem Badeort in Thailand nicht der Fall. Betreuung des Betroffen nicht zu dessen Wohl führen kann Auch der nachträgliche Widerruf der bereits erteilten Zu- oder will, etwa weil die vorgeschlagene Person die Übernah- stimmung durch die Kindesmutter führt nicht dazu, dass es me der Betreuung ablehnt oder durch die Übernahme des sich bei der Frage, ob der Kindesvater gemeinsam mit den Amtes in die konkrete Gefahr eines schwerwiegenden Inte- Kindern in der ihm zustehenden Umgangszeit einen Ferien- ressenkonflikts gerät. aufenthalt in Thailand verbringen darf, um eine Sorgesache Aus diesem Grund hatten die Rechtsbeschwerden der Betrof- handelt. Zwar kann die Kindesmutter ihre Zustimmung bei fenen und des Ehemannes Erfolg. Demgegenüber sieht der einer schwerwiegenden Veränderung der Umstände gem. BGH die Rechtsbeschwerden der beiden Söhne als unzuläs- § 313 Abs. 1 u. 3 BGB grundsätzlich widerrufen. Für Thai- sig an, weil ihnen kein Beschwerderecht zustand. Ein solches land bestand aber weder eine Reisewarnung noch eine Teilrei- folgt insbesondere nicht aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, weil sewarnung. Die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes sie nicht im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. haben sich auch nach den Ereignissen vom 11./12.08.2016 nicht geändert. Schon deshalb kann nicht von einem Weg- (bearbeitet von Dr. Jürgen Soyka, Vors. Richter am OLG a.D.) fall der Geschäftsgrundlage der zuvor erteilten Zustimmung ausgegangen werden. Ferienumgang des Umgangsberechtigten Die Beschwerde ist im Übrigen auch deshalb unzulässig, weil die Kinder bereits aus dem Sommerurlaub 2016 in Thailand in Thailand nach Widerruf einer zuvor zurückgekehrt sind und der Verfahrensgegenstand damit end- erteilten Zustimmung der Kindesmutter gültig entfallen ist. Die Voraussetzungen für die Statthaftig- keit einer Beschwerde nach Erledigung der Hauptsache gem. BGB §§ 1684, 1687, 1628; FamFG §§ 57, 62 § 62 FamFG liegen nicht vor. Die Kindesmutter ist nicht Bei der Entscheidung darüber, ob ein Kind im Rahmen eines schwerwiegend in grundrechtlich geschützten Positionen be- zwischen den Eltern einvernehmlich vereinbarten Ferienum- troffen. Die einander gegenüberstehenden Grundrechtsposi- gangs eine Urlaubsfernreise in ein Baderesort in Thailand tionen der Kinder auf Umgang mit ihrem Vater (§§ 1684 antritt, handelt es sich regelmäßig um eine Alltagsentschei- Abs. 1, 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB), das Umgangsrecht des Va- dung, über die der umgangsberechtigte Elternteil in der ters und dessen Befugnis im Rahmen des ihm zustehenden Regel allein entscheiden kann. Die Beschwerde gegen eine Umgangs unter Berücksichtigung des Kindeswohls über den Entscheidung des Familiengerichts über eine einstweilige Ort des Umgangs zu entscheiden (§§ 1684 Abs. 1, 1697a Anordnung zum Umgang ist nicht statthaft. BGB), das Recht der Mutter, die Kinder zu pflegen und zu erziehen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) aber auch das Interesse KG, Beschl. v. 02.02.2017 – 13 UF 163/16 beider Eltern, eine ungestörte, gesunde Entwicklung und Erziehung der Kinder zu gewährleisten, unter Berücksich- „„Sachverhalt tigung der wechselseitigen Loyalitätspflicht beider Eltern bei Die geschiedenen und getrennt lebenden Eltern zweier Kinder, der Ausübung bzw. Gewährung des Umgangs (§ 1684 Abs. 2 die bei der Kindesmutter leben, streiten über die Frage, ob die BGB), hat das Familiengericht gegeneinander abgewogen beiden Kinder in den Sommerferien 2016 in einer dem Kin- und zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Angesichts desvater zustehenden Umgangszeit mit ihm und seiner Ehefrau dessen kann von einem ungerechtfertigten Grundrechtsein- sowie deren beiden Kindern eine gemeinsame Urlaubsreise in griff, zumal einem schwerwiegenden, nicht die Rede sein. ein Baderesort in Jomtien Beach in der Nähe von Pattaya/Thai- Auch besteht keine Wiederholungsgefahr i.S.d. § 62 Abs. 2 land unternehmen dürfen. Die Mutter hatte im April 2016 Nr. 2 FamFG, auch wenn die Mutter meint, diese bestehe, der Urlaubsreise zugestimmt, diese Zustimmung jedoch we- weil auch in Zukunft mit Reiseplänen des Kindesvaters in nige Tage vor dem geplanten Abflug widerrufen, nachdem es Krisengebiete zu rechnen sei. Die Vermutung der Kindesmut- am 11./12.08.2016 in Thailand an unterschiedlichen Orten ter genügt jedoch nicht, um eine Wiederholungsgefahr zu zu insgesamt vier Bombenanschlägen gekommen war. Das begründen. Diese muss konkret gegeben sein und zudem auf Familiengericht hat in einem einstweiligen Anordnungsver- eine Beeinträchtigung durch künftig zu erwartende, gleich- fahren festgestellt, dass der Kindesvater berechtigt ist, die ge- artige Entscheidungen des Familiengerichts gerichtet sein. plante Urlaubsreise durchzuführen. Gegen diese Entscheidung Dies ist aber nicht ersichtlich. wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde. „„Praxishinweis „„Entscheidungsinhalt Die Frage, ob ein Auslandsaufenthalt der Kinder zustim- Die Beschwerde der Kindesmutter war bereits aus mehreren mungsbedürftig ist oder nicht und ob dieser Aufenthalt kin- Gründen unstatthaft. deswohlgerecht (§ 1697a BGB) ist, kann letztlich allein im Einerseits handelt es sich nach den Feststellungen des Senats konkreten Einzelfall entschieden werden. So differenziert das um eine gem. § 57 Satz 1 FamFG grundsätzlich nicht anfecht- KG auch bezüglich des konkreten Zielortes der geplanten bare Entscheidung über ein Umgangsrecht im einstweiligen Urlaubsreise, nämlich eines Baderesorts, das mehrere 100

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Kilometer Luftlinie von den Anschlagsorten im August 2016 „„Entscheidungsinhalt entfernt liegt. Aber auch im konkreten Einzelfall kommt es Der Senat stellt zunächst fest, dass die allgemeine Vollstre- vor allem auf objektive Maßstäbe an, so dass das KG das Be- ckungsvoraussetzung der Zustellung an den Schuldner gem. stehen von Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes als Richt- §§ 95 Abs. 1 Nr. 3, 4 FamFG; 795 Satz 1, 750 ZPO fehlt, schnur heranzieht. weil das den Vergleich beinhaltende Sitzungsprotokoll weder im Parteibetrieb noch – überobligatorisch – im Amtsbetrieb Gerade in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung zugestellt worden sei, so dass es an der schuldnerschützenden kommt es auf die Grenzziehung zwischen Sorgesache (§ 151 Wirkung der Zustellung fehle. Nr. 1 FamFG) und Umgangssache (§ 151 Nr. 2 FamFG) besonders an, weil hiervon letztlich die Zulässigkeit der Be- Die Vollstreckung scheitere zudem am gem. § 156 Abs. 2 schwerde abhängt. Das KG bestätigt insoweit seine eigene Satz 1 FamFG erforderlichen Einvernehmen. Trotz erteilter Rechtsprechung (vgl. Beschl. v. 01.08.2016 – 13 UF 106/16, gerichtlicher Billigung könne ein Vollstreckungstitel nicht FuR 2017, 31). entstehen, wenn einer der Beteiligten, hier der bestellte Ver- Für ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 62 FamFG bedarf es fahrensbeistand, sein Einvernehmen nicht erklärt habe. Das eines schwerwiegenden Eingriffs in grundrechtlich geschützte Einvernehmen des angehörten, aber mangels Stellung eines Positionen. Ein schwerwiegender Eingriff in das Elternrecht bestimmten Antrags nicht beteiligten Jugendamtes sei da- aus Art. 6 Abs. 2 GG kann nicht bereits deshalb vorliegen, gegen aber nicht erforderlich gewesen. weil eine einmal erteilte Zustimmung zu einer Urlaubsreise Letztlich scheitere die Vollstreckung auch am Fehlen des nach widerrufen wurde. Dass es für die Annahme eines schwer- § 89 Abs. 2 FamG erforderlichen Hinweises auf die Folgen wiegenden Grundrechtseingriffes nicht ausreicht, aufgrund einer Zuwiderhandlung gegen den Vergleich. einer gerichtlichen Entscheidung Schadenersatzansprüchen ausgesetzt zu sein, stellt das KG zu Recht in einem Satz fest. „„Praxishinweis In der Verhandlungssituation, wenn nach langen Erörterun- Schließlich muss eine Wiederholungsgefahr konkret zu er- gen endlich ein Umgangsvergleich geschlossen wurde, sollten warten sein, was sich bereits aus § 62 Abs. 2 Nr. 2 FamFG Anwälte tunlichst darauf achten, dass auch das Einvernehmen ergibt. Diese konkrete Erwartung bedarf daher 2013 wenn des Verfahrensbeistandes und, sofern beteiligt und nicht nur sie sich, wie im vorliegenden Fall, nicht aufdrängt – einer angehört, des Jugendamtes in das Sitzungsprotokoll aufgenom- dezidierten Begründung. men wird. Andernfalls droht – wie im vorliegenden Fall – die (bearbeitet von Daniel Terp, Richter am AG) Unmöglichkeit der Zwangsvollstreckung. Das Einvernehmen Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- des Verfahrensbeistandes dürfte im Regelfall nicht mehr zu er- Fundstelle: JurionRS 2017, 11281 halten sein, da der Vergleichsabschluss und die Vollstreckung oft zeitlich zu weit auseinanderliegen. Der Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung kann grund- Vollstreckung von Umgangsvergleichen sätzlich nachgeholt werden, sofern er im Billigungsbeschluss FamFG §§ 89 Abs. 2, 95 Abs. 1 Nr. 3 u. 4, 156 Abs. 2; ZPO nicht bereits enthalten ist (BVerfG, Beschl. v. 09.03.2011 – §§ 750, 795 Satz 1 ZPO 1 BvR 752/10, JurionRS 2011, 14072). Wird der Hinweis nicht bereits bei Vergleichsabschluss, sondern erst vor der Für die Vollstreckung eines Umgangsvergleichs ist dessen Festsetzung von Zwangsgeld erteilt, dürfte dies auf den Voll- Zustellung erforderlich, wofür auch die im Amtsbetrieb streckungsschuldner regelmäßig mehr Eindruck machen und überobligatorisch vorgenommene Zustellung genügt, da sie ihn zur (erneuten) Befolgung der Umgangsverpflichtung an- die erforderliche Möglichkeit zur Kenntnisnahme der zu voll- halten, da in der Situation bei Vergleichsabschluss ohnehin streckenden Verpflichtung gewährleistet. ein zeitweiliger Konsens zwischen den Beteiligten herrscht und die Vollstreckung des Vergleichs deshalb den Beteiligten Ohne ausdrückliches Einvernehmen sämtlicher Beteiligter, eher fernliegend erscheint. auch des Verfahrensbeistandes, ist ein gerichtlich gebilligter Umgangsvergleich nicht vollstreckbar. (bearbeitet von Andreas Herzog, LL.M. (Tilburg), Richter am AG) OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.10.2016 – 13 WF 226/16

„„Sachverhalt Kostenentscheidung bei verspäteter Die Beteiligten schlossen vor dem AG einen gerichtlich Auskunft gebilligten Umgangsvergleich, wobei der Verfahrensbei- ZPO § 93; FamFG §§ 83 Abs. 1 Satz 1, 243 Nr. 4 stand am Termin erkrankungsbedingt nicht teilnahm. Ein Einvernehmen des Verfahrensbeistandes zur geschlossenen 1. Das in § 243 Nr. 4 FamFG als schuldnergünstiger Er- Umgangsregelung wurde nicht erfragt oder unaufgefordert messensgesichtspunkt genannte sofortige Anerkennt- abgegeben. Gegen den Kindesvater wurde durch das AG nis liegt nur vor, wenn der Schuldner zur Einleitung des im Rahmen der von der Mutter betriebenen Vollstreckung Verfahrens keine Veranlassung gegeben hat. Reagiert ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, festgesetzt. der Unterhaltsschuldner auf Auskunftsverlangen nicht, Die Beschwerde des Kindesvaters führte zur Aufhebung des so gibt er Veranlassung zum Verfahrensantrag über den Zwangsmittelbeschlusses. vollen Unterhaltsbetrag.

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2. Die einseitige außergerichtliche Titulierung von Unter- haltsansprüchen während eines gerichtlichen Unter- Konkreter Bedarf beim Kindesunterhalt / haltsverfahrens ist ohne Hinzutreten besonderer Um- Kosten der Kinderfrau stände kostenrechtlich nicht als Vergleich zu bewerten. BGB §§ 426 Abs. 1 Satz 1, 1610 Abs. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.09.2016 – 13 WF 224/16 1. Kosten für eine private Kinderfrau begründen regelmäßig keinen Mehrbedarf des Kindes, sondern stellen berufs- „„Sachverhalt bedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils dar. Nachdem der Vater, der seinem Sohn in wechselnder Höhe 2. Haben die Eltern die Kinderfrau gemeinsam angestellt, Kindesunterhalt zahlte, vorgerichtliche Auskunftsverlangen kann demjenigen Elternteil, der die Kinderfrau bezahlt, von Oktober 2014 und Mai 2015 zur Berechnung des Kin- gegen den anderen Elternteil ein Anspruch auf Gesamt- desunterhaltsanspruchs unbeantwortet ließ, verfolgte dieser schuldnerausgleich zustehen, der sich i.d.R. unabhängig seine Unterhaltsansprüche im Wege eines am 12.06.2015 von der Relation der wechselseitigen Einkünfte der Eltern eingeleiteten Stufenverfahrens. Mit der Antragserwiderung auf den hälftigen Betrag der Aufwendungen beläuft. erkannte der Vater den Auskunftsanspruch an und mit meh- reren Schriftsätzen erteilte er in der Folgezeit teilweise Aus- OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.06.2016 – 1 UF 12/16 kunft. Nach Titulierung der Unterhaltsansprüche in einer Ju- gendamtsurkunde vom 29.03.2016 erklärten die Beteiligten „„Entscheidungsinhalt das Verfahren übereinstimmend für erledigt. Der Unterhaltsberechtigte, der einen den Höchstbedarf ge- Das AG hat die Kosten des Verfahrens gegeneinander auf- mäß Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Bedarf geltend gehoben. macht, muss besondere oder besonders kostenintensive Be- dürfnisse und die zu ihrer Deckung notwendigen Mittel dar- „„Entscheidungsinhalt legen. Übertriebene Anforderungen an seine Darlegungslast Die gegen die isolierte Kostenentscheidung nach streitlo- dürfen nicht gestellt werden, um zu verhindern, dass der ser Hauptsacheregelung gerichtete statthafte, und auch im Kindesunterhalt auch bei einem das Höchsteinkommen nach Übrigen zulässige (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG; 91a Abs. 2, Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Elterneinkommen fak- 567 ff. ZPO), sofortige Beschwerde hat Erfolg. tisch auf den Tabellenhöchstbedarf beschränkt wird. Hier wurde der Anwendungsbereich des § 243 Nr. 4 FamFG Zu differenzieren ist, welche Bedürfnisse des Kindes auf der zulasten des Antragstellers verkannt. Das als schuldner- Grundlage einer Lebensführung, die der besonders günstigen günstiger Ermessensgesichtspunkt genannte sofortige An- wirtschaftlichen Situation seiner Eltern entspricht, zu befriedi- erkenntnis liegt nur vor, wenn der Schuldner zur Einleitung gen sind und welche Wünsche des Kindes als bloße Teilhabe am des Verfahrens keine Veranlassung gegeben hat. Reagiert der Luxus nicht erfüllt werden müssen. In der Regel ist der Unterhalt Unterhaltsschuldner auf Auskunftsverlangen nicht, wie hier, auch bei Einkünften deutlich über dem Bereich der Düsseldorfer dann gibt er Veranlassung zum Verfahrensantrag über den Tabelle nur maßvoll anzuheben. Denn die Lebensstellung der vollen Unterhaltsbetrag. Kinder wird in erster Linie durch ihr Kindsein geprägt. Auch in besten Verhältnissen lebende Eltern schulden dem Kind nicht, Die der Erledigung zugrunde liegende Titulierung des was es wünscht, sondern was es nach seinem Lebensstandard Unterhalts erfolgte zudem einseitig und beruhte damit braucht. Die Unterhaltsbemessung darf weder einem gedeihli- auf keiner Einigung der Beteiligten. Es ist billig, die chen Eltern-Kind-Verhältnis entgegenwirken noch dazu führen, Kosten des Verfahrens dem Vater alleine aufzuerlegen die Lebensstellung des betreuenden Elternteils anzuheben. (§ 243 FamFG). Bei der Beschaffung werthaltiger Güter, wie z.B. eines Smart- phones, handelt es sich um Luxusaufwendungen, die im „„Praxishinweis Rahmen des Unterhalts nicht geschuldet sind. Die Entscheidung macht deutlich, dass es aus Kostengrün- den äußerst riskant sein kann, auf Auskunftsverlangen nicht Ein erhöhter Unterhaltsbedarf der Kinder lässt sich nicht auf zu reagieren. Für die Frage, innerhalb welchen Zeitrahmens einen trennungsbedingten Mehrbedarf stützen. Allenfalls die geforderte Auskunft zu erteilen ist, kommt es auf den können trennungsbedingte Mehrkosten als Abzugsposten Aufwand an, der erforderlich ist, die benötigten Informatio- beim Ehegattenunterhalt Berücksichtigung finden. nen zusammenzustellen. Bei Gehaltsempfängern geht dies Ein erhöhter Bedarf des Kindes kann sich insbesondere aus sehr schnell, bei Selbständigen ist ein längerer Zeitraum besonderen Betätigungen wie der Teilnahme an Musik- oder zuzubilligen. Verzögert sich die Auskunft, sollte der Aus- Reitunterricht ergeben (vgl. OLG Hamm FamRZ 2010, kunftsfordernde auch über die Gründe informiert werden, 2080 f.). Soweit keine besonderen Bedarfspositionen darge- um nicht den Verdacht einer Auskunftsverweigerung zu er- legt werden ist jedoch davon auszugehen, dass die Bedürfnisse wecken. des Kindes angemessen vom Höchstbedarf gemäß Düssel- (bearbeitet von Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht füh­ dorfer Tabelle abgedeckt werden. Dabei ist unerheblich, ob render Richter am AG a.D.) einzelne Betätigungen (z.B. das Tennisspiel) erst nach der Trennung aufgenommen worden sind, weil insoweit nicht Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- der Gesichtspunkt der das Zusammenleben prägenden Ver- Fundstelle: JurionRS 2016, 34953 hältnisse maßgeblich ist, sondern die Frage, ob die Betätigung

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dem Lebenszuschnitt der Familie angemessen ist, was hier aus gibt kein Regel-Ausnahme-Verhältnis, wie etwa in den Fami- den genannten Gründen zu bejahen ist. lienstreitsachen, welches sich z.B. nur nach dem Obsiegen und Unterliegen im Verfahren richtet. Hatte der Vater vor Einleitung Kosten für eine private Kinderfrau begründen regelmä- eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens – berechtigte – Zweifel an ßig keinen Mehrbedarf des Kindes, sondern stellen berufs- seiner Vaterschaft, so kann es, vorbehaltlich der weiteren Um- bedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils dar. stände des konkreten Einzelfalles, berechtigt sein, eine Kosten- Denn das Kind wird typischerweise primär nicht zu päda- verteilung zwischen den beteiligten Eltern vorzunehmen, bei der gogischen Zwecken in die Obhut einer Kinderfrau gegeben, sie anteilig für die Kosten des Verfahrens einzustehen haben. sondern um dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätig- keit zu ermöglichen. Der mittlerweile als Vater feststehende Antragsgegner hatte zwar nicht bestritten, mit der Mutter in der Empfängniszeit ge- „„Praxishinweis schlechtlich verkehrt zu haben; auch hatte die Mutter immer Das OLG Düsseldorf bejaht einen gesamtschuldnerischen angegeben, in dieser Zeit nur mit ihm geschlechtlich verkehrt zu Ausgleichsanspruch zwischen den Eltern bei einer privat von haben. Er durfte aber berechtigterweise Zweifel an seiner Vater- den Eltern gemeinsam angestellten Kinderfrau. Dieser beläuft schaft haben, da die Beziehung zur Mutter nach seinen unbestrit- sich in der Regel unabhängig von der Relation der wechsel- ten gebliebenen Angaben in der maßgeblichen Zeit keine durch- seitigen Einkünfte der Eltern auf den hälftigen Betrag der gängige war und zudem die Mutter kurz nach der Beendigung Aufwendungen. der Beziehung mit eben dem Mann eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist, den sie vor der gesetzlichen Empfängniszeit, d.h. Zum konkreten Bedarf beim Ehegattenunterhalt siehe (OLG Anfang des Jahres 2014, kennengelernt hatte. Diese Besonder- Köln, Beschl. v. 26.11.2015 – 4 UF 138/15, FuR 2017, 40 heit führt dazu, dass der Antragsgegner aus nachvollziehbaren und OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.09.2015 – 11 UF 100/15, Gründen die Vaterschaft nicht ohne weiteres, d.h. nicht ohne FuR 2016, 311). einen Vaterschaftstest, anerkennen wollte. Dafür, dass die Mutter sich ihrerseits nicht auf die Durchführung eines außergericht- (bearbeitet von Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht füh­ lichen Vaterschaftstests einlassen wollte, hat wiederum sie nach- render Richter am AG a.D.) vollziehbare Gründe angegeben, sodass im Ergebnis eine hälftige Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- Verteilung der Gerichtskosten und -auslagen zwischen den El- Fundstelle: JurionRS 2016, 27367 tern als angemessen erscheint, wobei nicht unberücksichtigt zu bleiben hat, dass die Vaterschaftsfeststellung letztlich auch im Interesse des gemeinsamen Sohnes erfolgt ist. Kostenverteilung im Vaterschaftsverfahren „„Praxishinweis FamFG § 81 Das OLG Frankfurt geht davon aus, dass die Ermessens- entscheidungen des Familiengerichts in vollem Umfang der Hatte der Vater vor Einleitung eines Vaterschaftsfeststel- Nachprüfung des Beschwerdegerichts unterliegen und be- lungsverfahrens berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft, zieht sich zur Begründung auf BGH FamRZ 2014, 744 und so kann eine hälftige Kostenverteilung zwischen den betei- BGH FamRB 2017, 7. ligten Eltern erfolgen. (bearbeitet von Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht füh­ OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.01.2017 – 1 WF 182/16 render Richter am AG a.D.) Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- „„Entscheidungsinhalt Fundstelle: JurionRS 2017, 10912 Gem. § 81 Abs. 1 FamFG entscheidet das Familiengericht über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen, wo- bei die Ermessensausübung in den Fällen des § 81 Abs. 2 FamFG eingeschränkt ist. Kindeswohlprüfung bei Umgangsrecht Als Beteiligte i.S.d. § 81 Abs. 1 FamFG kommen zunächst des leiblichen Vaters grundsätzlich alle Beteiligten (§ 7 FamFG) eines familien- BGB §§ 1696, 1686a gerichtlichen Verfahrens in Betracht, in Abstammungssachen gilt die besondere Vorschrift des § 172 FamFG, d.h. Beteilig- 1. Kindeswohldienlichkeit i.S.d. § 1686a BGB ist nicht te sind hier das Kind, die Mutter und der (mögliche) Vater. schon zu bejahen, wenn der Umgang mit dem leiblichen Dritte können gem. § 81 Abs. 4 FamFG nur ausnahmsweise Vater dem Kindeswohl nicht widerspricht. Die von dem herangezogen werden. Umgang mit dem biologischen Vater zu erwartenden Vorteile für das Kind müssen die zu erwartenden Nach- Das Familiengericht hat hier sein Ermessen dahingehend aus- teile vielmehr eindeutig überwiegen. Im Anwendungsbe- geübt, dass es dem Antragsgegner die Verfahrenskosten allein reich des § 1686a BGB muss berücksichtigt werden, dass auferlegt hat, da er aufgrund seiner vorgerichtlichen Weige- der Umgangswunsch des leiblichen Vaters zu Gefahren rung, die Vaterschaft anzuerkennen, Anlass zu dem Verfah- für das bisherige intakte familiäre Bezugssystem des Kin- ren gegeben habe. Dieser Ermessensausübung folgt das OLG des führen kann, was gegen die Kindeswohldienlichkeit nicht und legt die Kosten beiden Eltern hälftig auf. des Umgangs spricht. Bei der vorzunehmenden Ermessensentscheidung sind sämtliche 2. § 1686a BGB gibt keine Grundlage, Eltern zu zwingen, ihr Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen, d.h. es Kind über seine wirkliche Abstammung zu unterrichten.

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3. Das Auskunftsrecht gem. § 1686a Abs. 1 Nr. 2 steht in wohl nicht widerspricht. Die von dem Umgang mit dem bio- innerem Zusammenhang mit dem Umgangsrecht des logischen Vater zu erwartenden Vorteile für das Kind müssen biologischen Vaters und kann unter erheblich niedrige- die zu erwartenden Nachteile vielmehr eindeutig überwiegen. ren Voraussetzungen geltend gemacht werden. Es er- Es muss unter Berücksichtigung der konkreten familiären Be- streckt sich deshalb insbesondere auf Umstände, von gebenheiten geklärt werden, ob und gegebenenfalls inwieweit denen der Berechtigte bei Ausübung des Umgangs Umgangskontakte mit einem gewissermaßen zweiten, aus- Kenntnis erlangen würde. schließlich auf der biologischen Abstammung beruhenden Vater für das Kind eine seelische Belastung darstellen, ob das OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.07.2016 – 6 UF 98/16 Kind dadurch in einer dem Kindswohl abträglichen Weise verunsichert wird, inwieweit die Kindesmutter und der biolo- „„Sachverhalt gische Vater gegebenenfalls ihre Konflikte nach der Trennung Das betroffene Kind lebt seit seiner Geburt im Haushalt der begrenzen können und wie der Umgang im Interesse einer schon damals miteinander verheirateten Eltern. Der Antrag- gesunden Persönlichkeitsentwicklung und der Identitätsfin- steller ist – wie ein eingeholtes Abstammungsgutachten ergab – dung des Kindes zu bewerten ist. Die Frage der Kindeswohl- der leibliche Vater des Kindes. dienlichkeit ist je nach familiärer Situation, Stabilität und Der Antragsteller und die Kindesmutter waren beide kin- Belastbarkeit des Familienverbands, Beziehungskonstellation derlos verheiratet, als zwischen ihnen eine Beziehung ent- bzw. Konfliktniveau zwischen den betroffenen Erwachsenen, stand, die zur Schwangerschaft der Mutter führte. Nach Alter und Resilienz des Kindes, Grad der Bindung des Kindes Feststellung der Schwangerschaft setzte die Kindesmut- an seine rechtlich-sozialen Eltern, Dauer der Kenntnis von ter ihren Ehemann (im Folgenden: der Kindesvater) von der Existenz eines biologischen Vaters etc. unterschiedlich zu den Umständen in Kenntnis. Sie entschlossen sich, die beurteilen. Allein das Interesse des Kindes an einem offenen Ehe fortzusetzen, das Kind als ihr eigenes aufzuziehen Umgang mit den Realitäten begründet noch nicht die Fest- und informierten das Kind nicht über seine wirkliche stellung, der Umgang diene dem Kindeswohl. Abstammung. Die zur positiven Kindeswohlprüfung beim Umgangsrecht naher Verwandter und enger Bezugspersonen zu § 1685 Der Antragsteller begehrt, gestützt auf den im Hinblick auf BGB entwickelten Maßstäbe können für das Umgangsrecht zwei Entscheidungen des EGMR zum Umgangsrecht des des biologischen Vaters nicht übernommen werden, weil im leiblichen Vaters eingeführten § 1686a BGB, Umgang mit Anwendungsbereich des § 1685 BGB bereits eine sozial-fa- dem Kind und Informationen über das Kind. miliäre Beziehung der umgangssuchenden Person zum Kind Mit der angefochtenen Entscheidung hat das AG den An- besteht. Dies ist im Anwendungsbereich des § 1686a BGB trag auf Umgang zurückgewiesen und die Eltern verpflich- gerade nicht der Fall. Es muss berücksichtigt werden, dass der tet, den Antragsteller halbjährlich, u.a. durch Übermittlung Umgangswunsch des leiblichen Vaters zu Gefahren für das von Zeugniskopien und zwei aktuellen Fotos, über den bisherige, intakte familiäre Bezugssystem des Kindes führen Werdegang des Kindes zu informieren. Die Feststellung, kann, was gegen die Kindeswohldienlichkeit des Umgangs dass Umgang mit dem Antragsteller dem Wohl des Kindes spricht. Wenn das Hinzutreten des leiblichen Vaters geeignet diene, sei nicht möglich, weil es über seine Abstammung ist, das Kind in seinem Bedürfnis nach Bindungssicherheit nicht aufgeklärt sei. § 1686a BGB gebe keine Grundlage, und Geborgenheit zu beeinträchtigen, wenn es Verlustängste Eltern zu zwingen, ihr Kind über seine wirkliche Abstam- in Bezug auf seine rechtlich-sozialen Eltern auslösen kann, mung zu unterrichten. dient der Umgang dem Kindeswohl nicht. Der Antragsteller und die Eltern haben gegen diese Entschei- In der Zusammenschau aller Umstände konnte der Senat dung form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Beide Be- nicht feststellen, dass die Vorteile von Umgangskontakten schwerden blieben erfolglos. die Nachteile eindeutig überwiegen: Ausgehend davon, dass das Wohl des betroffenen Kindes ausschlaggebendes Krite- „„Entscheidungsinhalt rium für die Entscheidung ist, müssen Gesichtspunkte des Das OLG Frankfurt hat sich mit den Voraussetzungen des Verschuldens auf der anderen Seite außer Acht gelassen, aber § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB beschäftigt und festgestellt, dass auch solche denkbaren nachteiligen Umstände berücksichtigt das AG dem Antragsteller zu Recht keinen Umgang mit dem werden, die die Eltern durch die Entscheidung verursacht Kind ermöglicht hat. haben, die wirkliche Abstammung vor dem Kind geheim zu halten, und so den besten Zeitpunkt für eine Information, Nach § 1686a BGB kann ein biologischer Vater, wenn die nämlich die frühe Kindheit, verstreichen zu lassen. rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes gem. § 1592 Nr. 1 BGB wegen der Ehe mit der Mutter besteht, ein Recht auf Um- Eine jetzt auf gerichtlichen Druck herbeigeführte Offen- gang geltend machen, wenn er ein ernsthaftes Interesse an dem barung wäre – ebenso wie eine eigenmächtige Offenbarung Kind gezeigt hat und der Umgang dem Kindeswohl dient. durch den Antragsteller – geeignet, das Vertrauensverhältnis des Kindes zu seinen Eltern nachhaltig zu erschüttern. Die Wie der Senat ausführt, genügt es, dass im zeitlichen Zusam- Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Kind damit menhang mit Schwangerschaft und Geburt ein Interesse an in der Bindungssicherheit beeinträchtigt würde, auf die es in dem Kind zum Ausdruck gebracht wird, während die Voraus- dem in schon absehbarer Zeit beginnenden pubertären Ab- setzung der Kindeswohldienlichkeit mit besonderer Sorgfalt lösungsprozess angewiesen ist. In seinem jetzigen Alter ist bei zu beurteilen ist. Kindeswohldienlichkeit i.S.d. § 1686a BGB dem Kind eine gewisse Kenntnis der menschlichen Sexualität ist nicht schon zu bejahen, wenn der Umgang dem Kindes- vorauszusetzen, nicht aber verständnisvolles Einfühlungsver-

400 FuR 7 · 2017 Familienrecht Rechtsprechung

mögen in die partnerschaftlichen Verstrickungen der Erwach- zu informieren. Wie das OLG Frankfurt zu Recht anmahnt, senenwelt. Erführe das Kind heute, dass es Frucht einer außer- sollte der leibliche Vater jedoch vertraulich mit den erhaltenen ehelichen Beziehung der Mutter ist, könnte dadurch der für Fotos umgehen, um der zufälligen, für das Kind folgenschwe- einen erzieherischen Einfluss notwendige Respekt beschädigt ren Aufdeckung der Abstammung entgegen zu wirken. werden. Das gilt vor allem für das Jugendalter, in dem Kinder (bearbeitet von Dr. Eva-Maria Henke, LL.M. (Stellenbosch, Süd­ in moralischen Dingen bisweilen zu rigorosen Urteilen neigen. afrika), Richterin am AG)

Die Kindseltern wurden laut OLG Frankfurt demgegenüber Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- zu Recht verpflichtet, den Antragsteller über die persönlichen Fundstelle: JurionRS 2016, 31681 Verhältnisse des Kindes zu informieren. Das Auskunftsrecht steht dem Antragsteller ungeachtet des Verhältnisses zwischen ihm und den Eltern gem. § 1686a Abs. 1 Nr. 2 BGB zu, weil er als biologischer Vater ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung hat und dem Gründe des Kindeswohls nicht Verfahrenswert im unterhaltsrechtlichen entgegenstehen. Das Auskunftsrecht steht im innerem Zu- Stufenverfahren sammenhang mit dem Umgangsrecht des biologischen Vaters und kann unter erheblich niedrigeren Voraussetzungen gel- FamGKG §§ 35, 38; FamFG § 113 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 254 tend gemacht werden. Es erstreckt sich deshalb insbesondere Der Verfahrenswert eines in der Auskunftsstufe »stecken- auf Umstände, von denen der Berechtigte bei Ausübung des gebliebenen« unbezifferten Leistungsantrags im unterhalts- Umgangs Kenntnis erlangen würde. Daher bestehen keine rechtlichen Stufenverfahren (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, Bedenken, dem nur auskunfts- nicht aber umgangsberech- 254 ZPO) übersteigt nicht den Wert des Auskunftsbegehrens. tigten Vater auch Fotos des Kindes zuzugestehen. OLG Jena, Beschl. v. 13.01.2017 – 4 WF 702/16 „„Praxishinweis § 1686a BGB wurde nach Beanstandung des EGMR „„Entscheidungsinhalt (EGMR FamRZ 2011, 269 und 1715), dass das deutsche Der bloße Umstand, dass ein unbezifferter Leistungsantrag Recht dem biologischen Vater bei Bestehen der Vaterschaft rechtshängig geworden ist und gem. § 38 FamGKG den eines anderen Mannes ein Umgangsrecht ohne Prüfung der Gegenstandswert des Verfahrens mitbestimmt, besagt noch Kindeswohldienlichkeit des Umgangs verweigerte, weil der nichts darüber, welcher Wert ihm trotz einer im weiteren familiären Beziehung zwischen dem Kind und den rechtli- Verfahrensverlauf ausgebliebenen Bezifferung zuzumessen chen Eltern immer der Vorrang gegenüber der Beziehung zu ist. Die allgemeine Regel des § 35 FamGKG, wonach sich dem biologischen Vater eingeräumt wurde, geschaffen. Ein der Verfahrenswert nach dem Betrag einer bezifferten Zah- allgemeiner Grundsatz, dass der Kontakt zum biologischen lungsforderung richtet, ist in der gegebenen Konstellation Vater dem Kindeswohl in der Regel dient, ist den Entschei- schon vom Wortlaut nicht anwendbar, weil es an einer Be- dungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zifferung gerade mangelt. Auch sonstige Wertvorschriften jedoch nicht zu entnehmen. helfen nicht weiter. Soweit Umgangskontakte des leiblichen Vaters vor Einfüh- § 38 FamGKG bestimmt, dass Stufenanträge nicht zusam- rung des § 1686a BGB bereits gerichtlich zurückgewiesen mengerechnet werden, sondern nur der höhere der Ansprü- wurden, stellt die Einführung der positiven Kindeswohl- che maßgebend sein soll, ohne jedoch Aufschluss über die prüfung einen triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig be- Wertermittlung der Höhe der Einzelgegenstände zu geben. rührenden Grund für einen Abänderungsantrag gem. § 1696 Genau genommen geht es danach um die Abwägung, ob Abs. 1 BGB dar. der Leistungsantrag bereits – fiktiv – wie ein bezifferter zu behandeln ist oder ob während der Auskunftsstufe sein Wert Da jedoch für die Frage der Kindeswohldienlichkeit andere den des Auskunftsbegehrens nicht übersteigt. Letzteres ist Maßstäbe gelten als i.R.d. § 1685 BGB, kann das Umgangs- der Fall. Hierfür sprechen nicht nur Sinn und Zweck des recht des leiblichen Vater faktisch leer laufen, wenn die Ehe- Stufenverfahrens nach § 254 ZPO, sondern auch der Rück- gatten das Kind als gemeinsames eheliches Kind aufziehen griff auf allgemeine Kriterien der Streitwertfestsetzung. und es nicht über seine wahre Herkunft informiert haben. Für die positive Kindeswohlprüfung spielen Verschuldens- Der Antragsteller darf ohne Kostenrisiko das seinen Unter- beiträge – wie eine unterlassene Information des Kindes im haltsanspruch sachlich präjudizierende Auskunftsbegehren Kleinkindalter – richtigerweise keine Rolle. Zum Schutz des mit einem vorerst – bei vorübergehendem Aufschub der Be- Kindes kann der leibliche Vater die Kindseltern daher auch stimmtheitsmaxime des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO – unbezif- nicht unter Berufung auf § 1686a BGB zu einer Offenbarung ferten Leistungsanspruch nach Art einer objektiven Antrags- der Herkunft des Kindes zwingen. Damit wird der Weg zu häufung (§ 260 ZPO) verbinden. Beide Ansprüche werden Umgangskontakten regelmäßig versperrt sein. rechtshängig mit der Folge, dass die verjährungshemmende Wirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch hinsichtlich des Dem leiblichen Vater steht aber sozusagen als »Minus« ein In- unbestimmten Zahlungsanspruchs eintritt. formationsrecht aus § 1686a Abs. 1 Nr. 2 BGB zu. Die Eltern können der Auskunftsverpflichtung nachkommen, ohne be- Der Schutzzweck des § 254 ZPO, den Gläubiger durch eine fürchten zu müssen, dass das Kind davon erfährt. Damit kann (zunächst) unbezifferte Antragstellung zu entlasten, wird aber der leibliche Vater Informationen und auch Fotos des Kindes verfehlt, wenn er kostenrechtlich so behandelt wird, als habe verlangen, um sich über die Entwicklung seines Abkömmlings er eine bezifferte Geldforderung geltend gemacht, die als der

FuR 7 · 2017 401 Rechtsprechung Familienrecht

gegenüber dem Auskunftsanspruch höherwertige Anspruch vollstreckung ein. Der Antragsteller hat erstinstanzlich die gem. § 38 FamGKG den Verfahrenswert bestimmt. Einstellung der Zwangsvollstreckung sowie die Herausgabe des Titels beantragt. Die titulierten Ansprüche seien verwirkt, Dieses Ergebnis erscheint nach dem Verständnis des Senats auch da über sieben Jahre keine Vollstreckungsmaßnahmen ergrif- im Hinblick auf allgemeine Wertungen der Verfahrens- bzw. fen wurden seien. Streitwertfestsetzung angemessen. Der Grund, weshalb ein Auskunftsanspruch im Grundsatz niedriger als ein Leistungs- Entscheidungsinhalt anspruch bewertet wird, liegt darin, dass er gegenüber dem „„ einem Leistungsantrag zugrunde liegenden – unmittelbaren – Das OLG hat die Verwirkung des Unterhalts verneint. Der Vollstreckungsinteresse (Erlangung eines Vollstreckungstitels) Gesetzgeber hat in § 197 BGB deutlich zum Ausdruck ge- nachrangig erscheint. Bloße Auskunfts-, Rechnungslegungs- bracht, in welchen zeitlichen Grenzen ein Schuldner grund- oder Feststellungsansprüche haben, bezogen auf das eigentliche sätzlich mit der Vollstreckung titulierter Forderungen rech- Kerninteresse an der Rechtsdurchsetzung (Vollstreckung), allen- nen muss. Der Gläubiger hat mit dem Betreiben des zum falls vorbereitenden oder unterstützenden Charakter. Titel führenden Verfahrens bereits hinreichend seinen Willen bekundet, die Forderung durchsetzen zu wollen. Innerhalb der in § 197 BGB festgelegten Zeiträume steht es grund- „„Praxishinweis sätzlich zur Disposition des Gläubigers, wann er eine Voll- Die heute ganz überwiegende Auffassung geht dagegen dahin, streckung durchführt. Um sich erfolgreich auf Verwirkung dass bereits für das Stadium der Auskunftsstufe der höhere berufen zu können, muss der Schuldner Umstände darlegen, Wert des Leistungsanspruchs maßgebend sei. Dies wird im nach denen der Gläubiger zu erkennen gegeben hat, er wer- Wesentlichen darauf gestützt, dass mit Zustellung der An- de künftig nicht aus dem Titel vollstrecken; zudem muss er tragsschrift nicht nur der Auskunfts-, sondern auch der Zah- auch darlegen, dass und inwieweit er tatsächlich darauf hat lungsantrag rechtshängig werde und somit den Verfahrenswert vertrauen können. (mit)konstituiere (vgl. OLG Jena, Beschl. v. 27.01.2014 – 3 WF 731/13, Rn. 3; OLG Schleswig, Beschl. v. 08.08.2013 – Das OLG Köln schließt sich der Entscheidung des BGH, 15 WF 269/13 Rn. 7, FamRZ 2014, 689; OLG Hamm, Urt. v. 09.10.2013 – XII ZR 59/12, MDR 2014, 51 = Beschl. v. 14.03.2013 – 6 WF 329/12 Rn. 12 f., FuR 2014, JurionRS 2013, 49051 an und verlangt, dass über das reine 185 = FamRZ 2014, 1224 f.). Erledigt sich ein Stufenverfah- Zeitmoment hinaus weitere, auf dem Verhalten des Berech- ren vor Übergang in die Bezifferung des Leistungsanspruchs, tigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen so ist der Verfahrenswert regelmäßig nur mit einem Bruchteil des Verpflichteten rechtfertigen, er werde seinen Anspruch des Wertes des Leistungsanspruches zu bemessen. nicht mehr geltend machen. Das bloße Nichtstun begrün- det kein solches Vertrauen. Vielmehr sei bei natürlicher (bearbeitet von Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht füh­ Betrachtungsweise davon auszugehen, dass ein Gläubiger, render Richter am AG a.D.) dem bereits die eidesstattliche Versicherung des Schuldners Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- vorliegt, von weiteren Vollstreckungsversuchen schon aus Fundstelle: JurionRS 2017, 10057 wirtschaftlichen Gründen absieht, solange er nicht damit zu rechnen braucht, der Schuldner sei wieder leistungsfähig geworden.

Strenge Anforderungen an die Verwirkung „„Praxishinweis von titulierten Unterhaltsrückständen Zur Verwirkung von Unterhaltsrückständen siehe Viefhues FuR 2017, 2 ff., zur Verwirkung des laufenden Unterhalts BGB §§ 197, 242 siehe Viefhues FuR 2017, 166 ff. und 236 ff. Für die Verwirkung eines titulierten Unterhaltsanspruchs (bearbeitet von Dr. Wolfram Viefhues, weiterer Aufsicht füh­ müssen über das reine Zeitmoment hinaus weitere, auf render Richter am AG a.D.) dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hin- zutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Das bloße Nichtstun begründet kein solches Ver- Isolierter Antrag zum Zugewinnausgleich trauen. während des Scheidungsverfahrens

OLG Köln, Beschl. v. 08.11.2016 – 26 UF 107/16 FamFG § 137 Abs. 2 Ein Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich gem. § 1385 „„Sachverhalt BGB kann neben dem Scheidungsverfahren isoliert erhoben Aus einem Titel vom 07.01.2008 betrieb die Antragsgegnerin werden. Ansonsten ist ein isolierter Antrag auf Zugewinn- im Jahre 2008 die Zwangsvollstreckung. Der Antragsteller ausgleich während des noch nicht abgeschlossenen Schei- gab am 26.11.2008 die eidesstattliche Versicherung ab. Im dungsverfahrens unzulässig. Jahr 2015 trat die Antragsgegnerin erneut an ihn heran, be- gehrte Zahlung aus dem Titel und leitete erneut die Zwangs- OLG München, Beschl. v. 09.02.2017 – 12 WF 66/17

402 FuR 7 · 2017 Erbrecht Rechtsprechung

„„Sachverhalt Erbrecht Die Beteiligten leiteten im Jahr 2015 ein Scheidungsver- fahren ein. Noch während des laufenden Scheidungsverfah- FamFG / Rechtsbeschwerde / Staatskasse / rens machte der Antragsteller im Wege des Stufenantrags in einem gesonderten Verfahren Zugewinnausgleichsansprüche Frist geltend und beantragte, ihm hierfür VKH zu bewilligen. Der FamFG §§ 59, 63 Abs. 3 Satz 2, 70 Abs. 1, 74 Abs. 3 Satz 1, VKH-Antrag wurde abgelehnt, wogegen sich die Beschwerde 304 Abs. 2; BGB §§ 133, 2084, 2211, 2214, 2116 Abs. 2; des Antragstellers richtet. VBVG § 5 Abs. 2 a) Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt für „„Entscheidungsinhalt die Staatskasse in analoger Anwendung des § 304 Abs. 2 Das OLG hat entschieden, dass der Stufenantrag von An- FamFG drei Monate. Sie beginnt mit der – auch formlos fang an unzulässig war. Zwar sei es grundsätzlich möglich, möglichen – Bekanntgabe der Beschwerdeentscheidung; Zugewinnausgleichsansprüche auch außerhalb des Schei- § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG findet keine Anwendung. dungsverfahrens geltend zu machen, und zwar in zwei Fäl- b) Ob die durch ein Behindertentestament für den Betrof- len: Entweder es liegt ein Fall des vorzeitigen Zugewinnaus- fenen angeordnete (Vor-)Erbschaft bei gleichzeitiger gleichs gem. § 1385 BGB vor, wozu vorliegend aber nichts Anordnung der Testamentsvollstreckung zur Mittel- vorgetragen wurde, oder das Scheidungsverfahren ist bereits losigkeit des Betroffenen führt, ist durch Auslegung beendet und der Anspruch wird innerhalb der gesetzlichen der an den Testamentsvollstrecker adressierten Ver- Verjährungsfrist des § 195 BGB geltend gemacht. Während waltungsanordnungen zu ermitteln (im Anschluss an des Scheidungsverfahrens dagegen handele es sich beim Zu- Senatsbeschl. v. 27.03.2013 – XII ZB 679/11,FamRZ gewinn immer um eine Folgesache gem. § 137 Abs. 1 Nr. 4 2013, 874). FamFG. Der Verbund tritt von selbst ein, ohne dass es dies- bezüglich eines Antrags oder eines Beschlusses des Gerichts BGH, Beschl. v. 01.02.2017 – XII ZB 299/15 – LG Oldenburg bedarf (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 37 Aufl., Rn. 4 zu § 137 FamFG). Auch eine reiche Partei habe es somit nicht in der Hand, parallel zum Scheidungsverfahren ein Zugewinn- „„Sachverhalt verfahren zu führen, wenn nicht die Ausnahmeregelung des Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betreuerin) wurde für § 1385 BGB eingreift. Deshalb sei die Beschwerde zurück- die an einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Schi- zuweisen. zophrenie leidende und seit vielen Jahren unter Betreuung stehende Betroffene als Vereinsbetreuerin bestellt. Die Be- troffene ist gemeinsam mit ihren drei Schwestern Erbin nach „„Praxishinweis ihrer Mutter. Diese hatte in ihrem Testament angeordnet, dass Zunächst besteht in der Tat ein Wahlrecht, ob ein Zuge- die Betroffene hinsichtlich ihres Erbteils Vorerbin und die winnausgleichsanspruch im Verbund geltend gemacht wird Schwestern insoweit Nacherbinnen sein sollen. Ferner hatte oder isoliert. Daran ändert auch die Notwendigkeit von die Mutter, im Hinblick auf die psychische Erkrankung der VKH nichts (ausführlich entschieden von BGH FamRZ Betroffenen, Testamentsvollstreckung auf deren Lebenszeit 2005, 786). angeordnet und den Testamentsvollstrecker angewiesen, der Die Gründe für eine isolierte Geltendmachung einer Folge- Betroffenen aus dem Erbteil die Mittel für ein möglichst wür- sache sind vielfältig; ein Motiv betreffend das Zugewinnaus- devolles und angemessenes Leben zur Verfügung zu stellen. Im gleichsverfahrens ist, dass der Anspruch auf Verfahrens- sowie Einzelnen hat sie »Taschengeld in angemessener Höhe, Zuwen- Verzugszinsen erst mit Beendigung des gesetzlichen Güter- dungen für Kleidung und persönliche Anschaffungen, Mittel zur stands nach § 1378 Abs. 1 BGB entsteht und deshalb bei Ausübung eines Hobbys, ggf. Freizeiten- und Urlaubsaufenthalte, einer Geltendmachung im Verbund eine erhebliche Verzö- Aufwendungen für ärztliche Behandlungen, die von der Kran- gerung der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs entstehen kenkasse nicht vollständig gezahlt werden, wie z.B. Brille oder kann, die zu einem Zinsverlust führt. Zahnersatz u.ä.« als aus dem Erbteil zu finanzieren benannt. Im November 2013 betrug das im Wesentlichen aus diesem Allerdings ist die isolierte Antragserhebung erst möglich, Erbteil bestehende Vermögen der Betroffenen rund 50.000 €. wenn das Scheidungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Vor Rechtskraft der Scheidung ist der Ausgleichsanspruch Das AG hat für die Zeit vom 26.10.2013 bis zum 25.04.2014 nämlich noch nicht entstanden (vgl. Palandt/Brudermüller, die Vergütung der Betreuerin auf jeweils 330 € festgesetzt, § 1378 Rn. 3). Nur im Verbund kann der Antrag als Fol- angeordnet, dass diese Vergütung aus dem Vermögen der Be- gesache während des noch laufenden Scheidungsverfahrens troffenen zu zahlen ist, und die Beschwerde zugelassen. Auf gestellt werden. Ein Sonderproblem ist es, wenn bei einem die von der Betreuerin eingelegte Beschwerde hat das LG die Verbundantrag die nach § 137 Abs. 2 FamFG geltende Zwei- angefochtenen Beschlüsse insoweit aufgehoben, als dort an- wochenfrist nicht eingehalten wird; hier wird die Auffassung geordnet wurde, dass die Vergütung aus dem Vermögen der vertreten, dass dann das Verfahren isoliert zu führen ist, ins- Betroffenen zu zahlen ist. besondere auch weil es in diesen Fällen zeitnah zur Schei- dung kommen wird (so FA-FamR/Seiler, Kap. 1 Rn. 425). Die Betroffene sei vermögenslos, weil das Testament der Teilweise wird aber auch (konsequent) angenommen, dass ein Mutter der Betroffenen dahingehend auszulegen sei, dass die solcher Antrag als unzulässig abzuweisen ist. Erblasserin Vergütungsansprüche eines Betreuers ausschlie- ßen wollte. Die Mutter habe ihr Interesse zum Ausdruck (bearbeitet von Dr. Franz-Thomas Roßmann, Rechtsanwalt, gebracht, der Betroffenen zusätzliche Vorteile und Annehm- Fachanwalt für Familienrecht) lichkeiten über die staatlichen Leistungen hinaus zukommen

FuR 7 · 2017 403 Rechtsprechung Erbrecht

zu lassen, und durch die Nacherbschaft zu erkennen gegeben, Die Rechtsbeschwerde war aber nur teilweise begründet. dass auch nach dem Tod der Betroffenen die Sozialhilfeträger Die Auslegung des LG, dass die Mutter der Betroffenen in keinen Zugriff auf das Vermögen haben sollen. Aus den im ihrem Testament die Zahlung der Betreuervergütung aus Testament beispielhaft benannten Zwecken, für die Gelder dem Erbteil nicht anordnen wollte, sei aus Rechtsgründen entnommen werden dürfen, ergebe sich, dass die Erblasserin nicht zu beanstanden. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, nicht die Grundversorgung sicherstellen wollte, sondern per- dass die Betreuung eine über staatliche Sozialleistungen hi- sönliche Vergünstigungen vorgesehen habe. Die Betreuung nausgehende Vergünstigung und daher nach dem Willen sei aber eher als Grundversorgung anzusehen. der Erblasserin aus dem Erbe zu finanzieren sei, ergebe sich eine solche Verwaltungsanordnung nicht zwingend aus dem Der landgerichtliche Beschluss wurde der Staatskasse am Testament. Für die Auffassung des LG spreche im Übrigen, 01.06.2015 formlos übersandt. Gegen diesen Beschluss dass die Einrichtung der Betreuung, bei Vorliegen der gesetz- wendet sich die Staatskasse mit ihrer zugelassenen und am lichen Voraussetzungen, eine staatliche Pflicht im Rahmen 06.06.2015 beim BGH eingegangenen Rechtsbeschwerde. des Erwachsenenschutzes sei. Diese Pflicht bestehe gegenüber jedermann, unabhängig von dessen Vermögensverhältnissen, „„Entscheidungsinhalt und stelle somit keine besondere Vergünstigung für die Be- Die Rechtsbeschwerde hatte nach Ansicht des BGH nur hin- troffene, sondern eher deren Grundversorgung dar. Das LG sichtlich der Höhe der Betreuervergütung Erfolg. Die Rechts- habe insoweit alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt beschwerde sei fristgerecht eingelegt worden. Der Lauf der und sein Ergebnis nachvollziehbar begründet. Rechtsbeschwerdefrist ergebe sich für die Staatskasse aus einer analogen Anwendung des § 304 Abs. 2 FamFG. Abweichend Nach der gefestigten Rspr. des BGH zum sogenannten Be- von der allgemeinen Beschwerdefrist nach § 63 FamFG be- hindertentestament seien Verfügungen von Todes wegen, trage die Frist zur Einlegung der Beschwerde durch den Ver- in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassver- treter der Staatskasse mithin drei Monate und beginne mit teilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und der formlosen Mitteilung (§ 15 Abs. 3 FamFG) an ihn. Nacherbschaft sowie einer (mit konkreten Verwaltungsan- weisungen versehenen) Dauertestamentsvollstreckung so ge- § 304 Abs. 2 FamFG regelt eine besondere Frist für die Ein- stalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassver- legung der Beschwerde durch die Staatskasse. Die Vorschriften mögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht über die Rechtsbeschwerde würden zwar nicht auf § 304 Abs. 2 zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern FamFG verweisen, diese Regelung gelte jedoch für das Rechts- vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für beschwerdeverfahren entsprechend (BeckOK FamFG/Günter, das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus (BGH § 304 Rn. 8; Guckes, in: Fröschle, Praxiskommentar Betreu- FamRZ 2013, 874 Rn. 20; BGHZ 188, 96 = FamRZ 2011, ungs- und Unterbringungsverfahren, § 304 FamFG Rn. 2 und 472 Rn. 12 m.w.N.). Die angeordnete Testamentsvollstre- § 74 FamFG Rn. 11; Prütting/Helms/Fröschle, FamFG, § 304 ckung schränke die Verfügungsbefugnis des Betroffenen je- Rn. 20). Die für die entsprechende Anwendung erforderliche doch gem. § 2211 BGB ein. Demgemäß könnten sich die Regelungslücke liege vor, da weder aus dem Gesetz noch aus Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern den Gesetzgebungsmaterialien Anhaltspunkte dafür ersicht- gehören, nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstre- lich seien, dass der Gesetzgeber in den Vorschriften über die ckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten, § 2214 Rechtsbeschwerde bewusst von einem Verweis auf § 304 Abs. 2 BGB (BGH FamRZ 2013, 874 Rn. 21). FamFG abgesehen hat. Es bestehe auch ein vergleichbarer Be- darf, die Rechtsbeschwerdefrist für die Staatskasse, wie die Be- Nach Ansicht des BGH sei jedoch die Vergütung in der Höhe schwerdefrist, besonders zu regeln. Dies ergebe sich schon aus falsch festgesetzt worden. Da die Betroffene für die Vergü- dem Zweck der Vorschrift, wonach die Regelung ermöglichen tung nicht auf ihren Erbteil habe zugreifen können und nach soll, dass die Bezirksrevisoren ihre bisherige Praxis, in regel- den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LG im mäßigen Abständen Revisionen vorzunehmen, beibehalten Übrigen mittellos ist, seien für die Betreuervergütung nach können (BT-Drucks. 16/6308, S. 272; Jürgens/Kretz, Betreu- § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VBVG im vorliegenden Fall monat- ungsrecht, § 304 FamFG Rn. 4; Keidel/Budde, FamFG § 304 lich zwei Stunden in Ansatz zu bringen. In Verbindung mit Rn. 6; Bienwald/Sonnenfeld/Harm/Bienwald, Betreuungs- dem von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Stunden- recht, § 304 FamFG Rn. 5; Guckes, in: Fröschle, Praxiskom- satz i.H.v. 44 € ergebe sich daher eine Vergütung von jeweils mentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, 3. Aufl., 264 € für die beiden, jeweils dreimonatigen Zeiträume. § 304 FamFG Rn. 10). Diese regelmäßigen Revisionen be- inhalte auch die Prüfung, ob Beschwerdeentscheidungen er- „„Praxishinweis gangen sind, die der Staatskasse nicht mitgeteilt worden sind. Der BGH hatte sich vorliegend mit Problemen der Zulässig- Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift folge zudem, dass keit und Begründetheit eines betreuungsrechtlichen Falls zu die Fünfmonatsfrist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG daneben befassen. nicht zum Tragen kommt (Prütting/Helms/Fröschle, FamFG Er bestätigt die in der Literatur vorherrschende Ansicht, dass § 304 Rn. 18; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308, S. 272), wobei für Rechtsbeschwerden der Staatskasse § 304 Abs. 2 FamFG dahinstehen könne, ob § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG im Rechts- entsprechend anzuwenden ist und die dreimonatige Frist mit beschwerdeverfahren überhaupt Anwendung findet (vgl. der auch formlos möglichen Bekanntgabe der Entscheidung BGH FamRZ 2012, 1049 Rn. 13 m.w.N.). Demnach habe zu laufen beginnt. die Rechtsbeschwerde der Staatskasse die Rechtsbeschwer- defrist gewahrt, denn die Beschwerdeentscheidung sei der Mit seinen Ausführungen zum Behindertentestament und Staatskasse erst am 01.06.2015 zugegangen. der damit ggf. verbundenen Mittellosigkeit des Betroffenen,

404 FuR 7 · 2017 Erbrecht Rechtsprechung

bestätigt er seine bisherige Rechtsprechung. In der Praxis ist „„Entscheidungsinhalt ein besonderes Augenmerk auf die Formulierung der Anwei- Das OLG Düsseldorf erachtete die Beschwerde als zulässig sungen an den Testamentsvollstrecker zu legen, um die ge- und begründet und hob die Entscheidung des AG auf. Das wünschte rechtlichen Wirkung zu erreichen. AG habe den Erbscheinsantrag zu Unrecht abgelehnt. Der 1999 im notariellen Vertrag enthaltene Erbverzicht stehe der (bearbeitet von Prof. Dr. Wolfgang Burandt, Rechtsanwalt, Erteilung des Erbscheins nicht entgegen. Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Erbrecht) Die Eheleute hätten in der Vormerkung des notariellen Ver- trags ausdrücklich die Motivation für die nachfolgenden Re- Ehevertrag / Erbverzicht / Bedingung gelungen festgehalten und bestimmt, dass sie »sowohl für die BGB § 157; FamFG § 58 Zeit, in der wir in Zukunft getrennt leben sollten, als auch den Fall der Ehescheidung« regeln. Verzichten Eheleute in einem während einer Ehekrise ge- schlossenen notariellen Ehevertrag mit Blick auf ihre dem- Die nachfolgenden Vereinbarungen würden also nur für den nächst aufzulösende häusliche Gemeinschaft und eine et- Fall einer tatsächlichen (endgültigen) Trennung geschlossen, waige Scheidung auf ihre »gesetzlichen Erb- und Pflichtteils- wie sich aus der Formulierung »getrennt leben sollten« ergebe. rechte am dereinstigen Nachlass« des Erstversterbenden und Dies gelte auch für den bei dieser Gelegenheit in derselben bestimmen sie, dass die getroffenen Vereinbarungen mit Urkunde erklärten Erbverzicht, der sich nur auf die damals dieser Maßgabe sowohl die Zeit in der sie in Zukunft »ge- bestehende Ehe beziehen habe können und nicht greife, wenn trennt leben sollten«, als auch den Fall der Ehescheidung re- sich die Eheleute erst scheiden lassen und dann erneut heira- geln, so greift der in der Urkunde erklärte Erbverzicht nicht, ten. Durch die im Dezember 2009 geschlossene (zweite) Ehe wenn sich die Eheleute erst scheiden lassen und sodann er- mit der Beteiligten zu 1) würden die Erbansprüche der Be- neut heiraten. teiligten zu 1) erstmals (wieder) begründet. Hierin unterscheide sich der vorliegende Fall wesentlich von OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.02.2017 – 3 Wx 16/17 der in dem angefochtenen Beschluss zitierten Entscheidung des BGH (NJW 1999, 789), in dem es um den Erbverzicht „„Sachverhalt des Sohnes gegenüber seiner Mutter ging. Daher wurde der Die Beteiligte zu 1) ist die Witwe des Erblassers, die Beteiligte angefochtene Beschluss aufgehoben. zu 2) ist eine seiner beiden Töchter. Der Erblasser heiratete die Beteiligte zu 1) erstmals im Jahr 1974. „„Praxishinweis Als es zwischen den Eheleuten kriselte, schlossen diese 1999 Ist die Trennung der Ehegatten absehbar, so kann eine vor- einen Ehevertrag. In der Vorbemerkung zu diesem Vertrag herige gütliche Einigung und entsprechende Vereinbarung heißt es: oftmals eine Vielzahl von Problemen vermeiden helfen. »Wir werden unsere häusliche Lebensgemeinschaft demnächst Bei der Gestaltung derartiger Einigungen sollten jedoch alle auflösen und tragen uns mit dem Gedanken, uns scheiden zu Eventualitäten bedacht werden. Wie der vorliegende Fall lassen. zeigt, gehört hierzu insbesondere der Fall der erneuten Heirat bzw. Versöhnung. Im Hinblick auf eine etwaige Scheidung unserer Ehe treffen wir die folgenden Vereinbarungen. (…). Mit dieser Maßgabe Ist ein derartiger Fall nicht in der Vereinbarung geregelt, kann regeln die Vereinbarungen sowohl die Zeit, in der wir in Zu- eine Auslegung der Vereinbarung ergeben, dass die Anord- kunft getrennt leben sollten, als auch den Fall der Eheschei- nungen, die für den Fall der Trennung vorgesehen sind, gera- dung.« de nicht gelten, wenn es zu einer Versöhnung oder erneuten Heirat kommt. In jedem Fall ist jedoch eine ausdrückliche Unter Abschnitt B verzichteten die Eheleute auf ihre »gesetz- Regelung anzustreben. lichen Erb- und Pflichtteilsrechte am dereinstigen Nachlass« des Erstversterbenden. (bearbeitet von Prof. Dr. Wolfgang Burandt, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Erbrecht) Die Eheleute ließen sich scheiden und heirateten im Jahr 2009 erneut. Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- Fundstelle: JurionRS 2017, 12001 Die Beteiligten zu 1) und 2) haben auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge einen Erbschein beantragt. Sie haben geltend gemacht, der Erb- und Pflichtteilsverzicht habe auf Ersatzerbfolge / Wegfall des Schlusserben / Grund der erneuten Eheschließung keine Bedeutung mehr. Ermittlung des gemeinsamen Willens Die andere Tochter des Erblassers hat der Erteilung des be- antragten Erbscheins zugestimmt. BGB §§ 2069, 2270 Abs. 1 u. 2, 2271 Abs. 1 Satz 2, 2289 Abs. 1 Satz 2 Das AG hat den Antrag zurückgewiesen und ausgeführt, gegenüber dem erklärten Erbvertrag könne nicht einge- 1. Bei der Ermittlung des gemeinsamen Willens der Ehe- wandt werden, die Geschäftsgrundlage habe gefehlt oder gatten betreffend eine Ersatzerbfolge bei Wegfall des sei weggefallen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Schlusserben sind alle Umstände in und außerhalb der Beteiligten, der das AG nicht abgeholfen und die Sache dem Testamentsurkunde heranzuziehen. Maßgeblich hierfür OLG vorgelegt hat. sind insbesondere die konkrete Lebenssituation und die

FuR 7 · 2017 405 Rechtsprechung Erbrecht

konkrete Interessenslage der testierenden Ehegatten im erst nach deren Feststellung stellt. Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testa- ments. Die von dem Nachlassgericht herangezogenen Grundsätze 2. Ist der bedachte Schlusserbe Stiefsohn des einen, wie des BGH (sog. Kumulationsverbot der Auslegungsregeln auch einziger Abkömmling des anderen (vorverstorbe- der §§ 2069 und 2270 Abs. 2 BGB) komme erst zum Tra- nen) Ehegatten, ist es naheliegend, dass der Abkömm- gen, sofern sich im Wege der Auslegung kein individueller ling des vorverstorbenen Schlusserben an dessen Stelle Erblasserwille in Bezug auf eine Ersatzerbfolge im Falle des treten soll. Wegfalls des eingesetzten Schlusserben feststellen lasse. Eine 3. Der Umstand, dass die Ehegatten nach dem Vorverster- ausdrückliche Ersatzerbeneinsetzung finde sich in dem ge- ben des Schlusserben keine neue Schlusserbenbestim- meinschaftlichen Testament nicht. Sie ergebe sich jedoch im mung getroffen haben, stellt kein zwingendes Indiz für Wege individueller (ergänzender) Auslegung. den Willen der Ehegatten dar, dass sie bewusst von einer Durch ergänzende Testamentsauslegung könne die durch den Anordnung einer Ersatzerbfolge abgesehen haben. Wegfall des Bedachten entstandene Lücke dann geschlossen werden, wenn die für die Zeit der Testamentserrichtung OLG München, Beschl. v. 24.04.2017 – 31 Wx 128/17 anhand des Testaments oder unter Zuhilfenahme von Um- ständen außerhalb des Testaments oder der allgemeinen Le- „„Sachverhalt benserfahrung festzustellende Willensrichtung des Erblassers Die Erblasserin war kinderlos verheiratet. Ihr Ehegatte war dafür eine genügende Grundlage biete (BGHZ 22, 357, bereits vorverstorben. Aus der ersten Ehe ihres vorverstor- 360; MüKo-BGB/Leipold, § 2084 Rn. 95 m.w.N.). Nach benen Ehemannes ging ein ebenfalls bereits vorverstorbenes der Willensrichtung des Erblassers im Zeitpunkt der Testa- Kind hervor. Der Beteiligte zu 3) ist dessen Sohn. mentserrichtung müsse anzunehmen sein, dass er die Ersatz- Die Erblasserin hatte zwei Geschwister. Eine vorverstorbe- erbeneinsetzung gewollt hätte, sofern er vorausschauend die ne Schwester, deren Abkömmlinge die Beteiligten zu 1) und spätere Entwicklung bedacht hätte. Stehe eine ergänzende 4) sind, sowie einen Bruder, den Beteiligten zu 2). Auslegung von wechselbezüglichen Verfügungen im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments in Rede, sei nicht nur Es liegen folgende letztwillige Verfügungen der Erblasse- nach dem hypothetischen Willen des überlebenden Ehegat- rin vor: ten zu fragen, sondern von der gemeinsamen bei der Testa- Ein vom Ehemann geschriebenes und von beiden unterschrie- mentserrichtung bestehenden Willensrichtung der Ehegatten benes gemeinschaftliches Testament, mit folgendem Inhalt: auszugehen (MüKo-BGB/Leipold, a.a.O., Rn. 105). »Erbvertrag! Wir setzen uns gegenseitig als alleinige Erben in der Anhaltspunkte dafür, dass die Ehegatten bei Errichtung des Weise ein, daß der Überlebende Vollerbe sein soll. Wer Längst- gemeinschaftlichen Testaments an die Möglichkeit des vor- lebende von uns soll von meinem Sohn beerbt werden.« zeitigen Wegfalls des eingesetzten Schlusserben gedacht ha- ben, seien vorliegend nicht ersichtlich. Der Schlusserbe sei Mit weiterem Testament aus dem Jahr 2007 setzte die Erb- im Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testa- lasserin die Beteiligten zu 1) und 2) zu Erben zu je 1/2 ein. ments 34 Jahre alt gewesen. Insofern liege eine unbewusste Mit Testament aus dem Jahr 2016 bestimmte die Erblasserin Regelungslücke vor, die im Wege der ergänzenden Auslegung die Beteiligte zu 1) zu ihrer Alleinerbin. zu schließen sei. Das Nachlassgericht stellte die notwendigen Tatsachen für Es sei daher zu prüfen, was die Erblasser gewollt hätten, wenn die Erteilung eines Alleinerbscheins entsprechend dem An- sie das Vorversterben des Schlusserben, des Vaters des Be- trag der Beteiligten zu 1) fest. Hiergegen wendet sich die Be- schwerdeführers, bedacht hätten. Insofern teilte der Senat nicht schwerde des Beteiligten zu 3). die Auffassung des Nachlassgerichts, dass sich keine Willens- richtung der Ehegatten dergestalt feststellen lässt, dass anstelle „„Entscheidungsinhalt des weggefallenen Schlusserben dessen Abkömmling (der En- Die Beschwerde war nach Auffassung des OLG München in kel des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin) treten soll. der Sache erfolgreich. Zu Unrecht sei das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erbfolge nach dem von der Hier würden sich aus der damaligen Lebenssituation und In- Erblasserin errichteten Testament aus dem Jahr 2016 bestimmt. teressenlage der Ehegatten tragfähige Anhaltspunkte ergeben, die den Schluss auf einen Willen für eine Ersatzberufung des Das Testament sei unwirksam, da es gegen die vom gemein- Beschwerdeführers rechtfertigen: schaftlichen Testament ausgehende Bindungswirkung der dort getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen verstößt (§§ 2270, Aus der Ehe der Ehegatten seien keine Abkömmlinge her- 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB) und das Recht des an die Stelle des vorgegangen. Sie hätten für den Fall, dass die Ehefrau Letzt- weggefallenen (Schluss)Erben tretenden Ersatzerben (= Betei- versterbende ist, den Sohn des Ehemannes aus erster Ehe als ligter zu 3)) beeinträchtigen würde (vgl. § 2289 Abs. 1 Satz 2 ihren Rechtnachfolger bestimmt und damit die Verwandten BGB entsprechend). Demgemäß sei der Antrag der Beteiligten der Ehefrau von der Erbfolge ausgeschlossen. Der als Schluss- zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückzuweisen. erbe bestimmte Sohn des Ehemannes sei dessen einziger Ab- kömmling wie auch der Beschwerdeführer, der im Zeitpunkt Zutreffend sei das Nachlassgericht noch davon ausgegangen, der Testamentserrichtung bereits geboren war und wiederum dass die in dem gemeinschaftlichen Testament angeordnete dessen einziger Abkömmling sei. Das von den Ehegatten be- Schlusserbeneinsetzung des Stiefsohnes der Erblasserin infol- wohnte Wohnhaus sei drei Jahre vor Niederlegung des Testa- ge dessen Vorversterbens hinfällig ist, und sich daher die Fra- ments errichtet worden und stehe im Alleineigentum des Ehe- ge der Wechselbezüglichkeit einer (etwaigen) Ersatzerbfolge mannes. Es sei naheliegend, dass die Ehegatten dieses als Kern

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des Vermögens des Ehemannes angesehen haben. Indem der sondere mit der ergänzenden Auslegung bzgl. einer Ersatz- Ehemann, wie geschehen, seine Ehefrau zur Alleinerbin ein- erbeneinsetzung. setzt, übergehe und enterbe er seinen einzigen Sohn, denn seine Das Gericht stellt hierzu fest, dass, wenn der bedachte eigene Schlusserbeinsetzung werde im Fall seines Vorversterbens Schlusserbe der Stiefsohn des einen Ehegatten, wie auch ein- gegenstandslos. Insofern werde einerseits die Ehefrau zu deren ziger Abkömmling des anderen Ehegatten ist, es naheliegend Lebzeiten durch den vorverstorbenen Ehemann in wirtschaft- ist, dass der Abkömmling des vorverstorbenen Schlusserben licher Hinsicht abgesichert, andererseits könne der Sohn nach an dessen Stelle treten soll. Ableben der Ehefrau dennoch in den Genuss des (insoweit noch vorhandenen) Vermögens seines Vaters kommen. Das Gericht musste in seiner Entscheidung weder auf die In der Gesamtwürdigung dieser Umstände ergebe sich die Wil- Vermutung des § 2069 BGB, noch auf die des § 2070 Abs. 2 lensrichtung beider Ehegatten, dass das eheliche Vermögen im BGB zurückgreifen. In der Folge kam das Kumulationsver- Stamm des Ehemannes verbleiben sollte. Bei Weiterentwick- bot bzgl. der Anwendung der beiden Normen nicht zum lung dieser Willensrichtung dränge sich gerade zu der Schluss Tragen. auf, dass die Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung (bearbeitet von Prof. Dr. Wolfgang Burandt, Rechtsanwalt, – die künftige Entwicklung vorausschauend – den Beschwerde- Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Erbrecht) führer als Enkel und einzigen (weiteren) Abkömmling des Ehe- mannes der Erblasserin zum Schlusserben eingesetzt hätten, Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- zumal dieser in diesem Zeitpunkt bereits geboren war. Fundstelle: JurionRS 2017, 12954 Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts ergebe sich eine gegenteilige Willensrichtung der Ehegatten nicht zwingend aus Testamentsauslegung / Vor- und dem Umstand, dass der ursprünglich Bedachte bereits zu Leb- zeiten beider verstorben war und sie im Nachgang dazu keine Nacherbe / Ersatznacherbfolge neue Bestimmung des Schlusserben getroffen haben. Nahelie- BGB §§ 1754, 2361, 2363 Abs. 1 Satz 1, 2096, 2100; gender sei vielmehr, dass die Ehegatten als juristische Laien GNotKG §§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 22 Abs. 1; FamFG § 38 (vgl. Überschrift des gemeinschaftlichen Testaments »Erbver- Abs. 3 Satz 3 trag«) es schlicht als eine Selbstverständlichkeit angesehen ha- ben, dass der Beschwerdeführer als einziger Abkömmling und Zur Auslegung eines notariellen Testaments bei der die Erb- einziger Enkel des Ehemannes unmittelbar die erbrechtliche lasserin Vor- und Nacherbfolge sowie Ersatznacherbfolge Stellung seines Vaters übernimmt, und sie insofern nach ihrer angeordnet hat. Vorstellung eine erneute, und damit ihre Willensrichtung (nur) klarstellenden Testierung nicht für erforderlich gehalten haben. OLG München, Beschl. v. 24.04.2017 – 31 Wx 463/16 Die Formulierung »Erbvertrag«, die sich sowohl als Überschrift „„Sachverhalt im gemeinschaftlichen Testament, als auch als Aufschrift auf Die Erblasserin hinterließ folgendes Testament: dem Kuvert findet, in dem das Testament aufbewahrt wurde, lege den Schluss nahe, dass die Ehegatten im Zeitpunkt der »(…) II. Zu meiner alleinigen Erbin bestimme ich meine Nich- Testamentserrichtung ihre jeweiligen Verfügungen als bindend te S. (= Beteiligte zu 1). angesehen haben, und so auch die Schlusserbeneinsetzung der III. Frau S. (= Beteiligte zu 1) soll jedoch nur Vorerbin sein. Zu Ehefrau zugunsten des Stiefsohnes bindend sein sollte. Im Üb- Nacherben bestimme ich ihre Abkömmlinge nach Stämmen zu rigen lege auch die damalige Lebenssituation und Interessen- gleichen Anteilen. Dies sind derzeit: (= Beteiligte zu 2, 3, 4) lage (s.o.) die wechselseitige Abhängigkeit der Einsetzung des Sohnes ihres Ehemannes durch die Erblasserin im Gegenzug Die Nacherbschaft tritt ein mit dem Tode des Vorerben. Der zu ihrer Einsetzung als Alleinerbin nahe. Demgemäß lasse sich Vorerbe ist nicht von den gesetzlichen Beschränkungen und Ver- eine Willensrichtung der Ehegatten im Zeitpunkt der Testa- pflichtungen befreit. mentserrichtung betreffend eine Bindung der Ehefrau in Be- zug auf die Schlusserbeneinsetzung des Sohnes des Ehemannes IV. Zu Ersatznacherben bestimme ich die weiteren Abkömm- feststellen. Insofern sei der Schluss naheliegend, dass für die linge von Frau S. (= Beteiligte zu 1) nach Stämmen zu gleichen Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die Ersatz- Anteilen. Sollten auch sie nicht erben werden, bestimme ich zur berufung des Beschwerdeführers durch die Ehefrau ebenfalls weiteren Ersatznacherbin meine Nichte, Frau B., ersatzweise de- bindend sein sollte, sofern sie den Wegfall des ursprünglich ren Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen, ersatz- Bedachten vorhergesehen hätten. Im Übrigen würde auch die weise (…) zur Verwendung für das Kinderdorf (…). Für Frau Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB greifen. B. ordne ich weitere Nacherbfolge an. Diese weiteren Nacherben sind deren Abkömmlinge nach gleichen Stammanteilen. Das Kumulationsverbot der Auslegungsregeln der §§ 2069, 2270 Abs. 2 BGB komme bereits deswegen nicht zum Tra- V. Falls Abkömmlinge von S. (= Beteiligte zu 1) nicht erst Nach- gen, da die Berufung des Beschwerdeführers als Ersatzerbe erben, sondern sogleich Erben von mir werden, so sind auch sie sich nicht aus der Anwendung des § 2069 BGB, sondern im nur Vorerben und deren Nacherben sind die oben weitere be- Wege der individuellen Auslegung ergibt. stimmten Ersatznacherben.« Das Nachlassgericht hat der Beteiligten zu 1) antragsgemäß „„Praxishinweis einen Erbschein erteilt, der sie unter Anordnung von Nach- Die Entscheidung des OLG München beschäftigt sich mit erbfolge als Alleinerbin ausweist. Des Weiteren enthält der der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments, insbe- Erbschein u.a. folgende Vermerke:

FuR 7 · 2017 407 Rechtsprechung Erbrecht

»Die Nacherben sind die Abkömmlinge der Vorerbin nach gesetzt hat, sondern sich darauf beschränkt hat, die Bedachten Stämmen zu gleichen Anteilen, derzeit: mit einem allgemeinen Oberbegriff »Ihre( Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen«) zu bezeichnen. Dies lege den Beteiligte zu 2–4 Schluss nahe, dass der Wille der Erblasserin vorrangig darauf Ersatznacherbfolge ist angeordnet. gerichtet war, dass alle auch zukünftig aufgrund des Abstam- mungsverhältnisses zu der Vorerbin als Abkömmlinge in Frage Ersatznacherben sind die weiteren Abkömmlinge der Vorerbin kommenden Personen als Nacherben in den gleichmäßigen nach Stämmen zu gleichen Anteilen…«. Genuss ihres Nachlasses kommen sollen. Insoweit sei die im Die Beteiligte zu 1) bat um Berichtigung des Erbscheins nachfolgenden Satz 3 verwendete Formulierung »derzeit« nicht durch Streichen des Wortes »derzeit«. Bei diesem Wort han- überflüssig. Vielmehr setze gerade diese Formulierung den be- dele es sich um ein völlig überflüssiges, inhaltlich sinnloses reits in Satz 2 zum Ausdruck gekommenen Willen der Erblas- und verwirrendes Füllwort. Die Nacherbfolge sei unter Ver- serin rechtstechnisch um, in dem sie die momentan (= derzeit) wendung des Erbscheins im Grundbuch eingetragen. Die Be- in Frage kommenden Nacherben näher bezeichnet. teiligte zu 1) habe im Sommer 2015 die Nachlasswohnung Gegenteiliges ergebe sich entgegen der Auffassung der Be- verkauft; die im Erbschein genannten Nacherben hätten dem schwerdeführerin auch nicht zwingend aus Ziff. IV. Satz 1 des Verkauf zugestimmt. Das Grundbuchamt habe aber die Be- Testaments. Diese Ziffer regele im Nachgang zu der grund- teiligung der weiteren unbekannten Nacherben durch Bestel- sätzlichen und abschließenden Regelung der Letztbedach- lung eines Ergänzungspflegers gefordert. Der sodann bestellte ten als Nacherben in Ziff. III. allein die Ersatznacherbfolge, Ergänzungspfleger habe die Zustimmung zur Löschung des also den Fall, dass ein grundsätzlich als Nacherbe in Frage Nacherbenvermerks erklärt. Die zuständige Rechtspflegerin kommender Bedachter vor Eintritt des Nacherbfalls weg- beim Betreuungsgericht habe in ihrem Beschluss die Geneh- fällt. In der Gesamtschau der in Ziff. III. und IV. gewählten migungsfähigkeit der Zustimmung verneint. Das LG habe in Formulierung sei die dabei gewählte Formulierung »weiteren dem Verfahren »unbekannte Erben nach der Erblasserin wg. Abkömmlinge« dahingehend zu verstehen, dass an die Stelle Pflegschaft« einen Hinweis erteilt, dass die Rechtsauffassung des weggefallenen Abkömmlings dessen Abkömmlinge treten, des Grundbuchamtes, wonach es unbekannte Nacherben diese insofern die »weiteren Abkömmlinge« der Vorerbin sei- geben könne, unzutreffend sei. Das Nachlassgericht hat die en. Eine solche Auslegung finde eine Stütze in der Anordnung Einziehung des Erbscheins abgelehnt, da der Erbschein die der Ersatzerbnacherbfolge zugunsten ihrer weiteren Nichte, Erbfolge nach der Erblasserin zutreffend wiedergebe. Hier- für die sie wiederum weitere Nacherbfolge zugunsten deren gegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1). Sie Abkömmlingen nach gleichen Stammanteilen bestimmt hat. vertritt die Auffassung, aus Ziff. IV. Satz 1 ergebe sich, dass Demgemäß komme in Ziff. IV. der Wille der Erblasserin zum die weiteren Abkömmlinge, die durch Geburt oder Adoption Ausdruck, dass letztendlich ihr Nachlass vorrangig im Stamm hinzutreten, nicht Nacherben, sondern Ersatznacherben sind. der Vorerbin, hilfsweise im Stamm ihrer weiteren Nichte, gleichmäßig über Generationen hinweg aufgeteilt werden soll. „„Entscheidungsinhalt Die zulässige Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht habe das Nachlassgericht herausgestellt, dass der Der Senat teilte die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die von der Erblasserin in ihrem vor einem Notar errichteten Tes- Voraussetzungen für die von der Beteiligten zu 1) im Ergebnis tament verwendete Begriff »Abkömmling« nach § 1754 BGB angeregte Einziehung des Erbscheins nicht vorliegen. Ent- auch adoptierte Abkömmlinge umfasst, und daher der Kreis gegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gebe der Erb- der in Betracht kommenden Nacherben erst im Zeitpunkt schein die Erbfolge nach der Erblasserin zutreffend wieder. des Nacherbfalls feststellbar sei. Zu Recht habe das Nachlassgericht darauf abgestellt, dass in „„Praxishinweis einem dem Vorerben zu erteilenden Erbschein gem. § 2363 Die Entscheidung verdeutlicht, wie gerade komplexe Vor-, Abs. 1 Satz 1 BGB (a.F.) nicht nur anzugeben sei, dass eine Nach-, Ersatz- und Ersatznacherbanordnungen bei der Tes- Nacherbfolge angeordnet ist, sondern auch unter welchen Vo- tamentserrichtung genau geplant und abgewogen werden raussetzungen sie eintritt und wer der Nacherbe ist. Insoweit sei müssen. es geboten, in dem den Vorerben zu erteilenden Erbschein die Person des (der) Nacherben so genau wie möglich anzugeben. Werden – wie vorliegend – pauschal die Abkömmlinge als Nacherben bestimmt und erfolgt keine konkrete Beschrän- Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin erweise sich kung, so kann sich dies für den Vorerben als äußerst proble- die Formulierung in dem erteilten Erbschein betreffend die matisch erweisen. Ist der Nacherbfall der Tod des Vorerben, Nacherben unter der Formulierung »derzeit« als richtig. so hilft ihm bei einer Veräußerung von Nachlassgegenständen allein die Zustimmung der bisherigen Abkömmlinge nichts, Die Erblasserin habe in dem vor einem Notar errichteten Tes- da noch offen ist, ob bis zum Nacherbfall weitere Abkömm- tament selbst und ausdrücklich die Formulierung »derzeit« linge hinzukommen. gewählt. Solche Fallkonstellationen müssen in der Beratungspraxis be- Sie habe zwar die Beschwerdeführerin als ihre Alleinerbin be- sonders berücksichtigt werden. stimmt (Ziff. II.), jedoch in Ziff. III. als Vorerbin eingesetzt (bearbeitet von Prof. Dr. Wolfgang Burandt, Rechtsanwalt, (Satz 1). Die Regelung der Nacherbfolge in Satz 2 sei dadurch Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Erbrecht) gekennzeichnet, dass die Erblasserin die im Zeitpunkt der Tes- tamentserrichtung bereits geborenen Abkömmlinge der Be- Die vollständige Entscheidung finden Sie unter der Jurion- schwerdeführerin gerade nicht unmittelbar als Bedachte ein- Fundstelle: JurionRS 2017, 12952

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Erbrecht, Mediator, Honorar-Professor an der Nordakademie – Hochschule für Wirtschaft –, Hamburg; Dr. Klaus- Peter Horndasch, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht und Notar a.D., Mediator, Weyhe; Dr. Norbert Kleffmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht und Notar, Hagen; Jörg Kleinwegener, Rechtsanwalt, Fach­ anwalt für Familienrecht, Detmold; Bernd Kuckenburg, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Fami­lien- und Steuerrecht, vereidigter Buchprüfer, Hanno­ ver; Renate Perleberg-Kölbel, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familien-, Steuer-, und Insolvenzrecht sowie Mediatorin, Hannover; Dr. Franz-Tho­ mas Roßmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht, Volkach; Wal­ ter Schellhorn, Geschäftsführer des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge a.D., Kronberg i.T.; Peter­ Schwolow, Rechtsanwalt, Fach­ anwalt für Familienrecht, Regensburg; Dr. Jürgen Soyka, Vors. 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08681_23-17_210x297_1c.indd 1 07.06.17 09:47 NEU Luchterhand Verlag Die Doppeltaktik ür Familienrechtler

Roßmann/Viefhues Franz-Thomas Roßmann Taktik im Unterhaltsrecht Taktik im familiengerichtlichen Verfahren 3. Aufl age 2017, 4. Aufl age 2017, ca. 750 Seiten, gebunden, ca. 750 Seiten, gebunden, ca. € 89,– ca. € 89,– ISBN 978-3-472-08980-3 ISBN 978-3-472-08981-0 Erscheint voraussichtlich September 2017 Erscheint voraussichtlich Juli 2017

Das Handbuch hilft Rechtsanwälten, die eigene Prozesstaktik Das Werk widmet sich dem Familienrecht, insbesondere dem im Unterhaltsrecht zu gestalten und weiterzuentwickeln. Es Verfahrensrecht und schafft Verknüpfungen zum materiellen widmet sich dem materiellen Unterhaltsrecht und dessen Recht. Der Autor bearbeitet das gesamte Verfahrensrecht Durchsetzung im Verfahren. Dabei orientiert es sich an der praxisorientiert und systematisch. anwaltlichen Arbeitsweise: beginnend mit der Annahme des unterhaltsrechtlichen Mandats bis zum erfolgreichen Verfah- Die Verfahrensführung in der Beschwerdeinstanz wird in der rensabschluss. 4. Aufl age erweitert dargestellt. Sowohl die einstweiligen Anordnungen im FamFG als auch der Arrest werden aufgrund Ihr Plus: ihrer Wichtigkeit ebenfalls ausführlich erläutert. ■ Die systematische Darstellung nach Anspruchsgrundlagen, insbesondere auch im Hinblick auf die Darlegungs- und Ihre Vorteile: Beweislast. ■ Effektive Hilfe für Rechtsanwälte, die ihre Prozesstaktik ■ Für den schnellen Überblick: Jedes Kapitel wird mit der besser gestalten und weiterentwickeln wollen. Übersicht »Das Wichtigste in Kürze« eingeleitet. ■ zahlreiche Formulierungsbeispiele, taktische Tipps und ■ Praxishilfen: Zahlreiche Formulierungsbeispiele, Muster- Musterschriftsätze sorgen für gute Orientierung bei der schriftsätze, Checklisten und Berechnungsbeispiele. Umsetzung.

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08980_S_23-17_210x297_1c.indd 1 07.06.17 09:49 NEU Luchterhand Verlag Noch leichter lesbar Neuaufl agen 2017 – außen & innen neu

Topaktuell: Reform des Bau- vertragsrechts sowie der kauf- rechtlichen Mängelhaftung bereits berücksichtigt

Prütting/Wegen/Weinreich Prütting/Gehrlein BGB + ZPO im Kombiangebot BGB Kommentar ZPO Kommentar für nur € 219,– 12. Aufl age 2017, 3.936 Seiten, 9. Aufl age 2017, 3.248 Seiten, ISBN 978-3-472-09001-4 € 130,– € 139,– ISBN 978-3-472-09000-7 ISBN 978-3-472-08998-8

Neuaufl agen 2017, außen & innen neu – beide Kommentare Zu den Gratis-Leseproben sind dank ihrer neuen, noch klareren Struktur: ✓ Schnell zugänglich & erfassbar ✓ Praktisch & leicht zu nutzen ✓ Stets zielführend auch bei schwierigen Fragestellungen Gesetzes- und Bearbeitungsstand: März 2017

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