Kosmos Der Architektur. Oswald Mathias Ungers in Der Neuen
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2 Wochenschau Bauwelt 43 | 2006 Bauwelt 43 | 2006 3 AUSSTELLUNG wicklungslinien, nach den Ankerpunkten seines archi- „Idealquadrat“ von Gerhard Merz oder der „Basalt STADTPLANUNG tektonischen Denksystems.“ Circle“ von Richard Long. So sind aus der privaten Und genau das versucht die Ausstellung sicht- Umgebung in Ungers’ Häusern – inzwischen zwei in Humboldthafen Berlin | Ungers’ Kosmos der Architektur. Oswald Mathias bar zu machen. Da überraschen neben den Modellen Köln und eines in der Eifel – auch nach Berlin ge- Kolonnaden investorengerecht filetiert seiner Projekte andere Modelle, gearbeitet in ma- reist: Piet Mondrian, Josef Albers, Gerhard Richter Ungers in der Neuen Nationalgalerie kellosem Alabastergips (von Bernd Grimm), Modelle und andere Zeitgenossen, aber auch Ölgemälde von Eines der prominentesten Entwicklungsareale neben nach Inkunabeln der Architekturgeschichte: der Par- Hendrik van Cleve, Leo von Klenze und eine mar- dem neuen Hauptbahnhof ist jetzt vom Liegen- thenon in Athen und das Pantheon in Rom, Boullées morne Schinkel-Büste von Tieck. schaftsfonds Berlin auf den Markt geworfen worden: Peter Rumpf Entwurf eines Kenotaphs für Newton und das Castel Diese etwas tabellarische und zudem unvoll- der Humboldthafen. Zuvor musste jedoch der städte- Was nicht zu sehen ist: Architektur in ihrer Umge- geboren wurde, anlässlich seines 80. Geburtstags del Monte in Apulien, Bramantes Tempietto und das stän dige Aufzählung soll zeigen, was im „Kosmos bauliche Entwurf aus dem Jahr 1994 den Zeichen der bung, aus der heraus sie entwickelt wurde und in die OMU – nach Renzo Piano und Rem Koolhaas – eine Mausoleum von Halikarnassos. Als „Gegenmodelle“ der Architektur“ von OMU alles Platz hat und wie es Zeit angepasst werden; mit der Idee einer allseitigen sie hineinwirkt; innere Funktionsabläufe, dargestellt große Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie zu symmetrisch auf der anderen Seite der Halle sechs zusammengehört, in einen Dialog miteinander tritt Umfassung des Hafenbeckens hatte Oswald Mathias durch Grundrisse, Schnitte und Isometrien; Anlass widmen. Konzept und „Architektur“ der Ausstellung nicht realisierte Hochhausmodelle von Ungers selbst, und sich wie selbstverständlich ergänzt. Wer Ungers, Ungers den Wettbewerb gewonnen. Karl-Heinz Win- und Verlauf eines Entwurfs; Angaben zu Bauherren, entstanden dann am Schreibtisch in Ungers’ Biblio- ebenfalls in Weiß. sein Werk und seine seit Jahrzehnten ausformulierte kens, ehemals Büroleiter bei Ungers, hat die strengen Mitarbeitern, Flächen, Kubaturen, Materialien oder thek, die er sich 1990 als studiolo neben seinem In eine andere, wenn auch eng verwandte Ab- Architektursprache verstehen will, kann in der Natio- „Humboldtkolonnaden“ seines Ex-Chefs verkaufs ge- ob ein Projekt Projekt blieb oder realisiert wurde. Da- Haus in der Belvederestraße in Köln-Müngersdorf er- teilung seines „Kosmos“ führt die kleine, aber feine nal galerie durchaus Einsichten gewinnen. Andere recht adaptiert: Sechs einzelne Blöcke sind ent stan- für werden auf quadratischen grauen Podesten 36 richtet hat. Am 26. Oktober wurde der „Kosmos der Auswahl von Schriften, Traktaten und Illustrationen, enthält der Katalog. Die fundierteren allerdings sind den, die, so die „Vermarktungsstrategie“ des Liegen- sorgfältig in Buchenholz gearbeitete Modelle in un- Architektur“ mit einem Vortrag von Ungers’ Schüler ausnahmslos Erstausgaben: von Vitruv und Alberti sei nen eigenen Schriften, Vorträgen und Traktaten schaftsfonds, in getrennten Bieterverfahren an die terschiedlichen Maßstäben präsentiert, ergänzt von und jahrelangem Mitstreiter Rem Koolhaas eröffnet. über Dürer, Palladio und Piranesi bis zu Schinkel, vorbehalten. Das kann eine Ausstellung wie diese jeweils potentesten Investoren verkauft werden sol- 36 quadratischen Schwarz-Weiß-Fotos bzw. Zeichnun- Und was ist nun zu sehen in Mies van der Rohes Tatlin und Le Corbusier. (Sie sind wegen ihrer Licht- nicht leisten. Will sie auch nicht. len. Um diese auf den Geschmack zu bringen, wurden gen. Der in den 60er und 70er Jahren erfolgreiche „Tempel der Moderne“? Ungers als Sammler. Er selbst empfindlichkeit nur donnerstags von 17 bis 22 Uhr Augusto Romano Burelli, Kahlfeldt Architekten und Architekturlehrer – an der TU Berlin, in Cornell, Har- korrigierte diesen Begriff vor sieben Jahren in der zu sehen.) Neben Werner Oechslin hat sich Ungers Neue Nationalgalerie | Potsdamer Straße 50, Winkens mit exemplarischen Entwürfen für die vor- vard, Los Angeles, Wien und Düsseldorf – will hier Kölnischen Rundschau: „Man müsste eher von einer mit der wohl vollständigsten und wertvollsten Biblio- 10785 Berlin | ▸ www.smb.museum | bis 7. Janu- gesehenen Nutzungen (Büro, Hotel, Wohnen) beauf- keine als Ausstellung verkleidete Gebäudelehre-Vor- Ansammlung sprechen oder von Schichten, die sich thek zum Thema Architektur umgeben. Vor der ge- ar, Di–Fr 10–18, Do 10–22, Sa, So 11–18 Uhr | tragt. Bilder von Venedig, Hamburg, London wer- lesung über sein berufliches Lebenswerk halten. Wer im Laufe der Jahre abgelagert haben.“ Das, was Un- genüberliegenden Glaswand stehen kleine Fundstü- Der Katalog (Hatje Cantz Verlag) kostet im Mu- den beschworen, um die Exklusivität der angebote- Detaillierteres erfahren will, sei auf die zahllosen gers um sich versammelt hat, ist auf das Engste mit cke aus griechischer, römischer und etruskischer Zeit seum 20, im Buchhandel 24,80 Euro. nen Grundstücke zu untermauern, selbst vor dori- Bü cher und Veröffentlichungen verwiesen. ihm und seinem theoretischen Fundament verbunden. neben Plastiken von Ian Hamilton Finlay, Simon Un- Links die Ausstellungswand auf der Südseite schen Säulen-Arkaden schrecken die Planer nicht zu- Oben die Humboldtkolonnaden des Jahres Oswald Mathias Ungers und sein Kurator von Es ist Bestandteil seiner Arbeit, oder wie es Andres gers und Donald Judd. Die gesammelte Kunst hat für der Nationalgalerie mit Fotos von „Aufblicken“, rück. Bleibt zu hoffen, dass der Geschmack zeitge- 2006, darunter das Original von Ungers von den Museen Preußischer Kulturbesitz Andres Lepik Lepik im Katalog formuliert: „Die Beschäftigung mit Ungers durchgängig mit den Grundlagen der Archi- davor Antiken und moderne Skulpturen. nössischer Geldgeber vielleicht viel weniger spießig 1994. hatten anderes im Sinn, als vor drei Jahren die Idee Ungers’ Sammlungen gleicht einer Suche nach Ent- tektur zu tun, mit Geometrie wie zum Beispiel das Foto: Christian Gahl, Berlin ist, als man hier unterstellt. fr Abbildungen: Liegenschaftsfonds Berlin AUSSTELLUNG Dass die Atlantic trotz allem heute wieder ihren alten Charme zurückgewonnen hat, ist in erster Linie Gartenstadt Atlantic | Die Siedlung, den Nachfahren Wolffsohns zu verdanken, die das ihr Architekt und Berlin Erbe nicht etwa an Immobilienentwickler veräußer- ten, sondern in eine denkmalgerechte Sanierung der Die kleine Ausstellung in der Berliner Werkbund- Siedlung investierten. Betreut wurde die Moderni- Galerie dokumentiert die wechselvolle Geschichte sierung (Heft 34) von Benita Braun-Feldweg und Mat- der Gartenstadt Atlantic und das Werk ihres Architek- thias Muffert vom Berliner Büro bf-architekten, die ten Rudolph Fränkel. Die 1929 fertiggestellte Sied- auch die Ausstellung konzipiert haben. Anhand von lung im Berliner Bezirk Wedding erlebte Anfang der Vorher-Nachher-Fotos und Grundrissbeispielen lässt 30er Jahre eine kurze Blütezeit, die das Quartier da- sich gut nachvollziehen, wie die Wohnungen modifi- mals vor allem dem populären, von dem jüdischen ziert wurden, um sie den Anforderungen des heuti- Unternehmer Karl Wolffsohn gepachteten Lichtburg- gen Wohnungsmarktes anzupassen. Schließlich wird Kino zu verdanken hatte. Nachdem Wolffsohn 1936 das Konzept erläutert, mit dem man auch die Gewer- die Pacht im Zuge der „Arisierung“ entzogen wurde, beräume wieder revitalisieren konnte: Ein Kindergar- kaufte er 1937 kurzerhand die Aktien der Siedlung, ten, Ateliers, ein Café und das Lichtburgforum bele- bevor er dann doch aus Deutschland flüchten musste. ben die Erdgeschosszone, zahlreiche Veranstaltun- Das Kino wurde im Krieg stark beschädigt, danach gen bereichern schon heute das kulturelle Angebot notdürftig instand gesetzt und zunächst auch weiter des gesamten Kiezes und sollen langfristig auch das betrieben, aber 1970 schließlich abgerissen. Die unmittelbare Umfeld der Gartenstadt aufwerten. Auf- Lage an der Sektorengrenze ließ die Siedlung nach grund ihres geringen Umfangs kann die Ausstellung dem Krieg durch den Schwarzmarkthandel noch ein- nicht auf alle Aspekte der Vergangenheit und die mal florieren. Doch mit dem Mauerbau 1961 war da- komplette Modernisierung eingehen. Ausführlichere mit endgültig Schluss, die Randlage beschleunigte Informationen enthält der Ausstellungskatalog. den Verfall des Viertels. Auch als die Siedlung mit Silke Reifenberg dem Fall der Mauer plötzlich wieder ins Zentrum Ber- lins rückte, verbesserte sich die Situation zu nächst Werkbund-Galerie | Goethestraße 13, Wohnung der Gartenstadt vor und nach der nicht. Im Gegenteil, auch die letzten gewerblichen 10623 Berlin | ▸ www.werkbund-berlin.de | Sanierung. Mieter gaben nach dem Bau einer Shopping Mall di- bis 24. November; Mo–Fr 15–18 Uhr | Fotos: Katalog rekt gegenüber auf. Der Katalog (Niggle Verlag) kostet 36 Euro..