Geflüchtete Lgbti-Menschen
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GEFLÜCHTETE LGBTI-MENSCHEN PRAXISLEIT FADEN FÜR EINE AUF INTEGRATION UND GLEICHBEHANDLUNG AUSGERICHTETE AUFNAHME LGBTI-MENSCHEN AUF DER FLUCHT LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS UND INTERGESCHLECHTLICHE MENSCHEN Praxisleitfaden für eine auf Integration und Gleichbehandlung ausgerichtete Aufnahme DIESE BROSCHÜRE BASIERT AUF: «Réfugié.es LGBTI – lesbiennes, gays, bisexuel.les, transgenres et intersexes. Guide pratique pour un accueil inclusif et égalitaire», Asile LGBT Genève, oct. 2017. ÜBERSETZUNG: Syntax Übersetzungen AG KONZEPT: LAYOUT: Anne Arvy Tobias Simon Mäder, Thomas Vinzenz REDAKTION DER DEUTSCHSPRACHIGEN AUSGABE: Ambra Barboni, Elisah Jay Fringer, Ralf Kaminski, Tobias Kuhnert, Tobias Simon Mäder, Pascale Navarra, Jens Pohlmann, Thomas Vinzenz UNTER MITARBEIT VON: Audrey Aegerter (InterAction Suisse), Anne Arvy (Asile LGBT), Henry Hohmann & Alecs Recher (TGNS) AUFLAGE: ERSCHEINUNGSDATUM: 3‘000 Stück Juli 2019 BILDER: ONLINE-AUSGABE MIT LINKVERZEICHNIS: unsplash.com qai.ch/broschuere HERAUSGEBERIN : AMNESTY INTERNATIONAL, Queeramnesty, Postfach, 3001 Bern qai.ch [email protected] m.me/queeramnesty.ch 2 3 GEFLÜCHTETE LGBTI-MENSCHEN LESBISCHE, SCHWULE, BISEXUELLE, TRANS UND INTERGESCHLECHTLICHE MENSCHEN PRAXISLEITFADEN FÜR EINE AUF INTEGRATION UND GLEICHBEHANDLUNG AUSGERICHTETE AUFNAHME Während immer mehr Asylgesuche aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder ten erläutert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Behandlung dieser Thematik Geschlechtsidentität gestellt werden, bleiben die geflüchteten LGBTI-Menschen im Asylrecht. Ein Kapitel ist den besonderen Schwierigkeiten der zur Migration (lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche Menschen) in den gezwungenen LGBTI-Menschen gewidmet. offiziellen Aufnahmeeinrichtungen weitestgehend unsichtbar. Gleich zeitig haben die mit der Aufnahme und Betreuung dieser Personen beauftragten Akteur_in- Der zweite Teil der Broschüre geht auf die zentralen Probleme ein, die den nen Mühe, angemessen auf die besonderen Bedürfnisse dieser Menschen, die Akteur_innen vor Ort im Zusammenhang mit der Aufnahme und der Betreu- sich oft nicht oder nicht ganz explizit zu erkennen geben, einzugehen. ung von geflüchteten LGBTI-Personen begegnen. Dem jeweiligen Kontext entsprechend (Aufnahme, individuelle Betreuung, Zusammenarbeit mit den Zum besseren Verständnis und zur Bekämpfung der Mechanismen, die Kolleg_innen) behandeln die einzelnen Kapitel die wichtigsten Besonderheiten geflüchtete LGBTI-Menschen «unsichtbar» machen und an den Rand der und die grössten Herausforderungen, die den betreuenden Fachpersonen und Gesellschaft drängen, hat das Genfer Projekt Asile LGBT verschiedene Instru- den Geflüchteten begegnen, um dann Instrumente, bewährte Vorgehensweisen mente entwickelt, darunter auch die französischsprachige Originalversion dieser sowie konkrete Empfehlungen und Interventionsachsen vorzuschlagen. Broschüre. Die Übersetzung ins Deutsche erfolgte im Auftrag von Queeramnesty (queeramnesty.ch). Ausgangspunkt dieser Broschüre waren die Erfahrungen der geflüchteten LGBTI-Personen und der bei Asile LGBT und Queeramnesty tätigen Menschen. Die Broschüre soll vor allem auf die besondere Verletzlichkeit der zur Migration Ihre Erlebnisse und Aufgaben sowie die Gegebenheiten vor Ort werden hier ge- gezwungenen LGBTI-Personen aufmerksam machen sowie entsprechende schildert. Dennoch lassen sich diese Inhalte weitgehend verallgemeinern und an Kenntnisse und Kompetenzen für den Umgang mit dieser Gruppe vermitteln. einen umfassenderen Handlungsrahmen anpassen, sodass wir hoffen, mit dieser Daher ist sie in erster Linie für Asyl- und Migrationsfachpersonen gedacht und Broschüre allen von diesem Thema betroffenen Akteur_innen einen nützlichen für alle, die beruflich mit Geflüchteten zu tun haben. Sie richtet sich aber Leitfaden an die Hand zu geben. auch an Mitarbeitende in den LGBTI-Organisationen, um die Integration der Geflüchteten in die lokalen LGBTI-Communities zu erleichtern, sowie an alle Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre. Menschen, die sich für dieses Thema interessieren. Die Teams von Die Broschüre vermittelt einerseits theoretisches Wissen, um ein besseres Ver- ständnis der LGBTI-Problematik und der tatsächlichen Situation von LGBTI- Asile LGBT ([email protected]) Personen auf der Flucht zu ermöglichen; andererseits enthält sie praktische Hilfestellungen für konkrete Alltagssituationen. QUEERAMNESTY ([email protected]) Im ersten Teil der Broschüre werden die mit der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, dem Geschlechtsausdruck und den Geschlechtsmerk- malen verbundenen Begriffe und Konzepte sowie die schweizerischen und internationalen Rechtsgrundlagen im Zusammenhang mit der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt und den unterschiedlichen Geschlechtsausdrucksar- 4 5 INHALTSVERZEICHNIS WOVON IST DIE REDE? Spezialfall: Die Gesundheit 40 Spezialfall: Die Rechtsvertretung 43 A. BEGRIFFE UND DEFINITIONEN 8 F. GEWALT VORBEUGEN UND DAS ZUSAMMENLEBEN SOWIE DIE RECHTSGLEICHHEIT 50 B. RECHTLICHE GRUNDLAGEN 14 FÜR ALLE FÖRDERN Gewaltrisiken erkennen und aktiv vorbeugen C. DER HINDERNISLAUF VON LGBTI-MENSCHEN AUF DER SUCHE NACH SCHUTZ 17 Reaktion auf jegliche Art von Gewalt Besonderheiten der Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Das Zusammenleben fördern Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität, ihres Geschlechtsausdrucks oder ihrer Geschlechtsmerkmale (SOGIGESC) G. UNTER KOLLEG_INNEN 56 Internationaler Schutz: Das Bedürfnis ist besser bekannt, der Schutz aber nicht garantiert ZUSAMMENFASSUNG 57 Eine tabuisierte und gefährliche Identität: Auch in den Ankunftslän- dern droht den Geflüchteten Gewalt aufgrund ihrer SOGIGESC DIE RICHTIGE WORTWAHL 60 Die Strategie: Unsichtbarkeit als Schutz vor negativen Konsequenzen QUELLEN 66 WIE VERHALTE ICH MICH ALS AKTEUR_IN VOR ORT? D. SICHERHEIT, RESPEKT UND GLEICHBEHANDLUNG BEI DER AUFNAHME 24 GEWÄHRLEISTEN Sich nicht auf den Augenschein verlassen und eigene Vorurteile überdenken Stigmatisierung aufgrund der SOGIGESC erkennen Das eigene Verhalten überdenken, um Diskriminierung zu vermeiden E. DAS COMING-OUT ERLEICHTERN, UM EINE GEEIGNETE BETREUUNG ZU 31 Gute Hilfseinrichtungen ERMÖGLICHEN Die Probleme des (Nicht-)Coming-outs erkennen Praxis Offenheit in Fragen der SOGIGESC signalisieren Raum für Gespräche schaffen Vertraulichkeit gewährleisten Schwierigkeiten beim Einsatz von Dolmetscher_innen berücksichtigen Zu beachten Instrumente Auf Unterstützungsangebote für LGBTI-Asylsuchende hinweisen 6 7 A. BEGRIFFE UND DEFINITIONEN GEFLÜCHTETE_R: Nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und der auch ein «drittes Geschlecht» zu oder zwingen die Menschen nicht, sich auf UNHCR-Praxis gilt eine Person als geflüchtet, sobald sie aus ihrem Land einen Eintrag als «männlich» oder «weiblich» festzulegen. flieht, und zwar unabhängig davon, ob ihr Status später anerkannt wird oder nicht. Das bei der Geburt zugewiesene und amtlich eingetragene Geschlecht kann mit der Geschlechtsidentität einer Person, ihrer inneren Gewissheit, welches Ge- LGBTI: lesbische, schwule, bisexuelle, trans und intergeschlechtliche schlecht sie hat, übereinstimmen oder auch nicht. Es ist demnach unabhängig Menschen davon, ob diese Person sich als Mann oder Frau identifiziert, als etwas dazwi- schen oder als keines von beidem. SOGIGESC: sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck Eine Person, deren Geschlechtsidentität mit dem ihr bei der Geburt zugewiese- und Geschlechtsmerkmale (sexual orientation, gender identity, gender nen Geschlecht übereinstimmt, nennt man cisgender (cis Mann oder cis Frau). expression, sex characteristics) Eine Person, deren Geschlechtsidentität nicht (vollständig) mit dem ihr bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, nennt man trans. Man Das körperliche Geschlecht umfasst alle Geschlechtsmerkmale, anhand spricht hier auch von Transidentität. Diese Personen können sich eindeutig derer in männliche und weibliche Körper eingeteilt wird: Chromosomen, als Frau identifizieren (trans Frau), eindeutig als Mann (trans Mann), weder Gonaden, Hormonspiegel, Geschlechtsorgane und bestimmte, die äussere (ausschliesslich) als Frau noch (ausschliesslich) als Mann (non-binär) oder eine Gestalt betreffende Aspekte. Jede Person hat ihr ganz eigenes, von diesen andere Geschlechtsidentität haben. einzelnen Merkmalen bestimmtes körperliches Geschlecht. Der Geschlechtsausdruck bezeichnet die Art und Weise, in der eine Person Manche Menschen lassen sich nicht den von der Medizin definierten ihre Geschlechtsidentität nach aussen zeigt, beispielsweise durch bestimm- Kategorien von männlich und weiblich zuordnen. Diese Personen bezeich- te Verhaltens weisen oder ihr Äusseres: unter anderem durch Kleidung, Frisur, net man als intergeschlechtlich oder als Menschen mit einer Variante der Makeup, Körpersprache oder die Art, wie sie spricht. Die Geschlechterrolle Geschlechtsentwicklung. verweist auf die Aktivitäten und Verhaltensweisen, die in Bezug auf das jeweilige Geschlecht gesellschaftlich erwartet und für angemessen gehalten werden. Unter WOVON IST DIE REDE? Bei einigen Menschen ist die Intergeschlechtlichkeit vor der Geburt oder bei anderem sind dies bestimmte Einstellungen, Persönlichkeitsmerkmale, Berufe, der Geburt erkennbar, bei anderen erst später im Leben. Aktivitäten, Kompetenzen oder eine bestimmte gesellschaftliche Stellung. Da viele Menschen nicht wirklich wissen, wie ihr Hormonspiegel oder ihre Chromosomen aussehen, haben die meisten im Grunde keine genaue Die Geschlechtsidentität