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Sport

Tennisspielerin Grönefeld „Ein bisschen muss noch runter“

cherlich das Richtige für mich“, sagt sie heute. „Ich wollte das so.“ Ihr ehemaliger Trainer und Manager Rafael Font de Mora ist gebürtiger Spa- nier. Seit 1990 hat er eine eigene - schule in den USA, die bekannt ist für ihre modernen Trainingsmethoden. Für Anna- Lena Grönefeld war er alles zugleich: Er- satzvater und Drillmeister, Lebensinhalt und Antreiber, Vertrauter und Aufpasser. Noch im Frühjahr vergangenen Jahres schien alles zu funktionieren. Sie gewann im März in Acapulco ihr erstes Profi-Ein- zelturnier, bei den schaffte sie den Einzug ins Viertelfinale. Die Erwar- tungen waren groß für die U. S. Open. Vor ihrem ersten Match schrieb sie in ihr In-

ANDREAS RENTZ / GETTY IMAGES ANDREAS ternet-Tagebuch: „Jetzt bin ich in New York City. Heute bin ich los und habe für morgen für die Players Party ein Kleid aus- TENNIS gesucht, das wir behalten dürfen. Da freu’ ich mich schon drauf. Ich melde mich dann nächste Woche, wie es gelaufen ist.“ Drama eines Wunderkinds In ihrem ersten Spiel unterlag sie einer unbekannten Französin. Als sie den zwei- Ein umstrittener Coach sollte aus Anna-Lena Grönefeld die neue ten Satz 0:6 verlor, verließ Font de Mora wütend den Platz. Nach dem Match sagte Steffi Graf machen. Doch nach der Trennung er zu ihr: „Willst du jetzt so weitermachen, im vergangenen Jahr befindet sich ihre Karriere im freien Fall. oder sollen wir uns trennen?“ Sie trennten sich noch am selben Abend. n Berlin bei den German Open sieht Sie war Deutschlands größte Tennis- „Ich konnte seinen Vorstellungen nicht ent- sie ihn zum ersten Mal wieder. Zum hoffnung, blond, blaue Augen, lange Bei- sprechen“, sagt Grönefeld. „Er hat immer Iersten Mal seit fast neun Monaten. Sie ne, sie spielte aggressiv, sie bekam einen gesagt, wie wir das machen. So und nicht wollte ihn loswerden, damals, ein eigenes Sponsorenvertrag mit Adidas, viele dach- anders. Das war am Ende zu viel für mich.“ Leben führen, erwachsen werden. Jetzt ist ten an Steffi Graf, wenn sie spielte. Jetzt Wenn jugendliche Sportler mit einem er wieder da. Ruft sie an und beschimpft steht in der Zeitung, dass sie 80 Kilogramm Trainer zusammenarbeiten, entsteht oft sie, spricht mit Journalisten über seinen wiegt: „Dickes Ding! Grönefeld flog gleich eine merkwürdige Bindung. „Der Coach ehemaligen Schützling und sagt, nachdem raus“. wird dann automatisch zum Vertrauten“, sie bei den German Open schon in der ers- Seit Oktober vergangenen Jahres hat sie sagt Anna-Lena Grönefeld. Sie war emo- ten Runde gegen eine Israelin ausscheidet: nur fünf Einzelspiele gewonnen, sie war tional abhängig, und sie macht den Ein- „Am besten sollte Anna-Lena gar kein auf Platz 14 der Weltrangliste, nun ist sie druck, dass sie es ein wenig immer noch ist, Tennis mehr spielen.“ auf Platz 40. Die Geschichte von Anna- auch nach der Befreiung. „Rafael“, sagte Über drei Jahre lang hat Anna-Lena Lena Grönefeld erzählt das Drama eines sie noch im Februar, „ist kein schlechter Grönefeld mit Rafael Font de Mora zusam- Tennis-Wunderkinds. Mensch. Er hat nicht so einen schlechten mengearbeitet. Sie war 17, als sie ihr Mit 5 fing sie an. Mit 16 war sie deutsche Charakter, wie das immer dargestellt Elternhaus in Nordhorn verließ und nach Jugendmeisterin, mit 17 Junioren-Europa- wird.“ Mittlerweile, schimpft sie, brodele Amerika ging, nach Arizona, auf die meisterin, zweieinhalb Jahre später unter es in ihr, wenn sie ihn sehe. Tennisschule von Font de Mora. Er hat den ersten 30 der Welt. „Mein Leben“, Grönefeld ging zurück nach Deutsch- sie in die Top 20 des Damentennis ge- sagt sie, „bestand aus 24 Stunden Tennis land, zuerst nach Nordhorn zu ihrer Fa- bracht. Sie sagt, dass er sie gequält habe am Tag.“ milie, später nach Saarbrücken zum Olym- und dass sie frei sein wollte. Jetzt ist sie Zwei Trainingseinheiten und Gewichts- frei, und die Freiheit fühlt sich an wie eine kontrollen täglich, abends bekam sie ei- Katastrophe. nen Zettel, auf dem der Ablauf des nächs- Im Juni wird sie 22 Jahre alt. Sie lebt ten Tages notiert war: was sie trainieren jetzt in Saarbrücken, hier hat sie gerade soll, wann sie aufsteht, wann sie zu Bett ihre erste Wohnung eingerichtet, 65 Qua- geht. Bis zu drei Stunden täglich ver- dratmeter. Nicht weit entfernt vom Trai- brachte sie auf dem Laufband, um ihr Ge- ningsplatz am Olympiastützpunkt. Ihre wicht zu halten. Nahm sie zu, musste sie Haare sind streng nach hinten gebunden, Extraeinheiten absolvieren. Und wenn sie sie trinkt Apfelschorle, lächelt freundlich ihren Trainer enttäuschte, beschimpfte und erzählt. Von ihren Eltern, die immer Font de Mora sie als Esel, den man antrei- nur ihr Bestes wollen, sie aber nie in Ari- ben müsse, damit er funktioniere. zona besuchten. Von dem Neuanfang jetzt Manchmal ging sie mit ihrer Gastfamilie

in Deutschland. Und von ihrem Verhältnis ins Kino. Ansonsten Verzicht. Verzicht auf ZIMMER / IMAGO PAUL zu Ex-Trainer Rafael Font de Mora. Ihre die erste große Liebe, Verzicht auf Familie, Trainer Font de Mora Stimme klingt kühl und distanziert. Verzicht auf Freunde. „Das war damals si- „So und nicht anders“

130 der spiegel 21/2007 piastützpunkt. Sie verlor die Kontrolle über ihren Körper. In nur vier Monaten nahm sie 20 Kilo zu. Aus der „Tennis-Prin- zessin“ war die „Moppel-Grönefeld“ ge- worden. In sieben Turnieren scheiterte sie schon in der ersten Runde, trotz ihres neu- en Trainers Dirk Dier, der sie erst einmal für sieben Wochen aus der Öffentlichkeit nahm. Dass sie zugenommen hat, sagt sie, sei einfach so gekommen. „Ich habe mich psychisch nicht so gut gefühlt.“ In den Monaten nach der Trennung be- gann auch der Rosenkrieg des verlassenen Trainers. Font de Mora mailte Drohbriefe an Barbara Rittner, die Trainerin des Deutschen Frauenteams, die sich kritisch über ihn ge- äußert hatte, und er warf Grönefelds Eltern vor, Gerüchte über eine angebliche Affäre mit Anna-Lena zu verbreiten. „Ohne mich“, sagte er zu Journalisten, „ist Anna nichts.“ Jetzt hat sie einen Ernährungsberater und einen Psychologen an ihrer Seite. Sie macht viele Läufe und hat sich vorgenom- men, jede Woche mindestens ein Kilo ab- zunehmen. „Mein Ziel ist es nach wie vor, unter die Top Ten zu kommen“, sagt sie. „So schlank, wie ich mal war, werde ich wohl nicht wieder, aber ein bisschen muss noch runter – und eigentlich habe ich kei- ne Lust mehr, darüber zu sprechen.“ Das Comeback nach ihrer Pause im Frühjahr begann mit zwei Siegen für das Frauenteam beim Fed Cup gegen Kroatien. Bei einem Turnier in Warschau flog sie erst in der zweiten Runde raus, immerhin. Und dann Berlin. Und die öffentlichen Fragen zu ihrem frühen Ausscheiden. Fra- gen zu ihrem Gewicht, die ihr peinlich sind und auf die Nerven gehen. Fragen zu Font de Mora, der Journalisten die angeblich wahre Geschichte über Anna-Lena Grö- nefeld anbietet. Fragen, auf die es keine guten Antworten gibt, wenn man eine jun- ge Frau ist und etwas Würde behalten will. Anna-Lena Grönefeld lächelt, sie will selbst nach einer Niederlage fröhlich wir- ken. „Sie wird den Durchbruch schaffen“, sagt die Teamchefin Barbara Rittner. Auch in Rom vergangene Woche, beim dritten großen Turnier für Anna-Lena Grö- nefeld nach ihrer Pause, war Rafael Font de Mora wieder da. Er trainiert jetzt die Amerikanerin Meghann Shaughnessy. Shaughnessy ist auch so ein ehemaliges Tennis-Wunderkind. Groß, blond, harter Aufschlag, 28 Jahre ist sie mittlerweile alt, und auch sie leidet unter Gewichtsproble- men. Grönefeld und Shaughnessy haben miteinander sogar Doppel gespielt. Shaughnessy war 14, als sie schon einmal unter Font de Mora trainierte. Später wa- ren sie ein Paar, bis sie sich vor ein paar Jahren trennten. Nun arbeiten sie zumin- dest wieder zusammen. Anna-Lena Grönefeld überstand ver- gangene Woche in Rom nicht einmal die erste Runde. 0:6 und 4:6 verlor sie gegen die Französin . Sie war chancenlos. Cathrin Gilbert der spiegel 21/2007 131