Präsentiert

VON JETZT AN KEIN ZURÜCK

Ein Film von Christian Frosch

Österreich / Deutschland 2015 108 Minuten, Farbe & Schwarzweiß

Kinostart: 19. Juni 2015

www.filmladen.at/presse http://www.filmladen.at/von.jetzt.an

VERLEIH Filmladen Filmverleih GmbH Mariahilfer Straße 58/7 1070 Wien Tel: 01 / 523 43 62-0 [email protected] http://www.filmladen.at

Unterrichtsfächer

Geschichte / Sozialkunde / Politische Bildung / Religion / Ethik / Deutsch 1

Inhaltsverzeichnis

Zum Film ...... 3 Besetzung ...... 3 Team ...... 4 Preise ...... 5 Festivals ...... 5 Pressestimmen ...... 6 Pressenotiz ...... 6 Inhalt ...... 7 Drehbuchautor und Regisseur ...... 8 Statement des Regisseurs ...... 8 Über das Drehbuch ...... 9 Zum Soundtrack ...... 11 Biografien ...... 12 Christian Frosch ...... 12 Victoria Schulz ...... 14 Anton Spieker ...... 14 Ernie Mangold ...... 14 Ben Becker ...... 14 Thorsten Merten ...... 14 Texte zum Film ...... 16 Publikumspreis für "Von jetzt an kein Zurück" ...... 16 Zu den Nonnen statt zu den Monks ...... 17 Interviews zum Film ...... 18 Christian Frosch im Interview mit Knut Elstermann ...... 18 Christian Frosch zu Gast bei Deutschlandradio (7.3.2015) ...... 18

2 Zum Film

Besetzung

Ruby Victoria Schulz Martin Anton Spieker Rubys Vater Ben Becker Rubys Mutter Ursula Ofner Martins Vater Thorsten Merten Omi Helga Boettiger Harry Tino Hillebrand Xaver Ivo Kortlang Direktor Newald Michael Prelle Deutschlehrerin Kirsten Hildisch Priester Andreas Seifert Mutter Benedikta Erni Mangold Schwester Agathe Walfriede Schmitt Schwester Martha Cora Frost Hausvater Axel Olsson Bruder Udolf Kristof Gerega Bruder Rossmann Markus Hering Kapo Horst Jan Breustedt Kapo Knut Tim-Daniel Drexler Kapo Uwe Niklas Löffler Arzt Peter Meinhardt Einarmiger Lieferant Thomas Birklein Gisela Eva Maria Jost Susanne Nell Pietrzyk Plattenverkäuferin Malika Ziouech Fürsorgebeamter Jost Hering Katja 13 Eva Reichle Katja 19 Helen Woigk

3 Team

Buch und Regie Christian Frosch Dramaturgie Olaf Winkler, Susan Schulte Produzenten Jost Hering, Mathias Forberg, Viktoria Salcher Koproduzenten Frank Evers, Helge Neubronner, Kristina Konrad Kamera Frank Amann Schnitt Karin Hammer, Daniel Scheimberg Musik Andreas Ockert Ton Torsten Lenk Sounddesign Linus Nickl Mischung Martin Grube Szenenbild Lena Mundt, Kay Kulke Kostüme Stefanie Jauss Maske Axel Wilms, Maitie Richter Casting Britt Beyer Regieassistenz Silvia Pernegger, Diana Ruisz Oberbeleuchter Martin Bourgund Kamerabühne Joscha Jenessen, Marko Peros, Björn Wiesenthal Kameraassistenz Markus Otto Außenrequisite Henrike Kähler Innenrequisite Bea Kosubek Titeldesign Andreas Märker Produktionsleitung Caroline Kirberg Aufnahmeleitung Fabian Groß Herstellungsleitung Österreich Thomas Konrad Gesamtleitung Jost Hering

Produktion Jost Hering Filme und Prisma Film, Wien, mit Unterstützung von Cine+ und weltfilm

Gefördert durch Filmförderung Schleswig-Holstein, Nordmedia, BKM, DFFF, ÖFI, Filmförderung Niederösterreich. Drehbuchentwicklung unterstützt durch Equinoxe .

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Preise

„Seymour Cassel Award als Beste Schauspielerin“ Beim Filmfest Oldenburg 2014 für Victoria Schulz als Ruby

„Publikumspreis der Diagonale Graz 2015“

„Lobende Erwähnung der Diagonale Graz 2015“

„Beste künstlerische Montage Spielfilm“ Bei der Diagonale Graz 2015 für Karin Hammer

„Deutscher Schauspielpreis 2015 - Nachwuchsschauspieler“ Nominierung für Victoria Schulz und Anton Spieker

„Deutscher Filmpreis 2015“ Vorauswahl

Festivals

Internationales Filmfest Oldenburg 2014 Nordische Filmtage Lübeck 2014 Internationales Filmfestival Mannheim Heidelberg 2014 Diagonale Graz 2015 Queer Filmfestival Palermo 2015 14. AUDI Festival of German Film Sydney, Melbourne Edinburgh International Filmfestival 2015 Deutsche Filmreihe in Beirut 2015

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Pressestimmen

„...ein hinreißend erzähltes, toll gespieltes, hoch politisches Melodram um Liebe, Verrat und Schuld.“ (Kleine Zeitung)

"Ein Gewebe aus Einstellungen, die eine große, fast schon traumartige Offenheit erzeugen. Dieser Film ist in jeder Hinsicht ein großer Wurf." (Filmdienst)

"Einfühlsam und spannend erzählt." (Welt)

"Die Rockballade in energiegeladenem Schwarz-Weiß konfrontiert sehenswert mit einem einst von Ulrike Meinhof aufgegriffenen Horrorkapitel der bundesrepublikanischen Geschichte." (Tip)

"Ein wohltuendes Gegenbild zum dominierenden Fernsehformat deutscher Kinofilme, die beiden Hauptdarsteller sind herausragend." (Berliner Morgenpost)

"In dichten, meist schwarz-weißen Bildern und mit starken jungen Darstellern erzählt Frosch eine autobiografisch gefärbte Geschichte. Wuchtig!" (Ticket)

"VON JETZT AN KEIN ZURÜCK, teilweise in Schwarzweiß, teilweise in Farbe gedreht, entfaltet mit der Zeit eine melodramatische Wucht, die an Fassbinders Filme über die deutsche Geschichte erinnert." (Indiekino)

Pressenotiz

Die Schauspielentdeckungen Victoria Schulz und Anton Spieker sowie Ben Becker als Rubys Vater führen das eindrucksvolle Ensemble an, das Frosch für seinen Film versammelt hat – ein pulsierendes Liebesdrama und ein Stück erschreckender Zeitgeschichte, das mit einer berührenden „Romeo-und-Julia“-Geschichte zeigt, mit welcher Wucht die Generationen Ende der 60er Jahre aufeinander prallten und welche Narben dieser Zusammenstoß hinterließ. (Oldenburg Filmfestival)

Victoria Schulz erhielt für ihre herausragende Darstellung der Ruby 2014 den "Seymour Cassel Award als Beste Schauspielerin" auf dem Filmfest Oldenburg.

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Inhalt

Deutschland 1968. Zwei Jugendliche in der deutschen Provinz: Martin träumt davon, Schriftsteller zu werden und mit seiner Literatur die Welt aus den Angeln zu heben. Rubys Leidenschaft ist die Musik. Wer Ruby, die eigentlich Rosemarie heißt, einmal singen gehört hat, weiß, dass sie wirklich das Zeug zur Sängerin hat. Martin und Ruby treffen sich heimlich so oft es geht, aber mit jedem Tag wird dieser Zustand unerträglicher. Rubys Vater ist ein unerbittlicher Tyrann, streng-katholisch, vom Krieg und von der Wiederaufbaumoral geprägt. Ruby wagt es deshalb nicht, offen zu ihrer Liebe zu Martin zu stehen. Für ihren Vater verkörpert Martin all das Böse, wovon er seine Tochter fernhalten will. Die Schlinge beginnt sich langsam zuzuziehen. Martin und Ruby hauen ab. Sie wollen in untertauchen. Der Traum ist kurz. Ruby landet in einem geschlossenen katholischen Heim bei den „Barmherzigen Schwestern“ und Martin wird ins berüchtigte Erziehungsheim der Diakonie in Freistatt eingeliefert. Ruby und Martin müssen nun getrennt voneinander um ihr geistiges Überleben kämpfen - in einer Welt, die nur darauf abzielt, sie zu brechen.

Deutschland 1977. Aus Ruby ist eine mittelmäßig erfolgreiche Herz/Schmerz – Schlagersängerin geworden. Sie hat sich arrangiert. Doch die glamouröse Maske lässt sich nur mit Alkohol und Tabletten aufrecht erhalten. Martin ist hingegen unversöhnt, selbstzerstörerisch und gewalttätig. Nach dem Heim schloss er sich einer militanten Gruppe an und landete im Knast. Noch immer verbindet die beiden eine Liebe, die unmöglich zu leben ist, aber auch durch nichts ausgelöscht werden kann. Vor einem wichtigen Auftritt, wird Ruby von ihren Gespenstern heimgesucht. Das Vergangene ist nicht tot....

7 CHRISTIAN FROSCH

Drehbuchautor und Regisseur

Statement des Regisseurs

Papier ist geduldig. Es gab nicht wenige Momente, in denen ich den Drehbuchautor, also mich selbst, verfluchte. Szenen mit 100 Statisten, viele Schauplätze und das Ganze im historischen Ambiente sind für einen Low-Budget-Film eine schwere Zumutung. Zusätzlich noch ein Ensemble von 30 tragenden Rollen, was ein mehrmonatiges extrem intensives Casting bedingte. Ruby und Martin müssen ferner eine Spanne von 10 Jahren und einen emotionalen Bogen von jugendlicher Naivität bis zur desillusionierten Alkoholikerin und einem Ex-Knacki glaubwürdig darstellen. Schon beim ersten Casting von Victoria Schulz, die Britt Beyer vorschlug, bekam Ruby ein Gesicht. Es gab keine Zweifel. Als Anton Spieker zum Casting kam, war ich zuerst skeptisch, Anton entsprach nicht nur äußerlich in keiner Weise meinem inneren Bild von Martin. Der Autor hatte Martin als dunkelhaarig und schlaksig beschrieben. Doch Antons Talent und die Energie, mit der er sich die Rolle aneignete, brachten das ursprüngliche Bild zum Verschwinden, bis kein anderer mehr als Anton für die Rolle vorstellbar war. Normalerweise entwickle ich beim Schreiben eine klare visuelle Vorstellung des Films. Im Kopf ist der Film gedreht und dann muss ich nur versuchen, diese Vorstellung umzusetzen. In diesem Fall wollte sich der Film vor meinem geistigen Auge nicht einstellen. Ich wusste alles über die Psyche und Biographien meiner Figuren, was sie in jedem Moment sagen und - genauso wichtig - was sie verschweigen. Der Befreiungsschlag kam aus einer unerwarteten Richtung: ökonomischer Zwang. Wenn wir den Film „normal“ gedreht hätten, wäre es in der Drehzeit unmöglich zu schaffen gewesen. Streichungen wären die naheliegende Antwort gewesen, doch ich wusste, dass dies den Film zerstören würde. Der Kameramann Frank Amann brachte es auf den Punkt: Nur, wenn wir hauptsächlich Handkamera einsetzen gäbe es die Möglichkeit, dieses Pensum zu schaffen. Da ich eine gewisse Aversion gegen den pseudoauthentischen Dogma-Stil habe, brauchte es einige Zeit, mich mit der Tatsache anzufreunden. Ich kannte aber Franks Arbeit als Dokumentarkameramann. Er hat die Begabung auch in nicht planbaren Situationen großartige Kinobilder zu machen und intuitiv immer die wichtigen Momente zu finden. Den Film in dieser Weise zu drehen war eine der besten Entscheidungen, die ich jemals getroffen hatte. VON JETZT AN KEIN ZURÜCK war für die Schauspieler und die Techniker eine riesige Herausforderung, weil fast alle Szenen von A-Z durchgedreht wurden. Die Vorgabe war: Egal was passiert, wir werden einen Take nicht wiederholen, sondern ihn aus einer anderer Perspektive wieder zur Gänze durchdrehen. So lange, bis wir soviel Material haben, dass wir für

8 jeden Moment aus einem Take einen perfekten Moment für den Schnitt haben. Zusätzlich gewöhnten wir uns an, Takes nicht mit dem im Drehbuch vorgesehenen Ende abzubrechen, sondern die Kamera weiter laufen und die Darsteller improvisieren zu lassen. Manchmal war der Nachlauf 15 Minuten lang. Dies waren magische Momente, in denen die Figuren plötzlich zu einem Leben jenseits des Scripts erwachten. So konnten wir nicht nur alle Szenen drehen, sondern hatten für den Schnitt noch einen Überschuss an Material, von dem sehr viel in den Film Eingang gefunden hat. Wir konnten wir beim Montieren des Filmes in die Vollen greifen und unter vielen Optionen auswählen.

Über das Drehbuch

Godard sagte einmal, dass die interessantesten Filme wohl die weggeworfenen Ideen der Drehbuchschreiber wären, die nie die Schublade verlassen. Auf meiner Festplatte, das heutige Äquivalent zur Schublade, entsorgte ich vor längerem die Idee zu einem Film über eine Schlagersängerin, die eher zufällig als gewollt in der Maschinerie der Unterhaltungsindustrie landet. Die Musik, die sie eigentlich machen will, verkauft sich nicht. Hinter der heilen Schlagerfassade macht sich Selbsthass breit, den sie mit Alkohol und Drogen „kuriert“, bis es zur Katastrophe kommt.

Eine weitere Karteileiche war eine Geschichte, stark autobiographisch geprägt, in der ich meine Jugend in der Provinz thematisierte. Unter anderem meinen kläglich missglückten Versuch, mit fünfzehn von zu Hause abzuhauen. Da ich als Nachzügler relativ alte Eltern habe, die noch von Krieg und Nachkrieg geprägt waren und Provinz damals noch wirklich von der Welt abgeschnitten zu sein bedeutete, sind die Themen und Widerstände, mit denen ich mich herumschlagen musste, nicht so verschieden von dem, womit Ruby und Martin im Film zu kämpfen haben. „Die Menschen ändern sich nämlich langsamer als die Verhältnisse, unter denen sie leben“ (Friedrich Heer). Diese Drehbuchidee scheiterte an meiner inneren Stimme: „Nur, weil es dir passiert ist, muss es noch nicht interessant sein!“

Dann gab es vor einigen Jahren eine folgenreiche Begegnung mit einem Mann, den man als Jugendlichen in ein Heim eingewiesen hatte und der mir seine traumatischen Erlebnisse erzählte. Mein erstes Gefühl war Wut. Wie konnte man so mit Kindern und Jugendlichen umgehen? Wie konnte es geschehen, dass man so viele Leben systematisch zerstörte? Nicht in einer fernen Zeit und einem exotischen Land, sondern in der BRD bis in die 70er Jahre hinein. Ich fing Feuer für dieses Thema. Ich wollte unbedingt diese verborgene Geschichte sichtbar machen.

9 Die Recherche begann zu einer Zeit, als kaum noch etwas über das Thema publiziert war und meine Hauptquelle die Gespräche mit ehemaligen Heimkindern darstellte. Das hatte den Vorteil, dass der unmittelbare emotionale Aspekt beim Schreiben im Vordergrund stand. Ich wurde so mit Geschichten und Details konfrontiert, die schwer auszuhalten sind. Und eines war mir von Anfang an klar: die Vorgänge im Heim müssen im Film authentisch erzählt werden. Erfindungen oder Übertreibungen verbieten sich. Dann wurde durch das Buch „Schläge im Namen des Herren“ Heimerziehung zum bundesweiten Thema. Ein Runder Tisch befasste sich mit der Geschichte der Opfer. Ein verschwiegenes Kapitel, die Geschichte von ca. 500.000, wurde endlich thematisiert. Ehemalige Heimkinder gingen an die Öffentlichkeit. TV-Filme entstanden... Die Stärke von Fernsehen ist die Aktualität. Die Stärke von Kino ist die Intensität. Die 500.000 ehemaligen Heimkinder könnten Stoff für einen Dutzend Filme liefern.

Die Schreibkrise ließ aber dennoch nicht lange auf sich warten. Denn Heimfilme und auch Gefängnisfilme sind ja ein eigenes Genre: Protagonist landet in einer Umgebung, in der eigene Gesetze herrschen. Er/sie wird unerträglichen Zuständen ausgeliefert und kämpft dagegen an. Ein Szenario von Macht und Ohnmacht, das eigentlich nur wenige befriedigende Schlüsse zulässt: Die (gescheiterte) Revolte, den (versuchten) Ausbruch oder den (Selbst)mord. Es ist zwar richtig, dass alle Geschichten im Grunde schon einmal erzählt wurden, aber um so wichtiger ist es, eine Geschichte anders zu erzählen. „Film bildet nicht die Realität ab, sondern eine Vorstellung der Realität “ (Enno Patalas). Anfänglich dachte ich, dass die Idee, die Geschichte eines Paares zu erzählen schon ausreicht, die Perspektive zu erweitern. Immerhin kann man dadurch verschiedene Aspekte beleuchten. Die katholischen Nonnen, die mit Strenge, Schlägen und Gebeten den „gefallenen Mädchen“ den rechten Glauben einbläuen und die protestantischen, am soldatischen Ideal von Männlichkeit orientierten Heime wie Freistatt haben zwar das gleiche Ziel, aber andere Verfahrensweisen und Vorstellungen. Gemeinsam ist ihnen, dass durch harte körperliche Arbeit und die absolute Kontrolle die Jugendlichen gebrochen werden sollten. Durch Gebete, Schläge und Drill sollten aus ihnen angepasste Untertanen werden. Alles interessant, trotzdem hatte ich das Gefühl, in einer Sackgasse zu sein: Schublade!

Eines Tages erwachte ich und ich wusste es: Die Kleinstadterzählung, die kaputte Schlagersängerin und die Heimgeschichte sind Teile eines Films. Als ich dann einige Tage später ein Stück der „Fehlfarben“ hörte, blieb mir eine Textzeile hängen: „Von jetzt an kein zurück“. Nun hatte ich auch den passenden Titel für den Film gefunden.

10 Zum Soundtrack

Der Eröffnungssong “Wir”, den im Original Freddy Quinn singt, etabliert das Thema: den Konflikt mit der antiautoritären Jugend; Originellerweise aus der Sicht des Konformisten. Es ist ein Schlager, der seine reaktionäre Botschaft nicht verschlüsselt. Da der Konflikt - Rock kontra Schlager auch für Ruby eine existenzielle Bedeutung hat- und die Zuschauenden sofort ins Thema hinein zieht, war er für uns unverzichtbar. Da wir das Original nicht verwenden durften half uns zum Glück ein wunderbarer Freddy Quinn - Imitator aus der Bredouille.

Den Schlusssong hat die legendäre Berliner Chansonsängerin Cora Frost extra für den Film geschrieben. (Sie wirkt auch als sadistische Nonne “Martha” im Film mit). Das eher düstere Ende sollte noch ein positives Gegengewicht erhalten, denn das Lied “The girl behind the curtain” ist auch ein Lied über Ruby. Es ist ein Lied über ein ungeliebtes Kind, mit fast übermenschlichem Überlebenswillen ausgestattet, das sich letztendlich befreit. Der Rest des Soundtracks, den Andreas Ockert komponierte, lehnt sich an Motive der legendären “Prä- Punk” Gruppe “The Monks” an. Uns war es wichtig auf der Musikebene nicht sechziger Jahre Nostalgien zu bedienen. Die Musik sollte, so wie für die Protagonisten, nichts Rückwärtsgewandtes haben, sondern neu und frisch wirken und dabei trotzdem in der Zeit verankert bleiben.

11 Biografien

Christian Frosch Drehbuchautor und Regisseur

Lebt und arbeitet seit 1988 in Berlin. Geboren 1966, Ausbildung zum Fotographen in Wien an der „Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt.“ Er absolvierte 1997 die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). 10 Kurzfilme, 4 realisierte lange Drehbücher, u.a. Carl Mayer- Förderungspreis 2005 und 1998, Script 99- Award. Drei lange Kinospielfilme als Autor und Regisseur.

FILME (Auswahl) 2008 WEISSE LILIEN (Silent Resident) Buch und Regie, 35mm Cinemascope, 96 min. Premiere: International Film Festival Toronto 2008 Weltvertrieb: Bavaria International Verleih: Polyfilm (Ö), Neue Visionen Filmverleih (D)

2007 TEAR WORKS Buch, Regie, Produktion, Digi Beta 10 min. Uraufführung Diagonale 2008

2005 UNSER AMERIKA Co-Autor, essayistischer Kino-Dokfilm, 35 mm, 90 min. Regie: Kristina Konrad Produktion: Maximage Zürich Premiere: Viennale 2005 Preis für den besten ausländischen Film beim Filmfestival in Havanna

2002 K. a F. ka - FRAGMENT Buch und Regie, Spielfilm, 85 min. Produktion: konradfrosch film Berlin u. hammelfilm Wien Premiere: Filmfestival Rotterdam „Pearl of the World“ Preis der Filmjury beim IFF Sochi Kinostart Deutschland 2003, Verleih: Neue Visionen Kinostart Österreich April 2002

1997 DIE TOTALE THERAPIE. Buch und Regie, Spielfilm, 124 Min. Verleih Deutschland: Neue Visionen, Verleih Österreich: Polyfilm Wien TV- Ausstrahlungen(1999): ORF, VOX, 3 Sat (2000) Förderungspreis Carl Mayer Drehbuchwettbewerb 1999

1997 GESCHES GIFT. CO-Autor, Spielfilm, 92 Min. Regie: Walburg v. Waldenfels Produktion: Jost Hering Filmproduktion Berlin Erstausstrahlung ZDF 1997, 3 Sat 2004

1995 EINE SEEKRANKHEIT AUF FESTEM LANDE 12 Co-Regie, Co-Autor, 14 min. Über 20 Festivals, u.a. Intern. Film Festival Rotterdam, Locarno, Int. Wettbewerb Oberhausen, Chicago TV- Ausstrahlungen ORF- Kunststücke, 3 Sat

1996 SISI AUF SCHLOSS GÖDÖLLÖ Buch und Regie, mittellanger Spielfilm, 40 min. Produktion: Jost Hering Filmproduktion Berlin/ Christian Frosch u.a. Intern. Film Festival Rotterdam TV- Ausstrahlungen ORF- Kunststücke, 3 Sat

1992 DIE FINSTERNIS UND IHR EIGENTUM Buch und Regie, Kurzfilm 12 min. Produktion: Deutsche Film und Fernsehakademie Berlin u.a. Wettbewerb Int. Filmfestival Mannheim TV- Ausstrahlungen SWF und 3 Sat

1988 VERKOMMENES UFER Buch, Regie, Produktion, Kurzfilm 22 min. u.a. Wettbewerb Int. Kurzfilmfestival Oberhausen

SPIELFILMDREHBÜCHER 2011 VON JETZT AN KEIN ZURÜCK gefördert durch BKM, Equinox Germany

2009/2010 MONSTER Co-Autor gemeinsam mit Andreas Bolm, gefördert durch die „Cinema Foundation“

2007 HELLER ALS DER LICHTE TAG gefördert durch Medienboard Berlin Brandenburg, MEDIA

2006 VANITAS gefördert durch das „Kuratorium des jungen deutschen Film“ Drehbuchpreis „Carl Mayer Drehbuchwettbewerb 2005“

2001 DIE VERLORENEN gefördert durch das Österreichische Filminstitut

2000 MAN IN RED Kinospielfilm Co-Autor gemeinsam mit Jan Ralske gefördert durch das BMI

1999 FAMILIENBANDE Kinospielfilm ausgezeichnet mit dem Drehbuchpreis "Skript 99", gestiftet von Taunus Film

1986 ORT OHNE BERÜHRUNG Kinospielfilm ausgezeichnet mit dem Förderungspreis des Donau- Drehbuchwettbewerbs

13 Victoria Schulz Ruby Bis 2013 Schauspielstudium an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Babelsberg, 2013 Coaching bei Teresa Hader, 2013 Biomechanik-Workshop nach Meyerhold bei Gennadi N. „Ruby“ ist ihre erste Hauptrolle in einem Kinofilm. Sie erhielt dafür 2014 den "Seymour Cassel Award als Beste Schauspielerin" auf dem Filmfest Oldenburg.

Anton Spieker Martin 2013 Abschluss der Ausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch", 2008-2009 Europäisches Theaterinstitut Berlin. Neben mehreren Rollen in Kino und TV ist „Martin“ seine erste große Hauptrolle in einem Kinofilm.

Ernie Mangold Mutter Benedikta KINO (Auswahl): 2010 KOTTAN ERMITTELT– Rien ne va plus (Peter Patzak) 2007 ANONYMA (Max Faerberböck) 2007 NORDWAND (Philipp Stölzle) 2006 NEUSTADT/ WEISSE LILIEN (Christian Frosch) 1998 DREI HERREN (Nikolaus Leytner) 1995 BEFORE SUNRISE (Richard Linklater)

Ben Becker Rubys Vater KINO (Auswahl): 2012 DAS KIND (Zsolt Bács) 2010 HABERMANN (Juraj Herz) 2008 DIE ROTE ZORA (Peter Kahane) 2005 EIN GANZ GEWÖHNLICHER JUDE () 2001 SASS (Carlo Rola) 2001 FRAU2 SUCHT HAPPYEND (Edward Berger) 2000 MARLENE () 1998 EIN LIED VON LIEBE UND TOD (Rolf Schübel) 1997 COMEDIAN HARMONISTS (Joseph Vilsmaier) 1994 SCHLAFES BRUDER (Joseph Vilsmaier)

Thorsten Merten Martins Vater KINO (Auswahl): 2014 ALKI, ALKI (Axel Ranisch) 2014 JESUS IN BRANDENBURG (Dietrich Brüggemann) 2014 WIR SIND JUNG. WIR SIND STARK. (Burhan Qurbani ) 2012 SILVI (Nico Sommer)

14 2011SUSHI IN SUHL (Carsten Fiebeler) 2011HALT AUF FREIER STRECKE (Andreas Dresen) 2008 ELEMENTARTEILCHEN (Oskar Roehler) 2005 HALBE TREPPE (Andreas Dresen)

15 Texte zum Film

Ute Baumhackl (Kleine Zeitung)

Publikumspreis für "Von jetzt an kein Zurück"

„Von jetzt an kein Zurück“ von Regisseur Christian Frosch ist der beliebteste Film der Diagonale. Der auf einer wahren Lebensgeschichte basierende Film schildert, wie ein junges Liebespaar zu Ende der 60er im Erziehungsheim landet. Ein Verleiher hatte ihm prophezeit, es würde schwer, für "diese schwierige Nische" ein Publikum zu finden. Weit gefehlt: "Man soll das Publikum nie unterschätzen", freut sich Regisseur Christian Frosch. Der gebürtige Waldviertler hat mit seinem Film „Von jetzt an kein Zurück“ zum Diagonale-Finale den Publikumspreis der Kleinen Zeitung gewonnen.

Für den überraschten Sieger ist der Publikumspreis „die Königsdisziplin. Egal, wie hoch der künstlerische Anspruch ist: Was kann man sich mehr wünschen, als dass die Leute den Film mögen?“ Mehr als 1300 Kinobesucher bestimmten per Abstimmungskarte über den beliebtesten Film des Festivals. Der in Berlin lebende Regisseur erzählt in "Von jetzt an kein Zurück" in kantigem Schwarzweiß von einem jungen Liebespaar in der deutschen Provinz zu Ende der 60er-Jahre. Ruby und Martin, zart rebellisch, landen wegen Bagatellen in Erziehungsheimen. Der Film schildert die Zustände dort, die Demütigungen durch Ordensschwestern und Ex-Nazis – und die Spätfolgen für ihre Opfer im radikalisierten Deutschland der ausgehenden 70er-Jahre. Keine leichte Kost, aber ein hinreißend erzähltes, toll gespieltes, hoch politisches Melodram um Liebe, Verrat und Schuld. Entstanden ist der Film aus der spätnächtlichen Begegnung in einem Lokal: „Dort hat mir ein Typ sein Leben erzählt – im wesentlichen die Geschichte von Martin“, die Biografie eines Mannes, der nach dem Erziehungsheim ins linke Terrormilieu geriet. Bei Recherchen fand Frosch dann heraus: Eine Million Jugendliche wurden in den 60er und 70ern in deutschen Erziehungslagern „diszipliniert“, in Österreich dauerte der Schrecken gar bis in die 80er-Jahre. Überraschend die Besetzung: Schauspielstar Ben Becker ist, ganz gegen den Strich gebürstet, als überforderter, prügelnder Vater zu sehen. „Er hatte erst Angst vor der Rolle“, sagt Frosch, "weil die Figur alt und unsympathisch ist. Außerdem hat Becker selbst eine Tochter im Alter von Ruby, das war für ihn also schwierig. Ich fand aber das Bipolare, das Grobe und dann wieder so Sentimentale, wie es so übergangslos hin und her springt, an seiner Figur interessant. Dafür braucht man einen brachialen Typen, und Becker hat dafür gut gepasst." Letztlich mochte der Schauspieler seine Rolle und den Film. Nicht als einziger: „Von jetzt an kein Zurück“ steht bereits auf der Longlist zum Deutschen Filmpreis. Vormerken: Am 19. Juni läuft der Film regulär im Kino an.

16 Hans Christian Leitich (ORF.AT)

Zu den Nonnen statt zu den Monks

Drangsalierte Jugend im Schatten des Kalten Krieges: Lange unterdrückt und unterspielt wurden die Grausamkeiten in kirchlichen „Erziehungsheimen“ in Deutschland, Christian Frosch vermittelt diese in seinem schwungvollen Jugenddrama „Von jetzt an kein Zurück“.

Mit viel Applaus bedacht wurde am Mittwochabend die Österreich- Premiere von „Von jetzt an kein Zurück“, Christian Froschs Drama über ein Pärchen jugendlicher romantischer Rebellen in der alten Bundesrepublik Deutschland des Jahres 1967, die, von Jugendamt und Eltern eingewiesen, durch die autoritären Mühlen geschlossener „Erziehungsheime“ geschliffen werden. Und es gab eine überraschende Volte bei der Premiere der deutsch-österreichischen Koproduktion nach einem Hinweis und aus Anlass des Tages: ein spontanes Geburtstagsständchen des Publikums.

Sturm und Drang ... und Einweisung

Ein harmonischer Abend am Ende einer äußerst langen Entstehungsgeschichte, wie Frosch erzählte: Das Thema beschäftigte ihn seit langem, lange hielt er Kontakt zu ehemaligen Heimkindern, die oft wegen läppischer Delikte zwecks „Fürsorge“ eingesperrt wurden - und zwei Drittel jener Heime wurden von den Kirchen geführt. Sechs Jahre zog sich die Entwicklung des Films hin, es hagelte serienweise Absagen.

Die Geschichte, die niemand fördern wollte, ist im Grunde ein klassisches Sturm-und-Drang-Melodram: Rosemarie (Victoria Schulz) ist 16, aus strikt katholischer Familie, jobbt neben der Schule im Plattenladen, nennt sich Ruby, mag kurze Röcke und liebt Beatmusik. Martin (Anton Spieker) schätzt französische Poeten des Fin-de-siecle, will selbst Autor werden, trägt die Haare halblang, wiederspricht Lehrern, die „letzte Warnungen“ aussprechen: „Auch Jesus hatte lange Haare“ - „Wenn das die Karriere ist, die sie anstreben ...“ Allerdings, nach einem Vespa-Unfall auf dem Weg zu einem Konzert der exzentrischen Beatband The Monks ist es für beide vorbei mit der Freiheit.

Im Stil des Jungen Deutschen Kinos der 1960er Jahre ist „Von jetzt an kein Zurück“ in Schwarz-Weiß gedreht; nur am Ende, einem 1977 angesiedelten Epilog als Rückschau auf die Folgen der detailliert geschilderten Heimtorturen, wendet er sich der Farbe zu, und es wird vollends fassbinderesk: Während Martin sein Heil in der Kriminalität sucht, ist aus Ruby eine Schlagersängerin geworden, die mit Schnaps und Tabletten ihre seifigen Textzeilen bewältigt.

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Interviews zum Film

Christian Frosch im Interview mit Knut Elstermann Bei Zwölf Uhr mittags auf Radio eins rbb (14.3.2015) http://www.radioeins.de/programm/index.htm/psdoc=!content!rbb!rad!pr ogramm!sendungen!sendungen!16!1503!150314_eins_12_uhr_mittags_16 483.html Ab Minute 12:20 bis 20:20

Christian Frosch zu Gast bei Deutschlandradio (7.3.2015)

Kinofilm über Heimerziehung "Mir war es wichtig, dass es ein Zeitporträt wird" Moderation: Susanne Burg

Beitrag hören unter: http://www.deutschlandradiokultur.de/kinofilm-ueber-heimerziehung-mir- war-es-wichtig-dass-es-ein.2168.de.html?dram%3Aarticle_id=313609

Ein verstörender Film: "Von jetzt an kein Zurück" kommt am Donnerstag in die Kinos und erzählt von zwei Kindheiten im Heim. Im Interview spricht der Regisseur Christian Frosch darüber, was ihn an dem Thema interessiert hat und warum es für ihn bis heute so wichtig ist.

Susanne Burg: "Von jetzt an kein Zurück" heißt ein Film, der am Donnerstag in den deutschen Kinos anläuft. Und der Film zeigt: In der deutschen Provinz der späten 60er-Jahre aufzuwachsen, weit weg von den großstädtischen Zentren der 68er-Bewegung, war alles andere als ein Vergnügen für Jugendliche, die Beatmusik liebten und gegen alle Spießigkeit randalierten. "Von jetzt an kein Zurück" erzählt die Geschichte der beiden Schüler Martin und Ruby, die infiziert sind vom Schwung ihrer Generation, die sich lieben und die die Repressalien mit aller Härte zu spüren bekommen. Ruby, gespielt von Victoria Schulz, landet in einem geschlossenen katholischen Heim, Martin, gespielt von Anton Spieker, in der gefürchteten Erziehungsanstalt der Diakonie Freistatt.

O-Ton Film: Grund des Antrags: drohende sexuelle Verwahrlosung und Arbeitskungelei. 18

Ohne jegliche Anklage? Ruby! Ruby! Ruby! Martin! Ruby!

Burg: Der Drehbuchautor und Regisseur des Films ist Christian Frosch. Und er ist jetzt hier im Studio, guten Tag! Christian Frosch: Schönen guten Tag! Burg: Ja, der Film ist lange in Ihnen gereift. Sie haben sich mit der Situation der Heimkinder schon auseinandergesetzt, bevor es zum öffentlichen Thema wurde. Wie haben Sie sich diesem Thema angenähert? Frosch: Na ja, die erste war wirklich eine persönliche Begegnung, dass mir jemand, der in so einem Heim war, diese Geschichte erzählt hat, und ich das wirklich nicht glauben konnte, dass in der Bundesrepublik Deutschland in den 60er-Jahren so was möglich war. Und dann fängt man an zu recherchieren und merkt, oh, das hat es alles gegeben, und zwar nicht als Randphänomen, sondern die Schätzungen von Jugendlichen, die in diese Art von Erziehung geraten sind in der Nachkriegszeit, sind so zwischen 800.000 und einer Million. Also, das ist kein so ein kleines Phänomen. Burg: Und dann kam 2006 das Buch "Schläge im Namen des Herrn" von Peter Wensierski heraus, die Situation der Heimkinder in der Bundesrepublik war plötzlich überall in den Medien. Wie hat das Ihre Pläne für den Film beeinflusst? Frosch: Ja, so als Künstlerschwein ist es natürlich schon so, dass man denkt, diese Art von Aktualität brauche ich für einen Spielfilm eigentlich nicht. Ein Spielfilm muss sozusagen jenseits der Aktualität Qualitäten haben. Das Thema zum Film ist vielleicht ein Denken, was im Fernsehen funktioniert, aber das Kino muss meiner Meinung nach andere Spannungen aufbauen.

"Eine reine Heimgeschichte bringt nicht so wahnsinnig viel"

Burg: Und das heißt, Sie haben ja dann noch die Geschichte von Ruby und Martin vor ihrer Einweisung ins Heim erzählt. War das dann auch die Überlegung, diese Geschichte zu erweitern? Frosch: Ja, ich bin dann halt irgendwie zu dem Schluss gekommen, dass eine reine Heimgeschichte auch nicht so wahnsinnig viel bringt. Mir war dann aber wichtig, dass es ein Zeitporträt wird. Es spielt ja zwischen 67 und 77, also wirklich in der Bundesrepublik zehn wichtige Jahre, wo sehr viel passiert ist. Diese politischen Dinge spielen nur am Rand rein, aber sie sind eigentlich doch präsent. Und mir wurde dann halt wichtiger zu zeigen, dass es ein Vorher, Nachher, einen Kontext gibt. Man könnte

19 auch sagen, der Film geht um die Wiedergabe des Traumas, oder Weitergabe des Traumas. Burg: Des Traumas der Elterngeneration, die aus dem Zweiten Weltkrieg nach Hause gekommen sind und eigentlich damit nie gelernt haben umzugehen und das dann auch an ihre Kinder weitergegeben haben. Frosch: Genau. Das ist irgendwie ... mir eigentlich ... Ich bin 66 geboren, also, es ist nicht so wahnsinnig weit weg, aber mir ist es eigentlich – und das ist eigentlich ein bisschen peinlich – in der Recherche erst auch bewusst geworden, wie nahe der Krieg ist. Also, dass das so ein paar Jahre sind letztendlich. Und irgendwie hat man immer so ein Gefühl, die 60er-Jahre sind schon ganz weit weg vom Zweiten Weltkrieg. Und dass das so nahe ist, das ist mir erst mal so richtig emotional bewusst geworden. Und ich glaube, das ist auch in dem Film eine wichtige Schiene, dass man spürt, der Krieg und der Nachkrieg sind noch präsent.

Ob Katholizismus oder Protestantismus - "genauso brutal"

Burg: Sie schneiden die Erfahrungen von Ruby und Martin abwechselnd so gegeneinander, als sie dann im Heim sind. Sie ist eben im katholischen Heim, muss bügeln und singen, er ist in Freistatt, muss im Moor Torf stechen. Die körperlichen Torturen sind vor allem für Martin enorm, auch die Jungs untereinander sind unglaublich brutal. Bei den Mädchen geht es körperlich nicht ganz so brutal zu, aber wie vergleichbar sind die Systeme dieser Züchtigung dennoch? Frosch: Na ja, ich würde mal sagen, die protestantische Tradition oder ein Teil der protestantischen Tradition hat ja so einen Verdammnisaspekt, also jemand, der verdammt ist und deshalb auch hart angefasst werden muss. Das Katholische kennt das in der Form nicht, hat sozusagen immer so einen vermeintlich pädagogischen Ansatz oder Rettungsansatz, Seelenansatz. Letztendlich kommt es auf dasselbe hinaus, letztendlich ist es genauso brutal. Burg: Nun kann man sich fast diese Enge der Welt, diese Züchtigung in den Heimen heute kaum mehr vorstellen. Sie machen es dann in einzelnen Szenen deutlich, indem Sie zum Beispiel Ruby beim Essen zeigen: Sie bekommt das Essen vorgesetzt, sie kriegt es nicht runter, eine Nonne steht neben ihr und zwingt sie, Ruby erbricht das Essen in den Teller hinein und die Nonne verrührt es dann seelenruhig, stellt den Teller wieder vor Ruby. Diese Szene geht gefühlt relativ lange. Wie viel wollten Sie dem Zuschauer denn auch bewusst, ich sage mal, mitquälen, um diese Atmosphäre nachfühlbar zu machen? Frosch: Ich habe keine Horrorshow ... Die hätte man auch machen können. Es passieren in diesen Heimen so wahnsinnig viel Sachen, man könnte da eine Aneinanderreihung von Sadismen machen, das wollte ich nicht. Ja, ich glaube, die Szene tut weh, aber die war notwendig. Burg: Sie sagten eben, Sie wollten keine Horrorshow daraus machen. Es ist ja auch interessant, was Sie nicht zeigen. Also, beim Höhepunkt des Films, ich will jetzt nicht verraten, wie der aussieht, aber so abstrakt

20 gesagt, wo Repression und Ausbruchsversuch kulminieren, brechen Sie radikal ab und arbeiten dann mit Sounds und mit roten, blinkenden Bildern. Wie haben Sie entschieden, was Sie zeigen und was nicht? Frosch: Ich habe die ganze Schiene des sexuellen Missbrauchs nicht erzählt. Das ist so noch mal ein ganz eigenes, sehr sensibles Feld, das wollte ich nicht auch noch reinpacken. Und dann, an dem Höhepunkt abzubrechen, das hat damit zu tun, dass im dritten Akt das Trauma aktiv wird. Da springt die Zeit auch permanent. Und Traumata sind ja irgendwie Ereignisse aus der Vergangenheit, die sich eine Gegenwart verschaffen. Und diesen Ansatz habe ich formal realisiert im dritten Akt. Deshalb gibt es da plötzlich so eine gewisse zeitliche Desorientierung.

"Es kann kein Happy End geben"

Burg: Genau, diesem Teil, dem räumen Sie eigentlich gar nicht so viel Zeit ein. Und da geht es eben, genau, um diese Traumata. Das ist 1977, die beiden sind älter geworden und man merkt irgendwie so, sie haben Schwierigkeiten, mit ihrem Leben klarzukommen. Ich habe mich gefragt, kann man diese Wunden denn tatsächlich auch darstellen, die die Heimkinder davongetragen haben? Frosch: Also, für mich war es klar – und jetzt verrate ich auch wieder was –, dass es kein Happy End geben kann. Also, dass sie zum Schluss – Romeo und Julia – sich finden und war nicht so schlimm und unsere Liebe rettet uns, das kam mir doch verlogen vor. Burg: Martin radikalisiert sich, das zeigen Sie, beginnt, sich terroristisch zu engagieren. Ulrike Meinhof hat ja 1970 ein Drehbuch zum Film "Bambule" geschrieben, in dem es auch um die autoritären Methoden bei der Heimerziehung in einem Mädchenheim geht, und im Film wird auch in gewisser Weise zum Klassenkampf aufgefordert. Wie sehr wollten Sie auch diesen Bezug zur Radikalisierung der Linken in der Zeit darstellen? Frosch: Wenn man eine Geschichte im Heim erzählt in den späten 60er- Jahren, da war das sozusagen eine wirkliche Bewegung von der APO, und auch die spätere RAF hat sich wahnsinnig engagiert gegen diese geschlossene Erziehung. Also, da gab es Heimkinder, die dann zur RAF gingen, wie Boock oder so. Also, nach dem, was Martin durchmacht, dass er zu dem Punkt kommt, dass er nur mehr in Gewalt eine Möglichkeit sieht, ist jetzt nicht an den Haaren herbeigezogen, weil er nichts anderes erlebt hat. Genauso wie Ruby eigentlich gläubig ist und die Nonnen ihr den Glauben austreiben. Das ist die Ironie des Films. Burg: Der Film ist mit ziemlich kleinem Budget gedreht, vor allem, wenn man bedenkt, dass es ja auch ... dass der Film eine große Zeitspanne einnimmt, dass er viele Statisten hat, auch ein historisches Ambiente rekreiert. Wie schwierig war es, das umzusetzen? Frosch: Also, Leidensgeschichten von Filmemachern sind das Uninteressanteste, was es gibt. Es war die Hölle und ich hatte halt wirklich Leute, die mitgemacht haben und Unmögliches wahr gemacht

21 haben. Das klingt jetzt auch wie ein blödes Klischee, aber in dem Fall war das so.

Auf die Handkamera vertraut

Burg: Sie haben beschlossen, dann vor allem auch auf die Handkamera zu vertrauen. Frosch: Ja, das war sicher auch eine Budgetgeschichte. Das andere war, dass ich wollte, dass der Film eine gewisse Rauigkeit hat und auch erinnert an 60er-Jahre-Filme. Wenn man jetzt so eine historische Geschichte macht, gibt es sozusagen zwei Möglichkeiten: Entweder man steckt alles in die Ausstattung, oder man versucht, den Geist und das Formale auch wiederzugeben. Und das ist eine Budgetgeschichte. Ich musste mich sozusagen für die formale Lösung entscheiden. Burg: Was daraus geworden ist, das kann man sich jetzt im Kino anschauen ab nächstem Donnerstag. "Von jetzt an kein Zurück", so heißt der Film, und der Drehbuchautor und Regisseur ist Christian Frosch. Vielen Dank für Ihren Besuch! Frosch: Ich danke! Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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