28 Z-Kultur Freitag, 5. Januar 2001 Ich bin Jochen Kowalski aus – kein Kultstar! Heute ist der Star-Altus in seiner Paraderolle zu sehen: Als Graf Orlofsky in der „Fledermaus“

Kowalski in Daten u geb. 30.1.54 in Wachow/Brandenburg, Abitur in u 1977-83: Studium Hanns Eisler Hochschule in Berlin und bei Marianne Fischer- Kupfer u seit 1983: Ensemble-Mitglied an der Komischen Oper u 1984: Riesen-Erfolg mit Händels „“ u 1985: Internationaler Durchbruch mit „Belsazar“ in Hamburg u 1994: Berliner Kammersänger, Engagements weltweit

Normalerweise würde er jetzt schweigen. Denn so kurz vor einer „Fledermaus“ redet Jochen Ko- walski, 45, nicht mehr. Seine Altus- Stimme, dieses kostbare Instru- ment, das mühelos die höchsten Tö- ne erklimmt, will gehätschelt wer- den. Doch er freut sich so auf den Grafen Orlofsky, den er heute wie- der einmal in der Komischen Oper singt. Und so bricht er für die Z sein Schweige-Gelübde. Wie geht es Ihnen, Herr Kowalski? (jubilierend) Juuut! Ich war brav,

habe Silvester nicht geknallt, son- otos: Thiele, Klug dern mit Dame Gwyneth Jones hier F im Haus das Katzenduett gesungen. Jochen Kowalski: Berliner aus Passion, mit waschechtem Dialekt und seit 17 Jahren der Komischen Oper treu Als komische Einlage für die „Lus- bereitete Publikum der Welt, die zar“. Das war ganz scharf, ein ech- der Komischen Oper. Die Liebe zu Saul. Aber das wird nie Routine. tige Witwe“. sitzen mit Klavierauszug im Publi- ter Kulturschock. Mich haben Berlin ist ungebrochen? Einen Wunsch habe ich: Den Hirten Das war das erste Silvester in Berlin kum. Und klatschen so süß flach- schon die Schaufenster fertig ge- Absolut! Ich möchte nicht woan- Lel in Rimski-Korsakoffs Oper seit Jahren, nicht wahr? händig mit größter Begeisterung, macht. Ich war so fertig, dass ich ders sein, mir können Sie ne Insel „Schneeflöckchen“ würde ich gern Stimmt. Die letzten 5 Jahre habe wunderbar! In New York habe ich meinen Text auf schenken, mit Pal- singen. Und Schuberts „Winterrei- ich in New York gesungen, in Wien eine echte Tür aufgestoßen. den Proben nicht men. Ich bleibe in se“ szenisch machen. oder Hamburg. Je nachdem, wo Wie das? mehr wusste. Ich Pankow! Sie haben zunächst studiert. man die „Fledermaus“ gab. Das war 1995, Silvester an der konnte nachts Gibt es nette Fan- Wie haben Sie Ihren Altus entdeckt? Auch wenn Sie es nicht gern hören: Met. Ich war der erste Mann über- nicht schlafen. Es Geschichten? Hei- Bei einer Korrepetitionsstunde. Sie sind einfach ein Weltstar. haupt, der den Orlofsky sang. Ich war so schlimm, ratsanträge? Eine Altistin erreichte zwei Töne Nee, bin ick nicht! Ich ärger mich komme raus, spreche meinen Dia- dass ich nach 3-4 Massenweise nicht. Und ich konnte diese Töne über solche Etiketten. Ich fühle log und hebe an zu singen: „Ich Tagen abreiste. (grinst). Aber auch singen. Dann stellte sich bei einer mich dadurch in eine Ecke ge- lade gern mir Gäste ein“. Nach der Als ich dann wie- rührende Briefe. Untersuchung in der Charité he- drängt. Ich bin der Jochen Kowals- Sprechstimme die hohen Töne. der in meinem ge- Und einmal hat ei- raus, dass sich meine Knaben-Alt- ki aus Berlin, und keen Kultstar Und was geschieht? Die ganze Met liebten grauen ne Dame meine stimme über den Stimmbruch hi- und keen Weltstar. Die einzigen – wie viele Leute gehen da rein, so Ost-Berlin war, Adresse herausge- naus erhalten hatte. Ich hatte da- Weltstars aus Berlin sind Marlene 4000? – fängt an zu lachen. Ich war ich so froh. funden und stand mals zwei Stimmen, aber auf Dauer Dietrich und Dietrich Fischer- dachte, ich falle tot um. Doch in Auch heute kann um 11 Uhr abends muss man sich entscheiden. Zum Dieskau. So! dem Moment kam die schützende ich es immer noch bei mir vor der Glück war der Altus natürlicher. Gut, Sie haben aber dennoch in aller Hand vom lieben Gott, ich bin an nicht glauben. Al- Tür. Als Tenor habe ich nämlich ziem- Welt gesungen. Wie anders sind denn die Rampe, wie in den alten Fil- le Welt beneidet Haben Sie jetzt ei- lich geknödelt. London, Tokio und New York? men, und habe alles gegeben. Dann uns um unsere gentlich das ganze Wenn Sie oben klopfen, was würden Hmm. Es gibt Länder, die wollen ging der Konfettiregen los. Richtig Einheit. Aber die Altus-Repertoire Sie Petrus vorsingen? meine Stimme gar nicht gern hören. Gänsehaut. Und das ist noch heute Leute sind so un- durch? „Erbarme dich“, die Alt-Arie aus Zum Beispiel Italien. Da mag man so. zufrieden. Das Wichtigste der Matthäus-Passion. Bach ist der auch keinen Mozart. Aber in Lon- Wie war denn Ihr erstes Engagement Schrecklich! schon. Den Orp- Titan. Dann kommt Mozart, Händel don und Moskau haben sie gejubelt. im Ausland? Sie sind seit 1983 „Fledermäuse“: Kowalski mit heus, den Cäsar, und meine Russen. In Japan gibt es das am besten vor- Das war 1985, Hamburg. „Belsa- fest im Ensemble Günter Neumann den Orlofsky, den Martina Kaden Oper mal anders Hier können auch Bürohengste schön singen

per ist, gehend ungenutzt, und auch Alexandr sieht man Damit sich nicht alle nur schüchtern in O wenn die Mossolows Oper „Der Held“ war lange in nicht. In je- den Gängen drängen, haben die Regisseure Zuschauer Vergessenheit geraten. Die beißende Ge- dem der ein Lockmittel ausgelegt: Wer auf seiner ruhig in roten sellschaftsposse wurde aufgrund zu spät zehn Büros Eintrittskarte alle zehn Räume abstempeln Sesseln sit- abgeschickter Noten weder – wie geplant – sitzt ein lässt, bekommt am Ende eine Gratis-CD. zen, manche bei den Festspielen 1928 in Baden-Baden, Sänger oder So kann man die Sänger also beim Kreuz- sogar schla- noch jemals danach aufgeführt. Das wird eine Sänge- worträtseln, Zeitunglesen oder Rauchen fen und die nun in der Reihe „Musikmissbrauch!“ von rin vor ei- beobachten – der Beamten-Triathlon ist Sänger mit der Truppe der Sophiensäle nachgeholt. nem Fernse- eine Reminiszenz an die Bürohengste und großen Ges- Gespielt wird in zehn Zimmern des her. Auf somit auch an den Ort. ten auf der charmant dem Schirm (Urauf- Bühne singen. ver- läuft die führung Bei der „be- schmud- Oper am Schreibtisch Übertra- heute, 21 Fotos: Schubert gehbaren Die Macher: Christian delten Ge- gung vom Uhr, auch Operninstal- von Borries, Beate Hei- bäudes. Innenhof, wo das Orchester unter der Lei- morgen, 9.- lation“ der ne, Markus Strieder (v.l.) Dass vor tung von Christian von Borries spielt. 12.1., Fran- beiden Regis- der Pre- „Wir wollen, dass sich jeder Zuschauer zösische Str. seure Beate Heine und Markus Strieder ist miere ei- seine eigene Oper zusammensetzt“, erklärt 35, G es genau andersherum: Die Zuschauer gens eine Regisseurin Beate Heine. Die Zuschauer 283 52 66, wandeln durch den 2. Stock der ehemali- Putzko- sollen die Büros in eigener Regie durch- Karten 25 gen Staatsbank der DDR, und die Sänger lonne en- stöbern, können bis auf Riechnähe an die Mark, ermä- lümmeln sich in Bürostühlen. gagiert Sänger herangehen. Da gilt es, Scheu zu Hacker auf der Schreib- ßigt 15). DK Seit zehn Jahren ist das Gebäude weit- Singt er oder gähnt er? wurde, überwinden. maschine