K a R E L a P P
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K A A R P E P L E L SAMUELIS BAUMGARTE GALERIE K 1 3 . A 2 A . R 2 0 P 2 1 – E 0 8 . P 4 . L 2 E 0 2 0 L SAMUELIS BAUMGARTE GALERIE Avantgardistische Tradition K A R A Das avantgardistische Berlin der 1920er-Jahre, von dem Karel Appel als P Junge geträumt hatte, gab es lange schon nicht mehr und in Amster- E dam zu bleiben, erschien dem aufstrebenden Maler wenig attraktiv. Die öffent lichen Reaktionen auf ein 1949 gerade fertig gestelltes und in P seiner Thematik1 in der malerischen Radikalität provozierendes Wandbild L in der Cafeteria des damaligen Amsterdamer Rathauses waren derma- ßen heftig ausgefallen, dass die Malerei noch im selben Jahr mit Tapete E überklebt wurde. Kurz drauf verließ Karel Appel die Stadt, in der er ge- boren und aufgewachsen war, in Richtung Paris, das zu dieser Zeit noch als Welthauptstadt der Kunst galt – freilich schon bald darauf von New L York abgelöst. Im Gespräch mit Rudi Fuchs erinnerte der Maler sich 1990 an diese Zeit in Paris. Das Leben dort war schwierig, aber es erschien ihm besser als in den Niederlanden: „Das einzige, was übrig blieb, war Paris. Das war eine intakte Stadt, nicht bombardiert, es waren Galerien da, darum wollte jeder nach Paris.“2 Schon seit 1947 reiste Appel wieder- holt dorthin, um andere Künstler zu treffen und sich an Ausstellungen zu beteiligen. Auch die Künstler der deutschen Avantgarde, wie Emil Schu- macher, der bereits 1930 als 18-jähriger mit dem Fahrrad dorthin gereist war, suchten in dieser Zeit künstlerischen Anschluss in der französischen Hauptstadt. Während aber etwa Emil Schumacher, Thomas Grochowiak3 und Ernst Hermanns4, als Weggefährten der Künstlergruppe „junger westen“5, die Stadt 1951 nur besuchten,6 zog Karel Appel 1950 ganz dort- hin und wurde Teil der künstlerischen Szene.7 Karel Appels Anfänge künstlerischer Arbeit lagen also in schwie- rigen Zeiten. Dennoch gelang es ihm nach der Befreiung schnell, An- schluss zu finden und wichtige Kontakte zu knüpfen, die ihm halfen, voranzukommen und schließlich auch wichtige Ausstellungsmöglichkeiten für seine Werke zu erhalten. Zu diesen Kontakten zählten Schlüsselfiguren für den Erfolg der avantgardistischen Kunst ihrer Zeit wie Willem Sand- berg8 als Museumskurator oder die international vernetzten Kritiker Michel Tapié9 und John Antony Thwaites10, die über ihre publizistische Tätigkeit hinaus auch Ausstellungen kuratierten. Bereits im Jahr vor dem Eklat um die Wandmalerei im Amster- damer Rathaus kam es in Paris für die europäische Kunst und ihre Ge- schichte nach 1945 zu einem bahnbrechenden Ereignis, als sich durch Karel Appel,11 Constant,12 Corneille,13 Christian Dotremont,14 Joseph Noiret,15 Carl-Henning Pedersen16 und Asger Jorn17 die Gruppe „Cobra“ gründete.18 Die vier Gründungsmitglieder Appel, Constant, Corneille und Jorn lebten als Kern der Gruppe für eine Zeit gleichzeitig in Paris.19 Die Mitglieder dieser einzigen internationalen avantgardistischen Künstler- gruppe im 20. Jahrhundert hatten kein gemeinsames Programm festge- legt, jedoch hatte Constant ein Manifest formuliert und trotz zuvor hef- tig geführter Diskussion unter den Mitgliedern und des ausdrücklichen Widerspruches Appels veröffentlicht. Ein von Appel etwa ein Jahr später verfasster alternativer Entwurf wurde erst 1988 publiziert, obschon die- ser im Rückblick betrachtet vielmehr den Ideen von Cobra entsprach.20 Die Mitglieder der Künstlergruppe einte zur Zeit ihrer Gründung aber trotz ihrer sehr unterschiedlichen theoretischen Vorstellungen die prak- tische Hinwendung zu experimenteller spontan-abstrakter Malerei. Asger Jorn beschrieb dies mit folgenden Worten: „Unbeabsichtigt waren wir in einer Atmosphäre andauernder Suche und Experimentierens zu einer 4 5 von Rouven Lotz Gemeinsamkeit in Form und Ausdruck gelangt. Daraus entstand unser neuer Ausgangspunkt.“21 Nach nur drei Jahren zerstritt sich die Gruppe endgültig. In einem Brief an Constant schrieb Jorn 1952: „Ich sehe, dass Cobra sich zunehmend schlimmer entwickelt hat. Gleichwohl meine ich, wir waren auf einem guten Weg.“22 Das in den folgenden Jahrzehnten geschaffene Werk Appels ist gekennzeichnet von einer spontanen gestisch-expressiven Abstraktion, wie der Maler sie bereits in jener Zeit anlegte. Einen entscheidenden formalen Faktor bildet dabei besonders die intensive Vielfarbigkeit der Gemälde Appels, von der sich Betrachter unmittelbar angezogen fühlen. Sein Werk steht damit im Gegensatz zu Zeitgenossen wie Pierre Soula- ges23 in Frankreich oder zu K. R. H. Sonderborg24 aus Deutschland, deren Malerei im Kolorit stark reduziert mit nur einem Farbwert auskommt. Ein häufig wiederkehrendes Motiv Appels sind abstrakte, polychrome, dyna- mische und zuweilen beinahe chaotische Strukturen mit landschaftlichen Anklängen. Innerhalb dieser Kompositionen wechselt Appel weit aus - grei fende und miteinander verschränkte Strukturen mit kleinteiligen oder flächigen Elementen ab. Solche Beobachtungen lassen sich in späten Malereien wie „Dissolved by the Landscape“ aus dem Jahr 1994 (S. 64/65) noch ebenso finden, wie bereits in frühen Arbeiten, etwa in „Nu couché“ (1959, S. 15) vor dessen starkem Abstraktionsgrad die bezeichnete lie- gende Aktfigur vollständig zurücktritt. Die grundsätzliche Auffassung des Malers über Farbe und ihre Verwendung veranschaulicht ein 1977 in New York über die Beherrschung der Farbe notierter Gedanke: „[…] color and rhythm, indispensible as they are, remain secondary – my aim is not to make things attractive, it is about being meaningful.“25 Bereits die zeit- genössische Kritik hatte Appel gegenüber seinen Vorgängern oder Zeitgenossen in Frankreich – insbesondere Jean Dubuffet26 und Wols27 oder Georges Mathieu28 – als seltenen „wirklich polychromen Maler“ wahrgenommen, wie auch Thwaites 1960 in einem bezeichnenderweise mit „Monochromanie“ betitelten Artikel feststellte.29 Die Abstraktion ist gerade in Deutschland, aber auch in der übrigen westeuropäischen Nachkriegsmoderne immer eine bewusste Gegenbewegung zur missbrauchten Figuration des Realismus faschisti- scher Prägung. Zugleich bot sie die Chance der Überwindung einer überkommenen Weltsicht auch in der Kunst. Bereits zu Anfang des Jahrhunderts hatten es Vertreter der freien Künste vermocht, sich vom damaligen Historismus zu emanzipieren und auch inhaltlich über das rein Formale hinaus in ihrem Selbstverständnis einen Schritt weiter zu gehen. Die von ihnen geschaffenen Entwicklungen unter den verschiedenen Bezeichnungen wie etwa Art Nouveau, Nieuwe Kunst, De Stijl oder Bau- haus müssen dabei noch aus dem Geist des 19. Jahrhunderts kommend betrachtet werden und sind konsequente Entwicklungsschritte des Fortschrittsglaubens dieser Epoche. Alle folgenden Entwicklungen soll- ten aber vor dem Hintergrund der bisher ungeahnten Schrecknisse des neuen Jahrhunderts bewertet werden. So ist das industrialisierte 20. Jahr- hundert durch zwei Weltkriege, Völkermorde und Raubbau an der Natur in bis dahin ungeahntem Ausmaß geprägt. Nach dem zweiten Weltkrieg bot die Abstraktion die ersehnte Freiheit, ohne Regeln malen zu können und die Chance auf einen echten Neuanfang. Die Zielsetzung von Cobra war folgerichtig auch eine allgemeine Überwindung konventioneller, also 5 bürgerlich-akademischer Vorstellungen in der Kunst. Dabei fanden die Mitglieder der Gruppe – wie bereits zuvor Jean Dubuffet – Orientierung in Kinderzeichnungen oder der Kunst psychisch Kranker. Die Leinwand „Vliegende Vogel“ aus dem Jahr 1949 (S. 13) ist dafür exemplarisch. Ungeachtet dessen arbeitete Karel Appel aber auch stets an klassischen Themen wie Porträt, Akt oder Landschaft. Dabei gab er bei aller Nähe zur gestischen Abstraktion auch den Bezug zur realen Welt nie vollständig auf. Franz Wilhelm Kaiser weist so auch schlüssig nach, wie wenig die Beschränkung auf das Label der zwischen 1948 und 1951 nur drei Jahre existierenden Künstlergruppe Cobra dem über sechs Jahrzehnte schaffenden Maler Appel gerecht wird. Insbesondere das Porträt, wie auch die anderen klassischen Bildthemen, gegen die sich Cobra wandte, griff Appel im Verlauf seiner Œuvre-Entwicklung immer wieder auf.30 Ebenfalls ein klassisches Thema, dessen Anfänge 2000 Jahre zurück in der griechischen Kultur des Hellenismus liegen, findet sich in dem 1971 entstandenen Gemälde „Pastorale“(S. 32/33), dessen Struktur vielfarbiger Flächen eine bukolische Darstellung menschlicher und tieri- scher Figuren enthüllt. Das literarische Motiv wurde in allen Epochen mit jeweils eigener Ausprägung und unterschiedlichen Bezeichnungen wie Schäfer- und Hirtendichtung, Pastorale oder arkadische Dichtung fort- geschrieben und neu interpretiert. Ende des 18. Jahrhunderts klang es in der Idylle des harmonisch verklärten Landlebens allmählich ab. Appel nahm in der 1971 entstandenen „Pastorale“ dieses alte Thema wieder auf und verlieh ihm in einer dem 20. Jahrhundert entsprechenden Form eine ganz neue Rele vanz. Im Œuvre Appels spielt die Tierfigur insgesamt eine große Rolle und zählt zu den durchgängig wiederkehrenden Motiven wie auch in den „Circus Animals“ (1971, S. 38/39) oder das formal auf die Ma- lerei van Goghs rekurrierende Bild „Elephant“ (1978, S. 37). Exemplarisch für die durchgängige Auseinandersetzung Appels mit klassischen Bildthemen, zu denen der Maler sich in seiner ganz eige- nen Weise markant positionierte, ist auch der bereits oben erwähnte Akt „Nu couché“ (1959). Diese scheint durch Cobra geprägt zu sein und erinnert an die Aussage Jorns, nach der die Maler der Gruppe vor ihrer gemeinsamen Zeit bereits unabhängig verwandte Formen gefunden hatten, woraus sich der gemeinsame Ausgangspunkt