Kultur- & Naturparcours 1 Kultur- & Naturparcours 1 Service & Information Siedlungskern erkunden Siedlungskern erkunden

Gemeindeverwaltung Triesen Hallenschwimmbad GEMEINDE Dröschistrasse 4 Gässle 12 FL-9495 Triesen FL-9495 Triesen Telefon +423 399 36 36 Telefon +423 392 34 94 Fax +423 399 36 50 TRIESEN [email protected] Schwimmbecken 25 x 10 m www.triesen.li Lernschwimmbecken 6 x 10 m Warmbadetag (Freitag) Schalteröffnungszeiten: Mo – Fr 08:45 – 11:45 Uhr Öffnungszeiten: 13:30 – 16:30 Uhr Mo geschlossen 13:00 – 21:30 Uhr Di 8:45 – 11.30 13:00 – 21:30 Uhr Beim Empfangssekretariat der Mi geschlossen 13:00 – 21:30 Uhr Gemeindeverwaltung sind weitere Do 8:45 – 11.30 13:00 – 21:30 Uhr Publikationen über Triesen erhältlich. Fr 8:45 – 11.30 13:00 – 21:30 Uhr Sa/So/Feiertage 11:00 – 16:00 Uhr Der Kultur- & Naturparcours

durch den Siedlungskern von Triesen Tourismus führt den Spaziergänger Städtle 37 Postfach 139 FL-9490 von der Rheinebene über Telefon +423 239 63 00 Fax +423 239 63 01 einhundert Höhenmeter hinauf [email protected] www.tourismus.li zur frühmittelalterlichen Kapelle www.liechtenstein.li St. Mamerta oberhalb der Siedlung. Der Text dieser Broschüre begleitet den aufmerksamen Beobachter durch ein Jahrtausend bewegter Geschichte am Rande des grossen historischen Geschehens. Jeder Höhenmeter führt weiter zurück in die Vergangenheit,

denn der Grundstein von Triesen Impressum Kultur- & Naturparcours 1 Siedlungskern erkunden 2. überarbeitete und erweiterte Auflage wurde am Hang gelegt, Herausgeberin: Kulturkommission der Gemeinde Triesen Text und Koordination: editio, Anton Banzer, Triesen zu einer Zeit, als die Talsohle Fotos: Close up AG, Roland Korner, Triesen v.com, Sven Beham, Triesen blusky, Ingrid Delacher, noch uneingeschränkt dem Rhein gehörte. Grafische Gestaltung: Sabine Bockmühl, Triesen Druck: Satz + Druck AG,

© Gemeinde Triesen 2004 www.triesen.li Sakrale Baukunst Siedlungskern erkunden nen Umhang des gelben Engels Die Kapelle St. Mamerta Das Gemeindezentrum (1), wo (g) sind alte Triesner Hauszei- unser Spaziergang beginnt, wurde chen zu erkennen. Nirgendwo im Dorf reichen die 1980 fertig gestellt. Die Gebäude- Spuren so weit in die Geschichte teile umschliessen einen attrakti- zurück wie auf St. Mamerta. ven Dorfplatz, auf dem sich Obschon zahlreiche Fragen unge- Triesen zu besonderen Anlässen klärt sind, besteht die Forscher- trifft. Im Triesner Saal schlägt das meinung, dass St. Mamerta die Herz der Gemeinde: Hier finden erste Pfarrkirche von Triesen Versammlungen und Feste, gewesen sei und ihre Gründung in Ausstellungen und Konzerte statt. frühchristliche Zeit zurückreiche. Zusammen mit dem östlich vorge- St. Mamerta ist das Wahrzeichen lagerten Neubau der Liechtenstei- 1 des Dorfes, das in nahezu jeder nischen Musikschule stellt das Publikation über die Gemeinde Gemeindezentrum heute den Mit- abgebildet wird. telpunkt von Triesen dar.

Die Terrasse, auf welcher die Über der Landstrasse, dort wo Kapelle steht, wird umgeben von beim «Sonnenkreisel» die Dorf- einer rund 90 cm dicken Umfas- strasse beginnt, steht auf einem grossen Platz der Gasthof Sonne g sungsmauer. Im Nordosten und Südosten des Areals sind zudem (2). Dank ihrer strategisch günsti- Grundmauern von weiteren gen Lage am Fuss des Anstiegs In direkter Beziehung zur Decke Gebäuden gefunden worden. Alle durch das Dorf hinauf war die steht die in Rot und Schwarz diese Bauten stammen aus der- «Sonne» während Jahrhunderten gehaltene Inschrift auf der höl- selben Zeit wie die ältesten Teile das bedeutendste Wirtshaus von zernen Chorbogenstrebe: «Dazu der Kapelle. Der Turm ist jüngeren Triesen. Zum Gasthof gehörte ist der Sohn Gottes erschienen, Datums. Er dürfte im 15. Jahrhun- immer auch eine so genannte 2 dass er die Werke des Teufels dert errichtet worden sein. Zuschg, eine Umspannstation für zerstöre.» Die Strebe trägt Wiederholt hat die Forschung in Fuhrwerke. Hier konnten die zudem eine Kreuzigungsgruppe, Erwägung gezogen, dass die Fuhrleute aus nah und fern sich deren Figuren ursprünglich im Gebäudefragmente innerhalb der und ihre Pferde für die anstregen- Hochaltar des Erstbaus von Umfriedungsmauer einst Wohn- de Weiterreise stärken. Die altehr- 1843 integriert waren. gebäude einer Dienstmannenburg würdige «Sonne» fiel 1938 einem waren. Konkret wird vermutet, Brand zum Opfer. Bis zum Von Johannes Hugentobler dass sich auf St. Mamerta der Sitz Wiederaufbau des neuen Gasthofs stammen neben der Holzdecke der «Edlen von Trisun» befand. wurden die Gäste behelfsmässig auch die sechs grossen Rund- Bescheidene Funde von Haus- in der Pferdeumspannstation bogenfenster auf Höhe der keramik aus dem 12./13. Jahr- bewirtet. Empore. Die Glasmosaikfenster hundert sowie weitere Kleinfunde zeigen in intensiver Farbgebung Etwas weiter hangaufwärts zweigt (Pfeilspitzen, Eisenmesser, rechts von der Dorfstrasse der und feiner Ornamentik je einen Hufeisenfragment und Steigbügel) Kappeliweg in Richtung Süden ab. 3 frontal ausgerichteten, stehen- stützen diese These. den Engel im Priestergewand Nach wenigen Schritten stehen und sorgen für einen zauberhaf- wir vor dem Kappili (3). Erstmals ten Lichteinfall. schriftlich erwähnt wird die «Kapelle der heiligen Jungfrau Im Chor der Pfarrkirche befindet Maria im Dorfe Triesen» im Jahre sich ein spätgotischer geschnitz- 1415. Ihre Ursprünge weisen ter Flügelaltar, den Ludwig von allerdings ins 13., spätestens 14. Brandis 1492 für die Kapelle Jahrhundert zurück. 1654 ist die St. Mamerta gestiftet hat. Marienkapelle unter Einbezug nur

14 3 Kultur- & Naturparcours 1 Sakrale Baukunst

4 einer einzigen Mauer des spätro- manischen Erstbaus erweitert wor- den. In neuerer Zeit, 1964 und 2002, hat die Kapelle zwei umfas- sende Sanierungen erfahren. e (Mehr zur Marienkapelle siehe c Seite 15)

Dicht hinter dem Kappili befindet a sich die Alte Weberei (4), ehe- mals Baumwollweberei Jenny, 5 Spoerry und Cie. Die Anfänge die- ser Fabrik gehen ins Jahr 1863 zurück, als unter dem Namen Kirchthaler & Dürst – als zweiter Industriebetrieb des Landes – eine b d mechanische Baumwollweberei in Betrieb genommen wurde. Mit der l f Textilbranche kamen die Industria- lisierung und eine Reihe von Ver- änderungen ins Land. Denn neben Arbeitsplätzen und Verdienst- möglichkeiten brachten die Fabri- ken allmählich auch Elektrizität, Telefon sowie Versicherungen und

Arbeitszeitregelung. Als wichtiger o 6 Zeuge dieser Entwicklung steht das einstige Fabrikationsgebäude seit 1996 unter Denkmalschutz.

An der Dorfstrasse – dem Fabrik-

gebäude nördlich vorgelagert – g befinden sich die Fabrikantenvilla m (5) und gegenüber an der Hangseite das ehemalige Ober- meisterhaus (6), beide erbaut um 1900. In der Anordnung der Häu- ser auf der Stirnseite der Fabrik und in ihrer Ausgestaltung wider- spiegeln sich die neuen gesell- schaftlichen Schichten, die mit der Industrialisierung entstanden. Neben Bauern gab es neu Arbeiter, n Obermeister und Fabrikanten. Demographisch gesehen wurde in der Fabrik das heutige multikultu- relle Liechtenstein begründet. Zu den Triesnern – bis dahin grössten- teils katholische Bauern – gesellten sich nun auch andere Konfessio- k h nen und Nationalitäten.

j 4 13 i Sakrale Baukunst Siedlungskern erkunden

Pfarrkirche St. Gallus über zwei Kassettenfelder ohne Der hinterste, südlichste Teil der 7 trennenden Balken. Sie werden in Alten Weberei ist der jüngste. Er Das wohl augenfälligste ihrem Kampf von kleineren wurde 1911 gebaut. Der quader- Kunstwerk im 1994 zur quadra- Engeln (a) unterstützt, welche förmige Erweiterungstrakt ist der tischen Hallenkirche umgebau- durch sechs Flügel als Cherubim erste Flachdachbau (7) Liechten- ten Gotteshaus ist die hölzerne charakterisiert sind. Nicht ganz steins. In seiner Gliederung und Kassettendecke von 1942. Sie einfach ist die Zuordnung der in auch Ausgestaltung war er damals stammt vom Künstler Johannes Erdtönen gemalten Fabeltiere zu seiner Zeit um zehn bis zwanzig Hugentobler aus Appenzell, wel- den einzelnen Hauptsünden. Vom Jahre voraus. Mit der Fabrik kam cher zwischen 1939 und 1943 weissen Erzengel mit Pfeil und also auch neues Bauen nach umfangreiche Renovations- Liechtenstein. Nachdem die arbeiten an der 1843 erbauten Gemeinde 1984 das ganze 8 Pfarrkirche leitete. Hugentobler Fabrikareal erworben hatte, selbst hat sein Werk, das vor wurde eine gemischte Nutzung dem Hintergrund des Zweiten angestrebt. Im Fabrikgebäude Weltkrieges zugleich als Inter- sind heute Ateliers, Gewerbe- pretation der gewalttätigen Zeit betriebe, Schulen und Vereine zu sehen ist, so beschrieben: untergebracht. «Da ist im Schiff die grosse Holzdecke, aufgeteilt durch Hinter der Alten Weberei führt das Balken in ungefähr hundert qua- Fabrikwegli den leicht ansteigen- dratische Felder, alle bemalt mit den Hang hinauf und zurück zur einem scheinbaren Durch- Dorfstrasse. Etwa auf halber einander von guten und bösen Strecke befindet sich rechts ein Geistern, Cherubim, Schlangen, n grosszügig bemessenes Doppel- Dämonen und grossen Engeln. haus (8). Es wurde 1946 von Der verweilende Blick erkennt, Bogen (b) wird der vielarmige Jenny, Spoerry & Cie. als letztes 9 dass in das scheinbar undrama- Geiz (c) bekämpft. Daneben firmeneigenes Arbeiterwohnhaus tische Nebeneinander sieben stösst der blaue Engel in Ritter- gebaut. Kampfszenen eingewoben sind: rüstung (d) seine Lanze wohl ins die bösen Begierden, eigenwillig Maul des sprühenden Zorns (e). Das Fabrikwegli endet bei der personifiziert, gegen je einen Gegen die verfaulende Trägheit (f) Dorfstrasse. Auf der gegenüberlie- Engelsfürsten. Diese grosse zieht der gelbe Engel mit Schild genden Strassenseite mündet hier Holzdecke, angefüllt mit und Schwert (g) zu Felde, und der offene Mölibach (9) in den Knäueln von reinfarbigen und der gefrässigen Masslosigkeit (h) unterirdisch verlaufenden Dorf- ‘schmutzigen’ Flecken, ist wie setzt sich der blaue Engel mit bach. Am Mölibach entlang führt ein Spiegel, eine Projektion der Schwert (i) zur Wehr. Ihm gegenü- der Farbweg den steilen Hang Menschenherzen unten im ber stösst der rote Engel mit weis- hinauf. Auf diesem Fussweg Schiff, wo auch dauernd das sem Gesicht (j) seine lange Lanze kamen die Fabrikarbeiterinnen Gute mit dem Bösen im Kampfe in den Rachen des doppelzüngi- aus täglich zur Arbeit liegt.» gen Neides (k). Die Hoffart, dar- in die Weberei nach Triesen. Der gestellt als Groteske mit Tierleib, Pfad bekam den Namen «Farb- 10 In 91 Kassetten zeigt geschminktem Frauengesicht, weg» vom Namen dieser Flur: Hugentobler den Kampf und bemalten Fussnägeln und Farb (10). Die Bezeichnung Sieg der sieben erhabenen, Pfauenfedern auf dem Rücken (l), erinnert an die Färberei, die hier bewaffneten Engel über die sie- wird bekämpft vom roten Engel am Bachlauf einmal betrieben ben als groteske Fabeltiere dar- mit dem dunklen Umhang (m). wurde. Der Bach selbst wurde gestellten Hauptsünden Zorn, Und beim Gegner des strahlend nach einer Mühle (mundartlich Geiz, Trägheit, Wollust, Hoffart, weissen Engels mit Schild und «Möli») benannt, die sich einst Masslosigkeit und Neid. Lanze (n) dürfte es sich um die noch weiter oben am Hang mit Attributen des Teufels ausge- befand. Die Erzengel, gemalt in reinen stattete Wollust (o) handeln. Farben, erstrecken sich jeweils Interessantes Detail: Auf dem grü-

12 5 Kultur- & Naturparcours 1 Siedlungskern erkunden

11 Etwas weiter aufwärts an der Dorf- Die Ursprünge der Kapelle 26 strasse, wo ein Strässchen ins Ga- St. Mamerta (26) gehen nach pont abzweigt, steht das so ge- bisherigen Erkenntnissen bis ins nannte Christli-Huus (11), auch 9. oder 10. Jahrhundert zurück. dieses früher ein Arbeiterwohn- Allerdings sieht sich die zeitgenös- haus, das 1899 von der Firma sische archäologische Erforschung Jenny, Spoerry & Cie. gekauft wor- mit zahlreichen, bisher nicht den war. beantworteten Fragen konfrontiert. (Mehr dazu auf Seite 14) Gapont (12). Der Name dieser Flur, die sich talwärts bis zum 12 Hangfuss erstreckt, ist rätoroma- nisch und leitet sich von lateinisch caput pontis ‘Brückenkopf’ ab. Daraus ist Interessantes zu schliessen: Irgendwo am Hang- fuss, direkt am Ufer des damals ungebändigten Rheins, hat sich zu romanischer Zeit ein befestigtes Bauwerk befunden, auf dem eine Brücke aufgelegt war. Nach Ansicht einiger Historiker handelte es sich dabei um die älteste im Land bekannte Rheinbrücke. Sie soll im 15. Jahrhundert, als der Strom den Triesnern dort Wiesen, 13 Stallungen und Häuser wegnahm, zerstört worden sein. Im Haus Gapont Nr. 15 wurde bis ca. 1980 eine Gemeinschaftskühl- anlage betrieben. Die Selbstver- sorgergenossenschaft vermietete hier Gefrierfächer, bevor die Ge- frier(kühl)schränke in die privaten Haushalte Einzug hielten. Völlig unbestritten ist hingegen, Die Strasse Gapont mündet ins dass die sonnige Terrasse von Gässli. In diesem Gebiet brannten St. Mamerta einer der schönsten 1913 bei der grössten liechtenstei- Plätze von Triesen ist: Geniessen nischen Brandkatastrophe des Sie den Ausblick auf das Dorf und 20. Jahrhunderts zahlreiche das Rheintal! Häuser ab. Obschon Feuerwehren aus anderen Gemeinden sowie aus der benachbarten Schweiz zu Hilfe eilten, verloren damals gegen neunzig Personen ihr Zuhause. Weiter oben am Hang, wo das Gässli in die Dorfstrasse zurückführt, steht das Haus Dorfstrasse 46. Hier versammelten sich die ersten Evangelischen im Land und hielten zwischen 1881 und 1963 ihre Gottesdienste ab. Das Haus heisst im Volksmund Tannerhaus (13), nach dem in der Weberei tätigen Emil Tanner, der dort zur Miete wohnte.

6 11 Kultur- & Naturparcours 1 Siedlungskern erkunden

23 Die Lindengasse und die Die dem heiligen Gallus geweihte Pfarrkirche (14) wurde 1843 nach Dorfstrasse kommen beim Plänen des fürstlichen Architekten Georg Wingelmüller erbaut, ohne Lindenplatz (23), dem einstigen dass dieser je auf der Baustelle gewesen sein soll. 1939 erfolgte eine Dorfplatz des alten Triesen, Aussen- und 1943 eine umfassende Innenrenovation. Zwischen 1991 zusammen. Dieser wird in histori- und 1994 hat die Triesner Pfarrkirche unter der Leitung des Zürcher schen Dokumenten zuweilen gar Architekten Walter Bosshart eine grundlegende Erweiterung und als «Tanzboden» bezeichnet. An Neugestaltung erfahren. Aus der ursprünglich einschiffig rechteckigen seinem Nordrand befindet sich Chorturmkirche ist eine moderne, quadratische Hallenkirche mit dem das Gasthaus «Linde», welches Mahltisch im Zentrum der halbkreisförmig versammelten Gemeinde von vielen für das ursprünglichste entstanden. Einziger originaler Rest des Baus von 1843 ist der und älteste seiner Art gehalten Kirchturm (15). 24 wird. Tatsächlich ist die «Linde» 14 aber nur etwas mehr als fünfzig Die Kirche beherbergt ein Natur- Jahre alt. denkmal ersten Ranges: In ihrem Dachstock befindet sich die einzi- Vom Gasthaus «Linde» gehen wir ge so genannte Mausohr- ein paar Schritte bergauf und bie- Wochenstube in Liechtenstein. gen nach links in die schmale Hier verbringen bekanntermassen Strasse Oberer Winkel (24) ab. seit den Vierzigerjahren jeweils bis Die alten, teils denkmalgeschütz- zu 200 Mausohrweibchen den ten Bauernhäuser dort sind direkt Sommer und ziehen ihre Jungen aneinander gebaut. auf. In den benachbarten Kanto- nen St. Gallen und Graubünden Am nördlichen Ende der Gasse sind je fünf weitere solche Fleder- bekommen wir erstmals den maus(sommer)kolonien bekannt. Dorfbach (25) zu Gesicht. So wie Während der Umbau- und Erwei- 25 er sich hier präsentiert, in einer terungsarbeiten von 1991 bis 1994 15 gemauerten Rechteckrinne, ist er wurden besondere Schutzmass- viele Jahrzehnte rheinwärts nahmen getroffen, um die gerauscht, bevor er zugedeckt störungsempfindlichen Grossen wurde. An seinem Rand wachsen Mausohren nicht aus ihrem kirch- Holunder- und Zwetschgen- lichen Quartier zu vertreiben. Die bäume. Doch die Idylle täuscht, Massnahmen waren erfolgreich, denn früher ist der Dorfbach nicht denn die Fledermäuse sind geblie- selten als «Müllabfuhr» miss- ben und fühlen sich auch unter braucht worden, so dass sich dem neuen Dach offenbar wohl. unten an der Landstrasse oft eine Von Mai bis September können auf Menge stinkender Unrat ansam- der Nordseite der Kirche die melte. Mausohren in der Abenddäm- merung beim Ausfliegen beobach- Auf steilem Fussweg gelangen wir tet werden. (Mehr zur Pfarrkirche dem Bach entlang zum St. Ma- siehe S. 12ff.) 16 mertenweg und von dort zur Kapelle St. Mamerta, dem Ziel Die Gebäude Am Bach Nr. 2 (16), unseres Spaziergangs. in der Gabelung zwischen der Dorfstrasse und dem Strässchen «Am Bach», dürften zur ältesten erhaltenen Bausubstanz Triesens gehören. Gemäss einer dendro- chronologischen Analyse wurden Haus und Scheune um 1510 respektive 1516 erbaut.

10 7 Kultur- & Naturparcours 1 Siedlungskern erkunden

17 Etwas weiter oben «Am Bach» Wenige Meter weiter oben an der Dorfstrasse zweigt die Sägagass befand sich einst auf der linken links ab. Hier steht ein Dorfbrunnen (20), dessen Gestaltung an die Strassenseite eine Hammer- Sage vom Untergang von Trisun erinnert. Trisun, das alte Triesen, soll schmiede (17). Heute ist das einst durch einen Bergsturz verschüttet worden sein. Tatsächlich steht Gebäude zu einem Wohnhaus das heutige Triesen auf den Schuttkegeln eines postglazialen umgebaut. Direkt hinter dem Haus Felssturzes. stocken die Rebstöcke eines Auf dem Brunnenplatz befand sich früher die Triesner Volksschule. Weinbergs, der zum Besitz der Nichts erinnert mehr an sie; man kann sich gar nicht mehr richtig vor- Kirche gehört, und ganz in der stellen, wie das dreistöckige Gebäude hier Platz gehabt haben soll. Nähe stand bis Mitte des 19. Jahr- hunderts die alte Pfarrkirche. Ihre Am anderen Ende der kurzen 18 Grundmauern sind im Rahmen Sägagass befinden sich die 20 archäologischer Grabungen bereits Sägerei, die dem Strässlein den mehrfach untersucht worden. Namen gegeben hat, und ein so genanntes Pestkappili (21). Das Wo die Torkelgasse rechts einmün- Pestkappili ist in die Umfassungs- det, steht hangseitig die Alte mauer eines Privatgrundstücks ein- Sennerei (18). Die Bauern des gearbeitet. Diese kleine Andachts- Dorfes liefern hier allerdings längst stätte, deren Erbauungszeit nicht keine Milch mehr an. Stattdessen näher bestimmbar ist, soll daran beherbergt das denkmalgeschützte erinnern, dass hier in Pestzeiten Gebäude Räumlichkeiten für klei- die Toten von Triesen und Triesen- ne Veranstaltungen und ist Heimat berg in einem Massengrab beige- der Triesner Pfadfinderabteilung. setzt wurden. Die Sägerei wurde ursprünglich mit Am ehemaligen Torkel vorbei führt der Wasserkraft des Dorfbachs 19 die Torkelgasse zurück zur Dorf- betrieben. Diesen kann man hier 21 strasse. Dort befindet sich in der wieder hören, denn etwas weiter hangseitigen Ecke Torkelgasse/ oben beginnt der einzige offene Dorfstrasse das Haus Nr. 69, bei Abschnitt seines Laufs durch das den Einheimischen bekannt als Dorf. Frühmesserhaus oder Alte Kapla- nei (19). Vermutlich im ersten Wir setzen unseren Parcours durch Drittel des 17. Jahrhunderts das alte Triesen fort und folgen der erbaut, wurde das Haus 1690 vom Lindengasse (22) in Richtung Dorf- damaligen Pfarrer Valentin von strasse. Auf beiden Seiten der Kriss gekauft und in die von ihm Strasse sind stattliche alte Häuser gestiftete Frühmesserpfründe ein- und Höfe zu sehen. 1994 stiess gebracht. Diese Stiftung sollte für man bei Strassenbauarbeiten auf künftige Generationen einem zwei Gräber, die gemäss wissen- Frühmesser (Kooperator) eine schaftlicher Bestimmung in die Existenz sichern. Tatsächlich lebte und wirkte bis 1961 ein Frühmes- Zeit um 800 n. Chr. zu datieren 22 ser im Haus. Die Gemeinde übernahm 1980 das nunmehr leer ste- sind. hende Gebäude im Baurecht von der Pfründe (Stiftung), renovierte es und richtete ein Heimatmuseum ein, in dem historische Gegenstände und Kulturgüter gesammelt und aufbewahrt werden (Besichtigung gegenwärtig nur auf Anfrage möglich).

8 9 Kultur- & Naturparcours 1 Siedlungskern erkunden

17 Etwas weiter oben «Am Bach» Wenige Meter weiter oben an der Dorfstrasse zweigt die Sägagass befand sich einst auf der linken links ab. Hier steht ein Dorfbrunnen (20), dessen Gestaltung an die Strassenseite eine Hammer- Sage vom Untergang von Trisun erinnert. Trisun, das alte Triesen, soll schmiede (17). Heute ist das einst durch einen Bergsturz verschüttet worden sein. Tatsächlich steht Gebäude zu einem Wohnhaus das heutige Triesen auf den Schuttkegeln eines postglazialen umgebaut. Direkt hinter dem Haus Felssturzes. stocken die Rebstöcke eines Auf dem Brunnenplatz befand sich früher die Triesner Volksschule. Weinbergs, der zum Besitz der Nichts erinnert mehr an sie; man kann sich gar nicht mehr richtig vor- Kirche gehört, und ganz in der stellen, wie das dreistöckige Gebäude hier Platz gehabt haben soll. Nähe stand bis Mitte des 19. Jahr- hunderts die alte Pfarrkirche. Ihre Am anderen Ende der kurzen 18 Grundmauern sind im Rahmen Sägagass befinden sich die 20 archäologischer Grabungen bereits Sägerei, die dem Strässlein den mehrfach untersucht worden. Namen gegeben hat, und ein so genanntes Pestkappili (21). Das Wo die Torkelgasse rechts einmün- Pestkappili ist in die Umfassungs- det, steht hangseitig die Alte mauer eines Privatgrundstücks ein- Sennerei (18). Die Bauern des gearbeitet. Diese kleine Andachts- Dorfes liefern hier allerdings längst stätte, deren Erbauungszeit nicht keine Milch mehr an. Stattdessen näher bestimmbar ist, soll daran beherbergt das denkmalgeschützte erinnern, dass hier in Pestzeiten Gebäude Räumlichkeiten für klei- die Toten von Triesen und Triesen- ne Veranstaltungen und ist Heimat berg in einem Massengrab beige- der Triesner Pfadfinderabteilung. setzt wurden. Die Sägerei wurde ursprünglich mit Am ehemaligen Torkel vorbei führt der Wasserkraft des Dorfbachs 19 die Torkelgasse zurück zur Dorf- betrieben. Diesen kann man hier 21 strasse. Dort befindet sich in der wieder hören, denn etwas weiter hangseitigen Ecke Torkelgasse/ oben beginnt der einzige offene Dorfstrasse das Haus Nr. 69, bei Abschnitt seines Laufs durch das den Einheimischen bekannt als Dorf. Frühmesserhaus oder Alte Kapla- nei (19). Vermutlich im ersten Wir setzen unseren Parcours durch Drittel des 17. Jahrhunderts das alte Triesen fort und folgen der erbaut, wurde das Haus 1690 vom Lindengasse (22) in Richtung Dorf- damaligen Pfarrer Valentin von strasse. Auf beiden Seiten der Kriss gekauft und in die von ihm Strasse sind stattliche alte Häuser gestiftete Frühmesserpfründe ein- und Höfe zu sehen. 1994 stiess gebracht. Diese Stiftung sollte für man bei Strassenbauarbeiten auf künftige Generationen einem zwei Gräber, die gemäss wissen- Frühmesser (Kooperator) eine schaftlicher Bestimmung in die Existenz sichern. Tatsächlich lebte und wirkte bis 1961 ein Frühmes- Zeit um 800 n. Chr. zu datieren 22 ser im Haus. Die Gemeinde übernahm 1980 das nunmehr leer ste- sind. hende Gebäude im Baurecht von der Pfründe (Stiftung), renovierte es und richtete ein Heimatmuseum ein, in dem historische Gegenstände und Kulturgüter gesammelt und aufbewahrt werden (Besichtigung gegenwärtig nur auf Anfrage möglich).

8 9 Kultur- & Naturparcours 1 Siedlungskern erkunden

23 Die Lindengasse und die Die dem heiligen Gallus geweihte Pfarrkirche (14) wurde 1843 nach Dorfstrasse kommen beim Plänen des fürstlichen Architekten Georg Wingelmüller erbaut, ohne Lindenplatz (23), dem einstigen dass dieser je auf der Baustelle gewesen sein soll. 1939 erfolgte eine Dorfplatz des alten Triesen, Aussen- und 1943 eine umfassende Innenrenovation. Zwischen 1991 zusammen. Dieser wird in histori- und 1994 hat die Triesner Pfarrkirche unter der Leitung des Zürcher schen Dokumenten zuweilen gar Architekten Walter Bosshart eine grundlegende Erweiterung und als «Tanzboden» bezeichnet. An Neugestaltung erfahren. Aus der ursprünglich einschiffig rechteckigen seinem Nordrand befindet sich Chorturmkirche ist eine moderne, quadratische Hallenkirche mit dem das Gasthaus «Linde», welches Mahltisch im Zentrum der halbkreisförmig versammelten Gemeinde von vielen für das ursprünglichste entstanden. Einziger originaler Rest des Baus von 1843 ist der und älteste seiner Art gehalten Kirchturm (15). 24 wird. Tatsächlich ist die «Linde» 14 aber nur etwas mehr als fünfzig Die Kirche beherbergt ein Natur- Jahre alt. denkmal ersten Ranges: In ihrem Dachstock befindet sich die einzi- Vom Gasthaus «Linde» gehen wir ge so genannte Mausohr- ein paar Schritte bergauf und bie- Wochenstube in Liechtenstein. gen nach links in die schmale Hier verbringen bekanntermassen Strasse Oberer Winkel (24) ab. seit den Vierzigerjahren jeweils bis Die alten, teils denkmalgeschütz- zu 200 Mausohrweibchen den ten Bauernhäuser dort sind direkt Sommer und ziehen ihre Jungen aneinander gebaut. auf. In den benachbarten Kanto- nen St. Gallen und Graubünden Am nördlichen Ende der Gasse sind je fünf weitere solche Fleder- bekommen wir erstmals den maus(sommer)kolonien bekannt. Dorfbach (25) zu Gesicht. So wie Während der Umbau- und Erwei- 25 er sich hier präsentiert, in einer terungsarbeiten von 1991 bis 1994 15 gemauerten Rechteckrinne, ist er wurden besondere Schutzmass- viele Jahrzehnte rheinwärts nahmen getroffen, um die gerauscht, bevor er zugedeckt störungsempfindlichen Grossen wurde. An seinem Rand wachsen Mausohren nicht aus ihrem kirch- Holunder- und Zwetschgen- lichen Quartier zu vertreiben. Die bäume. Doch die Idylle täuscht, Massnahmen waren erfolgreich, denn früher ist der Dorfbach nicht denn die Fledermäuse sind geblie- selten als «Müllabfuhr» miss- ben und fühlen sich auch unter braucht worden, so dass sich dem neuen Dach offenbar wohl. unten an der Landstrasse oft eine Von Mai bis September können auf Menge stinkender Unrat ansam- der Nordseite der Kirche die melte. Mausohren in der Abenddäm- merung beim Ausfliegen beobach- Auf steilem Fussweg gelangen wir tet werden. (Mehr zur Pfarrkirche dem Bach entlang zum St. Ma- siehe S. 12ff.) 16 mertenweg und von dort zur Kapelle St. Mamerta, dem Ziel Die Gebäude Am Bach Nr. 2 (16), unseres Spaziergangs. in der Gabelung zwischen der Dorfstrasse und dem Strässchen «Am Bach», dürften zur ältesten erhaltenen Bausubstanz Triesens gehören. Gemäss einer dendro- chronologischen Analyse wurden Haus und Scheune um 1510 respektive 1516 erbaut.

10 7 Kultur- & Naturparcours 1 Siedlungskern erkunden

11 Etwas weiter aufwärts an der Dorf- Die Ursprünge der Kapelle 26 strasse, wo ein Strässchen ins Ga- St. Mamerta (26) gehen nach pont abzweigt, steht das so ge- bisherigen Erkenntnissen bis ins nannte Christli-Huus (11), auch 9. oder 10. Jahrhundert zurück. dieses früher ein Arbeiterwohn- Allerdings sieht sich die zeitgenös- haus, das 1899 von der Firma sische archäologische Erforschung Jenny, Spoerry & Cie. gekauft wor- mit zahlreichen, bisher nicht den war. beantworteten Fragen konfrontiert. (Mehr dazu auf Seite 14) Gapont (12). Der Name dieser Flur, die sich talwärts bis zum 12 Hangfuss erstreckt, ist rätoroma- nisch und leitet sich von lateinisch caput pontis ‘Brückenkopf’ ab. Daraus ist Interessantes zu schliessen: Irgendwo am Hang- fuss, direkt am Ufer des damals ungebändigten Rheins, hat sich zu romanischer Zeit ein befestigtes Bauwerk befunden, auf dem eine Brücke aufgelegt war. Nach Ansicht einiger Historiker handelte es sich dabei um die älteste im Land bekannte Rheinbrücke. Sie soll im 15. Jahrhundert, als der Strom den Triesnern dort Wiesen, 13 Stallungen und Häuser wegnahm, zerstört worden sein. Im Haus Gapont Nr. 15 wurde bis ca. 1980 eine Gemeinschaftskühl- anlage betrieben. Die Selbstver- sorgergenossenschaft vermietete hier Gefrierfächer, bevor die Ge- frier(kühl)schränke in die privaten Haushalte Einzug hielten. Völlig unbestritten ist hingegen, Die Strasse Gapont mündet ins dass die sonnige Terrasse von Gässli. In diesem Gebiet brannten St. Mamerta einer der schönsten 1913 bei der grössten liechtenstei- Plätze von Triesen ist: Geniessen nischen Brandkatastrophe des Sie den Ausblick auf das Dorf und 20. Jahrhunderts zahlreiche das Rheintal! Häuser ab. Obschon Feuerwehren aus anderen Gemeinden sowie aus der benachbarten Schweiz zu Hilfe eilten, verloren damals gegen neunzig Personen ihr Zuhause. Weiter oben am Hang, wo das Gässli in die Dorfstrasse zurückführt, steht das Haus Dorfstrasse 46. Hier versammelten sich die ersten Evangelischen im Land und hielten zwischen 1881 und 1963 ihre Gottesdienste ab. Das Haus heisst im Volksmund Tannerhaus (13), nach dem in der Weberei tätigen Emil Tanner, der dort zur Miete wohnte.

6 11 Sakrale Baukunst Siedlungskern erkunden

Pfarrkirche St. Gallus über zwei Kassettenfelder ohne Der hinterste, südlichste Teil der 7 trennenden Balken. Sie werden in Alten Weberei ist der jüngste. Er Das wohl augenfälligste ihrem Kampf von kleineren wurde 1911 gebaut. Der quader- Kunstwerk im 1994 zur quadra- Engeln (a) unterstützt, welche förmige Erweiterungstrakt ist der tischen Hallenkirche umgebau- durch sechs Flügel als Cherubim erste Flachdachbau (7) Liechten- ten Gotteshaus ist die hölzerne charakterisiert sind. Nicht ganz steins. In seiner Gliederung und Kassettendecke von 1942. Sie einfach ist die Zuordnung der in auch Ausgestaltung war er damals stammt vom Künstler Johannes Erdtönen gemalten Fabeltiere zu seiner Zeit um zehn bis zwanzig Hugentobler aus Appenzell, wel- den einzelnen Hauptsünden. Vom Jahre voraus. Mit der Fabrik kam cher zwischen 1939 und 1943 weissen Erzengel mit Pfeil und also auch neues Bauen nach umfangreiche Renovations- Liechtenstein. Nachdem die arbeiten an der 1843 erbauten Gemeinde 1984 das ganze 8 Pfarrkirche leitete. Hugentobler Fabrikareal erworben hatte, selbst hat sein Werk, das vor wurde eine gemischte Nutzung dem Hintergrund des Zweiten angestrebt. Im Fabrikgebäude Weltkrieges zugleich als Inter- sind heute Ateliers, Gewerbe- pretation der gewalttätigen Zeit betriebe, Schulen und Vereine zu sehen ist, so beschrieben: untergebracht. «Da ist im Schiff die grosse Holzdecke, aufgeteilt durch Hinter der Alten Weberei führt das Balken in ungefähr hundert qua- Fabrikwegli den leicht ansteigen- dratische Felder, alle bemalt mit den Hang hinauf und zurück zur einem scheinbaren Durch- Dorfstrasse. Etwa auf halber einander von guten und bösen Strecke befindet sich rechts ein Geistern, Cherubim, Schlangen, n grosszügig bemessenes Doppel- Dämonen und grossen Engeln. haus (8). Es wurde 1946 von Der verweilende Blick erkennt, Bogen (b) wird der vielarmige Jenny, Spoerry & Cie. als letztes 9 dass in das scheinbar undrama- Geiz (c) bekämpft. Daneben firmeneigenes Arbeiterwohnhaus tische Nebeneinander sieben stösst der blaue Engel in Ritter- gebaut. Kampfszenen eingewoben sind: rüstung (d) seine Lanze wohl ins die bösen Begierden, eigenwillig Maul des sprühenden Zorns (e). Das Fabrikwegli endet bei der personifiziert, gegen je einen Gegen die verfaulende Trägheit (f) Dorfstrasse. Auf der gegenüberlie- Engelsfürsten. Diese grosse zieht der gelbe Engel mit Schild genden Strassenseite mündet hier Holzdecke, angefüllt mit und Schwert (g) zu Felde, und der offene Mölibach (9) in den Knäueln von reinfarbigen und der gefrässigen Masslosigkeit (h) unterirdisch verlaufenden Dorf- ‘schmutzigen’ Flecken, ist wie setzt sich der blaue Engel mit bach. Am Mölibach entlang führt ein Spiegel, eine Projektion der Schwert (i) zur Wehr. Ihm gegenü- der Farbweg den steilen Hang Menschenherzen unten im ber stösst der rote Engel mit weis- hinauf. Auf diesem Fussweg Schiff, wo auch dauernd das sem Gesicht (j) seine lange Lanze kamen die Fabrikarbeiterinnen Gute mit dem Bösen im Kampfe in den Rachen des doppelzüngi- aus Triesenberg täglich zur Arbeit liegt.» gen Neides (k). Die Hoffart, dar- in die Weberei nach Triesen. Der gestellt als Groteske mit Tierleib, Pfad bekam den Namen «Farb- 10 In 91 Kassetten zeigt geschminktem Frauengesicht, weg» vom Namen dieser Flur: Hugentobler den Kampf und bemalten Fussnägeln und Farb (10). Die Bezeichnung Sieg der sieben erhabenen, Pfauenfedern auf dem Rücken (l), erinnert an die Färberei, die hier bewaffneten Engel über die sie- wird bekämpft vom roten Engel am Bachlauf einmal betrieben ben als groteske Fabeltiere dar- mit dem dunklen Umhang (m). wurde. Der Bach selbst wurde gestellten Hauptsünden Zorn, Und beim Gegner des strahlend nach einer Mühle (mundartlich Geiz, Trägheit, Wollust, Hoffart, weissen Engels mit Schild und «Möli») benannt, die sich einst Masslosigkeit und Neid. Lanze (n) dürfte es sich um die noch weiter oben am Hang mit Attributen des Teufels ausge- befand. Die Erzengel, gemalt in reinen stattete Wollust (o) handeln. Farben, erstrecken sich jeweils Interessantes Detail: Auf dem grü-

12 5 Kultur- & Naturparcours 1 Sakrale Baukunst

4 einer einzigen Mauer des spätro- manischen Erstbaus erweitert wor- den. In neuerer Zeit, 1964 und 2002, hat die Kapelle zwei umfas- sende Sanierungen erfahren. e (Mehr zur Marienkapelle siehe c Seite 15)

Dicht hinter dem Kappili befindet a sich die Alte Weberei (4), ehe- mals Baumwollweberei Jenny, 5 Spoerry und Cie. Die Anfänge die- ser Fabrik gehen ins Jahr 1863 zurück, als unter dem Namen Kirchthaler & Dürst – als zweiter Industriebetrieb des Landes – eine b d mechanische Baumwollweberei in Betrieb genommen wurde. Mit der l f Textilbranche kamen die Industria- lisierung und eine Reihe von Ver- änderungen ins Land. Denn neben Arbeitsplätzen und Verdienst- möglichkeiten brachten die Fabri- ken allmählich auch Elektrizität, Telefon sowie Versicherungen und

Arbeitszeitregelung. Als wichtiger o 6 Zeuge dieser Entwicklung steht das einstige Fabrikationsgebäude seit 1996 unter Denkmalschutz.

An der Dorfstrasse – dem Fabrik-

gebäude nördlich vorgelagert – g befinden sich die Fabrikantenvilla m (5) und gegenüber an der Hangseite das ehemalige Ober- meisterhaus (6), beide erbaut um 1900. In der Anordnung der Häu- ser auf der Stirnseite der Fabrik und in ihrer Ausgestaltung wider- spiegeln sich die neuen gesell- schaftlichen Schichten, die mit der Industrialisierung entstanden. Neben Bauern gab es neu Arbeiter, n Obermeister und Fabrikanten. Demographisch gesehen wurde in der Fabrik das heutige multikultu- relle Liechtenstein begründet. Zu den Triesnern – bis dahin grössten- teils katholische Bauern – gesellten sich nun auch andere Konfessio- k h nen und Nationalitäten.

j 4 13 i Sakrale Baukunst Siedlungskern erkunden nen Umhang des gelben Engels Die Kapelle St. Mamerta Das Gemeindezentrum (1), wo (g) sind alte Triesner Hauszei- unser Spaziergang beginnt, wurde chen zu erkennen. Nirgendwo im Dorf reichen die 1980 fertig gestellt. Die Gebäude- Spuren so weit in die Geschichte teile umschliessen einen attrakti- zurück wie auf St. Mamerta. ven Dorfplatz, auf dem sich Obschon zahlreiche Fragen unge- Triesen zu besonderen Anlässen klärt sind, besteht die Forscher- trifft. Im Triesner Saal schlägt das meinung, dass St. Mamerta die Herz der Gemeinde: Hier finden erste Pfarrkirche von Triesen Versammlungen und Feste, gewesen sei und ihre Gründung in Ausstellungen und Konzerte statt. frühchristliche Zeit zurückreiche. Zusammen mit dem östlich vorge- St. Mamerta ist das Wahrzeichen lagerten Neubau der Liechtenstei- 1 des Dorfes, das in nahezu jeder nischen Musikschule stellt das Publikation über die Gemeinde Gemeindezentrum heute den Mit- abgebildet wird. telpunkt von Triesen dar.

Die Terrasse, auf welcher die Über der Landstrasse, dort wo Kapelle steht, wird umgeben von beim «Sonnenkreisel» die Dorf- einer rund 90 cm dicken Umfas- strasse beginnt, steht auf einem grossen Platz der Gasthof Sonne g sungsmauer. Im Nordosten und Südosten des Areals sind zudem (2). Dank ihrer strategisch günsti- Grundmauern von weiteren gen Lage am Fuss des Anstiegs In direkter Beziehung zur Decke Gebäuden gefunden worden. Alle durch das Dorf hinauf war die steht die in Rot und Schwarz diese Bauten stammen aus der- «Sonne» während Jahrhunderten gehaltene Inschrift auf der höl- selben Zeit wie die ältesten Teile das bedeutendste Wirtshaus von zernen Chorbogenstrebe: «Dazu der Kapelle. Der Turm ist jüngeren Triesen. Zum Gasthof gehörte ist der Sohn Gottes erschienen, Datums. Er dürfte im 15. Jahrhun- immer auch eine so genannte 2 dass er die Werke des Teufels dert errichtet worden sein. Zuschg, eine Umspannstation für zerstöre.» Die Strebe trägt Wiederholt hat die Forschung in Fuhrwerke. Hier konnten die zudem eine Kreuzigungsgruppe, Erwägung gezogen, dass die Fuhrleute aus nah und fern sich deren Figuren ursprünglich im Gebäudefragmente innerhalb der und ihre Pferde für die anstregen- Hochaltar des Erstbaus von Umfriedungsmauer einst Wohn- de Weiterreise stärken. Die altehr- 1843 integriert waren. gebäude einer Dienstmannenburg würdige «Sonne» fiel 1938 einem waren. Konkret wird vermutet, Brand zum Opfer. Bis zum Von Johannes Hugentobler dass sich auf St. Mamerta der Sitz Wiederaufbau des neuen Gasthofs stammen neben der Holzdecke der «Edlen von Trisun» befand. wurden die Gäste behelfsmässig auch die sechs grossen Rund- Bescheidene Funde von Haus- in der Pferdeumspannstation bogenfenster auf Höhe der keramik aus dem 12./13. Jahr- bewirtet. Empore. Die Glasmosaikfenster hundert sowie weitere Kleinfunde zeigen in intensiver Farbgebung Etwas weiter hangaufwärts zweigt (Pfeilspitzen, Eisenmesser, rechts von der Dorfstrasse der und feiner Ornamentik je einen Hufeisenfragment und Steigbügel) Kappeliweg in Richtung Süden ab. 3 frontal ausgerichteten, stehen- stützen diese These. den Engel im Priestergewand Nach wenigen Schritten stehen und sorgen für einen zauberhaf- wir vor dem Kappili (3). Erstmals ten Lichteinfall. schriftlich erwähnt wird die «Kapelle der heiligen Jungfrau Im Chor der Pfarrkirche befindet Maria im Dorfe Triesen» im Jahre sich ein spätgotischer geschnitz- 1415. Ihre Ursprünge weisen ter Flügelaltar, den Ludwig von allerdings ins 13., spätestens 14. Brandis 1492 für die Kapelle Jahrhundert zurück. 1654 ist die St. Mamerta gestiftet hat. Marienkapelle unter Einbezug nur

14 3 Kultur- & Naturparcours 1 Sakrale Baukunst

Büchele Marienkapelle der Zeit um 1415, während die Dorfbach Siedlungskern erkunden Aussenseite der Wandoberfläche

24 Über den Erstbau der Marien- in so genannter «Pietra-Rasa-

St. Mamertenweg Oberer Winkel kapelle liegen keine gesicherten Technik» mit horizontalem 25 Linden- Kenntnisse vor. Alte Fundament- 23 platz Der Kultur- und Naturparcours durch den Siedlungskern von Triesen Fugenstrich erscheint. Beide beginnt beim Gemeindezentrum im Dorfteil Sand und führt hangauf- reste unter der Kapelle belegen Entdeckungen wurden in das

Lindengasse wärts der Dorfstrasse entlang bis zur frühmittelalterlichen Kapelle jedoch die Existenz eines Baus damalige Renovationskonzept 26 22 St. Mamerta. aus dem 13., spätestens 14. übernommen und sichtbar 21 Sägagass 20 Jahrhundert. Sein heutiges Er- gemacht. Leider sind Jahre später

18 Auf den exakt einhundert Höhenmetern, die zwischen der Rhein- scheinungsbild hat das im Rahmen einer Aussen- Torkel- gasse ebene und der Anhöhe von St. Mamerta zurückzulegen sind, kommt renovation grössere Teile der 19 der Spaziergang einem Gang zurück in die Geschichte von Triesen historischen Wandoberfläche zer- gleich: Triesen ist bzw. war das Dorf am Bach! Die Siedlung ist am stört worden, so dass sich das ori- 17 Bach Am Bachlauf entstanden und gewachsen. Unterwegs kommt der ginale, spätromanische Bild nur 16 Wanderer an manchem historischen Gebäude vorbei, in welchem noch in der oberen Hälfte der dank der Kraft des Wassers einem existenzsichernden Gewerbe unverputzten Südwand zeigt. 15 14 nachgegangen werden konnte: Sägewerk, Mühle, Schmiede, Industriebetrieb. Anlässlich einer im Jahre 2002 abgeschlossenen Restaurierung Heute ist dies allerdings erst auf den zweiten Blick zu sehen, denn ist das Kapelleninnere gestalte- seit einigen Jahrzehnten verläuft der Dorfbach nicht mehr offen, son- risch wieder in den Zustand dern tief unter der Dorfstrasse. Der Dorfbach, der die Entwicklung zurückgeführt worden, wie es sich von Triesen bis in die jüngste Zeit geprägt hat, ist verdrängt worden. vor der Kampagne von 1964 prä- Gemeinde 13 Seine Spuren verwischen mehr und mehr. sentiert hat.

M T riesen ö lib a c h Gässli Kunsthistorisch bedeutsam sind die spätromanischen Wand- Fa rb w Dorfstrasse e g malereien und die intakte barocke Kultur- & Altarausstattung aus der Zeit um 1655. Von besonderem histori- Naturparcours 1 10 schen Interesse sind zudem die Gapont Siedlungskern 9 11 12 Reste zweier mittelalterlicher Zehent-Keller, über denen die erkunden Fabrikwegli8 Kapelle errichtet wurde. Als Besucher sollten wir uns ver- 6 Dorfstrasse gegenwärtigen, dass das Kirchlein

4 7 unmittelbar nach dem Dreissig- jährigen Krieg (1618 – 1648), 5 während noch Pest und Hexen- 3 wahn grassierten, in die heutige K appeliweg Form gebracht wurde. 2 «Kappili», wie das kleine Gottes- Die Marienkapelle war im Laufe Landstrasse haus von den Einheimischen der Jahrhunderte ihres Bestehens genannt wird, der Neuerbauung ein beliebtes und viel besuchtes im Jahre 1654 zu verdanken. Wallfahrtsziel für Bittgänge und Bei Renovationsarbeiten wurde Prozessionen. Noch in den 1964 in der Südwand des Dreissigerjahren des 20. Jahr- Kapellenschiffs älteres, vom hunderts erinnerten in der Kapelle Vorgängerbau stammendes zahlreiche Votivgaben und -tafeln Mauerwerk entdeckt. Im Innern sowie abgelegte Krücken und 1 der Marienkapelle zeigen diese Stöcke an die Gebetserhöhungen Mauerteile wertvolle Fresken aus durch die Muttergottes.

2 15