Joe Haldeman Justina Robson Joe Hill
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joe haldeman justina robson joe hill 03 herausgegeben von hannes riffel & jakob schmidt LESEPROBE 03 6 Editorial 8 pat cadigan · Des Kaisers neue Wirklichkeit 22 »Warum es so etwas wie Science Fiction (eigentlich) nicht gibt« von brian stableford 32 »Cordwainer Smith« von graham sleight 38 joe haldeman · Ein anderer Krieg 63 »Ewige Konstruktionen und andere« von thomas p. weber 66 tim powers · Den Hügel hinab 84 joe hill · Daumenabdruck 104 »Die Gespenster des 20. Jahrhunderts« von john clute 108 christian von aster · Dracontocopros 114 »Freiheit in einer vermarkteten Welt« von stephen baxter 136 andrej lasartschuk · Die Mumie 146 »Ein bescheidener Vorschlag« von jonathan swift 152 justina robson · Einsame Insel 160 »Im Angesicht des Fremden« von jakob schmidt 4 PANDORA · SCIENCE FICTION & FANTASY · FRÜHJAHR 2008 Titelbild von Gil Formosa 170 »Superzivilisationen und die weit entfernte Zukunft« von fritz heidorn 180 »John Wyndhams Kuckuckskinder als Holocaustroman« von adam roberts 184 james patrick kelly · Flammen 218 »Über Peter Watts’ roman Blindfl ug« von jonathan mccalmont 224 »Science Fiction History« von hardy kettlitz 228 rezensionen Neue Bücher besprochen von Gunther Barnewald, Ulrich Blode, John Clute, Christian Hoffmann, Hardy Kettlitz, Boris Koch, Dirk Kretsch- mer, Faren Miller, Jasper Nicolaisen, Alexander Pechmann, Jakob Schmidt, Karla Schmidt, Wolfgang Tress, Uwe Voehl & Simon Weinert 252 Mitarbeiter 256 Vorschau | Impressum PANDORA · SCIENCE FICTION & FANTASY · FRÜHJAHR 2008 5 Jakob Schmidt Hauptsache, w i r Editorialhaben etwas davon ... Das Gemeinwohl ist im Prinzip eine schöne Menschen im Dienste des Allgemeinwohls Sache. Wenn man so ganz ehrenamtlich ein abverlangt wird, desto weniger kommt ihnen Literaturmagazin betreibt, kann einem dieses (die doch eigentlich die Allgemeinheit sind) Konzept eigentlich nur am Herzen liegen – wer davon zugute. Wer wissen will, warum das so sonst sollte schließlich auf lange Sicht für das ist, soll Karl Marx lesen oder auch Dietmar Dath Wohl all der am Hungertuch nagenden Redak- (gerade ist sein Buchessay Maschinenwinter tionsmit- und -zuarbeiter aufkommen, wenn erschienen, da erklärt er alles). nicht die Allgemeinheit? Die Frage, was für Probleme das Denken in Aber vielleicht haben wir das auch falschrum Allgemeinwohlplätzen mit sich bringen kann, verstanden und »Gemeinwohl« heißt gar nicht, lässt sich da schon leichter beantworten, nicht dass am Ende irgendwie alle für jeden Einzel- zuletzt durch Lektüre dieser Ausgabe von PAN- nen geradestehen, sondern dass jeder Einzelne DORA. Kein Geringerer als Jonathan Swift hat dazu verpflichtet ist, vollen Einsatz für die All- diesen Gedanken auf die Spitze getrieben, und gemeinheit zu bringen und selbiger gleichzeitig so können wir stolz verkünden, dass sein hier in gefälligst nicht zur Last zu fallen. Ein solcher Neuübersetzung abgedruckter »bescheidener Begriff vom Allgemeinheit, der nicht im Glück Vorschlag« auch nach mehreren hundert Jahren eines jeden Einzelnen gründet, unterscheidet unglückseligerweise absolut auf der Höhe der sich eigentlich nicht maßgeblich von den Zeit ist. Hoffen wir, dass er nicht irgendwelchen angeblich überwundenen bornierten Nationa- findigen Gesundheitsministern in die Hände lismen, in denen der Einzelne immer dem fällt ... Auch James Patrick Kellys Kurzroman »Volksinteresse« unterworfen ist. In den realso- Flammen, dessen ersten Teil wir hier abdrucken, zialistischen Staaten wurde diese Form von wirft ein fragwürdiges Licht auf eine planetare gesellschaftlichem Bockmist noch autoritär von Gemeinschaft, die sich einem recht beschau- oben durchgesetzt, im nach-wohlfahrtsstaatli- lichen Lebensstil verpflichtet hat und wenig chen Kapitalismus reicht schon der Appell an Verständnis für anders gelagerte Ansprüche die Menschen, sich bitte möglichst effektiv aufbringt. selbst auszubeuten, damit das Gesellschaftsge- Natürlich pflegen wir auch sonst nach wie triebe reibungslos weiterläuft. vor Abseitiges, das mancher vielleicht für über- Leider spricht einiges dafür, dass die herr- flüssig oder gar für eine Zumutung an die Allge- schende Politik tatsächlich nach dieser Maß- meinheit hält, das uns aber gerade gut genug gabe vorgeht. Asylbewerber konnte sich die ist – sei es nun eine realsozialistische Mumien- »Allgemeinheit« angeblich schon 1993 nicht geschichte, ein Lehrstück über Drachenaus- mehr leisten, weshalb das Asylrecht faktisch scheidungen, ein Gedankenexperiment um eine abgeschafft wurde. Auch Alte und Kranke kom- absolut reale virtuelle Realität oder eine ele- men ihr angeblich zu teuer, weshalb neuerdings gante kleine Erzählung über die Frage, wie alle zum Wohl aller Praxisgebühren zahlen und wünschenswert der Erstkontakt mit einer tech- man nebenbei bitte selbst für’s künstliche Hüft- nologisch hochstehenden außerirdischen Zivili- gelenk aufkommen soll. Schließlich wirft man sation wirklich ist. Auch die Sekundärtexte auch streikenden Bahnangestellen mangelnden behandeln selbstredend Themen, an denen die Gemeinsinn vor, weil ihr Streik – na so was! – Allgemeinheit wenig Interesse haben dürfte, störende Auswirkungen auf’s öffentliche Leben weshalb sie hier genau richtig am Platz sind: hat. Das Ergebnis ist dabei scheinbar immer Fritz Heidorn zerbricht sich den Kopf über eine Illustriert von dasselbe: Je mehr gegen das sogenannte Zukunft, die weit jenseits des Horizonts jeder Stefan Hecking Anspruchsdenken gewettert und je mehr den Nachhaltigkeitsdebatte angesiedelt ist, und PANDORA · SCIENCE FICTION & FANTA S Y · FRÜHJAHR 2008 Graham Sleight widmet sich einem Autor, des- rarischen Weihwassern gewaschenen Magazin sen Werke auf Deutsch seit Jahren nicht mehr die Titelbilder von WARHAMMER-Romanen das erhältlich sind. Brian Stableford sägt derweil Layout verschönern. Irgendwie muss eben auch am Ast, auf dem nicht nur er sitzt, indem er der integerste Autor sich um’s Gemeinwohl ver- erklärt, warum es so etwas wie Science Fiction dient machen, sprich: sich halbwegs ordentlich (eigentlich) gar nicht gibt – womit er diese verkaufen. Dahin gibt es verschiedenste Wege, Ausgabe der PANDORA dann auch noch und einen stellt Stephen Baxter in seinem Essay un geeignet zur Selbstbespiegelung der SF- über die ersten kommerziellen Gehversuche so Gemeinde macht. Ähnlich ketzerisch betätigt manches hochklassigen britischen SF-Autors sich Adam Roberts, indem er zu dem Schluss bei der WARHAMMER-Rollenspielreihe erhellend kommt, dass John Wyndhams Roman Kuckucks- und unterhaltsam dar. Das hat uns so über- kinder eine Einfühlung in die faschistische Gei- rascht und amüsiert, dass wir es auch unseren steshaltung darstellt. Wer sich empört, dass Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten Roberts den Ruf eines der großen Werke des wollen. Genres schädigt, sollte das Essay lieber noch ein Trotz dieses kleinen Zugeständnisses zweites Mal lesen. Meiner – für die Allgemein- be harren wir weiterhin darauf, dass die All- heit wohl unmaßgeblichen – Meinung nach gemein heit für jeden Einzelnen da ist und nicht handelt es sich jedenfalls um die bislang beste umgekehrt, also gefälligst auch uns nutzlose Roberts-Kolumne. Schöngeister durchfüttern soll. Man mag uns Zugegeben, auch wir können uns den Reali- deshalb Anspruchsdenken vorwerfen, aber täten nicht ganz entziehen. Mancher wird sich anspruchsvoll möchten wir ja auch sein. Was vielleicht beim Durchblättern schon gewundert wir dafür zurückgeben, spricht hoffentlich für haben, warum mitten in unserem mit allen lite- sich selbst! Redakteur Jakob Schmidt (rechts im BIld) beim Treffen mit den heimlichen Sponsoren von PANDORA. PANDORA · SCIENCE FICTION & FANTASY · FRÜHJAHR 2008 7 Pat Cadigan Nicht erst seit »Second Life« sind virtuelle Realtäten für viele Menschen wichtiger – und vor allem begehrenswerter – als ihre eigene Alltags- wirklichkeit. Die Befürchtung, das könnte überhand nehmen, ist in der Science Fiction nicht neu. Was geschieht jedoch, wenn die Virtualität so weit perfektioniert wird, dass wir sie nicht mehr von der Realität unter- Für Storm Constantine scheiden können? Es war einmal in einem weit ent- sion, sondern das fertige Produkt, fernten Land, da lebte ein Kaiser, das einwandfrei funktionierte, und der hatte unbegrenzten und freien zwar jedes Mal auf Anhieb. Niemand Zugang zu so vielen Realitäten, wie wollte dem Kaiser gegenüber knause- er nur wollte. Denn da er der Kai- rig sein, denn er stellte nicht nur die ser war, hatte er kostenlose Konten beste Werbung dar, die eine Firma bei allen Anbietern von Realitäten, für ihre Produkte bekommen konnte, und was noch wichtiger war: Er hatte er war auch ein unbegrenzter Fundus die beste verfügbare Hardware und an neuen Ideen und guten Einfällen. die beste Software, die darauf lief. Denn immer dann, wenn es den Kai- Deutsch von All das waren meist so weit fortge- ser nach einer neuen Erfahrung gelü- Rahel-Sophie Friedel schritten, dass sie für gewöhnliche stete, rief er einfach eine Hardware- Leute mindestens ein Jahr lang oder Soft warefi rma an und bat die Illustriert von nicht erhältlich sein würde. Und das Forschungs- und Entwicklungsabtei- Rebecca Conrad war keine unausgereifte Betaver- lung, sie für ihn herzustellen. 8 PANDORA · SCIENCE FICTION & FANTASY · FRÜHJAHR 2008 Der Kaiser hatte sehr viel Phantasie und war hatte, dass sich Leute beschwerten, wenn sie hin- unmittelbar verantwortlich für viele verschiedene terher herausfanden, dass sie mit dem Kaiser zu Arten von Realitäten, die zahllose Leute überall auf tun gehabt hatten, ohne es zu wissen – sie fühl- der Welt begeisterten. Wären diese Realitäten alt-