18 Cover Story Cockpit 11 2015 Monatsinterview

Ein eingespieltes Team: CEO Bruno Jans (57,

links) und Finanzchef Tobias Pogorevc (45). Airways Helvetic Foto: 19

«Es ist schwierig, Nischen zu finden»

Vom Low-Cost-Carrier zur anerkannten Linienfluggesellschaft: Die einst vom Financier Martin Ebner vor dem Konkurs gerettete Helvetic Airways hat sich zum zuverlässigen Partner gemausert, der sowohl als Char- ter- wie als Wet-Lease-Fluggesellschaft agiert. Der Nischencarrier transportiert aber auch Fussballclubs wie den FC oder Eishockeyvereine wie den HC Davos an entlegenste Winkel Europas. CEO Bruno Jans und ­Finanz- und Kommerzchef Tobias Pogorevc äussern sich zu den künftigen Plänen.

«Cockpit»: Herr Pogorevc, Herr Jans, wie Firmen und Sportvereine betrifft. Wir be- Flugprogramme. Wir sind viel flexibler als schlägt sich die Helvetic Airways im hartum- treiben ein konservatives Geschäftsprinzip andere und ­scheuen die Arbeit nicht. kämpften Airline-Markt? und konzentrieren uns auf die ­Nischen. So Pogorevc: Helvetic hat diesen Sommer Tobias Pogorevc: Wir hatten ein sehr erwirtschaften wir einen ­akzeptablen Yield 50 Prozent weniger Flüge in den Balkan ­anspruchsvolles Frühjahr. Wir haben die (Durchschnittserlös pro Passagier, die Red.). durchgeführt, weil die Germania mit einer 400er-Marke bei den Mitarbeitern zum ers- höchstgewagten Tiefpreisstrategie auf den ten Mal übertroffen. Zum Vergleich: Im Mai Wie ist das Verhältnis von Wet-Lease-Flügen­ Markt gekommen ist. 201o beschäftigte Helvetic Airways noch für andere Airlines wie die Swiss zu eigenen Jans: Uns ist es trotzdem gelungen, die weg- 120 Mitarbeiter. Im Januar dieses Jahres lag Flügen? fallenden Flüge durch solche für andere die Zahl bei 320 – kurz: Das Jahr war sehr an- Pogorevc: Acht Maschinen fliegen für die Kunden und an andere Destinationen zu spruchsvoll. Allein in den ersten sechs Mo- Swiss, fünf stehen für Helvetic Airways im ersetzen. naten kamen sechs Flugzeuge hinzu. Vom Einsatz. operationellen Standpunkt aus gesehen war Ende Oktober beginnt der Winterflugplan. das Ganze sehr, sehr herausfordernd. Das gibt ein Verhältnis von 60 zu 40 Prozent. Welche News hat Helvetic Airways für ihre Bruno Jans: Wir haben die ganze Rekrutie- Pogorevc: Das kommt in etwa hin. Kundschaft? rung alleine gemacht; wir verfügen näm- Jans: Wir führen für Hotelplan viele ­Flüge lich nicht über ein spezielles Personalbüro. durch – ein schöner Auftrag. Wir sind voll Nebst dem Cockpit- und dem Kabinen- «Wir sind viel flexibler ausgelastet, sodass wir keine neuen Desti- personal mussten noch viele lizenzierte nationen mehr ins Flugprogramm aufneh- ­Mechaniker gesucht, das ganze Engineering als andere.» (Jans) men können. Zudem müssen viele unserer erweitert werden. Dazu kam die Suche nach Flugzeuge gewartet werden. Daneben gilt Ersatzteilen für die neue Flotte. Zusätzlich unser Augenmerk der Konsolidierung, sind mussten für die Embraer-Flotte neue Main- Helvetic operiert einen Airbus A319. Ist das wir doch stark gewachsen. Wenn sich aber tenance-Programme geschrieben werden. Flugzeug von der Grösse her nicht ein Klum- die eine oder andere Gelegenheit ergibt, penrisiko? ­erfüllen wir diese Anfragen. In den letzten Jahren hat Helvetic Airways Pogorevc: Kuoni war der Grund dafür, dass massiv expandiert. Ich schliesse daraus, dass wir einen A319 geleast haben. Was sich für Stichwort Hotelplan: Wie lief die ganze Ak- das Fluggeschäft profitabel sein muss. die nächste Sommersaison abzeichnet, wis- tion ab? (Helvetic fliegt ab Winterflugplan Pogorevc: Das Fluggeschäft, wie wir es be- sen wir noch nicht. Wir haben aber schon für Hotelplan und nicht mehr Holiday Jet, treiben wollen – nämlich konservativ – diesen Sommer für viele Tour Operator mit die Red.) kann profitabel sein. Unser Geschäft- ba dem A319 Vollcharterflüge durchgeführt. Pogorevc: Innert Stunden mussten wir siert auf drei Standbeinen: ACMI (Aircraft, Unsere Strategie lautete schon immer, sich quasi eine ganze Operation aus dem Boden Crew, Maintenance und Insurance, die Red.) nicht nur auf einen einzigen Partner zu kon- stampfen, nachdem wir handelseinig ge- für die Swiss, das unsere Fixkosten deckt. zentrieren. worden waren. Das ist quasi die Grundauslastung, die uns Jans: Das hilft uns auch im volatilen Balkan- das Wachstum erlaubt. Dazu kommen das Geschäft. Der Kuchen ist recht stabil, ob- Mussten Sie zuerst das Okay von Martin Eb- Charter- und unser Linienfluggeschäft. Das wohl immer wieder neue Mitbewerber ins ner einholen? führte zu einem Flottenwachstum von 7 auf Geschäft einsteigen. Im Winter füllen wir Jans und Pogorevc: Nein. Das entschieden 13 Maschinen: ein A319, fünf Fokker-100 unsere Flugzeuge mit Balkanpassagieren. wir selber. Das ist ein operationelles Ge- und sieben Embraer-190. Aber wirklich Geld verdienen tut damit schäft. Wir hatten ihn darüber informiert, Wir sind heute die Nummer 1 in der ­niemand. Deshalb kreieren wir bei ent- nachdem wir mit Hotelplan handelseinig

Foto: Helvetic Airways Helvetic Foto: Schweiz, was den Bereich Spezialcharter für sprechenden Kundenanfragen spezielle geworden waren. 20 Cover Story Cockpit 11 2015 Monatsinterview

Und wie lange läuft der Vertrag? flug handeln, den wir in Eigenregie an die Helvetic Airways war immer als Nischen- Pogorevc: Es handelt sich um einen ganz Tour Operator verkaufen. Teilweise haben carrier bekannt. Wie schwierig ist es, solche normalenVollchartervertrag bis Ende März wir mehr oder weniger Kontingente von Nischen zu finden? 2016. Was danach sein wird, wissen wir Tour Operator auf unseren Flügen. Auf den Pogorevc: Das ist sehr schwierig und wird nicht. Bordeaux-Flügen beispielsweise hatten wir immer schwieriger. Vieles ist jetzt noch Jans: Wir lösen nicht die Germania Flug AG diesen Sommer keinen einzigen Sitz an die durch das Hub-Plus-Konzept der Swiss abge- ab. Wir führen im Auftrag von Hotelplan Tour Operator «verkauft». Im nächsten Jahr deckt worden, das uns auf dem linken Fuss das normale Flugprogramm durch. Germa- wird dies aber wieder der Fall sein. erwischt hat. Die Swiss hat entschieden, nia hatte einen Zusammenarbeitsvertrag Jans: Können wir nicht das ganze Flugzeug nach Brindisi und Bari zu fliegen – Destina- mit entsprechenden Blockstunden. «verkaufen», nehmen wir in Eigenregie tionen, die wir über Jahre aufgebaut ­haben. eine Charterdestination ins Programm auf Damit hat uns die Swiss sehr wehgetan. Ein wichtiges Standbein der Helvetic Air- und versuchen, die Sitzplätze zu verkaufen. ways sind die Charterflüge. Wo wäre die Das ist uns bis jetzt recht gut gelungen. Helvetic ohne diese? Pogorevc: Wir waren die erste Charterflug- «Wir haben immer einen Pogorevc: Wir predigen seit Jahren, dass gesellschaft, die dem Kunden angeboten unser Geschäftsmodell auf drei Pfeilern hat, Plätze über unseren GDS-Kanal (Gene- Plan B.» (Jans) ­basiert. Unser Charterprogramm ist erfolg- ral Distribution System, die Red.) zu verkau- reich, aber wir sind nicht allein von ihm fen. Das war bei nicht der Fall, auch abhängig. bei nicht, bis sie von der Swiss Wieso hat die Swiss nicht auf Ihre Erfahrung Jans: Wir gehen jedes Projekt konserva- zurückgegriffen? tiv an. Aber wir haben immer einen Plan Jans: Es gibt keine Absprachen. Wenn die B – zum Beispiel für den Fall, dass der A319 «Die Swiss hat uns auf dem ­ Swiss das Gefühl hat, der Markt sei inter- nicht mehr richtig ausgelastet wäre. Wir las- essant genug, dann führt sie die Flüge in sen uns nicht auf abenteuerliche Geschäfte linken Fuss erwischt.» ­Eigenregie durch. So ist das Geschäft. ein und kalkulieren das Risiko immer ge- Pogorevc: Das war auch bei Valencia, Ali- nau. (Pogorevc) cante oder Jerez der Fall – klassische Hel- vetic-Destinationen. Plötzlich entdeckten Wie sieht eine Eigenproduktion bei Helvetic auch Air Berlin und Edelweiss Air diese Des- aus? übernommen wurde. Wir tun alles, damit tinationen. Wir waren mit unserer 100-plät- Pogorevc: Das kann sich um eine neue ­unser Kunde erfolgreich ist – eine Win-Win- zigen Fokker erfolgreich. Dann erhöhten ­Liniendestination oder um einen Charter- Situation. unsere Mitbewerber die Kapazitäten mas- siv. Sie konnten jedoch ihre 168-plätzigen Maschinen nicht füllen – mit dem Resul- tat, dass heute niemand mehr Jerez bedient.

Bordeaux ist eine typische Eigenkreation von

Foto: Patrick Huber Patrick Foto: Helvetic. Wie lief sie diesen Sommer? Pogorevc: Mai und Juni waren schlecht. Wir wissen nicht warum. Mit dem Sommer­ geschäft waren wir zufrieden, im Herbst wa- ren wir sogar super ausgelastet. Wir gehen deshalb davon aus, dass wir Bordeaux im nächsten Sommer wieder anfliegen werden.

Worauf führen Sie diese Schwankungen ­zurück? Pogorevc: Frankreich figuriert nicht auf der Landkarte der Deutschweizer Reiseveran- stalter. Frankreich ist ein klassisches Auto- land. Jans: Das ist gleich wie Süditalien. Italien ist für die Reisebüros zudem zu teuer. Sar- dinien ist massiv teurer als Griechenland.

Von Cardiff und Bristol hat sich Helvetic ver- abschiedet. Was war der Grund? Jans: Leider haben sich diese Destinatio- nen nicht nach unserem Wunsch entwi- Sie geben bei der Helvetic den Ton an (hintere Reihe von links): Besitzer Martin Ebner und ckelt. Wir haben sie schon dieses Jahr nicht ­VR-Präsident ­Leonardo de Luca. Vorne: Tobias Pogorevc (links) und Bruno Jans (die Aufnahme mehr bedient. Irgendwann mussten wir die stammt vom Erstflug nach ­Bordeaux vor 1 1/2 Jahren). ­Konsequenzen ziehen. 21

Pogorevc: Das ist sehr schwierig. Exo­ flugzeug wollten wir eigentlich als Back-up Auf ein Wort tische Leisure-Destinationen ohne einen benutzen – und jetzt flog es teilweise sieben Reisever­anstalter im Rücken anfliegen zu Tage die Woche. Wo waren Sie zuletzt in den Ferien? wollen – dieses Risiko würde ich nie einge- Jans: Die Zuverlässigkeit des Embraers ist Jans: Mit dem Töff während drei Mona- hen. Irgendjemand muss die Route ja auch so hoch wie die des Fokkers. Wir müssen ten auf der Seidenstasse (Iran, Usbekis- verkaufen. noch unsere Maintenance-Abteilung auf tan, Tadschikistan, Russland). den neusten Stand bringen. Mit der SRTech- Pogorevc: Andalusien. Die Umschulungskurse von der nics haben wir einen Pool-Vertrag für Ersatz- auf die Embraer 190 haben Helvetic Airways teile, so dass wir abgesichert sind. Ihre Lieblingsdestination? den ganzen Sommer beschäftigt. Konnten alle beide: Bordeaux. Hindernisse überwunden werden? Helvetic Airways fliegt ja auch immer Spit- Jans: Wir haben es geschafft und alle Crews zenfussballclubs an entlegene Destinationen. Wo wollten Sie immer schon mal hin? in der zur Verfügung stehenden Zeit umge- Läuft das Geschäft nach wie vor? Jans: Wieder nach St. Petersburg. schult. Die Zusammenarbeit mit der SAT Pogorevc: Wir haben diesen Sommer fast Pogorevc: Argentinien. war perfekt. Die ganze Umschulung dauert alle Schweizer Vereine geflogen – den FC noch 1 1/2 Jahre, müssen wir doch wieder Basel, YB und Thun. Interessanterweise ha- Wen würden Sie gerne mal an Bord neues Personal schulen. ben sie immer gewonnen, wenn sie mit Hel- begrüssen? vetic unterwegs waren… Aber auch den SC Jans: Richard Branson. Wieviele Personen mussten umgeschult und den HC Davos haben wir zu den Pogorevc: Larry Page oder Sergey Brin werden? Eishockey-Europacupspielen transportiert. von Google, um über die Zukunft der Pogorevc: Rund 100 Piloten, wenn wir Wir sind dank unserer grösseren Flotte Informationstechnologie zu philoso- alle Teilpensen zusammenrechnen. In der ­flexibler. Es findet auch fast keine Autopre- phieren… ­Kabine waren es etwa 150 Flight Attendants. miere mehr statt, ohne dass wir die Verkäu- Jans: Dazu kamen noch neue Mitarbeiter, fer an den Präsentationsort fliegen. Da ha- Ihr Lebensmotto? die zu uns gestossen sind. ben wir uns einen guten Namen geschaffen. Jans: Nichts ist unlösbar. Pogorevc: Heute ist ein guter Tag! Was passiert mit den Fokker 100-Maschinen? Das dürfte finanziell lukrativ sein. Jans: Unsere fünf Fokker 100 fliegen noch Pogorevc: Wir haben unseren Preis. Darü- Sind Sie in den sozialen Netzwerken aktiv? bis 2017/18 für uns. Alle Checks werden vor- ber wird nicht verhandelt. Vor allem kön- Jans: Nein. schriftsgemäss durchgeführt. Ein Teil der nen wir das Flugzeug nicht drei Tage an Pogorevc: Nur auf LinkedIn. Maschinen wird auch später noch für uns einem Ort stehen lassen, was auch immer fliegen. wieder verlangt wird. Stolz sind wir, dass wir zum ersten Mal Pogorevc: Nach Bordeaux und Süditalien für die Schweizer Fussball-Nationalmann- lässt sich immerhin ein anständiger Preis schaft geflogen sind – nach Litauen –, bis- generieren. Das ist in Grossbritannien nicht «Wir haben unseren her eine Domäne der Swiss. der Fall. England ist ein klassischer Low- Preis. Darüber wird nicht Jans: Auch der Bund bucht uns regelmässig. Cost-Markt. Wenn die Auslastung nicht in- Das macht uns schon ein bisschen stolz. nert kurzer Zeit massiv ansteigt, hat man als ­verhandelt.» Fluggesellschaft verloren. (Pogorevc) Interview: Patrick Huber Hat Helvetic Airways Pläne, neue Destina­ tionen anzufliegen? Pogorevc: Pläne haben wir viele. Ob Lohnt es sich denn, drei verschiedene Flug- ­allerdings schon nächsten Sommer etwas zeugtypen in der Flotte zu halten? spruchreif ist, wird sich weisen. Das hängt Jans: Da sind wir wieder beim Thema auch von den Rahmenbedingungen ab. Es ­Arbeit. Ich würde sofort auf einen einzigen Helvetic pusht Bern muss eine Leisure-Destination sein. Wenn Flugzeugtyp setzen, wenn ich dadurch ein Helvetic Airways fliegt ab nächstem­Sommer wir zusätzlich noch attraktiv sind für Busi- Einsparpotenzial sehen würde. Aber das ist (Mitte Mai bis Mitte Oktober 2016) sieben ness-Leute – dann umso besser. nicht der Fall. Die Flexibilität bleibt so ge- Mal wöchentlich Feriendestinationen ab Jans: Eine neue Destination ins Programm wahrt. Bern im Mittelmeerbereich an. Das ist nicht aufzunehmen erfordert viel und teure Auf- nur für die Schweizer Airline gut: Auch der bauarbeit. Die Nachfrage muss vorhanden Wie steht Helvetic Airways nach dieser Som- Flughafen Bern, der in den letzten Jahren sein. Da müssen wir – zumindest für eine ge- mersaison finanziell da? immer wieder grosse Probleme hatte, neue wisse Zeit – etwas bewegen können, damit Pogorevc: Wir hatten ein gutes Jahr. Genaue Fluggesellschaften zu gewinnen, profitiert wir auch etwas verdienen. Entwickelt sich Zahlen geben wir nicht bekannt. Wir ha- davon. Helvetic wird für Hotelplan am Mitt- eine Nische erfolgreich, ist auch schnell ein ben konservativ gerechnet. Nur soviel: Wir woch und Samstag nach Kreta fliegen, am «Gros­ser» da. sind noch nie so viel geflogen wie diesen Donnerstag nach Kos, am Dienstag nach Sommer. Wir konnten sämtliche Zusatz­ Rhodos, am Donnerstag und Sonntag nach Wie klärt Helvetic das Risiko ab, bevor sie kapazitäten verkaufen. Das ergibt ein Plus Mallorca und am Freitag nach Zypern. eine neue Destination ins Netz aufnimmt? von rund 40 Prozent. Unser Embraer-Ersatz-