Herausgegeben vom Jugendreferat des Verbandes Osterreichischer¨ Philatelistenvereine:

Philatelistische Expedition in die Welt der Schriften und zu den Schriften der Welt

von Max Fink c 2004

Man kann im Leben nie genug wissen

Albert Schweitzer INHALTSVERZEICHNIS 4.6 Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ ...... 79 4.7 Der aramaische¨ Schriftkulturkreis ...... 91 1 Vorwort 1 4.8 Arabische und athiopische¨ Schriften ...... 97 4.9 Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ . . 110 2 Am Anfang war das Wort, doch wer schreibt, der 4.10 Die Schrift des koreanischen Konigs¨ . . . . . 125 bleibt. .. 4 5 Schrift oder nicht Schrift – Alphabete ohne Schrift128 3 Vorzeit und Altertum 10 5.1 Lautschrift ...... 128 3.1 Mitteilungsversuche ohne Schrift ...... 10 5.2 Notenschrift ...... 128 3.2 Erste Schriftversuche in Europa und auf den 5.3 Kurzschrift ...... 129 Mittelmeerinseln ...... 13 5.4 Blindenschrift ...... 130 3.3 Vorderasiatische Keilschriften ...... 15 5.5 Morsezeichen ...... 130 3.4 Schrift im Reich der Pharaonen ...... 20 5.6 Lochstreifensysteme ...... 131 3.5 Alte Kultur mit eigener Schrift in Indien . . . 25 5.7 Optischer Telegraph ...... 131 3.6 Geheimschrift auf der Osterinsel ...... 27 5.8 Flaggenalphabet ...... 132 3.7 Mittelamerikanische Schriften vor Kolumbus . 28 5.9 Fingeralphabet ...... 133

4 Vom Altertum zum Bestehenden 34 6 Blick in die Zukunft 135 4.1 Kunstlerische¨ Schriftzeichen in Ostasien . . . 34 4.2 Die Schrift der Seefahrer ...... 46 7 Impressum 137 4.3 Griechenland – Quelle der europaischen¨ Buchstabenschriften ...... 48 8 Index 138 4.4 Ratselhafte¨ Schriften im Suden¨ und Norden 8.1 Wo verwendet/e man . . . ? ...... 138 Europas ...... 61 8.2 Welche Schrift verwendet/e . . . ? ...... 139 4.5 Die Schrift der Romer¨ ...... 65 9 Literaturverzeichnis 143 1 Vorwort 1

1 VORWORT philatelistische und personliche¨ Entwicklung seit der Kinder- zeit ein wenig zum Entstehen dieses Gedankens beigetragen Liebe Leserinnen und Leser, hat. Seit jungsten¨ Jahren war ich nicht nur von den schonen¨ Bildern auf den Briefmarken begeistert, nein, ganz beson- eigentlich begann alles ganz ders hatten es mir diese fremdartigen Inschriften angetan. Als harmlos. Ich wollte einen Arti- Schuler¨ schmokerte¨ ich in einem alten Ubersee-Katalog“¨ von ” kel fur¨ die Jugendzeitung schrei- 1942, der damals noch aus insgesamt zwei Banden¨ bestand(!), ben, da es immer wieder Kinder nur um herauszufinden, welche exotische Briefmarke ich da und Jugendliche gibt, die fra- vor mir liegen hatte. gen: Was ist denn das fur¨ ei- ” Weiters spielt bei meinen Aktivitaten¨ ne Schrift auf der Briefmarke?“ noch etwas mit – im Gegensatz zu vielen Als ich zu recherchieren begann, Riu-Kiu-Inseln Menschen furchte¨ ich mich nicht vor dem ” merkte ich bald, dass es wohl mit einem Artikel nicht getan Fremden“, sondern es zieht mich an. Mag sein wurde¨ – also eine Serie. Doch weit gefehlt, fur¨ mehr als sein, dass die Erziehung zu Toleranz und dreißig Schriften, die seit Einfuhrung¨ der Briefmarke in der Offenheit in meiner Kinderzeit ihr Teil da- Philatelie vorkommen – und fur¨ nochmals so viele aus alten zu beigetragen hat. Je mehr ich mich mit Zeiten, die als Motiv dargestellt sind, reicht eine Artikelserie Gedanken und Informationen aus fremden nicht aus. Kulturkreisen befasse, desto mehr lerne ich Armenien Inzwischen wurde mir bewusst, dass dazu und desto schoner¨ finde ich die Welt auch altere¨ Sammler des ofteren¨ Brief- und mein Hobby. marken zwecks Zuordnung zu einem Bei diesem Buch handelt es sich um kein wissenschaftliches bestimmten Land in den Verein brin- Werk, sondern ganz einfach um eine Sammlung von Informa- gen, weil Sie die fremden Zeichen tionen, von denen ich glaube, dass sie fur¨ den Leser von Inter- nicht erkennen konnen.¨ So kam es zu esse sein konnen.¨ Bei den Studien in der Fachliteratur musste dem Plan, uber¨ die Schriften unserer ich bald feststellen, dass auch auf unserem Gebiet fallweise Welt ein Buch zu schreiben. ein bekannter Satz Geltung hat: Drei Fachleute, vier Meinun- Saudiarabien Mag sein, dass auch meine eigene ”

Inhaltsverzeichnis – Index 1 Vorwort 2 gen“. Also bitte ich die lieben Leser, mich nicht zu steinigen, chen, die in der Wissenschaft allgemein festgestellt werden. wenn ich einmal eine Behauptung aufstelle, die sie nicht tei- Bei der Unzahl von Schriften, len. Ich halte mich zu einem hohen Prozentsatz an jene Tatsa- die es auf der Welt gibt, konnte ich nur auf jene eingehen, die auch auf Briefmarken oder Stempeln zu fin- den sind – selbst hier kann ich nicht garantieren, dass alle kleinen Abar- ten vorhanden sind. Ich will ledig- Griechenland lich eine kurzweilige Einfuhrung¨ in den Sachbereich geben, ohne zu sehr in den Wolken zu schwe- ben. Daher habe ich auch versucht, so wenig Fremdworter¨ wie erdenklich zu benutzen¨ – und wo ich diese unbedingt benotig-¨ te, habe ich moglichst¨ sofort die deutsche Bedeutung dazuge- schrieben. Die verwendete Fachliteratur, in wel- cher naturlich¨ noch unzahlige¨ Informatio- nen zu den einzelnen Gebieten schlum- mern, habe ich im Anhang bekanntgege- ben. Leider entsprechen diese Werke nicht immer dem letzten Stande der Wissen- schaft, sodass dies auch fallweise fur¨ mein Buch zutreffen kann. Bulgarien Aber ich hatte auch die Freude, bei mei- Neujahrskarte innerhalb der Mandschurei ner Arbeit von einer großen Anzahl von Personen mit Rat Abgestempelt am 1.1.1938 und Tat unterstutzt¨ zu werden. Mein Dank gilt jenen Wissen- schaftlern, die meine Zeilen durchgesehen haben und mich

Inhaltsverzeichnis – Index 1 Vorwort 3 mit erganzenden¨ Ratschlagen¨ unterstutzten.¨ Weiters mochte¨ ich mich ganz herzlich bedanken bei Dkfm. Herbert Neßler, der mir in philatelistischen Angelegenheiten zur Seite stand und meinem Sohn Martin, der mir bei computertechnischen Problemen behilflich war. Weiters fuhle¨ ich mich allen Brief- freunden verbunden, die mir behilflich waren, Material fur¨ die Bebilderung dieses Buches zu besorgen. Schließlich mochte¨ ich mich auch beim Jugendreferat des Verbandes Osterreichi-¨ scher Philatelistenvereine bedanken, das die Produktion und den Vertrieb der CD ubernommen¨ hat. Nun wunsche¨ ich den geehrten Lesern viel Spaß und Ent- deckungsfreude bei der Lekture¨ dieses Werkes.

Max Fink

Inhaltsverzeichnis – Index 2 Was ist Schrift? 4

2 AM ANFANG WAR DAS WORT, paar (Amazonasindianer, Bewohner des Neuguinea-Urwaldes oder von anderen unzuganglichen¨ Inseln) uberhaupt¨ keine DOCHWERSCHREIBT, DER Moglichkeit¨ haben ihre Gedanken schriftlich festzuhalten. BLEIBT... Andere Gruppen hingegen, deren Muttersprache ebenfalls Was ist Schrift? nicht geschrieben wird, ha- ben zumindest die Gelegen- Was bedeutet die Schrift eigentlich fur¨ heit, auf fremde Sprachen und uns? Die meisten Erwachsenen schrei- deren Schriftzeichen auszuwei- ben und lesen so selbstverstandlich,¨ chen, um Eintritt in die Welt des wie sie atmen. Kaum jemand macht geschriebenen Wortes zu erhalten. sich Gedanken daruber,¨ was eigentlich Das bedeutet also, dass wir auf die geschieht, wenn wir unsere Gedanken Schrift angewiesen sind, um die Ver- oder Informationen zu Papier bringen, bindung zu anderen Menschen und oder aus der Zeitung, der Illustrierten Menschengruppen aufrecht erhalten zu oder einem Buch neue Nachrichten ent- konnen.¨ Je großer¨ eine Menschengrup- nehmen. pe, desto notwendiger diese Kenntnis- Wir modernen Menschen benotigen¨ se. Heutzutage ware¨ es kaum denkbar, die Schrift und das Schreiben genauso dass ein Staat ohne schriftliche Unterla- notwendig wie das Sprechen – auch wenn alle zuhause bereits gen bestehen konnte.¨ einen Fernsehapparat stehen haben und ein hoher Prozentsatz Der Begriff Schrift“ ist nicht ohne zusatzlich¨ noch einen Computer. Das liegt ganz einfach daran, ” einen anderen namens Zeichen“ denk- dass wir dazu gepragt¨ wurden, unsere Uberlieferungen¨ schrift- ” bar. Wir reihen Zeichen aneinander, um lich festzuhalten. wichtige Mitteilungen fur¨ uns und andere festhalten zu Am Anfang jeder kulturellen Entwicklung der Menschen konnen.¨ Das Wort Zeichen“ hat schon einen bestimmten Be- stand jedoch die mundliche¨ Uberlieferung.¨ Heutzutage gibt ” zug in sich. es einige Volksgruppen, die keine Schrift besitzen, wobei ein

Inhaltsverzeichnis – Index 2 Was ist Schrift? 5

Einstmals begann jemand, etwas Dazu bediente man sich eines Pinsels oder einer Feder. Die- aufzuzeichnen, das – weil wichtig – se Feder wurde im Verlaufe der Jahrhunderte zum Symbol des festgehalten werden sollte. Schriften gebildeten oder dichterisch veranlagten Menschen. Und wenn sind danach im Verlaufe von Jahrhun- auch heutzutage keine Ganse¨ mehr dafur¨ gerupft werden, so- derten entstanden – hier gab es keinen gar jetzt noch mussen¨ die Kinder ihre ersten Schreibversuche Urknall“. Und die meisten von uns mit einer (Full-)Feder¨ unternehmen! ” wissen auch, dass es neben unserer eu- Eine andere Entwicklung ropaischen¨ Form der -Schrift ermoglichte¨ es allen Menschen, (Worte aus einzelnen Buchstaben zu- neues Wissen zu erwerben sammengesetzt) auch die sogenannte Wortschrift (ein Zeichen – die Einfuhrung¨ der Buch- ist gleich ein Wort) gibt. Das heißt, allen Schriften ist die glei- druckerkunst um 1450 durch che Absicht zugrundegelegt, auch wenn dabei verschiedene Gutenberg. Bis vor kurzem Wege beschritten werden. wurden alle Bucher¨ mit gesetz- Uberspringen¨ wir einmal die Anfange¨ des Zeichengebens“ ten Lettern gedruckt – erst seit ” in der Hohlenmalerei¨ und betrachten wir die Moglichkeiten,¨ Einfuhrung¨ des Computers nimmt der Lasersatz“ immer ” wie in unserem Kulturkreis Schriftzeichen festgehalten wur- mehr deren Stelle ein. den und werden. Vor ungefahr¨ hundert Jahren In der Antike bediente man sich der wurde es dem einzelnen Men- Methode, wichtige Mitteilungen mit schen moglich,¨ sich einer Maschi- Meißeln in Stein zu schlagen. Bereits ne zum Niederschreiben der Buch- in der Bibel wird berichtet, dass die staben zu bedienen. Und seit dem zwolf¨ Gebote in Stein gemeißelt wur- historisch gesehen minimalen Zeit- den. raum von einigen Jahrzehnten kann Spater¨ ging man dazu uber,¨ Texte Druckereipresse man Texte im Computer elektro- auf Tierhauten,¨ Papier und ahnlichen¨ nisch speichern und uber¨ Zusatzgerate¨ lesen oder ausdrucken. Materialien festzuhalten. Dass Schrift auch gefuhlsbetonte¨ Gesichtspunkte eroffnet,¨

Inhaltsverzeichnis – Index 2 Was ist Schrift? 6 sieht man daran, dass es vielen Menschen etwas bedeutet, die auch der Grund gewesen sein, dass die britischen Truppen in Schrift einer geliebten Person zu erkennen“. Dies mag wohl Ubersee¨ im Zweiten Weltkrieg anstelle von unpersonlichen¨ ” Funktelegrammen Airgraphs“ an die Angehorigen¨ ubermit-¨ ” telten. Hintergrundinformation: Die Briefe von der Front in die Heimat nahmen in den Flugzeugen zuviel Platz weg. Al- so fotografierte man die jeweiligen Schreiben und ubermittel-¨ te lediglich die entwickelte Filmrolle per Flugzeug – in der Heimat wurden dann Fotoabzuge¨ ausgearbeitet und postalisch zugestellt.

Briefmarkenausgabe Moldawiens anlasslich¨ des zehnjahrigen¨ Jubilaums¨ der Wiedereinfuhrung¨ der Lateinschrift – der Absender des Briefes Airgraph bevorzugte fur¨ die Adresse jedoch nach wie vor die kyrillische Schrift.

Inhaltsverzeichnis – Index 2 Was ist Schrift? 7

Gefuhle¨ kann aber auch die Bindung eines Volkes an ei- Ataturk¨ genannt – war einer der wenigen, die sich in die neue ne bestimmte Schrift hervorrufen. Sehr gut ist das an der Situation fanden, lehnte sich jedoch gleichzeitig gegen den Volksgruppe der Moldawier in Sudosteuropa¨ festzustellen – Sultan auf. 1923 zum Prasidenten¨ der jungen turkischen¨ Re- einst Stammvolk der Rumanen.¨ Bei Errichtung eines eigenen publik gewahlt,¨ ergriff er umwalzende¨ Erneuerungsschritte. Er Konigreiches¨ (1868) wurde im gesamten Rumanen¨ die Latein- verfugte¨ die strikte Trennung von islamischer Religion und schrift eingefuhrt.¨ Das Furstentum¨ Moldau fiel jedoch dem turkischem¨ Staat und gab den Frauen mehr Rechte. Die ein- russischen Zaren zu und musste kyrillisch schreiben. Nach schneidendste Anderung¨ aber sollte 1928 die Einfuhrung¨ der dem Ersten Weltkrieg spaltete sich die Moldau von Russland lateinischen Schrift anstelle der bisherigen arabischen Buch- ab und kam zu Rumanien¨ – jetzt wurde die eigene rumanische¨ staben sein. Das ging so weit, dass in offentlichen¨ Schulen der Sprache erstmals mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Unterricht der alten Schrift verboten wurde, was dahin fuhrte,¨ Nach den Vereinbarungen des dass Jahrzehnte spater¨ in der Turkei¨ nur mehr wenige Perso- Hitler-Stalin-Paktes von 1939 wur- nen Bucher¨ in der alten Schrift lesen konnten, derzeit kann de 1940 dieses Gebiet als Moldaui- es fast keiner mehr. Wie ernst Ataturk¨ seine Neuerung nahm, sche ASSR der Sowjetunion ein- ist aus Fotos und Briefmarken ersehen, die ihn zeigen, wie er verleibt – also zuruck¨ zur kyrilli- personlich¨ das neue Alphabet lehrt. schen Schrift. Am 23. Juni 1990 er- Sicherlich wird jetzt so mancher klarte¨ das Republikparlament Mol- Kemal Ataturk¨ unterrichtet kommen und sagen, die Zeit des dawien fur¨ selbstandig,¨ fuhrte¨ die die lateinische Schrift Schreibens sei vorbei – Computer, seit Stalin verbotene rumanische¨ Sprache wieder ein – und Fernsehen und anderes mehr ha- das lateinische Alphabet. Wie bedeutend dieser Wechsel der be dies uberfl¨ ussig¨ gemacht. Aber Schrift war, zeigt sich daran, dass zum zehnjahrigen¨ Jubilaum¨ ist das wirklich so? Auch auf dem extra eine Sondermarke erschien. Computerbildschirm mussen¨ Zei- Eine andere Entwicklung ergab sich nach dem Ersten Welt- chen zu sehen sein, damit man er- krieg in der Turkei.¨ Das Land gehorte¨ zu den Unterlegenen kennen kann, was gemeint ist – und Vertrage,¨ bei denen es und verlor alle Gebiete des Osmanischen Reiches in Afrika um Millionen geht, wird man zumindest in den nachsten¨ zig und Arabien. Der Offizier Mustafa Kemal Pascha – spater¨ Jahren noch immer schriftlich auf Papier beurkunden mussen.¨

Inhaltsverzeichnis – Index 2 Was ist Schrift? 8

Gesprochene Worte und ein Sicherlich bedarf auch das geschriebene Wort der Bildablauf im Fernsehen konnen¨ Erganzung¨ durch das menschliche Gehirn. Keine Schrift hat nicht so festgehalten und gele- die Moglichkeit,¨ alle Nuancen der Sprache bis zur feinsten hin ” sen“ werden, wie ein geschrie- festzuhalten – ein gutes Beispiel ist die englische Sprache, die benes Wort im Brief oder Buch. uber¨ vierzig Laute verfugt,¨ aber nur vierundzwanzig Buchsta- Man kann sie nicht einfrieren“ ben zur Verfugung¨ hat. ” und daruber¨ nachdenken. So ist Andererseits ist es auch klar, dass eine Schrift nur dann es wohl auch erklarlich,¨ dass der sinnvoll ist, wenn sie auch verwendet wird. Dies zeigt sich Buchstabe und damit die Schrift einen fixen Platz in unserem an der kunstlichen¨ Schrift, die G.B. Shaw in Auftrag gab, die Leben besitzt. jedoch von niemandem benutzt¨ wird – oder an jener Schrift, Wie gefahrlich¨ das geschriebene die man im Staate Somalia entwerfen ließ, um die Gegensatze¨ Wort eingeschatzt¨ wird, zeigt sich von Latein und Arabisch zu vermeiden – sie ist binnen kurzem wohl daran, dass schon seit Jahrtau- untergegangen! senden Krieg dagegen gefuhrt¨ wur- Eine Besonderheit, die auch de. Ob es nun in der Zeit vor Chri- noch erwahnt¨ werden sollte, sti Geburt ein chinesischer Kaiser ist, dass jeweils zu Beginn der war, der Schriften verbrennen ließ, Schriftfindung fur¨ eine Sprache im 10. Jahrhundert unserer Zeitrech- die Lesbarkeit des Wortes wich- nung ein Sultan eine ganze Biblio- tiger war, als eine genau festge- thek vernichtete, oder in den Dreißi- legte Schreibung – dies galt so- gerjahren des abgelaufenen Jahrhun- wohl fur¨ das alte Griechisch, als auch fur¨ die deutsche Spra- derts ein großenwahnsinniger¨ Dikta- che, welche erst von Martin Luther so richtig in Fesseln gelegt tor Bucher¨ auf den Scheiterhaufen warf, immer wieder kommt wurde. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewie- die Angst vor schriftlich festgehaltenen Gedanken zum Vor- sen, dass viele Schriften bis heute ohne Kleinbuchstaben aus- schein. kommen, diese in der griechischen und lateinischen Schrift auch erst spater¨ eingefuhrt¨ wurden. Ebenso war es mit den

Inhaltsverzeichnis – Index 2 Was ist Schrift? 9

Abstanden¨ zwischen den einzelnen Worten, Punkt und Bei- strich. Rufzeichen, Strichpunkt und ahnliches¨ gibt es bei uns uberhaupt¨ erst seit der Mitte des zweiten Jahrtausends. Abschließend wieder ein Hinweis fur¨ die Philatelisten: Artikel 195 des Weltpostvertrages, Absatz 1 be- sagt: Briefmarken und Abdrucke der ” Wertzeichenautomaten mussen¨ die Bezeichnung des Ausgabelandes in lateinischer Schrift und ihren Freima- chungswert in arabischen Ziffern an- geben.“ Diese Bestimmung wird jedoch nicht immer eingehalten. Manchmal werden lediglich Abkurzungen¨ in lateinischen Buchstaben verwendet – oder die lateinische Landesbezeichnung wird unverhaltnism¨ aßig¨ klein gedruckt. Dies sind schließlich mit Grunde,¨ dass dieses Buch geschrieben wurde.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.1. Mitteilungsversuche ohne Schrift 10

3 VORZEITUND ALTERTUM in welche wiederum verschieden große Knoten eingeknupft¨ wurden. Dieser Zahlencode“ konnte von speziell ausgebilde- ” ten Fachleuten gelesen“ werden, sodass man derartige Mit- 3.1 MITTEILUNGSVERSUCHEOHNE ” teilungen uber¨ große Entfernungen hinweg befordern¨ konnte. SCHRIFT 3.1.1 Quipu-Botenschnur 3.1.2 Symbole auf Haushalts- und Kultge- Seit Beginn jener Zeiten, als die Men- genstanden¨ schen in geordneten Verhaltnissen¨ bei- Der Uber¨ gang zur nachsten¨ sammen zu wohnen begannen, wird es Gruppe in diesem Kapitel ist gar auch das Bedurfnis¨ gegeben haben, sich nicht so schwer – wir konnen¨ Mitteilungen zu ubermitteln.¨ insbesondere gleich einmal An erster Stelle stand da wohl die bei den Azteken bleiben. Bis Methode des Ausrufens bzw. Erzahlens.¨ vor kurzem hat man namlich¨ Schließlich hat sich ja der Beruf des gemeint, die Knotenschnure¨ Stadttrommlers sogar in Europa stellen- Mexikanischer Bote seien die einzige Mittei- ” Peruanische Sonnenscheibe“ weise bis ins 20. Jh. gehalten. lungsmoglichkeit“¨ dieses Volkes ” mit Zeichen Eine andere Vorgehensweise ent- gewesen. Ein deutscher Wis- wickelten zu Beginn des zweiten senschaftler, Thomas Barthel, hat jedoch gemeint, aus stets Jahrtausends nach Christus die In- wiederkehrenden Verzierungen auf Keramik-Gegenstanden¨ kas in Sudamerika.¨ Um Informa- eine Art von Mitteilungen herauslesen zu konnen.¨ Er tionen uber¨ mengenmaßig¨ erfassba- behauptete, von ca. 400 Zeichen sogar 50 entratselt¨ zu haben. re Vorgange¨ festzuhalten, entwickel- Das bringt uns naturlich¨ auf den Gedanken, dass ebensolche ten sie die sogenannten Quipus. Dies Dekorationszeichen auf Haushalts- oder Kultgegenstanden¨ an- waren Woll- oder Seidenschnure¨ – derer Volker¨ und anderer Erdteile desgleichen eine gewisse zumeist eine Hauptschnur mit mehr Aussagekraft“ haben konnten.¨ oder weniger vielen Abzweigungen, ”

Botenschnur der Inkas Inhaltsverzeichnis – Index 3.1. Mitteilungsversuche ohne Schrift 11

Hier soll auch einmal eine Fest- Eine zeitliche Zuordnung konn- stellung getroffen werden, die so- te damals noch nicht gemacht wer- wohl fur¨ die bisher angesproche- den, dies war erst eindeutig durch nen Symbole, als auch fur¨ die die Radiokarbonmethode des Nobel- folgenden Hohlenmalereien¨ bzw. preistragers¨ Linus Pauling moglich.¨ Felsbilder gelten mag. Sicherlich Und da staunte die Fachwelt, denn hatten bzw. haben jene Menschen, diese Hohlenmalereien¨ sind ungefahr¨ Symbolische Zeichnungen die solche Kunstwerke vollbrach- funfzehntausend¨ Jahre alt! auf einem Grabstein ten oder noch vollbringen, nicht die In erster Linie wurden Tiere aus Absichten, wie moderne Kunstler¨ etwas zur Ergotzung¨ des Be- der Eiszeit festgehalten – Bisons, Hohle¨ von La Silla, trachters zu schaffen. Hirsche, Pferde, aber auch Menschen, Spanien Viel eher kann man davon ausgehen, dass solche Zeichen die anscheinend auf der Jagd sind. oder Zeichnungen die Verbindung mit hoheren¨ Wesen“ schaf- Jedoch sind auch immer wieder gegenstandslose Zeichen ” fen, oder den nachfolgenden Generationen wichtige Informa- eingestreut, die den diversen Forschern Anlass zu den ver- tionen ubermitteln¨ sollten. Auch versuchte Kontaktaufnah- ” men“ mit den verstorbenen Ahnen konnen¨ angenommen wer- den. Wir vermogen¨ daher eindeutig von Vorlaufern¨ der Schrift sprechen.

3.1.3 Hohlenmalerei¨ Es ist nicht so lange her, dass man die erste Hohle¨ mit Stein- zeit-Malereien entdeckte. 1879 fand Graf Santuola Bilder in einem Hohlensystem¨ bei Altamira in Spanien, die mit farbiger Erde bzw. Kohle gemalt worden waren. Jahre spater¨ wurden Links: Hohle¨ von Los Caballos, Spanien, auch in Frankreich derartige Kunstwerke entdeckt. rechts: Hohle¨ von Lescaux, Frankreich

Inhaltsverzeichnis – Index 3.1. Mitteilungsversuche ohne Schrift 12 schiedensten Deutungen gaben – Gotter,¨ Damonen,¨ Zauberer, oder...??? In der jungsten¨ Vergangenheit hat man auch in anderen Ge- bieten Europas und sogar in uberseeischen¨ Landern¨ derartige Hohlenmalereien¨ entdeckt. Man kann also ohne weiteres da- von ausgehen, dass alle Menschen der gleichen Entwicklungs- stufe auch dasselbe Bedurfnis¨ hatten, sich bildlich mitzuteilen.

3.1.4 Felszeichnungen und -malereien Immer wieder werden jedoch auch soge- nannte Felszeichnungen gefunden. Dies sind Kulturdenkmaler,¨ die nicht un- bedingt in Hohlen,¨ sondern auch auf freistehenden Felswanden¨ oder -saulen¨ zu finden sind. Sie sind zumeist in den Stein eingeritzt und der Fachmann spricht von Petroglyphen“. ” Sonderstempel zum internationalen Kongress fur¨ Felskunst Man nimmt an, dass die meisten die- ser Zeichnungen in der Bronzezeit ent- standen sind (ca. 1800 – 500 vor Chri- Gemeißelter Stein aus stus). Inga´ (Brasilien) Zumeist handelt es sich um geometrische Symbole oder stark vereinfachte Darstellungen wie zum Beispiel Sterne, Sonne und anderes.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.2. Erste Schriftversuche in Europa und auf den Mittelmeerinseln 13

3.2 ERSTE SCHRIFTVERSUCHEIN EUROPA Einzelne, aber nicht immer wirk- UNDAUFDEN MITTELMEERINSELN lich fundierte wissenschaftlichen Meinungen gehen dahin, dass sich 3.2.1 Alteuropaisch¨ + Vinca-Kultur auf europaischem¨ Gebiet seit ca. 5000 v. Chr. die erste Schrift heraus- Immer wieder wurden in Sud-¨ und Sudosteuropa¨ bei Ausgra- gebildet habe. Unter Bezugnahme bungen Kultgegenstande¨ sowie Zierkeramiken mit schriftarti- Vase aus dem 6. Jh. v. Chr. auf ein Fundgebiet in der Nahe¨ von gen Zeichen gefunden. Man war sich nie daruber¨ im klaren, Belgrad spricht man daher von der Vinca-Kultur. worum es sich hier im Speziellen handelte. Auch Fundgegenstande¨ jungeren¨ Datums tragen immer wieder ahnliche¨ Zeichen. Besonders haufig¨ handelt es sich hierbei um sogenannte Weibliche Idole“, das sind Gotzen-¨ ” bilder oder Nachbildungen von weiblichen Korpern.¨

3.2.2 Kretische Hieroglyphen und zwei kreti- sche Schriften Als der britische Altertumsforscher Arthur Evans im Jahre 1900 be- gann, auf Kreta die historische Stadt Knossos auszugraben, loste¨ er eine Reihe von packenden Er- kenntnissen zur europaischen¨ Kul- Entwicklung der kretischen Plastik aus der Zeit zwischen 3700 u. 2500 v. Chr. turgeschichte aus. Die minoische Hieroglyphen Weibliches Idol“ mit eingravierten schriftartigen Zeichen ” Kultur, deren Spuren er verfolg- te, hatte ab 2000 vor unserer Zeitrechnung Kreta zu einem bluhenden¨ Gemeinwesen gemacht.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.2. Erste Schriftversuche in Europa und auf den Mittelmeerinseln 14

Evans konnte drei verschiedene Schriftsysteme feststellen, Man kennt zum Beispiel 58 die zeitweise sogar nebeneinander in Gebrauch waren. Zeichen, die zur Schreibung a) Kretische Hieroglyphen, die noch griechischer Wortlaute verwendet sehr wirklichkeitsnahe Symbole verwen- wurden. Eine Legende spricht deten und eine Wortschrift waren – davon, dass Fluchtlinge¨ aus Troja die gefundenen Texte sind zumeist sehr ihre Sprache und Schrift mit auf kurz. die Insel gebracht hatten.¨ Kyprische Inschrift, 5. Jahrhundert v. Chr. b) Die sogenannte Linear-A-Schrift durfte¨ eine Weiterentwicklung der Hie- roglyphen sein und konnte¨ ca. 2000 vor Christus entstanden sein. c) Aus dieser Schrift bildete sich un- Steintafel mit gefahr¨ um 1400 v. Chr. die sogenannte Linear-B-Schrift her- aus, welche eindeutig eine Silbenschrift ist und im Jahre 1953 durch Michael Ventris entziffert wurde.

3.2.3 Kyprisch (Zyprisch) Von Kreta durfte¨ die Kunst des Schreibens nach Zypern gelangt sein. Dort bildeten sich verschie- dene Varianten von Silbenschrif- ten aus. Ca. 1500 vor Christus wurden dort sowohl kyprische als auch griechische Texte geschrie- Metallplatte mit Inschrift, 5. ben. Jahrhundert v. Chr.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.3. Vorderasiatische Keilschriften 15

3.3 VORDERASIATISCHE KEILSCHRIFTEN rund um 3300 vor unserer Zeitrechnung begannen, auf Tonta- feln stilisierte Bilder von Tieren, Menschen, Hausgeraten¨ usw. einzuritzen, erganzt¨ durch keilartige Zeichen, die die Anzahl der dargestellten Gegenstande¨ kundtaten. So wie man heute gewisse Einheiten durch Satzzeichen trennt, geschah dies da- mals durch senkrechte und waagrechte Striche. Es mag eigenartig scheinen, dass man anfangs ungefahr¨ 2000 solcher Zeichen benotigte,¨ so um 2500 vor Christus kam man jedoch mit nur mehr 800 Zeichen aus. Das erklart¨ sich dadurch, dass es sich vorerst um eine reine Begriffsschrift handelte (d. h. ein Zeichen = ein Be- 1 Sumerisch 2 Akkadisch 3 Elamisch griff), spater¨ wandelte es sich zu einer 4 Hethitisch 5 Urartaisch¨ 6 Ugaritisch 7 Altpersisch Wort/Silbenschrift (ein Zeichen = ein Be- griff oder eine Silbe). Das zweite System ermoglichte¨ es, die Zeichen zu vermin- Entwicklung der 3.3.1 Sumerisch dern, da ja in verschiedenen Wortern¨ im- Keilschriftsymbole Ziemlich unsicher sind sich die mer wieder die gleichen Silben vorkamen. Fachleute, was die Ereignisse im Andererseits wurden die bis- Zweistromland – an Euphrat und herigen Bilder weiter vereinfacht, Tigris – betrifft. Keiner weiß, wo- man ritzte so ca. ab 2450 vor Chri- her die Sumerer kamen, wann ge- stus speziell angeordnete Striche nau sie einwanderten. Anderer- in den feuchten Ton, was durch die Beschaffenheit des Materials seits ist man sich einigermaßen Erste Schriftversuche in Sumerische Keilschrift zu keilformigen¨ Zeichen – und daruber¨ einig, dass die Sumerer so Sumer

Inhaltsverzeichnis – Index 3.3. Vorderasiatische Keilschriften 16 weiterhin zur Keilschrift“ fuhrte.¨ Hauptsachlich¨ handelte es beide Dialekte wurden mehr als 2000 ” sich bei den hiermit geschriebenen Dokumenten um Gedacht-¨ Jahre lang mit der Keilschrift fest- nisnotizen kaufmannischer¨ Art. Ebenso wurden auch Gebe- gehalten, darunter ein umfangreicher te, Epen, Briefe und Inschriften auf Saulen,¨ Gebauden¨ und Rechtskodex des Konigs¨ Hammurabi Felswanden¨ angebracht. (Bis ca. 2000 v. Chr.). (1792-1750 v. Chr.). Ist es verwun- derlich, wenn wir in den ubersetzten¨ 3.3.2 Akkadische Keilschrift Texten schon die ersten Grundlagen fur¨ spater¨ in der Bibel aufscheinende Die Akkader waren bereits An- Vorschriften oder Traditionen finden? fang des 3. Jahrtausends aus Syri- en und der arabischen Wuste¨ ins Assyrische Tontafel Zweistromland eingewandert, wo sie zeitweise friedlich, manchmal aber auch feindselig neben den 3.3.3 Protoelamische Hieroglyphen und ela- Sumerern lebten. Ihre semitische mische Keilschrift Sprache gehorte¨ zur großen Grup- pe der afro-asiatischen Sprachen Gegenuber¨ der Flussmundung¨ von Euphrat und Tigris, auf und hatte einen ganz anderen Auf- heute iranischem Gebiet, hatte sich, fast unerwahnt¨ in der bau als jene der Sumerer. So waren Weltgeschichte, das Volk von Elam niedergelassen. Seine Be- sie nach Ubernahme¨ der Sumeri- wohner hatten 2000 Jahre lang die vielfaltigsten¨ Beziehun- schen Keilschrift auch gezwungen, Akkadische Schrift – gen zu den Babyloniern – zeitweise wurde Handel getrieben, babylonischer Dialekt die Wortendungen und Ahnliches¨ manchmal gab es auch kriegerische Auseinandersetzungen. anzuzeigen. Moglicherweise¨ fuhrten¨ diese vielen Kontakte dazu, dass Bereits ab ungefahr¨ 2500 vor Christus teilte sich die alt- zu Beginn des 3. Jahrtausends vor Christus in Elam eine Bil- ¨ akkadische Sprache in zwei Dialektgruppen, derschrift entstand, die zumindest Ahnlichkeiten mit jener der Sumerer hatte. Man spricht von der protoelamischen Bilder- das Assyrische im Norden und das Babylonische im Suden¨ – ” schrift“.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.3. Vorderasiatische Keilschriften 17

Und ebenso wie bei den großen die Syrer beigestanden hatten.¨ Nachbarn begann man auch in Sie waren ungefahr¨ um 2000 vor Christus eingewandert und Elam in den darauffolgenden Jahr- hatten auch schon Kenntnisse einer Keilschrift mitgebracht. hunderten die Bilder immer mehr Obwohl die Hethiter aufgrund ihrer Herkunft eine indoeu- zu vereinfachen, bis sie nicht mehr ropaische¨ Sprache gebrauchten, ersetzten sie die Keilschrift Worter,¨ sondern Silben oder sogar spater¨ durch ein System der Hieroglyphenschrift. Diese war einzelne Laute vertraten. Es sollen keine Begriffsschrift (Zeichen = Wort), sondern eine Silben- zum Schluss nur mehr ca. 80 derar- Elamische Keilschrift schrift! tige Zeichen gewesen sein. Da das Gebiet von Kleinasien sowie Syrien in jener Zeit Zu Beginn des zweiten Jahrtausends vor unserer Zeitrech- sehr multikulturell gestaltet war, kam es auch dazu, dass die nung eigneten sich die Elamiter die sumerische Keilschrift an Hethiter neben ihrer eigenen Sprache noch andere verwende- und wandelten diese kraftig¨ um. Es durften¨ ca. 120 Silbensym- ten. Es soll sogar so gewesen sein, dass in einem Schriftstuck¨ bole gewesen sein. hethitische, sumerische und akkadische Textteile vorkamen. Alle Sprachen zusammen wurden jedoch in der Hethitischen 3.3.4 Hethitische Hieroglyphen und Keil- Keilschrift geschrieben. schrift 3.3.5 Urartaische¨ Keilschrift Sie kamen aus dem Inneren Asi- ens, uberschritten¨ den Kaukasus Dort wo sich heute der Staat Armenien befindet, gab es zu und wurden schließlich in Klein- Beginn des ersten Jahrtausends vor Christus ein Reich, das asien sesshaft; die Angehorigen¨ von seinen Nachbarn verschiedene Namen bekam. Wahrend¨ jenes Volkes, welches die Bi- die Griechen von den Chaldern sprachen, ist in assyrischen bel die Kinder Heth“ nennt. Im Texten vom Staat Urartu die Rede. Die Bezeichnung Chalder ” Buch der Konige¨ wird sogar an- durfte¨ vom Namen des Gottes Haldi abgeleitet sein, welcher Hethitische Keilschrift und in Inschriften aufscheint. Kultgegenstand gefuhrt,¨ dass die Hethiter den Is- raeliten in einem Kampf gegen

Inhaltsverzeichnis – Index 3.3. Vorderasiatische Keilschriften 18

Einige Jahrhunderte lang verwende- Wahrend¨ bei allen Nachbarn die Keilschrift als Silben- ten die Urartaer¨ eine eigene Versi- schrift eingesetzt wurde, verwendeten die Ugariter, welche on einer Keilschrift, ahnlich¨ jener der ungefahr¨ im 15. Jahrhundert vor Christus im heutigen Nord- Assyrer, aber doch durch bestimmte syrien beheimatet waren, ungefahr¨ 30 Keilschriftzeichen, um Kennzeichen unterschieden. Insbeson- damit einzelne Buchstaben darzustellen. Die Ursache, warum dere weisen die Fachleute darauf hin, dies gerade hier der Fall war, gibt den Fachleuten noch heute dass im Urartaischen¨ dort besondere einige Ratsel¨ auf. Abweichungen bestehen, wo senkrechte Dass sich diese Schreibweise nicht so explosiv verbreitet und waagrechte Keile aufeinandertref- hat, wie spater¨ die phonizischen¨ Schriftzeichen, liegt daran, fen. dass die Ugariter nicht solche Verbindungen in alle Lander¨ Urartaische¨ Inschrift Das Reich der Urartaer¨ musste sich hatten, wie die Phonizier.¨ bald in den Schutz der Assyrer gegen auswartige¨ Feinde be- geben. Damit horte¨ auch die eigene Schrift auf, zu bestehen. 3.3.7 Altpersische Keilschrift 3.3.6 Ugaritische Konsonantenschrift Im Unterkapitel 3.3.3 haben wir schon davon gelesen, dass im Wenn man die Literatur uber¨ Gebiet des heutigen Iran (Persi- die Keilschriften durcharbeitet, en) fur¨ langere¨ Zeit die elami- wird man erstmals auch auf den sche Schrift verwendet wurde. Begriff Konsonantenschrift“ Doch als das Gebiet ungefahr¨ ” (Selbstlautschrift) stoßen. Es 700 vor Christus von dem Herr- handelt sich dabei um die schergeschlecht der Achameni-¨ ugaritischen Konsonanten, Altpersische Keilschrift den erobert wurde, entwickelte Ugaritisches Schriftdokument die bei Ausgrabungen einer sich eine neue Variante der babylonischen Schrift. Ruinenstadt bei Ladakya in Nordsyrien entdeckt wurden.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.3. Vorderasiatische Keilschriften 19

Die altpersische Keilschrift ist sehr stark in Richtung Einzellaut entwickelt, wenn auch weniger stark als die vorher bespro- chene ugaritische Konsonantenschrift. Es gibt jedenfalls kaum Schriftzeichen, die fur¨ ein ganzes Wort stehen. Sie wurden von ca. 500 bis 300 vor Christus eingesetzt. Diese spezielle Entwicklungsstufe der Schrift zeigt bereits die Einflusse¨ von Iranischer Konig¨ vor auswarts¨ – immerhin gab es damals schon Feueraltar die aramaische¨ Buchstabenschrift. Es ist (Stempelsiegel) daher auch verstandlich,¨ dass die altpersische Stufe den letzten Abschnitt der Keilschrift darstellt

Inhaltsverzeichnis – Index 3.4. Schrift im Reich der Pharaonen 20

3.4 SCHRIFTIM REICHDER PHARAONEN mit den Gotternamen¨ vom Zweistromland her gekommen sei. Dies untermauert man damit, dass laut Legende der Sonnen- 3.4.1 Agyptische¨ Hieroglyphen gott Re auf einer Barke angelangt sei. Keine andere Schrift des Al- Anfangs war die Hieroglyphen- tertums ist dem Mann von schrift noch nicht besonders gut aus- der Straße so bekannt wie die gebildet, es gab eher Bilder, die agyptischen¨ Hieroglyphen. Dies symbolische Bedeutung hatten. Das liegt wohl einerseits daran, dass bekannteste Beispiel dafur¨ ist die Narmer-Palette“, eine 60 cm ho- man in unseren Breiten eine ” Vorliebe fur¨ das alte Agypten¨ he Schiefertafel die auf Vorder- und Ruckseite¨ historische Darstellungen Narmer-Palette, die unter mit seinen Pyramiden und Pha- anderem erste schriftartige Wandmalerei mit Hiero- zeigt. Die hier abgebildeten Briefmar- raonen hat. Andererseits wird Bildzeichen tragt¨ glyphenschrift und Darstellung ken lassen leider nicht allzu viele De- es aber auch darauf zuruck-¨ des Pharaos Ramses II zufuhren¨ sein, dass diese Bild- tails unterscheiden. Lediglich Konig¨ Narmer ist zu erkennen, Schriftzeichen sehr ausdrucksvoll und einpragsam¨ wirken. wie er mit einer Keule auf eine vor ihm kniende Person – Nun ist bereits der Hinweis einen besiegten Gegner – einschlagt.¨ Etliche kleinere Abbil- erfolgt, dass es sich um eine Bil- dungen auf diesem Tafelchen¨ sind nach dem System eines Bil- derschrift handelt, die oft auch derratsels¨ aufzuklaren.¨ noch in Stein gemeißelt wur- Ihre hochste¨ Entwicklungsstufe de – Hieroglyphen heißt auf erlangte die agyptische¨ Hierogly- Barke des Sonnengottes Re Griechisch heilige Zeichen“. Ir- phenschrift im zweiten Jahrtausend ” gendwann um 3500 vor Christus durften¨ die ersten Inschriften vor Christus, wovon unzahlige¨ Bild- entstanden sein. Wie auch in anderen Fallen¨ wird in Fachkrei- denkmaler¨ Zeugnis ablegen. Auch sen diskutiert, ob sich dieses System eigenstandig¨ entwickelt die hier abgebildeten Kartuschen mit hat, oder ob der Anstoß von außen gekommen sei. Manche dem Namen eines der bekanntesten Konige¨ Tutankhamun“ stammen aus glauben sogar, dass die Anregung fur¨ die Schrift zusammen Sonderstempel zeigt ” Kartuschen mit Namen und Titel Tutankhamun’s Inhaltsverzeichnis – Index 3.4. Schrift im Reich der Pharaonen 21 diesem Zeitraum. Nun muss wohl noch der Begriff Kartu- Hier soll naher¨ auf die Bedeutung der einzelnen Hierogly- ” sche“ erklart¨ werden, ohne den ein Agyptologe¨ uberhaupt¨ phen eingegangen werden. Es wurden, wie spater¨ auch bei den nicht auskommen kann. Als die Soldaten Napoleons 1799 Juden und Arabern, nur Mitlaute (Konsonanten) geschrieben. Agypten¨ eroberten, gab es etliche von ihnen, die sich auch Da die Wissenschaftler der Neuzeit die damals verwendete die Kulturguter¨ ansahen oder leider sogar zerstorten.¨ Und es Sprache in ihrer Lautung nicht kennen, kommt es vor, dass bei blieb nicht aus, dass ihnen beim Betrachten der Schriftbander¨ der Niederschrift eines Namens oder Begriffes in verschiede- Bildzeichen auffielen, die von einer langlich-ovalen¨ Linie ein- nen heutigen Sprachen auch verschiedene Selbstlaute einge- geschlossen waren. Da die Pulversacke,¨ mit welchen zu dieser setzt werden. Zeit die Kanonen geladen wurden, eine ahnliche¨ Form hatten, Da anscheinend auch die Schriftge- pragten¨ die Soldaten den Begriff cartouche“, welcher seither lehrten jener vergangenen Zeit manchmal ” fur¨ diese ovalen Einschlusse¨ verwendet wird. Inzwischen Probleme hatten, die Worter¨ richtig zu wissen wir, dass es sich bei einer derart hervorgehobenen lesen, wurden diese oft mit einem Zei- Bildgruppe um den Namen eines Konigs¨ handelt. chen am Schluss versehen, welches auf Wie die altagypti-¨ die Gruppe des Begriffes (z.B. Person, sche Sprache machten Land, usw.) hinwies. auch die Hierogly- Geschrieben und gelesen wurde in phen im Laufe der Kolonnen, die entweder waagrecht oder Jahrtausende standig¨ senkrecht angebracht wurden. Ob von Mitteilung in Hiero- glyphenschrift (senk- ¨ Veranderungen mit – links nach rechts oder umgekehrt zu le- rechte Kolonnen) zumeist in Richtung sen war, war daran zu erkennen, in wel- Vereinfachung und che Richtung Menschen- oder Tierfiguren blickten. Kartusche mit Namen Pharao Ramses II leichterer Schreib- Im Zusammenhang mit der Namensschreibung mochte¨ ich barkeit. Denn es gab ja nicht nur die Prunkaufschriften, die auch noch erwahnen,¨ dass die Niederschrift eines Namens den in Stein gehauen wurden, sondern auch welche, die von Inhaber desselben unsterblich machen sollte. Daher auch der beamteten Schreibern auf Papyrus vorgenommen wurden. Umkehrschluss, welcher nachfolgende Herrscher manchmal Die Schreibschrift (hieratische Schrift) wird in einem der in Versuchung fuhrte,¨ einen Vorganger¨ auszuloschen“¨ indem ” folgenden Unterkapitel behandelt.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.4. Schrift im Reich der Pharaonen 22 im wahrsten Sinne des Wortes dessen Name aus allen Doku- Laut der altagyptischen¨ Uberlieferung¨ hatte der Gott Horus menten und von allen Wanden¨ entfernt wurde. bei einem Kampf ein Auge verloren. Dieses war ihm jedoch Nun ist es aber auch an der Zeit, von einer anderen Gottheit wiedergegeben worden. jenen Mann vorzustellen, der in der Andererseits findet sich auch immer haufiger¨ das sogenann- Neuzeit als erstes die agyptischen¨ te Henkelkreuz“, das in Wirklichkeit die Hieroglyphe ankh“ ” ” Hieroglyphen entzifferte. Es war der veranschaulicht, bei den alten Agyptern¨ ein Lebenssymbol franzosische¨ Forscher Jean-Francois darstellte und als solches auch heutzutage wieder in Amulett- Champollion. Dieser hatte das Gluck,¨ form auftaucht. anhand des Steines von Rosette“, ” welcher von den bereits erwahn-¨ ten franzosischen¨ Eroberern im Jahre 1799 gefunden worden war, das Pro- blem zu losen.¨ Der Stein von Roset- te hatte eine Ehrung des Konigs¨ Pto- lemaus¨ Epiphanes, der im 2. Jahrhun- Jean-Francois dert vor Christus regierte, zum Gegen- Champollion stand und war in drei Schriften abgefasst – in Hieroglyphen, demotischer (siehe spater)¨ und griechischer Schrift. Dem modernen Menschen begegnen immer wieder Zei- chen, von welchen er gar nicht weiß, dass sie zur Gruppe der agyptischen¨ Hieroglyphen Hieroglyphe Auge des Horus“ gehoren.¨ Dies ist beispielswei- ” se das Auge des Horus“, wel- Hieroglyphe fur¨ Gott Horus ” ches die Heilkraft verkorperte.¨

Inhaltsverzeichnis – Index 3.4. Schrift im Reich der Pharaonen 23

Fur¨ Zahlen und Maßeinheiten ver- konnen.¨ Kein Wunder also, dass es eine große Zahl zeit- wendeten die Agypter¨ eigene Hierogly- genossischer¨ Abbildungen von ihnen gibt. phen. Besonders in glorifizierenden Gra- Nun zum Material, welches be- binschriften wird aufgezahlt,¨ wie viel Beu- schriftet wurde. Anfangs hatte man te der Verewigte gemacht hatte. Allerdings mit Tonscherben, Elfenbeintafelchen¨ sind solche Angaben zumeist mit Vorsicht und Holz experimentiert. Fest steht, zu betrachten – es durfte¨ manchmal kraftig¨ dass ungefahr¨ um 3000 vor Christus ubertrieben¨ worden sein. der Gebrauch von Papyrus aufkam. Der dazu benotigte¨ Rohstoff – die Papyrusstaude – war im Bereiche Hieroglyphe ankh“ des Nildeltas ausreichend vorhanden. Schreiber mit ” Man zog die Rinde ab und legte Papyrusrollen, rechts 3.4.2 Hieratische Schrift das Mark streifenweise in Kreuzform Papyrusstaude Nun wird sich mancher fragen, wie wohl so ubereinander.¨ Nach der Trocknung wurden die Stucke¨ zusam- umfangreiche Bilderlisten“ fur¨ den tagli-¨ mengeklebt und gerollt. ” chen Gebrauch angewendet werden konn- Die so entstandenen Papyrusrollen hat- ten. Immerhin war es ein großer Unter- ten oft große Langenausmaße.¨ So ist der in Fachkreisen bekannte Papyrus Ebers“, schied, ob ein Gebaude¨ verziert, oder ein ” Geschaftsbrief“¨ geschrieben werden sollte. welcher sich in einem Leipziger Museum ” In diesem Zusammenhang will ich hier befindet, langer¨ als 20 Meter. noch auf eine Berufsgruppe eingehen, die Dieses spezielle Untergrundmaterial im alten Agypten¨ großes Ansehen genoss – und die erforderliche Geschwindigkeit beim Schreiben fuhrten¨ bald dazu, dass die Schreiber. Die Konige¨ und hohen Hof- Schreiber in beamten waren zwar zumeist auch selbst Arbeitshaltung sich eine eigene Variante der Hierogly- des Schreibens fahig,¨ beschaftigten¨ jedoch eine großere¨ An- phenschrift entwickelte. Sie verringerte zahl jener Personen, um jederzeit Nachrichten versenden zu Papyrus Ebers die Anzahl der notwendigen Striche pro

Inhaltsverzeichnis – Index 3.4. Schrift im Reich der Pharaonen 24

Figur bedeutend und ist uns heute als hieratische Schrift Zu jener Zeit gebot in Agyp-¨ bekannt. ten bereits eine auslandische¨ Die ersten Nachweise dieser Abart werden auf ca. 2700 vor Herrscherfamilie, die Ptolemaer.¨ Christus datiert. Spater¨ kam es so weit, dass im allgemeinen Deren Ahnherr stammte aus Ma- Leben nur mehr diese Schriftvariante angewendet wurde – kedonien und hatte nach Zer- parallel dazu wandelte sich auch die Sprache von einer Hoch- fall des griechischen Reiches sprache zur Alltagssprache. Die bildlichen Hieroglyphen wur- Das Wortzeichen fur¨ Kanne in – das Gebiet von Agypten¨ in Be- den nur mehr zur Ausschmuckung¨ von Reprasentationsr¨ aum-¨ 2x Hieroglyphenschrift, sitz genommen. Die demotische en bzw. -gebauden¨ verwendet – viele Zeitgenossen konnten 1x hieratischer Schrift, Schrift kam zumeist in zwei- die alte Bilderschrift gar nicht mehr lesen. 1x demotischer Schrift sprachigen Dokumenten (grie- chisch u. agyptisch)¨ zur Anwendung. Als immer mehr Fremde ins Land kamen, wurde hier nur mehr griechisch gesprochen und geschrieben.

Rechts: Hieratischer Text auf Papyrus

3.4.3 Demotische Schrift Eine weitere Neuerung entwickelte sich ungefahr¨ 700 v. Chr. aus der hieratischen Schrift. Sie wird demotische Schrift ge- nannt – der Name basiert auf dem griechischen Wort fur¨ Volk“ – Demos“. Diese Schrift wurde bis ungefahr¨ 200 vor ” ” Christus angewendet.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.5. Alte Kultur mit eigener Schrift in Indien 25

3.5 ALTE KULTUR MIT EIGENER SCHRIFT Leider sind keine zweisprachigen IN INDIEN Aufschriften gefunden worden, wie bei anderen alten Schriftsystemen, 3.5.1 Indus-Schrift sodass auch auf diese Weise kei- ne Aufschlusse¨ gegeben sind. Ver- Nicht lange nach Beginn des 3. Jahrtausends vor unserer Zeit- schiedene Forscherteams haben je- rechnung bildete sich im Bereiche des heutigen Westteils In- Schriftforscher Henry doch trotzdem herausgefunden, dass diens (speziell am Indus) eine Kultur heraus, die nach wie vor Heras und Indus-Siegel die Zeichen jeweils direkte Bezuge¨ zu viel Geheimnisvolles umgibt. Volksgruppen, die von manchen den bildlichen Darstellungen haben durften,¨ es wird angenom- Gelehrten als Vorfahren der heutigen drawidischen Volker¨ In- men, dass es sich um Aufschriften handelt, die den Besitz be- diens betrachtet werden, betrieben Ackerbau und Viehzucht, stimmter Gegenstande¨ oder Lebewesen dokumentieren – also errichteten aber auch Stadte¨ und fertigten neben Bronze- so- Namens-, Stammes- oder sonstige Herkunftsbezeichnungen. wie Keramikgefaßen¨ auch ratselhafte¨ Siegel“ aus Elfenbein, ” Gelehrte aller Lander¨ haben sich Keramik oder Speckstein an, welche zu Beginn hauptsachlich¨ damit befasst, eine Ubersicht¨ uber¨ die Tierdarstellungen trugen. Spater¨ enthielten diese Siegel außer- verwendeten Schriftzeichen zu erstel- dem andere Zeichnungen – und ab ca. 2600 v. Chr. auch noch len, wobei auch die moderne Com- bildhafte Symbolzeichen. putertechnik eingesetzt wurde. Insbe- ¨ In den Uberresten der alten Stadte¨ sondere ein sowjetisches Team war Harappa und Moenjodaro sowie an- hier tatig¨ – man meint ca. 400 Zei- derer Siedlungsgebiete fanden die chen gefunden zu haben. Siegel mit Indusschrift - Forscher bisher mehr als 4000 Sie- Einig ist man sich daruber,¨ dass ober dem Rind links ein gel sowie Gebrauchsgegenstande¨ mit von rechts nach links geschrieben Objekt, rechts eine Zahl dieser ratselhaften¨ Schrift, die bisher wurde, jedoch soll es auch Texte geben, die wechselnde noch nicht entziffert werden konnte. Ruinenstadt Moenjodaro Schriftrichtungen aufweisen. Da kaum mehr als 20 Zeichen Die Zeichen sind sehr stark verein- der Induskultur sowie auf einem Stuck¨ vorkommen (durchschnittlich etwa funf¨ bis Indus-Schriftzeichen facht, lassen jedoch vereinzelt Ver- sechs), ist bisher noch kein Lesebeweis“ gefunden worden. gleiche mit Bildern zu. ”

Inhaltsverzeichnis – Index 3.5. Alte Kultur mit eigener Schrift in Indien 26

Man vermutet, dass manche Zeichen ein Der Begriff Dilmun geistert seit komplettes Wort bedeuten, andere ledig- Jahrtausenden durch verschiedene lich eine Silbe. Auch wird angenommen, Dokumente, Reiseberichte und In- etliche Zeichen stunden¨ fur¨ verschiede- schriften. Der Danische¨ Forscher ne Begriffe, die anscheinend gleich aus- Geoffrey Bibby stellte im Laufe gesprochen wurden. Dazu fuhrt¨ man wie- mehrerer Expeditionen fest, dass sich Dilmun-Siegel derum Beispiele aus den heutigen drawi- dieses Land (4000-2500 v. Chr.) an dischen Sprachen an, wo gleich lautende der Ostkuste¨ der arabischen Halbinsel vom heutigen Kuwait Worte ebenfalls mehrere Begriffe umfas- (mit der Insel Failaka) bis hin zur Insel Bahrain erstreckt sen. hat. In diesem Zusammenhang wurden auch Siegel mit So ist es wohl auch zu erklaren,¨ dass Indus-Siegel – ober Schriftzeichen gefunden, die jenen der Indus-Kultur stark manche Wissenschaftler annehmen, die In- dem Rind links ahneln,¨ wenn sie nicht uberhaupt¨ dazu gehoren.¨ duskultur habe sich im Laufe der Jahrhun- moglicherweise¨ ein derte mit der einheimischen Bevolkerung¨ Zeichen fur¨ Lager, zur drawidischen Volksgruppe verschmol- in der Mitte ein Objekt und rechts zen – andere wiederum meinen, die Indus- eine Zahl kultur sei vollkommen untergegangen..

3.5.2 Dilmun-Schrift Ich mochte¨ diesen Begriff mit großter¨ Vorsicht ins Spiel brin- gen. Obzwar etliche Fachleute von einer eigenen Dilmun- Siegel-Schrift sprechen, konnte¨ es sich jedoch auch um ei- ne Variante der vorstehend erwahnten¨ Indus-Schrift handeln. Moglicherweise¨ war Dilmun lediglich eine Kolonie der Indus- Kultur.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.6. Geheimschrift auf der Osterinsel 27

3.6 GEHEIMSCHRIFTAUFDER werden, wobei jede zweite Zeile auf dem Kopf steht. Die Ein- OSTERINSEL geborenen konnen¨ die alten Texte nicht mehr lesen, nennen sie jedoch . Wie bei allen noch unaufgeklarten¨ 3.6.1 Rongorongo Schriften gibt es die verschiedensten Theorien (siehe oben) sowie Behauptungen von Wissenschaftlern, die fremden Zei- Obwohl zwischen dem Indusgebiet und der pazifischen Oster- chen entratselt¨ zu haben. insel eine unendlich große Entfernung besteht, gibt es Wissen- schaftler, die der Meinung sind, die Schriftsysteme dieser bei- den Regionen seien verwandt. Wobei sie unter anderem uber-¨ sehen, dass neben dem raumlichen¨ Abstand noch eine zeitli- che Differenz von mehr als 4000 Jahren besteht! Diese Mut- maßung wird daher auch von den meisten ihrer Kollegen be- stritten. Fest steht, dass auf der Osterin- sel im 19. Jahrhundert Holztafeln mit bildhaften Zeichen gefunden wurden, die nach Uberlieferung¨ der Eingebo- renen von den einheimischen Prie- stern gelesen werden konnten. Daher Teilansicht des gezeigten Blockes wird angenommen, dass es sich um Der Rand dieses Blockes Niederschriften von religiosen¨ Texten zeigt Rongorongo- Texte“ handelt. Diese Vermutung wird da- ” durch bestarkt,¨ dass ungefahr¨ um 1870 ein Bewohner der Osterinseln einem franzosischer¨ Missionar religiose¨ Gedichte aus der Erinnerung heraus vorgetragen hat, welche angeblich auf den Tafeln niedergeschrieben seien. Ungefahr¨ 700 verschiedene Zeichen konnten festgestellt

Inhaltsverzeichnis – Index 3.7. Mittelamerikanische Schriften vor Kolumbus 28

3.7 MITTELAMERIKANISCHE SCHRIFTEN Keramikgefaße¨ sowie Kultgegenstande¨ – Figuren aus Ton – VOR KOLUMBUS gefunden. Trotz der starken Verwitterungsgefahren wurden an klimatisch begunstigten¨ Stellen auch Funde aus Holz und Stoff Vielleicht fragen Sie, warum diese Schriftengruppe gerade getatigt.¨ hier aufscheint. Da ich die Absicht habe, nicht mehr verwen- dete Schriften, die daher auch im Postwesen nicht aufscheinen konnen,¨ von den noch aktuellen zu trennen, bin ich gezwun- 3.7.1 Olmekische Schrift gen, dieses Kapitel hier einzufugen.¨ Ungef ahr¨ 1200 v. Chr. bildete sich im Im Hinblick auf die Entwicklungen in Amerika gibt es Golf von Mexiko an der Kuste¨ ei- zwischen der vorhandenen Literatur und profilierten Wissen- ne erste hoher¨ entwickelte Kultur her- schaftlern große Auffassungsunterschiede. Es war daher sehr aus, die Olmeken. Im 20. Jahrhundert schwierig, diesen Abschnitt zu erstellen. konnte eine große Anzahl von Stein- Vor mehr als 20.000 Jahren gab es Nahua Tonstempel und Keramikkunstwerken dieses Vol- wohl eine Landverbindung im Nor- Tomtli“ = Vogel kes gefunden werden. ” den zwischen Asien und Amerika Die Olmeken durften¨ mit ihren (Wo sich jetzt die Beringstraße befin- Kunstwerken, Inschriften und ersten Kalendersystemen die det.) Uber¨ jene gelangten in großen Grundlagen fur¨ alle anderen Kulturen der Region geschaffen Zeitabstanden¨ verschiedene Volker¨ in Indianische Felszeichnung haben. den bis dahin unbewohnten Kontinent ca. 4000 v. Chr. Auch hier trifft wieder die Tatsa- Amerika. Diese Gruppen verbreiteten sich langsam von Nor- che zu, dass man sich in Fachkrei- den gegen Suden.¨ In Chile sollen vor kurzem 33.000 Jahre alte sen daruber¨ uneinig ist, wie weit die Uberreste¨ einer Person gefunden worden sein. Wann die indi- Olmeken bereits schreiben konnten. genen Volker¨ in Mittelamerika sesshaft wurden ist nicht klar. Fest steht, dass sie Bildzeichen ver- Erste Nachweise einer Kultur sind etwa 3.500 Jahre alt. wendeten, wie es in der Gegenwart Nahua Tonstempel Die Ureinwohner betrieben Ackerbau, wobei sicherlich die der Indianerstamm der Nahua tut, der Xochitl“ = Blume ” Maispflanze eine große Rolle gespielt haben wird. Man hat von ihnen abstammt.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.7. Mittelamerikanische Schriften vor Kolumbus 29

Ein Merkmal, das fur¨ alle folgenden Schriftkulturen des Jedoch war ebenso ein sehr nachhal- mittelamerikanischen Bereiches kennzeichnend ist, taucht tig ausgepragter¨ Einfluss der Religion zu bereits hier auf: Die Schriftentwicklung wird nicht durch verzeichnen. Unter anderem wird ange- kaufmannische¨ Interessen vorangetrieben, wie zum Beispiel nommen, dass die Priesterschaft die Be- im Nahen Osten, sondern basiert auf religiosen¨ Brauchen¨ und rechnungen des bereits erwahnten¨ Ka- auf dem Drang, militarische¨ Eroberungen sowie allgemeine lenders vornahm. geschichtliche Ereignisse niederzuschreiben. Die zapotekischen Gemeinwesen be- standen noch zur Zeit der Eroberung 3.7.2 Zapotekisch Mexikos durch die Spanier 1519-21. Zu jener Zeit, als die vorher erwahn-¨ ten Olmeken aus der Geschichte ver- Darstellung des Todes schwanden, durften¨ in der Region in Gold, gefunden in von Oaxaca (sud¨ ostlich¨ des heutigen Grab 7 von Monte Mexiko-City) die ersten Schriftdoku- Alban´ – mit mente der Zapoteken entstanden sein. Kalenderzeichen im Es finden sich zahlreiche Steinfigu- unteren Teil ren aus der sogenannten Monte-Alban-´ 3.7.3 Maya-Glyphen Kultur mit Inschriften. Nachgewiesen ist, dass die Zapoteken eine große An- Im tropischen Tief- und Hochland, welches dem Gebiet der zahl von Hieroglyphen anwendeten, ins- heutigen Staaten Honduras, El Salvador, Guatemala, Belize ¨ besondere befassten sie sich mit dem links: Zapotekische sowie Ost-Mexiko entspricht, gab es vor ungefahr 3.500 Jah- Kalenderwesen. Auch Zahlen konnten Urne ren indigene Volksgruppen, die man zu den Vorlaufern¨ der sie bereits darstellen. Maya zahlen¨ kann. Eine große Rolle spielte im Gesellschaftsleben und desglei- Bereits vor 2000 Jahren gab es große Siedlungen mit im- chen im Gebrauch der Schrift der stark verbreitete Bezug zur posanten Bauwerken. Und die alteste¨ vorgefundene Inschrift Geschichte der Herrscherfamilien. durfte¨ vor 1900 Jahren entstanden sein. Ungefahr¨ hundert bis Inhaltsverzeichnis – Index 3.7. Mittelamerikanische Schriften vor Kolumbus 30 zweihundert Jahre spater¨ war die Schrift voll entwickelt – je- Man hat herausgefunden, dass doch logischerweise spater¨ zeitlichen Anderungen¨ unterwor- in den Schriftdenkmalen ungefahr¨ fen. 800 Glyphen zur Verwendung Ein großer Teil der uns uberliefer¨ - kommen. Auf das Auge eines Eu- ten Schriftnachweise der Maya befin- ropaers,¨ der es gewohnt ist, mit det sich auf sogenannten Stelen“, das Buchstaben umzugehen, machen ” sind Steindenkmale in verschiedenen die Maya-Glyphen einen eigenar- Hinweistafel auf einen Großen,¨ welche Inschriften und Bilddar- tigen Eindruck. Wir sehen Bilder Ballspielplatz stellungen enthalten und zumeist in den vor uns, die vielfach aus dem Tierreich, dem taglichen¨ Leben Stadten¨ standen. oder dem menschlichen Organismus stammen. Jedoch auch auf Tempelpyramiden und palastartigen Bauten, Steintreppen und Altaren¨ finden sich Inschriften. Ge- brauchsgegenstande,¨ wie zum Beispiel Tongefaߨ mit Tontopfe,¨ sowie Schmuckstucke¨ wurden Maya-Glyphen ebenfalls mit Hieroglyphen versehen. Es wurde festgestellt, dass anschei- nend um das Jahr 900 die Verwendung der Glyphen auf Bauten und Monumen- ten geendet hat, jedoch in kleinerem Maßstab noch bis zur Unterdruckung¨ durch die Spanier in Schriftstucken,¨ Co- dices genannt, weiterging. Andererseits wird die Maya-Sprache Die Umrandung dieses Briefmarkenblocks zeigt Maya-Glyphen (vom auch jetzt noch von einer großen Anzahl Markenentwerfer etwas verfalscht)¨ von Einwohnern in Mexiko, Guatemala Tontopf mit Glyphen und Belize verwendet. am oberen Rand Inhaltsverzeichnis – Index 3.7. Mittelamerikanische Schriften vor Kolumbus 31

Der Kenner weiß, dass den Maya auch das Rechnen bekannt Auf Keramikfunden glaubt man jedoch auch noch Inschrif- war. Zeichnungen von Muscheln reprasentieren¨ die Null, fur¨ ten zum Schopfungsglauben¨ der Maya gefunden zu haben. die Zahlen eins bis vier wurden jeweils ein bis vier Punkte Es konnte¨ sich aber ebenso um Inschriften zur Entstehungs- eingraviert, fur¨ funf¨ ein Strich. Daneben wurden aber ebenso geschichte des einzelnen Kunstwerkes oder dessen Verwen- Kopfzeichen fur¨ die Darstellung von Zahlen verwendet. dungszweck handeln. Der Zerstorungswut¨ des Bischofs Landa Bereits kurz nach der Eroberung hatte waren lediglich vier Handschriften entgangen, die sich in eu- der Bischof von Yucatan,´ Diego de Landa, ropaischen¨ Museen befinden und nach diesen benannt sind – zwar einerseits unter Bezug auf Aberglau- zum Beispiel der Codex Dresdensis“, welcher sich in einer ” ben und teuflische Lugen¨ viele Schriften Dresdener Bibliothek befindet. und Hunderte von Statuen vernichten las- sen, andererseits stellte er in einem Buch 3.7.4 Aztekische Hieroglyphen etliche Theorien zur Lesbarkeit der Hiero- glyphen auf. Erst Jahrhunderte spater¨ ver- Die nachste¨ Schrift aus Mittelamerika suchte ein Wissenschafter ernsthaft, die kennt hauptsachlich¨ Symbole fur¨ die Maya-Glyphen zu entziffern. Dies war der festzuhaltenden Texte, es gibt kaum sowjetische Forscher Jurij Knorosow. Er Codex Dresdensis Zeichen, die mehrere Bedeutungen ha- vertrat die Meinung, dass entgegen Landas ben. Zeitweise erinnern die Schrift- Annahme die Glyphen als Silben anzusehen seien. nachweise an Bilderratsel.¨ Aufbauend auf Knorosows Theorien haben sich in den letz- Zahlen wurden ebenso darge- ten funfzehn¨ Jahren Wissenschaftler aus allen Teilen der Er- stellt, wobei besonders interessant de mit Erfolg daran gemacht, die Glyphen zu entratseln.¨ Sie ist, dass die Azteken nicht unser konnten feststellen, dass es sich zumeist um Inschriften han- Glyphe Mond“ Dezimal(Zehner)system verwendeten, ” delt, welche die Taten und das Leben der herrschenden Kaste sondern – wie auch die Maya – auf der Basis von Zwanzig lobpreisen. Familiare¨ Beziehungen der Herrscher und Adeli- rechneten. Auch im Falle der Azteken gibt es verschiedene gen, sowie Daten aus deren Leben, sind vorrangig. Das allge- Auffassungen, wann sie in Mittelamerika einwanderten und meine Volk ist in den Schriften kaum erwahnt.¨ wann sie begannen, eine Schrift zu entwickeln.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.7. Mittelamerikanische Schriften vor Kolumbus 32

Zum Zeitpunkt ihrer großten¨ Machfulle¨ im 15. Jahrhundert sogar ahnliche¨ Codices“ von Eingeborenen anfertigen, worin ” beherrschten sie jedenfalls ein Gebiet zwischen dem Golf von dann auf Spanisch diverse Erlauterungen¨ gegeben wurden. Ei- Mexiko und dem Pazifischen Ozean, welches ungefahr¨ zwi- ner davon ist der Codex Florentino (deswegen so genannt, weil schen den jetzigen Stadten¨ Tampico und Veracruz einerseits er in einem Museum von Florenz aufbewahrt wird). sowie Acapulco und Puerto Angel andererseits gelegen war. Von der Zerstorung¨ verschont blie- Der Aztekenfuhrer¨ Motecuhzoma, welcher 1502 die Macht ben zumindest etliche Bauwerke, Fi- ubernahm,¨ hatte¨ das Reich moglicherweise¨ noch weiter ausge- guren und mehrere der beruhmten¨ dehnt, wenn er nicht von den 1519 eingedrungenen spanischen Kalendersteine. Diese sind von unter- Konquistadoren gefangengenommen worden ware.¨ schiedlicher Große¨ (bis uber¨ 3 Meter Schriftzeugnisse finden wir so- Durchmesser), haben die Form eines wohl auf Monumenten als auch Diskus und tragen in Kreisform Hie- in Schriftsammlungen, die an roglyphen fur¨ verschiedene Tage und Bilderbucher¨ erinnern. Festgehal- astronomische Begriffe. ten wurden meist Ereignisse von Die genaue Bedeutung dieser Ka- Sogenannter offentlichem¨ Interesse und ge- Kalenderstein lendersteine wird von verschiedenen schichtliche sowie religiose¨ Be- Wissenschaftlern unterschiedlich ge- gebenheiten. Allerdings gilt auch deutet. Fest steht, dass die Azteken, wie vorher bereits die Codex Florentino – fur¨ diese Codices“ dasselbe, was Zapoteken und Maya, ein sehr kompliziertes Kalendersystem ” Abschluss eines Vertrages schon bei den Maya-Glyphen ge- hatten. Unter anderem gab es zwei verschiedene Jahresrhyth- uber¨ Tributzahlungen sagt wurde – die spanischen Er- men. oberer haben in ihrem religiosen¨ Eifer einen riesigen Schaden angerichtet, indem sie bis auf 14 Exemplare alle dieser Bucher¨ 3.7.5 Mixtekisch vernichteten. Es wird behauptet, dass auch diese nur gerettet werden Ungefahr¨ um das Jahr 400 n. Chr. tritt noch eine Volksgruppe konnten, weil ein Franziskanerpater namens Bernadino de Sa- Mittelamerikas, deren Schrift wir erwahnen¨ wollen, ins Licht hagun´ kulturelles Interesse daran gefunden hatte. Spater¨ ließ er der Geschichte – die Mixteken.

Inhaltsverzeichnis – Index 3.7. Mittelamerikanische Schriften vor Kolumbus 33

Sie verwendeten eine Schrift aus Bildzeichen. Meist werden diese in allgemeine Bilddarstellungen einge- bunden, indem man sie rund um die Figuren anordnet (auf der Briefmar- ke nebenan der Hirschkopf und die Perlenschnur). Auch hier wird man wieder sehr stark an Bilderratsel¨ er- innert, wie man sie heutzutage in Il- lustrierten findet. Fast kann es der Leser schon Mixtekische Prinzessin erahnen – auch die Schriftdokumente der Mixteken wurden von den religiosen¨ Eiferern aus Europa bis auf wenige Exem- plare gnadenlos vernichtet. Zwei der wenigen geretteten Codices, der Codex Vindobo- nensis und der Codex Becker 1 werden in Wien aufbewahrt.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.1. Kunstlerische¨ Schriftzeichen in Ostasien 34

4 VOM ALTERTUM ZUM erste Dynastie, die historisch uberliefert¨ ist, ist jene der Fami- lie Shang, welche um diese Zeit Ostchina beherrschte. BESTEHENDEN Die Chinesen dieser Epoche hat- ten anscheinend eine starke Bezie- 4.1 KUNSTLERISCHE¨ SCHRIFTZEICHENIN hung zu hoheren¨ Machten¨ und zu ih- OSTASIEN ren Vorfahren. So kam es, dass die herrschenden Schichten vor verschie- 4.1.1 Chinesisch denen Entscheidungen die Ahnen be- fragten. Dies geschah dadurch, dass Ob und seit wann im Gebiet des heutigen China die ersten ein- man auf einen Schildkrotenpanzer¨ fachen Bilderschriften zum Einsatz kamen, ist umstritten. Es oder auf das Schulterblatt eines Rin- soll bereits Funde aus der Jungsteinzeit mit einigen wenigen des in bestimmter Reihenfolge Fra- Symbolen geben. ” gen“ und Leitlinien (Baguas) ritzte. Fest steht jedoch, dass sich bis Schildkrotenpanzer¨ mit Anschließend wurde der Panzer oder ca. 1500 vor Christus ein System Schriftzeichen das Knochenstuck¨ in Feuersglut ge- entwickelt hatte, welches bildahn-¨ legt, bis durch die Hitze Risse entstanden. Je nachdem, wie liche Zeichen fur¨ bestimmte Be- diese Risse verliefen, ob sie die Leitlinien unterbrachen oder griffe verwendete. Und es ist auch nicht, wurden die Orakelknochen“ von Wahrsagern interpre- wirklich interessant zu betrachten, ” tiert. Die gestellten Fragen stammten aus den verschiedensten Vermutete Entwicklung der dass das System ein Zeichen ist ” Gebieten des taglichen¨ Lebens. Dies konnte die Frage nach chinesischen Schrift ein Wort“ bis heute Gultigkeit¨ be- dem Ausgang einer Jagd sein, nach den Erfolgsaussichten ei- halten hat. Immerhin war es vor dreieinhalb Jahrtausenden nes Feldzuges – oder auch nur, ob es am nachsten¨ Tag regnen schon eine große Zahl von Zeichen bzw. Begriffen, die dar- wurde.¨ gestellt wurden. Und in welchem Zusammenhang? Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekam die Wissen- Ein Merkmal der geschichtlichen Entwicklung in China ist schaft Kunde von diesem Verfahren. Nachdem Bauern bei es, dass immer wieder Angehorige¨ von bestimmten Herrscher- der Feldarbeit erste Knochenfunde gemacht hatten, began- geschlechtern einander in der Regierungsgewalt folgten. Die

Inhaltsverzeichnis – Index 4.1. Kunstlerische¨ Schriftzeichen in Ostasien 35

nen 1928 Ausgrabungen. Im Laufe von Jahrzehnten fand man zu verkunden.¨ So geschah es, dass die Kleine Siegel- ” Konigsgr¨ aber¨ mit unzahligen¨ Skeletten, Waffen, Hausgeraten¨ schrift“ entstand. Gleichzeitig kam es dazu, dass bedeuten- und eben auch Orakelknochen“. de Personen eigene Siegel anfertigen ließen, mit welchen sie ” Insgesamt konnte die Wissenschaft Rechtsgeschafte¨ beurkundeten. In dieser Zeit wurde auch mit bis heute mehr als 10.000 Be- Stabchen¨ und Farbe geschrieben. legstucke¨ in Sicherheit bringen. Dar- Geschichtsschreiber aus spate-¨ unter nicht nur Schildkrotenpanzer¨ ren Epochen behaupten, Kaiser Shi oder Knochen mit Schriftzeichen, Huang-ti aus der Ch’in-Dynastie ha- sondern auch Bronzegerate¨ sowie be im Jahre 231 vor Christus alle Munzen.¨ Allerdings gibt es auf die- Schildkrotenpanzer¨ und Bucher¨ verbrennen lassen, die nicht sen verschiedenen Fundstucken¨ star- dessen Schriftzeichen seiner politischen Meinung entspra- ke Abweichungen in der Schreibung der ersten Bildzeichen“. chen. Dies wird allerdings von Ge- ” Große Siegelschrift Insgesamt sollen es bereits 4000 gewesen sein. schichtswissenschaftlern stark an- Ein betrachtlicher¨ Teil der Zeichen gezweifelt. aus der Orakel-Knochen-Zeit“ wur- Die Kleine oder Schmale ” ” de auch spater¨ noch verwendet, doch Siegelschrift“ wurde ca. 200 in veranderter¨ Form – und es ka- vor unserer Zeitrechnung (Han- men standig¨ neue dazu. Zu Zeiten der Dynastie) wiederum verandert¨ – westlichen Zhou-Dynastie – so un- es entstand der Quadrat-Stil“ ” Bronzekessel mit gefahr¨ vor 3000 Jahren – entstanden – auch Li-Shu“ genannt. Dies ” Schriftzeichen Gravuren auf verschiedenen Bronze- war nochmals ein Schritt wei- gegenstanden.¨ Als der Kaiser Hsuan¨ Wang regierte ( 800 v. ter vom bildhaften Schriftzei- Chr.), wurde wiederum eine veranderte¨ Form der Zeichen ein- chen zu einem besser schreib- gesetzt, die Große Siegelschrift“. baren Symbol. Uberliefert¨ ist, ” Siegel mit kleiner Siegelschrift Erneut 500 Jahre spater¨ unternahm ein Herrscher erstmals dass in dieser Periode ein großes den Versuch, eine fur¨ alle geltende Regelung der Schrift Heer von Beamten tatig¨ war, das diese Einheitsschrift nutzte.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.1. Kunstlerische¨ Schriftzeichen in Ostasien 36

Moglicherweise¨ hatte auch die Erfindung des Haarpinsels Ab der Jahrtausendwende began- im gleichen Zeitraum etwas dazu beigetragen, dass man jetzt nen die Angriffe der Steppenvolker¨ leichter arbeiten konnte. Mongolen und Tungusen aus dem Im dritten Jahrhundert spaltete sich das chinesische Reich in Norden. Ehe die Mongolen 1278 drei getrennte Gebiete – Wie, Wu und Shu, spater¨ auch noch durch Kublai-Khan endgultig¨ die Nord- und Sudchina.¨ Ungefahr¨ im 4. Jahrhundert unserer Zeit- Macht ergreifen konnten, gab es rechnung gab es wieder eine kaiserliche Verordnung, welche Schriftplatte aus Stein nochmals eine bluhende¨ Zivilisation. die chinesische Schrift reglementieren wollte. In den Jahrhun- In enger Verbindung von Malerei und Dichtkunst hatte auch derten davor hatte sich schließlich einiges geandert¨ – ca. 100 die Kalligraphie einen ungewohnten Aufschwung zu verzeich- nach Christus war die Papierproduktion endgultig¨ zum Durch- nen. bruch gekommen, womit den Kunstlern¨ der schonen¨ Schrift, Hungersnote¨ und Volksaufstande¨ brachten im 14. Jahrhun- den Kalligraphen eine neue Arbeitsgrundlage geschaffen wor- dert die Ming-Dynastie an die Macht – die Mongolen wurden den war. Die Kiai-schu-Schrift war entstanden. vertrieben. Daneben sowie in den Jahrhunder- Langsam aber doch kam es zu ten danach entstanden noch andere, stark¨ eren Kontakten mit den eu- nicht so exakte Schriften fur¨ den all- ropaischen¨ Machten,¨ unter anderem gemeinen Gebrauch (Hsing-schu und mit Portugal, welches bereits 1557 Tsao-schu). die Kolonie Macau – am sudchinesi-¨ Im gleichen Zeitraum (ab 600) schen Meer gelegen - in Besitz neh- begann man auch mit Versuchen, men konnte. Portugiesische Kolonie Druckwerke anzufertigen. Holzplat- Hier wurden bis zur Ruckgabe¨ des Macau ten mit herausgeschnitzten Zeichen, Gebietes an China eigene Briefmarken mit eigener Wahrung¨ Tonformen und angeblich sogar zu- eingesetzt. 1842 sicherten sich die Briten durch einen Pacht- Kleine Siegelschrift sammensetzbare Formen fur¨ einzelne vertrag die Kronkolonie Hongkong (nahe Macau), welche Schriftzeichen wurden verwendet. ebenfalls eigene Briefmarken (mit Hongkong-Dollars) ver- wendete, und 1997 an China zuruckfiel.¨ Sowohl Macau als

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auch Hongkong sollen als Autonome Sonderverwaltungsge- Im Suden¨ hatte sich die chinesi- ” biete“ der Volksrepublik China gefuhrt¨ werden und auch wei- sche Schrift – auch begunstigt¨ durch terhin eigene Postwertzeichen verausgaben. die vielen Auswanderer uber¨ Vietnam Jedoch zuruck¨ in die Vergangen- bis nach Singapur und auf die malai- heit. Nochmals kamen Fremde auf ischen Inseln ausgebreitet. Daraus er- Chinas Thron, als von 1644 bis 1911 klart¨ sich auch, dass die ersten Brief- die Mandschu-Dynastie aus der Man- marken und Ganzsachen der engli- dschurei regierte. Allerdings gab es schen Kolonien Labuan und Nord- auch einen betrachtlichen¨ Machtzu- Borneo unter anderem chinesische Britische Kronkolonie wachs und das Reich war so groß wie Schriftzeichen tragen. Hongkong Marke von Britisch Nord- nie zuvor. Noch kurz vor dem Ende borneo mit Wertangabe in Unter dem Arzt und spateren¨ der Mandschu-Herrschaft trat eine neue Schriftvariante ans Chinesisch und Arabisch Staatschef Sun-Yat-Sen gab es 1911 Licht – das Mandarin. Auf die komplizierte Schreibweise der chinesischen Schriftzeichen wer- de ich auf den nachsten¨ Seiten noch zu sprechen kommen, zusatzlich¨ war im Laufe der Jahrtausende die Zahl der Schriftzeichen standig¨ gestiegen. Zu Beginn des 18. Jh. enthielt ein Worterbuch¨ mehr als 45000 solcher Wort- oder Silbenzeichen – wovon viele mit 20 bis 60 Strichen zu schrei- ben waren! Man sagt, der Chinese Im Hintergrund von heute sollte wenigstens drei- bis Schriftvariante Mandarin Postkarte aus dem Kaiserreich China nach Deutschland (1904) viertausend davon kennen.

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eine breite Volksbewegung, welche die Mandschus entmach- tete und die Republik ausrief. Kein Wunder, dass bald nach der Errichtung der Republik (1911) verschiedene Versuche unter- nommen wurden, die Schrift zu vereinfachen oder gar durch eine andere zu ersetzen. Das chinesische Volk kam jedoch nicht zur Ruhe. Bald gab es Spannun- gen und Kampfe¨ zwischen der Re- gierungspartei Goumindang und den Kommunisten, die sich 1934/35 unter Fuhrung¨ Mao Zedongs auf dem Lan- ” gen Marsch“ in den Norden zuruck-¨ zogen. 1937 uberfielen¨ die Japaner China und richteten den ihnen hori-¨ gen Staat Mandschukuo“ ein, der Japanischer Satellitenstaat ” wiederum eine eigene Postverwal- Mandschukuo tung mit Postwertzeichen aufbaute. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges flammten die Kamp-¨ fe zwischen Maos Kommunisten und Chiang Kai-sheks Gou- mindang ganz stark wieder auf. Die Kommunisten siegten und Chiang Kai-shek zog sich mit seinen Truppen auf die Insel Taiwan zuruck,¨ welche seither als Republik China“ Postwert- ” Aerogramm aus Taiwan in senkrechten Kolonnen von rechts nach links zeichen verausgabt und versucht, eine selbstandige¨ Linie ge- zu lesen genuber¨ der Volksrepublik zu vertreten. Auf dem chinesischen Festland wurde am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China ausgerufen, welche derzeit eine Ein- wohnerzahl von mehr als 1,2 Milliarden Menschen hat. Inhaltsverzeichnis – Index 4.1. Kunstlerische¨ Schriftzeichen in Ostasien 39

Erst die Maßnahmen, welche die wichtig ist, wie das betreffende Wort in den einzelnen chinesi- kommunistische Fuhrung¨ der Volks- schen Dialekten ausgesprochen wird – lediglich der Sinn zahlt.¨ republik 1956 ergriff, brachten hin- Es wird sogar behauptet, dass Japaner - die ja das vom Hanze sichtlich des Schriftwesens ein grund-¨ abgeleitete beherrschen - einigermaßen eine chinesische liches Ergebnis. Im Laufe der Jah- Zeitung lesen konnen.¨ re wurden mehr als 2000 Schriftzei- Aber zuruck¨ nach China – wenn chen vereinfacht, viele sogar abge- gesagt wurde, dass alle Chinesen, schafft. Man ging von der bisherigen egal welcher Dialektgruppe sie an- Schreibweise (senkrechte Kolonnen, gehoren,¨ die Schrift lesen konnen,¨ von rechts nach links zu lesen) ab, in- muss dies andererseits wieder ein- dem man die Schriftzeichen nunmehr geschrankt¨ werden. Denn immerhin Volksrepublik China zeilenweise von links nach rechts zu schreibt waagrecht von muss man auch nach der Schriftre- schreiben und zu lesen hat. links nach rechts form durch die kommunistische Re- Eine Personliche¨ Handschrift“ gierung noch immer ungefahr¨ 4000 - ” bildet sich auch bei den Chinesen 5000 Zeichen kennen, wenn man Zei- heraus, wenn sie entsprechend tungen oder Bucher¨ lesen will. Kalligraphie schnell schreiben. Wenn wir die Schriftzeichen naher¨ (Schonschrift)¨ Nun wird es Zeit, dass wir uns ein- betrachten, fallt¨ auf, dass sich jedes gehender mit dem System der Chi- einzelne innerhalb einer angenommenen Quadratflache¨ befin- nesischen Zeichen (auch HANZE ge- det, die immer gleich groß bleibt, wie viele Striche auch ver- nannt) befassen. Wie schon mehrfach wendet werden. Der Schreiber muss naturlich¨ genau darauf erwahnt,¨ unterscheidet die chinesi- achten, keinen Strich zuviel zu verwenden, oder keinen aus- sche Schrift keine Buchstaben“, son- zulassen. Naturlich¨ ist ebenso die Stellung der einzelnen Stri- ” dern macht verschiedene Begriffe in che innerhalb des Zeichens genau bestimmt und darf nicht Schuler¨ auf Taiwan haben viele komplizierte Form von Zeichen erkennbar. Das hat verandert¨ werden. Schriftzeichen zu erlernen wiederum den Vorteil, dass es nicht

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Es lasst¨ sich nicht vermeiden, hier noch kurz die verschie- gen chinesischen Kaiser. Sie machte den Dialekt der Haupt- denen Einheiten zu erwahnen,¨ in welche die chinesischen Zei- stadt Beijing zur allgemeinen chinesischen Sprache. chen eingeteilt werden: Man sollte auch wissen, dass die a) Die ursprunglichsten¨ Zeichen Chinesen im Laufe der Jahrtausen- sind jene, die schon in alten Zeiten de einen Weg gefunden haben, die wichtige Begriffe abgebildet haben – einzelnen Silben, welche ja mehre- daher Bildzeichen“. re Bedeutungen haben konnen,¨ zu ” b) Ableitungszeichen“ sind jene, unterscheiden. Es gibt zum Beispiel ” welche durch Erganzung¨ der Bildzei- im Beijing-Dialekt vier verschiedene chen oder Wiederholungen und Ahn-¨ Tonhohen,¨ in welchen jede Silbe aus- lichem gebildet wurden. gesprochen werden kann. c) Zu den Ableitungszeichen Neben der Einfuhrung¨ einer Ein- ” zahlen¨ auch die sogenannten Radi- heitssprache“ wurde auch die bereits ” Bildzeichen“ Stier kale“. Das Radikal steht in der Regel ” Nationalhymne der erwahnte¨ Lautschrift mit lateinischen Volksrepublik China fur¨ den Sinnzusammenhang, wahrend¨ der Rest der Zeichen Buchstaben Pinyin“ geschaffen. Al- ” die ungefahre¨ Aussprache wiedergibt. Die Zeichen werden le Neueinfuhrungen¨ sollen dazu dienen, die immense Zahl der nach den Radikalen lexikalisch geordnet. Analphabeten zu verringern. Derzeit kann es aber vorkom- Anlasslich¨ der Schriftvereinfachung in den letzten Jahr- men, dass der Bewohner einer sudlichen¨ Provinz zwei Spra- zehnten wurde auch die Zahl der Radikale auf ca. 200 ver- chen (seinen Dialekt und das Beijing-Chinesisch) lernen muss ringert. und zwei Schriften (traditionelles Chinesisch und Pinyin) be- Abschließend soll nochmals darauf hingewiesen werden, herrschen sollte. dass der Einfuhrung¨ einer einheitlichen Buchstabenschrift nicht nur traditionelle Hindernisse im Wege stehen. Die bereits 4.1.2 Chinesische Schrift in Korea erwahnte¨ Dialektvielfalt ist hier ein ebenso großer Hemm- schuh. Um diese Schwierigkeit zu beseitigen, trat die Regie- Bei der geographisch benachbarten Lage ist es nicht verwun- rung der Volksrepublik China in die Fußstapfen der ehemali- derlich, dass die chinesische Schrift als erstes fremdes Land

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Korea erreichte. Schon seit der Zeitenwende wurden von den K onigs¨ eine eigene Schrift ( – siehe 4.10.1) konstruiert. dortigen Beamten nur chinesische Schriftzeichen verwendet. Die chinesischen Zeichen blieben Da die koreanische Sprache jedoch große Unterschiede zur im Bereiche der Verwaltung aber chinesischen aufweist, war es sehr schwierig, eine befriedi- noch bis ins 20. Jahrhundert erhalten gende Wiedergabe des jeweiligen Textes zu erreichen. Nach und sind daher auch auf den 1884- verschiedenen Versuchen, denen keine lange Lebensdauer be- 1905 ausgegebenen Briefmarken des schieden war, wurde im 15. Jahrhundert n. Chr. auf Befehl des Konigreichs¨ Korea nachzuweisen. 1910 besetzte Japan das Land. Ko- rea wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg selbstandig¨ - und spater¨ Koreanische Marke mit noch in einen Nord- und Sudteil¨ ge- koreanischen, chinesi- trennt. schen und lateinischen Schriftzeichen

4.1.3 Chinesische Schrift in Vietnam Auch das Volk der Annamiten im Gebiet des heutigen Staates Vietnam (Sudostasien)¨ war vor ungefahr¨ 2000 Jahren von den Chinesen beherrscht. Daraus er- Diese koreanische Postkarte aus dem Jahre 1904 tragt¨ Postwertzeichen gibt sich, dass dort in wichti- mit chinesischen, lateinischen und koreanischen Schriftzeichen. Ein gen Angelegenheiten die chine- deutscher Seemann schrieb zu Erinnerungszwecken eine Karte an einen Konig¨ Hung Vuong mit sische Schrift und Sprache zur Freund an Bord. Texttafel Verwendung gelangten. Vietna- mesisch wurde lediglich gesprochen. Auch vietnamesische

Inhaltsverzeichnis – Index 4.1. Kunstlerische¨ Schriftzeichen in Ostasien 42

Dichter unterwarfen sich dieser Regelung. Man nennt dies die Beginnen wir mit der Vorgeschich- sino-vietnamesische Tradition. te. Japan ist ein Inselstaat, dessen Ei- Ungefahr¨ ab dem elften Jahrhundert gab es Versuche, die lande ostlich¨ des asiatischen Kontin- vietnamesische Sprache mit chinesischen Zeichen zu schrei- ents gelegen sind, nur durch das Meer ben. Derartige Erprobungen waren jedoch nicht erfolgreich, von Korea und China getrennt. da auch die vietnamesische Sprache vollkommen anders auf- Bereits vor Christi Geburt gab es gebaut ist als die chinesische. Kontakte zum Festland. Ungefahr¨ seit Christliche Missionare – voran dem zweiten Jahrhundert v. Chr. gab die Portugiesen - fuhrten¨ ab dem es großere¨ Einwandererbewegungen 17. Jahrhundert hier die Latein- uber¨ die Koreanische Halbinsel und schrift ein. Durch die Besonder- das Chinesische Meer. Hundert Jahre Kanji-Schriftzeichen fur¨ heiten der vietnamesischen Spra- vor Christi Geburt gab es in Japan be- Management, ¨ che war man gezwungen, etliche reits einen Tenno (heißt: Gottlicher¨ Offentlichkeit, Arbeit ” Zusatzzeichen - diakritische Zei- Herrscher“), welcher ein Vorfahre des jetzigen Kaiserhauses Manuskripte von Nguyen Trai chen genannt - zu erfinden. gewesen sein soll. Allerdings hatte China zu dieser Zeit noch Chinesische Schriftzeichen sind daher auf vietnamesischen immer großen Einfluss auf die japanischen Inseln. Briefmarken nicht in der Beschriftung, sondern lediglich als Mit den chinesischen Eroberern thematische Abbildung zu finden. war auch deren Schreibsystem ins Land gekommen, jedoch erst im 6. 4.1.4 Japanisch Jahrhundert, als der Buddhismus Ja- pans Staatsreligion wurde, hat man Wer gemeint hatte, es konne¨ nicht mehr komplizierter werden, die chinesische Schrift formlich¨ zur der irrt sich gewaltig. Denn wo kann es ihm passieren, dass er geltenden Schrift erklart.¨ einen Zeitungsartikel vor die Nase gelegt bekommt, der ein- Einige hundert Jahre spater¨ (ca. und dieselbe Sprache in drei verschiedenen Schriften wieder- 1000 n.Chr.) wurde von den – des gibt? In Japan! Doch langsam, der Reihe nach. Chinesischen unkundigen - Frauen

Gold. Konigssiegel¨ 3. Jh. Inhaltsverzeichnis – Index 4.1. Kunstlerische¨ Schriftzeichen in Ostasien 43

begonnen, aus der chinesischen Worterschrift¨ eine ei- einen Einschnitt in die inneren Angelegenheiten des Landes. genstandige¨ japanische Silbenschrift zu entwickeln (Hiraga- Eine Militarkaste¨ ubernahm¨ die Regierung – das Zeitalter der na genannt). Ungefahr¨ 100 Jahre spater¨ entstand eine zweite namens . Diese wurde von buddhistischen Monchen¨ eingefuhrt,¨ um die Aussprache schwieriger Zeichen zu notie- ren. In diesen Zeitraumen¨ gab es in Japan bereits eine bluhen-¨ de Literatur und auch sonstige Kunste¨ wie die Malerei hatten eine ansteigende Linie zu verzeichnen. Gleichzeitig kam es zur Losung¨ der engen Bindungen zu China. Eine eigene japa- nische Kultur war im Entstehen. Das 13. Jahrhundert brachte

Dichter Basho Matsuo (17. Jh.) mit Textauszugen¨ – Links oben: 1. Zeichen Kanji, 2. Zeichen , die letzten 4 Zeichen Katakana Japanische Ganzsache – um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jh.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.1. Kunstlerische¨ Schriftzeichen in Ostasien 44

Shoguns war angebrochen. Die neuen Machthaber ordneten sehen. Dazu gesellten sich seit dem 18. Jahrhundert noch die die Verhaltnisse¨ im Lande mit strenger Hand, nach außen hin Meister des Farbholzschnittes. schottete man sich immer mehr ab - unter anderem wurden 1867 war das Ende der Shogun-Macht gekommen, der Ten- christliche Missionare vertrieben. Dies geschah aufgrund des no ubernahm¨ die Leitung des Landes. Vieles wurde nach eu- Vertrages von Tordesillas (1494). Das Christentum wurde von ropaischem¨ Beispiel neue organisiert, 1889 wurde Japan eine den Japanern als staatsgefahrdend¨ betrachtet. Es ist die einzige konstitutionelle Monarchie. Religion, die in Japan je verboten war. Der Aufbruch in die Neuzeit fand auf al- Andererseits entwickelte sich je- len Gebieten statt. Unter anderem wurde er- doch die Kunst weiterhin – insbeson- folglos versucht, die lateinische Schrift ein- dere gab es eine Vereinigung der Ma- zufuhren.¨ Derzeit gibt es zwei Systeme, mit lerei und der Schreibkunst zur vollen- denen japanische Texte in Latein geschrie- deten Schonschrift¨ (Kalligraphie ge- ben werden konnen.¨ nannt). Die Mal- und Schreibkunstler,¨ Ein japanischer Schuler¨ hat es schwer, Historische Landkarte von die Ihre Werke mit Tusche und Pinsel Lesen und Schreiben zu erlernen. Unter ausfuhrten,¨ gelangten zu hohem An- Besetzungsausgabe anderem wird versucht, den Kindern mit Japan 16. Jh. Burma mit Kata- -Zeichen und Buchern,¨ die nur in der Silbenschrift Hira- burmesischer gana verfasst sind, die ersten Begriffe naher-¨ Schrift zubringen. Spater¨ muss jedoch jeder Japaner Tausende von Schriftzeichen erlernen. Da das nicht immer ge- lingt, werden in vielen Schriftstucken,¨ wie Zeitungen, die drei Systeme gemischt. Ich versuche, die Angelegenheit so einfach wie moglich¨ – fur¨ Fachleute vielleicht zu einfach - zu schildern. Den Grund- Teilansicht eines Aerogrammes – blaue Beschriftung in Kanji - stock bilden die Wortzeichen, die wir schon aus dem Chinesi- Postalischer Vermerk (rot) in Katakana schen kennen, hier KANJI genannt, veranderliche¨ Endungen und Zusatze¨ werden mittels der Silbenschrift Hiragana dar-

Inhaltsverzeichnis – Index 4.1. Kunstlerische¨ Schriftzeichen in Ostasien 45

gestellt und nicht-chinesische Lehnworter,¨ Fremdworter¨ so- wie Eigennamen mittels der Silbenschrift Katakana. Die An- zahl der zu verwendenden Kanji-Zeichen wurde gesetzlich auf rund 2000 festgelegt, die Katakana setzt 46 Silbenzeichen ein, die Hiragana ebensoviele. In Volksschulen sollen angeblich nur mehr ca. 1200 Kanji-Worter¨ unterrichtet werden. Auf Sprachvarianten und Leseprobleme kann hier nicht ein- gegangen werden. Japanisch wurde fruher¨ von oben nach unten geschrieben, wobei die Spalten von rechts nach links zu lesen waren. Jetzt wird waagrecht geschrieben und von links nach rechts gelesen. Wahrend¨ der Zeit vor dem und wahrend¨ des Zweiten Weltkrieges hatte Japan Ost- und Sudostasien¨ und viele Inseln im Pa- zifik besetzt. Dort wurden dann heimische oder japanische Briefmarken mit entspre- Riu-Kiu-Inseln chendem Uberdruck¨ verwendet. Es gibt aber auch noch Aus- gaben fur¨ Groß-Japan“. ” Eine weitere philatelistische Besonderheit bilden die Riu- Kiu-Inseln. Diese wurden 1945 von den USA besetzt und zu- erst von der US-Militarpost¨ betreut. Kurzzeitig wurden japani- sche Briefmarken uberdruckt.¨ Ab 1948 wurden eigene Brief- marken verwendet – bis zur jeweiligen Ruckkehr¨ einzelner In- seln unter japanische Oberhoheit (1953 bzw. 1972).

Inhaltsverzeichnis – Index 4.2. Die Schrift der Seefahrer 46

4.2 DIE SCHRIFTDER SEEFAHRER bensweisen und Kulturstufen kennen. Kein Wunder, dass es gerade dieses Volk war, welches im 4.2.1 Phonizisch¨ Laufe von Jahrhunderten eine Schrift entwickelte, die sich von Wir treten nun in einen vollkom- den Bildern und Silbensymbolen der Vergangenheit gelost¨ hat- men neuen Bereich der Schreib- te. kunst ein – in die Welt der Die Wissenschaft ist sich heutzutage daruber¨ einig, dass die Buchstabenschriften. Zu diesem neue Schrift von den agyptischen¨ Hieroglyphen ausgegangen Zwecke wollen wir uns einmal ist. geistig in den Bereich des nahen Die Phonizier¨ waren Semiten – da- her wird immer wieder von semiti- Prinz Kadmos hat nach der Sage Ostens begeben. An der Mittel- die phonizische¨ Schrift meerkuste¨ hatten sich seit Jahr- schen Schrifttypen gesprochen. erschaffen tausenden die verschiedensten Insbesondere wird zwischen Nord- Volker¨ getroffen. Agypter,¨ Sumerer, Babylonier, Assyrer, He- und Sudsemiten¨ unterschieden. Die thiter - und sowohl deren Sprachen als auch Schriften wurden nordsemitischen Schriften waren an den wichtigen Handelsplatzen¨ verwendet. in der Hauptsache Phonizisch,¨ Ka- Anfangs kam es noch zu Vorstu- naanaisch¨ und Aramaisch.¨ Die ersten fen einer Buchstabenschrift in Byb- beiden werden hier besprochen, auf los und auf der Halbinsel Sinai, die das Aramaische¨ kommen wir in philatelistisch leider nicht zu belegen einem spateren¨ Kapitel zuruck.¨ Phonizische¨ Inschrift auf sind. Aber den Durchbruch schaffte Die Phonizier¨ hatten ihr Stamm- dem Sockel einer Saule¨ in gebiet am ostlichen¨ Kustenrand¨ des das Seefahrervolk der Phonizier.¨ Die- Malta se trieben Handel mit allen Volkern¨ Mittelmeeres und sprachen einen ka- Anfangsform der naanitischen Dialekt. phonizischen¨ Buchstaben Vorderasiens, Nordafrikas und den europaischen¨ Anrainern des Mittelmeeres. Sie transportierten Die Buchstaben der phonizischen¨ Schrift waren im Gegen- Rohstoffe und Fertigprodukte von einem Hafen zum anderen, satz zu den Vorstufen nicht mehr bildhaft sondern wurden im grundeten¨ Kolonien und lernten somit die verschiedensten Le- Laufe der Zeit immer mehr stilisiert. Geschrieben wurden le-

Inhaltsverzeichnis – Index 4.2. Die Schrift der Seefahrer 47 diglich die 22 Mitlaute, zu lesen war die Schrift von rechts nach links. Bei Auflistungen dieser Zeichen begann man mit dem Aleph und hielt bereits damals eine sehr ahnliche¨ Reihen- folge ein, wie wir es jetzt tun. Im Jahre 842 v. Chr. ließ Konig¨ Moab aus Dibon einen Gedenk- stein aufstellen, der in 34 Zei- len seine Heldentaten anlasslich¨ eines siegreichen Krieges gegen Konig¨ Joram schildert. Ein Aus- schnitt aus dieser Inschrift ist auf Ausschnitt aus Gedenkstein einer Briefmarke von Venda wie- des Konigs¨ Moab (842 v. Chr.) derzufinden. Im Mutterland hielt sich die phonizische¨ Schrift bis ins 3. Jahrhundert v. Chr., in den Kolonien Karthago und Iberien in abgewandelter Form noch langer.¨ Fur¨ diese Spielarten haben die Wissenschaftler eigene Namen gefunden.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.3. Griechenland – Quelle der europaischen¨ Buchstabenschriften 48

4.3 GRIECHENLAND –QUELLEDER Nach dem letzten Stand der EUROPAISCHEN¨ Wissenschaft sind die ersten grie- chischen Schriftzeugnisse in das UCHSTABENSCHRIFTEN B 8. Jahrhundert vor unserer Zeit- 4.3.1 Altgriechische Schrift rechnung einzureihen. Es wird auch vermutet, dass es drei Gebie- Eine alte griechische Sage berichtet te mit unterschiedlicher Entwick- davon, dass der agyptische¨ Gott Thot Weinkrug aus dem lung dieser Schrift gab (Kleinasi- dem Konig¨ Thamos die Schrift ge- Jahre 720 v. Chr. en mit Ag¨ ais,¨ Kreta und griechi- bracht hatte¨ – obwohl es sich bei die- sches Festland). ser Gabe um eine sehr wertvolle han- Wie wir bereits wissen, war das delt, kann ich mich dem Inhalt die- Phonizische¨ eine semitische Spra- ser Erzahlung¨ nicht anschließen und che und wurde nur mit Konsonan- werde mich auf den folgenden Seiten ten (Mitlauten) geschrieben. Da die ausfuhrlicher¨ mit der Geschichte der Stempel zeigt Munze¨ von Griechen ganz anderer Herkunft wa- griechischen Schrift befassen. griechischer Kolonie auf ren, unterschied sich deren Sprache In einem fruheren¨ Kapitel dieses der Apenninenhalbinsel so stark vom Phonizischen,¨ dass ei- Buches war schon die Rede von den Bilder-Schriften in ne Schrift ohne Selbstlaute (Vokale) Sudosteuropa¨ bzw. auf den Inseln Kreta und Zypern (Sei- kaum moglich¨ gewesen ware.¨ te 13 f). Dieses Problem wurde dadurch Die Einfuhrung¨ der ersten Buchstabenschrift auf unserem gelost,¨ dass man ein paar phonizische¨ Altgriechische Munze¨ – Kontinent haben wir jedoch eindeutig dem klassischen Grie- Schriftzeichen, die man als Mitlau- ” Auch das Gebiet des chenland“, dem vielgeruhmten¨ Hellas“ zu verdanken. Heut- te nicht benotigte,¨ zu Vokalzeichen ” heutigen Bulgariens zutage steht es bereits außer Streit, dass die griechischen (Selbstlautzeichen) umwandelte, und gehorte¨ zum griechischen Stamme¨ Handelsverbindungen mit den Anrainervolkern¨ des einige neue Lettern hinzufugte.¨ So Weltreich. Mittelmeeres hatten und auf diese Art auch die Schriftzeichen entstand die erste Buchstabenschrift der Erde mit Vokalen. der Phonizier¨ kennengelernt haben.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.3. Griechenland – Quelle der europaischen¨ Buchstabenschriften 49

Auf diesem System aufbauend entstanden Jahrhunderte spater¨ denken wir sicherlich nicht immer daran, dass dieser Ausdruck alle anderen Schriftsysteme des Abendlandes (Latein, Kyrilli- daher stammt, dass die ersten beiden Buchstaben der griechi- za etc.). schen Schrift Alpha“ und Beta“ heißen. ” ” Anfangs hatte man noch die phoni-¨ Dass es kaum Nachweise fur¨ die zische Methode ubernommen,¨ von erste Zeit der Schrifteinfuhrung¨ gibt, rechts nach links zu schreiben, spater¨ mussen¨ wir darauf zuruckf¨ uhren,¨ dass wurde zum Teil auch furchenwendig als Material fur¨ die Beschriftung zu- geschrieben. Dies heißt, die Richtung meist Papyrus verwendet wurde. Die- wurde von Zeile zu Zeile geandert¨ ses war naturlich¨ im europaischen¨ – so wie beim Pflugen¨ - eine ande- Raum dem Verwitterungsprozess sehr re Beschreibung dieses Systems lau- stark unterworfen. Glucklicherweise¨ tet sehr bildlich so wie der Ochse wurden auch noch einige andere Ma- ” geht“ - wissenschaftlich. bustrophe- terialien beschriftet. So kommt es, ” don“ Schließlich wurde jedoch allge- Wer jetzt von den dass wir auf einer Keramikkanne ” Mosaik mit Inschrift mein die Schreibrichtung von links Tanzern¨ am anmutigsten (ungefahr¨ 700 vor Christus), welche Andreas“ ” nach rechts eingefuhrt¨ - angeblich tanzt, der soll dies in einem Grab beim Dipylontor vor nach dem Beispiel der Stadt Milet. bekommen.“ Athen gefunden wurde, eine Inschrift Allerdings schrieb man da- lesen konnen,¨ die besagt, dass dieser Gegenstand dem Sieger mals noch alles in Großbuchsta- eines Tanzwettbewerbes gewidmet war. Auch in Stein gemei- ben – ohne Satzzeichen, sonsti- ßelte Texte aus dieser Zeit wurden gefunden. Aufschlussreich ge Hilfszeichen oder Wortzwi- ist ebenso, dass die Griechen ihre Schrift phoinikeia“ nann- ” schenraume.¨ Erst viel spater¨ wur- ten, was wohl als weiterer Nachweis der Abstammung gelten den Trennungszeichen und so- kann. Heutzutage spricht man von dieser altesten¨ Schrift als gar sogenannte Tonzeichen ein- Lapidar-Schrift“. Sie ist eine reine Großbuchstabenschrift. ” gefuhrt.¨ Wenn wir heute den Papyrus mit Erst ungefahr¨ 300 Jahre nach Christus gab es eine neue Ver- Ausdruck Alphabet“ verwenden, sion dieser Schrift – zwar noch immer Großbuchstaben, je- ” Versen aus der Ilias

Inhaltsverzeichnis – Index 4.3. Griechenland – Quelle der europaischen¨ Buchstabenschriften 50

doch eine lockerere Ausfuhrung¨ (Unzialschrift). Wegen des hoheren¨ Gewichtes Um dieselbe Zeit begann man auch die konnte man Pergament nicht zu lan- Worte voneinander zu trennen und am En- gen Rollen verarbeiten. Man schnitt de eines Satzes einen hochstehenden Punkt Bogen¨ zu, legte sie ineinander und die zu verwenden. Wieder zweihundert Jahre derart entstandenen Packchen¨ wieder spater¨ wurden bereits verschiedene Zusatz- zu mehreren zwischen zwei Holz- zeichen verwendet. platten. Schließlich wurde das Gan- Eine vollkommene Neuheit wurde im ze mit Riemen zusammengebunden. neunten Jahrhundert unserer Zeitrechnung Diese Sammlungen wurden von den eingefuhrt¨ – die Verwendung von Klein- Griechen Polyptychon“ und von den ” buchstaben (Minuskel-Schrift genannt). Romern¨ Kodex“ genannt und waren ” Anscheinend hat man das von der latei- die Vorganger¨ der spateren¨ Bucher.¨ Initial aus Buch nischen Schreibweise ubernommen.¨ Die Die griechischen Schreiber 15. Jahrhundert Schrift in Großbuchstaben wurde aber ne- vollbrachten auf diesem Per- benbei weiter eingesetzt. gament wahre Kunstwerke. Seit dem vierten Jahrhundert Verzierte Schriftzeichen, mit nach Christus wurde nicht mehr Bildern versehene Anfangs- auf Papyrus geschrieben, sondern buchstaben (Initialen genannt), auf Pergament. Dieses Material Gemalde¨ in den schonsten¨ Far- hatte seinen Namen nach der Stadt Kunstvoll gestalteter Buchtitel ben, auch heutzutage kann man Pergamon, wo man ab dem 1. Jh. sich dem Banne eines solchen Werkes nicht entziehen. Als vor Christus darauf zu schreiben spater¨ begonnen wurde, die Pergamentbogen¨ in Buchform zu Psalm in verzierten begann. Noch fruher¨ begannen die binden, gesellte sich zu den prachtvollen Innenseiten auch Großbuchstaben Assyrer (7. Jh. v. Chr.). Tierhaute¨ noch ein kunstvoll gestalteter Bucheinband. zu enthaaren, zu glatten¨ und als Beschreibstoff zu verwenden. Es soll noch erwahnt¨ werden, dass zu Beginn des Schrei- bens in Griechenland eine Anzahl von ahnlichen¨ Schriften in

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Kleinasien verwendet wurden. Sie sind so eng mit dem Grie- 4.3.3 Altnubische Schrift chischen verwandt, dass man eindeutig von Ablegern sprechen Ungefahr¨ um die Zeit von 350 nach Christus hatte ein athio-¨ kann. pischer Kaiser das Gebiet von Nubien (vormals Sud¨ agypten)¨ erobert und ebenfalls die christliche Religion eingefuhrt.¨ 4.3.2 Koptische Schrift Obwohl der nubische Dialekt gesprochen wurde, verwendete Im Kapitel uber¨ die agyptische¨ Schrift haben wir schon ge- man zu dieser Zeit noch die grie- lesen, dass in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung chische Schrift. Erst im Laufe des eine griechische Herrscherfamilie die Macht in Agypten¨ uber-¨ 8. Jahrhunderts entwickelte sich nahm. Das brachte naturlich¨ große Umwalzungen¨ mit sich, un- ein eigenes Alphabet fur¨ die altnu- ter anderem die Einfuhrung¨ eines neuen Buchstabensystems. Altnubische Inschrift bische Sprache. Die Schrift ahnel-¨ Die vorher verwendete demotische te zwar dem Koptischen, verwendete jedoch etliche andere Schrift lieferte lediglich sieben Buch- Zeichen. Ungefahr¨ drei Jahrhunderte wurde mit diesen Buch- staben dazu, den Rest ubernahm¨ man staben geschrieben, bis auch hier die arabischen Eroberer ihre aus dem Griechischen. Außerdem eigene Schreibweise einfuhrten.¨ wurden erstmals auf agyptischem¨ Bo- den auch Vokale (Selbstlaute) ver- wendet! Koptischer Teppich 4.3.4 Neugriechische Schrift Doch auch diese Schrift fand im 7. Jahrhundert ihr Ende. Ich mochte¨ ein Ereignis der Weltge- Die Araber eroberten Agypten¨ und brachten gleich ihr Alpha- schichte verwenden, um einen Trenn- bet mit. Lediglich in den religiosen¨ Handlungen und Buchern¨ strich zwischen dem Altgriechischen der agyptischen¨ christlichen Kirche ist die koptische Sprache (siehe 4.3.1) und dem Neugriechi- und Schrift bis heute noch lebendig. schen zu ziehen. Die griechische Sprache, Schrift und Kultur hatte sich zu Zeiten des griechischen Großrei- Erstes gedrucktes Buch in ches bis Afrika und Asien hin aus- neugriechischer Schrift – Grammatik (1476) Inhaltsverzeichnis – Index 4.3. Griechenland – Quelle der europaischen¨ Buchstabenschriften 52

gedehnt und wurde im Verlauf der ostromischen¨ Kaiserherr- Osmanen (Turken)¨ besetzt. Im Jahre 1821 brach jedoch ein schaft von Byzanz (Konstantinopel) noch immer von vielen Volksaufstand gegen die Fremdherrschaft aus. Bereits 1832 Volkern¨ anerkannt. Als die Turken¨ jedoch 1453 Konstanti- wurde ein griechisches Konigreich¨ ins Leben gerufen – aller- nopel eroberten, fuhrte¨ das zum Niedergang des griechischen dings noch auf einer viel kleineren Flache¨ als heute. Die rest- Einflusses. lichen Gebiete kamen erst 1912/1913 hinzu - indessen ging Bald wurde nur mehr in Grie- nach dem 1. Weltkrieg wieder einiges verloren. chenland selbst und auf einigen Mit- Im Verlaufe von zwei Balkankriegen kam es auch immer telmeerinseln Griechisch gespro- wieder zur kurzzeitigen Grundung¨ von kleineren Verwaltungs- chen und geschrieben. Dazu sei fest- einheiten, die eigene Briefmarken mit griechischen Buchsta- gehalten, dass ganz Griechenland ben verausgabten. lange Zeit von den Turken¨ besetzt war. Die Sprache entwickelte sich Druckschrift in verschiedenen Richtungen weiter, sodass man heute eine Kanzleisprache und eine Volkssprache unterscheiden muss. Insbesondere in der Grammatik gibt es hier Abweichungen. Jedoch auch die Schrift wur- de durch den Wegfall einiger Zei- chen verandert.¨ Einen großen Ein- fluss auf diese Entwicklung hatte die Einfuhrung¨ des Buchdrucks. Be- Da waren¨ einmal die sieben Ionischen Inseln, im Westen reits 1476 wurde in Mailand ein von Griechenland gelegen. Sie unterstanden seit 1815 einer Schreibschrift Werk zur griechischen Grammatik britischen Schutzherrschaft“, verausgabten 1859 eigene Post- ” gedruckt. Einige Jahre spater¨ kam es dann zur Ausbildung der wertzeichen und wurden 1864 an Griechenland angegliedert. griechischen Druckschrift. Die Insel Samos im Ag¨ aischen¨ Meer war seit 1832 ein Wie erwahnt,¨ war Griechenland durch Jahrhunderte von den selbstandiges¨ Furstentum¨ innerhalb des Turkenreiches¨ und er-

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klarte¨ sich 1912 zum Teil von Griechenland. Der ernstliche Das Gebiet von Thrakien, derzeit Zusammenschluss erfolgte 1922. Von 1878 bis 1915 gab es zwischen Griechenland und der Turkei¨ eigene Postwertzeichen. aufgeteilt, war lange Zeit ein Zankap- Die Bewohner der Insel Kreta hat- fel zwischen diesen beiden Staaten und ten schon langere¨ Zeit fur¨ die Ver- Bulgarien. Daraus erklart¨ sich, dass es einigung mit Griechenland gekampft,¨ in den Jahren 1913 und 1920 Brief- ehe die Großmachte¨ Frankreich, Itali- marken mit griechischen, bulgarischen en, Großbritannien und Russland 1897 und arabisch-turkischen¨ Schriftzeichen die Verwaltung ubernahmen.¨ Von 1900 gab. bis 1913 gab es eigene Briefmarken Mit der Einsetzung eines Fursten¨ in und Ganzsachen. 1913 erfolgte der Zu- Thrakien Albanien waren die griechischstammi-¨ sammenschluss mit Griechenland. gen Einwohner des Sudteiles¨ nicht einverstanden und grunde-¨ Eine Insel namens Ikarien (im ten 1914 die Republik Epirus – mit eigenen Briefmarken. Samos Ag¨ aischen¨ Meer) loste¨ sich 1912 aus Anders sieht Zyperns Geschichte der turkischen¨ Herrschaft, erklarte¨ sich fur¨ unabhangig,¨ ver- aus, welches 1571 von den Turken¨ er- ausgabte Briefmarken und schloss sich nach ungefahr¨ einem obert worden war. 1878 besetzte Groß- Jahr an Griechenland an. britannien die Insel und entließ sie erst Die Inselgruppe des Dodekanes, 1960 in die Unabhangigkeit.¨ Seit dieser vor der turkischen¨ Kuste¨ gelegen, Zeit druckt die Republik Zypern Post- mit der großten¨ Insel Rhodos, hat- wertzeichen mit griechischen und latei- te 1912 die turkische¨ Herrschaft nischen Buchstaben. Spannungen zwi- abgeschuttelt.¨ Unter der Bezeich- schen den griechischen und turkischen¨ nung Bund der Inseln im Ag¨ aischen¨ Bevolkerungsteilen¨ fuhrten¨ 1974 zum ” Meer“ wurden eigene Postwertzei- Eingreifen der Turkei.¨ Seither gibt der Zypern chen verwendet. Noch im selben Epirus Nordteil der Insel eigene Briefmarken Jahr wurden diese Inseln von Italien vereinnahmt. Derzeit sind mit lateinischen Schriftzeichen aus. sie ein Teil des griechischen Staates.

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4.3.5 Armenisch und Georgisch – laufenden Ubersetzungsprobleme¨ durch eine eigene Schrift Eigenstandige¨ Schriften im Kaukasus fur¨ die jeweilige Sprache zu losen.¨

Bereits in der Einleitung habe ich davon gesprochen, dass Armenisch sich die Wissenschaftler uber¨ vieles nicht einig sind. So kann man in einigen Fachbuchern¨ lesen, dass die beiden folgenden Seit dem 19. Jahrhundert wissen Schriften ohne fremden Einfluss entstanden seien. Mein wis- die Sprachwissenschaftler, dass Ar- senschaftlicher Berater ist jedoch der Meinung, sie seien aus menisch der indogermanischen Spra- der griechischen Schrift abgeleitet worden. Diese beiden Al- chengruppe angehort.¨ Allerdings hat phabete sind die armenische und die georgische (grusinische) sich im Laufe der Jahrhunderte Schrift. die Grammatik stark an jene der Es war beileibe nicht so, dass in der Kaukasusregion zur Turkvolker¨ angenahert.¨ Derzeit wird im Mutterland Ostarmenisch“ ge- Zeitenwende ein kulturelles Vakuum bestanden hatte.¨ Die ” fuhrenden¨ Schichten konnten sehr wohl lesen und schreiben. sprochen, von den im Ausland zer- streuten Volksangehorigen¨ Westar- Man kann davon ausgehen, dass noch vor Christi Geburt in ” dieser Gegend (vom Schwarzen Meer her kommend) Grie- menisch“. chisch gesprochen und geschrieben wurde. Der armenische Der bereits erwahnte¨ Historiker Gedenkausgabe der Historiker Moses von Chorene († ca. 489 n. Chr.) erwahnt,¨ Moses von Chorene behauptete, dass Sowjetunion anlasslich¨ dass die armenische Sprache einst in griechischen oder assy- ein in Armenien ansassiger¨ syrischer des 1600. Geburtstages ” von Mesrop rischen“ Buchstaben geschrieben worden sei. Ahnlich¨ war die Bischof bereits vor dem Jahre 400 Situation in Georgien. nach Christus eine Buchstabenschrift fur¨ die armenische Spra- Die Entwicklung einer eigenen Schrift hatte bei beiden che geschaffen habe – allerdings gibt es dafur¨ bisher keine ein- Volkern¨ dieselbe Ursache. Ungefahr¨ um 400 nach Christi Ge- deutigen Nachweise. burt bekehrten sich die Armenier und Georgier zum Christen- Doch dann betrat Mesrop Maschotz (Lebensdaten sind um- tum. Die Volker¨ selbst hatten keine Schrift – und den Pre- stritten) die Buhne¨ der Geschichte. Er begann seine Laufbahn digern standen lediglich Texte in griechischer und altsyrischer als Beamter des armenischen Konigs,¨ wurde spater¨ Monch¨ Sprache und Schrift zur Verfugung.¨ Was lag naher,¨ als die fort- und fing an fur¨ das Christentum zu missionieren. In der ersten

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Halfte¨ des 5. Jahrhunderts soll er die Schaffung eines eigenen Das Alphabet Mesrops ist bestens fur¨ seine christlichen Mitburger¨ begonnen haben. dazu geeignet, die verschiedenen Da er ja ein gebildeter Mann war, mag sein, dass er sich dabei Selbstlaute und Mitlaute (Konsonan- an griechische, aramaische¨ und iranische Vorbilder erinnerte. ten) der armenischen Sprache wieder- Eindeutig steht fest, dass er im Gegensatz zur aramaischen¨ zugeben. Im 12. Jahrhundert wurden und iranischen Schrift auch Zeichen fur¨ die Vokale verwen- zwei Buchstaben hinzugefugt,¨ sodass dete, wie es die Griechen taten. Auch die Reihenfolge der es nunmehr 38 Schriftzeichen sind. Buchstaben im Alphabet ist an die griechische Ordnung ange- Es steht einwandfrei fest, dass er lehnt, ebenso die Schreibrichtung von links nach rechts. Die den Armeniern mit der Ubersetzung¨ Aramaer¨ und Iraner schrieben namlich¨ von rechts nach links. der Bibel in die eigene Schriftspra- che ein Werkzeug in die Hand gab, Handschrift aus dem 6. Jh. ihre Nation und Religion fur¨ Jahrtau- sende zu bewahren. Nicht umsonst wird jahrlich¨ von der ar- menischen Geistlichkeit das Fest Targmantschak“ zu Ehren ” der heiligen Ubersetzer“¨ gefeiert. Damit gedenkt man sowohl ” Mesrops als auch seiner Helfer.

Nicht ausgegebene Briefmarken der Sozialistischen Sowjetrepublik Armenien (Okt. 1922)

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Dass die christliche Religion und ritzt wurden, und hat sich mit kleinen Abanderungen¨ bis heute das Volkstum Armeniens so schwe- in den Großbuchstaben der armenischen Schrift erhalten. re Zeiten uberstehen¨ konnten, wie Ungefahr¨ um die Jahrtausendwende kamen die Kleinbuch- Mongolensturme¨ und Islamherrschaft staben, auch kleinmesropianische Schrift“ genannt, dazu. ” in alten Zeiten, die Ermordung Tau- Zwischendurch gab es noch einige Varianten, wovon sich le- sender Armenier durch die Turken¨ diglich die Rundschrift“ erhalten hat, die im Buchdruck Ver- ” (1915), als auch die Russifizierungs- wendung findet. versuche durch die Sowjetmacht, ist Wenn die verschiedenen Gelehrten sicherlich zu einem großen Teil der auch immer wieder auf Ahnlichkei-¨ eigenen Schrift zu verdanken. Aus ten mit Schriftsystemen der umge- diesem Grunde sprechen die Arme- benden Lander¨ hinweisen, sei festge- nier von 38 Soldaten, die nie besiegt stellt, dass sich die armenische Schrift wurden. zum Großteil aus der griechischen Kreuzstein – 10. Jh. Die Wissenschaftler bezeichnen entwickelt hat. das 5. Jahrhundert als das goldene Zeitalter“, denn der Um die philatelistischen Nachwei- ” Bibelubersetzung¨ Mesrops folgte ein ungeheurer kultureller se der armenischen Schrift erlautern¨ Aufschwung – viele Ubersetzerschulen¨ wurden gegrundet¨ und zu konnen,¨ mussen¨ wir wieder kurz zahlreiche religiose¨ und weltliche Schriften wurden ins Arme- auf die Geschichte zuruckblicken.¨ Ar- nische und damit gleichzeitig in die neue Schrift ubertragen.¨ menien war seit Beginn des neun- Viele Manuskripte aus jener Zeit kann man im Handschriften- Handschrift – 13. Jh. zehnten Jahrhunderts Bestandteil des museum in Jerewan finden, jedoch leider keine des Vaters der russischen Zarenreiches. Nach der ” Schrift“ selbst. Oktoberrevolution in Russland 1917 machten sich die Kauka- Allerdings kann man davon ausgehen, dass die erste Varian- suslander¨ Aserbaidschan, Georgien und Armenien selbstandig¨ te der armenischen Schrift – erkat’agir (Eisenschrift) genannt, und verausgabten eigene Briefmarken. Nachdem es zuerst seiner Schopfung¨ nahekommt. Die Eisenschrift“ hat ihren burgerliche¨ Regierungen gegeben hatte, kam bald der Einfluss ” Namen daher, dass die Buchstaben mit eisernen Stabchen¨ ge- der Bolschewiki zum Tragen. Die drei Lander¨ bildeten einen

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Staatenbund, welcher Ende 1922 in die Sowjetunion einge- In Einzelfallen¨ gab es in der UdSSR Briefmarken mit arme- gliedert wurde. Im Jahre 1923 wurden fur¨ die Transkaukasi- nischen Buchstaben. Zeitweise finden sich auch mehrsprachi- ” sche Sozialistische Foderative¨ Sowjetrepublik“ eigene Brief- ge Stempel und Ganzsachen. Seit der – nach Auflosung¨ der marken herausgegeben, welche Schriftbilder der drei Volks- UdSSR erfolgten - staatlichen Unabhangigkeit¨ am 21.9.1991 gruppen trugen. gibt Armenien eigene Briefmarken heraus, welche selbst- Wie schon erwahnt,¨ hat sich die armenische Schrift auch ge- verstandlich¨ auch die eigenstandige¨ Schrift aufweisen. gen die stalinistischen Russifizierungsversuche in der Sowje- Am 21. Dezember 1991 trat Armenien der GUS bei. tunion behaupten konnen¨ (unter Lenin gab es eine halbwegs Im Staatsgebiet der Nachbar- liberale Nationalitatenpolitik,¨ die bis ungefahr¨ 1930 anhielt). republik Aserbaidschan befindet sich ein armenisches Siedlungsge- biet namens Berg-Karabach. Des- sen Einwohner fuhren¨ seit 1991 – zeitweise unterstutzt¨ von armeni- schen Truppen - einen Privatkrieg gegen Aserbaidschan. Gleichzei- Briefausschnitt von tig werden auch eigene Postwert- Berg-Karabach abgestempelt zeichen fur¨ Karabach herausge- in der Hauptstadt Stepanakert geben. Obwohl der Weltpostver- – Stempel zweisprachig: ein diese Briefmarken nicht aner- Russisch u. Armenisch kennt, werden zeitweise doch auch im Ausland damit frankier- te Briefe zugestellt. Dieses Teilkapitel ist so eng mit dem folgenden verbunden, weil von Wissenschaftlern immer wieder darauf hingewiesen Selbstandige¨ Republik Armenien seit 1991 – Name in eigener Sprache: wird, dass die georgische Kirchenschrift“ Khutsuri ebenfalls Hajastan“ – Unterschiedliche Schreibung des H“! ” ” ” von Mesrop stammen soll.

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Die allgemeinubliche¨ Mhreduli-Schrift hatte einst 40 Schriftzeichen, von denen 7 angeblich nicht mehr verwendet werden. Es gibt hier lediglich Großbuchstaben (wissenschaft- lich Majuskeln genannt). Wie bei uns ublich¨ wird von links Briefmarkenausgaben der Transkaukasischen Sozialistischen nach rechts geschrieben und gelesen. Foderativen¨ Sowjetrepublik mit armenischen, georgischen, arabischen (aserbaidschanischen) und kyrillischen Schriftzeichen (1923)

Georgisch Wie schon im vorangegangenen Teilkapitel erwahnt,¨ soll die Georgische Kirchenschrift Khutsuri“ (38 Schriftzeichen, wie ” die armenische) auch eine Schopfung¨ des Armenischen Kir- chenmannes Mesrop sein (5. Jahrhundert). Zu jener Zeit be- standen starke Kontakte zwischen beiden Landern.¨ Khutsuri wird seit langem nicht mehr im Alltag verwendet und kommt nur mehr in kirchlichen Belangen zum Einsatz. Daher kann man sie auch philatelistisch nicht belegen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auch die Geor- gier Christen sind und in ihrer Schrift und Sprache eine Stutze¨ des Glaubens und der Volkszugehorigkeit¨ gefunden haben. Im Gegensatz zum Armenischen gehort¨ das Georgische nicht der indogermanischen Sprachengruppe an – es ist jedoch desgleichen eine alte Kultursprache. Fruher¨ wurde ferner der Begriff grusinisch“ verwendet, welcher der russischen Spra- ” Sowjetische Postkarte mit Text in acht Sprachen und che entstammt. Georgisch“ ist wiederum die eigene Bezeich- in funf¨ Schriften, die 4. Zeile Georgisch, die 5. Armenisch ” nung.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.3. Griechenland – Quelle der europaischen¨ Buchstabenschriften 59

Seit Jahren streiten sich die Ge- Jahrhundert die islamischen Eroberer, so drang im 19. Jahr- lehrten darum, ob die jetzt in der hundert das zaristische Russland in den Kaukasus vor. georgischen Offentlichkeit¨ verwende- te Schrift Mhedruli“ vor oder nach ” der Khutsuri“ entstanden ist bzw. ” wie sie geschaffen wurde. Nahelie- gend ist die Theorie, dass Mhedru- li eine Weiterentwicklung der Kir- chenschrift ist. Fest steht, dass zwar auch diese Schrift Anklange¨ an syri- Burgerliche¨ Republik sche und aramaische¨ Schriftsysteme Georgien (1919) hat, die Zeichen jedoch so verschieden sind, dass man auch hier von einer unter griechischem Einfluss entstandenen Schrift sprechen kann. Auf jeden Fall ist dieses Alphabet bestens geeignet, die Ei- Ab 1991 Landesbezeichnung GEORGIA“ bzw. GRUZIJA“ ” ” genheiten der georgischen Sprache schriftlich zu fixieren. Was bereits uber¨ Armenien gesagt wurde, trifft auch fur¨ Georgien Philatelistische Parallelen zu den anderen Kaukasusstaaten zu: Die Angehorigen¨ dieses Volkes haben sich erfolgreich ge- zeigen sich nach der russischen Oktoberrevolution 1917. Zu- gen eine Verdrangung¨ ihrer Schrift und Sprache durch andere erst burgerliche¨ Regierung und selbstandige¨ Postwertzeichen- Volker¨ gewehrt. Waren es ab 1235 die Mongolen, ab dem 16. ausgaben, dann Eingliederung in die Transkaukasische So- ” zialistische Foderative¨ Sowjetrepublik“ mit eigenen Briefmar- ken fur¨ ein Jahr. Jahrzehnte innerhalb der Sowjetunion, welche zu seltenen Anlassen¨ georgische Buchstaben auf ihren Brief- marken zeigte – die georgische Schrift kam lediglich auf Post- stempeln und vor dem zweiten Weltkrieg auf Ganzsachen zeit- weise zur Verwendung.

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Als die Sowjetunion zerbrach, erklarte¨ sich Georgien am 9.4.1991 fur¨ unabhangig¨ und gibt seither auch wieder eigene Briefmarken mit Mhedruli-Schriftzeichen heraus. Die Landesbezeichnung in lateinischen Buchstaben wech- selt zwischen dem eigenstandigen¨ GEORGIA“ und dem rus- ” sischen GRUZIJA“. ”

Brief von Georgien nach Russland mit zusatzlicher¨ Barfrankatur – Poststempel (1991) noch in zwei Schriften (Georgisch und Russisch)

Inhaltsverzeichnis – Index 4.4. Ratselhafte¨ Schriften im Suden¨ und Norden Europas 61

4.4 RATSELHAFTE¨ SCHRIFTENIM SUDEN¨ 4.4.2 Etruskisch UND NORDEN EUROPAS Ungefahr¨ im 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung voll- zog sich in der Gegend des heutigen Italiens ein ratselhafter¨ 4.4.1 Adriatische, Alpine und Altitalische Prozess. Aus den kleinen Dorfern¨ wurden plotzlich¨ Stadte,¨ Schriften die uber¨ eine großartige Kultur und einen enormen Reich- tum verfugten.¨ Die Bevolkerung¨ soll eine Sprache verwendet Es ist eigenartig, dass man uber¨ haben, die von keinem der angrenzenden Volker¨ gesprochen die kulturelle Entwicklung des wurde. Schon im Altertum wurde uber¨ die Herkunft dieser Zweistromlandes und Agyptens,¨ Menschen geratselt.¨ ja sogar der Gebrauche¨ der Alt- Man meinte, diese Gruppe von Kreter so viel weiß und anderer- Stammen¨ sei aus Kleinasien gekom- seits die Volkerbewegungen¨ in men, ja sogar von Nachfolgern der Zentral- und Sudeuropa¨ noch zu vertriebenen Trojaner war die Rede. Und großen Teilen unerforscht sind. wir wissen auch nicht viel mehr. Man kann So gibt es lediglich unsiche- lediglich davon ausgehen, dass es mehrere Fragment eines Vertrages in re Vermutungen, dass im 13. oskischer Schrift (Altitalisch) Wellen von Einwanderern gegeben hat, und 12. Jahrhundert vor Christus und dass sich diese mit den Ansassigen¨ Stamme¨ aus dem europaischen¨ Norden in die Apenninenhalb- vermischt haben, bis jene Volksgruppe insel eingedrungen sein durften.¨ Ausgrabungsfunde lassen er- Etruskische entstand, die von den Wissenschaftlern kennen, dass es so ungefahr¨ um 1000 v. Chr. zur Bildung von Buchstaben unter dem Begriff Etrusker zusammengefasst wird. vielen kleinen Dorfern¨ gekommen sein konnte.¨ Die sogenann- Grabstatten¨ reicher Personen mit prachtigen¨ Beigaben zeu- te Villanova-Kultur“ scheint die Keimzelle fur¨ alle nachfol- ” gen von einer hohen Kultur. Es ist nachgewiesen, dass sich genden Kulturen und deren Schriften auf der Apenninenhalb- zwolf¨ Kleinstaaten zu einer lockeren Vereinigung zusammen- insel gewesen sein. geschlossen hatten. Anzunehmen ist, dass die Sprache und kultische Brauche¨ gleich waren. Die Etrusker beherrschten den westlichen Teil des Mittelmeeres und hatten das Land zwi-

Inhaltsverzeichnis – Index 4.4. Ratselhafte¨ Schriften im Suden¨ und Norden Europas 62

schen Po und Stiefelspitze in ihrer Hand, wobei es Stadte¨ mit vermutet man beispielsweise die Namen von ausgestorbenen bis zu 100.000 Einwohnern gegeben haben soll. Ratselhaft¨ ist, Familien. Insgesamt glaubt man, bisher etwa 100 Worte zu warum eine solch machtige¨ Gruppe gegen auswartige¨ Feinde kennen. – griechische Eroberer setzten sich in Unteritalien fest – und Auf einer kleinen Elfenbeintafel wurde ein Alphabet von gegen innere Gegenspieler – die latinischen Einwohner Roms 26 verschiedenen Buchstaben gefunden, woraus man ersehen – ihre Starke¨ nicht richtig geltend machen konnte. Im 4. und konnte, dass zu Beginn (im 8. Jh. v. Chr.) noch von rechts nach 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung mussten sich die ein- links geschrieben wurde. Spater¨ anderte¨ sich dies auch bei den zelnen Kleinstaaten den romischen¨ Truppen der Reihe nach Etruskern – es wurde von links nach rechts geschrieben. ergeben. Zu Beginn des 1. Jh. v. Chr. war dann die letzte Stadt gefallen. 4.4.3 Angelsachsische¨ Runen Wie schon zuvor erwahnt,¨ konnten die Nachbarn die Sprache Mancher Leser wird sich fragen, der Etrusker nicht verstehen, und warum diese Schriftengruppe gerade auch die moderne Wissenschaft an dieser Stelle erwahnt¨ wird. Ich ha- ist hier noch nicht erfolgreich be mich deswegen dafur¨ entschieden, gewesen. Andererseits kann man weil etliche Wissenschaftler behaup- sogar sicher davon ausgehen, dass ten, Ahnlichkeiten¨ zwischen nordita- die Schrift auf der griechischen lischen (etruskischen) Schriftzeichen begrundet¨ ist. Jedoch die ungefahr¨ und den germanischen Runen ent- 10.000 Schriftnachweise, die zur deckt zu haben. Stempel zeigt etruskische Verfugung¨ stehen enthalten sehr Das Stammgebiet der Runenschrift Buchstaben und Relief vom oft die gleichen Formulierungen Runenstein auf den Steinsarg in Tarquinia ist sicherlich der Suden¨ Skandina- und viele Worte wiederholen sich Schafsinseln viens. Doch wurde die Schrift im oft. Uber¨ die Entzifferung einzelner Worter,¨ die mit spaterhin¨ Laufe der Jahrhunderte weit verbreitet, wozu spaterhin¨ sicher- gebrauchlichen¨ gleichlautend oder ahnlich¨ sind, ist man noch lich auch die Wikinger ihr Teil beigetragen haben. Schrift- nicht hinweggekommen. Auf einem Steinsarg in Tarquinia nachweise der Runenzeichen finden sich jedenfalls in ganz

Inhaltsverzeichnis – Index 4.4. Ratselhafte¨ Schriften im Suden¨ und Norden Europas 63

Europa. Die meisten der gefundenen 5.000 Runeninschriften sagt alles. Sicherlich finden sich viele magische und religiose¨ entdeckte man in Schweden, Norwegen und Danemark.¨ Je- Inschriften unter den Texten, jedoch gibt es auch eine große doch auch auf den Britischen Inseln und in Deutschland gibt Anzahl von alltaglichen¨ Themen. es Textfunde. Die ersten Zeichen der Runenreihen hei- Man kann davon ausgehen, dass ßen F, U, TH, A, , K“, sodass sich die ” die Runen vom 2. bis zum 12. Bezeichnung Futhark eingeburgert¨ hat. Es Jahrhundert n. Chr. verwendet wur- wird noch zur Sprache kommen, dass es den. Im primitiven Volksglauben zwei Runenreihen gibt, die nach dem Al- Skandinaviens kann man sicher- ter unterschieden werden. Da die einzelnen lich auch einige Jahrhunderte spater¨ Zeichen Anlaute bestimmter Worte sind, noch Bezuge¨ finden. werden sie mit diesen Begriffen identifi- Ole Worm, Wegbereiter der Die Wissenschaft hat sich der Ru- ziert, ahnlich¨ unserem Brauch zu buchsta- Runenforschung, und Kultgegenstande¨ nen erst sehr spat¨ angenommen. Im bieren. Name der Insel Man 17. Jahrhundert gab es erste zaghaf- Die altere¨ Runenreihe wurde etwa von in Buchstaben des te Versuche, jedoch der Durchbruch kam im Zeitalter der Ro- 200 bis 700 n. Chr. verwendet und wird ge- jungeren¨ Futhark mantik, als man schwarmerisch¨ germanische Brauche¨ wieder- meingermanisches oder alteres¨ Futhark genannt, und zahlt¨ 24 belebte. Schriftzeichen, welche in drei Gruppen untergeteilt werden. Die Bezeichnung Runen“ Bisher hat man lediglich annahernd¨ 200 Inschriften mit die- ” entstand auch erst im 17. sem System gefunden. Jahrhundert und durfte¨ damit In England hat man wegen der anderslautenden Aussprache zusammenhangen,¨ dass man zuerst 4, spater¨ insgesamt 9 Zeichen eingefugt.¨ Aufgrund der dieser Schrift etwas Geheim- Missionierung durch christliche Monche¨ wurde dort die heid- ” nisvolles andichten wollte. nische“ Runenschrift jedoch bald verdrangt.¨ Der Gleichklang von Runen“ Das jungere¨ Futhark, auch nordisches Futhark genannt, ” und raunen“, was so viel nahm eine sehr eigenartige Umformung vor. Die Anzahl der ” heißt wie heimlich flustern“,¨ Die Wikinger brachten die Runen- Zeichen wurde von 24 auf 16 verringert! Das fuhrte¨ zeitweise ” schrift auch auf die Insel Man

Inhaltsverzeichnis – Index 4.4. Ratselhafte¨ Schriften im Suden¨ und Norden Europas 64

zu Problemen, weil ein Zeichen fur¨ mehrere ahnlich¨ klingen- de Laute stand. Dieses Problem versuchte man seit Beginn des 11. Jahrhunderts durch Hinzusetzung von Punkten zu verrin- gern. Das jungere¨ Futhark wurde hauptsachlich¨ in Skandinavi- en verwendet. Durch die Wikinger wurden die Runen jedoch auch auf entfernte Inseln gebracht. Die Aufschrift auf dem Jelling- stein in Nordjutland¨ aus dem 10. Jahrhundert schildert die Christiani- Schwedisches Markenheftchen mit den 16 Buchstaben des jungeren¨ Futhark sierung von Danemark¨ durch den sowie einem Brakteat Danenk¨ onig¨ Gorm und seinen Sohn. Es wurden unter anderem Brak- teaten mit Runenzeichen gefun- den. Dies sind goldene Scheiben zum Umhangen,¨ die lediglich zu Schmuckzwecken gepragt¨ wurden. Da es keine Schreibschrift dazu Jellingstein in Nordjutland¨ gab, verschwand das Futhark im 13. Jahrhundert und wurde von der Lateinschrift ersetzt.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 65

4.5 DIE SCHRIFTDER ROMER¨ Schwarzen Steines (Lapus niger) aus dem 6. Jahrhundert, ge- funden in Rom. Dann gibt es noch eine ungefahr¨ gleich alte 4.5.1 Die lateinische Schrift Spange aus Praeneste (jetzt Palestrina), ein um ca. 100 Jahre jungeres¨ dreiteiliges Tongefaß,¨ diverse Tontafeln und Grabin- Auch wenn dieses Buch entstand schriften. um die fremden Schriften dieser Allen Funden ist gemeinsam, Welt vorzustellen, kann man an dass die Schrift noch keiner ein- der Lateinschrift nicht voruberge-¨ heitlichen Linienfuhrung¨ unter- hen, die doch immerhin von der lag, dass sich bei einigen Stucken¨ Uberzahl¨ der Erdbewohner an- die Schriftrichtung von links- gewendet wird. Es ist eigentlich rechts auf rechts-links andert¨ (mit merkwurdig,¨ dass diese Schrift Fachwort bustrophedon genannt), dereinst von einem ganz kleinen Tafel der IX. rom.¨ Legion ja teilweise sogar auf dem Kopf Volkchen¨ ihren Ausgang nahm! Sonderstempel mit steht. Der Buchstabe B scheint erst spater¨ dazugekommen sein Die Wissenschaft ist sich einig, altromischer¨ Munze¨ und auch der Buchstabe G, welcher aufgrund von Auslegungs- dass die Latiner (Urvolk der Romer)¨ im 7. oder im 6. Jahrhun- schwierigkeiten fur¨ den Buchstaben C durch Hinzufugung¨ ei- dert vor Christi Geburt die griechische Schrift von den Etrus- nes Querstriches im 3. Jh. v. Chr. entstanden ist. kern ubermittelt¨ bekamen – deren Sprache zu diesem Zeit- Ab der Zeitenwende veran-¨ punkt dasselbe Gewicht hatte, wie die latinische. Es steht aber derte sich die Schrift ganz ge- auch fest, dass die Sprachen dieser beiden Gruppen verschie- waltig. Es bildete sich eine dener Herkunft waren und keine Gemeinsamkeiten besaßen. Schrift von beeindruckendem 21 Buchstaben sollen es gewesen sein, die ubernommen¨ wur- Aussehen, die sogenannte mo- den. numentale Kapitalis (Capitalis Fur¨ die altesten¨ Schriftdokumente, die der Wissenschaft zur monumentalis), eine Großbuch- Verfugung¨ stehen, konnte ich leider noch keine philatelisti- stabenschrift mit exakt ausge- schen Nachweise finden. Sie seien jedoch trotzdem kurz an- Tafel mit Zitat des romischen¨ richteten Schriftzeichen. gefuhrt.¨ Der alteste¨ Nachweis ist ein Teil des sogenannten Senators und Schriftstellers Terentius Varro Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 66

Bald bildete sich neben dieser Re- Papyrusrollen-Bibliotheken bestatigt¨ wird. prasentations-Schrift¨ noch eine andere Fur¨ Notizen, die man unter Umstanden¨ nicht allzu lan- Spielart heraus, die schmale und schlanke ge benotigte,¨ wurden wachsbeschichtete Holztafelchen¨ ver- Zeichen verwendete, welche auch noch wendet. Allerdings kam es doch fallweise dazu, dass solche etwas leichter“ wirkten. Diese Schrift Wachstafeln langer¨ aufbewahrt wurden – das geschah, indem ” erhielt den Namen Rustica, verfugte¨ jedoch man sie mit Lederriemen zusammenband. Ein solches Sam- auch nur uber¨ Großbuchstaben. Beide melpaket nannten die Romer¨ Kodex“. Diese Bezeichnung ” Schriftarten waren bis ungefahr¨ 600 nach verblieb auch fur¨ die spater¨ eingefuhrten¨ gefalteten Perga- Christus in Verwendung. mentbogen¨ unter Holzdeckeln. Zu diesen beiden Schrift-Varianten ge- Romische¨ Legio- sellte sich im ersten Jahrhundert vor unse- nare¨ machten die rer Zeitrechnung noch eine weitere, namlich¨ lateinische Schrift eine solche, die fur¨ fluchtige¨ Notizen, Brie- uberall¨ bekannt fe und sonstige Mitteilungen geeignet war. Die Wissenschaft spricht von der romischen¨ Kursive“. Bisher gibt es noch keine ” Darstellung dieser Spielart auf einer Briefmarke. Die Schriftdokumente, die die Zeit am besten uberdauert¨ haben, befanden sich hauptsachlich¨ auf Steinmonumenten, Denkmalern,¨ sowie auf Keramiken. Dies waren jedoch nicht die Hauptverwendungs- zwecke der lateinischen Buchstaben. Die Romer¨ schrieben wichtige Mit- teilungen hauptsachlich¨ auf Papyrus, Zur Verbreitung der lateinischen Schrift trugen auch die Munzen¨ bei, was durch Berichte von riesigen die in allen Provinzen verwendet wurden (romische¨ Sesterze in Dacien) Kapitalis auf Wachstafel Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 67

Wie schon bei der griechi- Die Schriften begannen im- schen Schrift erwahnt,¨ trat Perga- mer mehr zu variieren, so war ment mit der Zeit als Beschreib- es wohl zu erwarten, dass sich stoff an die Stelle des Papyrus. im Reiche Karls des Großen so Dieses Pergament wurde in ei- um das Jahr 800 eine neue Ent- nem umstandlichen¨ Verfahren aus wicklung anbahnte. Die karo- Kalbs-, Ziegen- oder Schafhauten¨ lingische Minuskel eroberte ne- Zeichen der Herrschaft Roms uber¨ ganz Europa – hergestellt. Es blieb bis weit ben den Stammlanden Deutsch- Marmortafel in Alba Julia – ins Mittelalter hinein die haltbar- Handschrift basierend auf der land und Frankreich die Gebie- Dacien, jetzt Rumanien¨ ste und beliebteste Grundlage fur¨ karolingischen Minuskel – Text te Ober- und Suditalien,¨ die Py- kunstvolle Handschriften. Diese wurden zumeist in den des Pareage-Vertrages´ (1078) renaenhalbinsel¨ und England. Schreibwerkstatten¨ der Kloster¨ ausgefuhrt.¨ Derartige Codices Lediglich auf der Insel Irland hielt sich eine eigene Schriftva- (lat. Mehrzahl fur¨ Kodex) wurden bis ins hohe Mittelalter ge- riante, auf die noch in einem Unterkapitel eingegangen wird. bunden – siehe Bild. Die karolingische Schrift bot den Anwendern durch Jahrhun- Die erwahnten¨ Pergament- derte eine einheitliche Form der Groß- und Kleinbuchstaben. Codices sind auch jene Quellen, Gleichberechtigt neben der Schrift- in welchen wir eine weitere entwicklung erbluhte¨ in den Schreib- lateinschriftliche Variante fin- stuben auch noch eine andere Kunst- den konnen,¨ die Unzialis“. Sie richtung – die Ornamentik. Anfangs ” entstand im 4. Jh. nach Chr. und beschrankte¨ sie sich auf die Aus- weist im Gegensatz zu bisheri- Pergamentkodex mit Holz- schmuckung¨ von Initialen (Anfangs- gen Spielarten Rundungen und deckeln und Metallschließen – buchstaben). Doch bald begannen die einen gewissermaßen fließenden Ordensregeln der Ritter des Ornamente ganze Textteile zu umfas- Schriftzug auf. Hospitals St. Marien des sen. Die germanischen Stamme¨ stan- deutschen Hauses in Jerusalem den immer wieder unter dem Ein- (1264) fluss fremder Kunstrichtungen. Wa- Gotische Initiale aus Libri Moralium“ ” von Gregorius I. (12.Jh.) Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 68 ren es zu Volkerwanderungszeiten¨ die Hunnen, die fernostli-¨ muss ich mich wohl an die Fachleute halten, die beschreiben, che Kunstgegenstande¨ mitbrachten, kamen spater¨ arabische dass die Buchstaben der Textura schmaler¨ sind, als diese bis- Handler¨ mit persischem Schmuck sowie kunstvollen Glasar- heriger Schriften, dass sie nicht mehr so rund sind, sondern beiten bis nach Mitteleuropa, aus welchen leicht naturbezoge- eher winkeliger wirken. Auch seien sie sehr eng gehalten. ne Motive wie Vogeldarstellungen und ahnliches¨ zu entneh- Man vergleicht die Schrif- men waren. Dem gegenuber¨ stand die Band- und Linienor- ten immer wieder mit der Bau- namentik der nordgermanischen Kunsttradition. Bis ins 16. kunst, die zur selben Zeit ublich¨ Jahrhundert finden wir immer wieder Handschriften mit kunst- war. Da konnen¨ auch Nichtfach- vollst ausgefuhrten¨ Ornamentzeichnungen. leute nachempfinden, dass ei- Der Baustil der Gotik beein- ne Schrift die Gotische Tex- ” flusste nicht nur die Malerei und tur“ heißt, ebenso in die Hohe¨ Bildhauerei, er wirkte auch auf wachst¨ und Rechtecke nachemp- – Romerbrief¨ (14. Jh.) die Schrift. Im 12. und 13. Jh. ent- findet, wie die Kathedralen und Dombauten des gleichnami- wickelte sich die gotische Minus- gen Baustiles. kel. Sie ist gepragt¨ durch eckige In sudlicheren¨ Gefilden konnte Formen anstelle der Rundungen, man sich mit einer derart strengen Text in gotischer Minuskel – durch Zierstriche an den Buchsta- Linienfuhrung¨ nicht anfreunden, so- Biblia dell’ Araceoli (13. Jh.) benenden, sowie ganz besonders dass eine rundlichere Spielart fur¨ die durch eine schlanke Gesamterscheinung. Bucher¨ entstand. Im 13. und 14. Jahr- Als das teure Pergament begann, seine Vormachtstellung hundert verwendete man in Spani- gegenuber¨ dem neu eingefuhrten¨ Papier zu verlieren, entstand en und Italien eine Schrift mit ab- im 14. Jahrhundert eine weitere Schreibart der lateinischen gerundeteren Ecken, als dies bei der Buchstaben. Diese wird entweder gotische Textur oder kurz Textura der Fall war. Irgendwie lo- Textura genannt. Rotunda – Lektionar des gisch, dass diese Variante den Namen Als Laie bin ich von all diesen alten Handschriften stark be- Bernadin von Split (1495) Rotunda bekam. Ein spezielles Zen- eindruckt, kann die Feinheiten jedoch kaum unterscheiden. So trum dieses Schreibstiles soll die ita-

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 69 lienische Universitat¨ Bologna gewesen sein. viele Personen und viele Versuche dazu gefuhrt¨ haben, dass Auf Universitaten¨ studierten oft Angehorige¨ der verschie- sich in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung in Chi- densten Volker,¨ in den staatlichen und klosterlichen¨ Schreib- na die Papierproduktion rasant ausbreitete. Bald beherrschte stuben fanden sich Schreibkunstler¨ der unterschiedlichsten man dort verschiedenste Herstellungsschritte wie Rohstoffver- Nationalitaten.¨ So kam, was kommen musste. Die Elemente arbeitung, Schopfen¨ und Leimen, wodurch das Papier immer der beiden Schreibstile wurden langsam aber sicher durchein- geeigneter wurde, darauf Schriftstucke¨ zu verfassen. ander gebracht. Es entstand eine Mischung“, was den Namen Durch ihre Handelsverbindungen mit dem Reich der Mit- ” “ fur¨ diese neue Version erklart.¨ Die Bastarda wur- te kamen die Araber im 8. Jahrhundert in den Besitz des Pa- ” de sowohl in der behordlichen¨ Korrespondenz als auch fur¨ die piers und bereits im 10. Jahrhundert kannte man dieses im ara- Niederschrift von Buchern¨ verwendet. In Florenz hat man da- bischen Spanien. Italien und Deutschland lernten den neuen mit unter anderem eine Aufzeichnung von Dantes Gottlicher¨ Rohstoff im 13. Jahrhundert kennen. 1389 gab es in Deutsch- ” Komodie“¨ verfasst. land die erste Papiermuhle.¨ Nach Uberwindung¨ der Ausgangs- Die Bastarda verbreitete schwierigkeiten, der neue Werkstoff war anfangs noch nicht sich sehr stark sowohl nord-¨ besonders haltbar, ging es mit der Papierherstellung steil berg- lich als auch sudlich¨ der Al- auf. pen. Immer mehr Personen er- Das brachte mit sich, dass im lernten das Schreiben – und 15. Jahrhundert bereits uberall¨ in dabei kam ihnen ein neues Europa Papier fur¨ die Verwal- Material zugute, welches das tung und das Buchwesen ver- Pergament zu verdrangen¨ be- Textura – Erstes in Schweden von wendet wurde. Eine ganz beson- gann – das Papier, auf wel- Johann Snell gedrucktes Buch dere Beziehung ergab sich zwi- Dialogus creaturarum“ (1483) ches kurz naher¨ eingegangen ” schen dem neuen Beschreibstoff werden soll. und der Erfindung des Jahrtau- Text in fruher¨ Antiqua – Es gibt in China eine Erzahlung,¨ ein Minister habe vor ca. sends, dem Buchdruck. Von ei- Gottliche¨ Komodie¨ (ca 1472) 2000 Jahren das erste Papier aus Hanf, Textilresten, Bastfa- ner Gutenberg-Bibel wurden be- sern und Baumrinde hergestellt. Eher ist anzunehmen, dass reits zwei Drittel auf Papier gedruckt.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 70

Mit Einfuhrung¨ des Buch- Die Ausbildung eines besonderen drucks wurde auch eine neue Stiles ergab sich in England, wo Wil- Kunstgattung geboren – die- liam Caxton (1421-1491) im Jahre jenige der Schriften schnei- 1476 in Westminster die erste eng- ” der“. Da samtliche¨ zu gießen- lische Buchdruckerei grundete¨ und den Lettern je Buchstabe in gleichzeitig eigenstandige¨ Schriftty- Zukunft dieselbe Form haben pen anfertigte. wurden,¨ musste das Original Antiqua – Fibeln (ca. 1760) Doch schon Mitte des 16. Jahrhun- von hochster¨ kunstlerischer¨ Qualitat¨ sein. Bei den Handschrif- derts entwickelte sich Paris zur neuen ten konnte man schließlich das nachste¨ A“ wieder schoner¨ Hauptstadt der Schriftkunst. Unter al- ” schreiben, falls einmal eines nicht so ansprechend geworden Buchstabe a“ von len dortigen Fachleuten ragte Claude ” war. Das fiel nun bei den Lettern fur¨ den Buchdruck weg. Garamond Garamond (1480-1561) heraus, der So kam es, dass bald ein Wett- Handwerk und Kunst des Schriften-Entwerfens, -Schneidens streit zwischen Deutschen, Franzo- und -Gießens erlernt hatte und spater¨ eine eigene Gießerei fur¨ sen und Italienern um die schonsten¨ Schrifttypen betrieb. Entwurfe¨ fur¨ die Schrifttypen ent- Die von ihm geschaffene Schrift stand – und gleichzeitig ergab sich lebt heute noch unter seinem Na- daraus im 15. bzw. 16. Jahrhundert men weiter. Es erging ihm wie vielen eine neue Schrift, die Antiqua. Sie anderen großen Erfindern, er selbst wird allgemein wegen Ihrer Rein- wurde nicht reich, aber spatere¨ Ge- ” heit, Klarheit und Harmonie“ geprie- nerationen zogen Gewinn aus seiner sen. Das wichtigste Zentrum fur¨ die Schopfung.¨ Entwicklung dieser Type war die La- Von Bedeutung ist, dass ebenfalls gunenstadt Venedig. Von dort gingen Schrifttypen von noch im 16. Jahrhundert die starkste¨ neue Antriebe in alle europaischen¨ . Caxton Konkurrenz fur¨ die Antiqua ans Ta- Lander¨ hinaus, insbesondere nach Deutschland. geslicht trat – die . Fraktur – Gudbrandsbibel (1584) Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 71

Die Fraktur wurde auch Markt bringen zu mussen.¨ Ich kann weder alle hier anfuhren,¨ Deutsche Schrift“ genannt, noch sind sie als Markenmotiv zu sehen. ” was wiederum darauf beruht, Eine Schrift aus der ersten Halfte¨ des 19. Jahrhunderts, de- dass sie fast ausschließlich ren Name irrefuhrend¨ ist, sei hier erwahnt.¨ Die Grotesk-Schrift fur¨ deutschsprachige Drucke ist namlich¨ uberhaupt¨ nicht so wunderlich, wie der Name be- verwendet wurde. Bis zu ihrer hauptet. Die Entwerfer haben sicherlich einige Anleihen bei Einstellung auf Hitlers Befehl Verzierte Fraktur – Bibel Konig¨ den alten Romern¨ gemacht, dementsprechend erscheint die im Jahre 1941 war sie in Mittel- Karls XII (1691) Schrift ausgeglichen und ruhig. und Nordeuropa die meistverwendete Buchschrift uberhaupt.¨ Nicht unerwahnt¨ soll bleiben, dass sich Wenn wir dem lateinischen Wortstamm folgen, so konnen¨ im Jahre 1897 in Wien eine Anzahl jun- wir feststellen, dass die Fraktur“ mit Bruch“ gleichzusetzen ger Kunstler¨ fand, die einen Verein na- ” ” ist. Und wahrlich, die Buchstaben sind nicht mehr rund, son- mens Sezession“ grundeten,¨ um sich ge- ” dern schroff und eckig. genuber¨ jenen Kollegen abzugrenzen, die Im 17. Jahrhundert kam es im- dem uberlieferten¨ Kunstverstandnis¨ anhin- mer starker¨ zur Trennung von Schrift- gen. Einer der fuhrenden¨ Kopfe¨ war Gu- gießereien und Buchdruckereien. Das stav Klimt, und die Kunstrichtung, welche Druckergewerbe wurde insbesondere in hier gepragt¨ wurde kennen wir unter dem den Niederlanden zur Vollendung ge- Namen Jugendstil. bracht. Diese Hauser¨ erwarben Druck- Diese Ausdrucksart hatte bald Auswir- Jugendstil typen von fast allen bekannten Schrif- kungen auf die Gestaltung, Bebilderung und auch auf die tenschneidern der Vergangenheit und Schrift in Buchern¨ und Zeitschriften. Kennzeichnend fur¨ den druckten in den verschiedensten Spra- Jugendstil waren Blumen- und Geometrie-Ornamente, welche chen. auch zeitweise die Schriftzeichen umrahmten. Es entstanden immer mehr verschie- Nach dem Jugendstil gab es noch einige sehr ausgefalle- dene Schriftstile, fast jeder Schriften- ne Varianten, doch wurde zeitweise auch wieder versucht, alte Moderne Antiqua Schneider meinte, etwas Neues auf den Stilrichtungen mit modernen Mitteln zu verbinden. Dies ge-

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 72 schah zum Beispiel mit der Antiqua-Schrift, die man einer 4.5.2 Diakritische Zeichen in der lateinischen strengen mathematischen Bearbeitung unterzog, indem man Schrift von einem Quadrat mit diversen Unterteilungen ausging. Ein anderes Beispiel ist eine Allen Lesern durfte¨ schon einmal auf- Schrift, die Rudolf Koch (1876- gefallen sein, dass in der deutschen 1934) geschaffen hat. Autoren Sprache drei lateinische Buchstaben meinen, seine Erlebnisse im er- mit Erganzungszeichen¨ vorkommen, Tilde uber¨ dem n“ von ” sten Weltkrieg hatten¨ sich sogar die man in anderen Sprachen nicht fin- Espana˜ (Ausschnitt einer det. Es sind dies a“,¨ o“¨ und u“.¨ auf seine Arbeiten ausgewirkt. ” ” ” spanischen Briefmarke) Umgekehrt findet man in spanischen Aufschriften manchmal Schrift Maximilian“ von Unzahlige¨ Schreibmaschinen- ” eine Wellenlinie (Fachsprache Tilde“) uber¨ dem n“ oder Rudolf Koch und Buchdruckschriften haben ” ” im Portugiesischen uber¨ a“ oder o“. In Inschriften anderer sich eingeburgert,¨ die man auch in den Computerausdrucken ” ” wiederfindet. Sprachen sieht man manchmal Hakchen¨ unter oder uber¨ ei- Allein auf den Tausenden von Ganzsa- nem Buchstaben. Sowohl die Umlautzeichen in der deutschen chen und Millionen von Briefmarken, die Schreibung sowie die diversen Hakchen¨ und sonstigen Zusatz- zeichen werden wissenschaftlich unter dem Begriff diakriti- auf der Erde seit 1850 gedruckt wurden, ” kann man sicherlich eine große Zahl jener sche Zeichen“ zusammengefasst. derzeit gangigen¨ Schriften finden, wenn Diese Unterscheidungszeichen dienen dazu, die genauere man sich damit eingehend befasst. Aussprache eines Wortteiles zu erlautern.¨ In manchen Spra- chen sollen sie auch helfen, gleich geschriebene Worter¨ von- einander zu unterscheiden. Es ware¨ zu kompliziert, hier auf alle Spielarten innerhalb Schreibmaschin- schrift Courier der Lateinschrift und der verschiedenen Sprachen einzugehen. Die Abbildungen sollen fur¨ viele andere Moglichkeiten¨ ste- hen. Lediglich auf eine Besonderheit mochte¨ ich eingehen, auf die Lateinschrift in Vietnam.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 73

Wie ich schon im Kapitel uber¨ die lich die Lateinschrift im weitesten Sinn auch ein Symbol der chinesische Sprache erwahnt¨ hatte, Romisch-Katholischen¨ Kirche“, wie ja auch schon der Name ” war es in Vietnam bis zum 16. Jahr- sagt. hundert ublich,¨ sowohl die chinesi- Bald begannen einige Missionare Verzeichnisse anzulegen, sche Sprache als auch in verminder- in welchen vietnamesische Worter¨ in lateinischen Buchstaben tem Maße die vietnamesische Spra- geschrieben waren und gleichzeitig die franzosische¨ Uberset-¨ che mit chinesischen Buchstaben zu zung dabeistand. Diese Idee fuhrte¨ ein Missionar aus Frank- schreiben. Die Sprache der Vietna- reich, Alexandre de Rhodes fort, indem er im Jahre 1651 ein mesen wird auch nach dem Staats- volk Annamitisch genannt. Sie wird von ungefahr¨ 25 Millionen Menschen benutzt, beinhaltet zumeist einsilbige Worter¨ und wird in sechs Tonhohen¨ gesprochen. Seit dem 17. Jahrhundert began- nen christliche Missionare, allen vor- an Franzosen und Portugiesen, damit, In Aserbaidschan ent- die vietnamesische Sprache in Latein- schied man sich erst fur¨ schrift festzuhalten. Dafur¨ gab es si- ein A“,¨ spater¨ fur¨ ein ” cherlich mehrere Grunde.¨ Einerseits Zeichen der Lautschrift! konnte¨ es sein, dass die Missionare mit der Ersetzung der chinesischen Schriftzeichen auch deren buddhistischen Hin- tergrund beseitigen wollten. Andererseits, moglicherweise¨ am wichtigsten, dass den Missionaren erspart blieb, zum Le- Aerogramm aus Sud-Vietnam¨ zeigt sowohl auf den Postwertzeichen als sen und Schreiben der vietnamesischen Sprache Tausende auf dem Formularvordruck und dem Zusatzstempel diverse diakritische Zeichen – Text des Zusatzstempels: Ein Frieden ohne Knechtschaft“ von Schriftzeichen erlernen zu mussen.¨ Weiters ist sicher- ”

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 74 umfassendes Worterbuch¨ der vietnamesischen Sprache her- 4.5.3 Latein – Galische¨ Variante ausgab. Die isoliert am Westrand“ Europas Die Angleichung der lateinischen Schrift an die Aussprache ” liegende Insel Irland wurde ungefahr¨ im Vietnamesischen machte es notwendig, zusatzliche¨ Buch- 300 Jahre vor Christi Geburt von den staben und Hilfszeichen einzufuhren.¨ Dies war unter anderem Kelten erobert, blieb jedoch von den durch die bereits erwahnte¨ Eigenheit der Ton-Sprache notwen- Romern¨ verschont. So kam es auch, dig. So kommt es, dass zum Beispiel zur Darstellung der funf¨ dass die Lateinschrift erst im 4. Jahr- gesprochenen Tonlagen eigene diakritische Zeichen (Unter- hundert unserer Zeitrechnung mit den scheidungszeichen) notwendig wurden. Diese stehen entwe- christlichen Missionaren irischen Bo- der ober oder unter dem entsprechenden Vokal (Selbstlaut). den erreichte. Langere¨ Zeit liefen die beiden Schriftsysteme Chinesisch- Einige Jahrhunderte existierten Vietnamesisch und Latein-Vietnamesisch noch nebeneinan- zwei Kulturen nebeneinander. Einer- der, jedoch als Vietnam im Jahre 1861 dem franzosischen¨ Ko- seits wurde vom Klerus und Adel lonialreich einverleibt wurde, erhohte¨ sich die Zahl der An- Flatyjarbok (ca. 1390), islandisches¨ Gesetzbuch, Latein gesprochen und geschrieben, wender der Lateinvariante. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben unter Einfluss andererseits verwendete das Volk die hatte sich die neue Schrift bereits durchgesetzt und auch schon der altirischen Minuskel irisch-galische¨ Sprache keltischer den einheimischen Namen Quoc Ngu erhalten. Abkunft und schrieb (sofern es schreiben konnte) die - Obwohl der Revolutionsfuhrer¨ Ho Chi Minh die Franzo- Schrift. Diese ist in etwa mit den Runen vergleichbar. Leider sen genauso verbissen bekampfte¨ wie spater¨ die Amerika- liegt mir bisher keine Briefmarke bzw. kein Sonderstempel ner, beließ er die Quoc Ngu nach der vietnamesischen Un- damit vor. abhangigkeitserkl¨ arung¨ im Jahre 1945 als Staatsschrift. Die Situation anderte¨ sich jedoch im Verlaufe des 7. Jahr- In jenen Fallen,¨ wo ein Zeichen dazu verwendet wird, die hunderts, als der Einfluss der Kloster¨ und deren Schreibstuben Betonung eines bestimmten Buchstabens anzuzeigen, handelt immer starker¨ wurde, und auch die irische Sprache in lateini- es sich nicht um ein diakritisches Zeichen, sondern um einen schen Buchstaben geschrieben wurde. sogenannten Akzent. Fur¨ Feinspitze soll noch erwahnt¨ wer- den, dass die Fachleute drei davon unterscheiden: ´Akut, `Gra- vis und ˆZirkumflex.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 75

Andererseits hat sich jedoch in Die ersten Briefmarken des un- Irland eine andere Entwicklung abhangigen¨ Eire“ waren britische ” der Lateinschrift ergeben, als auf Postwertzeichen mit Uberdrucken¨ in dem europaischen¨ Festland. altirischer Minuskel. Auch spater¨ Eine eigenstandige¨ Variante, noch kam bei speziellen Briefmar- die nunmehr den Namen altiri- kenausgaben des ofteren¨ diese Schrift ” sche Minuskel“ tragt,¨ wurde all- zur Anwendung. gemein angewendet. Diese wur- Pergamentschriftstuck¨ aus de von irischen Missionaren auch dem 16. Jahrhundert nach Schottland und bis England gebracht. Daher sprechen Erste Ausgabe der manche Wissenschaftler auch von einer insularen Minus- ” selbstandigen¨ Republik kel“´. Irland (1922). Uberdruck¨ Eine große Rolle in der Ver- in altirischen Buchstaben. wendung dieser Schrift als Buch- 4.5.4 Sutterlin¨ schrift spielen die begleitenden Ornamente. Die Trager¨ dieser Seit Ende des 15. Jahrhunderts wurde in Deutschland eine be- Schriftkultur waren in erster Li- sondere Schreibschrift verwendet, die aus einer spatgotischen¨ nie die irischen und schottischen Schrift namens Notula“ entstanden war. ” Kloster,¨ in welchen kunstvoll- Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurde in Preußen ein Zitat aus der Verfassung in ste Bibelabschriften und sonsti- gewisser Herr Ludwig Sutterlin¨ beauftragt, bereits vorhandene altirischer Minuskel ge geistliche Arbeiten entstanden. Spielarten dieser sogenannten Deutschen Schrift“ in eine ein- ” Dem bekannten Monch¨ und Missionar Columban wird nach- heitliche Form zu bringen, damit man sie in den Schulen un- gesagt, dass er personlich¨ etliche Buchkunstwerke geschaffen terrichten konne.¨ Dies geschah auch ab 1915 in ganz Deutsch- habe. land. Es wurden also zwei Schriften unterrichtet, da ja auch Im 12. Jahrhundert wurde Irland von den Englandern¨ er- noch die Latein-Schrift“ vorhanden war. ” obert und erhielt erst wieder 1921 seine Unabhangigkeit.¨

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 76

Schon aus volkischen¨ “ 4.5.5 Pinyin – die lateinische Chance“ fur¨ ” ” Ursachen heraus war es China naheliegend, dass die Natio- nalsozialisten in Deutschland Der Fuhrer¨ Rotchinas Mao Ze Dong hatte Mitte des 20. Jahr- ab 1933 die Deutsche hunderts sein Volk dazu aufgerufen eine Buchstabenschrift zu ” Schrift“ bevorzugten und begrunden,¨ um den Anschluss in der Entwicklung der restli- ¨ spater¨ sogar den Unterricht Werbestempel: Ohne Zeitung lebt chen Welt nicht zu versaumen. des Lateinischen“ unter- ” Ganz neu war diese Idee nicht, denn schon Jahrhunderte ” man auf dem Mond!“ sagten. Mitten im zweiten Weltkrieg (nach verschiedenen vorher hatten christliche Missionare danach getrachtet Chine- Angaben 1941) ordnete Adolf Hitler jedoch an, diese Schrift sisch in Lateinbuchstaben zu schreiben. Ungefahr¨ 1920 hat ein nicht mehr zu verwenden. chinesischer Fachmann ohne Erfolg desgleichen versucht. Manche Historiker behaupten, dieser Gedankenwandel ha- Diesmal schien be einen rassistischen Hintergrund gehabt. Andere meinen das erklarte¨ Ziel dass es einen praktischeren Hintergrund gehabt hatte.¨ In ei- jedoch eher er- nem eventuell eroberten Europa hatten¨ wohl viele Volker¨ die reichbar. Im ganzen Lateinschrift beherrscht, aber keines die Deutsche Schrift“. Land fanden De- ” Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass in Osterreich¨ noch batten zu diesem nach dem Zweiten Weltkrieg die Sutterlin-Schrift¨ unter der Thema statt, man Bezeichnung Kurrent“ unterrichtet wurde. Inzwischen ist es blickte uber¨ die ” so, dass die spateren¨ Generationen die Briefe und Tagebucher¨ Landergrenzen¨ der Urgroßvater¨ und -mutter¨ nicht mehr lesen konnen.¨ Teilansicht einer Postkarte der Volksrepublik um sich fremde China zur Einfuhrung¨ der phonetischen Erkenntnisse zu- Lautschrift mit lateinischen Buchstaben nutze zu machen. Schließlich begann eine Kommission unter Berucksichtigung¨ verschiedener Vorschlage¨ eine sogenannte phonetische ” Lautschrift“ zu entwerfen. Dieses neue Alphabet wurde der Offentlichkeit¨ im Jahre 1956 vorgestellt. Es grundet¨ auf dem

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 77 lateinischen Alphabet, wobei einige weitere Selbstlaute und und Amerika, im Norden, wo heute die Beringstraße ist, ge- Mitlaute eingebaut wurden. Unter Berucksichtigung¨ von Ei- kommen sind. genheiten der chinesischen Sprache gibt es eine große Anzahl Viel Wahres und Unwahres hat jeder von uns in unzahli-¨ von Zwielauten und sogar sogenannten Triphthongen“, was gen Buchern¨ und Filmen uber¨ die Indianer sehen, horen¨ und ” bedeutet, dass drei Vokale miteinander verbunden sind. Im lesen mussen.¨ Fest steht jedoch, dass sie den europaischen¨ Er- Kapitel uber¨ die chinesische Schrift habe ich schon erwahnt,¨ oberern unter anderem deswegen unterlegen waren, weil die dass die chinesische Sprache uber¨ vier Tonhohen¨ verfugt.¨ Weißen fahig¨ waren, Nachrichten zu schreiben und zu lesen, Um diese kenntlich zu machen werden in der neuen Schrift und die roten Manner¨ nicht. sogenannte diakritische Zeichen verwendet. Ein Indianermischling, dessen Die Schulbucher¨ verwenden seit dem Jahr 1958 zum Teil Mutter dem Stamme der Cherokesen die neue Schrift Pinyin“, und auch in der Erwachsenenbil- angehorte,¨ setzte sich mit dieser ” dung ist man bestrebt, dem Volk die Lautschrift naher¨ zu brin- Tatsache auseinander und konstru- gen. ierte selbst eine Schrift! Zu diesem Es hat den Anschein, als ob diese Aktivitaten¨ von Erfolg Zwecke nahm er eine englischspra- begleitet seien. Naturlich¨ wird die traditionelle Wortschrift chige Fibel zur Hand. Wohlgemerkt, nicht vollkommen verschwinden, jedoch wird das neue Alpha- er selbst konnte weder Englisch bet den Chinesen behilflich sein, die technischen und wissen- lesen noch schreiben. Er sah sich die schaftlichen Entwicklungen der Volker¨ dieser Erde mitzunut- Buchstaben in diesem Buche an und Schopfer¨ der Cherokesen- zen. schrift Sequoyah ordnete ihnen Silben der Cheroke- sensprache zu. Da er naturlich¨ mehr 4.5.6 Cherokesische-Schrift Zeichen benotigte,¨ als das Alphabet hatte, behalf er sich nach den Groß- und Kleinbuchstaben mit Abwandlungen derselben Leider ist es mir hier nicht moglich,¨ die Geschichte der In- beziehungsweise mit selbst konstruierten Symbolen. Als er dianer in allen ihren schillernden Abstufungen zu erzahlen.¨ auf diese Art und Weise ungefahr¨ 200 Zeichen beisammen Ich kann lediglich wiederholen, dass deren Urahnen vor un- hatte funktionierte im Jahre 1824 die neue Schrift. Spater¨ gefahr¨ 20.000 Jahren uber¨ eine Landbrucke¨ zwischen Asien musste er allerdings die Anzahl der Zeichen auf 85 verringern

Inhaltsverzeichnis – Index 4.5. Die Schrift der Romer¨ 78

– dies schaffte er, indem er von der Silbenschrift teilweise auf Buchstabenschrift uberging.¨ Nun wird es Zeit, diesen aufstrebenden Mann vorzustel- len. Der Sohn einer Cherokee hatte angeblich einen Deutschen zum Vater, lebte von ungefahr¨ 1760 bis 1843 und wurde Se- quoyah oder Sikwoyi genannt. Die Weißen gaben ihm spater¨ den Namen George Guess. Die Grundidee Sequoyahs bewahrheitete sich. Ungefahr¨ zehn Jahre spater¨ beherrschte bereits mehr als die Halfte¨ der Manner¨ seines Stammes die neuen Buchstaben. Bucher¨ wur- den in dieser Schrift veroffentlicht,¨ ja sogar eine Zeitung her- ausgegeben. Ein Angehoriger¨ eines anderen Stammes – der Cree - versuchte, es ihm gleichzutun, und eine Schrift zu er- finden. Aber alles in allem waren die Indianerstamme¨ zu die- ser Zeit bereits zu sehr geschwacht,¨ um eine Anderung¨ auf Dauer herbeizufuhren.¨ So kam es, dass die Vereinigten Staa- ten von Nordamerika vor hundert Jahren die Angehorigen¨ aller noch existierenden Indianerstamme¨ notigten,¨ die Lateinschrift zu erlernen.

Schriftprobe

Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 79

4.6 DIE SCHRIFTSCHOPFUNGENDES¨ der Stadt Thessaloniki die Bruder¨ Methodius und Konstantin HEILIGEN KYRILLUNDSEINER geboren. Die Stadt und die umgebende Provinz waren zu die- sem Zeitpunkt sowohl von Slawen als von Griechen bewohnt. SCHULER¨ Welchem Volksstammdie beiden angehorten,¨ ist nicht nachge- 4.6.1 Glagolitisch wiesen, man weiß jedoch, dass sie beide Sprachen einwandfrei beherrschten. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die slawischen Ungef ahr¨ um 500 nach Christi Ge- Dialekte noch nicht weit auseinanderentwickelt sodass in allen burt, machten sich die Slawen aus ih- slawischen Siedlungsgebieten das Altbulgarische“ oder Alt- ” ” ren Stammgebieten im nordostlichen¨ makedonische“ verstanden wurde, welches die beiden Bruder¨ Europa auf, um neue Lebensraume¨ unter anderem sprachen. zu finden. In den Jahrhunderten dar- auf siedelten sie sich im Bereich von Norddeutschland bis zum Ural und von der Balkanhalbinsel bis zur Ost- see an. Fur¨ die Oberhaupter¨ der beiden christlichen Kirchen, den Papst in Landkarte des Furstentums¨ Mahren¨ Rom und den Kaiser von Byzanz, er- gab sich somit die Aufgabe, die heid- nischen Slawen zu missionieren, wobei sie sich des ofteren¨ stark in die Quere kamen. Es ist bekannt, dass der Herrscher des Großmahrischen¨ Rei- ches in der zweiten Halfte¨ des 9. Jahrhunderts den byzantini- schen Kaiser um Entsendung von Missionaren bat. Und damit kommen zwei wichtige Personlichkeiten¨ ins Spiel. In den Anfangsjahren des 9. Jahrhunderts n. Chr. waren in Links Kyrill, rechts Method

Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 80

Der Kaiser von Konstantinopel ent- missionierenden Slawen die Frohe Botschaft“ in deren ” sprach der Bitte des Mahrerf¨ ursten¨ Muttersprache zu uberbringen,¨ was wiederum die Schaffung und entsandte im Jahre 863 die bei- einer eigenen Schrift zur Folge hatte. den Bruder¨ in das neue Arbeitsgebiet. Kyrillos durfte¨ sich Methodius war in der Vaterstadt Ver- bei der Schaffung dieser waltungsbeamter gewesen und Kon- Schrift an zeitgenossischen¨ stantin, welcher mit dem Monchsna-¨ griechischen Schriftzeichen men Kyrillos gerufen wurde, hatte orientiert haben, es heißt sich schon bisher mit Theologie be- ebenso, er habe versucht fasst. Kyrill und Method die geometrischen Formen In christlichen des Quadrates, Kreises und Kreisen gab es Dreiecks einzubauen. Wie Steinerne Gesetzestafel in zu dieser Zeit die immer, die neue Schrift glagolitischer Schrift – Regel, dass fur¨ ging unter Bezugnahme auf Basca/Kroatien kirchliche Texte den slawischen Wortstamm Glagol = Wort“ als glagolitische ” nur die Spra- Schrift in die Geschichte ein. Die kirchlichen Texte wurden chen Griechisch, jahrhundertelang in dieser Schrift und der gleichzeitig damit Hebraisch¨ und geschaffenen Sprache, dem Kirchenslawisch“ geschrieben. ” Latein verwendet Die Schrift hatte zuerst 43 Buchstaben, welche im Laufe der werden durf- Zeit auf 40 reduziert wurden. Einige der Buchstaben wurden ten. Konstantin- obendrein als Zahlen eingesetzt. Kyrillos ließ sich Selbst die Papste¨ jener Zeit anerkannten die Bemuhungen¨ vom Oberhaupt der beiden Slawenapostel und beriefen sie mehrmals nach der Ostkirche die Rom. Als jedoch die frankischen¨ Kaiser ihren Einfluss auf die Personen und Schriften aus der bulgarischen Geschichte rechts oben glagolitisches Alphabet Genehmigung ostlichen¨ Nachbarn mit Gewalt geltend machten, wurden die – links kyrillische Schrift erteilen, den zu Bohmen¨ und Mahrer¨ katholisiert und der Kirchenmann Me-

Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 81

thodius vertrieben (Kyrillos war zu diesem Zeitpunkt bereits Vielleicht haben Sie bis hierher eine verstorben). Methodius wendete sich zuruck¨ nach dem Bal- Sprache vermisst – das Serbokroatische. kan. Diese ist eine Ausnahme, weil hierfur¨ In verschiedenen Gebieten – speziell in Kroatien - wurde sowohl die lateinische Schrift (Kroati- jedoch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein in der katholischen en, Bosnien-Herzegowina), als auch die (!) kirchlichen Liturgie das Kirchenslawisch als Sprache und Kyrilliza (Serbien, Montenegro, Repu- die Glagoliza als Schrift beibehalten. In diesem Zusammen- blika Srpska in Bosnien-Herzegowina) hang sei bemerkt, dass sich in Kroatien und Dalmatien eine zur Anwendung kommen. eckige Variante der Schrift herausgebildet hatte, im Gegensatz Doch nun wollen wir uns endgultig¨ zur runden, die auch als bulgarische“ bezeichnet wurde. der kyrillischen Schrift zuwenden, wo- ” Man findet diese Schrift sowohl auf Bauwerken, Stein- Auch hier waren bei wir bereits kurz bei deren Namen denkmalern,¨ in Dokumenten, Gesetzbuchern¨ und religiosen¨ zumeist die Monche¨ verweilen mussen,¨ welchen sie eigent- Schriften. die Schriftgelehrten lich nicht rechtmaßig¨ tragt.¨ Der Stand der Wissenschaft 4.6.2 Entwicklungsgeschichte der Kyrilliza ist, dass der Heilige Kyrill zwar die schon erwahnte¨ Glagoliza Im Denken der Allgemeinheit wird das Slawentum automa- entwickelt hat, jedoch nicht die tisch mit der russischen Schrift“, dem Kyrillischen, in Ver- nach ihm benannte Kyrilliza. Diese ” bindung gebracht. Dabei wird oft ubersehen,¨ dass die sla- zweite ist die jungere¨ Schrift und wischen Sprachen derzeit in zwei verschiedenen Alphabeten wurde von einem oder mehreren geschrieben werden – und zwar in lateinischen oder kyrilli- seiner Schuler¨ ins Spiel gebracht. Heiliger Kliment von Ohrid schen Buchstaben. Die Lateinschrift ist gebrauchlich¨ fur¨ das Viele Fachleute fuhren¨ sie auf den Heiligen Kliment von Tschechische, Slowakische, Slowenische, Polnische und Sor- Ohrid zuruck,¨ andere sprechen von einem Monch¨ namens bische (in einem kleinen Gebiet Ostdeutschlands). Die kyrilli- Konstantin. sche Schrift wird verwendet fur¨ das Russische, Weißrussische, Wie immer, fur¨ ein geschultes Auge ist erkennbar, dass die Ukrainische, Bulgarische und Makedonische. kyrillische Schrift auf altgriechischen Schriftzeichen aufbaut.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 82

Jedoch fanden ebenso einige Buchstaben aus der Glagoliza osten konnte eine Stadt Ihre Selbstandigkeit¨ sowohl gegen Verwendung. Insgesamt waren es anfangs 43 Buchstaben, die die Mongolen als auch gegen den Deutschritterorden und die sich jedoch bis in die Jetztzeit auf ca. 30 verringert haben. Schweden behaupten – Nowgorod. Dieses war eine Stadtrepu- So wie in der Glagoliza hat blik, die man am ehesten mit den Adriastadten¨ Venedig oder man anfangs ebenso hier versucht, Ragusa vergleichen kann. Begunstigt¨ durch umfangreiche geometrische Gesetze einzuhalten, Handelsverbindungen mit samtlichen¨ Windrichtungen machte doch bald hat sich dies aufgehort.¨ die Stadt eine rasante Entwicklungsphase durch. Wichtig fur¨ das Bestehen der neuen Umsomehr verwundert es man- Schrift war die Tatsache, dass das chen, dass gerade in diesem Ge- Oberhaupt der Byzantinischen Kir- Dokument in biet ein Stoff als Schreibunter- che die Verwendung der Landes- kirchenslawischer Sprache lage verwendet wurde, der ganz sprache fur¨ die Liturgie anerkann- und kyrillischer Schrift und gar nicht von Wohlstand te. Das bedeutete, dass sich ebenfalls im Bereiche der Kyril- zeugt. Sowjetische Wissenschaft- liza das Kirchenslawisch als Sprache fur¨ geistliche Belange ler machten Mitte des 20. Jahr- behauptete. Mitteilung auf Birkenrinde hunderts eine interessante Ent- Der Ursprung der kyrillischen (Nowgorod 12. Jh.) deckung. Sie gruben eine große Schrift befand sich im 9. Jahrhundert Anzahl von Schriftstucken¨ auf Birkenrinde aus. Nach dem im damaligen Groß-Bulgarien, die derzeitigen Stand der Forschungen wurde in Nowgorod vom Schrift verbreitete sich dann uber¨ Ende des 11. bis zum 15. Jahrhundert auf diesem Rohstoff den Machtbereich der Kiewer Rus. geschrieben. Allerdings konnte die Archaologie¨ bisher das Dieses Reich, welches erst in den Gerucht¨ nicht bestatigen,¨ dass auf diesem Material außerdem Jahren um 880 entstanden war, fiel ganze Bucher¨ verfasst worden seien. dem Mongolensturm von 1240 zum Opfer. Kiew wurde zerstort,¨ damit ebenso viele Schriftdokumente aus dem Mittelalter. Lediglich im Nord- Schriftstuck¨ aus dem Kiewer Reich Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 83

4.6.3 Russische Kyrilliza bei Slawen Der fruhe¨ Tod des Revoluti- onsfuhrers¨ Lenin hat moglicherweise¨ RUSSISCH eine umfassende Veranderung¨ ver- Nach der Eroberung Konstantino- hindert. Verschiedene Gelehrte pels durch die Turken¨ hatte sich in behaupten, Lenin hatte¨ beabsichtigt, Moskau ein neues orthodoxes Zen- die kyrillische Schrift durch die latei- trum gebildet. Und als Schrift der nische zu ersetzen, wie es Ataturk¨ in Orthodoxie regierte nicht mehr die der Turkei¨ mit der arabischen Schrift griechische, sondern die kyrillische getan hatte. Schrift. Kyrillische Schriftzeichen fin- Bereits im 16. Jahrhundert hielt die den wir auf den Briefmarken und Kunst des Buchdruckens in Russland Stempeln des alten Russland, sowie Einzug. Ein tiefgreifender Einschnitt Erstes gedrucktes russi- sches Lesebuch (1574) – auf Provinzausgaben des spaten¨ war jedoch die Schriftreform durch Sowjetische Briefmarke 19. Jahrhunderts (Zemstvo-Marken). Buchdruck mit kunstvoller Elias Kopiewitsch, die zu Ende des Naturlich¨ gleichfalls auf den Postwertzeichen Sowjetrusslands Illustration (1564) 17. Jahrhunderts im Auftrage Peters (bis 1922), der Sowjetunion (1922-1991) – und des wieder des Großen durchgefuhrt¨ wurde. Viele Schriftzeichen wurden erstandenen Staates Russland ab 1992. in Ihrer Form vereinfacht, andere uberhaupt¨ ausgemerzt. Diese In der Zeit des russischen Verbesserungen machten den Weg zur Herstellung von Blei- Bur¨ gerkrieges von 1918 bis lettern fur¨ kyrillische Schriftzeichen frei, wie sie der Zar bald 1922 wurden von verschiedenen darauf in Amsterdam herstellen ließ. Armeekommandanten Postwert- Jahrhunderte spater¨ – und zwar im Mai des russischen zeichen mit kyrillischer Schrift Schicksalsjahres 1917 - fuhrte¨ die damalige burgerliche¨ Re- ausgegeben. Briefmarke des 1992 wieder- gierung Kerenski eine weitere Schriftreform durch. Interessant Die Entwicklung in der erstanden Staates Russland ist, dass die spatere¨ kommunistische Regierung des Landes nichtslawischen Moldau wurde bereits mehrmals besprochen. diese bourgeoise“ Maßnahme voll und ganz akzeptierte. So ” Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich auf moldaui- beruht die russische Kyrilliza heute noch immer auf den Er- gebnissen von 1917. Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 84

schem Staatsgebiet ostlich¨ des Flusses Dnjestr seit Dezember sprach der Adel Polnisch, das Volk Weißrussisch. Ebenso wie 1991 unter den Nachkommen der eingewanderten Russen Polen wurde Weißrussland Ende des 18. Jahrhunderts zwi- eine Gegenbewegung zur Zentralregierung bildete, die eine schen Preußen, Osterreich¨ und Russland aufgeteilt. Sowohl Verwaltungszone Transnistrien“ ausrief. die russischen Zaren als auch Stalins Sowjetverwaltung un- ” F ur¨ den innerregionalen terdruckten¨ jede Art von weißrussischem Selbstandigkeitsstre-¨ Postverkehr werden Brief- ben. marken mit kyrillischen Im August 1991 erklarte¨ sich Weißrussland fur¨ unabhangig¨ Buchstaben verwendet, wel- und gibt seither eigene Briefmarken heraus, welche kyrillische che vom Weltpostverein nicht Schriftzeichen tragen. anerkannt sind und daher UKRAINE nicht in den Briefmarkenka- Einleitend sei einmal festgestellt, talogen angefuhrt¨ werden. dass fur¨ die ukrainische Sprache in die kyrillische Schrift zwei Sonder- zeichen eingefugt¨ wurden. Teil eines Briefes aus Transnistrien, auch Dnjestr-Republik genannt Die Ukrainer sehen als Geburt einer eigenen Nation jenes Kiewer WEISSRUSSLAND (BELARUS) Reich an, welches bereits erwahnt¨ Obwohl die Weißrussen ebenso wurde. Nachdem sie einige Zeit von Ostslawen sind wie die Ukrainer den Tataren beherrscht worden wa- und Russen, sprechen sie eine von ren, fiel ihr Gebiet den Litauern und deren Dialekten zu unterscheiden- spater¨ den Polen anheim. Allerdings Ukrainische Briefmarke de Sprache. Das Gebiet der Weiß- von 1918 entwickelte sich an den ostlichen¨ russen (nordlich¨ der Ukraine und Grenzen eine Volksbewegung, von deren Ruhm heute noch westlich Russlands) war nach der das ukrainische Selbstbewusstsein zehrt – die Kosaken. Sie Besetzung Kiews durch die Mon- Bibel auf Weißrussisch (1517) bewohnten ein riesiges Gebiet, welches keiner Zentralregie- golen nicht in deren Hande¨ gekommen. Spater¨ fiel es aller- rung unterstand, und verteidigten die Grenze gegen Uberf¨ alle¨ dings an Litauen, anschließend an Polen. Im 17. Jahrhundert

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der Tataren. Im 17. und 18. Jahrhundert fielen allmahlich¨ im- Als 1918 die Monarchie zerbrach, bil- mer großere¨ Teile der Ukraine an das Zarenreich Russland, dete sich in Galizien und in der Bukowi- welches zeitweise sogar die ukrainische Sprache verbot. na die Westukrainische Volksrepublik, Nach der Oktoberrevolution welche 1918 und 1919 osterreichische¨ 1917 versuchte die Ukraine, Briefmarken mit kyrillischen Buchsta- sich vom Bolschewistenstaat ben uberdruckte.¨ Nachdem allmahlich¨ loszulosen¨ und legte von 1918 einzelne Teile dieser Republik von bis 1919 eigene Briefmarken Rumanien¨ bzw. Polen besetzt wurden, auf. Eine Serie Briefmarken gab Westukraine 1919 – horte¨ sie auf zu bestehen und eigene 1923 die Ukrainische Soziali- Z.U.N.R. Postwertzeichen zu verwenden. Ukrainische Briefmarke der stische Sowjetrepublik heraus, Wahrend¨ des Zweiten Weltkrieges verausgabten die deut- Gegenwart zeigt eine Marke aus dem Jahr 1918 anschließend wurden bis 1992 schen Besatzungstruppen in Russland und der Ukraine Brief- die Briefmarken der UdSSR marken fur¨ verschiedene Gebiete, welche unter anderem ky- verwendet. Erst die unabhangige¨ Republik Ukraine brachte ab rillische Buchstaben enthielten. 1.3.1992 wieder eigene Postwertzeichen an den Schalter. Aus dem Jahre 1992 sind sogenannte Lokalausgaben“ bekannt ” geworden, von welchen die ukrainische Post lediglich jene von Kiew und Lemberg amtlich anerkannt hat. So wie bei anderen Lokalausgaben“ verschiedener Nachfolgestaaten ist ” hier großte¨ Vorsicht geboten. Spekulanten und Falscher¨ sind hemmungslos am Werk. Teilansicht einer osterreichischen¨ Postkarte von 1876 Galizien und die Bukowina, welche derzeit zur Ukraine mit ruthenischen Buchstaben“ – ” gehoren,¨ waren einst Kronlander¨ der Monarchie Osterreich-¨ Text ins Lateinische ubertragen:¨ Karta korespondencijnaja Ungarn. Man kann daher osterreichische¨ Ganzsachen finden, die zwecks Verwendung in diesen Gebieten ruthenische“ ” Schriftzeichen aufweisen.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 86

Ein ehemaliger Bestandteil bei den Armeniern, Georgisch bei den Georgiern, Latein bei Osterreich-Ung¨ arns und der spateren¨ den baltischen Volkern,¨ sowie Arabisch bei den Tataren und Tschechoslowakei war die Karpaten- Aseri = Aserbaidschanern). Einige kleine Volkerschaften¨ Ukraine, welche kurz vor dem Zweiten schrieben ihre Sprache bereits mit kyrillischen Buchstaben. Weltkrieg von Ungarn besetzt wurde. Ein ahnliches¨ Schicksal wie die be- Im Herbst 1944 wurde die Karpa- reits mehrmals erwahnte¨ Moldau hatte tenukraine von Truppen der Roten Finnland als Furstentum¨ im Russischen Armee erobert und ein sogenannter Zarenreich zu ertragen – selbst seine Ukrainischer Zentralrat verausgabte Briefmarken wurden von 1856 bis 1917 Karpatenukraine 1944 eigene Briefmarken mit kyrillischen mit kyrillischen Schriftzeichen in russi- Schriftzeichen. scher Sprache versehen. Die Wirren des russischen Burger-¨ 4.6.4 Russische Kyrilliza bei Nichtslawen krieges 1918–1922 und die Jahre da- nach brachten es mit sich, dass Gebiete Batum Bereits im Herrschafts- mit nichtslawischer Bevolkerung¨ vorubergehend¨ selbstandig“¨ ” gebiet der russischen wurden und eigene Briefmarken – jedoch unter anderem Kaiser waren neben mit kyrillischen Buchstaben ausgaben: Aserbaidschan, Batum, den Slawen viele Berg-Republik, Tannu-Tuva und Transkaukasien. nichtslawische Volker-¨ Gleichzeitig fuhrte¨ Lenin aufgrund schaften vertreten. Die seiner speziellen Nationalitatenpoli-¨ meisten von diesen tik fur¨ die meisten nichtrussischen hatten noch keine Sprachen die Lateinschrift ein. Insbe- Schriftsprache, einige sondere versuchte er, die Turkvolker¨ Finnland – Postkarte fur¨ den Inlands- in den Randgebieten (Tataren, Usbeken, Aseri), welche verkehr, befordert¨ 1874 – Beschriftung in des Reiches eigene bisher die arabischen Zeichen ver- Schwedisch, Finnisch und Russisch Schriften (Armenisch wendet hatten, auf die neue Schrift Tannu-Tuva umzustellen. Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 87

Doch die nachfolgende Zentralisie- noch lesen werden, gehort¨ es der altaiischen Sprachfamilie rungspolitik unter Stalin gab dieser Ent- an. 1911 hatte sich die Mongolei von China abgespaltet, 1924 wicklung eine neuerliche Wendung. Be- grundeten¨ die Kommunisten eine Volksrepublik. Obwohl sie reits ab den Dreißigerjahren des 20. Jh. auf dem Papier selbstandig¨ war, war der politische Einfluss des wurden die Sprachen der Turkvolker¨ großen Bruders“ Sowjetunion so stark, dass die Regierung ” und viele andere, die bisher noch gar der Mongolischen Volksrepublik im Jahre 1950 beschloss, die nicht schriftlich erfasst worden wa- kyrillische Schrift als einzig gultige¨ einzufuhren.¨ Dies wurde ren, ins Zwangskorsett der kyrillischen nach der Ablosung¨ des kommunistischen Regimes (1992) je- Schrift gesteckt. Da diese Sprachen doch wieder ruckg¨ angig¨ gemacht. nicht der russischen Sprachfamilie an- Kasachstan gehoren,¨ war es naturlich¨ notwendig fur¨ 4.6.5 Bulgarische Kyrilliza spezielle Laute Sonderzeichen einzufuhren.¨ Als sich die Sowjetunion 1991 aufloste,¨ wurden ungefahr¨ 70 Wenn wir heute von Bulgarien spre- Schriftsprachen des Riesenreiches in kyrillischen Buchstaben chen, haben wir weder jenes Ge- geschrieben. biet, noch die Bevolkerung¨ vor uns, Nach dem Ende der UdSSR wie es diese zur Zeit des Missionars blieben die ehemaligen Sowjet- und Schriftschopfers¨ Kyrillos gege- republiken Kasachstan, Kirgistan, ben hat. Alt-Bulgarien war zeitwei- Tadschikistan und Turkmenistan Bulgarische Briefmarke se in den Machtbereich von Byzanz beim kyrillischen Alphabet, in von 1915 geraten – und zu Ende des 14. Jahr- Aserbaidschan (und seit neue- hunderts Teil des osmanischen (turkischen)¨ Reiches gewor- stem in Usbekistan?) wurde be- den. Nach heftigen Unabhangigkeitsk¨ ampfen¨ schuf der Ber- schlossen, wieder zum Lateini- liner Kongress 1878 ein Furstentum¨ Bulgarien“, welches je- Mongolei ” schen uberzugehen.¨ doch noch immer von den Turken¨ abhangig¨ war. Eine totale Sonderstellung innerhalb der kyrillisch geschrie- benen Sprachen nimmt das Mongolische ein. Wie Sie spater¨

Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 88

1908 loste¨ sich das Zaren- 4.6.6 Serbisch-montenegrinische Kyrilliza ” reich Bulgarien“ endgultig¨ von Uber¨ die serbisch-montenegrinische Kyrilliza ist nicht viel der Turkei.¨ Mit geringen Gebiets- mehr zu sagen, als dass sich das verwendete Alphabet vom verschiebungen blieb das Land russischen durch funf¨ Sonderzeichen unterscheidet. seither selbstandig,¨ wenn es auch Dem Philatelisten bietet sich jedoch vom Schicksal vielfach gepruft¨ eine umfangreiche Zahl von Postverwal- wurde – zwei Weltkriege, kom- Erstes bulgarisches Lesebuch tungen, bei welchen er dieser Schrift- munistische Herrschaft etc. (1824) variante begegnen kann. Da ware¨ das Die Fachleute sprechen davon, Konigreich¨ Serbien sowie das Konig-¨ dass die jetzige Schriftsprache auf dem Nordostbulgarischen reich Montenegro vor dem Ersten Welt- gegrundet,¨ jedoch durch die jahrhundertelange turkische¨ Be- krieg, das Konigreich¨ der Serben, Kroa- setzung beeinflusst worden sei. ten und Slowenen/Jugoslawien zwi- Die Schrift basiert auf dem russi- schen den beiden Weltkriegen, das kom- schen Kyrillisch mit zwei Sonderzei- munistische Jugoslawien von 1945 bis Jugoslawische Marke chen. Wir konnen¨ sie auf den Brief- zeigt alte Buchseite zum Zerfall 1990, oder besser gesagt in marken und Stempeln Bulgariens seit kleinerem Maßstab bis 2001 – jetzt heißt es ja Serbien und 1879 finden, weiters von 1881 – 1885 ” Montenegro“, was auch auf den Briefmarken zu sehen ist. auf Postwertzeichen Ostrumeliens, ei- W ahrend¨ des Zweiten Weltkrieges ner turkischen¨ Provinz, die von Bul- hatten sich die Italiener zeitweise in garien beansprucht, zwischendurch be- Montenegro eingenistet und die Deut- setzt und spater¨ eingegliedert wurde. schen in Serbien – beide Machte¨ gaben Ostrumelien Weiters wurden noch im vielumkampf-¨ fur¨ die besetzten Gebiete Briefmarken ten Gebiet Thrakien nach dem Ersten Weltkrieg bulgarische mit (teilweise) kyrillischen Schriftzei- Briefmarken fur¨ Uberdruckausgaben¨ verwendet - der Text der chen heraus. Uberdrucke¨ ist nur lateinisch.

Montenegro 1910 Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 89

Die Auseinandersetzungen nach Der von Serben bewohnte Teil von Bosnien-Herzegowina dem Zerfall Jugoslawiens brach- uberschwemmt¨ seit 1992 als Republika Srpska“ den Markt ” ten wiederum neue Briefmarken- mit einer unnotig¨ großen Zahl von Briefmarken mit kyrilli- ” Gebiete“ mit serbischer Schrift ins schen Buchstaben. Die Einschreibezettel dieses Gebietes tra- Spiel. Man unterscheidet zwei Be- gen jedoch lateinische Inschriften. reiche auf fremden Staatsgebieten mit eigenen Briefmarkenausgaben. 4.6.7 Makedonische Kyrilliza Im Ostteil Kroatiens lehnten sich die ansassigen¨ Serben gegen den Staat Ehemalige jugoslawische Republik Makedonien“ – dass die- ” auf. Sie verausgabten 1993-95 un- ser Name 1993 von der UNO verliehen werden musste, sagt ter der Bezeichnung Serbische Re- eigentlich schon sehr viel uber¨ die Situation aus, in welcher ” publik Krajina“ eigene Postwertzei- sich der erwahnte¨ Staat befindet. Sowohl sein Gebiet als auch Republika Srpska chen. Ein Teil dieses Gebietes kam die Bevolkerung¨ waren seit Jahrhunderten Zankapfel zwi- Ganzsache (Teilansicht) Mitte 1995 unter UNO-Kontrolle und schen großeren¨ und starkeren¨ Nachbarn - die Last der Aus- gab unter dem Namen Sremsko Baranjska Oblast“ Briefmar- einandersetzungen traf die Bevolkerung.¨ ” ken heraus (1995-1997). Von Wissenschaftlern wird bestatigt,¨ dass die makedonische Sprache ein bulgarischer Dialekt ist. Das Alphabet sei gleich jenem der Serben mit denselben funf¨ Son- derzeichen. Diese Gegebenheiten fuhrten¨ seit dem Ende des turkisch-¨ Handschrift 15. Jh. osmanischen Reiches immer wieder zu Spannungen zwischen Bulgarien und Jugoslawien (bis Teilansicht einer serbischen Postkarte aus dem Jahr 1902 zu dessen Zerfall). Seit der Selbstandigkeit¨ Makedoniens (1991) hat sich noch Griechenland in die verworrene Situation

Inhaltsverzeichnis – Index 4.6. Die Schriftschopfungen¨ des Heiligen Kyrill und seiner Schuler¨ 90

gemischt – und nicht zuletzt der albanische Nationalismus. Philatelistisch gesehen finden wir das makedonische Alpha- bet auf Uberdruckausgaben¨ aus der Zeit der Besetzung durch Deutschland im Zweiten Weltkrieg und selbstverstandlich¨ seit 1992 auf den Briefmarken der Republik.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.7. Der aramaische¨ Schriftkulturkreis 91

4.7 DERARAMAISCHE¨ Gebraucht wurden 22 Mitlaute, geschrieben und gelesen wur- SCHRIFTKULTURKREIS de von rechts nach links. Auf der aramaischen¨ Schrift basie- rend bildeten sich spater¨ neue Schriften, unter anderem die 4.7.1 Aramaisch¨ nabataische,¨ die wiederum eine Vorstufe des Arabischen war, welches im Kapitel 4.8 behandelt wird. Nach einem ausfuhrlichen¨ Exkurs durch die Schriften Euro- pas kehren wir nunmehr zum Ausgangspunkt der Buchstaben- schrift zuruck¨ – in den Nahen Osten. 4.7.2 Hebraisch¨ Wie wir wissen, waren die Der Uber¨ gang von der aramaischen¨ Phonizier¨ , die Europa mit der Schrift zur hebraischen¨ ist fließend. Buchstabenschrift bekannt mach- So kommt es wohl, dass man auch in ten, ein Seefahrervolk. Ganz an- der Fachliteratur verschiedene Ausle- ders deren semitische Verwand- gungen findet, ob die Texte in den te, Nachbarn und Nachfolger, die Rollen von Qumran in aramaischer¨ Aramaer.¨ Sie waren auch eine Ge- oder in hebraischer¨ Schrift verfasst Aramaische¨ Inschrift meinschaft mit vielen Verbindun- sind. gen – jedoch vorwiegend auf dem Landwege. Ihre Beziehun- Man diskutiert auch noch, ob gen hatten sie im Zweistromland genauso wie auf der arabi- die hebraische¨ Schrift von der schen Halbinsel, im persischen Reich und sogar in Nordwest- aramaischen¨ abstammt, oder sich ¨ indien. Uberall dort wurde ihre Sprache gesprochen und ihre parallel dazu entwickelt hat. Die Schriftrollen von Qumran Schrift verdrangte¨ unter anderem die Keilschrift. Von den ver- altesten¨ vorhandenen Schriftnachweise des Althebraischen¨ wandten Schriften in Zentralasien soll spater¨ die Rede sein. werden ungefahr¨ in den Zeitraum zwischen 900 und 700 v. Die altesten¨ Nachweise der aramaischen¨ Schrift stammen Chr. datiert. aus dem 9. Jh. v. Chr. und fanden sich auf der Statue fur¨ Die Quadratschrift (eine Druckform) hat die Juden spater¨ einen Herrscher. Man entdeckte noch mehr solcher Inschriften in die Diaspora begleitet, wo sich einige Varianten herausbil- aus spateren¨ Zeiten in Stein gemeißelt. Ebenso wurden Papy- deten (spanische, italienische u. deutsch-polnische Form). Sie ri mit dem aramaischen¨ Alphabet in großer Anzahl entdeckt. wird auch jetzt noch in Israel als Kulturgut gepflegt. Inhaltsverzeichnis – Index 4.7. Der aramaische¨ Schriftkulturkreis 92

Das Alphabet der hebraischen¨ Schrift Die Juden Europas besteht aus 22 Buchstaben. Wichtig verfugten¨ bereits im Mit- ist zu wissen, dass alle Buchstaben telalter uber¨ hervorragende auch als Ziffern eingesetzt wurden. Man Schonschreibkenntnisse.¨ schreibt, wie bei fast allen semitischen Doch sehr bald, nachdem Schriften von rechts nach links. Eini- Gutenberg die Kunst des ge Buchstaben werden am Wortende an- Buchdruckens mittels ders dargestellt, als im Wortinneren. Die beweglicher Lettern ein- Vokale konnen¨ (ahnlich¨ wie im Arabi- gefuhrt¨ hatte, gab es schon schen) mittels Punkten und Strichen ge- Bibelzitat: Liebe deinen Nachsten¨ die ersten Druckwerke in ” kennzeichnet werden. Dann spricht man wie dich selbst“ hebraischer¨ Schrift. von einem sogenannten vokalisierten Text – hauptsachlich¨ bei Schulbuchern¨ vorkommend. Dieses System durfte¨ be- reits seit dem 5. Jh. n. Chr. bestehen. Das Lesen von Texten ohne Vokale ist Siegel mit althebraischer¨ Schrift fur¨ einen Kenner der hebraischen¨ Spra- che einfach, fur¨ den anderssprachigen Europaer¨ jedoch sehr schwierig. So kam es wohl auch, dass es bei der Ubersetzung¨ des alten Testamentes in die lateinische Sprache einige Irrtumer¨ gab.

Ausschnitt aus Poststuck¨ des Mandatsgebietes Palastina¨

Inhaltsverzeichnis – Index 4.7. Der aramaische¨ Schriftkulturkreis 93

Als Gebrauchsschrift auf Briefmar- 4.7.3 Pehlevi-Schrift ken finden wir die hebraische¨ Schrift Wie bereits bei der aramaischen¨ erstmals auf Postwertzeichen mit der Schrift erwahnt,¨ breitete sich die- Aufschrift Palestine zwischen den se gemeinsam mit der aramaischen¨ Jahren 1920 und 1948. Wahrend¨ die- Sprache nach Osten uber¨ ganz Per- ser Zeit war das Heilige Land als sien bis nach Indien aus. Auf dem Mandatsgebiet des Volkerbundes¨ ei- Gebiet des heutigen Iran verdrang-¨ nem britischen Hochkommissar un- te sie die persische Keilschrift. Als terstellt. Seit dem Unabhangigkeits-¨ dort vor ungefahr¨ 2000 Jahren die Ar- kampf der Israelis und der Grundung¨ Hagada, Bibelhandschrift sakiden herrschten, bildete sich eine des Staates Israel werden dessen aus dem 14. Jahrhundert Nachfolgeschrift aus – die sogenann- Postwertzeichen und Ganzsachen mit te Pehlevi-Schrift. Wir finden sie un- hebraischer¨ Schrift verwendet. Pehlevischrift auf ter anderem auf verschiedenen Kunst- Parthermunze¨ gegenstanden¨ und Schriftstucken.¨ Auch das Herrscherge- schlecht der Sassaniden (vom 3. bis zum 7. Jh. n. Chr.) ver- wendete dieses Schreibsystem, was unter anderem an Munzen¨ aus dieser Zeit zu erkennen ist. Diese jungere¨ Schriftvari- ante der Pehlevi wurde bis ins Pehlevi-Schrift auf 14. Jh. unserer Zeitrechnung Sassanidenmunze¨ verwendet. Bei diesem Alphabet zeigt sich wieder die semitische Ver- Grabstein vom judischen¨ wandtschaft, da keine Vokale festgehalten werden. Lediglich Friedhof in Prag 20 Mitlaute schrieb man von rechts nach links. Inhaltsverzeichnis – Index 4.7. Der aramaische¨ Schriftkulturkreis 94

4.7.4 Awesta-Alphabet Im Jahre 1889 wurden weitere sol- cher Steindenkmaler¨ (Grabsteine) in der Die Anhanger¨ des Zarathustra- nordlichen¨ Mongolei entdeckt, so dass Glaubens entwickelten in Persi- die Wissenschaft begann, der Sache auf en eine andere Schriftvariante aus den Grund zu gehen. Die beiden neu ge- der aramaischen¨ Gruppe. Um den fundenen Steine trugen auch chinesische Wortlaut des Awesta – der Schrift ” Schriftzeichen, sodass man den Sinn der des Gesetzes“ wie die religiosen¨ Texte deuten konnte. Dabei wurde festge- Texte des Stifters genannt wurden stellt, dass es sich um Schriftdenkmaler¨ Awesta-Schrift - festhalten zu konnen,¨ wurde un- der Gok-T¨ urken¨ handelte, die es im 8. Jh. gefahr¨ im 3. Jh. n. Chr. das sogenannte Awesta-Alphabet ent- Steindenkmal mit n. Chr. in diese Gegend verschlagen hatte. wickelt. altturkischer¨ Inschrift Also lag eine Turk-Sprache zugrunde. Die 48 Buchstaben ahneln¨ zwar denjenigen der Pehlevi, je- 1893 gelang es dem danischen¨ For- doch zeigt sich andererseits die Verschiedenartigkeit dadurch, scher Wilhelm Thomsen die Buchstaben dass auch Selbstlaute geschrieben werden. Das bedeutet al- zu entziffern. Er stellte fest, dass es sich lerdings auch, dass diese Schrift zu den vollkommensten der um 38 Zeichen handelte, die weitlaufig¨ Region gehort,¨ da mit ihr wirklich alle Nuancen der Sprache mit der aramaischen¨ Schrift verwandt wa- festgehalten sind. ren. Inzwischen hat man angeblich auch Handschriften gefunden, die in derselben 4.7.5 Altturkisch¨ Schrift verfasst sein sollen. Der russisch-schwedische Krieg zu Beginn des 18. Jh. n.Chr. hatte eine wichtige Entdeckung zur Folge. Ein schwedischer Skulptur mit Offizier namens Philip Johan Tabbert-Strahlenberg geriet in altturkischer¨ Inschrift russische Gefangenschaft und wurde nach Sibirien gebracht. 1722 kehrte er nach Schweden zuruck¨ und schrieb ein Buch uber¨ interessante Steinsaulen¨ in Sibirien.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.7. Der aramaische¨ Schriftkulturkreis 95

4.7.6 Mongolisch zeichnung Passepa-Schrift fur¨ einige hundert Jahre (bis 1368) angewendet wurden. Unweigerlich fallt¨ jedem Europaer¨ Wieder war es ein Lama, der im der Name Dschingis-Khan“ ein, ” 16. Jahrhundert n. Chr. aufbauend wenn von Mongolen gesprochen auf der einst abgewandelten Uiguren- wird. Und wirklich, mit dem Auf- schrift ein Alphabet fur¨ die mongoli- treten des jungen Fursten,¨ vorher sche Sprache entwarf. Es bekam den noch Temudschin genannt, wurden Namen Galik-Schrift. Da die mon- die Mongolen bekannt und beruchtigt¨ golische Sprache sehr variantenreich zugleich. Der Hochste¨ Herrscher“ ” ist, gab es trotz der Verwendung von einigte Anfang des 13. Jahrhunderts insgesamt 25 Zeichen noch immer n.Chr. die berittenen Steppenvolker,¨ die Situation, dass fur¨ mehrere Lau- riss die Macht in Asien an sich und Altmongolische te dasselbe Zeichen verwendet wer- klopfte mit harter Faust an die Turen¨ Aufschrift den musste. Jahrhundertelang schrie- Europas. Die Kiewer Rus fiel ihm ge- ben die Mongolen mit dieser Schrift nauso zum Opfer, wie die Siedlungen Polens oder Ungarns. von oben nach unten, die Kolonnen Mongolei Im 14. Jahrhundert (Timur-Lenk) und 15. Jahrhundert (Babur) wurden von links nach rechts gelesen. versuchten seine Nachfolger nochmals, das zerfallende Reich Im 20. Jahrhundert erreichten die zu einigen, jedoch verblieb den Mongolen von dieser Zeit an Auslaufer¨ der russischen Revolution auch nur ein großes Gebiet in Zentralasien. die Mongolei. 1921 loste¨ sie sich endgultig¨ Es ist erwiesen, dass zur Zeit Dschingis-Khans von Lama- aus dem chinesischen Staatsverband und Monchen¨ eine uigurische Schrift in die Mongolei gebracht war von 1924 bis 1992 kommunistische worden war, in welcher hauptsachlich¨ buddhistische Texte ge- Volksrepublik Man betrieb ab 1940 immer schrieben wurden. Diese Schriftsatze¨ waren jedoch in einer starker¨ die Einfuhrung¨ der russischen Sprache abgefasst, welche sehr weit von der Umgangssprache Kyrilliza. Spater¨ wurde die kyrillische des Volkes abwich. Ein anderer Lama namens Phag-Pa expe- Tannu-Tuva Schrift sogar per Gesetz zur Staatsschrift rimentierte mit tibetischen Schriftzeichen, die unter der Be-

Inhaltsverzeichnis – Index 4.7. Der aramaische¨ Schriftkulturkreis 96

gemacht. Erst die Auswirkungen der Perestrojka sowie die 4.7.7 Mandschurisch formale Beendigung der kommunistischen Staatsform (1992) Die Mandschurei, im Nordosten der brachten eine Ruckbesinnung¨ auf die alte Schrift. jetzigen Volksrepublik China gele- Die Briefmarken und Stempel des Landes waren je nach den gen, hatte und hat eine eigene Sprache wechselnden Einflussen¨ mit mongolischen oder kyrillischen und Schrift. Letztere wurde in den er- Buchstaben gestaltet. sten Jahren des 17. Jh. n.Chr. aus dem Das nordmongolische Gebiet bereits erwahnten¨ mongolischen Al- Tannu-Tuva war bis 1914 ein Teil phabet abgeleitet. Chinas, wurde noch vom zaristischen So kommt es auch, dass das Man- Russland erobert und infolge der dschurische in Spalten von oben nach revolutionaren¨ Umwalzungen¨ 1921 unten und von links nach rechts ge- eine selbstandige¨ Volksrepublik. Marke des Marionetten- schrieben wird, nicht so wie das Alt- 1944 kam mit der Eingliederung staates Mandschukuo – chinesisch von rechts nach links. in die Sowjetunion das Ende der Links unten mandschu- Interessant ist, dass der Staat Man- rische Schriftzeichen Unabhangigkeit.¨ Die erste Briefmar- Zweisprachiger dschukuo – aus Japans Gnaden (1932-1945) errichtet - seine kenserie von Tannu-Tuva war mit Poststempel in China – Briefmarken mit chinesischen Schriftzeichen druckte. Ledig- mongolischen Schriftzeichen und links Chinesisch, rechts unten Mongolisch lich eine Sonderausgabe zeigte als Bilddarstellung mandschu- Zahlen gedruckt worden. rische Buchstaben. Die Volksrepublik China hat in den letzten Jahrzehnten im- Die mandschurische Sprache und Schrift wird auch jetzt mer mehr Gewicht darauf gelegt, die Sprachen und Schrift- noch von einer Minderheit in der Chinesischen Volksrepublik systeme der im Lande lebenden Minderheiten zu tolerieren. verwendet. Auch fur¨ sie hat die chinesische Volksrepublik die Dies fuhrt¨ auch dazu, dass derzeit in China Poststempel ein- Regelung eingefuhrt,¨ dass Ortsnamen auf Poststempeln zwei- gesetzt werden, die neben der Ortsbezeichnung in chinesischer sprachig – das heißt zweischriftig“ angefuhrt¨ werden. Schrift und Sprache dieselbe zum Beispiel auch in mongoli- ” scher Sprache und Schrift zeigen.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 97

4.8 ARABISCHEUND ATHIOPISCHE¨ denkmaler¨ von vorislamischen arabischen Schriften, jedoch SCHRIFTEN sind diese philatelistisch nicht nachweisbar – nicht einmal als Briefmarkenmotiv. 4.8.1 Sabaische¨ Schrift und alt-arabische Schriften 4.8.2 Arabisch Wie wir schon bei der phonizischen¨ Schrift gelesen haben, Bevor ich mich eingehender mit dieser Schrift befasse, mochte¨ spaltete sich der semitische Schriftkreis bald in einen nord-¨ ich einmal einiges klaren.¨ In der Hauptsache sollte man drei lichen und einen sudlichen¨ Teil. Vom sudsemitischen¨ Bereich Begriffsgruppen auseinanderhalten: verblieben lediglich zwei lebende Schriftsysteme, auf die wir im Folgenden eingehen wollen. 1. Die arabische Schrift im Koran Klare Strichfuhrung¨ und 2. Die arabische Schrift als Alltagsschrift fur¨ die arabische gleichmaßige¨ Aufteilung ver- Sprache (bzw. deren Dialekte) mitteln bei der sabaischen¨ Schrift einen ruhigen Gesamteindruck. 3. Arabische Schriftzeichen fur¨ nichtarabische Sprachen 29 Mitlaute wurden festgestellt. Zu 1.) Die arabische Schrift im Koran Diese Schrift wurde sowohl auf der Die Islamische Leh- arabischen Halbinsel als auch auf re besagt, dass im 7. Archaologische¨ Funde und dem gegenuberliegenden¨ Festland Jahrhundert dem Pro- ¨ sabaische¨ Schriftzeichen des heutigen Athiopiens verwendet. pheten Mohammed, Dass die Sabaer¨ kein unbedeutendes Volk waren, kann man eigentlich Abul-Kasim schon der Bibel entnehmen, in welcher von der Konigin¨ von Muhammad ibn Abd Saba zu lesen ist. Allah, der Koran von Die bisher gefundenen Schriftnachweise bestehen Allah offenbart wurde. hauptsachlich¨ aus Inschriften an Bauten und Plastiken. Der Glaube des Islams Auf der arabischen Halbinsel finden sich etliche Schrift- (das Wort bedeutet Brief des Propheten Mohammed

Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 98

ubersetzt¨ Ergebung oder Hingabe) wird von der Offenbarung Arabien, Agypten¨ bis nach Marokko im Westen, weiters in im Koran gespeist, dass Gott der absolut Eine ist, der die Welt sudlicheren¨ Gefilden Mauretanien, Somalia, bis Nigeria mit schuf, sie regiert und aufrecht erhalt.¨ ungefahr¨ der Halfte¨ seiner Bevolkerung.¨ Nicht zu vergessen Die mundliche¨ Offen- die muslimische Bevolkerung¨ in den ehemaligen zentralasia- barung wurde verhalt-¨ tischen Sowjetrepubliken und in der Turkei.¨ Insgesamt nismaßig¨ bald von wird geschatzt,¨ dass auf der Erde mehr als 1,2 Milliarden Anhangern¨ Moham- Menschen dem Islam angehoren.¨ meds schriftlich fixiert und Zu 2.) Die arabische Schrift als Alltagsschrift fur¨ die arabi- ist daher auch das um- sche Sprache (bzw. deren Dialekte) fangreichste Schriftstuck¨ Koran – heiliges Buch der Moslems Die zeitgenossische¨ arabische jener Zeit. Der Koran ist in jener Mundart verfasst, welche Sprache wird von mehr als zu dieser Zeit auf der arabischen Halbinsel ublich¨ war. Die 200 Millionen Menschen im Glaubigen¨ durfen¨ den Koran nur in der Originalsprache allgemeinen Leben angewen- lesen, um den Islam richtig zu verstehen. Dies verbindet alle det – vom Irak im Osten bis Muslime der Welt, unabhangig¨ davon, wo sie leben – ob in Marokko im Westen, Maure- Mekka, Wien oder in New York. Daher haben auch alle diese tanien und Sudan im Suden.¨ Hochsprache“ zu erlernen. Die einzelnen Dialekte haben ” Viele Menschen wissen gar sich vom koranischen Ara- ” nicht, dass der Großteil der Mus- bisch“ zum Teil schon sehr weit lime in Asien beheimatet ist – wegentwickelt. Selbstverstand-¨ angefuhrt¨ von ca. 160 Millionen in lich werden auch diese Mundar- Indonesien. Von jenem Inselstaat ten in arabischen Zeichen fest- Arabische Kalligraphie – im Osten zieht sich der Gurtel¨ der gehalten. Die Grundbegriffe die- Schonschrift¨ Lander¨ mit uberwiegend¨ muslimi- ser Schrift und deren Spielarten 160 Millionen Muslime scher Bevolkerung¨ uber¨ Malaysia, wiederum sollen im Folgenden erlautert¨ werden. leben in Indonesien Bangladesch, Pakistan, Iran, Irak,

Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 99

Zur Zeit Assyriens – also un- Die islamische Religion erzeugte ein neues Zusammen- gefahr¨ zwischen dem 9. und 7. gehorigkeitsgef¨ uhl¨ bei ihren Anhangern.¨ Das machte es Jahrhundert vor unserer Zeitrech- moglich,¨ dass die Nachfolger Mohammeds – die Kalifen - zu- nung - existierten die Araber erst Arabien einigen und spater¨ Eroberungszuge¨ in alle Him- schon als eigenstandige¨ Volks- melsrichtungen unternehmen konnten. Dies trug wiederum zur gruppe. Das erste historisch nach- Verbreitung der arabischen Schrift bei. gewiesene arabische Konigreich¨ Bis zum Jahr 750 unserer Zeit- war jenes der Nabataer¨ (im Ge- rechnung waren die islamischen biet des heutigen Jordanien). Man Truppen im Nordosten und Osten sprach zwar Arabisch, schrieb je- bis Afghanistan, Aserbaidschan doch Aramaisch¨ bzw. spater¨ Na- und an den Indus vorgedrun- bataisch.¨ Vor zweitausend Jahren gen, im Westen gehorte¨ ihnen und einige Jahrhunderte danach die gesamte afrikanische Mittel- war die arabische Halbinsel stets Eroberung Indiens meerkuste¨ und der Sudteil¨ der Py- von den Persern und den inzwi- Vasen tragen arabische oder im 11. Jahrhundert renaenhalbinsel.¨ Ungefahr¨ um das schen christianisierten Abessini- persische Schriftzeichen aus Jahr 800 verloren die Araber die Fuhrungsrolle¨ im Islam – ern umkampft.¨ Im Inneren jedoch dem 11./12. Jh. n. Chr. es kamen immer wieder Herrscher verschiedener Herkunft behauptete sich die Einteilung in Stammessippen. (insbesondere Angehorige¨ von Turkvolkern)¨ an die Macht. Die arabische Schrift entwickelte sich aus dem Na- Obwohl sich der Einflussbereich bald auch uber¨ Kleinasi- bataischen,¨ wobei einige Zwischenstufen auftraten. Zu Zeiten en erstreckte (siehe Kreuzzuge),¨ gab es innerhalb der isla- Mohammeds gab es jedoch schon verschiedene Schriftformen. mischen Welt immer wieder Absonderungsbestrebungen und Allen gemeinsam war die Verwendung von 28 Konsonanten Machtkampfe.¨ Seit der Ernennung Bagdads zur Hauptstadt (Mitlauten) – man hatte die aramaische¨ Schrift um einige neue des Islams erlebte diese Region einen wirtschaftlichen und Zeichen erweitert. Auch damals wurde schon von rechts nach kulturellen Aufstieg. Im 11. Jahrhundert wurde obendrein links geschrieben. noch Indien erobert.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 100

Ein machtiger¨ Feind erwuchs den benfolge verschieden gelesen werden kann: islamischen Herrschern im mon- Der Leser ist also gefordert, aus dem Satzzusammenhang golischen Fuhrer¨ Dschingis Khan, das richtige Wort herauszulesen. Gerade fur¨ nichtarabische dessen Enkel 1258 sogar Bagdad Leser des Korans brachte das jedoch Probleme. So kam es, eroberte. Anscheinend ließen die dass die Koranschreiber damit begannen, die Konsonanten Mongolen die islamische Kultur un- durch farbige Punkte zu erweitern. Heutzutage verwendet man Ibn Hazm – arabischer beruhrt,¨ denn Bagdad blieb weiter- lediglich in Koranausgaben oder Schulbuchern¨ einen Strich Philosoph auf der hin ein kunstlerisches¨ Zentrum. Da- uber¨ dem Mitlaut (Konsonanten) fur¨ ein e oder a, ein Hakchen¨ Pyrenaenhalbinsel¨ neben traten allerdings auch Kairo daruber¨ fur¨ u, oder o, sowie einen Strich unter dem Mitlaut fur¨ und Kleinasien immer mehr in den Vordergrund. ein i oder y. E und o gibt es allerdings nur in den Dialekten. Ein Ruckschlag¨ fur¨ die islamischen Ausbreitungsbemuhun-¨ Die arabische Schrift wurde in ihrer Verbreitung in den letz- gen war allerdings der Verlust der Pyrenaenhalbinsel,¨ welcher ten hundert Jahren stark eingeengt – in der Sowjetunion be- 1492 endgultig¨ besiegelt war. wirkten die stalinistischen Methoden die Einfuhrung¨ der Ky- Infolge der Verbreitung des Is- rilliza, in der Turkei¨ ersetzte Ataturk¨ im Jahre 1928 die bishe- lams (und der geschilderten poli- rige Schrift durch die lateinische. tischen Ereignisse) wurde die ara- Nun wollen wir uns etwas naher¨ bische Sprache und Schrift bald den verschiedenen Schrift-Stilen zu- im Nahen Osten und ganz Nord- wenden. afrika verwendet. Sie verdrangte¨ Nicht lange nach der Auswande- damit die Sprachen und Schriften Arab. Buchstaben a, b, t, s etc. rung des Propheten Mohammed von anderer semitischer Volker.¨ Arabisch wurde zu einer interna- Mekka nach Medina durfte¨ die kufi- tionalen Verkehrssprache, das Wissen jener Zeit wurde damit sche Schriftvariante entstanden sein. weiterverbreitet. Dieser Name stammt von der Stadt Wie schon erwahnt¨ wird die arabische Schrift mit 28 Konso- Kufa in Mesopotamien. Niemand nanten (Mitlauten) geschrieben. Die bei uns ublichen¨ Selbst- kann ergrunden,¨ ob die Schrift wirk- laute (Vokale) fehlen. Das kann bedeuten, dass eine Buchsta- lich dort entstanden ist – auf jeden Historisches Kufi

Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 101

Fall jedoch war Kufa ein bekanntes wissenschaftliches Zen- der Mitte oder am Ende des Wortes stehen. Einzeln stehen- trum dieser Epoche. Der alteste¨ erhaltene Nachweis der ku- de Buchstaben (in unserem Sinne) gibt es in der arabischen fischen Schrift findet sich im Felsendom - einer großen Mo- Schrift nicht. schee in Jerusalem - erbaut im Jahre 72 islamischer Zeitrech- Nach einer Uberlieferung¨ soll zu nung (691 nach Christus). Beginn des zehnten Jahrhunderts der Die Kufi finden wir auf Wesir Mukla diesen Schriftstil unter verschiedenen Baudenkmalern,¨ Berucksichtigung¨ von geometrischen Munzen,¨ Siegeln sowie in Gesichtspunkten und im Hinblick auf Koranniederschriften und Doku- den Rhythmus der Handbewegungen menten. Sie ist gekennzeichnet geschaffen haben. durch kraftige¨ und breite Li- Besonderes Ansehen genossen nien und wirkt ausgesprochen und genießen in den islamischen monumental und dekorativ. Kufi Landern¨ die Schreibkunstler¨ (Kalli- In etwa parallel zur Kufi trat graphen). Diese nahmen sich auch eine weitere Version der arabi- Kalligraphie (Kunstschrift) schen Schrift auf. Neschi (bzw. auch Neshi, Naszi oder Nashki geschrieben) hat eine gerundete- re und geschmeidigere Form. Sie laßt¨ sich viel leichter schreiben Jordanien verwendet auch und verdrangte¨ bis zum 12. Jahr- jetzt noch fallweise die hundert die Kufi total. Kufi-Schrift (rechts oben) Starker¨ als bei der Kufi finden wir bei dieser Schriftvariante die sogenannten Ligaturen – das heißt, dass die Buchstaben untereinander verbunden werden und ihre Form verandern,¨ je nachdem, ob sie am Anfang, in Historische Poststempel in Neschi-Schrift Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 102

bald der Neschi an – viele Korane und andere Dokumente die Riq’a-Schrift oder Req’aa als weitere Abwandlung der zeugen davon. Die Neschi-Schrift hat sich bis in die heutige vorher genannten Stilrichtungen bezeichnen. Sie ist jedenfalls Zeit erhalten. Fur¨ den Abendlander¨ ist es etwas verwirrend, die einfachste Spielart. dass neben dieser Schriftvariante derzeit noch zwei weitere in Gegen Ende des 19. Jahrhun- Verwendung stehen. derts waren viele Gebiete, in wel- Eine davon soll ebenfalls auf den chen arabisch geschrieben wur- Wesir Mukla zuruckgehen.¨ Sie wird de, von fremden Machten¨ (ins- in unserer Literatur mit den verschie- besondere europaischen)¨ besetzt. densten Namen geschrieben Tsu- Im Postwesen kam daher die ara- ” luts“, Thuluth“, (das liegt daran, dass bische Schrift zumeist nicht zum ” sich niemand an die Richtlinien halt,¨ Einsatz (ausgenommen naturlich¨ Riq’a-Variante wie das Arabische ins Lateinische zu Briefanschriften und Absenderangaben). Britische Kolonien ubertragen¨ ist). Die Araber sprechen waren Aden, Agypten,¨ Bahrein, Indien, franzosische¨ Koloni- den Namen Ssoloss“ aus. en Algerien und Mauretanien (als Teil von Franz. Westafrika). Tsuluts-Variante ” Diese Schreibweise der arabi- Die arabische Halbinsel und Tripolis bildeten Bestandteile des schen Buchstaben wird speziell fur¨ Osmanisch-Turkischen¨ Reiches. dekorative Zwecke angewendet – Bis zum Beginn des Zwei- zum Beispiel fur¨ Inschriften an ten Weltkrieges besetzten die Ko- Wanden¨ von Moscheen oder son- lonialmachte¨ noch mehrere Ge- stigen Bauwerken, ebenso fur¨ Zier- biete – die Briten Belutschistan, schriften auf Buchdeckeln etc., we- Eritrea, Sudan und Somaliland, niger fur¨ Koranausgaben. die Franzosen Tunesien, Marok- Nun kommen wir noch zur All- ko, die Italiener Libyen (spater¨ die tagsschrift, wie sie speziell in Agyp-¨ Cyrenaica) und ebenfalls Somali- Riq’a-Variante ten, Jordanien, Syrien und dem Li- Tsuluts-Variante land, die Spanier einen Teil von banon Verwendung findet. Man kann Marokko.

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Die großen Verlierer des Ersten Weltkrieges waren die Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien auf der Landkarte Turken¨ – sie mussten riesige Gebiete abgeben - Syrien, Li- der Staat Israel, dessen Briefmarken zumeist den Landesna- banon, Irak und Transjordanien bekamen unter franzosischer¨ men auch in arabischen Buchstaben tragen, sowie vor einigen bzw. britischer Vorherrschaft eine angebliche Selbstandig-¨ Jahren die Selbstverwaltung in Palastina,¨ deren Postwertzei- keit. Diese Lander¨ verwendeten fur¨ die Briefmarkenbeschrif- chen selbstverstandlich¨ arabisch beschriftet sind. tung bereits auch Arabisch. Die Franzosen hatten fur¨ kurze Knapp vor Entlassung in die Selbstandigkeit¨ finden wir ara- Zeit syrische Gebiete besetzt gehalten (Alawiten-Gebiet und bische Schriftzeichen auf Briefmarken von Spanisch Marok- Latakia). Palastina¨ bekam eine britische Mandatsverwaltung ko, Cyrenaica, Aden, Agypten¨ und Italienisch Somaliland. mit Briefmarken in arabischer, hebraischer¨ und lateinischer Alle diese Kolonien wurden in den 50ern und 60ern des Schrift. 20. Jahrhunderts selbstandig¨ und konnen¨ seither die eigenen Die arabische Halbinsel war Schriftzeichen einsetzen. zeitweise Kampfplatz zwischen Zu 3.) Arabische Schriftzeichen fur¨ nichtarabische Spra- den Scheichtumern¨ Nedschd und chen Hedschas, ehe sich diese beiden Wie schon erwahnt¨ (und wie der kurze geschichtliche Uber-¨ zum Konigreich¨ Saudi-Arabien blick auf den vorangegangenen Seiten zeigte) haben auch zusammenschlossen. In unmittel- nichtarabische Volker¨ den Islam angenommen – und etli- barer Nachbarschaft entstanden che davon schreiben oder schrieben ebenfalls im Alltag bzw. und verschwanden verschiedene auf den Postwertzeichen ihre eigene Sprache mit arabischen Staatengebilde. Die Sudarabische¨ Schriftzeichen. Davon lesen Sie mehr in folgenden Abschnit- Foderation,¨ der Sudjemen¨ und die ten. Trucial-Staaten (Vertragsstaaten) Arabisches Scheichtum bestehen nicht mehr. Dubai, Jemen, Hedschas (1925) 4.8.3 Persische Schrift Kuwait, Oman, Quatar, sowie die Vereinigten Arabischen Emirate existieren noch immer. Alle Dem vorangegangen Teil des Kapitels konnten wir entneh- diese Gebiete verwendeten bzw. verwenden Briefmarken mit men, dass das Gebiet des heutigen Iran bereits im Jahre 642 arabischem Alphabet. unserer Zeitrechnung (Schlacht bei Nihawend) unter den Ein-

Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 104

fluss des Islams geriet. Ungefahr¨ um das Jahr 750 wurde des- den arabischen Buchstaben schreiben zu konnen,¨ mussten vier gleichen Zentralasien endgultig¨ islamisiert. Das hatte unter an- neue Buchstaben eingefuhrt¨ werden. derem die Einfuhrung¨ arabischer Schriftzeichen zur Folge. Das Kaiserreich Persien, 1935 Man schrieb die Neschi-Schrift in Iran umbenannt, gab ab 1868 ei- jedoch mit einer Rohrfeder von gene Postwertzeichen heraus. Seit rechts oben nach links unten und der Revolution 1979 ist der Iran erzielte dadurch einen anderen eine Islamische Republik. Das Gesamteindruck als zuvor. Viel- Nachbarland Afghanistan verwen- leicht spielte dabei zusatzlich¨ die det die selben Schriftzeichen, wel- jahrhundertealte Schriftkultur in che wir auf dessen Briefmarken ab Aserbaidschan – burgerliche¨ Afghanistan diesem Gebiet (aramaisch,¨ sassa- 1871 finden konnen.¨ Bis 1973 war Republik (1919) nidisch u.a.) eine Rolle. Neben Afghanistan eine Monarchie, seither ist es eine Republik mit den Koranversen wurden auch Werke der persischen Dicht- wechselnden Machtverhaltnissen.¨ Fur¨ kurze Zeit wurde in ei- kunst niedergeschrieben. Die heimische Schriftvariante erhielt nem weiteren Staatsgebilde der Region die arabisch-persische aufgrund Ihrer Besonderheiten bald einen eigenen Namen – Schrift fur¨ postalische Wertzeichen und Formulare eingesetzt. ’Nastalik’ (Nestaliq). Sie wurde spater¨ obendrein in der Turkei¨ Es war dies nach Zerfall des russischen Zarenreiches in der unter dem Namen Talik verwendet. Manche Wissenschafter burgerlichen¨ Republik Aserbaidschan von Oktober 1919 bis sprechen in diesem Zusammenhang auch vom Farsi-Stil. April 1920, anschließend in der Sowjet-Republik gleichen Na- Hier soll noch darauf hingewie- mens bis September 1923 der Fall. sen werden, dass in der persischen Durch die Vereinigung mit Armenien und Georgien zur Region Mitte des zweiten Jahrtau- Transkaukasischen Sozialistische Foderativen¨ Sowjetrepu- ” sends die Kunst, Bucher¨ zu illu- blik“ gab es fur¨ kurze Zeit (bis 1924) eigene Briefmarken, strieren, eine so hohe Stufe er- welche Schriftbilder der drei Volksgruppen trugen. Nach dem reichte wie in keiner anderen isla- Zerfall der Sowjetmacht 1992 entschied man sich in Aserbai- mischen Gegend. dschan, allgemein, und daher auch auf den Briefmarken, latei- Um die persische Sprache mit Iran – Nestaliq-Schrift nische Buchstaben zu verwenden.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 105

4.8.4 Urdu-Schrift und das moslemische Pakistan im Jahre 1947 wird in letzte- rem von ungefahr¨ 90 Millionen Menschen Urdu gesprochen Bereits in der Zeit des 7. und und geschrieben, sowie fur¨ die Beschriftung von Postwertzei- 8. Jahrhunderts nach Christus chen und Ganzsachen eingesetzt. wurde im Industal der islami- Man kann auf einzelnen Briefmarken oder Ganzsachen In- sche Glaube von den Eroberern diens auch jetzt noch gedruckte Vermerke in Urdu finden, da durchgesetzt. In diesem Zu- die moslemischen Burger¨ diese Schrift gebrauchen. sammenhang wurde auch die arabische Schrift eingefuhrt.¨ Ungefahr¨ im 13. Jahrhundert 4.8.5 Malaiische Schrift soll sich die Urdu-Sprache ent- Pakistan Sehr weit entfernt vom Aus- wickelt haben. Im 16. Jahrhundert strahlte die persische gangspunkt des Islams finden Schriftkunst bis hierher aus, sowohl die Buchkunst als auch wir ein Gebiet, welches unter die Poesie nahmen einen beachtlichen Aufschwung. anderem von einer sehr großen Auch in diesem Falle war es not- Anzahl von Moslems bewohnt wendig, im Laufe der Jahrhunder- wird. Es sind dies die Staaten te zwecks besserer Schreibbarkeit Malaysia und Indonesien. Be- dem arabischen Grund-Alphabet eini- reits in alten Zeiten war dieses ge weitere Zeichen (diakritische Zei- Malaiische Foderation¨ – Postwertzeichen mit Gebiet immer wieder fremden chen genannt) hinzuzufugen.¨ lateinischen und malaiischen Einflussen¨ ausgesetzt, da samt-¨ Im britisch besetzten Indien gab Schriftzeichen liche Schifffahrtsverbindungen es eine Anzahl von Furstent¨ umern,¨ vom Nahen Osten nach China daran voruberf¨ uhrten.¨ Man die fur¨ interne Post Briefmarken und nimmt an, dass der muslimische Glaube ungefahr¨ vor 700 Jah- Ganzsachen mit Urdu-Schriftzeichen Indischer Feudalstaat ren von arabischen Handlern¨ nach Sudostasien¨ gebracht wur- Jaipur – Schriftzeichen verwendeten. de. In der Folge lernten die Einwohner auch die arabische Urdu, lateinisch und Seit der Aufspaltung dieses Kolo- Schrift kennen und anwenden. Die großen Unterschiede zwi- Devanagar¯ ¯ı nialstaates in das hinduistische Indien

Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 106

schen der arabischen und der malaiischen Sprache erforder- 4.8.6 Osmanische Schrift ten jedoch die Schaffung von Sonderzeichen beziehungswei- Im ersten Jahrtausend unserer Zeit- se verstarkter¨ Punktierungen fur¨ die Selbstlaute. Geschrieben rechnung war Kleinasien noch Be- und gelesen wird auch hier von rechts nach links. standteil des ostromischen¨ christli- Daran anderte¨ auch die Eroberungspolitik der europaischen¨ chen Reiches von Byzanz. Aller- Kolonialmachte¨ nichts. Ende des 19. Jahrhunderts nisteten dings wurde Konstantinopel bereits sich die Englander¨ in Nordborneo ein und gaben hier sowie 715 zum erstenmal von islamischen fur¨ das Teilgebiet Labuan Postwertzeichen und Ganzsachen Truppen belagert. 945-967 fuhrte¨ Saif heraus, die unter anderem Wertangaben in chinesischer und ad Daula etliche Kampfe¨ gegen By- malaiischer Schrift zeigten. zanz an. Man kann sagen, dass bereits Im Verlaufe des zweiten Weltkrieges besetzten die Japa- im 11. Jahrhundert das gesamte ostli-¨ ner die Inseln Sudostasiens,¨ spater¨ kehrten die Kolonialherren Astrologisches Werk aus che Kleinasien in islamischem Besitz zuruck.¨ In Indonesien waren dies die Hollander,¨ die jedoch dem 15. Jahrhundert war. keinerlei arabische Symbole auf den Briefmarken aufscheinen Ungefahr¨ um 1300 grundete¨ der ließen. turkische¨ Feldherr Osman eine Herr- Anders die Briten in der Ma- scherfamilie, die 600 Jahre lang das laiischen Foderation.¨ Hier gab es Schicksal des turkischen¨ Staates so- fur¨ jedes Sultanat eigene Post- wie Osteuropas und Nordafrikas be- wertzeichen, die oft auch ma- stimmen sollte. laiische Schriftzeichen aufwiesen. 1453 wurde die Stadt Konstanti- Die 1963 gegrundete¨ Vereinigung nopel erobert und anschließend be- Brunei Darussalam Malaysia“ verwendete im Post- ” setzten turkische¨ Truppen die Balkan- wesen ebenfalls manchmal die malaiischen Buchstaben. Das halbinsel und drangen bis Ungarn und im Norden der Insel Borneo (malaiische Inselgruppe) gelege- Wien vor. Ihnen folgten die Islami- ne islamische Sultanat Brunei benutzt seit seiner Unabhangig-¨ Tawqi-Schrift sierung und die Einfuhrung¨ der ara- keit (1984) auf den Briefmarken malaiische Schriftzeichen. bischen Schriftzeichen auf dem Fuße.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 107

Wenn auch heute noch furchteinfloßen-¨ Im Zuge von Kampfen¨ gegen Bulgari- de Schilderungen dieser Zeit nachzulesen sche Invasionstruppen riefen moslemische sind, darf man nicht glauben, dass das Freischarler¨ 1913 ein autonomes Gebiet Reich der Osmanen kulturell ruckst¨ andig¨ Westthrakien aus und druckten auch eige- gewesen sei. Im Gegenteil, die Schreib- ne Briefmarken in Osmanisch. Ahnliche¨ kunst (Kalligraphie) sowie die Kunst, Mi- Beweggrunde¨ zur Herausgabe von Post- niaturen (Kleinstgemalde)¨ zu malen, wa- wertzeichen hatten moslemische Gruppen ren weit verbreitet. Sogar einige der Sulta- in Albanien, die 1915 die Herrschaft des ne sollen begnadete Kunstler¨ auf dem Ge- Fursten¨ Wilhelm von Wied nicht anerken- biet der Schonschrift¨ gewesen sein. nen wollten. Ta’liq-Schrift Mittelalbanien Die turkische¨ Sprache hatte wahrend¨ der (1915) – Ausgabe Osmanenherrschaft einige Veranderungen¨ mitgemacht, sodass umstritten! das einfache Volk ganz anders sprach, als bei Hofe oder in Beamtenkreisen gesprochen und geschrieben wurde. Postwertzeichen mit osamanischen Schriftzeichen konnen¨ wir in der Turkei¨ von 1863 bis 1929 finden. Nach Anweisung des Berliner Kon- gresses wurde 1878 ein turkischer¨ Be- zirk im jetzigen Sudbulgarien¨ zur au- tonomen Provinz Ostrumelien“ erklart.¨ ” Es wurden daher von 1881-1884 Brief- marken mit osmanischen, bulgarischen Ostrumelien (1881) und lateinischen Schriftzeichen ausgegeben. 1885 marschier- ten bulgarische Truppen ein und uberdruckten¨ die Postwerzei- chen mit dem bulgarischen Lowen.¨ 1908 wurde das Gebiet Ganzsache mit Zusatzfrankatur aus der besetzten Region Cilicien“ ” ganz offiziell in den bulgarischen Staat eingegliedert. Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 108

Eine ganz andere Situation fuhr¨ - Landessprache Dhivehi. So liegt es auch nahe, dass sich die te zur Ausgabe von Postwertzeichen 240.000 Einwohner der Malediven nicht Malediver“ sondern ” und Ganzsachen mit osmanischen so- Dhivehi nennen. wie lateinischen Schriftzeichen und Durch die seit Jahrhunderten engen Kontakte mit den ara- dem Aufdruck Cilicie“. Nach dem bischen Landern¨ ergab sich auch die Verbreitung des Islams ” Ende des Ersten Weltkrieges hielten auf den Inseln – und verhaltnism¨ aßig¨ spat¨ (im 18. Jahrhun- ab 1919 britische und franzosische¨ dert) wurde dann die eigene Schrift “ mit 23 Buchsta- ” Truppen ein kleines Gebiet im asiati- ben eingefuhrt,¨ die sich sehr stark am Arabischen orientiert. schen Teil der Turkei¨ besetzt. Es war Wie bei diesem gibt es bei der Thaana keine Vokale, wes- dies die Provinz Icel mit der Haupt- Re’qa-Schrift halb Markierungszeichen unter oder uber¨ den 18 Konsonanten stadt Adana. Die Briten zogen sich (Mitlauten) verwendet werden. Eine logische Folge dieser na- 1920 wieder zuruck.¨ Die Franzosen blieben bis 1921 und uber-¨ hen Verwandtschaft zum Arabischen ist obendrein, dass von gaben dann die Macht an die turkische¨ Regierung. rechts nach links geschrieben wird.

4.8.7 Maledivische Schrift (Thaana) 4.8.8 Alt-Amharisch, Athiopisch¨ Wenn Sie die Lage der Maledi- und Eritreisch ven auf der Landkarte betrachten, Trotz Widerstandes meines wissenschaftlichen Beraters ziehe wird es Ihnen nicht verwunder- ich diese Gruppen hier zusammen. lich erscheinen, dass es in die- Die Urahnen der heutigen Athiopier¨ stammten aus dem sem Inselreich infolge der Entfer- sudlichen¨ Arabien und hatten um die Zeitenwende das erste nung zum Festland einige Sonder- abessinische Reich an den einander gegenuberliegenden¨ Ufern entwicklungen gab. Islamische Republik des Roten Meeres gegrundet.¨ Inschriften in altabessinischer Zuerst einmal entwickelte sich Malediven Schrift sind bereits aus dem 4. Jh. n. Chr. bekannt. Die Her- dort eine Sprache, deren Urform von ubers¨ Meer gekommenen kunft der Schrift wird auf die sabaische¨ und damit auf die Einwanderern ca. 500 Jahre vor Christus mitgebracht wurde. aramaische¨ zuruckgef¨ uhrt.¨ Diese Mundart entfaltete sich vom einstigen Elu zur heutigen Inhaltsverzeichnis – Index 4.8. Arabische und athiopische¨ Schriften 109

Die ersten Texte sind noch ohne christliche Religion annahmen. Diesen Glauben hat ungefahr¨ Vokale, doch bald ergab es sich, dass die Halfte¨ der Athiopier¨ bis heute beibehalten, obwohl durch in der altabessinischen Schrift be- die Islamisierung Agyptens¨ und des Sudans die direkten Ver- reits alle Selbstlaute verwendet wur- bindungen zu anderen christlichen Gebieten seit Jahrhunder- den, die es auch heute in der moder- ten unterbrochen sind. nen abessinischen oder amharischen Im 13. Jahrhundert bildete sich Schrift gibt. Dies geschieht jedoch Athiopien¨ zu einem geschlossenen nicht durch eigene Zeichensetzung, Staatsgebilde, unter einem Kaiser, sondern durch veranderte¨ Schreibung Negus“ genannt, aus. 1894 wurde ” Briefmarke von Athiopien¨ des Stamm-Mitlautes. Das Erschei- zuerst einmal durch einen Minister ei- – Motiv: die Zahl 75 nungsbild der Buchstaben hat sich ne Privatpost eingerichtet, seit 1908 seither allerdings kaum verandert.¨ Geschrieben wurde anfangs betreibt der Staat die Post selbst und von rechts nach links, spater¨ umgekehrt. gibt Briefmarken mit athiopischen¨ Da die Sprache im heutigen Schriftzeichen heraus. 1936 besetz- Athiopien¨ von der Sprache der te Italien das Landesgebiet – auf den ehemaligen Eroberer abweicht, Eritrea – eritreisch, Besetzungsausgaben scheinen jedoch mussten einige zusatzliche¨ Buch- arabisch und lateinisch nur lateinische Buchstaben auf. 1941 staben eingefugt¨ werden. Die kehrte der Negus Haile Selassie zuruck.¨ Nach Ende des zwei- athiopische¨ Schrift verfugt¨ uber¨ ten Weltkrieges wurde die italienische Kolonie Eritrea mit 26 Zeichen und tragt¨ den Na- Athiopien¨ vereinigt. 1974 setzte das Militar¨ den Kaiser ab men Ge’ez. Wie schon erwahnt,¨ Athiopien¨ und 1993 erlangte Eritrea die staatliche Unabhangigkeit.¨ Auf verandert¨ sich die Schreibung der Mitlaute je nach den damit den Postwertzeichen Eritreas sind seither neben lateinischen zusammenhangenden¨ Selbstlauten, was einer Zeichenvielfalt Buchstaben noch arabische und eritreische Schriftzeichen zu von 182 (=7x26) entspricht. finden. In der Fachliteratur habe ich vergebens nachgesehen, Die eigenstandige¨ Entwicklung der Schrift und des Staats- aber mein wissenschaftlicher Berater erklart¨ mir, dass es eine gebildes ab der Zeitenwende kann auch darauf zuruckgef¨ uhrt¨ eigene eritreische Schrift (genannt Tigrinya) gibt. werden, dass die Abessinier bereits im vierten Jahrhundert die

Inhaltsverzeichnis – Index 4.9. Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ 110

4.9 SCHRIFTENVIELFALT IN INDIENUND tenherrscher Vis.n.u (Vischnu) und Siva´ (Schiva) abgelost.¨ Der SUDOSTASIEN¨ Hinduismus basiert auf einer Kasteneinteilung unter Leitung der Brahmanen. 4.9.1 Uberblick¨ Gegen dieses Kastendenken und auch die Veda wandte sich Wir haben uns in Kapitel 3.5 schon einmal mit dem Teilkon- Prinz Siddharta Gotama, wel- tinent Indien befasst, jedoch ist noch nicht nachgewiesen, ob cher im 5./4. Jahrhundert vor eine Verbindung zwischen der sogenannten Indus-Kultur und Christus lebte, und dem man den in diesem Kapitel geschilderten Schriftentwicklungen be- spater¨ als Auszeichnung den Na- steht. Buddhistischer Text men Buddha, der Erleuchtete“ ” Vor ungefahr¨ 4000 Jahren dran- auf Birkenrinde gab. Die Religion des Buddhis- gen kleinere Stammeseinheiten und mus verbreitete sich bald uber¨ große Teile Asiens. In Indien Gruppen von Nordwesten her in das war sie ungefahr¨ ein Jahrtausend Staatsreligion, bis sie wie- Indus-Tal ein, die bekanntesten da- derum vom Hinduismus verdrangt¨ wurde. von waren die Indoarier, welche mit Geschichtlich kann der indi- den Iraniern verwandt waren. Mogli-¨ sche Subkontinent auf ein be- cherweise brachten sie auch schon die wegtes Schicksal zuruckblicken.¨ aramaische¨ Sprache mit. Im Verlaufe Waren vor ca. 2700 Jahren von 1000 Jahren hatte dieses Volk fast verschiedene Staatengebilde die gesamte indische Halbinsel be- mit diversen Herrscherfamilien Schriftzeichen Advaita“ setzt. In seinen religiosen¨ Gesangen¨ zu finden, vereinigte spater¨ die Faltbuch ” = brahmanische Lehre (den Veden) trat Indra als Herr des Maurja-Dynastie das Gebiet – der machtigste¨ Reprasentant¨ Himmels auf, spater¨ kam die Lehre vom Brahman, der dieser Familie war Konig¨ Asoka´ (272-231 vor Chr.). Nach Weltentsagung, dazu. Lange Zeit mussten diese umfangrei- einem vorubergehenden¨ Zerfall dieses Reiches einte von chen Hymnensammlungen auswendig gelernt werden, ehe die 320-515 nach Chr. die Gupta-Familie das Gebiet nochmals. ersten Schriftsysteme aufkamen. Ungefahr¨ zu unserer Zeiten- Anschließend kam es zur Zerstorung¨ durch Eindringlinge wende wurden diese Gottheiten durch die hinduistischen Wel-

Inhaltsverzeichnis – Index 4.9. Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ 111

aus Innerasien. Und nochmals entstand ein Großreich - jenes krit“, welches von damals bis heute neben den Dialekten der des Harscha (606-647) im Norden sowie einige kleinere im Allgemeinheit ein Sonderleben fuhrte.¨ Suden.¨ Schriften zum Anbeginn Ab ca. 1000 traten islamische Eroberer auf, hauptsachlich¨ Durch die die Verschiedenheit der Volksgruppen, Religio- handelte es sich um verschiedene afghanische Sultane. Doch nen und Sprachen ergibt sich naturlich¨ auch bei den Schriften als sich diese untereinander zu bekriegen begannen, war die eine fast unubersehbare¨ Vielfalt. Zeit der Mongolen gekommen, welche um ca. 1400 eindran- Im Folgenden wird versucht, auf jene Schriften einzugehen, gen und erst vor den Europaern¨ weichen mussten, welche im die auch philatelistisch eine Rolle spielten bzw. spielen. Es 17. Jahrhundert begannen, das Gebiet zu erobern. Dies waren soll hier auch nochmals darauf hingewiesen werden, dass die insbesondere Briten, Portugiesen und Franzosen. Wissenschafter den indischen Schriftkulturkreis auf das Ge- Die Sprachen auf dem indischen Teilkontinent und in biet von Tibet im Norden, bis Indien bzw. Ceylon im Sudwe-¨ Hinterindien: sten, sowie Hinterindien und auch noch einige Inseln Indone- Wir finden eine große Anzahl sien im Sudosten¨ beziehen. von Sprachen bzw. Dialekten, welche zu drei großen Volks- bzw. 4.9.2 Kharosth¯ı (Bactarian) Sprachfamilien (indoarisch, dra- .. widisch und austroasiatisch) zu Wie schon erwahnt,¨ konnten¨ be- zahlen¨ sind. Die großte¨ Gruppe ist reits die arischen Eroberer die die indoarische. Im Suden¨ Indiens aramaische¨ Sprache und Schrift leben noch Nachkommen der dra- Zitat aus einem Werk von mit nach Indien gebracht haben. widischen Ureinwohner und in Tulsi-Das (1532-1624) in der Auch persische Invasoren haben Hinterindien die Vertreter der au- Hindi-Sprache dasselbe getan. Aus dieser Grund- stroasiatischen Gruppe. Kharos.t.h¯ı-Text lage hat sich die erste einheimi- Besonders zu erwahnen¨ ist eine Gelehrten- und Kultur- sche Schrift, das Kharosth¯ı“ entwickelt. Man findet sie auf ” ” .. sprache“, wie sie bei uns etwa das Lateinische war. Bereits Munzen,¨ Felsinschriften und in Gesetzestexten des großen einige Jahrhunderte vor Christi Geburt fixierte der Sprachwis- Konigs¨ Asoka´ auf Felsen und Steinpfeilern. senschaftler Pan¯ ini Teile der altindischen Sprache zum Sans- . ” Inhaltsverzeichnis – Index 4.9. Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ 112

Die Kharos.t.h¯ı-Schrift ist linkslaufig¨ und hat etliche neue Spielarten der Brahm¯ ¯ı-Schrift Buchstaben fur¨ Laute, die es im Aramaischen¨ nicht gab. Ge- sind oft nur kurze Zeit im Ein- schrieben wurde damit die Sprache Prakrit.¯ Im Gegensatz zum satz und finden sich in der alte-¨ folgenden Brahm¯ ¯ı gab es beim Kharos.t.h¯ı keine abgeleiteten ren Zeit auf Felswanden,¨ Steinplat- Nachfolgeschriften. ten und Munzen.¨ Spater¨ verwende- te man zum Beschriften auch Bir- ¨ ¨ 4.9.3 Brahm¯ ¯ı-Alphabet Textauszug der Asokas´ aule¨ kenrinde, Palmblatter und naturlich in Brahm¯ ¯ı-Schrift Papier, wobei dieses auch in Bah- Ungef ahr¨ zur selben Zeit wie nen wie ein Buch zusammengefaltet wurde. das vorher angefuhrte¨ Kharos.t.h¯ı Die Brahm¯ ¯ı-Schrift hat freistehende Schriftzeichen (zu- entstand die Brahm¯ ¯ı-Schrift. Der meist) ohne Verbindungsstriche. Man zahlt¨ 39 Buchstaben, Name soll angeblich vom Gott ungefahr¨ gleich viele Mitlautverbindungen“ und auch noch ” Brahma“ stammen, man findet in einige verbundene Selbstlaute. ” der Literatur jedoch auch die Be- Asoka-S´ aule¨ u. Textauszug zeichnung Asoka-Schrift“´ oder ” 4.9.4 Gupta-Schrift von deren Beschriftung Magadhisch“. Man geht davon ” aus, dass alle indischen Schriftsysteme der letzten 2000 Jahre auf dieser Ur-Schrift“ basieren. ” Das Brahm¯ ¯ı-Alphabet bestand schon zur Zeit des großen Konigs¨ Asoka´ und wurde bereits damals rechtslaufig¨ geschrie- ben. Wie des ofteren¨ streiten auch hier die Gelehrten, wo- von sich diese Schrift abgeleitet habe – die meisten schließen sich jedoch der Theorie an, sie sei um ca. 800 bis 500 vor Christus entstanden und es handle sich um einen Ableger des Munzen¨ mit Gupta-Schrift aramaischen¨ Alphabets, sei jedoch teilweise ein eigenstandige¨ Schopfung¨ der (indogermanischen) Inder. Um 250 v. Chr. war die Brahm¯ ¯ı-Schrift schon in ganz Indien bekannt. Inhaltsverzeichnis – Index 4.9. Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ 113

Wie gesagt, hatte die Brahm¯ ¯ı-Schrift viele Abarten – die er- gende Konsonanten ohne A dazwischen werden miteinander ste davon, die uberregional¨ Bedeutung gewann, war die Gupta- verbunden (Ligaturen) – dazu spater¨ noch mehr. Schrift (ca. 4. Jahrhundert). Ihr Name kommt von einem be- kannten Herrschergeschlecht. 4.9.6 Devanagar¯ ¯ı Auch aus dieser Schrift entwickelten sich sofort wieder ei- nige Schriftsysteme, die philatelistisch nicht nachweisbar sind Die wichtigste Nachfolgeschrift und daher hier vernachlassigt¨ werden. der oben erwahnten¨ Gupta“ war ” im 7. Jahrhundert die Nagari- 4.9.5 Schriften der jungeren¨ Zeit Schrift, die in der heutigen Form Devanagar¯ ¯ı“ heißt. Seit ca. 1050 ” Ungefahr¨ 200 Schriftarten soll es bei den brahmanischen und nach Chr. finden wir diese Schrift buddhistischen Volkern¨ Asiens derzeit geben, die auf die immer haufiger,¨ besonders in der vorher besprochene Brahm¯ ¯ı-Schrift zuruckzuf¨ uhren¨ sind. Die Handschrift Mahatma Gandhis Sanskrit-Literatur. Auch die Spra- Fachleute sprechen von einer nordlichen¨ und sudlichen¨ Grup- che Hindi, die mehr als 160 Millionen Menschen eigen ist, pe, was aber in diesem Kapitel nicht allzu sehr ausgearbeitet wird in dieser Schrift festgehalten. Allerdings wird dieser wird (wer daruber¨ mehr wissen will, wird auf die im Anhang Sprache nachgesagt, dass sie durch die Schwankungen in der genannten Bucher¨ verwiesen). Aussprache schwer zu erlernen sei. Ich mochte¨ noch darauf Die indischen Schriftzeichen hinweisen, dass Hindi im Jahr 1956 anstelle des Englischen werden, anders als bei unserem zur indischen Staatssprache eingesetzt wurde, nachdem Indien Alphabet, nach Gruppen geglie- bereits 1947 von Großbritannien unabhangig¨ geworden war. dert, Selbstlaute, Zwielaute, so- Weiters ist die Tatsache interessant, dass Hindi nur von den wie sieben Gruppen von Mit- Hindus in Devanagar¯ ¯ı geschrieben wird, Moslems verwenden Ligaturen lauten (Kehllaute, Gaumenlaute dafur¨ eine arabische Schrift mit Sonderzeichen (Urdu, siehe usw.). Im Wort ist davon auszugehen, dass jedem Mitlaut ein Kapitel 4.8.4). nicht geschriebenes A anhangt,¨ andere Selbstlaute nach einem Um im Zusammenhang zu bleiben, sei erwahnt,¨ dass auch Mitlaut werden durch Hilfszeichen angezeigt. Aufeinanderfol- unzahlige¨ andere Sprachen in Devanagar¯ ¯ı geschrieben werden.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.9. Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ 114

Anfangs wurden auch die Buchsta- Dass diese Schrift stets im ben der Devanagar¯ ¯ı“ ohne Verbin- Wandel begriffen ist, zeigt sich in ” dung hintereinandergeschrieben. Fur¨ gedruckten Texten, wo die Kopf- die neuere Form der Devanagar¯ ¯ı“ ist leisten zum Teil variiert werden. ” bezeichnend, dass die von links nach Man spricht daher inzwischen von rechts verlaufenden Worter¨ durch einer Alltags-Nagari. Striche uber¨ den Buchstaben (Ligatu- Ab der zweiten Halfte¨ des 19. ren genannte Verbindungen) gekenn- Jahrhunderts bis zur Beendigung Nepalesische Nationalhymne zeichnet sind und Zusatzzeichen so- der britischen Kolonialherrschaft gab es immer wieder Ver- wie Punkte fur¨ Laute sowie Zahlen- zeichen enthalten. Alles in allem wird gesagt, dass die Schrift durch die- ses System sehr schwer zu lesen sei. Alte Form der Devanagar¯ ¯ı Zwischendurch ging man sogar dazu – ohne Verbindungslinien uber,¨ Linien uber¨ das Blatt zu ziehen und daran die Buchstaben sozusagen anzuhangen“.¨ ” Man kennt keine Unterschiede von großen“ und kleinen“ ” ” Buchstaben. Die Devanagar¯ ¯ı besitzt 51 bis 53 Zeichen. Bereits in vorchristlicher Zeit haben die einheimischen Grammatiker das Alphabet nach phonetischen Prinzipien geordnet. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind die Inder die Schopfer¨ unseres Zahlensystems, welches die Araber nur weiterver- mittelt haben. Die indischen Einer-Zahlen waren ursprung-¨ lich (zumeist wenigstens) Abkurzungen¨ der Anfangsbuchsta- ben der betreffenden Zahlworter.¨ Postkarte des Indischen Feudalstaates Holkar

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trage¨ zwischen der Postverwaltung des britisch-indischen Kai- Verstandlicherweise¨ blieb die serreiches und einzelnen Feudalherrschern, in welchen den -Schrift dem Einfluss der Maharadschas und Fursten¨ gestattet wurde, fur¨ den Inlands- Devanagar¯ ¯ı nicht ganz verschlossen. postverkehr eigene Briefmarken und Ganzsachen zu verausga- Sie hat ebenfalls die uber¨ den Wortern¨ ben. Neben Postwertzeichen mit lediglich lateinischen Buch- stehende Schreiblinie, die einzelnen staben gibt es fur¨ eine große Zahl dieser Teilstaaten Briefmar- Buchstaben sind aber unter sich nicht ken mit Devanagar¯ ¯ı-Schrift, jedoch auch mit anderen Alpha- zusatzlich¨ verbunden. 35 Mitlaute beten (siehe einzelne Unterkapitel). In Nepal wird ebenfalls und neun Kennzeichen fur¨ Selbstlaute die Devanagar¯ ¯ı-Schrift verwendet, daher auch deren Einsatz werden von Strichsymbolen erganzt,¨ im Postwesen. welche zumeist fur¨ die Lesbarkeit des Aufgrund der stark verflochtenen Lebensraume¨ von Hindus Feudalstaat Faridkot – Textes wichtig sind (Satzende, Absatz und Moslems gibt es sogar vereinzelt pakistanische Briefmar- im Ring Gurmukhi, etc.). Diese Schrift finden wir auf ken mit Devanagar¯ ¯ı-Schriftzeichen. sonst Urdu-arabisch einigen indischen Ganzsachen sowie wenigen Briefmarken und Ganzsachen des Feudalstaates 4.9.7 Gurmukhi-Schrift Faridkot. Dieser lag im Gebirgszug Pandschab (Punjab), deshalb teilweise auch die Bezeichnung Punjab-Schrift“. ” Eine andere Nachfolgeschrift der Brahm¯ ¯ı (uber¨ die Gupta) ist die Gurmukhi-Schrift. Sie wird von den Sikhs verwendet, wel- 4.9.8 Bengali-Schrift che damit hauptsachlich¨ ihre religiosen¨ Texte aufzeichnen. Als Entwerfer der Schrift wird der Guru Angad genannt, welcher Es war vor ungefahr¨ 1200 Jah- die Schrift im derzeitigen Verbreitungsbereich – dem Punjab ren, als sich von der alten Naga- Nordindiens - unter dem Volk verbreitete. ri eine Schrifttype abzweigte, die Der Name der Schrift bedeutet Stimme des Gurus“, wel- spater¨ als Proto-Bengali bezeich- ” cher wiederum ein religioser¨ Fuhrer¨ ist, der dem Glaubigen¨ net wurde. Wiederum 500 Jahre gegenuber¨ eine betrachtliche¨ Autoritat¨ besitzt. spater¨ ging daraus das Bengali- Alphabet hervor, welches viele ei- Briefmarke von Bangladesch Inhaltsverzeichnis – Index 4.9. Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ 116

genstandige¨ Buchstabenformen aufzuweisen hat. Es findet zur uber¨ den einzelnen Wortern.¨ Ansonsten sehen die einzelnen Zeit rund um den Golf von Bengalen Verwendung. Die Spra- Buchstaben jenen anderer Systeme sehr ahnlich.¨ che Bengali wird von mehr als 60 Millionen Menschen ge- Oriya ist eine der sprochen. Uber¨ Indiens Grenzen hinaus wurde diese Sprache amtlichen Schriften und Schrift durch den Dichter und Nobelpreistrager¨ Rabindra- des Vielvolkerstaates¨ nath Tagore bekannt. Wenn man die Schrift betrachtet, kann Indien und daher auch man die Verwandtschaft mit der Devanagar¯ ¯ı nicht ableugnen. Ganzsachenzudruck der auf Ganzsachenzu- Jedoch ist auch die freiere Verwendung von Linien und Buch- indischen Post in Orija drucken zu finden. In stabenfiguren augenscheinlich. der Kolonialzeit gab es fur¨ einige Jahre Postwertzeichen des Da die Bengalischrift Maharadschas von Bamra mit Orija-Schrift. zu den offiziellen indi- schen Schriften gehort,¨ 4.9.10 Gujarati finden wir sie des ofte-¨ ren auf indischen Ganz- Zudruck auf einer indischen Ganzsache Eine weitere Schrift, der eine Abstammung vom bengalischen sachen. Ganz besonders in Bengali-Schrift Alphabet nachgesagt wird, finden wir in einem geographisch wichtig ist sie jedoch fur¨ die Postwertzeichen des Staates weit entfernten Gebiet. An der Grenze zu Pakistan im Nord- Bangladesch, wo sie seit dessen Unabhangigkeit¨ von Pakistan westen Indiens kommt die Gujarati-Schrift zum Einsatz. (1971/72) offizielle Schrift ist. Die damit fixierte Sprache Gujarati ist Amtssprache des Bundesstaates Gujarat, der auch die Halbinsel Kathiawar am 4.9.9 Orija (Oriya) Arabischen Golf umfasst. Man vermutet mehr als 40 Millio- nen indischer Staatsburger,¨ die sich dieser Sprache und der In Ostindien, am Golf von Bengalen, konnen¨ wird eine Schrift dazugehorigen¨ Schrift bedienen. Auch diese Schrift verzich- finden, die dem Bengali sehr nahe steht. Im Bundesstaat Orissa tet auf die Verbindungslinien uber¨ den einzelnen Buchstaben. und dessen Umgebung wird Oriya von ungefahr¨ 30 Millionen Zu Zeiten des britischen Kolonialreiches gaben etliche Feu- Menschen gesprochen und geschrieben. Anders als bei vielen dalstaaten (Idar, Jasdan, Morvi, Nawangar und Soruth) Brief- anderen indischen Schriften finden sich hier keine Leitlinien marken mit Gujarat-Schriftzeichen heraus.

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Geschichtlich ist bekannt, dass im 7. Jahrhundert ein Konig¨ namens Srongtsan-Gampo in Lhasa eine Burg erbaute und das Reich einte. Entgegen der bisherigen Uberlieferung¨ ist anzu- nehmen, dass die tibetische Schrift von Indien (Gupta-Schrift) uber¨ West-Zentralasien nach Tibet kam, da es entsprechende Schriftzeugnisse aus dem 8. und 9. Jahrhundert in Turkestan gibt. Der Buddhismus hatte starken Widerstand zu uberwinden,¨ ehe er sich in Tibet ansiedeln konnte und mit heimischen Elementen (Damo-¨ nenglauben) zum Lamaismus wan- delte. Statten¨ des Schrifttums waren die Kloster,¨ wobei die Schrift immer Konigreich¨ Jasdan“ – sowohl Briefmarke, Stempel mehr verandert¨ wurde. Im 13. Jahr- ” als auch Anschrift zeigen Gujarati-Schriftzeichen hundert ergriffen die Monche,¨ deren Oberhaupt jeweils den Titel Dalai- Lama tragt,¨ endgultig¨ die Macht. Ortstagesstempel der Ungefahr¨ im Jahre 1700 uber-¨ 4.9.11 Tibetisch modernen chinesischen Post nahm der Kaiser von China den in chinesisch und tibetisch Auf der Hochflache¨ nordlich¨ des Himalaya ( Statten¨ des Schutz Tibets. Seit Beginn der in- ” Schnees“) liegt Tibet mit vier Millionen Einwohnern und der nerchinesischen Probleme (19./20. Jahrhundert) versuchte Ti- Hauptstadt Lhasa ( Sitz der Gotter“).¨ Die Tibeter gehoren¨ zur bet sich vollkommen selbstandig¨ zu machen. Nach voruber-¨ ” sino-tibetischen Gruppe, was sowohl an den Worten mit je ei- gehender Eroberung durch chinesische Truppen (1909-1912) ner Silbe als auch an den verschiedenen Tonen¨ der Aussprache garantierten Russland, Frankreich und England die tibetische zu erkennen ist. Unabhangigkeit.¨ 1950 begann die rotchinesische Armee mit

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der Besetzung Tibets und gliederte dieses in die Volksrepublik China ein. Die Tibetische Schrift verfugt¨ uber¨ 30 Mitlaute, vier Selbst- laute und etliche Symbole fur¨ zusammengesetzte Laute sowie Buchstabenverbindungen. Die sinotibetischen Tonunterschie- de in der Sprache sind im Text nicht ersichtlich. Die Schrift verfugt¨ uber¨ eine besondere Ausstrahlung und anziehendes Ebenmaß. Sachlich wirkt sie durch die energisch durchgefuhr-¨ ten Geraden, die alle Buchstaben betreffen. Sie ist in mehreren Spielarten zu finden, die zwischen Blockschrift und Schreib- schrift variieren. Es gibt auch einige Abarten der tibetischen Schrift fur¨ Volksstamme¨ in China, sowie die Passepa-Schrift fur¨ die Mongolei. Lange Zeit bevorzugte man in Ti- bet den Holzblockdruck, ein Verfah- ren bei welchem die Textseiten in Birkenholztafeln eingeschnitten, mit Rußfarbe geschwarzt¨ und auf Papier abgezogen wurden. Seit Beginn der christlichen Missionierung hat man in Europa Metallbuchstaben fur¨ die tibe- tische Schrift angefertigt. Philatelistisch konnen¨ wir die tibe- Brief aus den Dreißigerjahren, Briefmarke an der Ruckseite¨ angebracht tanische Schrift auf chinesischen Be- setzungsausgaben von 1909-12, so- Konigreich¨ Bhutan

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wie auf Postwertzeichen des unabhangigen¨ Staates Tibet von che ist Singhalesisch. Wenn man der Sage glauben kann, 1912 bis 1950 nachweisen. Die Volksrepublik China ver- brachte der Sohn Konig¨ Asokas,´ Prinz Mahinda den Buddhis- wendet Poststempel, die den Ortsnamen zweisprachig (chi- mus nach Ceylon.. nesisch/tibetanisch) zeigen, was in diesem Falle auch zwei Aus der bekannten Brahm¯ ¯ı- Schriftsysteme bedingt. Schrift hatte sich zwischendurch Nicht vergessen durfen¨ wir, dass im Himalaya-Staat Bhu- eine sogenannte Pali-Schrift ent- tan seit ungefahr¨ 1200 Jahren tibetische Volksstamme¨ wohnen wickelt, die wiederum Grundla- und daher auch in diesem Lande die Briefmarken tibetische ge der heutigen Schrift ist. Man Schriftzeichen tragen. kann auch noch den Einfluss der Schonschreibkunst¨ erkennen, die 4.9.12 Singhalesisch hauptsachlich¨ auf Palmblattern¨ Landesbezeichnung Ceylon ausgeubt¨ wurde. Die singhalesi- Die Insel Ceylon, wie sie die Briten nannten, oder Sri Lan- schen Buchstaben weisen einzigartige zarte, schwungvolle ka, wie sie von den Einheimischen bezeichnet wird, blickt Bogen und Kreisformen auf. auf mehr als zweitausend Jahre kultureller Eigenentwicklung Seit 1796 befand sich die Insel in britischem Besitz, erst zuruck.¨ Sie war bereits den Griechen und Romern¨ des Alter- seit der Unabhangigkeit¨ Ceylons (1948) tragen die Postwert- tums bekannt. Uber¨ die nachfolgende Zeit gibt es Zeugnisse zeichen auch singhalesische (und tamilische) Schriftzeichen. in altindischen Epen. Dies blieb auch so, als sich der Staat im Jahre 1972 aus dem Die nunmehr auf Commonwealth loste¨ und den Namen Sri Lanka (auch Shri dem Großteil der Lanka) annahm. Insel lebenden Sin- ghalesen (indoari- 4.9.13 Telugu sche Stamme)¨ ka- men vor 2500 Jah- Wenn wir uns dieser Schrift zuwenden, muss erwahnt¨ wer- Abdruck einer Frankiermaschine – jeweils ren vom Indischen den, dass sie von den Wissenschaftlern den sudindischen¨ ” erster Teil Singhalesisch und zweiter Teil Tamil Festland. Ihre Spra- Schriften“ zugeordnet wird. Dies deswegen, weil die Benut-

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zer zu den drawidischen Volkerst¨ ammen¨ gerechnet werden, 4.9.14 Kanaresische Schrift die bereits vor Einwanderung der Indo-Arier auf der Halbin- Eng verwandt mit sel wohnhaft waren. der vorher erwahnten¨ Damit zusammenhangend¨ wird angenommen, dass die Telugu-Schrift ist die sudindischen¨ Sprachen“ sich aus der sogenannten Indus- ” kanaresische – auch kar- Kultur (Siehe Kapitel 3.5.1) weiterentwickelt hatten.¨ Ande- natische oder Kannada rerseits seien die Schriften aus der Brahm¯ ¯ı hervorgegangen. Ganzsachenzudruck in Kannada-Schrift genannt. Von mehr als 20 dravidischen Sprachen“ ist Kana- Jedenfalls ist es sicher, dass es vor ungefahr¨ 1000 Jahren be- ” resisch eine der vier, fur¨ welche eine eigene Schrift verwendet reits eine alt-kanaresische Schrift gab, aus welcher sich unter wird. Ungefahr¨ 5 Millionen indischer Staatsburger,¨ die jene anderem die Telugu-Schrift herauskristallisiert hat. Schrift und die Sprache gleichen Namens anwenden, leben im Suden¨ der großen Halbinsel, genauer gesagt im Bundesstaat Karnataka, sowie in den angrenzenden Bundesstaaten Andhra Pradesh und Tamil-Nadu. Auch fur¨ diese Schrift soll es philatelistische Zeugnisse aus der Kolonialzeit geben, welche jedoch in den mir vorliegenden Katalogen nicht erwahnt¨ werden. Teilansicht einer Postkarte von Haidarabad – in diesem Feudalstaat Andererseits habe ich in meiner Sammlung eine indische wurde neben Telugu (3. Zeile) noch Urdu, Latein und Devanagar¯ ¯ı geschrieben Ganzsache mit Zudruck in Kanaresisch gefunden. Telugu-Zeichen finden wir auf Briefmarken und Ganzsa- chen welche in Ubereinkunft¨ mit der Kolonialmacht Großbri- 4.9.15 Malayam tannien fur¨ den Furstenstaat¨ Haidarabad ausgegeben worden Je mehr man sich in die Fachliteratur vertieft, desto verwirrter waren. Dieses Gebiet erstreckt sich uber¨ das Hochland von wird man, wenn es um die nord- und sudindischen¨ Sprachen ” Dekan im sudlichen¨ Teil des Subkontinentes und ist jetzt auf bzw. Schriften“ geht. Jeder Wissenschaftler verwendet andere die Bundesstaaten Maharasthra, Andhra Pradesh und Maisur Begriffe fur¨ die verschiedensten Bereiche. Mancher schreibt aufgeteilt. genau das Gegenteil vom anderen. Dies liegt daran, dass im

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Laufe der Jahre die verwendeten wissenschaftlichen Begrif- 4.9.16 Tamil fe einem Bedeutungswandel unterworfen waren. Irgendwo da- In Sudindien¨ gibt es noch ungefahr¨ 20 Millionen Nachkom- zwischen muss ich mich bewegen. men der drawidischen Urbevolkerung,¨ die Tamil sprechen. In Sudindien¨ hat man Nachweise Ebenso leben Tamilen im Nordteil von Sri Lanka, wo sie sich aus dem 7. und 8. Jahrhundert gefun- leider seit Jahrzehnten gewaltsame Auseinandersetzungen mit den, die fur¨ eine sogenannte Grantha- der Mehrheitsgruppe der Singhalesen liefern. Schrift sprechen, welche sich im 11. Tamil hat sich schon vor lan- oder 12. Jahrhundert in eine westliche ger Zeit zu einer Literatursprache Grantha und eine ostliche¨ Malayam- ausgebildet und wurde anfangs Schrift teilte. Mit der zweiten schreibt in Grantha geschrieben. Ungefahr¨ man heute noch Sanskrit sowie die im 8. oder 9. Jahrhundert ent- Sprachen Malayam und Tulu. wickelte sich das Tamil-Alphabet. Malayam zahlt¨ man ebenfalls zu Dieses hat weniger Buchstaben, den sudindischen¨ Sprachen. Es wird als die ubrigen¨ indischen Schrift- Marke von Ceylon mit im Bundesstaat Kerala gesprochen, arten. tamilischer- und welcher im Zentrum Sudindiens¨ liegt. singhalesischer Schrift Auch Tamil zahlt¨ zu den offizi- Die Malayam-Sprache nahm durch ellen Schriften in Indien. Es soll ebenfalls fur¨ lokale Marken- Dichter und Philosophen in den letz- ausgaben wahrend¨ der Kolonialzeit verwendet worden sein. ten drei Jahrhunderten großen kultu- Feudalstaat Cochin Der mir vorliegende Briefmarkenkatalog weiß daruber¨ nichts rellen Aufschwung. Strittig ist die verwandtschaftliche Zuord- zu sagen. Auf jeden Fall finden wir Tamil-Buchstaben auf nung dieser Sprache (zum Beispiel zum nachfolgend erwahn-¨ Briefmarken von Sri Lanka (Shri Lanka), beziehungsweise ten Tamil). Ceylon, wie dieser Inselstaat vorher genannt wurde. Malayam ist eine der offiziellen Schriften des heutigen In- diens, wurde jedoch auch schon zu Zeiten der britischen Herr- schaft fur¨ Postwertzeichen der Feudalstaaten Cochin und Tra- vancore verwendet.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.9. Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ 122

4.9.17 Der Schriftenkreis Hinterindiens Abkommen von tibetischen Eroberern und Ureinwohnern. Be- reits im 11. Jahrhundert finden wir in diesem Gebiet eine Obwohl Nachbarn von China und Indien, gelang es den hoch entwickelte Gesellschaftsform unter Konig¨ Anoratha. Volkern¨ von Hinterindien, eigene Kulturformen zu ent- Das Reich wurde durch Jahrhunderte ausgedehnt, bis 1885 bri- wickeln. Die Einwohner dieser Landschaft sind entweder tische Truppen das Land besetzten. Im Verlaufe des Zweiten Angehorige¨ der sinotibetischen oder der austroasiatischen Weltkrieges von Japanern besetzt, anschließend wieder briti- Volkerfamilie.¨ sche Kolonie, wurde Birma 1948 unabhangig.¨ Von einer Mi- litarregierung¨ wurde das Land 1989 in Myanmar umbenannt. 4.9.18 Birmanische Schrift Die Sprache gehort¨ zur sinotibetischen Gruppe mit einsilbi- gen Wortern¨ und einem ausgedehnten Tonumfang. Der Staat Myanmar (ehemals Birma) liegt in Hinterindien Die Vorstufe der jetzigen runden Schrift wird nach der (Sudostasien),¨ am bengalischen Golf. Die Bewohner – Bir- damals vorherrschenden Sprache Pali-Quadrat-Schrift (oder manen genannt - sind zumeist buddhistischen Glaubens und Steinschrift) genannt und durfte¨ wiederum von der bereits be- kannten Brahm¯ ¯ı-Schrift abstammen. Die heutige Rundschrift umfasst 8 Vokale (Selbstlaute), 4 Diphthonge (Zwielaute), 32 Konsonanten (Mitlaute) und 4 Zeichen fur¨ Tone.¨

4.9.19 Thai-Schrift Das erste Konigreich¨ auf dem Gebiete des heutigen Thailand (im Suden¨ der Halbinsel Hinterindien) wurde von buddhisti- schen Stammen¨ gegrundet,¨ die aus der chinesischen Region Junnan¨ kamen. Ungefahr¨ um 1350 bestand bereits ein star- Luftpostbrief im Inland von Myanmar kes Reich. Seit 1782 wahrt¨ die Herrschaft der Familie Cha- mit Zusatzstempel Zustellung am gleichen Tag“ kri in Siam. 1938 benannte sich das Land in Thailand“ um. ” ”

Inhaltsverzeichnis – Index 4.9. Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ 123

Im Zweiten Weltkrieg war es von den Japanern besetzt, ehe es 4.9.20 Kambodschanisch (Khmer-Schrift) 1945 wieder unabhangig¨ wurde. Die Geschichtswissenschafter konnen¨ nachweisen, dass im Die Thai-Sprache ist sinotibetischen Ursprunges. Die sia- Gebiete des heutigen Kampuchea (Kambodscha) bereits im mesische Schrift wird ebenfalls auf die Pali-Quadratschrift 8. Jahrhundert eine eigene Schrift fur¨ die Schreibung von zuruckgef¨ uhrt,¨ wobei behauptet wird, der Konig¨ Rama Khom- Sanskrit-Texten verwendet wurde. Auch ist ihnen die Zivilisa- heng habe im 13. Jahrhundert das Alphabet geschaffen. Aller- tionsphase der Khmer-Stamme¨ bekannt, die etwa von 800 bis dings hat sich die siamesische Sprache in den letzten Jahrhun- 1300 eine hinduistische Großmacht in diesem Gebiet waren, derten verandert,¨ was naturlich¨ auch auf die Schrift nicht ohne wovon noch heute Fundstellen wie die Tempelstadt Angkor Auswirkung blieb. Wat zeugen. Im 13. Jahrhundert gab es eine Einwanderungswelle durch Thai- Stamme¨ und sonstige buddhisti- sche Volksgruppen. 1867 erober- ten die Franzosen die Region im Zentrum der hinterindischen Halbinsel. Nach einer voruberge-¨ Konigreich¨ Kambodscha henden Besetzung durch die Japa- ner im Zweiten Weltkrieg fuhrten¨ die Franzosen ihre Kolonial- macht bis 1954 weiter. Danach war Kambodscha ein Konig-¨ reich, von 1975 bis 1979 einem kommunistischen Terrorre- gime ausgeliefert – und ist seit 1993 wieder eine Monarchie. Entsprechend den immer wieder wechselnden Herrschafts- verhaltnissen¨ hat sich auch die Schrift der Khmer im Laufe der Postkarte von Siam Zeit sehr stark verandert.¨ Es wurde eine Inschrift gefunden, die aus dem 8. Jahrhundert stammen soll, weiters gab es zeitweise zwei voneinander stark abweichende Schriftvarianten.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.9. Schriftenvielfalt in Indien und Sudostasien¨ 124

4.9.21 Laotische Schrift auf Sumatra, Celebes und den Philippinen sind ebenfalls bekannt, doch hullt¨ sich die Wissenschaft in Schweigen, Auch im Konigreich¨ Laos, ebenfalls im Zentrum Hinterin- welche davon noch in Verwendung stehen. diens gelegen, wird eine Sprache verwendet, die sehr nahe mit der Thai-Gruppe in der sinotibetischen Familie verwandt ist. Genauso lasst¨ sich ei- ne nahe Verwandtschaft der Laos-Schrift mit derjeni- gen der Khmers nachwei- sen. Naturlich¨ auch zur so- genannten Pali-Schrift. Laos teilte das Schick- Postamtlicher Freistempel aus Laos sal der Nachbarlander,¨ un- ter anderem franzosische¨ Kolonialherrschaft und kommunisti- sche Diktatur.

4.9.22 Balinesische Schrift Es wurde schon kurz erwahnt,¨ dass die Ausdehnung der indi- schen Schriftkultur bis in die Inselwelt Indonesiens reicht. Naturlich¨ liegt auch hier die Pali-Quadratschrift zugrunde. In Java entstand eine eigene Schrift, Lontar-Brief des Konigs¨ von die wiederum eine Abzweigung Klungkung aus dem 18./19. Jh. in Bali bildete. Einige Schriften

Inhaltsverzeichnis – Index 4.10. Die Schrift des koreanischen Konigs¨ 125

4.10 DIE SCHRIFTDESKOREANISCHEN Wenn man die geschichtliche KONIGS¨ Entwicklung betrachtet, ist es klar, dass der Einfluss der chi- 4.10.1 Hangul-Alphabet nesischen Kultur durch Jahrhun- derte auch die chinesische Schrift Wenn Sie auf die Landkarte von Ostasien sehen, fallt¨ Ihnen in Korea heimisch machte – sie- sicherlich die Halbinsel Korea auf, die wie eine Brucke¨ zwi- Briefmarke von Nordkorea he Kapitel 4.1.1. Das bedeutete schen China und Japan ins Meer hineinragt. Dieser Eindruck andererseits, dass die koreanische trugt¨ nicht – seit Jahrtausenden gibt es immer wieder Wech- Sprache immer mehr in den Hintergrund gedrangt¨ wurde. Die- selbeziehungen zwischen Korea und den machtigen¨ Nachbarn ser Umstand und die Tatsache, dass das Koreanische nicht oder uberhaupt¨ unter allen dreien. leicht mit chinesischen Buchstaben zu schreiben war, zwan- Schon vor ca. 2000 Jahren mus- gen die großen Kopfe¨ eine andere Losung¨ zu suchen. ste sich ein bestehendes koreanisches Noch diskutieren die Wissenschaftler, ob das Koreanische Reich zum erstenmal der chinesi- zu den altaiischen oder zu den mongolisch-tungusischen Spra- ¨ schen Ubermacht beugen. Zwar wur- chen zu zahlen¨ ist. Fest steht jedoch, dass der Wortbau sehr de Korea spater¨ wieder selbstandig,¨ beweglich ist und es viele verschiedene Endungen gibt. Dies jedoch blieb der Einfluss der chinesi- ist mit chinesischen Schriftzeichen nicht zu bewaltigen.¨ schen Kultur bestehen, insbesondere Ein koreanischer Minister versuchte im 7. Jahrhundert chi- als der Buddhismus im 5. Jh. auch die nesische Wortzeichen speziell fur¨ die koreanischen Worten- koreanische Halbinsel erreichte. dungen umzugestalten. Diese Bemuhungen¨ waren jedoch von Die Mongolen besetzten Korea im 13. Jahrhundert, die Japaner ver- Asiatisches Tierkreiszei- suchten dies dreihundert Jahre spater¨ chen Schlange als Relief vergeblich. Die Eroberungszuge¨ der Mandschuren im 17. Jahrhundert schwachten¨ den koreani- schen Staat jedoch derart, dass er sich immer mehr der chi- nesischen Einflussnahme beugen musste.

Inhaltsverzeichnis – Index 4.10. Die Schrift des koreanischen Konigs¨ 126

keinem besonderen Erfolg gekront.¨ Als im 15. Jahrhundert lateinischen und Hangul-Buchstaben. der Buchdruck mit Metalltypen eingefuhrt¨ wurde, brachte die Waren es anfangs noch 28 koreanische Schriftzeichen, wur- Verquickung zwischen koreanischer Sprache und chinesischer de deren Zahl spater¨ auf 25 verringert. Sie gliedern sich ent- Schrift noch großere¨ Probleme. sprechend der koreanischen Sprache anders als unsere Buch- Wenn man der koreanischen Ge- staben. schichtsschreibung Glauben schen- ken soll, trat nunmehr der große Schriftschopfer¨ ans Tageslicht. Konig¨ Sedschong, oder Sejong (1419-1450 oder 52) soll entweder selbst eine Buchstabenschrift ausgedacht haben oder zu deren Gestaltung die entspre- chenden Befehle an eine Gruppe von Beamten erteilt haben. Die Schrift Konig¨ Sedschong, wurde 1446 offentlich¨ bekanntge- Schopfer¨ oder Initiator des macht und fand lange Zeit Widersa- koreanischen Alphabets mit Schriftzeichen cher unter den gebildeten Standen,¨ welche die chinesische Sprache und deren Schriftzeichen be- vorzugten. Daher gab es auch bis weit ins 20. Jahrhundert hin- ein ein Nebeneinander dieser beiden Systeme. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnt sich das ko- reanische Schriftsystem immer mehr durchzusetzen und erhalt¨ in dieser Periode auch den heute noch gultigen¨ Namen Han- gul, was so viel wie Großschrift bedeutet. Die Briefmarken des Konigreiches¨ Korea von 1884 bis 1905 tragen allerdings noch chinesische Schriftzeichen neben Hangul-Alphabet

Inhaltsverzeichnis – Index 4.10. Die Schrift des koreanischen Konigs¨ 127

1910 nutzte Japan wiederum die chinesische Machtlosig- Briefmarken mit koreanischen Schriftzeichen gab das keit und besetzte Korea. Erst nach der Niederlage Japans im 2. Konigreich¨ von 1884 bis 1905 heraus, sowie Nordkorea und Weltkrieg (1945) erlangte Korea wieder die Selbstandigkeit,¨ Sudkorea¨ getrennt ab 1946. Entsprechend der dort geltenden wurde jedoch nach dem Korea-Krieg (1950-1953) entlang des Nationalitatenpolitik¨ verwendet die Volksrepublik China in 38. Breitengrades in zwei Staaten aufgeteilt. Dies ist die kom- Stadten¨ mit Angehorigen¨ der koreanischen Minderheit zwei- munistische Volksrepublik Korea im Norden sowie die dem sprachige Tagesstempel – was in der Praxis zwei Schriften be- Westen nahestehende Republik Korea im Suden.¨ deutet. Hier soll noch erwahnt¨ werden, Abschließend muss noch einmal festgestellt werden, dass dass koreanische Volksstamme¨ die Hangul mit Recht in diesem Kapitel gefuhrt¨ wird, da es auch in den angrenzenden Ge- sich eindeutig um eine Eigenschopfung¨ handelt. Es wurde eine bieten von China und Russland Buchstabenschrift gestaltet, die total von dem in der Nachbar- wohnhaft waren und teilweise schaft ublichen¨ System der Wort-Schriften (China u. Japan) noch sind. Die Sowjetmacht sie- abweicht. delte die in Russland ansassigen¨ Hangul-Schriftzeichen Koreaner nach 1930 nach Kasach- aus Sudkorea¨ stan um, wo es zwar jetzt noch Zeitungen und Zeitschriften mit Hangul-Zeichen gibt, jedoch keine postalischen Nachweise. In alten Zeiten wurde Hangul – gleich wie in China und Ja- pan - in senkrechten Kolonnen geschrieben. Diese Kolonnen wurden von rechts nach links angeordnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich jedoch auch in Korea die westliche Metho- de - waagrecht von links nach rechts zu schreiben und zu lesen - eingeburgert.¨ In der kommunistischen Volksrepublik Nordkorea wird seit deren Grundung¨ reines Hangul geschrieben, in Sudkorea¨ gibt es immer noch eingestreute chinesische Schriftzeichen. Einschreibebrief von Nordkorea nach China Inhaltsverzeichnis – Index 5 Schrift oder nicht Schrift – Alphabete ohne Schrift 128

5 SCHRIFTODERNICHT SCHRIFT – Schon im dritten Jahrtausend vor Christus hat man im dama- ALPHABETEOHNE SCHRIFT ligen Agypten¨ die Tonfolge von Musikstucken¨ niedergeschrie- ” 5.1 LAUTSCHRIFT ben“. Diese Kenntnisse kamen Bereits vor mehr als einhundert dann uber¨ andere orientalische Jahren war es den Sprachwissen- Gebiete nach Europa. Hier kennt schaftlern klar, dass es notwendig man seit dem 13. Jahrhundert Zweistimmiger Satz – oben ware,¨ im Gegensatz zum geschrie- nach Christus verschiedene Syste- eine Achtelnote und drei Sechzehntelnoten benen Buchstaben den tatsachlich¨ me der Notation (unter anderem gesprochenen Laut festhalten zu in Form von Buchstaben). Goethes Name in Lautschrift konnen.¨ Man bedenke nur, dass Derzeit wird eine Funf-Linien-Methode¨ angewendet. Auf es in der englischen Sprache 24 Buchstaben gibt, jedoch 38 diesen Linien finden wir Noten, Pausen- und Betonungszei- Moglichkeiten,¨ diese auszusprechen. chen. Je nach Hohe¨ des darzustellenden Tones steht die Note So kam es, dass man sich nach mehreren verschiedenen Ver- auf einer bestimmten Linie bzw. zwischen zwei Linien. suchen 1886 in der Association Phonetique` Internationale auf Die Notenzeichen werden ge- die Internationale Lautschrift“ einigte. Diese verwendet 77 bildet aus einem Notenkopf (hohl ” Symbole. oder gefullt),¨ daran kann ein senk- Interessant ist, dass zum Beispiel Aserbaidschan nach dem rechter Strich angefugt¨ sein (No- Ubergang¨ zur Lateinschrift im Landesnamen einen Buchsta- tenhals genannt) und daran wie- ben der Lautschrift zum Einsatz bringt. der eine oder mehrere Fahnen. Bei Notengruppen werden die Fahnen Notenblatt der nepalesischen von Balken abgelost.¨ Diese vie- 5.2 NOTENSCHRIFT Nationalhymne len Varianten ergeben sich aus der Einleitend sei festgestellt, dass man in Fachkreisen das Fest- Notwendigkeit, die Klangdauer jedes einzelnen Tones darstel- halten von Tonen¨ mit Noten“ als Notation“ bezeichnet. len zu konnen.¨ ” ”

Inhaltsverzeichnis – Index 5 Schrift oder nicht Schrift – Alphabete ohne Schrift 129

Hier sollen nur zwei Beispiele genannt werden: Eine gan- satz zur Wortschrift“ der fremdsprachigen Erfinder grundet¨ ” ze Note wird durch einen hohlen Notenkopf ohne Zusatz- sich seine Auffassung auf einzelnen Buchstaben, die entwe- strich dargestellt. Eine Achtel-Note erkennen wir an einem der durch Zeichen oder deren Stellung bzw. Schriftstarke¨ dar- vollen Notenkopf mit angefugtem¨ senkrechten Strich und ei- gestellt werden. Bald gab es fur¨ viele europaische¨ Sprachen nem Fahnchen.¨ Kurzschrift-Systeme, die auf den Erfahrungen Gabelsbergers aufbauten. Innerhalb Deutschlands kamen al- 5.3 KURZSCHRIFT lerdings auch noch zwei andere Wie so vieles andere finden wir auch die Kurzschrift bereits in Kurzschrift-Spielarten zum Einsatz, der Antike. Im romischen¨ Senat wurden die gehaltenen Reden sodass Schwierigkeiten entstanden, mit einer Schrift notiert, die fur¨ jedes Wort ein bestimmtes wenn Niederschriften zu lesen waren, Symbol einsetzte – die Tironischen Noten“. die in einer anderen Methode verfasst ” Der Name stammt daher, worden waren. Dies fuhrte¨ schließlich dass diese Kurzschrift angeb- zu Reformbestrebungen, welche 1924 lich erstmals von einem Skla- in der Schaffung einer Deutschen ” ven namens Tiro verwendet Einheitskurzschrift“ fuhrten,¨ die (mit wurde. Mit Verschwinden der kleinen Anderungen)¨ auch jetzt noch lateinischen Sprache aus dem in Deutschland und Osterreich¨ ein- allgemeinen Leben gerieten gesetzt wird. Derzeit ist das Erfor- Franz Xaver Gabelsberger, im Mittelalter auch die Tironi- dernis die Kurzschrift zu verwen- Wegbereiter der Kurzschrift im schen Noten in Vergessenheit. Anton Besetschek, den durch Diktiergerate¨ und Compu- deutschsprachigen Raum Im 16. Jahrhundert gab es Begrunder¨ der Kurzschrift ter stark eingeschrankt.¨ in England Versuche, eine neue Kurzschrift einzufuhren¨ – zu in Bulgarien Beginn des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Der Bayer Franz Xaver Gabelsberger entwickelte vor 170 Jahren eine eigene Art der Kurzschrift fur¨ die deutsche Sprache - im Gegen-

Inhaltsverzeichnis – Index 5 Schrift oder nicht Schrift – Alphabete ohne Schrift 130

5.4 BLINDENSCHRIFT Am Rande sei vermerkt, dass ein blinder Schriftsteller namens Lorm Was fur¨ die meisten von uns selbstverstandlich¨ ist, muss es ein Alphabet entwickelt hat, bei wel- nicht fur¨ jedermann sein – zum Beispiel das Lesen. chem man taubblinden Personen mit- Erst in den Anfangsjahren des 19. tels Beruhrungen¨ in Strich- oder Jahrhunderts hat man sich daruber¨ Punktform in die Handflache¨ Mittei- den Kopf zerbrochen, wie man blin- lungen zukommen lassen kann. den Personen den Zugang zum Le- sen und Schreiben ermoglichen¨ konn-¨ te. Zuerst hatte ein franzosischer¨ Offi- zier ein 12-Punkte-Schriftsystem ent- worfen. Spater¨ kam einem anderen Franzosen, namlich¨ Louis – Abtasten der Buchstaben 5.5 MORSEZEICHEN welcher selbst blind war - die Idee, man konne¨ aus sechs Punkten - wie Der Kunstler¨ Samuel Finley B. bei einem Wurfel¨ - einen Schlussel¨ Morse hatte 1837 die Idee, Nach- – Entwerfer entwickeln, mit welchem man Buch- richten mittels eines Maschinen- der Blindenschrift staben und Zahlen darstellen konne.¨ telegraphen uber¨ Leitungen wei- Man musse¨ lediglich Punkte und Leerfelder abwechseln las- terzuleiten. Erst einmal entwarf er sen. Daraus leitete er 63 Moglichkeiten¨ ab. eine Schrift in Zick-Zack-Form, Die sechs Punkte passen gut unter eine Fingerspitze und spater¨ verbesserte er seine Idee wenn die Finger genug trainiert sind, kann die blinde Person Morseapparat mit auf eine durchdachte Anordnung nicht nur Bucher¨ oder Mitteilungen lesen, sondern in dieser Morsestreifen von Punkten und Strichen – das Form sogar Mathematik, Chemie und Musikstudien betreiben. Morsealphabet war geboren. Der erste praktische Einsatz er- Blinde Personen haben derzeit die Moglichkeit¨ per Hand folgte 1843 auf einer Telegraphenlinie zwischen Washington mit einem Griffel, mittels Blindenschreibmaschine oder Com- und Baltimore. 1849 gab es in Europa die erste derartige Ver- puter selbst Texte in Blindenschrift zu verfassen. bindung zwischen Hamburg und Cuxhaven.

Inhaltsverzeichnis – Index 5 Schrift oder nicht Schrift – Alphabete ohne Schrift 131

5.6 LOCHSTREIFENSYSTEME Chappe verlor durch die franzosische¨ Revolution seine Prie- sterstelle und wandte sich der Physik zu. Unter anderem er- Wer den vorstehenden Abschnitt uber¨ forschte er Moglichkeiten¨ der optischen Datenubertragung.¨ das Morsealphabet liest, wird sicher- Bereits 1791 probierte er Signaltafeln mit verschiedenfarbigen lich bald zu dem Schluss kommen, Seiten und einem Zeiger aus. dass es sehr zeitaufwendig sein konn- 1792 reichte er seine Entwurfe¨ te, ein und dieselbe Nachricht immer zwecks Unterstutzung¨ bei der wieder durchzugeben. Dem Problem franzosischen¨ Nationalversammlung half Sir Charles Wheatstone ab, in- ein und erhielt 1793 die entspre- dem er einen Apparat konstruierte, chende Beihilfe, sodass er drei der die Morsesignale in speziell ange- Telegraphenstationen erbauen konn- ordnete Locher¨ auf einem Papierstrei- te. Inzwischen war Chappe von fen umwandelte und auch lesen konn- der Verwendung farbiger Tafeln te. Jeweils zwei Locher¨ ergaben ein Signal – gerade uberein-¨ abgegangen und baute seine Anla- anderstehend = ein Punkt - schrag¨ stehend = ein Strich. gen mit Signaltragern¨ in Form von Dieses System wurde in etwas abgewandelter Form auch Claude Chappe Erfinder Pfeilen mit weißen Spitzen. Je nach fur¨ die Dateneingabe bei den ersten Computer-Generationen des franzosischen¨ Systems Stellung der beiden Zeiger einzeln verwendet. und gegeneinander sowie zum Tragebalken konnten einzelne Begriffe dargestellt werden. Am 12. Juli 1793 war es so weit. 5.7 OPTISCHER TELEGRAPH Die erste Station in Paris gab eine Meldung durch, welche innerhalb von 11 Minuten beim letzten Standort (ca. 30 km Vor mehr als 200 Jahren gelang es bereits, in kurzer Zeit In- Entfernung) einlangte. Die Antwort benotigte¨ neun Minuten formationen uber¨ weite Strecken auszutauschen. Ein Adeliger bis Paris. Der Nationalkonvent genehmigte daraufhin den Bau aus Schweden namens Abraham Niclas Edelcrantz und ein von ausgedehnten Telegraphenlinien, welche ganz Frankreich franzosischer¨ Priester – Claude Chappe - hatten jeweils ein mit Nachrichten versorgen sollten. vollkommen neues System zur Nachrichtenubermittlung¨ ent- wickelt.

Inhaltsverzeichnis – Index 5 Schrift oder nicht Schrift – Alphabete ohne Schrift 132

Chappe erarbeitete ein ausge- angegriffen worden. Er nahm sich das so zu Herzen, dass er klugeltes¨ System, welches pro am 23.1.1805 im Alter von 42 Jahren Selbstmord beging. Buchstabe oder Zahl die ge- Seine Bruder¨ fuhrten¨ im Auftrag von Kaiser Napoleon sein naue Stellung der Signalgeber Werk fort. (franzosisch¨ Semaphor genannt) Das schwedische System benutzte einzelne Tafelchen¨ an- festlegte. Da die Zeiger und stelle der Zeiger und erlebte keine so große Ausdehnung wie der Balken jeweils in Abstufun- das franzosische.¨ gen von 45 Grad fixiert werden Im Jahre 1846 wurde in Frankreich der optische Telegraph konnten, standen 256 Moglich-¨ durch den elektrischen ersetzt, im Schweden wurden die op- keiten zur Verfugung,¨ die man tischen Signale sogar noch bis 1886 fur¨ Datenubertragungen¨ auf ca. 200 verringerte, um verwendet. schwer erkennbare Kombinatio- nen auszuschließen. Spater¨ ging 5.8 FLAGGENALPHABET man dazu uber,¨ den Balken nur Optische Signalanlage auf senkrecht oder waagrecht zu Bauwerk Seit Jahrhunderten verstandigt¨ man stellen, wodurch 92 Stellungen ubrig¨ blieben. Dazu verfasste sich auf dem Meer mittels des so- Chappe ein eigenes Buch mit 92 Seiten, in welchem erklart¨ genannten Flaggenalphabetes“. Dies ” wurde, wie man Tausende von Begriffen codieren konne.¨ ist auch jetzt noch der Fall, obwohl In der Endausbaustufe war der Funken, Morsen und andere Moglich-¨ nordlichste¨ Punkt des Netzes in keiten dazugekommen sind. Es gibt Amsterdam (Niederlande), der fur¨ jeden Buchstaben ein bestimm- sudlichste¨ an der franzosischen-¨ tes Signal, das mittels zweier Flag- spanischen Grenze, und der gen ubermittelt¨ wird – jedoch hat ostlichste¨ in Venedig. Trotz dieses das Internationale Signalbuch auch großen Erfolges war der Erfinder Turm mit Signalanlage bei Abkurzungen¨ fur¨ verschiedene wich- Pfadfinder ubt¨ Claude Chappe stets von Neidern Tag und bei Nacht tige Mitteilungen - ganz besonders im Flaggenalphabet

Inhaltsverzeichnis – Index 5 Schrift oder nicht Schrift – Alphabete ohne Schrift 133

Falle von Seenot - vorgesehen. Die militarische¨ Seefahrt greift anzuwenden, im britischen Weltreich kam jedoch eine auf das Flaggenalphabet zuruck,¨ wenn man das Abhoren¨ von zweihandige¨ Variante zur Verwendung. Funkverkehr verhindern will. Auch im Regattasport werden In deutschsprachigen Gebieten wird seit ungefahr¨ 30 Jahren die Flaggensignale gerne eingesetzt. eine einheitliche Variante eingesetzt. Das Fingeral- phabet ermoglicht¨ 5.9 FINGERALPHABET es, alle Buchstaben Die meisten von uns kamen schon in ihrer Kinderzeit mit dem unserer Sprache Fingeralphabet in Beruhrung.¨ Es diente zumeist zum lautlo- zu buchstabieren, sen Ubertragen¨ von Kurzmitteilungen innerhalb des Schulzim- wird derzeit je- mers und wurde von den Schulern¨ auch Taubstummenspra- doch nur mehr ” che“ genannt. zur Erganzung¨ der Diese Fingerzeichen gehen Gebardensprache¨ tatsachlich¨ auf eine lange Uberlie-¨ verwendet, welche ganze Worter¨ oder Wortverbindungen ferung zuruck.¨ Man sagt, dass der darzustellen vermag. Insbesondere ist die Fingersprache dort spanische Gehorlosenlehrer¨ Pedro P. sinnvoll, wo Eigennamen vorkommen oder Begriffe in der de Leon´ bereits im 16. Jahrhundert Gebardensprache¨ nicht vorhanden sind. Der Anwender des beim Unterricht diese Methode Fingeralphabets halt¨ die Hand in Hohe¨ des Mundes und verwendet habe. Jahre spater¨ gab es spricht das buchstabierte Wort langsam mit. bereits Bildwerke, die Darstellung Obwohl die Gebardensprache“¨ nicht mehr in unser Gebiet ” der einzelnen Fingerstellungen zeig- Schrift oder Alphabet“ fallt,¨ sei kurz darauf eingegangen. Die ” ten. Das System wurde immer wieder Gebardensprache¨ ermoglicht¨ es den Gehorlosen¨ sich mittels etwas verandert¨ und war bis zum 18. Jahrhundert bereits Gesten und Bewegungen mit anderen Gehorlosen¨ oder auch innerhalb Europas bekannt und wurde spater¨ sogar in die kommunikationswilligen horenden¨ Personen zu verstandigen.¨ USA exportiert. Die zu verwendenden Handstellungen, Bewegungsrichtungen, An und fur¨ sich war und ist das Fingeralphabet einhandig¨ Ausfuhrungsstellen¨ usw. wurden von verschiedenen Gremien

Inhaltsverzeichnis – Index 5 Schrift oder nicht Schrift – Alphabete ohne Schrift 134 festgelegt und konnen¨ in der Literatur oder im Internet erkun- det werden.

Gebardensprache:¨ Ich liebe dich“ ”

Inhaltsverzeichnis – Index 6 Blick in die Zukunft 135

6 BLICKINDIE ZUKUNFT Und die Bilderschrift? Sicherlich hatte es seine guten Sei- ten, dass das amerikanische Institut fur¨ graphische Kunste¨ eine WOHINFUHRTDER¨ WEGDER SCHRIFT? Anzahl von Bildzeichen zusammenstellte, die den Reisenden fremder Sprache helfen sollten, sich in den Bahnhofen¨ oder Wenn ich nun all die vielen Flughafen¨ zurechtzufinden. Spater¨ sahen sich andere Leute Fachbucher¨ und Zeitschriften bemußigt¨ diesen Bildern noch viele hunderte hinzuzufugen,¨ beiseitelege, die ich immer wieder fur¨ die man dann den Fachausdruck Piktogramme erfinden zu Hilfe nehmen musste, um mein musste. Aber daraus ein Patentrezept zu machen, scheint mir Manuskript fachlich auf feste Fuße¨ als blutigem Laien wohl etwas zu plump gedacht. stellen zu konnen,¨ so fallt¨ mir auf, Wenn man das woll- dass fast jeder langere¨ Schriftsatz te, dass jedes Wort durch mit vielfaltigen¨ Ausblicken in die ein Bild dargestellt wer- Zukunft endet. den sollte – wie kann Jeder Wissenschaftler oder Journa- man wohl einen 24-bandi-¨ Zuruck¨ zur Bilderschrift? list vertritt seine eigene Meinung, wie gen Duden in eine sol- Piktogramm im Firmenfreistempel es mit der Schrift in den kommenden Jahrhunderten ausse- che Schrift einbinden. Immerhin beinhaltet mein einbandiges¨ hen wird. Der eine meint, der Computer wurde¨ in Zukunft das Worterbuch,¨ das vor mir auf dem Schreibtisch liegt, schon Schreiben unnotig¨ machen, der andere wiederum traumt¨ von 60.000 Worter.¨ Bitte, wer sollte so viele Schriftsymbole aus- einer Welt der Bilder. wendig lernen? Was den Computer betrifft, Oder noch einfacher gesagt – man musste¨ eine solche gehore¨ ich zu jenen Menschen, Schrift gar nicht erst erfinden, sondern konnte¨ gleich die chi- die meinen, man solle alle moder- nesische Schrift ubernehmen.¨ Aber da beißt sich die Katze in nen Hilfsmittel annehmen, die ei- den Schwanz - gerade die Chinesen sind es, die mehr oder nem das Leben einfacher machen minder mit Gewalt versuchen, ihre Sprache in Lateinbuchsta- konnen.¨ Hatte¨ ich dieses Buchlein¨ ben darzustellen. mit der alten Schreibmaschine fer- Das griechische Pi“ als tig stellen sollen, ware¨ ich wohl ” Symbol der Mathematik verzweifelt. Inhaltsverzeichnis – Index 6 Blick in die Zukunft 136

Da wir schon bei den Chinesen gelandet sind – ich will zwar nicht mit der Wahrsagerei begin- nen, wie es vor tausen- den von Jahren mit den Piktogramme in einem Ortswerbestempel Schildkrotenpanzern¨ ge- schehen ist. Ich glaube aber an die Menschheit, dass sie imstande sein wird, ihren kulturellen Weiterbestand durch vernunftige¨ Systeme der Gedankenspeicherung zu sichern.

Inhaltsverzeichnis – Index 7 Impressum 137

7 IMPRESSUM

Herausgeber: Jugendreferat des Verbandes Osterreichischer¨ Philatelistenvereine, Wetzelsdorfberg 32 8503 St. Josef, Austria

Copyright: Max Fink Feldkirchen b. Graz, Austria

Inhaltsverzeichnis – Index 8 Index 138

8 INDEX Devanagar¯ ¯ı Indien, Indische Feudal-Staaten/diverse, Nepal Eritreisch Eritrea 8.1 WOVERWENDET/EMAN ...? Georgisch Georgien, Transkaukasien Griechisch Ag¨ aische¨ Inseln (Bund), Deutsche Besetzung von Nichtlateinische Schriften, die seit Einfuhrung¨ der Brief- Zante, Epirus, Griechenland, Ikarien, Ionische Inseln marken fur¨ Landerbezeichnungen,¨ Wahrungsangaben¨ oder (alt), Kreta, Samos, Thrakien - griechisch, Zypern Poststempel verwendet wurden (oft auch neben lateinischen Gujarati Indien-Idar, Indien-Jasdan, Indien-Morvi, Indien- Schriftzeichen). Nawangar, Indien-Soruth Arabisch Aden, Aden - Mahra State, Aden/ div. Untergrp., Gurmukhi Indien-Faridkot Agypten,¨ Ajman-Fujeira, Ajman-Manama, Alawiten- Hangul-Alphabet Korea (alt), Korea-Nord, Korea-Sud¨ Gebiet, Algerien, Bahrain, Cyrenaica, Dschibuti, Dubai, Hebraisch¨ Israel, Palastina¨ (alt) Eritrea, Hedschas, Irak, Israel, Italienisch Somaliland, Je- Hiragana Japan, Riu-Kiu-Inseln men, Jemen Konigreich,¨ Jordanien, Kuwait, Latakia, Li- Kambodschanisch (Khmer-Schrift) Kambodscha banon, Libyen, Marokko, Mauretanien, Nedschd, Oman, Kanji Japan, Riu-Kiu-Inseln Palastina¨ (alt), Palastina¨ (neu), Qatar, Ras-al-Khaima, Katakana Japan, Riu-Kiu-Inseln Saudi-Arabien, Sharjah, Sharjah/Khor Fakkan, Soma- Kyrillisch lia, Spanisch Marokko, Sudan, Sudarabische¨ Foderation,¨ Aserbaidschan (neu), Batum, Belarus (Weißrus- Sudjemen,¨ Syrien + Syrien VAR, Trucial-Staaten, Tune- sland), Berg-Republik Bulgarien, Deutsche Besetzung sien, Umm al Kaiwain, Vereinigte Arabische Emirate Makedonien Deutsche Besetzung Rußland - Ljody, Deut- sche Besetzung Rußland - Pleskau, Deutsche Besetzung Armenisch Armenien, Transkaukasien Rußland - Ukraine, Deutsche Besetzung Serbien, Finn- Athiopisch¨ Athiopien¨ land (alt), Italienienische Besetzung Montenegro, Jugo- Bengali Bangladesch, Indien-Assam slawien, Karpaten-Ukraine, Kasachstan, Kirgistan, Ma- Birmanische Schrift Myanmar (Burma) kedonien (neu), Mongolei, Montenegro (alt), Ostrumeli- Chinesisch China - Taiwan, China - Volksrepublik, China en, Republika Srpska, Rumanien¨ (erste Ausgabe), Rus- (alt), Franzosisch-indochinesische¨ Post in China, Hong sland, Serbien (alt), Serbien und Montenegro (neu), Ser- Kong, Korea (alt), Labuan, Macau, Mandschukuo, Nord- bische Krajina, Sowjetunion, Sremski Baranjska Oblast, Borneo Inhaltsverzeichnis – Index 8 Index 139

Tadschikistan, Tannu-Tuva, Thrakien - autonom, Trans- 8.2 WELCHE SCHRIFTVERWENDET/E ...? kaukasien, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan, Westu- Postverwaltungen, die seit Einfuhrung¨ der Briefmarken auf kraine Postwertzeichen fur¨ Landerbezeichnungen¨ oder Wahrungsan-¨ Laotisch Laos gaben sowie in Poststempeln nichtlateinische Schriften ver- Malaiische Schrift Brunei, Labuan, Malaiische Staaten, Ma- wendet haben (oft auch neben lateinischen Schriftzeichen). laysia, Nord-Borneo Malayam Indien-Cochin, Indien-Travancore Aden Arabisch Maledivische Schrift Malediven Aden - Mahra State Arabisch Mandschurisch China - Volksrepublik Aden/ div. Untergrp. Arabisch Mongolisch China - Volksrepublik, Mongolei, Tannu-Tuva Afghanistan Persische Schrift ¨ Orija (Oriya) Indien-Bamra Agaische¨ Inseln (Bund) Griechisch ¨ Osmanische Schrift Albanien (Lokalausg), Cilicien, Thraki- Agypten Arabisch en - autonom, Turkei¨ (alt) Ajman-Fujeira Arabisch Persische Schrift Afghanistan, Aserbaidschan (alt), Iran, Ajman-Manama Arabisch Transkaukasien Alawiten-Gebiet Arabisch Singhalesisch Ceylon, Sri Lanka Albanien (Lokalausg) Osmanische Schrift Tamil Ceylon, Sri Lanka Algerien Arabisch Telugu Indien-Haidarabad Armenien Armenisch Thai Thailand Aserbaidschan (alt) Persische Schrift Tibetisch Bhutan, China - Volksrepublik, Tibet Aserbaidschan (neu) Kyrillisch Urdu-Schrift Indien-Bhopal, Indien-Bijawar, Indien- Athiopien¨ Athiopisch¨ Bussahir, Indien-Haidarabad, Pakistan Bahrain Arabisch Bangladesch Bengali Batum Kyrillisch

Inhaltsverzeichnis – Index 8 Index 140

Belarus (Weißrussland) Kyrillisch Georgien Georgisch Berg-Republik Kyrillisch Griechenland Griechisch Bhutan Tibetisch Hedschas Arabisch Brunei Malaiische Schrift Hong Kong Chinesisch Bulgarien Kyrillisch Ikarien Griechisch Ceylon Tamil, Singhalesisch Indien Devan ag¯ ar¯ı China - Taiwan Chinesisch Indien-Assam Bengali China - Volksrepublik Tibetisch, Mongolisch, Mandschu- Indien-Bamra Orija (Oriya) risch, Chinesisch Indien-Bhopal Urdu-Schrift China (alt) Chinesisch Indien-Bijawar Urdu-Schrift Cilicien Osmanische Schrift Indien-Bussahir Urdu-Schrift Cyrenaica Arabisch Indien-Cochin Malayam Deutsche Besetzung Makedonien Kyrillisch Indien-Faridkot Gurmukhi Deutsche Besetzung Rußland - Ljody Kyrillisch Indien-Haidarabad Urdu-Schrift, Telugu Deutsche Besetzung Rußland - Pleskau Kyrillisch Indien-Idar Gujarati Deutsche Besetzung Rußland - Ukraine Kyrillisch Indien-Jasdan Gujarati Deutsche Besetzung Serbien Kyrillisch Indien-Morvi Gujarati Deutsche Besetzung von Zante Griechisch Indien-Nawangar Gujarati Dschibuti Arabisch Indien-Soruth Gujarati Dubai Arabisch Indien-Travancore Malayam Epirus Griechisch Indische Feudal-Staaten/diverse Devan ag¯ ar¯ı Eritrea Eritreisch, Arabisch Ionische Inseln (alt) Griechisch Finnland (alt) Kyrillisch Irak Arabisch Franzosisch-indochinesische¨ Post in China Chinesisch Iran Persische Schrift

Inhaltsverzeichnis – Index 8 Index 141

Israel Hebraisch¨ , Arabisch Malaiische Staaten Malaiische Schrift Italienienische Besetzung Montenegro Kyrillisch Malaysia Malaiische Schrift Italienisch Somaliland Arabisch Malediven Maledivische Schrift Japan Katakana, Kanji, Hiragana Mandschukuo Chinesisch Jemen Arabisch Marokko Arabisch Jemen Konigr¨ eich Arabisch Mauretanien Arabisch Jordanien Arabisch Mongolei Mongolisch, Kyrillisch Jugoslawien Kyrillisch Montenegro (alt) Kyrillisch Kambodscha Kambodschanisch (Khmer-Schrift) Myanmar (Burma) Birmanische Schrift Karpaten-Ukraine Kyrillisch Nedschd Arabisch Kasachstan Kyrillisch Nepal Devanag¯ ar¯ı Kirgistan Kyrillisch Nord-Borneo Malaiische Schrift, Chinesisch Korea (alt) Hangul-Alphabet, Chinesisch Oman Arabisch Korea-Nord Hangul-Alphabet Ostrumelien Kyrillisch Korea-Sud¨ Hangul-Alphabet Pakistan Urdu-Schrift Kreta Griechisch Pal astina¨ (alt) Hebraisch¨ , Arabisch Kuwait Arabisch Palastina¨ (neu) Arabisch Labuan Malaiische Schrift, Chinesisch Qatar Arabisch Laos Laotisch Ras-al-Khaima Arabisch Latakia Arabisch Republika Srpska Kyrillisch Libanon Arabisch Riu-Kiu-Inseln Katakana, Kanji, Hiragana Libyen Arabisch Rumanien¨ (erste Ausgabe) Kyrillisch Macau Chinesisch Russland Kyrillisch Makedonien (neu) Kyrillisch Samos Griechisch

Inhaltsverzeichnis – Index 8 Index 142

Saudi-Arabien Arabisch Tunesien Arabisch Serbien (alt) Kyrillisch T urk¨ ei (alt) Osmanische Schrift Serbien und Montenegro (neu) Kyrillisch Turkmenistan Kyrillisch Serbische Krajina Kyrillisch Ukraine Kyrillisch Sharjah Arabisch Umm al Kaiwain Arabisch Sharjah/Khor Fakkan Arabisch Usbekistan Kyrillisch Somalia Arabisch Vereinigte Arabische Emirate Arabisch Sowjetunion Kyrillisch Westukraine Kyrillisch Spanisch Marokko Arabisch Zypern Griechisch Sremski Baranjska Oblast Kyrillisch Sri Lanka Tamil, Singhalesisch Sudan Arabisch Sudarabische¨ Foderation¨ Arabisch Sudjemen¨ Arabisch Syrien + Syrien VAR Arabisch Tadschikistan Kyrillisch Tannu-Tuva Mongolisch, Kyrillisch Thailand Thai Thrakien - autonom Osmanische Schrift, Kyrillisch Thrakien - griechisch Griechisch Tibet Tibetisch Transkaukasien Persische Schrift, Kyrillisch, Georgisch, Armenisch Trucial-Staaten Arabisch

Inhaltsverzeichnis – Index 9 Literaturverzeichnis 143

9 LITERATURVERZEICHNIS [9] Carl Faulmann. Schriftzeichen und Alphabete aller Zei- ten und Volker.¨ Nachdruck von: Das Buch der Schrift [1] Gustav Barthel. Konnte Adam schreiben? – Weltge- (Wien 1880), Freiburger Graphische Betriebe: Freiburg, schichte der Schrift, Karl Gutbrod (Editor), Verlag 2003. M.DuMont: Koln,¨ 1972. [10] Edoardo Fazzioli. Gemalte Worter¨ , Fourierverlag: Wies- [2] Wilhelm R. Baier. Alphabete – Entstehung, Entwicklung, baden, 2003. Wirkung, Urania: Graz, 2001. [11] Johannes Friedrich. Geschichte der Schrift – unter be- [3] Udo Becker. Lexikon der Symbole, Komet: Frechen, sonderer Berucksichtigung¨ ihrer geistigen Entwicklung, 1992. Carl Winter Universitatsverlag:¨ Heidelberg, 1966. [4] Geoffrey Bibby. Dilmun. Die Entdeckung der altesten¨ [12] Roland Gotz¨ und Uwe Halbach. Politisches Lexikon Hochkultur, Rowohlt Verlag GmbH: Reinbek/Hamburg, GUS, C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung: Munchen,¨ 1973. 1992. [5] Florian Coulmas. Uber¨ Schrift, Suhrkamp: Frank- [13] Serge Gruzinski. Die Azteken: kurze Blute¨ einer Hoch- furt/Main, 1982. kultur, Maier: Ravensburg, 1992. [6] Bernard Comrie, Stephen Matthews, Maria Polinsky. [14] Harald Haarmann. Universalgeschichte der Schrift, Bildatlas der Sprachen, Bechtermunz,¨ Weltbild Verlag Campus Verlag: Frankfurt/Main, 1990. GmbH: Augsburg, 1998. [15] Hans Jensen. Die Schrift, VEB Deutscher Verlag der [7] Hansferdinand Doebler. Kultur- und Sittengeschichte der Wissenschaften: Berlin, 1969. Welt: Schrift, Buch, Wissenschaften, Bertelsmann: Gue- tersloh, 1973. [16] Reinhard Kaden. Sehbehindert – Blind. Medizinische, soziale und padagogische¨ Informationen fur¨ Betreuer [8] Julius von Farkas. Sudosteuropa¨ , Vandenhoeck & Ru- und Betroffene, Georg Thieme Verlag: Stuttgart, 1978. precht: Gottingen,¨ 1955.

Inhaltsverzeichnis – Index 9 Literaturverzeichnis 144

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