Aus Der Bruchbude Ins Weiße Haus Von Martin Feldmann Die Story Des Blues / Auf Den Spuren Einer Schwarzen Musik
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36 Isenburger Aus der Bruchbude ins Weiße Haus Von Martin Feldmann Die Story des Blues / Auf den Spuren einer Schwarzen Musik Im Weißen Haus steigt eine Riesenparty. Barack in den frühen 1990er B.B. King, Buddy Guy, Mick Jagger, Jeff Beck, Jahren offenbar gefunkt. Sie Shemekia Copeland, Susan Tedeschi, Booker heirateten. Die First Lady T. Jones und andere machen viel Show und stammt von der South Side. Musik – für Michelle und Barack Obama und Blues im White House! Das ausgesuchte Gäste. Alle swingen und klat- erste schwarze Präsidenten- Buddy Guy, Mai 1981, Sinkkasten, Frankfurt schen an diesem Abend im Februar 2012 mit. paar der USA hat ihn im 21. Bei „Sweet Home Chicago“ muss der Präsident Jahrhundert richtig hoffähig gemacht, auch von Spirituals, Gospels und europäischer Mu- selbst ran. Er schnappt sich das Mikro und wenn B. B. King und Eric Clapton schon 1999 sik beeinflusst“, wie es der Bremer Blues-For- singt. Seit dem Kultfilm „The Blues Brothers“ in diesem Ambiente einen Gig hatten. Jazz- scher Karl Gert zur Heide ausdrückt, entwik- ist das Stück die inoffizielle Hymne der „Windy Konzerte gibt’s aber seit John F. Kennedy im kelten sich in den folgenden Jahrzehnten un- City“. In Chicago hatte es bei Michelle und Weißen Haus. terschiedliche Stile. Von wegen Glanz und Begonnen hat alles mit dem eher rustikalen Glamour! Seit seiner Country-Blues in Louisiana, Mississippi, Ar- Entstehung vor mehr kansas und anderen Südstaaten. Aber Millio- als 100 Jahren im tie- nen Afroamerikaner verließen vor, während fen Süden Amerikas und nach dem Zweiten Weltkrieg den Süden, traf der Blues das um im reichen Norden ihr Glück zu versuchen Lebens gefühl von Un- und Geld zu verdienen. Die Reisen auf dem derdogs, die in Bruch- Highway 61 oder als Hobo auf Güterzügen – buden wohnten und über Memphis und St. Louis – endeten unter Unterdrückung meistens in den großen Städten am Lake und Rassismus litten. Michigan. Chicago, Illinois, versprach Arbeit in „Aus Worksongs, den Schlachthöfen und den Stahlwerken. Die Fieldhollers und Balla- Automobilindustrie in Detroit, Michigan, warb Maxwell Street Jimmy Davis, 1986, Maxwell Street, Chicago den entstanden und mit Jobs an den Fließbändern. Die Leute hat- komme eher aus der Jazz-, Fusion-, Funk-, Soul- „Still got the Blues“ und Latin-Ecke. Martin Feldmann interviewt Manfred Faust Faust: Ich war 13, als ich zum ersten Mal diese und Michael Kercher Musik bewusst wahrnahm. Zur Erklärung: Meine Eltern hatten keinen Plattenspieler, und im Radio lief immer nur Peter Kraus. Mein Bruder, drei Jahre Sie sind Urgesteine der Neu-Isenburger Mu- älter als ich, schleppte damals eine Platte von der sikszene: Michael Kercher und Manfred Faust Spencer Davis Group an, um sie auf seinem neu alias Barney Baller. Faust (Jahrgang 1953) ist Barney Baller PR-Foto der Sänger und Mundharmonikaspieler der erworbenen Abspielgerät im Dauerbetrieb zu mal- Barney-Baller-Band, die seit 1979 in wechseln- trätieren. Es gab halt nur diese eine Platte, Autum den Besetzungen auftritt (www.barney-baller- 66 hieß sie. Hatten Sie mal die Gelegenheit, in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren Konzerte in der Reihe band.de). Zuvor hatte er als Frontmann in den Welche Musiker und Bands beeindruckten Sie? Gruppen Chinabreaking oder Jesus on the der American Folk Blues Festivals von Lippmann + Rocks den Ton angegeben. Michael Kercher Faust: Steve Winwood vergötterte ich damals – Rau zu besuchen? Oder erlebten Sie Auftritte an- (Jahrgang 1955) hat nicht nur als Initiator und und heute auch noch. Aber auch Ray Charles und derer Blues- oder Rock-Musiker? Manager des Neu-Isenburger Open-Doors-Fe- Otis Redding standen auf meiner Top-10-Liste, zu Kercher: Bei den American Folk Blues Festivals war stivals einen Namen, sondern er hob auch als der auch Blueser wie Buddy Guy, B.B. King und ich nie. Schlagzeuger in den 1980er Jahren die Gypsys Freddy King gehörten. mit aus der Taufe (www.gypsys.de). Die Kult- Faust: Mein erstes Konzert war Mitte 1969. Jimi band – anfangs noch „Gypsys, Suns and Rain- Kercher: Ich selbst habe 1976 die Formation Hendrix spielte in der Jahrhunderthalle – veran- bows“ genannt, nach einem Jimi-Hendrix- Aguirre in Neu-Isenburg ins Leben gerufen. Wir staltet übrigens von Fritz Rau. Hendrix’ Musik war Klassiker – ist viel auf Achse. spielten dort einen Mix aus eigenen Stücken und einfach nur Wahnsinn. Ich war vollkommen platt. Covers mit stilistischen Anleihen bei Kraan, Santa- Vor allen Dingen dann, als er am Schluss seine na und Weather Report. Diese Bands und später Wann hörten Sie zum ersten Mal Rock, Blues Fender-Gitarre mit Benzin übergoss und mit dem etwa Pat Metheney, Casiopea, Gentle Giant, Yes oder Jazz? brennenden Ding auf seinen Marshall-Verstärker oder Passport prägten meinen Geschmack und eindrosch. Wenig später hörte ich im Frankfurter Kercher: Das kann ich nicht mehr sagen. Um vor- meinen Stil, die Drums zu spielen. Übrigens: Ich Sinkkasten, Mainstraße, Memphis Slim. Nach dem weg der Wahrheit die Ehre zu geben: Der gute Bar- baue mein Drumset mit dem Rücken zum Pub- Umzug des Clubs in die Brönnerstraße dann Otis ney ist viel mehr im Blues verwurzelt als ich. Ich likum auf. Rush – und später auf dem Blues-Festival in Cahors Isenburger 37 mit John Lee Hooker, derne Rock- und Pop-Geschichte mit. Weiße Eddie Kirkland, Bobo Gitarristen wie Eric Clapton erzählen, dass Jenkins, Eddie Burns ihre Wurzeln im Blues liegen. Tatsache ist, und Alberta Adams, um dass die meisten Musiker der Old School in- nur einige zu nennen. zwischen im Blues-Himmel sind. Afroamerikaner vor al- Blues muss nicht der abgedroschene Zwölf- lem aus Texas zog’s takter sein mit „My Baby left me . .“ und so an die Westküste. Los weiter. Er flirtet heute mit anderen Genres wie Angeles sowie Oakland Soul, Funk, Rap und Weltmusik und überlebt. an der San Francisco Schön, daß auch Michelle und Barack Obama Bay wurden Zentren ihn noch lieben, den Blues. des Blues – meistens mit einem unüberhör- Der Autor stellt voraussichtlich im Frühjahr 2015 in Little Pat Rushing mit Familie und Freunden, der Stadtbibliothek Neu-Isenburg eine Auswahl 1981, Maxwell Street, Chicago baren Jazz-Touch. Einer der ganz großen Gitar- seiner Blues-Fotos aus, die bei mehreren USA-Rei- ten aus dem Süden ihre Musik mit gebracht. risten des West-Coast-Blues war T-Bone Wal- sen in den 1980er Jahren entstanden sind. An Wochenenden spielten sie in Kneipen und ker (1910–1975), der auch für B. B. King Vor- Tavernen ihre Songs – von den frühen 1950er bild wurde. Jahren an elektrisch verstärkt. Im Lärm der Ka- schemmen der Black Neighborhood auf der Überhaupt: Der Blues blieb und bleibt das South und West Side musste auch der Blues Rückgrat des Jazz. Und Rock ‘n’ Roll und Soul laut werden. Und auf dem Flohmarkt in der wären ohne ihn nicht denkbar gewesen. Maxwell Street packten sonntags Straßenmu- In den frühen 1960er Jahren schwappte die siker ihre Instrumente und Verstärker aus, um Blues-Welle über den Großen Teich – mit ein zwischen gebrauchten Autoreifen, alten Verdienst des Konzertagenten Fritz Rau und Waschmaschinen und qualmenden Barbecue- seines Kompagnons Horst Lippmann, einem Ständen für ein paar Dollars den Blues zu spie- gebürtigen Eisenacher, der bis zu seinem Tod len – meistens mit Whiskey etwas benebelt. 1997 in Dreieich-Buchschlag wohnte. Die bei- Chicago entwickelte sich damals zur Blues- den hatten in den USA Musiker für die Ameri- Metropole – mit Typen wie Muddy Waters, can Folk Blues Festivals in Europa engagiert. Howlin’ Wolf, Sonny Boy Williamson II, Little Walter (Jacobs), Big Walter (Horton), James Es kam nicht von ungefähr, dass sich die Little Milton, Chicago Blues und Jazz Festival, Cotton, Otis Rush, Buddy Guy und Junior Rolling Stones nach einem Stück von Muddy 1981, Chicago Wells. In Detroit gab es eine kleinere Szene – Waters benannten. Der Blues prägte die mo- in Frankreich Buddy Guy, den ich bis heute sehr Faust: Der Blues war und bleibt der Ausgangs- schen, wobei nicht unbedingt in der traditionellen verehre. An sonsten war ich auf unzähligen Rock- punkt meiner Musik. Vor 15 Jahren hatte der Rock Form. Denn bei der heutigen Musik, wo oft alle und Blues-Konzerten von Alvin Lee bis Zappa. von Roger Chapman noch viel mehr Einfluss auf mög lichen Stile und Musikrichtungen miteinander die Musik meiner Band. Ich war damals sozusagen vermischt werden, spielt der Blues häufig auch Wie hat der Blues ihre Musik geprägt? der Chappo von Isenborsch. Mittlerweile ist unser eine wichtige Rolle. Siehe Beth Hart und Joe Kercher: Der Blues hat mich nur am Rand beein- Repertoire viel blueslastiger. Stücke von Elmore Ja- Bonamassa. Mein Sohn Carlo, seines Zeichens flusst. Gitarristen wie Gary Moore und Jimi Hendrix mes, Willie Dixon, Ray Charles und Stevie Ray „Modern Reggae“ DJ, bedient sich für seine fand ich großartig. Wir spielten mal mit den Gypsys Vaughan stehen auf unserem Programm. Wobei Auftritte des Öfteren in meinem Plattenregal. Zu als Support von Chuck Berry in der Alten Oper. Der diese Nummern sich schon unverkennbar nach Letzt war meine allerliebste Ray-Charles-Platte gute Chuck war peinlich bis unfassbar schlecht. Barney Baller anhören. wieder verschwunden. Dafür lieh mir meine Toch- Lieber hätte ich Haben Sie das Gefühl, dass Blues in Zeiten von ter vor zwei Wochen ihre brandneue CD von mal als Vorgrup- Techno und so weiter nur noch was für Rentner Joe Bonamassa & Beth Hart. pe von B.B. King ist? gespielt. Übri- gens: Im Sommer Kercher: Als wir uns in Gypsys 2003 begleiteten umbenannten, gab es auch immer wir, die Gypsys, wieder Songs wie „Still got the den phantasti- Blues“, die unser Gitarrist und schen schwarzen Sänger Michael Baum überragend Harpspieler Sugar interpretierte. Aber die Akzep- Blue bei drei Kon- tanz, sich so etwas anzuhören, ist zerten in Deutsch- deutlich zurückgegangen – zu- land – im Berliner mindest bei unserem Publikum.