Ist Sachsen anders?

Ist Sachsen anders?

Sind die Sachsen anfällig für neonazistische, vorhalten: getönt von Vorurteilen, der Unlust 1 Neue Veröffentlichungen zu radikale oder rechtspopulistische Bewegun- zu Differenzieren und von der Lust am Ver- : Lars Geiges/Stine Marg/Franz Walter: PEGIDA. gen? Wer die Medien in den letzten beiden dammen. Man könnte es auch Sächsismus Die schmutzige Seite der Zi- Jahren verfolgt hat, der kann den Eindruck nennen.“7 vilgesellschaft. Bielefeld 2015; gewinnen, als sei Sachsen ein „Reich der Bei aller journalistischen Zuspitzung, die er- Hans Vorländer/Maik He- Finsternis“, das sich scharf vom Rest der laubt ist, muss man sich fragen, ob Sachsen rold/Steven Schäller: PEGIDA. Entwicklung, Zusammenset­ Bundesrepublik abhebe. Die Entstehung von denn wirklich einen extremen Sonderfall in zung und Deutung einer PEGIDA1 und die Proteste gegen die Aufnah- der politischen und sozialen Landkarte der Em­pörungsbewegung. Hei- me von Flüchtlingen ließen das größte mit- Bundesrepublik Deutschland bildet. Natür- delberg 2016; Werner J. Pat- teldeutsche Bundesland nicht mehr als „Mus- lich fällt auf, dass einige gesellschaftliche und zelt/Jürgen Klose: PEGIDA. Warnsignale aus . terschüler“ des Aufbaus Ost erscheinen, politische Veränderungen, die ganz Deutsch- Dresden 2016. sondern als „Vorort zur Hölle des Vierten land betreffen, in Sachsen einen stärkeren 2 So die Formulierung im Reichs“.2 So stellte Stefan Schirmer in der Widerhall gefunden haben. Die „Patrioti- Kommentar des Journalis- überregionalen Wochenzeitung „“ in schen Europäer gegen die Islamisierung des ten Uwe Schneider: Geht der Stern mit diesem Sach- seinem Kommentar am 20. August 2015 fest, Abendlandes“ (PEGIDA) sind zuerst in Dres- sen-Bashing zu weit?, vgl. dass Sachsen an einem Demokratiedefizit lei- den auf die Straße gegangen. Nur dort hat sich https://www.tag24.de/ de: „Seit Monaten ist Sachsen das unsympa- eine dauerhafte Protestbewegung etablieren nachrichten/stern-titel- thischste deutsche Bundesland; es macht können, während die PEGIDA-Ableger an- sachsen-trauerspiel- fremdenhass-justizskandal- Schlagzeilen mit Pegida, Rechtsextremismus dernorts rasch wieder eingingen. Für Sachsen 174417 (letzter Zugriff und Übergriffen auf Flüchtlinge. [...] Ob in lässt sich eine statistische Häufung von Über- 5.1.2017). Freital, Meißen, Freiberg, Hoyerswerda oder griffen auf Flüchtlinge feststellen. Die Medien 3 Stefan Schirmer: Dann geht Böhlen – überall schlägt Ausländerhass in machten dies vor allem an dem Brandan- doch! Hass, Extremismus und Abschottung in Sach- Gewalt um. [...] Studien zeigen bei den vier schlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Baut- sen. Ist es Zeit für einen Sä- Millionen Sachsen weniger Zustimmung zu zen, Ausschreitungen gegen Flüchtlinge in xit?, Zeit Nr. 34/2015 vom Prinzipien von Demokratie und Toleranz als Clausnitz bei Rechenberg-Bienenmühle und 20.8.2015, vgl. http://www. üblich unter Deutschen.“3 Die negative Be- einen Brandanschlag auf eine Dresdner Mo- zeit.de/2015/34/sachsen- austritt-bundesrepublik- richterstattung über Sachsen, die inzwischen schee fest. Allerdings führt das bevölkerungs- rechtsextremismus-pegida mit dem deutsch-englischen Begriff „Sach- reichste Bundesland Nordrhein-Westfalen die (letzter Zugriff 5.1.2017). sen-Bashing“ versehen wurde, erreichte im Statistik der links- und rechtsextremen Straf- 4 stern Nr. 43/2016 vom Oktober 2016 einen Höhepunkt, als das Ma- taten an.8 Die Alternative für Deutschland 20.10.2016. 5 Wie Anm. 2. gazin „Stern“ in seiner Titelgeschichte einen (AfD), deren Bundesvorsitzende Frau Petry 6 Jakob Augstein auf Twit- „Report über das dunkelste Bundesland“ ver- in Sachsen lebt und auch Vorsitzende des ter am 14.10.2016: https:// öffentlichte.4 Auf dem Titel war unter einer sächsischen Landesverbands ist, erreichte bei .com/augstein/status/ braunrot umfärbten Dresdner Semperoper der Landtagswahl in Sachsen am 31. August 786311007916462080; und Florian Gathmann in Spie- „Sachsen, ein Trauerspiel“ zu lesen. „Und alle 2014 mit 9,7 Prozent ihr bis dahin bundesweit gel Online ebenfalls am Sachsen wären pausenlos damit beschäftigt, stärkstes Ergebnis. Beeinflusst durch die 14.10.2016: http://www. Asylheime anzuzünden oder wenigstens in- Flüchtlingskrise, stimmten am 24. März 2016 spiegel.de/politik/deutsch- nerlich Beifall zu klatschen“, fasste Uwe 24,3 Prozent der Wähler in Sachsen-Anhalt land/jaber-al-bakr-suizid- in-sachsen-failed-freistaat- Schneider den Tenor des Beitrags zusam- für die AfD. Ihre höchsten Stimmanteile er- kommentar-a-1116399.html, men.5 Nach dem Selbstmord des mutmaßli- zielte die Partei in den südlichen, am stärks- vgl. auch Beitrag von André chen Terroristen Jaber Al-Bakr in der Leipzi- ten industrialisierten Gebieten Sachsens-An- Thieme in diesem Heft. ger Justizvollzugsanstalt verstiegen sich halts, wo sie auch mehrere Direktmandate 7 Andreas Roth: Nennen wir es Sächsismus, Der Kommentatoren sogar dazu, Sachsen als gewann. Freilich ist die AfD kein genuin säch- Sonntag Nr. 43/2016 vom „failed state“ zu bezeichnen.6 Sie rückten das sisches Phänomen, was die Stimmanteile bei 23.10.2016. Land damit in die Nähe von Somalia, Afgha- anderen Landtagswahlen und die bundeswei- 8 Vgl. dazu den Beitrag von nistan oder Libyen, wo vielerorts staatliche ten Umfragen belegen. André Brodocz und Stefanie Hammer in diesem Heft. Strukturen zusammengebrochen sind. „Diag- In der medialen Berichterstattung war schnell 9 Walter Wüllenweber: Sach- nose: Staatsversagen, Bananenrepublik, ty- ausgemacht, dass PEGIDA & Co. nur „in dem sen, ein Trauerspiel, in: pisch Sachsen eben“, fasste Andreas Roth in kleinen Bundesland am äußersten rechten stern Nr. 43/2016 vom der evangelischen Wochenzeitung „Der Rand“9 entstehen konnten. Für „Die Zeit“ 20.10.2016. 10 Siehe Anm. 3. Sonntag“ die mediale Erregung zusammen. etwa stand fest: „Inzwischen ist klar, dass die Er kritisierte: „Die Wucht aber und die Pau- Bewegung in erster Linie ein sächsisches Phä- schalierung der Urteile sprechen eine Spra- nomen ist.“10 Hier knüpfte man an schon län- che, die die Kritiker eigentlich den Sachsen ger bestehende Denkmuster an. So hatte eini-

1 Ist Sachsen anders?

11 Sächsische Zeitung vom ge Jahre zuvor der Berliner SPD-Politiker vom 30. April/1. Mai 2016. Auf die Frage 30.4/1.5.2016, Magazin, S. 2. Wolfgang Thierse im Hinblick auf die Ermitt- „Wieso gerade Dresden und Sachsen?“ ant- 12 Christian Bangel/Lenz Ja- lungen der Dresdner Staatsanwaltschaft ge- wortete er: „Vielleicht hat der Sachse eine cobsen/Andrea Hanna Hün- niger: Ein ganz besonde- gen Demonstranten, die mit Straßenblocka- aufmüpfige Ader? Vielleicht ist er im Kern et- res Volk, Zeit online vom den gegen „Neonaziaufmärsche“ protestier- was ängstlich? Manchmal klingen auch or- 3.10.2016, http://www.zeit. ten, von „sächsischen Verhältnissen“ gespro- dentlich Chauvinismus und Überheblichkeit de/feature/sachsen-rechts chen. Er meinte damit, dass in Sachsen be- mit.“11 In den Erklärungsversuchen wird im- extremismus-npd-pegida- spaltung-einheitsfeier (letz- stimmte „Verhältnisse“ herrschten, die vom mer wieder auf die jüngere sächsische Ge- ter Zugriff 5.1.2017). Konsens in der Bundesrepublik Deutschland schichte verwiesen, etwa auf Sachsen als abwichen. Man verharmlose die Gefahren des Schwerpunkt der Friedlichen Revolution Rechtsextremismus und gehe zu wenig gegen 1989/90 oder auf Entwicklungen der letzten die NPD vor, die von 2004 bis 2014 im sächsi- 25 Jahre. Dabei wird kritisiert, dass sich in schen Landtag vertreten war und in Sachsen Sachsen, auch befördert durch die CDU und stabile Strukturen aufgebaut zu haben schien. andere gesellschaftliche Akteure, ein spezifi- Das Gefühl, dass Sachsen anders sei, verbrei- scher „Sachsenstolz“ herausgebildet habe, teten aber auch die Demonstranten, die sich der eine Abgrenzung von anderen Teilen der zu den „Montagsspaziergängen“ der PEGIDA Bundesrepublik bewirkt hätte. Das ausge- trafen. So rief , damals noch prägte sächsische Heimatbewusstsein führe, Frontfrau von PEGIDA, am 12. Oktober 2015, so die These der „Zeit“, zu Formen der Ab- passend zur Forderung des „Zeit“-Journalis- grenzung und Ausgrenzung und sei damit la- ten Stefan Schirmer, zum „Säxit“ auf, das tent demokratiefeindlich.12 heißt zum Austritt Sachsens aus der Bundes- Unterstützt wurde diese Interpretation durch republik Deutschland, was wiederum für me- Ergebnisse des „Sachsen-Monitors 2016“. Die diale Aufregung sorgte. im Auftrag der Staatsregierung von dem Mei- Die These, dass Sachsen anders sei und hier nungsforschungsinstitut dimap durchgeführ- bestimmte Verhältnisse herrschten, die Zu- te Umfrage basiert auf einer Befragung von stimmung zu Rechtspopulismus oder gar zur 1.013 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Gewaltanwendung begünstigten, wurde vor- Einwohnern des Freistaats Sachsen zwischen nehmlich in der (Tages-)Presse unreflektiert dem 8. August und 4. September 2016 und aufgegriffen. Sogleich suchten die Medien wurde am 22. November 2016 veröffent- nach Erklärungen für die „sächsischen Ver- licht.13 Die Berichterstattung der Medien hältnisse“. Diese Erklärungsversuche beruh- konzentrierte sich auf einige wenige Ergeb- ten in aller Regel auf Hypothesen, Stimmun- nisse, die zur momentanen Stimmungsla- gen und Gefühlen und entbehrten ernsthafter ge passten. So haben 20 Prozent der Befrag- Auseinandersetzung. Ein Beispiel dafür ist ten das Themenfeld „Asylpolitik/zu viele etwa das Interview mit dem Schauspieler Jan Ausländer/Überfremdung“ als gegenwärtig Josef Liefers in der „Sächsischen Zeitung“ wich­tigstes Problem in Sachsen genannt –

Sachsen-Monitor 2016: Wichtigstes Problem in Sachsen Asylpolitik | zu viele Ausländer | Überfremdung 19 (Angaben in Prozent, Mehrfach- nennungen möglich) Arbeitslosigkeit | Wirtschaftsförderung 14

Sorge um steigenden Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit 11

Bildung | Lehrermangel 10

Sicherheit | Kriminalität 9

Jugendarbeitslosigkeit | zu wenig Perspektiven für die Jugend 7

Soziale Gerechtigkeit | Soziale Sicherheit 6

Armut | Billiglöhne | Altersarmut 5

Integration der Ausländer 5

2 Ist Sachsen anders?

Sachsen-Monitor 2016: Aussagen Aussagen Zustimmung zu "Indikatoren gruppenbezo- gener Menschenfeindlichkeit" (Zustimmung in Prozent) Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer 58 in einem gefährlichen Maß überfremdet

Was unser Land braucht, ist ein hartes und energisches Durch­setzen deutscher Interessen 53 gegenüber dem Ausland

Wer schon immer hier lebt, sollte mehr Rechte 36 haben als die, die später hergezogen sind

Eine sexuelle Beziehung zwischen Personen 32 desselben Geschlechts ist unnatürlich

Die meisten Langzeitarbeitslosen machen sich 46 auf Kosten der Anderen ein schönes Leben

Die meisten hier lebenden Muslime akzeptieren 69 nicht unsere Werte

Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland 39 untersagt werden

Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma 54 in meiner Wohngegend aufhalten

hinter anderen Themen wie Arbeitslosigkeit zu bewerten, ob sich die jüngsten Entwick- oder Bildung. Außerdem stellten die Mei- lungen in Sachsen aus Landesgeschichte, nungsforscher eine erhebliche „gruppenbe- Heimatbewusstsein oder Identität erklären zogene Menschenfeindlichkeit“ fest. So lassen oder ob hier andere, etwa wirtschaftli- stimmten 69 Prozent der Aussage zu, die che, soziale und politische Faktoren eine Rol- meist hier lebenden Muslime akzeptierten le spielen: Vollzogen oder vollziehen sich die nicht unsere Werte. 58 Prozent sagten, die politischen oder gesellschaftlichen Prozesse Bundesrepublik Deutschland sei gefährlich in Sachsen tatsächlich anders als in anderen überfremdet. Obwohl die Autoren des Sach- Teilen der Bundesrepublik? Geht es soweit, sen-Monitors davon ausgehen, dass ihre Er- dass man hier sogar von einem „sächsischen gebnisse als repräsentativ zu betrachten sind, Sonderweg“ sprechen könnte? Hat sich der ist doch zu fragen, ob bei der geringen Daten- Freistaat Sachsen seit der deutschen Einheit basis von nur rund tausend Befragten wirk- somit anders entwickelt als die übrigen Bun- lich ein stimmiges erzielt werden konn- desländer? Und wenn dem so ist, welche Be- te. In diesem Heft wurden zur Veran- gründungen gibt es dafür; sind historische schaulichung der Debatte einige Ergebnisse Entwicklungen dafür verantwortlich? Lassen des Sachsen-Monitors 2016 abgedruckt. sich die jüngsten Radikalisierungsprozesse Eine tiefere Analyse der Frage, ob Sachsen aus der Landesgeschichte herleiten? Führt anders sei und einen „Sonderweg“ beschrei- Patriotismus und Heimatbewusstsein auto- te, wie auch der verschiedenen, zumeist matisch zur Ablehnung alles Fremden, zu an- emotionalen oder zugespitzten Thesen ist tidemokratischen Einstellungen oder gar zu bisher nicht erfolgt. Die Herausgeber der Neonazismus? Spielt Sachsen wirklich eine „Sächsischen Heimatblätter“ und die Sächsi- Sonderrolle in Deutschland? sche Landeszentrale für politische Bildung Angesprochen wurden Fachleute, die mit den nahmen das zum Anlass, eine intensivere, sächsischen Spezifika vertraut sind, die Ver- wissenschaftlich begründete Diskussion zu gangenheit und Gegenwart Sachsens kennen führen und in die Öffentlichkeit zu tragen. und somit in der Lage waren, aus verschiede- Wissenschaftler, Politiker und Publizisten nen Perspektiven Antworten zu geben bzw. 13 Vgl. https://www.staatsregie rung.sachsen.de/sachsen- verschiedener Fachgebiete wurden gebeten, Diskussionsangebote zu formulieren. Sie monitor-2016-4038.html unter der Fragestellung „Ist Sachsen anders?“ mussten nicht zwingend aus Sachsen stam- (letzter Zugriff 5.1.2017).

3 Ist Sachsen anders?

Stimme Stimme Stimme eher Stimme gar voll zu eher zu nicht zu nicht zu

Jeder sollte das Recht haben für seine Meinung einzutreten, 66 29 6 1 auch wenn die Mehrheit anderer Meinung ist

Eine lebensfähige Demokratie ist ohne politische Opposition 49 36 6 2 nicht denkbar

Verbrechen sollten härter bestraft werden 50 32 11 4

Um Recht und Ordnung zu bewahren, sollte man härter gegen 31 38 19 9 Außenseiter und Unruhestifter vorgehen

Was Deutschland jetzt braucht ist eine starke Partei, die die 24 38 21 13 Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert

In diesen Zeiten brauchen wir unbedingt eine starke Hand 24 38 22 13

Im nationalen Interesse ist unter Umständen eine Diktatur die 2 9 26 57 bessere Staatsform

Jeder Bürger hat das Recht, notfalls seine Überzeugungen mit 3 3 15 78 Gewalt durchzusetzen

Sachsen-Monitor 2016: Politische men, denn uns war daran gelegen, auch den Themenfelder von mehreren Autoren glei- und demokratietheoretische Aus­ Blick von außen in die Debatte hineinzutra- chermaßen zur Erklärung herangezogen wer- sagen (Angaben in Prozent) gen. Beabsichtigt war, eine größtmögliche den. Dazu gehört die Erkenntnis, dass die Si- Bandbreite an Meinungen und Sichtweisen tuation in der ehemaligen DDR und besonders wiederzugeben. in Sachsen sehr stark der in den ostmitteleu- Die Beiträge dieses Heftes stammen von His- ropäischen Staaten ähnelt, die nach dem torikern (Konstantin Hermann, André Thie- Ende des sozialistischen Wirtschafts- und me, Jens Baumann), Soziologen (Anton Ster- Herrschaftsmodells vergleichbare Transfor- bling), Politologen (Astrid Lorenz, Werner J. mationsprozesse durchlaufen mussten. Wei- Patzelt, André Brodocz, Stefanie Hammer), terhin wird deutlich, dass es vor allem die Journalisten (Alexandra Gerlach, Lenz Jacob- Umbrüche seit 1990 waren, die die mentale sen) sowie von zwei ehemaligen Politikern Lage der Gegenwart prägen, weniger die wei- (Antje Hermenau, ehemals Mitglied des ter zurückreichende Historie. Angesprochen Deutschen Bundestags für Bündnis 90/Die werden unter anderem der nahezu vollstän- Grünen und Vorsitzende der Grünen-Frakti- dige Elitenwechsel nach dem Ende der DDR, on im Sächsischen Landtag; Hans Joachim die Deindustrialisierung der ehemals bedeu- Meyer, CDU, ehemals Sächsischer Staatsmi- tenden industriellen Kerne und das Unbeha- nister für Wissenschaft und Kunst). Auf die gen über das zunehmende Abgehängtsein gestellten Fragen gaben sie ganz verschiede- des ländlichen Raums. Deutlich wird aber ne Antworten. Das war gewünscht, denn wir auch, dass Sachsen in Identität und Mentali- möchten mit diesem Heft eine Debatte ansto- tät durchaus anders sein darf und es gefähr- ßen, ohne eine bestimmtes Ergebnis vorzu- lich wäre, eine „bundesrepublikanische Ein- geben. In der Gewichtung der Argumente ka- heitlichkeit“ zu erstreben. men die Autoren zu ganz gegensätzlichen, Kurz gesagt: Sachsen ist anders, doch manche aber mitunter auch recht nahen Aussagen. vermeintliche „Andersartigkeit“ ist gar nicht Für die einen ist Sachsen anders, weil sich so anders, wenn man nur einen anderen Prägungen und Meinungen von anderen Tei- Blickwinkel einnimmt. len der Bundesrepublik unterscheiden. Für die anderen ist Sachsen gerade nicht anders, Dr. Lars-Arne Dannenberg weil sich die derzeitige Stimmungslage lo- und Dr. Matthias Donath gisch aus sozialen und wirtschaftlichen Ein- Herausgeber der „Sächsischen Heimatblätter“ flüssen erklären lasse. Bei aller Unterschiedlichkeit in Herange- Werner Rellecke hensweise und Argumentation lassen die Sächsische Landeszentrale für Politische Beiträge aber auch erkennen, dass bestimmte Bildung

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