DEZ.14/JAN.15

2014 EINSCHLAUFEN Betrifft: Sei vorsichtig mit dieser Axt, Pete! Impressum Nº 10.14 Im ausgehenden Jahr der Dampfplauderer nen, der neben seinen Folk-Songs auch mit dem DER MUSIKZEITUNG LOOP 17. JAHRGANG habe ich einige neue Ausdrücke gelernt. Wör- kolportierten Newport-Satz «If I had an axe, ter wie «Abusedesk», «Toscanabratwurst» oder I'd chop the microphone cable right now» im P.S./LOOP Verlag «Raumkonzept», die von Bäumen und Melonen Gedächtnis der Popgeschichte bleiben wird. Na- Postfach, 8026 Zürich eifrig beklatscht werden. Doch nicht von mir. türlich ist da aber auch der unsterbliche «Song Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 Vielmehr möchte ich den Erfindern dieser zwei- For Che», der aus der Feder des sanften Rebel- www.loopzeitung.ch felhaften Grossmaulwelt ein fluchendes «Pig len Charlie Haden stammt, ein Song, der auch in Fuck» entgegnen, doch das würde mich wiede- den Sets des wiederaufgetauchten Neutral Milk Verlag, Layout: Thierry Frochaux rum traurig machen, weil dieser Kraftausdruck Hotel dann und wann zu hören ist. [email protected] an den halbfiktiven Sektenonkel Lancaster Neben der traurigen Bilanzierung, die am sinnlo- Dodd erinnert, der im filmischen Meisterstück sen Himmelszelt abzulesen ist, bleibt eines nicht Administration, Inserate: Manfred Müller «The Master» von Philip Seymour Hoffman zu vergessen: Das Plattenjahr 2014, es war ein [email protected] verkörpert wird. Der Schauspieler ist eine der grosses. Davon zeugen die Bestenlisten der ho- Personen, die dieses Jahr tragischerweise von norigen Loop-Autoren und zugewandten Freun- Redaktion: Philippe Amrein (amp), uns gegangen sind. Eine Person, die durch ihre den. Listen, die nun mit Leuchtstift und vierfar- Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe ausgesuchten Rollen wichtige Leitsätze in mein bigem Kugelschreiber sauber durchgearbeitet [email protected] Notizheft des Lebens geschrieben hat. «Be ho- werden und die auch ein wenig Ordnung in die nest and unmerciful» ist eine jener Losungen, die verzettelte Gegenwart bringen können. Vor al- Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Reto Aschwanden mir Hofmann als beschnauzter Lester Bangs auf lem aber Listen, mit denen nun der Plattenladen (ash), Ueli Bernays, Thomas Bohnet (tb), Pascal den «Almost Famous»-Schreibweg mitgegeben meines Vertrauens geentert wird. Denn Musik Cames (cam), Martin Dahms, Harald Fette (hu), hat. Und auch: «You can not make friends with zu kaufen und der Lieblingskünstlerschaft ein Chrigel Fisch, Christian Gasser (cg), the rock stars». Und: sei lieber uncool. würdevolles Dasein zu ermöglichen, ist leider Michael Gasser (mig), Hanspeter Künzler (hpk), Uncool sein: Das ist natürlich das schwierigste schrecklich uncool geworden. Tony Lauber (tl), Mathias Menzl (men), Unterfangen in dieser Zeit, in der selbst die gute So gehe ich meinen bescheidenen Weg als klei- Christoph Merki, Philippe Niederberger alte und liebevoll zusammengestellte Mischkas- ner Tänzer immer weiter, zähle mit meinen neu- sette zum schönen Accessoire verkommen ist en Platten auf dem Nachhauseweg die Schein- Druck: NZZ Print, Schlieren und die Plattensammlung in den digitalen Wol- werferlichter auf den Highways und lege mich ken hängt. So erinnert das vorliegende Drucker- schliesslich nach einem anstrengenden Jahr in Das nächste LOOP erscheint am 29.01.2015 zeugnis auch an Personen, die zeitlebens aufrich- mein Bett. Schlafen Sie gut! Redaktions-/Anzeigenschluss: 22.01.2015 tig und unbarmherzig, allenfalls aber auch allzu stur geblieben sind. Pete Seeger war einer von je- Guido Phoenix

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, Postfach, 8026 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] DER HUMORLOSE HEILIGE Pete Seeger war das Gewissen der ame- rikanischen Folkmusik. Doch der poli- tisch denkende Purist hatte es in seinem langen Leben nicht immer leicht.

Für ihn war Musik nicht Unterhaltung, sondern Mission. Mit dieser Haltung prägte er in den Sechzigerjahren den Zeitgeist. Und mit dem Tod des Folk-Sängers, Fünf-Saiten- Banjo-Virtuosen, Musikethnologen und Polit-Aktivisten Pete Seeger am 27. Januar hat die amerikanische Musikszene eine wegweisende Persönlichkeit verloren. Noch 2008 brachte der Musiker ein neues heraus: «Pete Seeger At 89». Im September 2013 trat er mit Neil Young und Willie Nelson bei einem Benefizkonzert für Farm Aid in Saratoga Springs, New York, auf, und bis zu seinem Lebensende war er davon überzeugt, dass harte Arbeit und Idealismus eine bessere Zu- kunft bringen würden. MUSIK UND SOZIALES ENGAGEMENT

Dem am 3. Mai 1919 in Patterson, New York, geborenen Pete Seeger wurden die Musik und ein soziales Engagement sozusagen in die Wiege gelegt. Seine Mutter Constance war Geigerin, sein Vater Charles, ein Komponist, hatte in Berke- ley doziert, bis ihm sein Pazifismus so viele Feinde eintrug, dass er an die Ostküste flüchten musste. Pete genoss das Pri- pete seeger vileg einer privaten Schulbildung, war aber schon mit drei- zehn Jahren Abonnent der kommunistenfreundlichen Zeit- schrift «New Masses», zu deren Autoren Ernest Hemingway, dern auch viele alte Lieder mit neuen Texten versah. Johns ich ihm das Mikrofonkabel Upton Sinclair und Eugene O’Neill gehörten. Bei einem Fes- Sohn Alan Lomax hat diese Begegnung als den «Beginn der kappen», soll der Purist ge- tival in North Carolina entdeckte er mit sechzehn Jahren das modernen Folkmusik» bezeichnet. schrien haben. altmodische fünfsaitige Banjo für sich. Sein Vater wollte neue Nach dem Krieg – Seeger diente von 1942 bis 1945 in der Musik mit politischen Inhalten schaffen. Der Sohn verwarf Army – und seiner Heirat mit Tashi Ohta gründete er die BERGE VERSETZEN das Unterfangen: Musik, die etwas bedeuten solle, müsse or- Musikergewerkschaft People’s Songs Inc., um dann mit ganisch aus dem Volk herauswachsen, meinte er. Lee Hays, Fred Hellerman und Ronnie Gilbert das stilprä- Seegers schulmeisterliche, Ein Soziologiestudium an der Harvard University gab er gende Gesangsquartett The Weavers zu formieren. Dessen humorlose Folk-Song-Kunst nach kaum zwei Jahren wieder auf. Stattdessen trat er einen Mischung von süffigen Songs, Optimismus und Streicher- wurde in der neuen Ära, in Job beim Archive of American Folksong an, das John L. Lo- Klängen entsprach der Zeit: Seine verzuckerte Version von der auch Ironie und Ob- max im Rahmen der Library of Congress eingerichtet hatte. Leadbellys «Goodnight Irene» erreichte die Spitze der ame- szönität zum Vokabular Diese Stelle erlaubte es ihm, auf der Jagd nach Volksliedern rikanischen Hitparade. Seeger füllte nun mühelos die Carne- des Protestsongs gehörten, zwei Jahre lang durch Amerika zu schweifen. Neue Aufnah- gie Hall. Sein Ruhm und sein Ansehen halfen ihm auch, das zwar weiterhin respektiert, megeräte hatten das Festhalten von Musik ausserhalb des legendäre Newport-Folk-Festival aufzubauen. aber nicht immer geschätzt. Aufnahmestudios wesentlich erleichtert. Das Hoch indes hielt nicht lange an. 1955 nämlich wurde Nach 1969 verlagerte er sei- Nebst dem Blues wurden so auch viele regionale Musikstile Seeger ein Opfer von McCarthys Kommunistenjagd. Das ne Aufmerksamkeit auf den einem überregionalen Publikum zugänglich gemacht. Auch «Komitee für unamerikanische Aktivitäten» befand ihn, Umweltschutz. die Möglichkeit, Lieder aufzunehmen und einen Namen un- Arthur Miller und sechs weitere Autoren der subversiven Bob Dylan bezeichnete Pete ter die Aufnahme zu setzen, löste grundlegende Veränderun- Tätigkeit für schuldig. Jahre später wurde Seeger zwar re- Seeger als einen «lebendigen gen aus. Bis dahin waren die Interpreten von Volksliedern habilitiert, aber er blieb den Konservativen verhasst. Im Heiligen». 1997 wurde er in nicht aus dem Kreis der Zuhörer hinausgetreten. Die Me- Fahrwasser der Weavers bildete sich die im neusten Film der den amerikanischen Main- lodien waren von Generation zu Generation weitergegeben Coen-Brüder, «Inside Llewyn Davis», wunderbar parodierte, stream aufgenommen, als er worden, die Stimmen, welche diese Melodien mit aktuellen ziemlich populäre Szene grinsender Folkies, die mit Glocken- für das Album «Pete» den Texten und melodischen Variationen versehen hatten, blie- stimmen mehrstimmig eine Art swingende Pfadfinderlieder ersten Grammy zugespro- ben anonym. trällerten. Seeger profitierte davon nur am Rande. Der Zu- chen bekam – tatsächlich Fortan trugen die Lieder nun aber auch den Namen ihrer gang zu wichtigen TV-Sendungen und Konzerthallen wurde hat Seeger in seiner Karriere Autoren. Der 1889 geborene Bluessänger Huddie Ledbetter ihm verwehrt, sein Auftreten rief bisweilen sogar reaktionäre fast hundert Alben heraus- alias Leadbelly gehörte zu den Ersten, die so als Autor von Demonstranten auf den Plan. Er liess sich jedoch nicht ein- gebracht. «Folksongs sind «Folk Songs» in die Annalen eingingen. Seegers Kollege John schüchtern. eine ernste Sache», soll er L. Lomax war es gewesen, der die Autoritäten dazu überre- Seeger entdeckte, adaptierte und komponierte Evergreens wie einmal gesagt haben. Und det hatte, Leadbelly aus dem Gefängnis zu entlassen, damit «If I Had a Hammer», «Turn! Turn! Turn!», «Waist Deep in dank ihm glauben die Idea- dieser 1937 nach New York ziehen und von seinem musika- the Big Muddy», «We Shall Overcome» und «Where Have listen unter den Folksängern lischen Ruhm leben konnte. Pete Seeger lernte damals nicht All the Flowers Gone» oder «Die Gedanken sind frei». Als noch immer, dass Musik nur Leadbelly persönlich kennen und schätzen. 1940 begeg- aber Paul Butterfield und Bob Dylan beim Newport-Festival Berge versetzen kann. nete er auch dem Sänger Woody Guthrie, der wie Leadbelly – von 1965 mit einer elektrischen Band erschienen, empfand und später auch Seeger – nicht nur neue Lieder schrieb, son- er dies als Verrat am Folk. «Wenn ich eine Axt hätte, würde Hanspeter Künzler SZENE

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RYAN GOSLING DEZEMBER 2015 für ! DAS STOLZE STRASSENKIND Der Gitarrist Paco de Lucía hat den Fla- paco de lucía menco erneuert und mit ihm die ganze Welt erobert. Der Spanier ist Ende April 66-jährig verstorben.

Die Gitarre war für Paco de Lucía «diese grosse Hurentoch- ter». Er lachte, als er das sagte, aber er meinte es ernst. «Sie ist ein sehr schwieriges Instrument, wirklich.» Es sah so leicht aus, wenn er sie spielte, so leicht, dass Andrés Segovia, ein anderer grosser Gitarrist, einmal etwas abfällig über ihn sag- te, man halte ihn für «ein Wunder», nur weil er «Leichtigkeit in den Fingern hat». Paco de Lucía war der Letzte, der sich für ein Wunder hielt. Er war ein harter Arbeiter. «Die Gitar- re ist ein Instrument, bei dem du dir nie sicher sein kannst, wenn du sie spielst. Es hängt von so vielen Sachen ab: von der Gemütsverfassung, dem emotionalen Gleichgewicht in die- sem Moment…, um sehr gut zu spielen oder wie Scheisse.» Spanien war ein anderes Land, als Paco de Lucía am 21. De- zember 1947 in der andalusischen Hafenstadt Algeciras, an der Bucht von Gibraltar im äussersten Süden Spaniens, zur Welt kam. Der spanische Bürgerkrieg war noch nicht lange vorüber, das Regime des Diktators Francisco Franco war in- ternational isoliert, und das Land lag wirtschaftlich am Bo- den. Ein «Strassenkind» sei er gewesen, sagte der Gitarrist, als ihm 2007 von der Universität in Cádiz die Ehrendoktor- würde verliehen wurde. Sein Künstlername erinnert an diese Vergangenheit auf der Strasse: Geboren als Francisco Sán- chez Gómez, wurde er Paco gerufen, was die Koseform von Francisco ist. Und weil es so viele Pacos in der Nachbarschaft gab, fügte man «de Lucía» hinzu: Seine Mutter hiess mit Vor- namen Lucía. Die Gitarre war Pacos Ausweg aus der Misere, in die er in den frühen Franco-Jahren hineingeboren worden war. Als er neun Jahre alt war, habe ihn sein Vater, auch der ein Gitarrist, gefragt: «Sohn, kannst du lesen und schreiben? Sohn, kannst du addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren?» Er konnte es. Also sprach der Vater: «Ich kann dir die Schule nicht weiter bezahlen. Bleib zu Hause, du kannst den gan- zen Tag Gitarre spielen und es zu etwas bringen.» Dem klei- nen Paco gefiel der Gedanke. Er blieb zu Hause, spielte den ganzen Tag Gitarre und brachte es zu Weltruhm. «Ich bin Autodidakt in der ganzen Bedeutung des Wortes», sagte er, als er mit knapp 60 Jahren die Ehrendoktorwürde in Cádiz entgegennahm. «Und paradoxerweise koexistiert in mir ein Spaniens hat sein Gitarrespiel die Vorstellung von dem, was der grossen Konzertbühnen gewisser Komplex wegen meiner fehlenden akademischen Flamenco ist, so sehr geprägt, dass dort kaum noch nachvoll- der Welt geholt. Er blieb, Bildung mit dem Stolz, ein Autodidakt zu sein.» ziehbar ist, wie sehr er den Flamenco verändert hat. Flamen- wie jeder grosse Künstler, Doch auch wer alles selbst lernt, braucht Quellen, aus denen co war spanische Folklore, so wie der Stierkampf, ein lusti- ein Mann der Selbstzweifel. er schöpfen kann. Paco de Lucías Quelle war der Flamenco, ges Touristenspektakel, vorgetragen auf kleinen Tablaos, den Ob er sich nicht ein wenig die traditionelle andalusische Musik. «Man erschafft nichts Flamenco-Bühnen. «Spain is different» war der Werbeslogan unsterblich fühle, wenn aus dem Nichts. Es geht darum, etwas zu finden, was auf des Franco-Spaniens, und so sollte es bleiben. Paco de Lucía er daran denke, dass man deiner Wellenlänge liegt, und es zu Deinem zu machen. Die gehörte zu denen, die den Flamenco und damit ganz Spanien noch in 200 Jahren von ihm reine Schöpfung existiert nicht.» Der Flamenco war das Ma- aus dieser ranzigen, folkloristischen Ecke befreit haben. sprechen werde, fragte ihn terial, das er vorfand, es war das Material, dem er immer treu Er unterzog den Flamenco einer Revolution, öffnete ihn an- einmal seine Tochter Casil- geblieben ist – gerade dann, wenn er den Flamenco zu verra- deren Musikstilen, vor allem dem Jazz, aber auch dem Blues, da in einem Interview. «Ach ten schien, wie ihm einige Puristen immer wieder vorhielten, Country, Bossa nova, Salsa, arabischer und indischer Musik. was», anwortete Paco de «diese anstrengenden Puristen, die kein Mensch erträgt». In den 60er- und 70er-Jahren nahm er zehn Platten mit sei- Lucía, «bis dahin wird man Dabei sei er selbst ein Purist geblieben, «innerhalb meiner nem Jugendfreund, dem Sänger Camarón de la Isla, auf, und entdeckt haben, dass ich ein Aura als Revolutionär». die Flamenco-Gemeinde hörte mit Staunen die neuen Töne Bluff bin.» Paco de Lucía in der alten andalusischen Musik. Als er 1981 gemeinsam starb am frühen Morgen des FOLKLORE WIE DER STIERKAMPF mit Al Di Meola und John McLaughlin «Friday Night in 26. Februars im mexikani- San Francisco» herausbrachte, wurden davon in aller Welt schen Cancún, vermutlich Paco de Lucía wäre nicht mehr als ein technisch versiertes mehr als 2 Millionen Platten verkauft. Einen solchen Erfolg an einem Herzinfarkt. Er Wunderkind mit «Leichtigkeit in den Fingern» geblieben, hatte kein Flamenco-Musiker vor ihm gehabt. Paco de Lucía wurde 66 Jahre alt. wenn er den Flamenco nicht revolutioniert hätte. Ausserhalb hatte den Flamenco aus dem Dunkel der Tablaos ans Licht Martin Dahms VIBRIERENDE SEELE Akkorde schien Charlie Ha- den in den Augen Colemans die ideale Bassbesetzung: Der Ohr-Musiker (später sollte Haden tragischerwei- se an einem ausgeprägten Tinnitus leiden) folgte den Linien der Bläser im freien Spiel und schuf spontan ei- nen Bezugsrahmen. In den Siebzigern spielte er unter anderem im amerikanischen Quartett von Keith Jarrett. 1982 aber kehrte er, nach New Yorker Jahren, an die Westküste zurück. DIE WENDE ZUR AMERICANA

Und es kam zu einer Art nostalgischer Wende: Mit besagtem, 1986 gegründe- ten Quartet West begann Haden, Melodien aus Fil- men, die er in den Vierzi- gern gesehen hatte, zu ver- arbeiten. Er bezog sich auf das, was ihn jetzt so belebte, wie es einst die unruhige Po- litik getan hatte: die Ame- ricana. Wie in «Song for charlie haden Che» verwob er in die Mu- sik Zitate aus der Fülle einer getrieben, und eben nicht nur im Sinne der Besinnung auf Welt, die ihn immer noch Er spielte Revolutionslieder, aber auch das Schöne. Es war 1969, als der Bassist mit seinem elfköp- erfüllte – in Form von Ton- figen Charlie Haden Liberation Music Orchestra die Mu- bandeinspielungen aus Film ganz friedlich gestimmte Melodien. Mitte sik als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln begriff. und Literatur. Man könn- «Die Musik», schrieb Haden zum Album, das auf dem Hö- te das aussermusikalisch Juli ist der grosse amerikanische Jazz- hepunkt des Vietnamkriegs erschien, «ist der Erschaffung nennen. Man kann es aber einer besseren Welt gewidmet, einer Welt ohne Krieg und auch so sehen, dass Haden Kontrabassist Charlie Haden im Alter von Töten.» Zu hören war da auch Hadens «Song for Che», in die Musik nicht nur aus der dessen Verlauf, wie später in «Every Time We Say Goodbye», Musik, sondern aus dem 76 Jahren verstorben. Fremdmaterial ab Band eingespielt wurde: von Carlos Pue- Leben greifen wollte. Und blas «Hasta siempre», der Hymne auf Che Guevara. so wirkt es auf uns am Ende Wer Charlie Haden nur in seinen letzten Jahren kannte, hat Und Haden tat in «Song for Che» das, was er künftig oft weniger nostalgisch als wohl nur den halben Charlie Haden gekannt. Oder wer wür- tun sollte: Er spielte die tränenvolle Melodie erst ganz allein vielmehr lebensvoll, wenn de vermuten, angesichts der harmonischen Lieder auf Hadens auf dem Bass. Trat dabei mit festem Schritt auf und liess sich Charlie Haden mit seinem späten Alben mit seinem Quartet West, der schmiegsamen auch nicht aus der Ruhe bringen, als Tenorsaxofonist Dewey Quartet West auf «Haun- Duo-Balladen auch mit Keith Jarrett, wer würde vermuten, Redman und Trompeter Don Cherry sich plötzlich die Wut ted Heart» gar eine so alte dass Haden in jungen Jahren musikalischer Feuerspeier ge- aus dem Bauch herausspielten. Und dies ist es, was Haden, Schmonzette wie Glenn wesen war, ein Mensch in der Revolte? 1937 in Iowa geboren, wohl von seinen Anfängen an als Millers «Moonlight Sere- Es gab Leute, die sich irritiert zeigten ob der Friedseligkeit des Bassist über alle Werkphasen ausgezeichnet hat: sein Wille, nade» von 1939 intoniert. späten Charlie Haden. Kann man es ihnen verdenken, wenn die Musik zu erden. Er spielte oft betont einfach. Und heuti- Und wenn er auf seinem man sich etwa Hadens Anverwandlung des Swing-Klassi- ge jüngere Weltklasse-Kontrabassisten wie Larry Grenadier alten Vuillaume-Kontrabass kers «Every Time We Say Goodbye» auf «Haunted Heart» bewundern Haden gerade darum: wie er in komplexen mu- und dessen Naturdarmsai- (1991) anhört mit dem Quartet West? Eine sich in grösstem sikalischen Situationen wenige Töne platzierte, gezielt und ten selbstbewusst die Me- Frieden wiegende Musik erklingt. In deren Verlauf blendet gekonnt und mächtig und majestätisch. Haden verzichtete lodie intoniert, spürt man Haden ab Band auch die dahinschmelzende Gesangsstimme auf den Gebrauch von Stahlsaiten, die Kontrabassisten das etwas vom Vibrieren einer von Jeri Southern in einer Version von 1954 ein. Pure Nost- wieselflinke Spiel ermöglichen. Früh schon war er einer, der untergegangenen Welt, algie? Hadens Klänge würden sich eher wie ein Flüstern aus- sich nicht hetzen liess. die wohl bis zuletzt auch nehmen denn wie ein Schrei nach Freiheit, meinte jedenfalls Der Lohn der Langsamkeit blieb nicht aus. Dass ein Musiker Charlie Hadens Seele ins ein scharfzüngiger Kritiker dazu. Immerhin, der Kritiker be- wie Pat Metheny in den Neunzigern mit dem legendären Ha- Vibrieren gebracht hat. Am nutzte das Wort Freiheit. Und mit Freiheit hatte Haden ohne den spielen wollte, versteht sich. Weniger versteht sich dage- vergangenen 11. Juli ist der Zweifel viel zu tun, auch wenn er sie in seinen späten Tagen gen, dass der noch ganz junge Charlie, der in der folkigen Bassist mit 76 Jahren in Los nicht mehr als Sturm auf die Bastille verstanden haben woll- Family-Band seines Vaters nach Gehör zu musizieren gelernt Angeles nach einer längeren te: Haden meinte, die «Besinnung auf die pure Schönheit» hatte, so schnell in wegweisenden Bands spielen konnte. Ab Krankheit gestorben. habe auch etwas Politisches angesichts der Lage der Welt. 1959 war Haden Teil der Band des Altsaxofonisten und Free- Ja, die Welt. Sie hatte Haden ab den späten Sechzigern um- Pioniers Ornette Coleman. Beim Spiel ohne vorgegebene Christoph Merki jack bruce DER SUPERBASSIST Schliesslich waren alle bereit, im Sinne von Cream und musi- gern vermochte, blieb der Als Mitglied des Trios Cream hat Jack kalischer Qualität persönliche Animositäten zu verdrängen. Name Jack Bruce stets an So wurde das Trio zum Summit der britischen Rockszene – Cream haften. Er brachte Bruce die Rockmusik nachhaltig verän- darin waren sich die Musiker mit der Rock-Kritik einig. Die in der Folge indes verschie- Dreifaltigkeit zelebrierte virtuoses Können vor allem live: dene Soloalben heraus wie dert. Von dieser Heldentat zehrte er den Auf der Bühne forcierte und feierte Clapton den Blues in 1969 bereits «Songs for a kreischenden Sounds und unendlichen Girlanden. Jack Bruce Tailor». Überdies spielte er Rest seines Lebens. unterstützte ihn durch ein druckvolles, federndes, mitunter immer wieder mit promi- fast tänzerisches Spiel, das zwischen knappen Riffs und ge- nenten Musikern aus Jazz Ende der Sechzigerjahren wuchsen die Ideen der Rockmu- schlauftem «walking bass» variierte. und Rock zusammen – etwa siker in den Himmel. Man rauchte, schluckte Pillen und mit John McLaughlin, Larry träumte auf Wolke sieben von Liebe, Jugendkultur und einer VIER ALBEN, DREI REUNIONS Coryell, Michael Gibbs, Jon besseren Welt. Es wurden aber auch Türme gebaut: Im Fal- Hiseman, Dick Heckstall- le des britischen Power-Trios Cream muss man sich das so Das feurige Engagement von Cream vermag heute noch zu Smith, Carla Bley, Tony Wil- vorstellen: Beidseits der Bühne erhoben sich 100-Watt-Mar- überzeugen. Allerdings hatten sich die drei wohl zu früh liams oder Ian Carr. shall-Verstärker zu meterhohen akustischen Geschützen, die als Rock-Kings gesehen. Bei einer gelegentlichen Session 1993 kam es zu einer ersten dem Sänger und Gitarristen Eric Clapton sowie dem Sänger mit dem 16-jährigen afroamerikanischen Gitarristen James Cream-Reunion, als Clap- und Bassisten Jack Bruce Durchschlagskraft brachten. Und Marshall Hendrix jedenfalls wurde Clapton dann regelrecht ton, Baker und Bruce in mochten die Tabletten den Horizont erweitern – diesen Bo- an die Wand gespielt, wie er selber berichtete. In ähnlicher die Rock and Roll Hall of xentürmen erst verdankte sich der lange Nachhall der Rock- Weise hätte Jack Bruce, was das solistische Geschick betrifft, Fame aufgenommen wur- Kultur. Vergleichen mit wegweisenden E-Bassisten wie Jaco Pastori- den. 2003 erkrankte Jack Cream galt damals als das Nonplusultra rockmusikalischer us kaum standhalten können. Die epischen Improvisationen Bruce an Krebs, eine Leber- Virtuosität. Als Eric Clapton die sogenannte Super-Group im wurden für Cream schliesslich zum Problem, die stets ähnli- transplantation überlebte er April 1966 gründete, hatte sich Ginger Baker bereits einen chen Phrasen missrieten zur Drescherei. Und Ginger Baker nur mit Glück. Als sich der Namen als Jazz- und stilbildender Rock-Drummer erwor- fühlte sich oft übergangen; er hörte sich schlecht, zu laut wa- Bassist erholt hatte, feierten ben. Auch Jack Bruce konnte 1966 auf eine Karriere zurück- ren die Kollegen. Cream ein kurzes Come- schauen. Am 14. Mai 1943 in Bishopbriggs, Schottland, mit Als sich Cream 1969 auflösten, hatte die Band die Entwick- back: Im Mai 2005 gab bürgerlichem Namen John Symon Asher Bruce geboren, er- lung des Rock durch ihre psychedelische und progressive das Trio in London in der hielt er 17-jährig ein Stipendium für ein Cello- und Kompo- Spielweise ebenso beeinflusst wie durch die vier Studioalben Royal Albert Hall nach 36 sitionsstudium am Konservatorium. Später wechselte Bruce «Fresh Cream» (1966), «Disraeli Gears» (1967), «Wheels Jahren wieder ein Konzert. zum Jazz und vom Cello zum Kontrabass. In der britischen of Fire» (1968) und «Goodbye» (1969). Die Bedeutung Doch Jack Bruce wurde nie Blues- und Rockszene und in Bands wie John Mayalls Blues- von Jack Bruce für Cream ist hier noch evidenter, firmierte mehr ganz gesund. Am 25. breakers oder der Manfred Mann Combo schliesslich etab- er doch als inspirierter Komponist und Arrangeur der meis- Oktober erlag er in London lierte er sich mit dem E-Bass. Baker und Bruce hatten sich in ten Songs (wie «I Feel Free», «Sunshine of Your Love»). Im im Alter von 71 Jahren den der Graham Bond Organisation schon kennen und hassen Studio profilierte er sich nicht nur als mitreissender Sänger Folgen seines Leidens. gelernt – es war zu Handgreiflichkeiten gekommen. Und Eric und als Bassist, der sein Spiel prägnant reduzierte; er spiel- Clapton musste dann diplomatisches Geschick beweisen, um te auch Piano, Mundharmonika und Cello. Im Gegensatz Ueli Bernays die Streithähne für sein Projekt zu gewinnen. zu Eric Clapton, der seine Popularität später noch zu stei- SZENE

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Tracks melancholisch aufzuladen. Hierzu baute Rashad Stimmen aus der jüngeren und älteren Soulgeschichte ein wie im Beinahe-Song «Let U No», der auf seiner einzigen Langspiel-Platte «Double Cup» enthalten ist. Dieses Meis- terwerk, 2013 erschienen auf dem englischen Label Hyper- dub, erneuerte und popularisierte das Genre Footwork – gleich wie der Track «I’m Gone», für den Rashad den Gil Scott-Heron-Satz «I left three days ago, but no one seems to know I’m gone» sampelte. Dieser Track beschloss auch das DJ-Set, das Hyperdub-Chef Kode9 im Gedenken an DJ Rashad gab. Rashad starb am 27. April an einer Über- dosis. Er hinterlässt einen Sohn, visionäre Tracks, die in die Zukunft weisen, und literweise Tränen – nicht nur auf den Dancefloors. Benedikt Sartorius Gerry Goffin (1939 – 2014)

Gerry Goffin nannte seine Kunst einmal «das Vergnügen, dj rashad den Girls Worte in den Mund zu legen». Mit seiner Ehefrau Carole King, welche die Musik beisteuerte, textete er einige der genialsten Popsongs der Sechzigerjahre. DJ Rashad (1979 – 2014) Der 1939 in Brooklyn geborene Goffin studierte Chemie am New Yorker Queen’s College, wo er die Mitstuden- Zehn Minuten hat er Zeit, um einen Track zu basteln. Und tin und Sängerin Carole Klein (alias King) kennenlernte. so zieht er nochmals an seinem Joint, drückt konzentriert Die beiden heirateten 1959. Im selben Jahr schrieb er den auf seiner Beatmaschine rum, spielt eine Keyboard- und Text zu ihrer Single «Oh! Neil» (eine Antwort auf «Oh! eine tiefe Basslinie ein, hört die Resultate immer wieder an, Carol», den Hit ihres ex-Lovers Neil Sedaka). 1960 trug beobachtet von Freunden und Freundinnen in seinem Stu- die Partnerschaft erste Früchte – mit «Will You Love Me dio in Chicago, fügt die Teile zusammen, ja, bis ein Track Tomorrow» für The Shirelles, dem ersten von Goffins acht steht, der irrwitzig rumtanzt. Das Video, das kürzlich auf- Nummer-eins-Hits. Er verfasste den Text aus der Perspek- getaucht ist, ist 2012 entstanden, und es zeigt DJ Rashad, tive eines Mädchens, das sich darüber Sorgen machte, ob wie er seine Musik produziert. Eine Musik, die man Foot- ihr Boyfriend sie noch lieben würde, nachdem sie ihm ihre work nennt und die Rashad mit seinen Freunden DJ Spinn, Unschuld geopfert hat. Eine Situation, die viele Teenager Traxman und RP Boo und seiner Crew Teklife erfunden aus eigener Erfahrung kannten. Schon hier zeigte sich hat. Ohne die verrenkten Strassen-Tänze ist diese Musik, Gerry Goffins Meisterschaft, das Gefühlschaos der Jugend die aus dem Ghetto-House Chicagos entwachsen ist, kaum zu formulieren. hör- oder begreifbar. Bis 1963 avancierten Goffin/King zu einem der erfolg- Oder eben doch – und das ist das Verdienst von Rashad reichsten Songschreiber-Duos der Popmusik. Ihre Hits lies- Hanif Harden. Er war zeitlebens in der Lage, die rasend sen Stimmung und Puls der Teenies in die Höhe schnellen, synkopierten Rhythmen herunterzubremsen und die sie waren auch typische Produkte des Brill Building, der New Yorker Hitfabrik: «Chains» (The Cookies), «One Fine Day» (The Chiffons), «Take Good Care of My Baby» (Bobby Vee) und «Up on the Roof» (The Drifters). Goffin/ King fanden Schönheit und Poesie in der Seelenqual. Man denke bloss an die sublime Verzweiflung von «No Easy Way Down», «Just Once in My Life» oder «I Can’t Make It Alone». Jede Menge jugendlichen Optimismus und un- bändiges Glück drücken dagegen «I’m Into Something Good», «Some Kind of Wonderful» und «The Loco-Mo- tion» aus, Qualitäten, die Gerry Goffin mit viel Herz und handwerklicher Rafinesse zu vermitteln wusste. Als die sogenannte «british invasion» die USA erreichte und die Brill-Building-Szene ins Schlingern kam, versuchte Goffin, den Stil von anderen jungen Autoren zu adaptie- ren. «Porpoise Song» (The Monkees) war ein Abstecher Richtung Psychedelia und «Pleasant Valley Sunday», eine Studie des Vorstadtlebens. Gegen Ende der Sixties gelangen Goffin/King Songperlen wie «(You Make Me Feel Like A) Natural Woman» (unvergesslich in der Version von Aretha Franklin!). Goffins Drogenkonsum führte zur Entfremdung, und das Paar liess sich 1969 scheiden. 1972 tauchten auf Carole gerry goffin bitte umblättern TODESJAHR 2014

Kings epochalem Singer/Singwriter-Album «Tapestry» drei Songs mit Texten von Gerry Goffin auf, darunter «(You Make Me Feel Like A) Natural Woman» und «Smackwater Jack». Goffin tat sich mit anderen Partnern zusammen, darunter Russ Titelman, Barry Goldberg und Michael Masser, mit welchem er den Whitney-Houston-Hit «Saving All My Love for You» schrieb. 1990 wurden Goffin und King in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. 1995 veröffentlichte er die LP «Back Room Blood», für die er Songs zusammen mit Bob Dylan schrieb, der auch als Sideman und Co-Producer mitwirkte. Am 19. Juni ist Gerry Goffin in seinem Zuhause in Los Angeles gestorben. Tony Lauber

Bobby Womack (1944 – 2014) bobby womack Bobby Womack, einer der letzten Giganten des Soul, starb am 27. Juni. Er war 70-jährig. Der in Cleveland, Ohio, aufgewachsene Sänger und Gitarrist sang schon als Knirps (1952 – 2014) in der Kirche. Mit seinen vier Brüdern trat er im Gospel- Circuit mit Acts wie The Staple Singers auf. Auf Anraten Tommy Ramone wurde 1952 als Tamas Erdelyi in Buda- des Gospel- und R&B-Stars Sam Cooke wandten sich die pest geboren. Nach der Emigration seiner Familie aus Un- Womack Brothers der weltlichen Musik zu und nannten garn arbeitete er als Tontechniker in den New Yorker Re- sich fortan The Valentinos. 1962 buchten sie einen R&B- cord Plant Recording Studios. Als Mitglied der Band The Hit mit der Neufassung eines Gospelstücks, das sie bereits Tangerine Puppets lernte er den Gitarristen Johnny Ramo- früher aufgenommen hatten: Aus «Couldn’t Hear Nobo- ne kennen. 1974 gründete er zusammen mit Johnny, Sänger dy Pray» wurde «Looking for a Love». Zwei Jahre später Joey und Bassist Dee Dee die wegweisende Punkband The komponierten Bobby und seine Schwägerin Shirley den . Als Manager, Produzent und Schlagzeuger war Song «It’s All Over Now», den die Valentinos für Sam Coo- er entscheidend am Sound, Marketing und dem uniformen kes SAR-Label einspielten. Mit mässigem Erfolg. Im selben Image der Band beteiligt (alle Bandmitglieder übernahmen Jahr bescherte der Titel den Rolling Stones ihren ersten den Nachnamen Ramone, obwohl keiner mit den anderen Nummer-eins-Hit in England. verwandt war, dazu kam der Look mit ähnlicher Frisur, Der Tod seines Mentors Sam Cooke war ein einschneiden- dezent verlöcherter Jeans und schwarzer Lederjacke). des Ereignis im Leben des jungen Mannes. Er heiratete Coo- Nach seinem Ausstieg 1978 verlegte er, der auch Mandoli- kes Witwe Barbara, was in Gospel- und R&B-Kreisen für ne, Gitarre und Dobro spielte, sich auf Bluegrass (im Duo Irritation sorgte. Die Band fiel auseinander, doch Bobbys mit Claudia Tienan als ) und produzierte an- Solokarriere wollte nicht abheben. Bis Ende der Sechziger dere Acts wie The Replacements, aber auch seine ex-Kolle- arbeitete er in Memphis und Alabama als Session-Gitarrist gen («», 1984). für Soul-Grössen wie Aretha Franklin, Wilson Pickett, Ray Ein Krebsleiden raffte am 11. Juli 2014 das letzte noch le- Charles, Elvis Presley («Suspicious Minds») oder The Box bende Originalmitglied der Ramones dahin. Tommy war Tops («The Letter») durch. Ab 1971 hatte Womack mehr 62-jährig. Erfolg mit seinen Kompositionen: Sein «Woman’s Gotta Tony Lauber Have It» wurde zum Hit, Janis Joplin coverte «Trust Me», die J. Geils Band «Looking for a Love». Auf Minit Records veröffentlichte Bobby Womack eine tommy ramone Reihe hervorragender Alben. Inzwischer war er mit Sly Stone, Keith Richards und Ron Wood befreundet, deren von Drogen geprägten Lebensstil er übernahm. Anstelle einer erfolgreichen Karriere folgten Aufenthalte in Entzugs- kliniken. Womack, der Soul-Stilist mit der Raspelstimme, sabotierte sich selbst. Während die Discowelle ab 1976 den Karrieren vieler Soulstars zusetzte, blieb sich Bobby Womack treu. Und mit «The Poet» (1981) und «The Poet II» (1984) glückten ihm grossartige moderne Soulalben. Dennoch blieb «The Last Soul Man» (Albumtitel) ein «musician’s musician», ein Geheimtipp. Quentin Tarantino, ein Filmregisseur mit Vorliebe für ver- gessene Populärmusik, verwendete «Across 110th Street» (von 1972) im Soundtrack zu «Jackie Brown», was dem Soulsänger nochmals zu Popularität verhalf. 2011 bat ihn Damon Albarn, auf der Single «Stylo» seiner Band Gorillaz mitzusingen, schliesslich produzierte er Womacks letztes Album: «The Bravest Man in the Universe» von 2012. Eine gelungene Abschiedsvorstellung für Bobby Womack, die Soul-Legende. Tony Lauber psychischen Störungen. Mit der LP «» feierte 1973 ein erfolgreiches Comeback. Ende der Siebzigerjahre erfüllte sich Winter einen Traum: Als Produzent nahm er drei LPs mit seinem alten Vorbild Muddy Waters auf und begleitete die Blues-Legende auf der Gitarre. Aus der Kollaboration entstand eine Handvoll grossartiger Bluesalben: Muddys «Hard Again», «I’m Rea- dy», «Mississippi Muddy Waters Live», sowie «Nothing But the Blues», Johnnys vielleicht beste Platte seit seinen Debütalbum. Triumphal war auch sein Gastspiel im ARD- «Rockpalast» am 21. April 1979: Bis zum Morgengrau- en verzückte er seine Fans mit traditionellem Blues und Rockkrachern wie «Johnny B. Goode» und «Jumpin’ Jack Flash». Dennoch blieb sein Leben bis vor wenigen Jahren stark beeinträchtigt durch eine Mischung aus Antidepressi- va, Wodka und Methadon. Bis zuletzt stand Winter rund 200 Mal im Jahr auf der Bühne. Doch dann lief alles schief: Nach einem Konzert in Frankreich machte er in einem Hotel nahe des Zürcher Flughafens Station. Dort starb er am 16. Juli 2014. Unfrei- willig. Was im Land des lukrativen Sterbetourismus eher ungewöhnlich ist. johnny winter Sechs Wochen nach seinem Tod wurde sein letztes Album veröffentlicht: Auf «Step Back» begleiteten ihn Gitarristen wie Eric Clapton, Billy Gibbons, Joe Bonamassa, Joe Perry Johnny Winter (1944 – 2014) und Brian Setzer. Johnnys Gitarrenspiel und der heisere, krächzende Gesang hatten auch im Alter wenig von ihrer Eine Reportage in der Rockzeitschrift «» ver- Intensität eingebüsst. half Johnny Winter 1968 zum Durchbruch. Dort wurde Tony Lauber der Texaner so beschrieben: «Stellt Euch einen 130 Pfund leichten, schielenden Albino mit langem, wehenden Haar vor, der so ziemlich die flüssigste Gitarre spielt, die ihr je gehört habt.» Dick Wagner (1942 – 2014) John Dawson Winter III stammte aus Beaumont, Texas. Schon als Teenager tourten die Brüder Johnny und Edgar Dick Wagner wuchs in der Gegend von Detroit auf. Die mit verschiedenen Formationen durch den Süden der USA. ersten Schritte machte der musikalische Autodidakt als Sein atemberaubendes Gitarrenspiel überzeugte den Im- Gitarrist für einmalige Gastspiele von Veteranen wie Jer- pressario , der ihn in seinem New Yorker Club ry Lee Lewis oder Roy Orbison. Ende der Sechzigerjahre «The Scene» auftreten liess. Winter schloss Freundschaft machte er als Frontmann der Rockband The Frost auf sich mit Jimi Hendrix, Michael Bloomfield und Al Kooper. Co- aufmerksam, dann mit Ursa Major in New York. Die ein- lumbia Records nahm den Musiker aus der Provinz un- zige Platte dieser Band betreute Alice-Cooper-Produzent ter Vertrag und verkaufte ihn als neuen Gitarrenstar, als Bob Ezrin, dem Wagners Talent sofort auffiel. Ab 1971 «weissen Hendrix». 1969 trat Winter beim legendären beschäftigte er ihn als Studiomusiker für die Cooper-Alben Woodstock-Festival auf. «School’s Out», «Billion Dollar Babies» und «Muscle of Obwohl er sich in den frühen Siebzigern mit Alben wie Love». Die Ezrin-Connection führte zum Job in Lou Reeds «» oder «And Live» mehr dem straigh- Band. Wagner spielte mit Steve Hunter und Jack Bruce auf ten Rock’n’Roll zuwandte, verabschiedete er sich nie Reeds Konzeptalbum «Berlin» (1973), und schliesslich be- völlig vom Blues. Eher schon aus der Musikszene: 1972 gleiteten Hunter und Wagner den exzentrischen Star auch musste er zur Behandlung seiner Heroinsucht eine länge- auf Tour. Unvergessen bleibt das packende, virtuose Zu- re Auszeit nehmen. Ausserdem litt der Mann an diversen sammenspiel beider Gitarristen auf den Lou-Reed-Alben «Rock N Roll Animal» (1974) und «Lou Reed Live» (1975). Das Gitarren-Tandem Hunter/Wagner prägte auch den Sound von Alice Coopers erstem Soloalbum «Wel- come to My Nightmare». Auf diesem Album demonstrier- te Wagner sein Talent als Songschreiber. «Ich habe selten mit jemandem so gern gearbeitet wie mit Dick Wagner», meinte Cooper. «Einige meiner erfolgreichsten Singles wa- ren Balladen, die mit ihm zusammen entstanden.» Wagner schrieb am Titelstück mit, an «Department of Youth» und «Only Women Bleed». Auch auf späteren Cooper-Platten half er, die Hits zu kreieren: «I Never Cry», «You and Me» oder «How You Gonna See Me Now» und ging mit dem Sänger auf Tour. Auch in den Achtzigern und Neunzigern spielte der Gitarrist auf Cooper-Alben, er gab auch ein Gastspiel auf «Welcome 2 My Nightmare» (2011). Neben seiner Arbeit für Cooper und Reed veröffentlichte Wagner 1978 ein Soloalbum («Richard Wagner»). Er spiel- te auch Gitarre (oft unerwähnt) auf Platten von Aerosmith (ein Solo in «Train Kept A-Rollin’»), Kiss («Beth»), Peter Gabriel («Here Comes the Flood») und Air Supply («Just as I Am»). Wagner zog nach Arizona und erlitt 2007 eine Herzattacke. Er erlitt einen Hirnschlag, war zwei Wochen dick wagner bitte umblättern TODESJAHR 2014 im Koma und erwachte mit einem gelähmten liken Arm. Nach zweijähriger Reha veröffentlichte er ein neues Album («Full Meltdown», 2009). Nach zwei Hirnoperationen be- gann er wieder live aufzutreten, schrieb seine Memoiren («Not Only Women Bleed: Vignettes From the Heart of a Rock Musician», 2011). Wagner, der während seiner Karriere auch für Rod Ste- wart, Etta James, Tina Turner, Hall and Oates und Meat Loaf spielte, starb am 30. Juli nach einer Herzoperation in Phoenix, Arizona, an einer Lungeninfektion. Tony Lauber Cosimo Matassa (1926 – 2014)

Seit den Vierzigerjahren bannte Cosimo Matassa die Mu- sik auf Band, die New Orleans nicht bloss als Wiege des Jazz auf die Landkarte brachte, sondern auch als Geburts- stadt des R&B und des Rock’n’Roll. cosimo matassa Als junger Mann begann Matassa halbherzig ein Che- miestudium, ehe er sich auf den Handel mit gebrauchten «Barefootin’» und Aaron Nevilles «Tell It Like It Is». Die Schallplatten verlegte. 1945 kaufte er sich Aufnahmegeräte Schliessung der Cosimo-Studios markierte 1968 das Ende und gründete mit Joe Mancuso die J&M Studios an der des klassischen New-Orleans-R&B. North Rampart Street. Der erste Hit, der dort entstand, Während den insgesamt vier Inkarnationen des Studios war Roy Browns «Good Rocking Tonight» (1948), eine wurde Matassa zum geschätzten Mentor von Musikern bahnbrechende Aufnahme und möglicherweise die erste wie Dr. John und Allen Toussaint. Mitte der Achtzigerjahre echte R&B-Platte. Lustvoll wurde damit die Teenager-Re- zog er sich aus dem Musikgeschäfft zurück. volte und aufbrechende Kluft zwischen den Generationen Im Jahr 2007 konnte Cosimo Matassa für sein Lebens- beschleunigt. Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte werk einen Grammy entgegen nehmen, ausserdem wurde des Studios war der Tag im Dezember 1949, als Lew Chudd er 2012 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. von Imperial Records in Los Angeles Fats Domino unter Überfällige Ehrungen für einen Mann, dessen Werk Mu- Vertrag nahm. Matassa nahm «The Fat Man» auf, den sikhörern in aller Welt viel Vergnügen bereitet hat. Auf die ersten von vielen Fats-Domino-Hits. Rau, laut und stamp- Frage, was er auf seinen Grabstein schreiben würde, ant- fend, erfüllte er sämtliche Kriterien einer Rock’n’Roll-Plat- wortete er: «No regrets.» Am 11. September starb er in te, zwei Jahre vor Ike Turners «Rocket 88». seiner Heimatstadt. Die Veröffentlichung von Lloyd Prices «Lawdy Miss Cla- Tony Lauber wdy» (1952) auf dem Specialty-Label entpuppte sich als Glücksfall für Cosimo Matassa. Das war eine der ersten R&B-Aufnahmen, die den weissen Teenagermarkt erreich- te und den Siegeszug des Rock’n’Roll lancierte. Im Septem- Schultz (1961 – 2014) ber 1955 folgte Little Richards «Tutti-Frutti», der Rest ist Geschichte. Für die Jüngeren war er «Papa Schultz», für manche wegen Im Frühjahr 1956 machte Matassa J&M dicht, um die Co- seines weissen Bartes «Père Noël Punk», für alle anderen in simo Recording Studios, an der Governor Nicholls Street Frankreichs Alternativszene war er einfach Schultz. Unter im French Quarter, zu eröffnen. Dort entstanden viele diesem Namen kannte man den Sänger und Gitarristen der Hits – Klassiker wie «Let The Good Times Roll» (Shirley Band Parabellum, die dieses Jahr ihren 30. Geburtstag fei- & Lee), «I’m Walking» und vieles mehr von Fats Domi- no, «Don‘t You Just Know It» (Huey «Piano» Smith and the Clowns), «Just a Dream» (Jimmy Clanton) und «Sea Cruise» (Frankie Ford). Insgesamt nahm Matassa mehr als 250 nationale Chart- Singles auf, darunter Little Richards «Good Golly Misss Molly» und Big Joe Turners «Shake, Rattle And Roll». Der «Cosimo-Sound» war wuchtig, sämtliche Musiker wurden live aufgenommen. Der Arrangeur war meist Dave Bartholomew. Die Sänger wurden von einer versierten Stu- dioband begleitet, deren wichtigstes Mitglied – neben Lee Allen und Dr. John – war der Schlagzeuger Earl Palmer, der später zur sogenannten «Wrecking Crew» in Los Angeles gehörte. Den Backbeat-Stil, den typischer Schlagzeug-Stil des Rock’n’Roll, erfand er während Little Richards «Tutti Frutti»-Session. In den Sechzigern wurde der New-Orleans-Sound mehr soulig und funky. Aus Cosimos Studio kamen die Hits spärlicher, doch dank Fats Dominos späteren Imperial-Sin- gles (z. B. «Walking to New Orleans») versiegten sie nicht. Dazu kamen Jessie Hills «Ooh Poo Pah Doo», Clarence «Frogman» Henrys «But I Do», Ernie K-Does «Mother- In-Law», Chris Kenners «I Like It Like That», Lee Dor- seys «Ya Ya», Barbara Georges «I Know», Robert Parkers schultz durch Frankreich, die Schweiz und Kanada und drei Alben folgen. 1991 dann die Auflösung, Schultz macht mit Les Tontons Flingueur weiter. 1997 refomieren sich Parabel- lum, veröffentlichen danach regelmässig Alben und lassen Hallen mit 7000 Besuchern genauso wie Kellerlokale ihre unverwüstliche Energie, ihren Humor und den Widerstand gegen Obrigkeiten spüren. «Parabellum, c’est le plus punk des groupes de rock’n’roll, et le plus rock’n’roll des groupes punk», sagte Schultz gerne. In einem Nachruf schrieb Reuno, Sänger der Metal-Band Lofofora, über den «Punk-Papa»: «Er war ein Kerl mit einem riesigen Herz, ein Bluesman, ein Rock’n’Roller. In meinem marokkanischen Stammrestaurant in Montreuil rief er manchmal um 2 Uhr morgens: ‹Patron, eine Gitarre!› Augenblicke später brannte die Luft, es war wunderbar.» Schultz starb am 12. September 53-jährig an einer Lunge- nembolie. Seine Parabellum-Kollegen und andere Wegge- fährten geben im März (ausverkaufte) Benefiz-Konzerte für seine Familie unter dem Motto, das auch seines war: «Les heros du peuple sont immortels.» Philipp Anz bobby keys

erte. Ein Jubiläum, auf das Schultz nicht viel gab. 2009 sag- Bobby Keys (1943 – 2014) te er in einem Interview: «Die vergangenen 25 Jahre sind für mich nicht wichtig. Mich interessiert, was heute ist oder Der amerikanische Saxofonist Bobby Keys, der die Rolling wo wir morgen auftreten.» Stones 45 Jahre auf Tournee und bei Sessions begleitet hat, Schultz wuchs in der lothringischen Kleinstadt Thionville starb am 2. Dezember im Alter von 70 Jahren an Leberzir- an der Grenze zum Saarland und zu Luxemburg auf. Die rhose. Erst im Oktober hatten die Stones ihren Fans mitge- Stones und Chuck Berry waren seine Helden, bis 1977 teilt, dass Keys sie auf Anordnung seines Arztes nicht bei mit den Sex Pistols und den Ramones Punk in die Provinz Konzerten in Australien und Neuseeland begleiten werde. krachte und der Teenager seine erste Band G.T.I.’s gründe- «Die Rolling Stones sind bestürzt über den Tod ihres Freun- te. Ein Freund sagte ihm dann: «Wenn du Rock machen des», liess die Band auf Twitter verlauten. Keith Richards willst, komm nach Paris», und Schultz zog in ein besetztes ergänzte auf Facebook: «Ich habe den besten Kumpel der Haus in der Hauptstadt. Welt verloren und kann meine Trauer nicht mit Worte aus- 1984 formieren sich dort Parabellum, die mit Bands wie drücken, obwohl sich Bobby wünschen würde, dass ich Ludwig von 88 oder Bérurier Noir bald an der Spitze der einfach einen drauf mache! Meine herzliche Anteilnahme französischen Punkbewegung stehen. Nebenbei ist Schultz an alle, die ihn und seine Liebe zur Musik gekannt haben!» mit dem befreundeten Manu Chao auch als Strassenmusi- In manchen Dingen – dem Hang zu Drogen und Exzess – kant unterwegs. Nach einem improvisierten Auftritt in der waren sich Bobby und der Stones-Gitarrist durchaus ähn- Bar Chez Jimmy in Ménilmontant gründen sie zusammen lich. Keys wurde am 18.12.1943 geboren, genau wie Keith, mit Manus Bruder Antoine, François Hadji-Lazaro (Gar- mit dem ihn eine enge Freundschaft verband. Beide tranken çons Bouchers, Pigalle) und Alain Wampas (Les Wampas) sehr viel, verwüsteten Hotelzimmer, warfen Pillen ein, kiff- Los Carayos, die eine ähnliche wilde Mischung aus Rocka- ten und schnupften noch mehr. Unvergessen bleibt, wie er billy, Chanson, Ska und Punk pflegen wie später Mano einmal zusammen mit Keith Richards das Fernsehgerät aus Negra. dem Hotelzimmer warf (zu sehen in Robert Franks Doku Gleichzeitig landen Parabellum 1988 mit der Single «An- über die 1972er US-Tour «Cocksucker Blues»). archie en Chiraquie» über den Pariser Bürgermeister Jac- Exzesse ziehen sich wie ein roter Faden durch Bobbys ques Chirac einen Hit der Subkultur. Ausgedehnte Touren Stones-Geschichte. Gegen Ende der Europatour 1973 ver- passte er einen Auftritt. Keith Richards fand ihn in einer Badewanne, gefüllt mit Dom Perignon. «Er rauchte eine Zigarre, die Wanne voll Champagner, und hatte eine nack- te Französin im Arm», erinnert sich der Stones-Gitarrist in seinen Memoiren. «Und er schrie, ich solle mich verpis- sen.» Dies markierte das vorläufige Ende der Zusammen- arbeit. Erst 1989, auf der «Steel Wheels»-Tour, wurde sie wieder fortgesetzt. Was nicht heisst, dass der Saxofonist in der Zwischenzeit untätig blieb. Er spielte auf Alben von George Harrison, Delaney & Bonnie, , Joe Cocker, Leon Rus- sell, B. B. King, Dr. John, Carly Simon, Joe Ely, Eric Clap- ton, Sheryl Crow und anderen. Ausserdem gab er Konzerte mit seiner eigenen Band, den Suffering Bastards. Bobby Keys stammte aus dem staubigen Nordwesten von Texas. Schon früh begeisterte ihn der kraftvolle Sound des Bandleaders King Curtis, dessen Stil ihn für das Saxofon begeisterte. In Lubbock lernte er Buddy Holly kennen. Mit 15 stand er mit dem Popstar Bobby Vee auf der Bühne. Und er schloss sich der Tournee von Dick Clark’s Caravan of Stars an (mit Little Anthony, Little Eva, Major Lance, Billy Stewart, Freddy Canon). 1964 besuchte er in San An- ian mclagan bitte umblättern Liedern gelungen ist, die TODESJAHR 2014 Zeit auszuschalten, das ist auf der eben erschienenen, tonio ein Konzert der Rolling Stones. Die jungen Briten mit allerlei Bonusmaterial überraschten ihn: «Aus dem Nichts kamen diese englischen angereicherten Neuaufla- Kids und spielten einen Buddy-Holly-Song! Verdammt! Da ge anlässlich des zehnten war irgend etwas an ihnen, das mich faszinierte.» Geburtstages der Platte Zu seinem ersten Studiotermin mit Mick Jagger & Co. nachzuhören. Ein Nachhö- kam Bobby zufällig. Als Mitglied von Delaney & Bonnie ren, das nun zum traurigen & Friends war er 1970 gleichzeitig in den Muscle Shoals Abschied und Gedenken Studios in Alabama wie die Stones. Deren Produzent Jim- wird: Nick Talbot ist am 4. my Miller, der ihn von früher kannte, wollte ein Sax-Solo Dezember im Alter von 37 auf «Brown Sugar», also holte er den Texaner dazu. Das Jahren gestorben. Resultat überzeugte alle. Während dieser Sessions spielte Gravenhursts Karriere Keys auch auf dem Track «Live With Me». Der Rest ist spielte sich stets abseits Geschichte. Was bleibt, sind Bobby Keys’ unverkennba- der schrillen Töne ab: Tal- re Beiträge zu Stones-Klassikern wie «Can You Hear Me bot, der in Bristol lebte Knocking», er verewigte sich auch auf den Alben «Sti- und Quartiere und Orte cky Fingers» (1970), «Exile On Main Street» (1972) und der westenglischen Stadt «Goats Head Soup» (1973). immer wieder in seinen Bobby Keys war eine Ikone der Musikgeschichte. Und, wie Liedern besungen hat, ver- Keith Richards es formulierte: «Die Seele des Rock and öffentlichte nach «Flash- Roll, ein gestandener Mann, aber auch ein verkommener light Seasons» drei weitere Bastard.» Platten auf Warp, zuletzt Tony Lauber das brillante «The Ghost In Daylight». Er spielte mal lauter wie auf dem Album «Fires In Distant Buildings» Ian McLagan (1945 – 2014) (das er mit einem gespensti- schen zehnminütigen Cover Wer kann sich den Sound der Small Faces und der Faces des Kinks-Songs «See My ohne die swingende Orgel von Ian McLagan vorstellen? Friends» beschloss), grün- Undenkbar. Der in Hounslow im Südwesten von London dete das Label Silent Age, aufgewachsene Keyboarder startete seine Karriere als Mu- kollaborierte mit dem elek- siker in den frühen Sixties, als er die Hammondorgel zu tronischen Stuntman Mike spielen begann. Don Arden, der damals die Small Faces ma- Paradinas und arbeitete zu- nagte, holte ihn 1965 in die Band, um Jimmy Winston zu letzt auch als Journalist für ersetzen. Nach Steve Marriotts Abgang stiessen 1969 Rod das englische Webmagazin Stewart und Ronnie Wood dazu, die Band nannte sich fort- «The Quietus». an Faces. McLagan, der mehrere Faces-Songs mitkompo- Im kommenden Januar nierte, darunter «Cindy Incidentally», «You’re So Rude», hätte Nick Talbot im Rah- «Bad’n’Ruin» und «Three Button Hand Me Down», be- men der Rockwoche in der herrschte auch das Wurlitzer-Electric Piano, zu hören auf Roten Fabrik seine Lieder Hits wie «Stay With Me» (Faces) und «Miss You» (Rolling spielen sollen. Anstelle ei- Stones). 1975 trennte sich die ebenso populäre wie trink- nes Konzertbesuchs werde feste Truppe, deren Reunion für 2015 geplant war. ich eine Kerze anzünden McLagan, den Freunde und Fans «Mac» nannten, arbeite- und diesem Mann für sei- te als Studio- und Livemusiker mit den Rolling Stones, er ne innigen und bleibenden spielte mit Keith Richards’ New Barbarians, Bonnie Raitt, Lieder danken. Joe Cocker, Bob Dylan, Ronnie Lane, Buddy Guy, Pete Benedikt Sartorius Townshend, Arc Angels, Ron Wood, Carla Olson, Warren Haynes, Patty Griffin und Lucinda Williams. 1979 nahm Mac sein erstes Soloalbum auf («Troublema- ker»), sein letztes, hervorragendes, «United States», veröf- fentlichte er im Sommer 2014. Seit 20 Jahren lebte er in Austin, Texas. Am 3. Dezember 2014 starb der 69-Jährige an den Folgen eines Schlaganfalls. Tags darauf hätte eine Tournee mit Ian McLagan & The Bump Band, Nick Lowe und Los Straitjackets begonnen. Tony Lauber Nick Talbot (1977 – 2014)

Es kann helfen, die Zeit in eine noch gar nicht so ferne Vergangenheit zurückzudrehen, genauer ins Jahr 2004: Damals veröffentlichte Nick Talbot, besser bekannt unter seinem Alias Gravenhurst, sein fragiles Album «Flash- light Seasons» auf Warp, dem Label, das sich bis dahin ausschliesslich der elektronischen Musik gewidmet hatte. Wie gut diese Folk-Songsammlung jenseits des «Quiet-Is- The-New-Loud»-Hypes gealtert ist, oder besser: wie un- spektakulär und doch berührend es Talbot in seinen stillen nick talbot DIE BESTEN Reto Aschwanden Mac DeMarco: Salad Days The Outsiders: C.Q. Lana Del Rey: Ultraviolence Gaye Su Akyol: Develerle Yasıyorum Various Artists: Lost Souls (Vol. 1) Triptykon: Melana Chasmata Angel Olsen: Burn Your Fire For No Witness Gemma Ray: Milk For Your Motors Chrigel Fisch Stahlberger: Die Gschicht isch besser Roman Elsener Mirel Wagner: When The Cellar Children See Kreisky: Blick auf die Alpen The Church: Further/Deeper The Light Of Day Navel: Songs of Woe Morrissey: World Peace Is None of Your Business Death Grips: Niggas On The Moon Disagony: Venom Dish The Saints: The King of the Sun : Divide & Exit Cold Specks: Neuroplasticity Sleaford Mods: Divide and Exit The Chikitas: Distoris Clitortion Anna Aaron: Neuro Stahlberger: Die Gschicht isch besser Navel: Songs Of Woe Angel Olsen: Burn Your Fire For No Witness Lloyd Cole: Standards And You Will Know Us By The Trail Of Dead: IX Damon Albarn: Everyday Robots Krokodil: The First Recordings Marcel Elsener Bob Mould: Beauty & Ruin Combineharvester: Brikks Sleaford Mods: Divide And Exit Warpaint: Warpaint R-A-M-S: Beaten Up Dogs Don’t Dance Fat White Family: Champagne Holocaust The Hold Steady: Teeth Dreams The Lombego Surfers: Ticket Out Of Town Wolfhounds: Middle Aged Freaks : Urge For Offal Philipp Niederberger Sam Mumenthaler Stahlberger: Die Gschicht isch besser Hank Wood & the Hammerheads: Stay Home Various Artists: Calypso Craze Timber Timbre: Hot Dreams Degreaser: Rougher Squalor Thompson Family: Thompson Family Alvvays: Alvvays Danny & The Darleans: Same The War On Drugs: Lost In The Dream Hookworms: The Hum Michael Hurtt and His Haunted Hearts: Stuck Beck: Morning Phase Protomartyr: Under Color Of Official Right With the Blues Fai Baba: The Savage Dreamer Young Fathers: Dead Ross Johnson & Jeffrey Evans: Vanity sessions Wilko Johnson/Roger Daltrey: Going Back Home T.i.t.s.: Same Bob Mould: Beauty & Ruin Veit Stauffer Roy & The Devils Motorcycle: Frozen Angel Stephen Malkmus & The Jicks: Wig Out At Jag- Anna & Stoffner: Fieber Filmmusik bags Black Lips: Underneath the Rainbow Ex-Cult: Midnight Passenger Velvet Two Stripes: VTS Cave: Threace The James Hunter Six: Minute by Minute FKA Twigs: LP1 Josephine Foster: I’m a Dreamer Gino & The Goons: Same Lake Street Diive: Bad Self Portraits Daniel Fontana Karen Mantler: Business is Bad Roger Ziegler Bonnie Prince Billy: Singers Grave A Sea Of Leyla McCalla: Vari-Colored Songs Kate Tempest: Everybody Down Tongues Purson: Circle & The Blue Door Scott Walker & Sunn O))): Soused Holly Herndon: Body Sound Sleaford Mods: Austerity Dogs Swans: To Be Kind Mac DeMarco: Salad Days Robert Wyatt: Different Every Time Dean Blunt: Black Metal Nisennenmondai: N Bohren & Der Club of Gore: Piano Nights Bo Ningen: III Tony Lauber Dot Wiggin Band: Ready! Get! Go! Tanya Tagaq: Animism Rosanne Cash: The River & The Thread Current 93: I Am The Last Of All The Field That Scott Walker + Sunn O))): Soused The Great Crusades: Thieves of Chicago Fell Thurston Moore: The Best Day Earthless: From the Ages Lana Del Rey: Ultraviolence Arca: Xen Brownout: Presents Brown Sabbath Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra: Fuck Steve Gunn: Way Out Weather Andrea Schroeder: Where the Wild Oceans End Off Get Free We Pour Light On Everything The River Monks: Home Is the House Sleaford Mods: Retweeted Michael Gasser Harry Dean Stanton: Partly Fiction Rumer: Into Colour Scott H. Biram: Nothin’ But Blood Damian Hohl Maggie Björklund: Shaken Ruthie Foster: Promise of a Brand New Day Moodymann: Moodymann Mirel Wagner: When The Cellar Children See Meshell Ndegeocello: Comet. Come To Me The Soundcarriers: Entropicalia The Light Of Day Flying Lotus: You’re Dead King Creosote: From Scotland With Love Pascal Cames K. Leimar: Period Of Review (Original Recor- Lana Del Rey: Ultraviolence Congaking: Eden dings: 1975 – 1983) Lykke Li: I Never Learn Der Nino aus Wien: Bäume Real Estate: Atlas Bill Fay: Who Is The Sender? Fai Baba: The Savage Dreamer Fire Orchestra: Enter Real Estate: Atlas James Gruntz: Belvedere Shabazz Palaces: Lese Majesty Beck: Morning Phase Lily & Madeleine: Fumes The Durian Brothers: Das Macht Modern Dawn Landes: Blue Bird Prader & Knecht: Millions of Pieces Objekt: Flatland Puss N Boots: No Fools, No Fun Sleaford Mods: Divide And Exit Mathias Menzl Sinkane: Mean Love Avi Buffalo: At Best Cuckold Tops: Picture You Staring Beat-Man The/Das: Freezer Wilco: Alpha Mike Foxtrot Movie Star Junkies: Evil Moods Jeans for Jesus: Jeans for Jesus TNT: The Complete Recordings The Hotelier: Home, Like Noplace is There Philipp Anz Nancy Dupree: Ghetto Reality The Antlers: Familiars Sharon van Etten: Are We There Honshu Wolves: Silver Ashes Line The Lane Eagulls: Eagulls Jamie T: Carry On the Grudge The Dead Brothers: Black Moose Cloud Nothings: Here and Nowhere Else Alvvays: Alvvays Various Artists: My Intention Is War – Trinidad Yo La Tengo: Extra Painfull Hiss Golden Messenger: Lateness of Dancers Calypsos 1928 – 1948 Cymbals Eat Guitars: Lose Julie Byrne: Rooms With Walls And Windows The Revox: Lazy Sunshine Antemasque: Antemasque Christine And The Queens: Chaleur Humaine Various Artists: Thai? 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Tel. 044 485 58 58 Fax. 044 485 58 59 Sa. 20.12.14 Aktionshalle 22:00 Enter The Dancehall DAVID RODIGAN / BITTY MCLEAN Live Soundsystem Show Boss Hi-Fi

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Various Artists Fraser She & Him Belle and Wanda Disco: A Fine Selec- Anderson Classics Sebastian Amore tion of Independent Little Glas Box (Columbia/Sony) Girls in Peacetime (Problembär/Rough Trade) Disco, Modern Soul (Membran) Want to Dance and Boogie 1978-82 «Grossmuttermusik» klingt (Matador/MV) Der heisse Scheiss 2014? (Soul Jazz Records) Es gibt Musiker fürs gros- despektierlich, trifft aber Unbedingt: Die Band Wan- se Publikum, und es gibt den Sound des vierten Ihre letzte Platte, «Write da mit ihrem grandiosen Eigentlich war Disco Ende Musiker für Musiker. Der Werks von She & Him. About Love» (2010), drang Debütalbum «Amore»! 1978 so gut wie klinisch Singer/Songwriter Fraser Das aus der Schauspielerin in den britischen Charts bis Fünf junge Burschen aus tot. Vier Jahre lang hatten Anderson gehört ins zweite Zooey Deschanel und dem auf Platz 8 vor, und in den Wien, die mit einem beängs- die geschmeidigen Beats, Fach. Er spielte schon im Singer/Songwriter M. Ward USA erreichte man Positi- tigend guten Album, einem die kitschig jubilierenden Vorprogramm von Joan zusammengesetzte Duo, das on 15, immerhin. Manch Dutzend schlauer, witzi- Streicher und die inhaltlich Armatrading und The Low sich auf dem Filmset von andere Band wäre versucht ger, ins Ohr gehender Pop- vakuumierten Texte Tanz- Anthem, er hatte schon «The Go-Getter» (2007), gewesen, diese Erfolgswelle Hymnen und charmanten, flächen, Radiowellen und seine fünf Minuten bei der einem Roadmovie, begeg- auszureizen, nicht so Belle spritzigen Liveauftritten die Schlafzimmer beherrscht – BBC, und der alte Knochen nete, hat eine Vorliebe für and Sebastian. Die Schot- deutschsprachige Pop-Welt ehe Stil, Szene und Markt Chuck Berry soll «zwei Pop aus vergangenen, aber ten verhielten sich statt- erobern (werden). über Nacht implodierten. Daumen hoch» über den nicht völlig vergessenen Ta- dessen fünf Jahre still, nur Aus dem Nichts heraus ka- Die meisten Disco-Acts Schotten geknurrt haben. gen: Auf ihrem Debüt «Vo- Frontmann Stuart Murdoch men Wanda 2014, und die wurden gedroppt, reihen- Im Grunde muss so einer lume I» (2008) widmeten machte kurz mit der Film- Band um Sänger und Song- weise machten Plattenfir- einen Song in einem Film sich die beiden US-Ameri- musik zu «God Help the schreiber Marco Michael men dicht, «Disco» ver- mit Keira Knightley be- kaner dem Sound der Sixi- Girl» auf sich aufmerksam. Wanda hat schnell Fan- und kam zum Schimpfwort, kommen, dann wäre alles tes und Songs von Sandie Im Januar veröffentlicht die Kritikerherzen erobert. Mit und das Ende des Hypes im Lot. Bis dahin nimmt Shaw oder den Beatles. Auf Formation nun ihr neun- einer zwingenden Mischung brachte die Plattenindustrie der ex-Südfrankreichexi- «Classics» tauchen Ward tes Studioalbum «Girls in aus Indie-Pop und Italo-Dis- an den Rand des Kollapses. lant nahezu im Geheimen und seiner Partnerin noch Peacetime Want to Dance» co, schrammeligen Gitarren, Dass «Disco: A Fine Selec- Musik auf und verklopft tiefer in die Tage von einst und zeigt zunächst Altbe- ein wenig Babyshambles auf tion of Independent Disco, das Album auf Konzerten. ein: Der Johnny-Mathis- kanntes: «Nobody’s Em- Deutsch, Falco und NDW, Modern Soul and Boogie Jetzt, da Anderson wie- Klassiker «It’s Not For Me pire» mixt delikaten Folk Cow-Punk und auch schon 1978-82» (Soul Jazz Re- der auf der Insel lebt, gibt To Say» von 1957 bleibt mit Pop, erinnert an die mal Schlager jagen die fünf cords) im Moment des es seine «Little Glas Box» in der Fassung von She & Sixties und klingt wie der Wandas durch Hits wie Niedergangs einsetzt, ist endlich regulär, eine feine Him ebenso romantisch Soundtrack einer behüteten «Bologna», das schunkeln- kein Zufall: Die «offizielle» Sammlung von Folksongs, wie das noch 18 Jahre älte- College-Karriere. Diese ein- de «Schickt mir die Post» Geschichte der Disco-Hits von denen viele den Blues re «We’ll Meet Again», das mal mehr fein austarierte oder das streicherverzierte und -Triumphe ist hinläng- haben und einige dank durch die Version von Vera Gefühlswelt dominiert auch bitter-süssen «Auseinander- lich kompiliert – was sich der Nähe zu Soul und Jazz Lynn in Erinnerung geblie- das neue Werk, wird aber gehen tut weh». allerdings aus Disco entwi- glänzen. Der bedächtige, ben ist. Die teils aufwendig da und dort durchbrochen: Hört man die Platte öf- ckelte, als die Produzenten manchmal emotional an- orchestrierten Covers ver- «Party Line» wartet mit glit- ter, entdeckt man auch die in ihren Untergrundnischen gegriffene und euphorische sprühen ein Flair der Un- zerndem Disco à la Chic auf, Qualitäten der anderen weiterwerkelten, verliert Sänger Fraser Anderson schuld, und Deschanel singt «The Everlasting Muse» neun Tracks: das count- sich in den Fussnoten der gibt den perfekten Partner wie eine Dame aus gutem mit Mandoline, Klezmer ryeske «Luzia» etwa, das Pop-Historie – ist aber ab: für eine auf französisch Hause, die sich vorzugswei- und flitternder Sehnsucht. schlaue «Jelinek» oder das historisch durchaus rele- flüsternde Frauenstimme se romantisch präsentiert Belle and Sebastian, aktu- hinterhältige «Stehengelas- vant. Diese Doppel-CD im Hintergrund, für die ei- und keine Ahnung hat, wie ell zu sechst, erfinden sich sene Weinflaschen». Wan- arbeitet den Übergang auf, gene Gitarre, für eine spitze sich ein Wässerchen trüben nicht neu, öffnen ihre Türe da haben weder Angst vor der von Disco über Boogie Trompete und das glaskla- lässt. Der Jazz ist sanft, der jedoch einen Spalt breit für grossen Gefühlen oder der und Modern Soul in House re und groovende Piano. Pop zurückhaltend und Grooves und Bubblegum. Grenze zum Schlager, noch mündete. Wer einen ande- «Little Glas Box» klingt die Unterhaltung perfekt. Das erfrischt, ohne an der vor Wien-Klischees und ren Blick auf Disco werfen nicht alt, nur zeitlos. «Classics» funktioniert – intellektuellen Grundaus- dem Popohrwurm. und allenfalls seine Vorur- auch, weil Deschanel die richtung zu rütteln, denn: Grosses Kino. Eines der teile überprüfen möchte, cam. Ironie klein hält und in- Wer ausser Belle and Sebas- besten deutschsprachigen greife zu diesem Sampler. brünstig schmachtet. tian bringt es schon fertig, Alben der letzten Jahre. ein treibendes Stück Elek- Den Namen bitte merken! cg. mig. trop mit dem Titel «Enter » zu versehen? tb.

mig. DIE NEUEN PLATTEN The Pixies «Indie Cindy»? Das Reunionalbum der Pixies, dieses Jahr erschienen, 23 Jahre nach «»? Nun, es ist alles andere als peinlich, und allein schon darüber freute man sich als alter Pixies-Fan. Aber: Wer legt ein paar Monate später «Indie Cindy» auf, wenn er die Pixies hören will? Das ist das Los der meisten Reunionalben, auch der erfreulichen: Schon nach kurzer Zeit zupft man lieber die Klassiker aus Menace Beach Springtime The dem Plattenregal. Im Fall der Pixies sind das «» Ratworld Carnivore Picturebooks (1988) und «Doolittle» (1989). Die Wiederveröffentlichung (Memphis Industries/MV) Springtime Carnivore Imaginary Horse von «Doolittle» zum 25. Geburtstag als Dreifach-CD macht (Autumn Tone) (Noisolution) «Indie Cindy» auf brutale Weise obsolet … Fast 35 Jahre nach den Viele Leute halten das von Steve Albini produzierte «Sur- besten New-Wave-Tagen Von den Beatles bis zu Picturebooks sind ein Duo. fer Rosa» für das beste und bahnbrechendste Album der mit Mekons, Gang of Four, One Direction kennt man Philipp Mirtschink bear- Pixies. Vielleicht haben sie Recht. Doch der grosse Hit, der Scritti Politti, Soft Cell und hyperventilierende Mäd- beitet mit seinen Klöppeln Klassiker, der Evergreen ist «Doolittle». Das war die Platte, etlichen anderen erlebt die chen, die sich Jungsbands die Tom Toms noch hef- auf die sich damals alle einigen konnten – «Doolittle» warf Stadt Leeds in der legendär- hingeben. Greta Morgan tiger als einst Mo Tucker Wellen weit über die Grenzen des Undergrounds hinaus, erweise schrulligen Graf- dreht dieses Phänomen im bei Velvet Underground. hinterliess tiefe Spuren, beeinflusste Legionen von Bands schaft Yorkshire wieder Videoclip zu «Name on a Fynn Grabke greift auf sei- und bereitete nicht zuletzt den vor. «Smells Like eine musikalische Hausse. Matchbox» um: Da krei- ner Gitarre lärmig-bluesige Teen Spirit» sei, sagte Kurt Cobain immer wieder, der Ver- Hookworms, Sky Larkin, schen Jungs und gestan- Riffs. Schleppend, inten- such gewesen, einen Pixies-Song zu schreiben. , dene Männer und prügeln siv, aufwühlend. Bisweilen Auf «Doolittle» vervollkommnten (Gesang, Eagulls und Alt-J stammen sich um die beste Sicht auf fühlt man auch indianische Gitarre), (Bass, Gesang), (Gitarre) alle von dort, und auch die die Frauen auf der Bühne. Rhythmen. Das Ganze und Dave Lovering (Schlagzeug) ihr Talent, Gegensätze zu- Wild Beasts haben hier die Morgan kennt sich aus mit klingt zwischen Mississip- sammenzuschmieden: Laut und leise, hart und sanft, heiss Uni besucht. Die Szene ist jugendlichen Popwelten. pi-Delta und den weiten und kalt, schnell und langsam, süss und sauer, akustisch intensiv vernetzt, das zeigt Bereits mit 16 tourte sie Prairies Nordamerikas. und elektrisch – und das alles meistens im gleichen, kurzen schon die Tatsache, bei als Sängerin der Chicago- Aufgenommen wurde das und kurzweiligen Song. Manchmal trägt der Bass die Me- wievielen anderen Bands er Indie-Rocker The Hush dritte Album von Picture- lodie, manchmal ist es die Gitarre, manchmal der Gesang, Ober-Hookworm MJ seine Sound durch die USA, dann books allerdings in einer manchmal alle drei. «», «», Finger als Musikant oder gründete sie die Band Gold Scheune bei Gütersloh in «», «There Goes My Gun» oder Produzent im Spiel hat. So Motel. Mit 26 veröffent- Niedersachsen. Dort hat «Gouge Away» sind die Evergreens – aber keiner der 15 auch bei Menace Beach. licht sie nun als Springtime Fynns Vater eine Werkstatt Songs fällt ab, jedes Stück ist ein hoch dynamischer Knaller. Die Combo schart sich um Carnivore ihr erstes Soloal- für schwere Motorräder Das liegt nicht zuletzt an der Produktion von : Ryan Needham und Liza bum. Die 14 Songs hat sie mitsamt Tonstudio. Sie ha- Sie ist geschliffen und geschmeidig, rückt alle Instrumente Violet, es gehören dazu mithilfe des Produzenten ben zwei Mikrofone in der gleichberechtigt in den Vordergrund und schält den Pop- nebst MJ auch noch Nestor Richard Swift (Foxygen, Werkstatt aufgestellt und Appeal jedes Songs aus dem Krach. «Doolittle» war nicht Matthews, der sonst mit Damien Jurado) praktisch 13 Songs live eingespielt. wie sein Vorgänger Punk, der sich als Pop ausgab, sondern den herrlichen Sky Larkin im Alleingang eingespielt. Die Akustik dort schafft Pop, der sich hie und da wie Punk gebärdete. Aber die Pixies dudelt, und Matt Spalding Ihre neue Heimat Los An- durch einen ungewöhnli- wirkten auf «Doolittle» immer freundlich und gut gelaunt, von You Animals. Was fast geles und der Westcoast- chen Hall-Effekt eine ganz egal wie laut der damals schon zu gemütlicher Rundlichkeit allen heutigen Leeds-Bands Vibe sind dabei deutlich eigene, raue Atmosphäre. neigende Black Francis brüllte, keifte und wütete und wie gemeinsam zu sein scheint, hörbar. Bubblegum, Psy- Papa Claus Grabke ist heftig die Gitarren krachten – «Doolittle» verströmte die ist eine Vorliebe für punki- chedelia, 80er-Elektronik, gelernter Toningenieur, unverschämte Leichtigkeit von Pop und flirtete als eine der gen Gitarrenschmiss, der Beach-Harmonien, Count- hat sich aber vor allem ersten Indie-Platten (selbst-)bewusst mit den Charts. Das auch mal Richtung tonnen- ry und Wall of Sound las- als mehrfacher deutscher bestätigte damals das Interview vor dem Zürcher Konzert: schweren Post-Rock oder sen sich von einem Sonnen- Skateboardmeister und Freundlich und selbstzufrieden grinsend wich Black Francis Noise ausscheren kann. strahl streicheln. Entspannt Musiker international ei- allen Fragen aus, die unter die Oberfläche zielten. Das ist auch bei Menace klingt das alles, während nen Namen gemacht. Der «Doolittle» ist ein Klassiker, kein Zweifel, eine der massgeb- Beach nicht anders – wo- ihr leicht abgedrehter Ge- Apfel fällt nicht weit vom lichen Platten der späten Achtzigerjahre und vor allem ein bei immer dann, wenn Liza sang dem Potpourri die Stamm: Auch die beiden unverwüstlicher Evergreen, der heute nicht weniger frisch Violet ans Mikrophon tritt, nötige Würze gibt. «Spring- Picturebooks-Musiker sind und beglückend klingt wie damals. Deshalb ist «Doolittle auch mal verträumt auf die time Carnivore» mag noch begeisterte Skateboarder 25» mit seinen zwei ergänzenden CDs (Peel Sessions und Schuhe hinuntergestarrt nicht der grosse Popwurf und Motorradschrauber. etliche Demos) eine höchst erfreuliche Sache. Auch wenn wird. Es werden hier keine sein, aber ein Schritt hin zu Sie wollen nicht so klingen diese Geburtstagsausgabe das aktuelle «Indie Cindy» brutal Löffel und Messer neu er- den ewig verführerisch fun- wie andere Bands, sagen auf die Ränge verweist. Und das, obschon die Pixies ausge- funden, aber doch immer- kelnden Sternen. sie. Das ist ihnen mit ihrem rechnet mit «Indie Cindy» meines Wissens zum ersten Mal hin ein paar beschwingte ureigenen Garagenrock die Schweizer Charts geknackt haben – für eine Woche. Melodien mit recht viel anz. aufs Feinste gelungen. Lust, Schwung und Lebens- Christian Gasser freude verbunden. hu.

The Pixies: «Doolittle 25» (4AD/Musikvertrieb) hpk. DIE NEUEN PLATTEN Krokodil Zürich, April 1969. Krokodil heisst die junge Band, die im Blow Up ihre ersten zwei Gigs spielt. Ein Paukenschlag! Eine urbane Rockband, die anders klingt als die brave CH- Liga der Beat- und Pop-Verschnitte. Eine Band, die vier Monate später in Woodstock mit Garantie top ausgesehen hätte. Oder nochmals drei Monate später locker mit die- Father Zaz Ned Roberts ser unbekannten britischen Band hätte losjammen können John Misty Paris Ned Roberts (die Band im «Beat Club»-Keller des Hirschen Zürich hiess I Love You, (Warner Music) (Ungawa) Black Sabbath). 45 Jahre ist das her. So what? Düde Dürst – Honeybear Mitbegründer, Drummer und Perkussionist der wichtigsten (Bella Union/MV) Nach dem «schweren» Wer sich den Coen-Brot- CH-Psychedelic-Progrock-Band – ist es zu verdanken, dass zweiten, nicht ganz so ge- hers-Film «Inside Llewyn nun die ersten Studioaufnahmen von Krokodil im Regal Joshua Tilman markierte lungenen Album «Recto Davis» anschaute, trauerte funkeln. Als stilecht handfeste, psychedelisch knallige LP zehn Jahre lang den sensib- Verso» geht das französi- vielleicht etwas jenen Folk- mit Klappcover und 180 Gramm Vinyl in it. Einige Songs len amerikanischen Trou- sche Neo-Chanson-Wunder Tagen in New York nach, kamen später im Jahr auf das Debüt bei Liberty Records badour, der zur Begleitung Zaz beim dritten Werk als eine akustische Gitarre in München, andere sind unveröffentlicht oder klingen ur- von Akustikgitarre seine auf Nummer sicher. Wie und eine Stimme noch die tümlicher, roher. Seele nach aussen zu stül- der Titel schon sagt, dreht Welt bewegen und verän- Unverkennbar das Sitar-Intro von Walty Anselmo in der pen trachtete. Die Einsicht, sich hier alles um die fran- dern konnten. Doch der groovenden 8-Minuten-Walze «You’re Still a Part of Me», dass dies eine Pose, quasi zösische Metropole, und Trost wartet gleich um die unbeschwert der Song «Hey Don’t You Care», folky- eine Lebenslüge sei, kam die 34-Jährige hat bei den Ecke: Es gibt sie immer schläfrig «When I Was a Child». Weit vorne Mojo Wei- ihm, als er nackt auf einem 13 Songs die Gelegenheit, noch, diese urtümlichen, deli (der 2006 leider verstarb) mit seiner Blues Harp als Baum sass und plötzlich gleich mehrere Klassiker klassischen Singer/Song- pures Soloinstrument. Und skurril «Camel Is Top», eine von einem gewaltigen Ge- unterzubringen. Zum Bei- writer. In England etwa Auftragsarbeit für den Tabakkonzern und das Startgeld für fühl der Lächerlichkeit er- spiel Cole Porters Hit «I hat sich an akustischen die Unabhängigkeit der ersten Bandjahre. fasst wurde. Nun verdingte Love Paris», das sie zu- Abenden in Pubs, auf klei- Mit 15 000 Schtutz kauften Düde Dürst, Hardy Hepp, er sich bei Fleet Foxes als sammen mit der jungen nen Bühnen oder in Wohn- Walty Anselmo, Mojo Weideli und Terry Stevens Equip- Drummer, einfach, um auf kanadischen Jazzsängerin zimmern eine sehr aktive ment und einen Bandbus, zogen los – und waren gross. andere Gedanken zu kom- Nikki Yanofsky zweispra- und vitale neue Folk-Szene Krokodil spielten Tourneen und Festivals mit Can, Amon men. Dann erfand er für chig darbietet. Produziert gebildet. Zu ihr zählt auch Düül II, Kraftwerk, T. Rex, Pink Floyd und anderen Vie- sich die Bühnenfigur Father im Übrigen von der Legen- Ned Roberts. An einem der chern der Zeit. Und zollten dem Leben als Rockband ihren John Misty, und endlich de Quincy Jones, der gleich erwähnten Abende hör- Tribut, kurz bevor Disco und Punk in die Welt einbrachen. kappte er alle Fesseln sei- noch für zwei weitere Titel te ihn Luther Russell und Krokodil lösten sich 1974 auf. Diese LP kommt zur richti- ner Fantasie. «Fear Fun» verantwortlich zeichnet: lud ihn in sein Studio nach gen Zeit. Da zeitlos cool. hiess vor zwei Jahren das Ihr Duett mit dem grossen Los Angeles ein, wo Ro- erste Werk, das unter die- Charles Aznavour («J’aime berts’ Debüt aufgenommen Chrigel Fisch sem Namen erschien. «I Paris au mois de mai» – for- wurde. Delikates Fingerpi- Love You, Honeybear» ist midabel!) und die eigenwil- cking kombiniert der junge Krokodil: «The First Recordings» (Krokodil Records/Klang und Kleid) kein bisschen weniger wild, lige Interpretation des Klas- Londoner mit Gesang und schräg, absurd, bunt und sikers «Champs Elysées». Geschichten, die bei Nick querköpfig. All diese Eigen- Für Aufregung hat Zaz Drake, Leonard Cohen schaften allerdings nicht in in Frankreich gesorgt, als oder Bert Jansch anknüp- der Form feuerwerkhafter sie etwas unbedarft und fen. Stimme und Gitarre Anarchie, sondern verpackt naiv behauptet hatte, Paris treten in einen warmen in ausgeklügelte, halbironi- habe während der deut- Dialog, und Roberts zeigt sche Arrangements samt schen Besatzung im zweiten sich als talentierter Ge- winselnden Geigen und Weltkrieg eine «gewissen schichtenerzähler über die schmetternden Trompeten. Leichtigkeit» versprüht. «Old Coney St» oder den Bemerkenswert sind üb- An ge sichts der tatsächli- Ort, «Where the Wild Thy- rigens nicht zuletzt die chen Gegebenheiten eine me Blows». Als schlichter gleichzeitig absurden und ziemliche dumme Behaup- «Blues #6» ist einer der nun wirklich sehr persönli- tung, die ihr herbe Kritik Höhepunkte betitelt, den chen Texte – der Vinylver- und jede Menge Spott ein- er im Duett mit Sarabeth sion liegt noch ein ganzer gebracht hatte. Ein Kritiker Tucek singt. Der Blues, der Roman bei! Und dass er es meinte gar, sie möge sich Folk – die alten Traditionen mit dem bitterbösen «Bo- doch gleich in «Naz» um- leben bei Roberts weiter. red in the USA» live in die benennen. Letterman-Show geschafft anz. hat, kommt einem kleinen tb. Wunder gleich. hpk. DIE NEUEN PLATTEN London Hotline Achtung, liebe Künstlerinnen und Künstler: wer Lust hat, sein Album am Ende des Jahres in den englischen «Best of...»-Listen wiederzufinden, tut gut daran, das Werk nicht zwischen November und Februar aufzutischen. Einerseits liegt der Redaktionsschluss der Januar-Ausgaben von mo- natlich erscheinenden Publikationen in den frühen Novem- bertagen. Andererseits erinnert sich kaum ein Schreiberling John Carpenter Dutch Uncles Les Sins daran, was nach all dem Weihnachts- und Silvesterpartyrum- Lost Themes O Shudder Michael mel in den ersten Wochen des neuen Jahres geschehen ist. (Sacred Bones/Cargo) (Memphis Industries/MV) (Carpark Records) Es sei denn, man nenne sich St. Vincent. Das fünfte Album von Annie Clarke erschien mitten im Winter und blieb doch Der legendäre Filmemacher Das Quintett aus Man- Erinnert sich noch jemand hängen in den Gehörgängen des Zeitgeistes wie kein anderes John Carpenter ist nicht chester war schon immer an Chillwave? Das war in diesem Jahr: Nicht nur bei den jungen SchreiberInnen des nur für seine grandiosen aus einem ähnlichen Tuch 2010 der heisse Scheiss «New Musical Express» schwang sie bei der Endabrechnung Horror-Sci-Fi- und Action- geschneidert wie die Wild mit Bands, die sich mit viel obenaus, sondern auch bei den mittelalterlichen Autoren Werke wie «Halloween», Beasts: vertrackte Rhyth- Synthesizer, Samples und der ehrwürdigen «Sunday Times». Im Altherrenmagazin «Das Ende», «Die Klapper- mus- und Akkordwechsel, schnodderigen Melodien bis «Mojo» schaute Platz 5 heraus, im eher durchmischten «Un- schlange» oder «The Fog» androgyne Stimme, unge- in den «Blick am Abend» cut» Rang 9, im ungefähr aufs Publikum vom «NME» abzie- bekannt, sondern auch als wöhliche Namen in ihrer musizierten. Chaz Bundick lenden «Q» Rang 6, und im feinen englischen Web-Magazin Filmmusikkomponist, dem Liste von Einflüssen (Steve von Toro Y Moi war das «music OMH» wiederum Platz 1. Und nicht nur den Emp- in den 80er-Jahren mit dem Reich, King Crimson...). Aushängeschild der Szene. fängerInnen von musikalischen Gratismüsterchen gefiel «St. Titelthema seines grossarti- Wie die Wild Beasts schaf- Dass Chillwave momentan Vincent», auch die Kassen klingelten nicht schlecht. Rang 21 gen Films «Assault on Pre- fen sie es, ihre komplexen grad niemanden mehr vom in der englischen Hitparade ist noch nicht spektatulär – aber cinct 13» («Das Ende») ein Strukturen mit einer Leich- Hocker reisst, muss den Rang 12 in den amerkanischen Mainstream-Charts schon. Discothekenhit gelungen ist. tigkeit vorzutragen, als wä- jungen Amerikaner aber NeutönerInnen können dort sonst selten mit derart solider Ein kleines Synthie-Meister- ren es Polkas, die ihnen in nicht kümmern, denn er Unterstützung rechnen. werk zwischen Italo-Disco die Wiege gelegt worden ist zwar mit einem Hype- Derweil «St. Vincent» tatsächlich klingt wie ein Album, das und düsterem Prä-Techno. sind. Das Instrumentari- Genre gross geworden, aber in keinem früheren Jahr hätte aufgenommen worden sein, Auch die Scores der ande- um der Band wird diesmal er ist im Grunde einfach ist ein zweites Album, das in allen Listen in den vordersten ren frühen Filme sind toll, durch allerhand Streicher, ein guter Musiker. Nach Rängen auftaucht, vom Geist her das pure Gegenteil: Nichts etwa dieses famose, sich Vibraphon und eine Har- Chillwave hat sich Bundick an «Lost in the Dream» von The War on Drugs klingt nach steigernde Synthie-Motiv, fe ergänzt. Natürlich nicht in Richtung Electro be- einem Zeitzeichen. Im «Uncut» war es das Album des Jahres, wenn Kurt Russel als Snake Streicher im Sinne einer wegt, was 2013 in seinem bei den VerkäuferInnen des Rough Trade-Ladens landete es Plissken durch das düstere synthetisch-symphonischen von House und Two-Step hinter «Sun Structures» von Temples auf Platz zwei, in der Sci-Fi-Szenario zu «Escape ambienten Wolldecke, son- beeinflussten und bislang «Sunday Times» reichte es nur für Rang 20, dafür schaute From New York» («Die dern fein eingewoben im letzten Toro-Y-Moi-Album im «Mojo» hinter Becks «Morning Phase» wiederum Rang Klapperschlange») hetzt. Sound der Band. So ent- «Anything in Return» gip- 2 heraus, ditto «music OMH». Und Rang drei im «NME». Im fortgeschrittenen Alter steht der Effekt einer Band, felte. Nun steht er unter Der Schluss, den Listen dieser Art zulassen, ist in den letzten von 66 Jahren veröffent- die gleichzeitig Streich- dem Pseudonym Les Sins im Jahren immer der gleiche geblieben: vorbei sind die Zeiten licht der Kult-Regisseur quartett ist. Wenn das alles Rampenlicht und kredenzt der grossen Trends. Obenaufschwingen tun die EinzeltäterIn- nun sein Debütalbum. Und nun ein bisschen zerebral eine wilde Mischung aus nen, die am meisten Aufsehen zu erregen vermögen, sei es das ist für den Carpenter- tönt – soll es nicht: Drums 80er-Jahre-Funk, französi- durch schrilles Auftreten oder aber (und das ist in diesen frü- Fan eine tolle Sache. Vor und Bass halten die in alle schen House-Einflüssen und her so stark vom Wind der Trends geprägten Breitengraden allem Track 1, «Vortex», Richtungen wegspringen- HipHop-Elementen. Bun- nicht selbstverständlich) Musik. Mit Mac DeMarco, Aphex erinnert an die alten Stü- den Gesänge und Gitarren dicks Sound zu verorten, Twin, Caribou, La Roux und Jamie T. füllen fünf weitere cke. Jede Menge Synthie- gekonnt zusammen – zwi- wird zunehmend schwieri- VertreterInnen dieser Zunft die Top 10 des «NME». Eine geschwurbel und Krautro- schendurch wirds sogar ger, was aber gerade auch ganze Reihe von weiteren einsamen DienstkollegInnen aller ckiges findet sich auf dem richtig funky à la Talking den Reiz seiner Musik aus- Geschlechter tauchen in den respektablen Regionen der di- Album. Bei «Obsidian» Heads. Derweil ich also macht. Es ist eine fast schon versen Listen des Öfteren auf: Sharon Van Etten, FKA Twigs, werden Erinnerungen an den Mut der Band schät- verquere Mischung aus ei- Ty Segall, Damon Albarn, Rosanne Cash, Gruff Rhys, Flying die Psycho-Rocker Goblin ze und die Umsetzung der gentlich eingängigen Stilen, Lotus, Perfume Genius, Lana Del Rey, Angel Olsen. wach, die schrullige Haus- vielen Einfälle in die Pra- die er auseinandernimmt Hip-Hop und andere nicht-Angelsächsische Musikstile schei- kapelle eines anderen Hor- xis für durchaus gelungen und so zusammenstellt, dass nen für die britische Medienwelt kaum mehr zu existieren, rer-Meisters, des grossen halte, kann ich das Album es zwar gut ausschaut, aber es sei denn, sie sind in ihre eigenen speziellen Ghetto-Charts Italieners Dario Argento. doch nicht so recht genies- nicht gut schmeckt. Auf An- abgeführt worden. Die ersten schwarzen Gesichtern in der Anderes erinnert an Tange- sen. Was mich stört sind die hieb zumindest, denn den Liste des NME finden sich auf Rang 14 (das Duo Run the Je- rine Dream oder Emerson, Keyboard-Sounds in Kom- Geschmack muss man sich wels). Das bleiche Bild wiederholt sich schockierenderweise Lake & Palmer. «Lost The- bination mit der Stimme – erarbeiten. überall – ironischerweise nur in der Bücherliste von «Uncut» mes» ist möglicherweise es erinnert mich ungut an nicht: das beste Musikbuch des Jahres sei Robert Gordons nicht state of the art, Film- die 80er Jahre im Sinne von men. Geschichte von Stax Records. So ist denn immerhin die Ver- freaks könnte das Album Tears for Fears. But that’s a gangenheit «black». dennoch gefallen. matter of taste.

Hanspeter Künzler tb. hpk. DIE NEUEN PLATTEN 45Prince Young Jessie aus Dallas, Texas, sang mit Richard «Lou- ie Louie» Berry und Cornelius «Coasters» Gunter bei The Flairs, wohnte mit Johnny Guitar Watson in einer WG, und Screamin’ Jay Hawkins hatte vor niemandem ausser ihm Angst, überschrien zu werden. «Mary Lou» (Jukebox Jam) war 1955 sein einziger grosser Hit, auch wenn dieser nie Brett Newski Antemasque John Dear in den Hitparaden auftauchte. Der Text ist inspiriert von American Folk Antemasque Far Down the Ghost seiner Tante, die dem Richter das Geld für die Kaution aus Armageddon (Nadie/Caroline) Road der Tasche stahl, und von Ronnie Hawkins bis zu den Ob- (Make My Day Records) (JDR/Irascible) livians wurde der Song schon etliche Male gecovert. Omar Rodriguez und Ced- Eine LP und ein paar wenige Konzerte in der Schweiz ha- Es hat etwas mit seinem ei- ric Bixler von der Hard- Aus Zorg ist John Dear ben dafür gesorgt, dass man jeden Morgen die Tagespresse genen Leben zu tun, wenn core-Punk-Institution At geworden, aus dem Trio abgesucht hat nach Neuigkeiten über die Hamburger Girl- Brett Newski singt: «Put the Drive-In und den Prog- ein Duo. In ihrem frühe- Group Hoo Doo Girl. Natürlich fand man da nix – aber the calendar in the trash Rock-Avantgardisten The ren Bandleben kreierten auch Online-Recherchen verliefen erfolglos. Es blieb einem can, lit it on fire.» Vor drei Mars Volta haben mit ihrer Schlagzeugerin Catia Belli- also nichts anderes, als traurig in die Sterne zu gucken. Jahren war er ohne Job und neuen Band Antemasque ni und Gitarrist und Sänger Und ebenda funkelte es neulich heftig, und bei genauerem liess alles hinter sich – mit die perfekte musikalische Guillaume Wuhrmann bis Oberservieren liess sich Mars Needs Women lesen. Zwei einem One-way-ticket reis- Synthese ihrer Karriere ge- circa 2012 zartbesaiteten Girls haben sich also abgesetzt, um sich mit einer früher te er nach Thailand, durch- schaffen. Und das, obwohl Folk, nun neigen die beiden ins Auge hauenden Weggefährtin aufs Neue aufzumachen querte Vietnam, Hongkong man für dieses Duo nicht Westschweizer zu Blues- um Soul und R’n’B zu verbinden. Das wunderbare «Lover und die Philippinen. Dabei mehr viel Kredit übrig hatte. riffs und einem Power- from Mars» (B-Sploitation) ist ein lasziver Stroller, der die hörte er nie auf, Songs zu Nachdem sich At the Drive- Rock, der tief im Country Coasters mit einer Essenz John-Waters-Kitsch abschmeckt. schreiben. In seiner Zeit in In 2001 trennten, kam es verwurzelt ist. Das Tem- Vom Rocker «Don’t Peak Too Soon» ist den Weltraumfor- Saigon schrieb er die Mu- vor zwei Jahren zur Wie- po auf dem Debüt «Far schern scheinbar erst eine distanzierte Aufnahme gelungen. sik für einen Werbespot dervereinigung – die Live- Down the Ghost Road» ist Sind die drei Damen aber erst mal live zu hören, wird dieser für Tampons. In kleinen Auftritte stellten jedoch eine schleppend und hinterlässt Song einen mächtigen Krater hinterlassen. Aufnahmestudios in Asien herbe Enttäuschung dar. im Gehörgang tiefe Fur- Wer Roy & The Devils Motorcycle kürzlich live gesehen wurden während der Rei- Nach der Reunion-Tour chen – wie ein Traktor im hat, wird sich bestimmt auch ein baldiges Wiederhören mit sen einige seiner Komposi- von At the Drive-In kam es Schlammfeld. Die Gitarren «Rock’n’Roll Soldier» gewünscht haben. Ein Dub-Basslauf tionen festgehalten. dann auch zur Auflösung wettern, die Vocals klingen aus der Tappa-Zukie-Schule und etliche Spielereien aus Seit seiner Rückkehr hat von The Mars Volta – an- nach räudigen Existenzen, dem Reggea-Sound-Effekt-Arsenal fügen sich nahtlos ins Newski noch mehr Songs geblich im Streit. Darum roten Stierennacken und Roy’sche Gitarrenuniversum. Davon hätte man gerne auch geschrieben, zwei Alben überraschten Rodriguez einem Alkoholgenuss, der mal eine ganze LP-Ladung. «I’ll Sing You a Song» (A Tree veröffentlicht und ist durch und Bixler mit dem Digital- bloss selten Mässigung In A Field) sucht ebenfalls nach neuen Einflüssen und lan- Europa, Australien und Release von «Antemasque» erfährt. Songs wie «Beau- det passend neben Labelkollege Fai Baba. Spannend wird Südafrika getourt. Das im Sommer dieses Jahres. tiful & Damaged» oder es dann nochmals in einer Demo-Skizze, in der Wassertrop- neue Album weist weite- Erste Songs auf Bandcamp «Van Horn» kennen nur fen (oder Ping-Pong-Bälle) im Takt um eine Sitar springen re Perlen seines Schaffens wurden kostenlos ange- eine Richtung: nach vor- und in Drone-Gitarren gehüllt sind. auf. In sanften Balladen boten, verschwanden aber ne, und zwar auf Biegen, wie «The Maths» kommt nach dem schnellen Erfolg Bersten und Brechen. Statt Philipp Niederberger ein Folk-Einschlag zum bald wieder. Nun ist die an Eleganz zu denken, pflü- Vorschein; aber meistens Platte offiziell auf dem ei- gen sich John Dear lieber klingen die Stücke nach genen Label erschienen. Die durch den Dreck und alles Armageddon. Zusammen Songs strotzen vor eupho- nieder. Die Musik ist mus- mit Bass und Schlagzeug rischer Energie und sind kelbepackt, tonnenschwer, entwickelt er energetische, angereichert mit der kom- und sie zeigt Ego. Es sind lockere Songs. Die Snare positorischen Sicherheit Lieder, die keine Rücksich- Drum setzt gekonnt rhyth- und Eleganz zweier Musi- ten nehmen und so laut wie mischen Akzente. In seiner ker, die sich jahrelang an möglich gespielt sein wol- schnoddrig-nasalen Art er- halbstündigen Metal-Jazz- len. Das erinnert an Bands innert Brett Newski an Jad Epen abarbeiten durften. wie Mountain, die Black Fair und Gordon Gano. «Antemasque» ist direkt, Keys oder ZZ Top in ihren Songs wie «We Are All Fu- kompakt, melodiös, aber Anfangstagen. Vergleiche, cked» oder «Vs the World» nicht unbedingt zugänglich, die Bellini und Wuhrmann haben das Potenzial für manch mal zurückhaltend nicht zu scheuen brauchen. zeitlose Independent-Hits. kontemplativ, dann aber «John Dear is a motherfu- auch wieder ausbrechend cker», schreiben die zwei hu. und ungestüm. Kein leich- auf ihrer Website. Und ge- ter Brocken, aber einer, der nau das bringt die Musik einem viel zu geben weiss. auch zum Ausdruck.

men. mig. SZENE

Fr-12-12 «Night of Strix» Tech-House, Techno Vamos Art (D), Sequenzheer, Marc Maurice, SunElektrisch Sa-13-12

Malik (SH) Etobasi (ZH) «Jung, links & sexy» – Juso Goes Party HipHop, Reggae, Dancehall, Rock Afterparty: Boom di Ting Fr-19-12 film: «Different Worlds» (SH 2014) Live: Savage City (SH) DJs Eggi, Funklifesafers «Dierent orlds» – nnier-Videopremiere

Psychedelic Rock, HipHop, Punk loopzeitung.ch Sa-20-12 «Aykaïsm» presents: Loco Locals Breaks, Disco, Electro Tabis, Sh4bb4, Color C2, Aykaïsm Allstars Mi-24-12 «Weihnachts-Tanz» Gemischtes om Plattenteller DJs Ruedi Snare (TG), Soulll Franklin (ZH), Rasko Fr-26-12 «The Code of the Samurai» Old School HipHop Music Moie: «ild Style» (SA, 193), DJs Clapto & Lil Maze Sa-27-12 «Tanzabend mit Anstand und Stil» Techno, Minimal, House Lie: Tigerskin (Berlin), emoy (ZH) Delakeyz (ZH) DJs: Disco Ste, Fredomat, Herr Mehr Mi-31-12 «TapTab-Pop-up- Essen im Club» Kulinarik, egetarisch Silester-Dreignger (Vegi), DJ Rne ur mit Reseration (bis 2312 ia sekretariattaptabch) Mi-31-12/Do-1-1 «Neujahrs- Schwoof» House, Deep House, Garage, Breaks, ndie Dance, u Disco pp Kotelett & Zadak (Berlin), Chop & Suey, Tabis, Disco Ste, Fredomat & Herr Mehr

Baumgartenstrasse 19 | CH 8200 Schaffhausen | www.taptab.ch musik im briefkasten

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Headbangen fürs Z7 Lebkuchen mit Lydia Lunch

Das Z7 in Pratteln ist ein Phänomen. Allein im Oktober und November Die Wintersonnenwende wird jeweils mit allerlei archaischem Zauber be- gingen dort 57 Konzerte über die Bühne. Möglich macht das Norbert gangen. Und just zur längsten Nacht besucht Lydia Lunch die Schweiz. Mandel, der das Lokal seit 20 Jahren vornehmlich mit härterem Rock be- Es lockt also eine Feier mit der Hohepriesterin des Untergrunds, getreu spielt. Doch nun ist Feuer im Dach. Die Gemeinde will auf dem umliegen- dem Motto einer ihrer aktuelleren Veröffentlichungen: «Trust the Witch». den Industriegelände einen Obi ansiedeln. Mandel sieht sich dadurch in Vorstellen muss man die Frau ja nicht mehr: Lasziv und launisch und vor seiner Existenz gefährdet. Ende November grub er das «Kriegsbeil» aus allem schon lange zieht sie ihre Kreise zwischen Gesang, Dichtung und und liess in sozialen Netzwerken und regionalen Medien Dampf ab. Wo- Schauspiel und hat dabei mit unzähligen Künstlern von Rang kollaboriert. bei der Z7-Chef seine Gefühle differenziert zu artikulieren weiss: «Ich bin Derzeit sind das wieder mal Gallon Drunk, die dieses Jahr mit «The Soul zwar stinksauer, doch ich liebe dieses Kaff.» of the Hour» unter eigenem Namen ein Album voll splitternder Riffs, Ein anständiger Metaller drückt natürlich nicht nur auf den «Like»- malmender Rhythmen und zerschossener Balladen vorgelegt haben. Die Knopf, sondern zeigt seine Solidarität persönlich, etwa mit dem Besuch Kollaboration steht unter dem Namen Big Sexy Noise und klingt, wie sie eines Metal-Highlights zum Jahresausklang. Kreator (Bild), Sodom, Vader heisst: mächtig krachende Grooves, Ausbrüche von Sax und Gitarre und und Arch Enemy zählen allesamt zu den Chefschreddern des Thrash Me- dazu das heisere Knurren der Lunch. Live wird sie ihrem Ruf als böse alte tal. Wer im Z7 den Tagessieg holen wird, ist offen: Die polnischen Death- Dame des No Wave gern gerecht. So liess sie beim Auftritt im Zürcher Exil Metal-Pioniere Vader oder Sodom aus dem Ruhrpott, die seit 30 Jahren vor einigen Jahren an die Adresse von Amy Winehouse und Pete Doherty im Zweifelsfall eher kantig holzen als virtuos zu fiedeln? Oder Kreator um verlauten: «Wenn ihr nicht mit den Drogen umgehen könnt, dann reicht Mille Petrozza, die aus der Headliner-Position als Favoriten antreten und sie mir rüber». Also Leute, Lebkuchen und Zimtsterne einpacken, Tante mit Recht als europäische Antwort auf Slayer gelten? Nicht zu unterschät- Lydia besuchen. (ash) zen sind allerdings auch Arch Enemy, ein paar Jahre jünger als die Konkur- renten und nach dem Abgang von Sängerin Angela Gossow topmotiviert, 21.12., Reitschule, Bern. auch mit der neuen Frontfrau Alissa White-Glutz zu zeigen, dass gutturaler Gesang keine Männerdomäne ist. Hingehen, headbangen. (ash)

14.12., Z7, Pratteln Zurückkehren Hank Shizzoe

Feiern mit Buvette Er drohte bereits in der Versenkung zu verschwinden. Denn nach zwölf vielgelobten Alben, die sich allerdings eher bescheiden verkauften, stellte Mit «Houses and Voices» hat das Provinzkind Cédric Streuli alias Buvette sich Hank Shizzoe die Sinnfrage – und wandte sich von der Musik erst eine der lustigsten und originellsten Schweizer Popplatten der letzten Jahre einmal ab. Mit Theaterarbeit hielt sich der Ausnahmegitarrist über Wasser, gebastelt. Seit diesem grellen Do-It-Yourself-Debüt entfernt sich Buvette, und womöglich wäre er noch immer im Schaubühnen-Business tätig, hätte der aus dem Skiort Leysin stammt, von diesem aufgekratzten Synthie-Pop- ihn Stephan Eicher nicht überredet, doch wieder zur Gitarre zu greifen. Weg – und schlägt behutsamere Töne an. Nach einem Aufenthalt in Mexi- Gemeinsam arbeiteten sie an Eichers Album «L’envolée» und gingen an- ko ist im Sommer sein drittes Album «The Never Ending Celebration» er- schliessend auf Tournee. schienen, das sich nach den Beatforscher-Arbeiten auf seiner zweiten Platte In der Folge widmete sich Shizzoe wieder seinen eigenen Lieder, die er zum «Palapa Lupita» hin zum Song wendet. Streuli baut mit genau produzier- Album «Songsmith» zusammenfügte, auf dem er einmal mehr gekonnt ten elektronischen Kicks und Sounds seine Kompositionen zusammen, in zwischen Blues, Boogie und Country changiert. Man darf also durchaus die man sich reintanzen kann und die durch helle und fröhliche Refrains von einem kleinen Comeback sprechen, das ihn nun auch wieder als Band- glänzen. So bleibt Buvette – auch dank seinem eigenen Label Rowboat leader ins Rampenlicht rückt. Unterstützt wird er dabei von Schlagzeuger Records – einer der eigenständigsten Popforscher der Schweiz, der immer Simon Baumann (Kutti MC) und dem Gitarristen Tom Etter (Züri West). noch viel zu unbekannt ist. (bs) Willkommen zuhause, Hank! (amp)

9.1., Bad Bonn, Düdingen 18.1., Vidmarhallen, Liebefeld; 24.1., El Lokal, Zürich; 30.1., Z7, Pratteln SZENE          

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