BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT Plenarprotokoll 20/30 20. Wahlperiode 18.04.2012

30. Sitzung

Mittwoch, 18. April 2012

Vorsitzende: Präsidentin Carola Veit, Erster Vizepräsident Frank Schira, Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel, Vizepräsident Dr. und Vizepräsidentin Kersten Artus

Inhalt:

Jens Kerstan GAL 2277, Mitteilungen der Präsidentin Ole Thorben Buschhüter SPD 2277, Abwicklung, Änderung und Ergänzung der Tagesordnung 2261, Fraktion der GAL: Finanztricks für die Doppel- Aktuelle Stunde 2261, rennbahn Fraktion der SPD: (nicht behandelt wegen Redezeitablaufs) Kita-Ausbau statt Betreuungs- geld – moderne Familienpolitik Fraktion der FDP: für Hamburg Keine Geldschneiderei mit An- liegerstraßen! Dr. Melanie Leonhard SPD 2261, CDU 2262, (nicht behandelt wegen Redezeitablaufs) Christiane Blömeke GAL 2263, 2269, FDP 2264, Fraktion DIE LINKE: Kersten Artus DIE LINKE 2266, Detlef Scheele, Senator 2266, Sparen bei Kindern und Ju- Gunnar Eisold SPD 2268, gendlichen: unsozial und zu- Dietrich Wersich CDU 2268, kunftsfeindlich Dr. Andreas Dressel SPD 2270, (nicht behandelt wegen Redezeitablaufs) Fraktion der CDU:

Zukunftschance Hamburgs ver- Unterrichtung durch die Präsidentin spielt: Senat verliert Wettbe- der Bürgerschaft: werb Elektromobilität Wahl einer oder eines Deputier- Karin Prien CDU 2270, ten der Kulturbehörde Dorothee Martin SPD 2271, – Drs 20/3742 – 2278, Dr. Till Steffen GAL 2273, Dr. Kurt Duwe FDP 2274, Ergebnis 2336, Heike Sudmann DIE LINKE 2274, Klaus-Peter Hesse CDU 2275, 2256 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

Gemeinsamer Bericht des Haus- Beschlüsse 2298, haltsausschusses und des Umwelt- ausschusses über die Drucksachen 20/2392 und 20/2949: Antrag der SPD-Fraktion: Hamburg schafft die Energie- Ein Landesmindestlohngesetz wende – Strategische Beteili- als Baustein für "Gute Arbeit" gung Hamburgs an den Netz- in Hamburg gesellschaften für Strom, Gas – Drs 20/3743 – 2298, und Fernwärme (Senatsmittei- lung) und mit Beteiligung der HGV Hambur- ger Gesellschaft für Vermö- Antrag der Fraktion DIE LINKE: gens- und Beteiligungsmana- gement mbH an den Netzge- Mindestlohn ist notwendig sellschaften für Strom, Gas – Mindestlohn in Hamburg ist und Fernwärme (Senatsantrag) möglich! – Drs 20/3746 – 2279, – Drs 20/3757 – 2298, dazu dazu

Antrag der FDP-Fraktion: Antrag der FDP-Fraktion: Beteiligung der HGV an den Hamburg setzt auch zukünftig Netzgesellschaften für Strom, auf die Tarifautonomie Gas und Fernwärme aussetzen – Drs 20/3845 – 2298, – Drs 20/3872 (Neufassung) – 2279, und und Antrag der CDU-Fraktion: Antrag der SPD-Fraktion: Lohnuntergrenzen in Hamburg Hamburg schafft die Energie- – Drs 20/3865 – 2298, wende – verbindliche Umset- zung, mehr Kooperation und sowie Dialog sowie intensive parla- mentarische Begleitung Antrag der Fraktion DIE LINKE: – Drs 20/3883 – 2279, "Gute Arbeit" für ein Landes- Dr. Andreas Dressel SPD 2279, mindestlohngesetz Roland Heintze CDU 2282, – Drs 20/3871 – 2298, Jens Kerstan GAL 2284, Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP 2285, und Dora Heyenn DIE LINKE 2287, Jutta Blankau, Senatorin 2289, Antrag der GAL-Fraktion: Dr. Monika Schaal SPD 2290, Mindestlohngesetz für Ham- burg Beschlüsse 2292, – Drs 20/3880 – 2298, Jens-Peter Schwieger SPD 2298, Antrag der CDU-Fraktion: Dr. Friederike Föcking CDU 2300, Phyliss Demirel GAL 2301, Transparente Statistiken für Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP 2302, den Wohnungsbau Heike Sudmann DIE LINKE 2302, – Drs 20/3690 – 2293, Tim Golke DIE LINKE 2303, Detlef Scheele, Senator 2305, Hans-Detlef Roock CDU 2293, Norbert Hackbusch DIE LINKE 2306, Andy Grote SPD 2294, 2297, Olaf Duge GAL 2295, Dr. Kurt Duwe FDP 2296, Beschlüsse 2307, Heike Sudmann DIE LINKE 2296, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2257

Antrag der SPD-Fraktion: Einsetzung eines Sonderaus- schusses Für eine Ausweitung des Hoch- – Drs 20/3870 – 2314, schulpaktes – Zusätzliche Stu- dienplätze schaffen und Ma- dazu sterangebot ausbauen – Drs 20/3663 – 2308, Antrag der Fraktion DIE LINKE: dazu Konkretisierung des Auftrags des Sonderausschusses Antrag der Fraktion DIE LINKE: – Drs 20/3874 – 2314, Hochschulpakt: Bedarfs- Dr. Melanie Leonhard SPD 2314, deckendes Angebot an qualita- Christoph de Vries CDU 2314, tiv hochwertigen Studienplät- Christiane Blömeke GAL 2315, zen an Hamburger Hoch- Finn-Ole Ritter FDP 2315, schulen Christiane Schneider DIE LINKE 2316, – Drs 20/3863 – 2308,

und Beschlüsse 2317, Antrag der CDU-Fraktion: Hochschulpakt weiterent- Große Anfrage der CDU-Fraktion: wickeln und Engagement des Personaleinsparungen 2011 Bundes im Hochschulbereich unterstützen – Drs 20/3008 – 2318, – Drs 20/3864 – 2308, Roland Heintze CDU 2318, 2325, Dr. Sven Tode SPD 2319, Philipp-Sebastian Kühn SPD 2308, GAL 2320, 2325, Thilo Kleibauer CDU 2309, Katja Suding FDP 2321, Dr. Eva Gümbel GAL 2310, Christiane Schneider DIE LINKE 2322, Dr. Wieland Schinnenburg FDP 2311, Dr. Peter Tschentscher, Senator 2324, Dora Heyenn DIE LINKE 2312, Dr. Dorothee Stapelfeldt, Zweite Bürgermeisterin 2313, Beschluss und Kenntnisnahme 2325,

Beschlüsse 2313, Antrag der GAL-Fraktion: Kinderschutz: Fallzahlbegren- Antrag der Fraktion DIE LINKE: zung für Fachkräfte in den Ju- gendämtern Einsetzung einer Enquete- Kommission nach Artikel 27 – Drs 20/3749 – 2325, der Hamburgischen Verfas- dazu sung in Verbindung mit § 63 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft Antrag der Fraktion DIE LINKE: "Nachhaltige Stärkung der Da- Kinderschutz: Fallzahlbegren- seinsvorsorge für Kinder und zung für Fachkräfte in den Ju- Jugendliche – das System der gendämtern Kinder- und Jugendhilfe in – Drs 20/3873 – 2325, Hamburg auf die sozioökono- mische Entwicklung der Stadt Christiane Blömeke GAL 2325, 2331, ausrichten" Dr. Melanie Leonhard SPD 2327, – Drs 20/3754 (Neufassung) – 2314, Christoph de Vries CDU 2327, Finn-Ole Ritter FDP 2328, mit Dora Heyenn DIE LINKE 2329, Detlef Scheele, Senator 2329, Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, GAL und FDP: Beschlüsse 2331, 2258 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

Große Anfrage der FDP-Fraktion: Beschlüsse 2341, Hamburg vor dem bilanziellen Offenbarungseid – Pensions- Sammelübersicht 2341, und Beihilfeverpflichtungen der Freien und Hansestadt Hamburg Beschlüsse 2341, – Drs 20/3005 – 2331, Finn-Ole Ritter FDP 2331, Unterrichtung durch die Präsidentin Matthias Albrecht SPD 2334, der Bürgerschaft: Thilo Kleibauer CDU 2335, Dr. Anjes Tjarks GAL 2335, Bürgerschaftliches Ersuchen Norbert Hackbusch DIE LINKE 2336, vom 8. Februar 2012 St. Petersburg – Hamburgs Partnerstadt muss Menschen- Beschluss und Kenntnisnahme 2336, rechte achten (Drs. 20/3017) – Drs 20/3623 – 2341, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Beschluss und Kenntnisnahme 2341, Tempominderung für mehr Si- cherheit auf Hamburgs Straßen – Drs 20/3756 – 2336, Bericht des Haushaltsausschusses und des Umweltausschusses über dazu die Drucksache 20/2947: Gesetz zur Änderung des Siel- Antrag der SPD-Fraktion: abgabengesetzes – Einführung Tempominderung für mehr Si- getrennter Sielbenutzungsge- cherheit auf Hamburgs Straßen bühren für die Schmutz- und – Drs 20/3882 – 2336, Niederschlagswasserbeseiti- gung (Senatsantrag) Heike Sudmann DIE LINKE 2336, 2340, – Drs 20/3747 – 2342, Martina Koeppen SPD 2337, Klaus-Peter Hesse CDU 2338, Beschlüsse 2342, Dr. Till Steffen GAL 2339, Dr. Wieland Schinnenburg FDP 2339, Bericht des Verkehrsausschusses über die Drucksache 20/2826: Beschlüsse 2341, Gegen Unfalltod und Pflegebe- dürftigkeit – Helmpflicht für Bericht des Eingabenausschusses: Minderjährige (Antrag der CDU- Fraktion) Eingaben – Drs 20/3719 – 2342, – Drs 20/3370 – 2341, Beschluss 2342, Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben Antrag der SPD-Fraktion: – Drs 20/3638 – 2341, Inklusion in Arbeit Bericht des Eingabenausschusses: – Drs 20/3664 – 2342, Eingaben Beschluss 2342, – Drs 20/3639 – 2341,

Bericht des Eingabenausschusses: Antrag der SPD-Fraktion: Eingaben – Drs 20/3640 – 2341, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2259

Haushalt 2011/12, Einzelplan 9.2, Titel 9500.971.01 – Verwen- dung der Mittel aus der Tronc- Abgabe des Jahres 2011 und 2012 für einmalige Zwecke – Drs 20/3748 (Neufassung) – 2342, Dora Heyenn DIE LINKE 2342, Anja Hajduk GAL 2342, Robert Bläsing FDP 2343, Dirk Kienscherf SPD 2343,

Beschlüsse 2344,

Antrag der GAL-Fraktion: Kein Kontaktanbahnungsver- bot in St. Georg ohne beglei- tende Evaluation – Drs 20/3750 – 2344, dazu

Antrag der SPD-Fraktion: Kontaktverbotsverordnung in St. Georg – Drs 20/3881 – 2344, Dr. Stefanie von Berg GAL 2344, Kersten Artus DIE LINKE 2345, Sabine Steppat SPD 2345, Antje Möller GAL 2346, Hansjörg Schmidt SPD 2347,

Beschlüsse 2347, 2260 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2261

Beginn: 15.01 Uhr Sparen bei Kindern und Jugendlichen: unso- zial und zukunftsfeindlich Präsidentin Carola Veit: Meine Damen und Her- Ich rufe das erste Thema auf. – Frau Dr. Leonhard, ren! Die Sitzung ist eröffnet. Sie haben das Wort.

Dr. Melanie Leonhard SPD: Sehr geehrte Präsi- Zu Beginn kann ich Ihnen eine freudige Mitteilung dentin, meine Damen und Herren! Der Ausbau frü- machen, und zwar ist in der Zwischenzeit unser her Bildung ist die große Zukunftschance für unser Kollege Dr. Andreas Dressel Vater einer kleinen Land und für eine Metropole wie Hamburg Notwen- Tochter mit Namen Clara Emilia geworden. Im Na- digkeit. Frühkindliche Bildung zu stärken heißt poli- men des ganzen Hauses Ihnen und Ihrer Frau die tisch verantwortlich zu handeln. Diesen Weg wird allerherzlichsten Glückwünsche, lieber Herr die SPD in Hamburg nach der Rücknahme von Dr. Dressel. Gebührenerhöhungen und nach der Wiederher- (Beifall bei allen Fraktionen) stellung und Ausweitung von Rechtsansprüchen weitergehen. Meine Damen und Herren! Wir kommen zur heuti- gen Tagesordnung. Abweichend von der Empfeh- (Beifall bei der SPD) lung des Ältestenrats haben die Fraktionen verein- Neben dem vorgezogenen Rechtsanspruch ab bart, die Tagesordnung um einen weiteren Punkt zwei Jahren werden wir auch unsere weiteren Zu- zu ergänzen. Es handelt sich um den gemeinsa- sagen einhalten, wie spürbar kleinere Gruppen men Antrag von SPD-, CDU-, GAL- und FDP-Frak- und damit mehr Betreuungsqualität in Stadtteilen tion aus Drucksache 20/3870. Die Drucksache ha- mit besonderen Herausforderungen. Wir halten ben Sie inzwischen erhalten. Sie wurde als Tages- hier Kurs im Sinne der Stärkung unserer Kinder. ordnungspunkt 48 nachträglich in die Tagesord- nung aufgenommen. Zudem bedeutet die Rücknahme der schwarz-grü- nen Gebührenerhöhung und die noch in dieser Le- Darüber hinaus sind die Fraktionen übereingekom- gislaturperiode umzusetzende Freistellung der men, dass heute noch eine weitere Debatte statt- Grundbetreuung für Kinder in Kitas eine erhebliche finden soll. Es handelt sich um Tagesordnungs- finanzielle Entlastung von Eltern, einfach, direkt punkt 44, der gemeinsam mit dem soeben neu auf- und messbar. genommenen Tagesordnungspunkt 48 als fünfte Debatte aufgerufen werden wird. Die weiteren De- (Beifall bei der SPD) battenpunkte ab Tagesordnungspunkt 8 verschie- Nur so gibt es echte Wahlfreiheit für Eltern und das ben sich entsprechend nach hinten. führt uns direkt zum Betreuungsgeld der CDU. Das Zudem haben die Fraktionen Einvernehmen dar- Betreuungsgeld schadet Deutschland, es schadet über erzielt, Tagesordnungspunkt 9, das ist die auch und insbesondere den großen Städten, die Große Anfrage der GAL-Fraktion, zu vertagen. soziale und integrative Herausforderungen zu be- wältigen haben. Der Hamburger CDU muss man sagen: So wird das nichts mit moderner Großstadt- partei. Wir kommen zur (Beifall bei der SPD) Aktuellen Stunde Wenn Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände – was nicht so häufig vorkommt – in einer gemein- Dazu sind fünf Themen angemeldet worden, und samen Erklärung vor einer neuen staatlichen Leis- zwar von der SPD-Fraktion tung, dem Betreuungsgeld, warnen, dann ist das Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld – moder- schon ein sehr ernster Hinweis, dass das Betreu- ne Familienpolitik für Hamburg ungsgeld Unfug sein könnte. von der CDU-Fraktion (Beifall bei der SPD) Zukunftschance Hamburgs verspielt: Senat Wenn nahezu alle Parteien, namhafte Wirtschafts- verliert Wettbewerb Elektromobilität und Sozialforscher, das Institut der Deutschen Wirtschaft und das Hamburgische WeltWirtschafts- von der GAL-Fraktion Institut sich gemeinsam gegen das Betreuungs- Finanztricks für die Doppelrennbahn geld aussprechen, dann sollte das für die CDU ein Signal sein, sich zu besinnen. von der FDP-Fraktion (Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan Keine Geldschneiderei mit Anliegerstraßen! GAL) und von der Fraktion DIE LINKE Stattdessen bekommen wir von der Hamburger CDU gleich vier Positionen angeboten: eine von ei- 2262 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Melanie Leonhard) nem Bundestagsabgeordneten, der Briefe gegen Das ist nahezu eine Steilvorlage, denn es ist der das Betreuungsgeld schreibt, plumpe und durchsichtige Versuch, von den eige- nen unsozialen und kurzsichtigen Streichungsplä- (Klaus-Peter Hesse CDU: Das gibt's doch nen bei Kindern, bei Ihnen genauso! – Dr. Andreas Dressel SPD: Nicht beim Betreuungsgeld!) (Gabi Dobusch SPD: So ein Quatsch!) eine weitere von einem Landesvorsitzenden, der ir- Jugendlichen und Familien in Hamburg abzulen- gendwie für und manchmal irgendwie gegen das ken. Betreuungsgeld ist, ein Sprecher in der Bürger- (Beifall bei der CDU) schaft erweist sich als glühender Anhänger des Betreuungsgeldes und ein Fraktionsvorsitzender Ihre Kürzungspläne im Umfang von mehr als lässt diesen Sprecher gewähren, und zwar dersel- 10 Millionen Euro werden dafür sorgen, dass in be Fraktionsvorsitzende Wersich, der persönlich den nächsten Jahren Eltern-Kind-Zentren und Kin- Gebührenerhöhungen und die Beschneidung von der- und Familienhilfezentren in Hamburg schlie- Rechtsansprüchen zu verantworten hatte, ßen müssen. Genau diese Einrichtungen braucht die Stadt aber, um die Eltern bei der Wahrneh- (Beifall bei der SPD) mung Ihrer Erziehungsverantwortung zu stärken. in einer schwarz-grünen Koalition übrigens, in der Sie erweisen den Eltern damit einen Bärendienst. das sogenannte Besserverdienen schon bei (Beifall bei der CDU) 2 500 Euro Familieneinkommen begann. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Elternschulen, Für Hamburgs Familien bedeutete die Regierungs- die durch die Stelleneinsparungsvorgaben des Se- zeit der verschiedenen CDU-Senate Büchergeld in nats in ihrem Bestand gefährdet sind. Jüngst wur- der Schule, Studiengebühren an den Unis und Ge- de über die Elternschule in Altona berichtet, die bührenerhöhungen für Kita und Hort. Der massive auch gegen die drohende Schließung protestiert. Kita-Ausbau in Hamburg ist das Ergebnis von ge- gen die Regierenden erkämpften Rechtsansprü- Statt große Reden zu schwingen, wären Sie gut chen und deren Wahrnehmung durch die Eltern; beraten, liebe Kollegen von der SPD-Fraktion, die Sie waren hier immer Getriebene. Kürzungspläne Ihres Senators Scheele zu stoppen und diesem Treiben endlich Einhalt zu gebieten. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel Die Hamburger SPD will die Eltern nicht durch Ge- SPD: Was ist mit dem Treiben beim Betreu- bühren bremsen. Wir haben das schon im ersten ungsgeld? – Gabi Dobusch SPD: Ist eigent- Regierungsjahr bewiesen und werden hier weiter lich auch jemand für das Betreuungsgeld?) vorangehen. So wird Wahlfreiheit in Wahrheit erst ermöglicht. Wir wollen Eltern ermutigen, ihre Kin- Aber ich komme gern zu den Hamburger Kitas. der an früher Bildung und Betreuung in Kita oder Hamburg ist bei der Kinderbetreuung Spitzenreiter Tagespflege teilhaben zu lassen – für gerechtere aller westdeutschen Länder. Dies sollte die SPD und bessere Lebenschancen und für mehr Integra- endlich anerkennen, auch wenn es nicht ihr Ver- tion, zum Wohle der Kinder und Familien und zum dienst ist. Wohle unserer Stadt. (Beifall bei der CDU) (Beifall bei der SPD – Klaus-Peter Hesse Und wenn Sie sagen, die CDU sei als Regierungs- CDU: Wollen oder werden?) partei die Getriebene gewesen, dann ist das wahr- lich Geschichtsklitterung, denn die Einführung des Präsidentin Carola Veit: Das Wort erhält nun Herr Kita-Gutschein-Systems ist von niemandem gefor- de Vries. dert worden. Das war ein Plan der CDU und den (Dr. Andreas Dressel SPD: Der hat doch hat sie ohne jedes Treiben konsequent umgesetzt. letztes Mal dazu alles gesagt!) (Beifall bei der CDU) Ich frage mich aber, warum Sie selbst eigentlich Christoph de Vries CDU:* Frau Präsidentin, mei- vollmundig vom Kita-Ausbau in Hamburg spre- ne Damen und Herren! Es ist schon sehr beacht- chen. In Wahrheit besteht die Kita-Politik des Se- lich, dass Sie heute das Thema Familienfreundlich- nats doch weitgehend darin, Elternbeiträge zu re- keit und Betreuungsgeld der Bundesregierung an- duzieren und dies auch für gutverdienende Eltern, melden und dann jedes Argument gegen das Be- die das nicht nötig haben. Das Vorziehen des all- treuungsgeld schuldig bleiben. Das war, ehrlich ge- gemeinen Rechtsanspruchs auf zwei Jahre wird sagt, ein ziemlich dürftiger Auftritt. bereits im nächsten Jahr überholt sein, weil wir (Beifall bei der CDU) dann bundesweit den allgemeinen Rechtsan- spruch bereits ab einem Jahr haben; also auch Aber, meine Damen und Herren von der SPD, wir hier wird Sie der Bund dann schon überholt haben. sind für diese Debattenanmeldung sehr dankbar. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2263

(Christoph de Vries)

Und da sind wir beim Thema: wichtige Elemente einer guten und familienfreundli- chen Gesellschaft. (Dr. Andreas Dressel SPD: 4:30 Minuten ge- braucht!) (Beifall bei der CDU – Glocke) Die Bundesregierung braucht in Sachen Kinderbe- Ich komme zum Schluss: Wer es mit der Wahlfrei- treuung weiß Gott keine Nachhilfe und keine heit der Eltern ernst nimmt, dem sollte es auch Ratschläge aus Hamburg vom SPD-Senat. wert sein, denjenigen Eltern unter die Arme zu greifen, die sich länger Zeit für ihre Kinder neh- (Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD) men. Das Betreuungsgeld ist richtig und bei der Der Bund unterstützt den Krippenausbau für Kin- Ausgestaltung werden wir darauf achten müssen, der unter drei Jahren in den Jahren 2008 bis 2014 … mit insgesamt 4 Milliarden Euro. Auch Hamburg (Glocke) profitiert davon in erheblichem Maße, nämlich mit fast 50 Millionen Euro. Präsidentin Carola Veit (unterbrechend): Herr de (Gabi Dobusch SPD: Sieht das die Wirt- Vries, Ihre Redezeit ist nun wirklich abgelaufen, schaft auch so?) das waren mindestens drei Schlusssätze. Jede Kritik an der Bundesregierung in Sachen Kin- derbetreuung ist daher unredlich. Die Familienmini- Christoph de Vries CDU (fortfahrend): … dass sterinnen der CDU haben einen guten Job ge- Fehlanreize für Eltern vermieden werden, deren macht; das will ich an dieser Stelle auch einmal Kinder der Unterstützung bedürfen. – Danke klipp und klar sagen. schön. (Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel (Beifall bei der CDU) SPD: Vor allem die aktuelle!) Auch wenn das Betreuungsgeld auf Bundesebene Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun Frau beschlossen wird und nicht hier in Hamburg, kön- Blömeke. nen wir selbstverständlich gern darüber reden. Christiane Blömeke GAL: Frau Präsidentin, mei- Meine Damen und Herren! Eine gute und moderne ne Damen und Herren! Es ist schon interessant, Familienpolitik ist weit mehr als nur der Ausbau der wie sich die Fraktionen in so einer Debatte darstel- Kindertagesstätten. Eine fortschrittliche Familien- len. Die SPD-Fraktion nutzt sie dazu, ihre eigene politik unterstützt Eltern dort, wo sie sich für Kinder Kita-Politik wieder einmal ordentlich zu loben entscheiden, und beschränkt sich nicht allein auf die Betreuung in Kindertagesstätten. Wenn Sie (Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel Glauben machen wollen, dass alle Kinder von Ge- SPD: Ja, richtig!) burt an grundsätzlich besser in Einrichtungen auf- und der CDU gelingt es tatsächlich, in fünf Minuten gehoben sind, dann befinden Sie sich auf dem nur einmal das Wort Betreuungsgeld in den Mund Holzweg. zu nehmen. Das ist schon erstaunlich. (Beifall bei der CDU) (Beifall bei der GAL und bei Dr. Andreas Und nebenbei sprechen Sie damit Millionen von El- Dressel SPD) tern in Deutschland die Fähigkeit und den Willen Herr de Vries, Sie haben gesagt, Sie brauchten ab, für ihre Kinder das Beste leisten zu wollen und keine Nachhilfe in Sachen Bundespolitik. Doch: In auch zu leisten. Sachen Familienpolitik auf der Bundesebene brau- (Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch Blöd- chen Sie ganz deutlich Nachhilfeunterricht. sinn!) (Beifall bei der GAL und der SPD) Das ist keine familienfreundliche Politik und das ist Ich will Ihnen eines sagen: Wir Grünen halten die deshalb auch nicht die Familienpolitik der Union. von der Bundesregierung, von CDU und FDP, ge- (Dr. Andreas Dressel SPD: Da hat jetzt kei- wollte Einführung des Betreuungsgeldes für eine ner geklatscht!) der größten familienpolitischen Fehlentscheidun- gen, die es je gegeben hat. Ich will eindringlich davor warnen, Kitas und häusli- che Betreuung gegeneinander auszuspielen; bei- (Beifall bei der GAL, der SPD und bei Kers- des hat seine Berechtigung. Wir brauchen Verein- ten Artus DIE LINKE) barkeit von Familie und Beruf mit einer guten Kita- Und für diese Fehlentscheidung gibt die Bundesre- Infrastruktur einerseits und wir brauchen anderer- gierung im Jahr 2013 400 Millionen Euro aus und seits auch die Unterstützung derjenigen Eltern, die ab 2014, man höre und staune, 1,2 Milliarden sich etwas mehr Zeit für Ihre Kinder nehmen. Bei- Euro. Und wo soll das Geld hingehen? Das soll des ist kein Widerspruch, beides sind richtige und den Familien zur Verfügung gestellt werden, die ihr 2264 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Christiane Blömeke)

Kind unter drei Jahren zu Hause betreuen, im ers- lich, dass Sie hier ein Ablenkungsmanöver starten. ten Jahr 100 Euro, danach 150 Euro. Und mit die- Wir sprechen über das Betreuungsgeld und Sie ser angeblichen Wohltat, verehrte Damen und Her- haben versucht, Ihre Kita-Politik in den Vorder- ren, die Sie in Berlin die Regierung stellen, steuern grund zu stellen. Aber was mir dabei noch sehr Sie die Familien in eine bildungspolitische Kata- fehlt, sind die Qualitätsverbesserungen. Da kön- strophe. nen Sie nicht warten, bis das Betreuungsgeld zu- rückgedreht ist. Wir möchten sehen, was Sie hier (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der in Hamburg machen, um die Qualität der Kitas zu SPD) verbessern. Die Gruppen sind viel zu groß, wir ha- Ich will Ihnen auch sagen, warum, auch wenn Sie ben viel zu wenig Erzieherinnen und Erzieher und gesagt haben, Sie brauchten keinen Nachhilfeun- Ihre politische Schwerpunktsetzung – da hat Herr terricht: Studien belegen, dass Betreuungsgeld de Vries völlig recht – sieht anders aus und ist insbesondere für bildungsferne und zugleich ein- nicht familienfreundlich. Denn sonst würden Sie kommensschwache Familien einen starken Anreiz nicht nur die Gebührenbefreiung in den Kitas ein- darstellt, die Kinder eben nicht frühzeitig in die Kita führen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass die zu schicken. Das aber ist genau unser Problem, Jugendhilfe ordentlich ausfinanziert ist. Sie inve- denn die Kindertagesstätten sind die ersten früh- stieren stattdessen 420 Millionen Euro in Hapag- kindlichen Bildungseinrichtungen und der Schlüs- Lloyd und beispielsweise 200 Millionen Euro in ein sel zum lebenslangen Bildungserfolg. Den mis- Busbeschleunigungsprogramm, sachten Sie hier. (Wolfgang Rose SPD: Da brauchen Sie (Beifall bei der GAL, der SPD und bei Chri- Nachhilfe!) stiane Schneider DIE LINKE) das wir sehr fragwürdig finden. Zusätzlich ist, das will ich an dieser Stelle auch (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der deutlich sagen, das Betreuungsgeld geschlechter- SPD) politisch fatal. Denn wer wird zu Hause bleiben? Das sind die Mütter, die ihr Kind dann zu Hause Ihnen ist das Klatschen jetzt vergangen, aber betreuen. wenn Sie immer nur über die Gebührenbefreiung reden und nicht nachziehen bei der Qualität in der (Gabi Dobusch SPD: Genau!) Kindertagesbetreuung, die mindestens genauso Und warum wird das alles gemacht? Weil ein paar wichtig ist, dann ist es schon erstaunlich, dass Sie Herren der CSU, Seehofer und Co. allen voran, auf der anderen Seite in der Jugendhilfe kürzen. Das haben Sie jetzt in der Hand abzustellen, da (Andy Grote SPD: Und Herr de Vries!) müssen wir nicht warten, bis sich beim Betreu- ihr überholtes Frauen- und Familienbild mit Zähnen ungsgeld etwas tut. Sie können Ihre politischen und Klauen verteidigen und den Fortbestand der Prioritäten so setzen, dass wir wirklich eine famili- Koalition doch tatsächlich von der Einführung des enfreundliche Politik in dieser Stadt haben. Das Betreuungsgeldes abhängig machen. gewährleisten Sie mit Ihrer Art der Jugendpolitik nicht. (Beifall bei der GAL und der SPD) (Beifall bei der GAL) Meine Damen und Herren der Hamburger CDU, nach drei Jahren gemeinsamer Regierung weiß ich, dass wir familienpolitisch nicht immer einer Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun Frau Meinung sind. Aber ich kann einfach nicht glauben, Suding. Meine Damen und Herren! Wenn Sie hö- dass Sie so rückständig sind und dieses Betreu- ren möchten, was die FDP-Fraktion zu sagen hat, ungsgeld unterstützen. dann sollten Sie auch zuhören. (Beifall bei der GAL, der SPD und der LIN- (Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP) KEN) Katja Suding FDP:* Frau Präsidentin, liebe Kolle- Machen Sie sich bitte klar, dass von diesem Geld ginnen und Kollegen! Es ist tatsächlich so, dass 6000 Erzieherinnen zusätzlich eingestellt werden kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht wieder könnten und damit die Qualität in diesem Bereich einen wilden Vorschlag auf den Tisch bekommen, doch sehr verbessert werden könnte. Und nutzen wie man das Betreuungsgeld umsetzen oder ge- Sie endlich Ihren Einfluss auf Bundesebene – und stalten kann. Seit Monaten wird darüber diskutiert, da braucht die FDP sich nicht wegzuducken, denn am kontroversesten in der CDU/CSU. Da sind wir Sie sind da mit im Bunde – und drehen Sie das gespannt, ob und wie da am Ende eine Einigung Betreuungsgeld zurück. erreicht wird. (Beifall bei der GAL und der SPD) Es ist tatsächlich ein Kompromiss. Zu Zeiten der Aber noch ein Punkt in Richtung SPD-Fraktion: Für Großen Koalition musste es die SPD schlucken mich ist es auch ein ganz klein wenig offensicht- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2265

(Katja Suding)

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das haben wir bote in Anspruch nehmen können, insbesondere nie geschluckt, nicht das Betreuungsgeld!) auch, um die deutsche Sprache zu lernen. und jetzt steht es im aktuellen Koalitionsvertrag (Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der zwischen CDU, CSU und FDP. SPD) (Glocke) Das Betreuungsgeld ist – da gebe ich Frau Blöme- ke recht – wirklich ein bildungspolitischer Rück- Präsidentin Carola Veit (unterbrechend): Meine schritt. Damen und Herren! Das Wort hat Frau Suding. Al- (Beifall bei der FDP, der SPD und bei Dr. le dürfen sich melden, auch der Senat. Anjes Tjarks GAL) Außerdem zielt das Betreuungsgeld völlig am Pro- Katja Suding (fortfahrend): Wenn wir über den Ko- blem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor- alitionsvertrag reden, dann muss man sich den na- bei. Es wird nichts an der Situation der vielen Müt- türlich auch genau anschauen. Dann stellt man ter und Väter ändern, die verzweifelt nach einer fest, dass es sich nicht um eine Muss-Formulie- Kinderbetreuung suchen, die flexibel ist. Hier muss rung handelt, sondern um eine Soll-Formulierung die Politik die Rahmenbedingungen schaffen. Das (Dr. Andreas Dressel SPD: Das sieht nur ist ihre Aufgabe. Sie muss dafür sorgen, dass die Herr Seehofer anders!) Kinderbetreuung ausgebaut und flexibler wird. Und da könnte die SPD auch einmal darüber nachden- und, ganz entscheidend, das Betreuungsgeld steht ken, ob man nicht noch mehr 24-Stunden-Kitas be- auch noch unter einem Finanzierungsvorbehalt. nötigt oder ob man nicht vielleicht etwas weniger Um es inhaltlich aber ganz klar zu sagen: Die FDP- Bürokratie für Tageseltern schaffen sollte. Denn Bürgerschaftsfraktion lehnt nicht nur die Baraus- auch damit könnten Sie einen wichtigen Schritt zahlung des Betreuungsgeldes ab, wir halten die leisten. Maßnahme insgesamt für falsch. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP, der SPD und vereinzelt Eine der zentralen Herausforderungen, denen wir bei der GAL) uns stellen müssen, ist der demografische Wandel. – Das war jetzt aber schön. Wir wissen, dass wir immer weniger Kinder haben. Eine gute Familienpolitik sollte ermöglichen oder Es geht hier um eine Prämie für die Nicht-Inan- dazu ermutigen, dass mehr Kinder geboren wer- spruchnahme einer staatlichen Leistung. Und den. Und da kann ich aus eigener Erfahrung sa- wenn wir das weiterdenken, dann müssten wir das gen, dass die Aussicht auf 100 oder 150 Euro Be- im Prinzip auch auf andere staatliche Leistungen treuungsgeld niemanden dazu veranlassen wird, übertragen und dann könnten manche auch sa- Kinder in die Welt zu setzen, wohl aber die Aus- gen, sie wollten ein Sofageld für die Nicht-Inan- sicht darauf, nach der Geburt eine vernünftige Kin- spruchnahme eines Opernbesuchs oder eines Mu- derbetreuung zu finden. Das wird schon eher dazu seumsbesuchs. Wenn wir das so anfassen, müss- beitragen, dass Eltern sich trauen, Kinder in die ten wir uns künftig auch mit solchen Vorschlägen Welt zu setzen. befassen. Und das können wir doch wirklich nicht ernsthaft wollen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Mein letzter Aspekt – ich glaube, das ist auch eine fatale Entwicklung in den letzten Jahren –: Schon Es gibt viele Gründe, warum das Betreuungsgeld jetzt ist Deutschland Vorreiter bei den Ausgaben in falsch ist; ich möchte ein paar nennen. Vor allem der Familienpolitik, hat aber dennoch eine der nie- – wir haben es schon gehört – wird natürlich ein drigsten Geburtenraten aller Länder. Ist das Be- falscher Anreiz geschaffen, die Kinder nicht in die treuungsgeld erst einmal eingeführt, dann wird nie- Betreuung zu geben. Das hat auch nichts mit mand den Mut finden, es wieder abzuschaffen, Wahlfreiheit zu tun. Es besteht die Gefahr, dass auch dann nicht, wenn festgestellt wird, dass es dadurch insbesondere Elternhäuser, in denen die letztendlich falsche Anreize setzt. Das haben wir Situation etwas schwieriger ist, die wichtige früh- schon in anderen Bereichen gesehen. Die SPD hat kindliche Bildung für ihre Kinder nicht ausreichend gerade auch Erfahrungen damit gemacht. Sie ha- in Anspruch nehmen und dass damit für die Kinder ben das Mittagessengeld abgeschafft. Das war der Start in eine schwierige Schullaufbahn gelegt auch eine Fehlentwicklung, da ist viel Geld verpul- wird. vert worden für Maßnahmen, die wir woanders viel Es werden damit sicherlich auch viele frühe Inte- besser hätten brauchen können. So kann man es grationsansätze, die wichtig sind, unterlaufen. Wir nicht machen. Wenn unser Sozialsystem Zukunft haben in Hamburg sehr viele Kinder mit Migrati- haben soll und wenn wir einen starken Staat ha- onshintergrund und gerade in einer Stadt wie Ham- ben wollen, dann müssen wir auch die Kraft ha- burg ist es wichtig, dass Kinder frühkindliche Ange- 2266 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Katja Suding) ben, die Sinnhaftigkeit von sozialen Leistungen zu Es ist doch offensichtlich, dass die CDU mit dem hinterfragen. Betreuungsgeld ihre Klientel der besserverdienen- den Traditionalisten bedient, die zu dem Kinder- (Andy Grote SPD: Sie wollen doch einen geld nun auch noch ein Betreuungsgeld erhalten schlanken Staat!) sollen. Herr de Vries, Sie halten die Eltern, die sich Und hier kann man das ganz klar beantworten: Wir mehr Zeit für ihre Kinder nehmen, für bessere El- brauchen das Betreuungsgeld nicht, wir brauchen tern. Hier drückt sich die ganze Unwissenheit Ihres einen Ausbau der Kinderbetreuung, wir brauchen familienpolitischen Ansatzes aus. mehr Flexibilisierung und wir brauchen vor allen (Beifall bei der LINKEN, der SPD und der Dingen qualitativ hochwertige Kinderbetreuung. GAL) Wir brauchen keine Herdprämie. – Vielen Dank. Aber auch Ihnen, verehrte Abgeordnete der SPD, (Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der möchte ich sagen: Leider steht bei Ihrer jetzigen SPD) Kinderpolitik noch nicht das Kind im Mittelpunkt. Das zeigen die Kürzungen im Kinder- und Jugend- Präsidentin Carola Veit: Frau Artus, Sie haben bereich, die der Senat plant. das Wort. Die LINKE will beides: Frauen haben das Recht, zu arbeiten und dafür vernünftig bezahlt zu wer- Kersten Artus DIE LINKE:* Frau Präsidentin, sehr den; Kinder haben das Recht auf eine gute früh- geehrte Herren und Damen! Frau Suding, nach Ih- kindliche Betreuung. Beides darf weder gegenein- rem Bekenntnis erwarte ich Ihre Initiative aus dem ander ausgespielt noch vor- oder nachrangig ge- Bundesvorstand der FDP, das Betreuungsgeld wichtet werden. Und um diese Ziele zu erreichen, nicht zu verwirklichen. Ich rechne schwer damit. ist das Betreuungsgeld keineswegs hilfreich. (Beifall bei der LINKEN, der GAL und der (Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Andreas SPD) Dressel SPD) Herr de Vries, ich unterstelle einmal im besten Sin- ne, Sie haben Zweifel daran, dass Frau Schröder Präsidentin Carola Veit: Jetzt erhält Senator einer Beratung zugänglich ist. Deswegen glaube Scheele das Wort. ich auch, dass Nachhilfe bei ihr überhaupt nichts mehr bringt, denn die ganze Einfalt, Schwäche und Senator Detlef Scheele: Frau Präsidentin, meine Profillosigkeit der Bundesfamilienministerin zeigt Damen und Herren! Das wird hier relativ kurzweilig sich an ihrem Vorhaben, diese Herdprämie einzu- diskutiert, es gibt viel Gelächter, es ist aber ein führen. ernstes Thema, weil hier etwas geschieht, was ins- (Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei besondere Kinder aus benachteiligten Elternhäu- der SPD) sern weiter ins Abseits führt. Das wollen wir aus- drücklich nicht. Nichts anderes ist doch das Betreuungsgeld. Wi- der besseres Wissen werden mehr als 1 Milliarde (Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan Euro in die Zementierung der klassischen Frauen- GAL) rolle gepumpt. Es wird verhindert, dass Kinder früh Um es irgendwie schmackhaft zu machen, wird je- Kontakt mit Gleichaltrigen haben. Und der flächen- den Tag ein neues Angebot offeriert, das sozusa- deckende Kita-Ausbau wird so verhindert. Dies ist gen die sozialpolitisch schädlichen Seiten des Be- insbesondere für Migrantenkinder eine Katastro- treuungsgeldes verdecken soll. Jetzt sind es die U- phe. Untersuchungen der Kinder, die dafür herhalten (Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei sollen; wenn man sie wahrnimmt, soll man das Be- der SPD) treuungsgeld bekommen. Wer sich einmal damit befasst hat, der weiß, welcher bürokratische Auf- Es ist nicht nur der gesunde Menschenverstand, wand notwendig wäre, wenn dieses Gesetz tat- der jeder und jedem sagt, was für eine falsche, sächlich das Licht der Welt erblicken würde, um rückwärtsgewandte und geldverschleudernde ein Kontrollsystem einzuführen, das die U-Untersu- Maßnahme das Betreuungsgeld ist. Es sind auch chung an die Auszahlung der Herdprämie koppelt. die Erkenntnisse der Studien – die Kollegin Blöme- Es ist völlig unmöglich, so etwas zu installieren, ke hat darauf hingewiesen – über das im Jahr und es stellt – ich glaube, völlig zu Unrecht – ins- 2006 eingeführte Betreuungsgeld in Thüringen, die besondere die Eltern, die die CSU im Blick hat, an vernünftige Menschen sagen lassen: Finger weg den Pranger, dass sie nur unter der Bedingung ei- davon. ner Prämie ihre Kinder zu den U-Untersuchungen (Beifall bei der LINKEN, der SPD und der bringen würden. Das glaube ich nicht. GAL) (Beifall bei der SPD) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2267

(Senator Detlef Scheele)

Insofern droht hier aus Koalitionsopportunismus beitsmarkt fernhalten? Wir in Hamburg wollen et- ein reines Bürokratiemonster, wie schon beim Bil- was anderes. dungs- und Teilhabepaket, über dessen Wirkung (Beifall bei der SPD) wir berichtet haben. In Hamburg bemühen wir uns darum, gerade Al- Und seit wann bekommt man denn Geld vom leinerziehende mit kleinen Kindern in den Arbeits- Staat, wenn man ein Angebot des Staates nicht markt zu integrieren. An zwei Jobcenter-Stand- annimmt? Zahlen wir bald Geld an die Autofahrer, orten werden junge Alleinerziehende, insbesonde- weil sie den öffentlich geförderten Nahverkehr re mit Kindern unter drei Jahren, ganzheitlich be- nicht nutzen? Oder müssen wir all denjenigen Geld treut. Durch fachkundige Beratung und eine an auszahlen, die einen Platz in der Oper nicht an- den jeweiligen Bedürfnissen orientierte, bessere nehmen? Das ist die Logik hinter dem Betreuungs- Verknüpfung mit den bestehenden Betreuungsein- geld. Es ist eine Prämie für die Nicht-Inanspruch- richtungen erhöhen wir die Integrationschancen. nahme von öffentlichen Leistungen. Das gibt es Das Betreuungsgeld verhindert demgegenüber ei- meiner Kenntnis nach im Sozialsystem Deutsch- ne schnelle Rückkehr in den Arbeitsmarkt und min- lands bisher nicht, aber man kann doch mal etwas dert die Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben, Neues machen. unabhängig von Transferleistungen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Wir setzen auf den Ausbau der Kindertagesbetreu- Das Betreuungsgeld widerspricht allen derzeitigen ung. Noch in diesem Jahr wird der Rechtsanspruch Bemühungen in den Bereichen Bildungs-, Arbeits- auf einen Kita-Platz für zweijährige Kinder einge- markt-, Gleichstellungs- und Familienpolitik. Es be- führt und im kommenden Jahr der Rechtsanspruch lohnt Eltern dafür, dass sie ihre Kinder von Bil- für einjährige Kinder, unabhängig von der Berufs- dungseinrichtungen fernhalten. Und es hält Eltern tätigkeit der Eltern, umgesetzt. Bis zum Ende der davon ab, nach der Geburt eines Kindes nach der Legislaturperiode wird das Grundangebot von fünf- Familienphase auf dem Arbeitsmarkt schnell wie- stündiger Betreuung in Hamburg kostenfrei sein. der Fuß zu fassen. Und wir rechnen damit, dass im kommenden Jahr rund 43 Prozent aller unter drei Jahre alten Kinder Es ist zu befürchten, dass gerade diejenigen Eltern eine öffentlich geförderte Betreuungseinrichtung ihre Kinder nicht in frühkindliche Bildungs- und Be- besuchen werden. Und das ist gut so. treuungseinrichtungen geben werden, deren Kin- der besonders von der Betreuung in einer Kita pro- (Beifall bei der SPD) fitieren würden. Für einkommensschwache Famili- Und an die Bundesregierung gerichtet: Das Geld, en sind die 150 Euro durchaus attraktiv. Und es das für das Betreuungsgeld ausgegeben werden wird ganz sicher in vielen Familien die Abwägung soll, sollten Sie lieber den Ländern für den Ausbau angestellt werden, ob sich der Einstieg mit weni- der Kindertagesbetreuung und frühkindlichen Bil- gen Arbeitsstunden in den Arbeitsmarkt, womög- dungsangebote zur Verfügung stellen. lich mit einer schlechten Steuerklasse, und die da- mit verbundenen Bemühungen überhaupt noch (Beifall bei der SPD) lohnt. Wohlhabenden Familien, darauf ist hinge- Verteilt man die vom Bund vorgesehenen 1,2 Milli- wiesen worden, wird hierdurch ein schönes Zubrot arden Euro für das Betreuungsgeld nach dem Kö- offeriert. Ich weiß gar nicht, ob Herr Schäuble so nigsteiner Schlüssel auf die Länder, würden auf ein Zubrot bezahlen kann für diejenigen, die es Hamburg 30,6 Millionen Euro entfallen. Das ent- nicht brauchen. spricht rund 3100 Krippenplätzen in Hamburg, das Dass das Betreuungsgeld Frauen vom Arbeits- wäre besser. markt fernhält, hat kürzlich auch das Bonner Insti- (Beifall bei der SPD) tut für Zukunft der Arbeit in einer Studie belegt. Es gibt nämlich das Betreuungsgeld schon. Unter- Hamburg möchte nicht diejenigen Eltern belohnen, sucht wurden dafür die Auswirkungen des 2006 in die für ein Betreuungsgeld auf die Berufstätigkeit Thüringen eingeführten Landeserziehungsgeldes verzichten und ihre Kinder von Bildungs- und Be- auf die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen und treuungseinrichtungen fernhalten. Wir setzen auf auf die frühkindliche Bildung von Mädchen und die Angebote frühkindlicher Betreuung und Bildung Jungen. Laut Studie sind vor allem gering Qualifi- und wollen sie ausbauen. Wir wollen den Ausbau zierte, Alleinerziehende und Familien mit niedrigem der Kindertagesbetreuung und die Schaffung des Einkommen dem Arbeitsmarkt ferngeblieben, um Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz für ein- und das sogenannte Landeserziehungsgeld in An- zweijährige Kinder. Wir wollen, Frau Blömeke, den spruch zu nehmen. Auch ältere Geschwister ka- Ausbau der Qualität der Kindertagesbetreuung men seltener in den Kindergarten, zudem ging die zum Beispiel durch eine bessere Erzie- Erwerbsbeteiligung der Väter ebenfalls leicht zu- her-Kind-Relation ab 2013 in benachteiligten rück. Ist es das, was die Berliner Politik will? Ge- Stadtteilen und den Ausbau der Sprachförderung ring Qualifizierte und Alleinerziehende vom Ar- in Kindertageseinrichtungen, ebenso ein Netz von Familienhebammen, die sich frühzeitig nach der 2268 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Senator Detlef Scheele)

Geburt um Familien kümmern. Wir wollen auch und insbesondere der Herr Seehofer macht sich den Ausbau und die Weiterentwicklung der El- dafür immer wieder ohne Wenn und Aber stark. Da tern-Kind-Zentren als Anlauf- und Beratungsstellen hätten Sie und Ihre Partei, die in Bayern mitregiert, für Eltern mit kleinen Kindern. Wir wollen den Aus- die Chance, auch dort klar zu sagen, dass dies bau der ganztägigen Betreuung an Schulen, die In- nicht ins liberale Weltbild passe und dass Sie eine tegration von Eltern und insbesondere von Allein- andere Vorstellung von dem hätten, was Frauen in erziehenden in den Arbeitsmarkt. der Wirtschaft leisten können und von dem, was Familie ist, und dass dies etwas anderes ist als Das ist moderne Familienpolitik. Sie verbindet die das, was Herrn Seehofer vorschwebt. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sie tut etwas gegen den Fachkräftemangel und sie sorgt für (Beifall bei der SPD) Chancengleichheit für Kinder aus benachteiligten Möglicherweise gibt es noch andere Gründe, Herr Familien. Das ist sozialdemokratische Familienpoli- Senator Scheele hat die auch schon angerissen. tik, und die setzen wir in Hamburg um. – Herzli- Es geht doch schlicht um das Geld für den Krip- chen Dank. penausbau. Und wenn wir in Hamburg davon aus- (Beifall bei der SPD) gehen, dass wir 2013 im Krippenbereich eine Ver- sorgung von 42 Prozent haben werden, sind wir Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun der bundesweit sehr gut. Wir liegen jetzt ungefähr bei Abgeordnete Eisold. 32 Prozent. Andere Länder jedoch, insbesondere Bayern, haben gerade einmal 20 Prozent. Sie wer- den das nicht erfüllen können, was im Krippenaus- Gunnar Eisold SPD:* Meine Damen und Herren, bauprogramm im gemeinsamen Pakt zu Zeiten der liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege de Großen Koalition in Berlin vereinbart worden ist, Vries, es ist besonders schade, dass Sie die Gele- nämlich bis 2013 eine Versorgungsquote von genheit nicht genutzt haben, einen klaren Schnitt 35 Prozent bundesweit zu erreichen. zu machen und für die CDU zu erklären, so wie es die FDP getan hat, dass Sie das Betreuungsgeld Das ist ein Skandal, und im Grunde genommen nicht mittragen. Das wäre richtig gewesen. muss die CDU rot werden und erklären, dass sie sich von diesem Ziel verabschiedet hätte, die Fa- (Beifall bei der SPD) milien zu unterstützen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist etwas, (Beifall bei der SPD) von dem ich den Eindruck hatte, dass es auch bei Ihnen eine große Rolle spielt. Ich frage mich, was Deshalb ist der Ansatz von Herrn Senator Scheele eigentlich die Frauen in Ihrer Fraktion und Ihrer genau richtig. Das Geld, das für das Betreuungs- Partei zum Betreuungsgeld sagen und denken. Da geld herhalten soll – manche reden von 1,2 Milliar- hätte mich die eine oder andere Meinungsäuße- den Euro, Experten gehen davon aus, dass es rung schon interessiert. über 2 Milliarden Euro werden könnten –, wäre gut angelegt, um die Länder beim Krippenausbau zu (Beifall bei der SPD und bei Anna-Elisabeth unterstützen. Ich höre, dass Hamburg nach dem von Treuenfels FDP) Königsteiner Schlüssel 30 Millionen Euro zusätz- Offenbar ist es für einige schwieriger, sich frei zu lich bekommen würde. Das wäre zu den genann- äußern, aber immerhin gibt es noch 23 CDU-Parla- ten 50 Millionen Euro noch einmal eine ordentliche mentarier im Bund, die einen Brief geschrieben ha- Summe zusätzlich. Das gäbe eine Unterstützung ben. Herr Klimke hat sich daran gehängt, das ist für die richtige Politik für Eltern, Kinder und Famili- auch in Ordnung. Herr Weinberg hat das eine er- en in dieser Stadt, die diesen Namen auch ver- zählt, heute jedoch sagt Herr Seehofer das ande- dient. – Vielen Dank. re. Das Signal, das sich daraus ergibt, ist, dass Sie (Beifall bei der SPD) nicht wissen, was Sie wollen. Die FDP hat hierzu ein klares Vorbild gegeben. So sollten Sie verfah- ren, erteilen Sie dem Betreuungsgeld von Ham- Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun Herr burg aus eine Absage. Wersich. (Beifall bei der SPD – Zuruf von Katja Su- (Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt sind wir ding FDP) aber gespannt!) So erfrischend die Aussage der FDP-Bürger- Dietrich Wersich CDU: Frau Präsidentin, liebe schaftsfraktion an dieser Stelle ist, Frau Suding, so Kollegen! Zunächst einmal möchte ich feststellen, ist es natürlich interessant, was Ihre Kolleginnen dass die CDU-Fraktion selbst bestimmt, was sie und Kollegen heute im Bayerischen Landtag tun meint und sagt, und da brauchen wir keine Beleh- werden, wenn es dort um die Frage geht, wie sie rung von der SPD. es mit dem Betreuungsgeld halten. Die Signale, die wir erhalten, dass ein Betreuungsgeld einge- (Beifall bei der CDU – Heike Sudmann DIE führt werden müsse, kommen nämlich aus Bayern, LINKE: Ja, genau!) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2269

(Dietrich Wersich)

Ein zweiter Punkt, Herr Scheele, ist, dass man bei Rot-Grün. Wir jedoch haben in Hamburg den der Frage des Betreuungsgeldes unterschiedlicher Rechtsanspruch auf Vereinbarkeit von Familie und Meinung sein kann. Aber zu sagen, dass eine Prä- Beruf ab der Geburt des Kindes eingeführt, einen mie von 150 Euro eine Prämie sei, damit Eltern Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung ab der nicht arbeiten, Geburt, wenn die Eltern arbeiten wollen. Ich glau- be, diesen Erfolg nehmen die Hamburger Eltern in (Andy Grote SPD: Ist doch so!) Anspruch, und dieser Erfolg ist mit dem Namen finde ich eine Frechheit gegenüber den Eltern, CDU verbunden. ebenso die Frage der Einschätzung, ob Eltern sich (Beifall bei der CDU – Gabi Dobusch SPD: wegen 150 Euro vom Staat vorschreiben lassen, Er versucht zu sagen, er war der bessere ob sie arbeiten oder nicht. Das ist kein Angriff ge- Senator! – Zuruf von der SPD: Ist das Ver- gen die CDU, das ist ein Angriff gegen die Eltern. gangenheitsbewältigung?) (Beifall bei der CDU – Zuruf von Andy Grote – Nein, das ist keine Vergangenheitsbewältigung, SPD) sondern der Versuch, aus den ideologischen Grä- Ehrlich gesagt, Herr Scheele, ist es auch nicht ben herauszukommen. mehr vereinbar mit unserer Haltung zum Eltern- Wir haben allen Grund, über die Parteigrenzen hin- geld. weg gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir (Dirk Kienscherf SPD: Welche Haltung?) Kindern aus armen Familien bessere Lebenschan- cen bieten. Und wir haben allen Grund, auch die Denn auch das Elterngeld ist doch keine Prämie Eltern anzuerkennen, die sich entscheiden, für ihre für die Mütter und Väter, damit sie nicht arbeiten, Kinder länger zu Hause zu bleiben und auf Einnah- sondern eine Prämie, die es ihnen ermöglichen men aus Berufstätigkeit zu verzichten. Beides hat soll, sich im ersten Jahr um die Kinder zu küm- seine Berechtigung und beides sollten wir unter- mern. stützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der CDU) (Beifall bei der CDU) Deswegen greift auch diese Argumentation nicht, einerseits das Elterngeld zeitlich ausweiten zu wol- Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Frau Blö- len – ich glaube, das wünschen wir uns doch al- meke. le –, auf der anderen Seite aber zu sagen, dann sei das eine Prämie, um nicht zu arbeiten. Christiane Blömeke GAL: Frau Präsidentin, mei- Für mich ist ganz klar, dass wir die Wahlfreiheit för- ne Damen und Herren! Bei aller Wertschätzung, dern müssen. Das Erziehungsgeld und das Betreu- Herr Wersich, das war jetzt wirklich um den heißen ungsgeld haben da ihren Sinn, wo wir Eltern in ih- Brei herumgeredet und ein Durchlavieren, ohne rer freien Entscheidung fördern und dies anerken- klar Position zu beziehen. Schon Herr de Vries hat nen. Aber dieses Elterngeld kann Nebenwirkungen es nicht geschafft, sich eindeutig für oder gegen haben. Und auch das liegt uns als CDU am Her- das Betreuungsgeld auszusprechen, und Sie ha- zen, dass es nicht dazu führen darf, dass die Kin- ben mit einem Hintertürchen versucht, das Betreu- der, die die Förderung in einer Kita brauchen, da- ungsgeld noch einmal deutlich zu machen. durch abgehalten werden. Echte Wahlfreiheit kann doch nur dadurch herge- (Dirk Kienscherf SPD: Lassen Sie es doch!) stellt werden, indem Eltern genügend qualitativ hochwertige und kostengünstige Betreuungsplätze Da ist unsere Haltung ganz klar. erhalten. Wahlfreiheit bedeutet nämlich die private (Andy Grote SPD: Das hängt doch nicht von Entscheidung, wo man sein Kind betreuen lassen Ihrer Haltung ab!) will. Es bedeutet nicht die staatliche Einmischung, dass man Geld erhält, wenn man sein Kind zu Bei aller Aufregung: Es ist doch geradezu zu spü- Hause betreut. Das ist genau der falsche Weg. ren bei Ihren Beiträgen, dass Sie dieses Thema Und wenn die CDU hier ehrlich wäre und gegen ih- ausschließlich für Ihre parteipolitische Debatte re Bundes-CDU aufstehen würde, dann würde brauchen, die Sie im Moment im Bund führen und auch ein ganz anderes Ergebnis herauskommen. bei der Sie versuchen, sie in die Hamburgische Bürgerschaft zu bringen. (Beifall bei der GAL und der SPD) (Beifall bei der CDU) Lassen Sie mich ein paar Takte zur FDP sagen. Das war nun wirklich große Bühne, was Ihre Frakti- Aber wenn Sie das machen, dann setzen Sie sich onsvorsitzende Frau Suding geleistet hat. auch einmal mit den Argumenten auseinander, Herr Eisold, wenn Sie davon reden, wie niedrig die (Robert Bläsing FDP: Immer große Bühne!) Krippenquote sei. Bremen, bekanntermaßen nicht – Große Bühne, aber wenig dahinter. durch die CDU verdorben, hat eine der niedrigsten Krippenquoten in der ganzen Republik; da regiert 2270 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Christiane Blömeke)

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal Folgendes: gesellschaftspolitischen Debatten passiert –, sollte Ich möchte Ihnen hierzu aus dem Koalitionsvertrag Ihnen zu denken geben, dass Sie sich auf einem aus dem Jahr 2009 gern den Passus vorlesen, den Irrweg befinden. die FDP damals zusammen mit der CDU unter- (Beifall bei der SPD) schrieben hat. Die Frage geht konkret an Herrn Wersich: Welcher "Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Weg ist denn nun eigentlich benannt worden? Wir Angeboten und Leistungen zu ermöglichen, konnten schon in der letzten Sitzung Herrn de soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Vries zu dem Thema hören. Da war es eher pro Höhe von 150,- Euro, gegebenenfalls als Betreuungsgeld und heute auch. Er nickt, dann ha- Gutschein, für Kinder unter drei Jahren als ben wir das also so verstanden. Herr Wersich, wel- Bundesleistung eingeführt werden." che Position haben Sie denn eigentlich? Es ist mir Das Ganze steht auch noch paradoxerweise unter nicht klar geworden, ich denke, der Mehrheit des dem Kapitel "Sozialer Fortschritt". Sozialer Fort- Hauses auch nicht. schritt sieht anders aus. Das Gegenteil ist nämlich (Beifall bei der SPD) der Fall, das Betreuungsgeld widerspricht den Prinzipien einer modernen Gesellschaft. Wenn Sie sagen, wir müssten jetzt ideologische Gräben zuschütten und das Thema Betreuungs- (Beifall bei der GAL, der SPD und der LIN- geld als Beispiel dafür bezeichnen, dann ist das KEN) nichts anderes als ideologische Gräben wieder zu Jetzt distanzieren Sie sich davon, obwohl Sie da- öffnen. Dieses Thema ist nämlich ein ideologischer mals als Fraktion diesen Koalitionsvertrag mit un- Rückschritt. terschrieben haben, und zwar im Handel, weil Sie (Beifall bei der SPD) im Gegenzug dafür die Steuersenkung bekommen wollten. Vielleicht hatten Sie da auch schon Be- Mich hat ein wenig amüsiert, dass die CDU auf denken, das weiß ich nicht. Aber ich frage mich, Bundesebene meinte, bei diesem Thema jetzt den wo die laute Stimme der FDP-Fraktion war, als Sie Sack schließen zu müssen, und zwar mittels eines Ihre Unterschrift unter den Koalitionsvertrag ge- Papiers über ländliche Räume. Das war wirklich setzt haben? der absolute Beleg dafür, dass man nicht mehr den Anspruch hat, Großstadtpartei in diesem Land (Katja Suding FDP: Müssten Sie mal zuhö- zu sein, und das ist für die Hamburger CDU sehr ren, dann wüssten Sie es!) bedenklich. Es ist schön und gut, wenn Ihnen das jetzt alles (Beifall bei der SPD – Zuruf von Dietrich einfällt. Aber ich erwarte da mehr als Blasen in der Wersich CDU) Hamburger Bürgerschaft. Werden Sie auf Bundes- ebene aktiv, sprechen Sie mit Herrn Wersich, viel- leicht hat er auch Einfluss bei seiner Bundes-CDU. Präsidentin Carola Veit: Meine Damen und Her- Dann erreichen Sie vielleicht, dass dieser unsägli- ren! Wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr che, familienpolitische Katastrophenschritt keine vorliegen, kommen wir zum zweiten Thema, ange- Realität wird. meldet von der CDU-Fraktion: (Beifall bei der GAL und der SPD) Zukunftschance Hamburgs verspielt: Senat verliert Wettbewerb Elektromobilität Präsidentin Carola Veit: Herr Dr. Dressel, Sie ha- ben das Wort. Das Wort wird gewünscht. – Frau Prien, Sie haben es. Dr. Andreas Dressel SPD: Frau Präsidentin, mei- ne Damen und Herren! Zwei, drei Worte zu Herrn Karin Prien CDU:* Meine Damen und Herren! Wersich, warum wir dies angemeldet haben. Ich Beim Thema Elektromobilität können wir etwas ler- glaube, ganz Deutschland diskutiert momentan nen, nämlich eine kleine Posse zum Thema Pro- über diesen familienpolitischen Rückschritt, und vinzialität der Hamburger SPD. deswegen gehört die Debatte auch in dieses Par- (Beifall bei der CDU und der GAL – Jan lament. Es ist wohl selbstverständlich, dass hier- Quast SPD: Dass die CDU lernen kann!) über gesprochen wird. Wir erinnern uns, dass der Bürgermeister sich in (Beifall bei der SPD) seiner Regierungserklärung vorgenommen hatte, Viele Redner haben schon ausgeführt, wer sich das moderne Hamburg zu schaffen – ich darf zitie- schon alles dazu geäußert hat. Die Tatsache, dass ren –: es eine gemeinsame Positionierung der Arbeitge- "[…] mit exzellenten Forschungseinrich- berverbände und der Gewerkschaften gibt – und tungen, die Innovationen zum Alltag ma- wer sich auskennt, der weiß, wie selten dies bei chen." Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2271

(Karin Prien)

Mehr noch, Hamburg sollte als Umwelthauptstadt Ein besonderes Profil hätte entwickelt werden fest etabliert werden und – ich zitiere wiederum –: müssen. Eine Vernetzung wäre erforderlich gewe- sen, Vernetzung sowohl in regionaler Hinsicht als "[…] So sollten wir z.B. Hamburg als Modell- auch mit starken industriellen Partnern. Intern ist region für Elektromobilität unbedingt weiter- der Senat darauf hingewiesen worden. Was hat entwickeln." man getan? Man hat vertraut auf die eigenen Stär- Damit der Senat dieses auch für uns so wichtige ken. Eigene Stärken ausbauen – damit waren wohl Vorhaben nun wirklich voranbringt, haben wir be- die Vorarbeiten der Vorgängersenate gemeint. reits mit Anfrage vom 31. März 2011 gefragt, ob Und dann wird es schon ziemlich dünn. der Senat gedenke, sich für das neue Programm Wenn man sich die Förderrichtlinien genau an- der zuständigen Bundesministerien für das "Schau- schaute, konnte man leicht entnehmen, dass es fenster Elektromobilität" zu bewerben. Es ging ein- darum ging, einen Beitrag dazu zu leisten, dass her mit einer Reduktion der Fördermittel für die Hamburg und Deutschland im Leitmarkt Elektro- acht Modellregionen, zu denen Hamburg gehört. mobilität ganz vorn steht. Anfang April vergangenen Jahres hatte man sich darüber noch nicht so recht Gedanken gemacht, Wie sieht es aus mit den Alleinstellungsmerkmalen ein Konzept gab es auch nicht, aber das kann man der Hamburger Bewerbung? Man findet sie nicht, nachvollziehen. Man wollte erst einmal abwarten, anders als bei der Bewerbung aus Berlin, die sich was es denn für Förderkriterien aus Berlin gibt. Es zum Beispiel selbstverständlich zur Metropolregion ging aber leider nichts voran. Dann haben wir im Berlin-Brandenburg verhält, wo es natürlich einen August vergangenen Jahres mit einer Großen An- Technologiepark zum Thema Elektromobilität gibt frage nachgefragt, welche Anstrengungen der Se- und wo man die Internationalität des Vorhabens nat in dieser Hinsicht unternehmen wolle. Erneut hervorgehoben hat. Schauen Sie sich Sachsen hieß es, man denke zwar darüber nach, aber man und Bayern an, auch dort hat man den überregio- habe sich noch keine Meinung gebildet, und auch nalen Bezug gewählt und mit einer starken indu- zu derartigen Fragen, ob es vielleicht sinnvoll sei, striellen Partnerschaft den Sieg und die Nominie- ein Branchencluster Elektromobilität einzurichten rung durch die Jury erreicht. oder einen Technologiepark zur Ansiedlung ent- Meine Damen und Herren! Das Ganze ist sympto- sprechender Unternehmen, hatte der Senat sich matisch für die Innovationspolitik des Senats, sym- erst gar keine Gedanken gemacht. Das war ver- ptomatisch deshalb, weil es wirklich Hybris ist, hängnisvoll, wie sich zeigen sollte. Das Ergebnis wenn man glaubt, man könne sich immer nur auf haben wir alle Anfang April dieses Jahres den Zei- die eigenen Stärken verlassen. Es ging darum, in- tungen entnehmen können. Hamburg ist kein dustrielle und regionale Partner zu suchen, es ging "Schaufenster Elektromobilität" geworden. darum, eine international attraktive Bewerbung zu (Beifall bei der CDU) machen, und es ging darum, den Fachkräfte- und Ausbildungsaspekt zu betonen. Darüber können wir uns wahrlich nicht freuen, denn Hamburg hatte weiß Gott eine hervorragende Aber das zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausgangsposition in diesem Wettbewerb, und das Politik des Senats. Schlagworte wie Innovation be- war das Verdienst der Vorgängersenate. Das be- nutzt man gern, bei der Umsetzung fehlt es jedoch stätigt der Senat auch selbst an allen möglichen am systemischen Ansatz und auch an der notwen- Stellen. Dieser Ausgang des Wettbewerbs und die digen Zusammenarbeit über die Stadtgrenzen hin- Entscheidung der Bundesregierung ist ein derber weg. Rückschlag für die Innovationsfähigkeit unserer (Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der Stadt. Für den Senat ist es eine glatte Fünf. GAL) (Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der Sie haben mit dieser Mischung aus Überheblich- GAL) keit und Provinzialität der Innovationsfähigkeit un- Spät, sehr spät, aber wie so oft halbherzig, hat serer Stadt einen Bärendienst erwiesen. – Vielen man sich dann doch noch für die Bewerbung ent- Dank. schieden und sie dann am letzten Tag in Berlin ab- (Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der gegeben. Der Bürgermeister erklärte jedoch einige GAL) Tage vorher, dass die Bewerbung nun in der Schlussredaktion sei und man zuversichtlich sei, da auch Erfolg zu haben. Aber worauf gründete Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun Frau sich denn diese Zuversicht? Schaut man sich die Martin. Bewerbung und die Förderrichtlinien der zuständi- gen Ministerien an, dann erkennt man sehr leicht, Dorothee Martin SPD:* Frau Präsidentin, liebe dass die Hamburger Bewerbung hier nicht stand- Kolleginnen und Kollegen! Der Titel der Aktuellen halten konnte. Stunde sollte doch besser lauten: Bundesregie- rung vergibt große Chance für umfassenden, nach- 2272 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dorothee Martin) frageorientierten und ökologischen Ausbau der Bayern blicken lassen können. Wirtschaftsminister Elektromobilität. Rösler als ehemaliger stellvertretender Ministerprä- sident musste Niedersachsen bedienen und Bil- (Beifall bei der SPD) dungsministerin Schavan die Fördergelder nach Wir hatten wirklich die große Hoffnung und auch Baden-Württemberg tragen. Allein Umweltminister mehrfach darüber gesprochen, dass Sie, liebe Kol- Röttgen in NRW ging leer aus, aber vielleicht ist leginnen und Kollegen der CDU und der FDP, für das auch schon ein Vorzeichen auf die bevorste- gute Nachrichten aus Berlin sorgen, aber Ihr Ein- hende Landtagswahl. satz und Ihr Einfluss dort haben anscheinend nicht (Beifall bei der SPD) gereicht. Hamburg wurde leider nicht zum "Schau- fenster Elektromobilität" ernannt. Meine Damen und Herren! Hamburg will ganz klar weiterhin das Wirtschaftszentrum in Sachen Elek- (Dietrich Wersich CDU: Aber das liegt doch tromobilität werden, und wir unterstützen den Se- an der Bewerbung!) nat dabei ausdrücklich in seinem Vorgehen. Es Hamburg hat mit der Unterstützung und mit der wurde in Hamburg seit dem Start der Modellregion von Ihnen angesprochenen Vernetzung, Frau Pri- im Jahr 2009, die auch weitgehend von allen Frak- en, von über 100 Partnern eine sehr, sehr gute Be- tionen unterstützt wurde, bereits viel erreicht. Ham- werbung für das Schaufenster abgegeben. Das burg ist auf diesem Gebiet ganz klarer Vorreiter. In Konzept umfasst 77 innovative Projekte in den keiner anderen Stadt beispielsweise fahren bereits nachfrageorientierten Clustern Logistik, Luftfahrt, so viele Elektroautos wie in Hamburg. maritime Wirtschaft und erneuerbare Energien so- Die Absage an das Schaufenster ist bei Weitem wie die Integration neuer Mobilitätsangebote in die nicht das Ende der Elektromobilität als Zukunfts- Stadtentwicklung und den ÖPNV. chance für Hamburg. Meine Fraktion sieht auch Warum Hamburg als "Schaufenster" nicht ange- keinen Grund für die Überdramatisierung oder nommen wurde, ist allerdings bis heute durch das Überbewertung, die gerade von Ihnen, geehrte Ministerium nicht mitgeteilt worden, und das ist ein CDU, versucht wurde. schlechter Stil. Fakt ist, dass ein Zwischenziel leider nicht erreicht (Erster Vizepräsident Frank Schira über- worden ist. Das ist aber für uns kein Grund, sozu- nimmt den Vorsitz.) sagen vom Gas zu gehen, ganz im Gegenteil, es wird weitergehen. Hamburg wird auch weiterhin ei- Mit der "Schaufenster"-Förderung sind nun neben ne der Modellregionen Elektromobilität sein und der angesprochenen Hauptstadtregion Berlin-Bran- mit den gewonnenen Partnern aus Wirtschaft, Wis- denburg ausgerechnet die Großindustrieregionen senschaft, Industrie und vor allem aus dem Hand- bedacht worden, die für den Siegeszug der Ben- werk die Projekte realisieren, auch wenn der Weg- zinkutschen stehen. Bayern mit Audi und BMW, fall der Schaufensterfördergelder zugegebenerma- Baden-Württemberg mit Porsche und Daimler und ßen die Ausgangslage nicht leichter gemacht hat. Niedersachsen mit VW, Unternehmen übrigens, die bei der Entwicklung von Elektroautos bislang Ein kurzes Wort an den Kollegen Duwe, Sie wer- nicht gerade eine Vorreiterrolle einnehmen und im den auch gleich dazu sprechen. Wir sind davon Vergleich zu internationalen Konzernen etwas län- überzeugt, dass die Kosten von 200 000 Euro für ger geschlafen haben. die Schaufensterbewerbung keineswegs vergeb- lich aufgewendet wurden und schon gar keine Es stellt sich hier also die Frage, ob es tatsächlich Steuerverschwendung sind. Eine solche Argumen- darum ging, innovative Konzepte zu fördern tation ist doch recht populistisch. Lieber Herr Du- (Jens Kerstan GAL: Das wussten Sie doch we, liebe FDP, wenn Sie so argumentieren, dürfte vorher! Das hätten Sie bei Ihrer Bewerbung sich Hamburg grundsätzlich an keinerlei Wettbe- berücksichtigen müssen! – Birgit Stöver werb beteiligen. CDU: Sie müssen doch die Ausschreibung (Klaus-Peter Hesse CDU: Wenn's gut ge- gelesen haben, da steht alles drin!) macht ist, schon!) – Herr Kerstan, Sie sind gleich dran, wenn Sie wol- Ganz im Gegenteil wurde mit der Schaufensterbe- len –, oder ob es sich schlicht und ergreifend um werbung eine wertvolle Grundlagenarbeit für die ein Subventionsprogramm für die deutsche Autoin- weitere Entwicklung der E-Mobilität in Hamburg dustrie handelt. und in der Metropolregion geschaffen, gemeinsam (Beifall bei der SPD) mit der Hamburger Wirtschaft und vielen Verbän- den und Institutionen. Hamburg hat jetzt einen so- Dass die Entscheidung im Kompetenzgerangel der genannten Masterplan oder, hamburgisch-maritim für die Elektromobilität zuständigen vier Bundesmi- ausgedrückt, ein Logbuch Elektromobilität für die nisterien auch politisch motiviert ist, trotz Juryaus- nächsten Jahre. Unser Ziel ist klar: Wir möchten sagen, das spricht für sich, denn der Autofahrermi- die E-Mobilität in Hamburg weiter ausbauen, auch nister Ramsauer hätte sich nie wieder in seinem wenn wir dazu manchmal Rückschläge von der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2273

(Dorothee Martin)

Bundesregierung verkraften müssen. Wir machen Regionen, wo die Automobilhersteller direkt vor Ort weiter und wir laden Sie herzlich ein, uns dabei zu sitzen und wo der natürliche Ort wäre, an dem Au- unterstützen. – Vielen Dank. tomobilhersteller ihre Vorzeigeprojekte platzieren werden. Dagegen musste Hamburg anstinken, (Beifall bei der SPD) aber das wusste Hamburg. Hamburg hätte sich darauf einstellen und sich dem Wettbewerb stellen Erster Vizepräsident Frank Schira: Danke. – Das müssen. Wort hat Herr Dr. Steffen. (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU) Dr. Till Steffen GAL:* Sehr geehrter Herr Präsi- dent, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war ein Wettbewerb um die besten Konzepte Woran lag es, dass der Senat diese Bewerbung und man kann nicht nur sagen: Schaut her, das versemmelt hat und dieser herbe Rückschlag er- haben wir gemacht und jetzt seid bitte lieb zu uns, zielt wurde? Ein herber Rückschlag ist diese Ent- wir wollen gerne dieses Geld haben. Das reicht na- scheidung, denn es geht natürlich nicht nur um die türlich nicht aus, sondern man muss kreative Ideen öffentlichen Fördergelder, sondern es geht auch mitbringen und man muss besser sein als alle an- um die Frage, in welchen Regionen private Unter- deren. Man muss sich überlegen, wo Hamburg nehmen investieren werden, die mit bestimmten mehr zu bieten hat als andere Städte. Das Span- Projekten vorangehen wollen, die sie zunächst in nende ist doch, dass Hamburg als zweitgrößte ausgewählten Städten testen. Das werden natür- Stadt Deutschlands natürlich mit dem Thema Me- lich genau diejenigen Regionen sein, die in diesem tropolenverkehr punkten kann. Und der Metropo- Wettbewerb erfolgreich sind. Die Antwort besteht lenverkehr wird, ob jetzt elektrisch oder nicht, in darin, dass die Hamburger Bewerbung ohne Krea- Zukunft eben nicht vom Pkw dominiert werden, tivität und auch ohne Sachkunde betrieben wurde. sondern der Metropolenverkehr wird davon leben, dass wir verschiedene Verkehrsträger benutzen (Beifall bei der GAL und der CDU) und sie sinnvoll miteinander verknüpfen. Das wäre Das fängt beim Bürgermeister an. Ich zitiere aus die Chance für Hamburg gewesen, und da hat dem "Hamburger Abendblatt" vom 28. Januar die- Hamburg auch eine sehr große Stärke. Wir haben ses Jahres: mit dem StadtRAD-System das bestgenutzte Leih- radsystem Deutschlands, und das wäre ein wun- "Vision von einem besseren Hamburg" derbarer Anknüpfungspunkt gewesen, um zu sa- Da werden die Vorstellungen des Bürgermeisters gen, wir interpretieren Elektromobilität ganz anders ausgebreitet, da werden Sie zitiert, Herr Scholz, als die deutschen Automobilhersteller, die einfach und da heißt es dann in der Zeitung: ihre Autos mit Verbrennungsmotor umnutzen und da einen Elektromotor reinsetzen. Wir nutzen das "Beim Thema Elektromobilität, für die Ham- viel intelligenter, um die Elektromobilität auch für burg Modellregion ist, geriet der eher nüch- eine andere Form von Mobilität einzusetzen. Wir terne Bürgermeister beinahe ins Schwär- haben das hier sogar als Vorschlag eingebracht, men. Er habe früher in einem Haus an der das hätte noch direkt in die Bewerbung einfließen stark befahrenen Stresemannstraße in Alto- können, aber zu einem solchen Schritt waren die na gewohnt. 'Wir hatten einen schönen Bal- SPD und der Senat nicht bereit. An der Stelle hätte kon zur Straße, den wir wegen des Lärms man nachdenken müssen, was Hamburg wirklich nicht benutzen konnten.' In einer Stadt der besser kann als alle anderen. Zukunft, in der nur elektrogetriebene Autos fahren, wäre das wieder möglich." (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU) – Zitatende. Es wäre auch sehr spannend gewesen, sich mit (Arno Münster SPD: Recht hat er!) Berlin, der anderen großen Metropole, zusammen- Jetzt ist es aber so, dass bei Fahrzeugen ab etwa zutun und gemeinsam eine Bewerbung zu ma- Mitte der Neunzigerjahre bei Geschwindigkeiten chen. Es gab auch Gespräche darüber, ob das jenseits von 15 bis 25 km/h das Reifenfahrbahnge- nicht vielleicht die Chancen Hamburgs erhöhen räusch überwiegt und der Motor auf die Lärmemis- könnte. Das ist eine interessante Frage, die der sion gar keinen starken Einfluss mehr hat. Das Senat auch beantworten muss, warum diese Problem Lärmemission an stark befahrenen Stra- Chance nicht genutzt wurde, um mit internationaler ßen werden wir also durch Elektromobilität nicht lö- Ausstrahlung Metropolenverkehr erlebbar zu ma- sen. chen in zwei großen Metropolen, die natürlich an- dere Maßstäbe setzen können als Städte, die um (Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- Automobilwerke in Deutschland herum angesiedelt mann CDU) sind. Es ist schon deutlich geworden, dass es ein Wett- (Beifall bei der GAL und bei Karin Prien bewerb war. Hamburg musste anstinken gegen CDU) 2274 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Till Steffen)

Es stellt sich auch die Frage, warum nicht konkret gen definiert wurden, die ausgeschrieben haben. Initiativen aufgegriffen werden. Warum beschwe- Und da hat Hamburg nicht das aufgeschrieben, ren sich Unternehmer bei uns, dass sie kein Ohr was man hätte aufschreiben können. Jetzt kann finden, wenn sie zum Beispiel Initiativen für Lade- man natürlich seitens Schwarz und Grün sagen, säulen für Elektrofahrräder ergreifen? Viele Leute der Senat habe Schuld, er sei ein Jahr im Amt. nutzen das privat und das Aufladen auf dem Weg Das verstehe ich, aber die Grundlagen wurden un- ist ein Problem. Da gibt es private Initiativen, um ter Schwarz und Schwarz-Grün gelegt, und dort das zu verbessern. Der Senat ist nicht bereit, in wurde eben auch dieser bunte Strauß gefördert Kooperationen einzusteigen. Solche Fragen müs- und nicht ein Profil geschärft, das wir in Hamburg sen durch den Senat beantwortet werden, wenn brauchen, um wirklich in der Elektromobilität unse- wir beim Thema Elektromobilität wieder auf die re Nische zu finden. Als Umwelthauptstadt ein So- Beine kommen wollen. larmobil auf der Außenalster fahren zu lassen, das allein ist nicht ausreichend, um beim Thema Elek- (Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- tromobilität vorne dabei zu sein. Noch vor Ende mann CDU) des Jahres durfte dieses Boot übrigens nicht mehr Es gibt aber auch noch eine andere Frage: Was auf der Außenalster fahren, und auch das zeigt, bleibt denn jetzt eigentlich noch in der Verkehrspo- dass in Hamburg die Elektromobilität nicht die litik? Der Senat betreibt eine Verkehrspolitik, die in oberste Priorität hatte und leider auch nicht hat. erster Linie von Absagen geprägt ist, Absagen an Was lernen wir aus diesem leichten Misserfolg? die City-Maut und die Umweltzone, an die Stelle Ich sage nicht, dass es ein ganzer Misserfolg ist, sollten Busbeschleunigung und Elektromobilität denn man weiß nicht, an welcher Stelle wir gewe- treten. Was an der Busbeschleunigung dran ist, sen sind, und deshalb sollte man da auch keine haben wir schon gesehen. Das ist nicht so viel und bösen Worte verlieren. Wir müssen schauen, was bei der Elektromobilität jetzt auch nicht mehr. wir in Hamburg wirklich für die Elektromobilität tun (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der können. CDU) Meiner Meinung nach sollten wir uns in Hamburg auf die Praktizierung der Elektromobilität kaprizie- Erster Vizepräsident Frank Schira: Das Wort hat ren, nämlich das, was woanders entwickelt worden Herr Dr. Duwe. ist, anzuwenden. Wir haben in Hamburg sehr viele gute umwelttechnische Betriebe, die aber teilweise Dr. Kurt Duwe FDP:* Herr Präsident, meine Da- andere Prioritäten haben. Wir müssen auch in der men und Herren! Diesen etwas reißerischen Titel, Umwelttechnologie sehen, wo Hamburgs Stärken den die CDU eingebracht hat, halte ich für ein liegen. Man kann nicht in allen Sportarten in der bisschen übertrieben. Wir hatten einen Wettbe- Ersten Liga spielen. Wenn man eine Bewerbung werb, an dem 23 Regionen teilgenommen haben, schreibt und sagt, man sei zuversichtlich, dort un- und nur vier haben gewonnen. Hamburg war nicht ter den ersten vier oder fünf zu sein, dann sollte dabei; das erinnert mich an andere sportliche Wett- man sich überlegen, ob man nicht vielleicht zuerst bewerbe. Es hat BMW gewonnen, VW, Mercedes einmal gegen den Abstieg kämpfen muss, um und die frühere Reichshauptstadt. dann zu sehen, wie weit man kommt. Es gibt viel Arbeit in diesem Bereich, aber wir sollten nicht zu (Heiterkeit im Plenum) traurig sein, dass wir es diesmal nicht geschafft ha- Es gab natürlich auch andere Gründe, aber wenn ben. – Vielen Dank. man sich die Unterlagen der Wettbewerber genau (Beifall bei der FDP) anschaut, dann erfährt man schon, woran es lag. Man muss sich in Hamburg ein bisschen daran ge- wöhnen, dass wir nicht immer in der Champions Erster Vizepräsident Frank Schira: Das Wort hat League spielen können. Wenn Sie sich die Bewer- Frau Sudmann. bung von Baden-Württemberg anschauen, dann brauchen Sie gar nicht mehr in die Hamburger Be- Heike Sudmann DIE LINKE:* Hoffentlich gehe ich werbung hineinschauen, für die es sehr schwer ge- nach dieser elektrisierenden Rede nicht unter. worden wäre, unter die ersten vier zu kommen. (Beifall und Heiterkeit bei der LINKEN und Ich habe natürlich sehr viel Kritik an der Bewer- der GAL) bung, nicht aber an dem, was da zusammenge- Es ging um das Schaufenster Elektromobilität und stellt worden ist. Das war ein bunter Strauß und ich muss leider sagen – ich tue es ungern –, Frau kein Konzept. Wer sich in den Ausschreibungsun- Prien, Sie haben eine reine Schaufensterrede ge- terlagen angeschaut hat, was gefordert wurde, be- halten. Ich sage Ihnen auch, warum ich die so kam den Eindruck, das sei auch schon von Auto- wahrgenommen habe. Ich habe nicht einmal ge- mobilherstellern geschrieben worden. Aber selbst hört, was Sie eigentlich unter Elektromobilität ver- dann hätte man zusehen müssen, wie man die Re- stehen. Sie haben diesen Begriff vor sich hergetra- gularien am besten erfüllen kann, die von denjeni- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2275

(Heike Sudmann) gen wie eine heilige Monstranz, Sie haben Elektro- Ich komme zu einem weiteren Thema, denn Sie mobilität 20-mal erwähnt, aber nicht gesagt, was können nicht ausblenden, was Elektromobilität dahintersteht, und ich glaube zu wissen, warum heißt. Was ist eine Zukunftsvision? Was für eine Sie es nicht weiter ausgeführt haben. Wir haben in Stadt wollen Sie haben? Eben wurde schon davon zwei Ausschüssen schon über Ihren Antrag disku- gesprochen, dass Sie an der Stresemannstraße tiert. Ich war zwar in der Minderheit, aber ich glau- vielleicht wohnen wollten; Herr Scholz hat sich das be, dass auch bei Ihnen durchaus angekommen vorgestellt. Die Zukunftsvision muss doch heißen, ist, dass die Inhalte bei der Elektromobilität nicht dass diese Stadt mehr Platz braucht, mehr Platz das sind, was Sie glauben. Sie denken alle: Oh su- für Wohnungsbau, da sind wir uns einig. per, ökologisch, regenerative Energie, unsere Au- (Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist Ihre Visi- tos fahren jetzt mit Ökostrom. Sie haben nicht dar- on!) über gesprochen, was für Autos das sind. Ich habe heute und auch in den Ausschusssitzungen nicht – Sie wollen nicht mehr Wohnungsbau, Herr Hes- gehört, ob Sie eigentlich diese großen Autos weiter se? Entschuldigung, ich wollte Ihnen nicht zu nahe produzieren wollen, die auch im Verkehr viel ge- treten. fährlicher sind, oder die der Tuningfirma RUF, die (Beifall bei der LINKEN) gerade versucht, einen Porsche mit Elektroantrieb herzustellen. Sie hat noch ein ganz kleines Pro- Wir brauchen mehr Platz für Wohnungsbau. Wenn blem. Sie aber gerade beim Beispiel Autoindustrie dabei bleiben, dass alle ein Auto haben sollen, dann (Dietrich Wersich CDU: Frau Sudmann, das brauchen Sie weiterhin wahnsinnig viel Platz für ist alles nicht Thema der Aktuellen Stunde!) Autos, für das Parken der Autos und so weiter. Sie – Es ist das Thema. Es scheint Sie zu treffen, ein brauchen eine ganz neue Stadtentwicklung und sehr gutes Zeichen; ich danke für das Lob. Sie haben in der Schriftlichen Kleinen Anfrage der FDP lesen können, dass Stadtentwicklung ein The- (Beifall bei der LINKEN – Dietrich Wersich ma der Bewerbung für die Schaufensterregion war. CDU: Ich bin enttäuscht!) Sie sehen, dass der Bezug immer noch da ist, aber – Sie sind tief enttäuscht, dass wir den Wettbewerb Sie scheinen sich für die Inhalte überhaupt nicht zu Schaufensterregion Elektromobilität nicht gewon- interessieren. Insofern sind wir wahrscheinlich die nen haben, und ich frage Sie, was für Sie dahinter- einzige Fraktion, die sehr froh ist, dass diese Be- steht. Ich merke an Ihren Reaktionen, dass Sie mir werbung gescheitert ist, das nicht sagen wollen. (Dietrich Wersich CDU: Ah! Hätten Sie das (Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei gleich gesagt, wäre alles gut gewesen!) der SPD) und wir hoffen, dass Sie alle noch von dem Elek- Ich habe gerade versucht, Ihnen zu erklären, was tromobilitätsweg abkommen. das zum Beispiel im Autoverkehr heißt, wo jemand (Beifall bei der LINKEN) versucht, einen Porsche herzustellen, und die ein- zige Schwierigkeit darin besteht, dass er es nicht schafft, in sieben Sekunden von null auf hundert Erster Vizepräsident Frank Schira: Das Wort hat zu beschleunigen. Wollen Sie solche Autos? Das Herr Hesse. wollen Sie nicht. Sie reden auch nicht darüber, dass Sie es mit der Elektromobilität nicht schaffen, Klaus-Peter Hesse CDU: Herr Präsident, meine eine ökologische Wende hinzubekommen, denn sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr die Treibhausgase – auch das habe ich versucht, Bürgermeister, Sie haben versagt. Sie haben ver- Ihnen in den Ausschüssen zu erklären – wären we- sagt beim Thema Elektromobilität und das trotz sentlich stärker zu reduzieren, großer Ankündigungen. (Dietrich Wersich CDU: Sie müssen sich (Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der nicht an uns abarbeiten, wenn Sie das gar GAL) nicht wollen!) Wir haben gemeinsam mit unserem grünen Koaliti- wenn die genannten Autofirmen mehr in die Ent- onspartner in der letzten Legislaturperiode das wicklung von effizienten Benzinmotoren stecken Thema Elektromobilität nicht nur – Herr Duwe, ich würden. bleibe einmal bei dem Fußballbegriff – in die Bun- desliga geführt, sondern mindestens auf einen (Robert Heinemann CDU: Das stimmt doch Qualifikationsplatz für die Champions League. gar nicht! Sie haben keine Ahnung!) (Beifall bei der CDU) – Herr Heinemann, Sie haben doch ein gutes Ge- dächtnis. Ich habe letztes Mal eine Studie zitiert, Wir waren von 2009 bis 2011 eine von acht Mo- die in Ihrem Bundesministerium in Auftrag gege- dellregionen, liebe Kolleginnen und Kollegen der ben wurde und genau das nachgewiesen hat. SPD, das musste man sich erarbeiten, und wir ha- 2276 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Klaus-Peter Hesse) ben das gemeinsam mit dem grünen Koalitions- – es fällt mir zwar immer noch schwer, das zu sa- partner fortgeführt. Wir haben die besten Voraus- gen, aber es ist so – oder auch Berlin-Branden- setzungen dafür geschaffen, auch eine der Schau- burg, SPD-regiert und rot-rot. Da freut sich sogar fensterregionen zu sein, aber Sie, liebe Kollegin- DIE LINKE, die damals wahrscheinlich die Bewer- nen und Kollegen beziehungsweise der Senat, ha- bung noch mit initiiert hat. ben es verbaselt, denn wir haben als CDU-Fraktion (Beifall bei der CDU) rechtzeitig darauf hingewiesen, dass es für Ham- burg kein Selbstgänger ist, eine dieser vier Schau- Also hier zu sagen, die CDU habe sich nicht genug fensterregionen zu werden, sondern dass man ein gekümmert, sie sei nicht nach Berlin gelaufen und bisschen Kreativität zeigen und sich auch ein habe ihren Leuten gesagt, man solle Hamburg bisschen anstrengen muss, und das haben Sie un- doch bitte den Zuschlag geben, das ist ein terlassen. bisschen zu billig. Das ist zu kurz gesprungen und trifft die Realität auf gar keinen Fall. (Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL) (Beifall bei der CDU, der GAL und bei Heike Sudmann DIE LINKE) Sie haben, meine sehr verehrten Damen und Her- ren und auch lieber Herr Bürgermeister Scholz, Wir als CDU-Fraktion haben sehr frühzeitig gese- noch in Ihrer Regierungserklärung gesagt, Sie wür- hen, was uns erwartet und dass die Arroganz die- den das vom CDU-geführten Senat eingeführte ses Senats zu einem Scheitern führen könnte. und unterstützte Konzept der E-Mobilität nicht nur Deswegen haben wir – Frau Prien hat es deutlich fortführen, sondern unbedingt auch weiterent- gemacht – Anfragen und Anträge gestellt und in wickeln wollen. Ich frage mich, wo Ihre Weiterent- den Ausschüssen darüber debattiert. Sie haben wicklung ist, wenn Sie hier beim Schaufenster die Chance nicht gesehen, Sie haben die Gefahr Elektromobilität gescheitert sind. Die kann ich nicht nicht gesehen und Sie haben es verbaselt, obwohl erkennen. die CDU-Fraktion mehrfach darauf hingewiesen hat, dass es kein Selbstgänger für diesen Hambur- (Beifall bei der CDU) ger Senat ist, dass wir Schaufensterregion werden. Liebe Kollegin Martin, Sie hätten sich ein bisschen Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie ha- schlauer machen müssen, wenn Sie sagen, es sei ben es im Übrigen auch versäumt – liebe Frau eine rein politische Entscheidung gewesen, denn Martin, Sie haben die Konzeption angesprochen –, die Entscheidung beruht auf den Empfehlungen ei- sich einmal mit anderen Bewerbern kurzzuschlie- ner 13-köpfigen Fachjury aus Wissenschaftlern ßen. Es gab zum Beispiel eine Bewerbung von und Fachverbänden, Drees & Sommer zum Thema Schaufenster Nord- (Dorothee Martin SPD: Und Autoverbän- korridor. Vielleicht hätte man sich einfach einmal den!) mit Partnern zusammentun sollen, um zu schauen, wo es Synergien gibt und wo man eine gemeinsa- die die 23 Bewerbungen geprüft und bewertet hat. me Bewerbung hätte abgeben können. Auch das Als Schaufenster sind diejenigen groß angelegten ist unterblieben. Es war die Arroganz dieses Ham- Regionen, Demonstrationen und Pilotvorhaben burger Senats, die dazu geführt hat, dass wir nicht ausgewählt worden, in denen die innovativsten Schaufenster geworden sind. Elemente der Elektromobilität an der Schnittstelle von Energiesystemen, Fahrzeug- und Verkehrs- (Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der systemen gebündelt und auch deutlich internatio- GAL) nal sichtbar gemacht werden – ganz klare Kriteri- Lieber Herr Duwe, wir als CDU-Fraktion kritisieren en, die Sie mit Ihrer Bewerbung nicht erfüllt haben nicht die Kosten für eine Bewerbung. Wenn man und deswegen auch gescheitert sind. etwas erreichen will, muss man sich bewerben und (Beifall bei der CDU) dann muss man auch Geld in die Hand nehmen. Wir kritisieren aber die Arroganz und den Dilettan- Und wenn man es doch politisch betrachten will, so tismus dieser Bewerbung und da bin ich wieder bei saß in diesem Gremium übrigens gar kein Politiker. Ihnen, dann ist es herausgeschmissenes Geld, Kein aktiver Politiker hat in diesem Gremium ge- wenn man es so macht, wie dieser Senat es ge- sessen, macht hat. (Heike Sudmann DIE LINKE: Ja, kein akti- (Beifall bei der CDU) ver! Genau! – Dr. Andreas Dressel SPD: Nur Herr Wissmann war wahrscheinlich dabei!) Dieser Senat hat sich weit aus dem Schaufenster Elektromobilität herausgelehnt, er ist herausgefal- das entschieden hat, was Schaufenster werden len, er ist tief gefallen und er hat 200 000 Euro soll. Und wenn es denn so eine politische Ent- Steuergelder dabei mitgenommen. Das war keine scheidung gewesen sein soll, dann frage ich mich Werbung für den Standort Hamburg, das war keine natürlich auch, warum denn Baden-Württemberg Werbung für Elektromobilität. Sie haben mit Ihrer dabei gewesen ist, ein grün regiertes Bundesland Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2277

(Klaus-Peter Hesse)

Arroganz versagt und das müssen Sie sich hier nat seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und auch vorwerfen lassen. – Vielen Dank. dieser Bürgermeister die großen Ansprüche, mit denen er durch die Stadt gelaufen ist, in keiner (Beifall bei der CDU) Weise auch nur versucht hat einzulösen. Das Inter- esse dieses Bürgermeisters kann man auch daran Erster Vizepräsident Frank Schira: Das Wort hat erkennen, dass er sich gerade angeregt unterhält Herr Kerstan. und es bei diesem Thema nicht einmal in der ab- schließenden Debatte für notwendig erachtet, zu- Jens Kerstan GAL: Herr Präsident, meine Damen zuhören, was er dort vielleicht falsch gemacht hat. und Herren! In einem ganz zentralen Bereich, dem (Beifall bei der GAL und der CDU) Verkehrsbereich, in dem dieser Senat sich durch Tatenlosigkeit auszeichnet und sagt, was alle an- Insofern ist das natürlich eine schlechte Botschaft deren für notwendig hielten, das gebe es nicht, da für Hamburg. In dem zentralen Zukunftsfeld der hatte er ein großes Ziel. Herr Horch als Wirt- Verkehrspolitik hat dieser Senat alle Chancen ver- schafts- und Verkehrssenator geriet ins Schwär- spielt und in allen anderen Bereichen, die eine men, Elektromobilität sei der zentrale Punkt. Die Verbesserung der Verkehrssituation herbeiführen SPD wischt alles beiseite, was die Verkehrssituati- können, zeichnet sich dieser Senat durch on in Hamburg verbessern könnte, aber die Elek- Nichtstun aus. tromobilität sollte alles richten. Und wir haben (Arno Münster SPD: Das ist doch immer die einen Bürgermeister, der sagt, er sei aus Berlin gleiche Leier!) hierhergekommen, er habe solche Kontakte in Ber- lin und brauche nur etwas zu bestellen, dann klap- Verkehrspolitisch ist von diesem Senat ab heute, pe das schon. Doch jetzt muss man trotz der guten das wissen wir, gar nichts mehr zu erwarten. – Vie- Ausgangssituation – Hamburg hatte bisher in dem len Dank. Bereich auch mit Bundesförderung eine hervorra- (Beifall bei der GAL und der CDU) gende Ausgangsposition – feststellen: große Klap- pe und überhaupt nichts dahinter. Das ist das Er- gebnis dieses Senats in dem Bereich. Erster Vizepräsident Frank Schira: Meine Da- men und Herren! Wir haben noch fünf Minuten Re- (Beifall bei der GAL und der CDU) dezeit. – Herr Buschhüter hat das Wort. Man muss sich auch wirklich nicht weiter wundern, warum diese Bewerbung schiefgegangen ist. Ole Thorben Buschhüter SPD: Herr Präsident, Wenn man der Rednerin der SPD-Fraktion zuhört, meine Damen und Herren! Nach diesen Polterre- dann haben Sie anscheinend erst bei der Ableh- den zum Schluss sollten wir gerade bei diesem nung gemerkt, dass man sich da ordentlich hätte Thema die Kirche ein wenig im Dorf lassen. Wir anstrengen müssen, um in einem Automobilland haben eben gehört, dass es 23 Bewerbungen ge- als ein Nichtstandort der Automobilindustrie beim geben hat und vier Bewerbungen ausgewählt wur- Elektromobilitätsthema den Zuschlag zu bekom- den. Herr Dr. Duwe hat in seiner Pressemitteilung men. Da haben Sie und auch der zuständige Se- geschäumt, es wären 200 000 Euro vergeudet nator sich die Vorarbeiten ganz offenkundig über- worden. Was ist das für ein Unsinn? Sind alle Be- haupt nicht angesehen, werbungen, die nicht zum Zuge gekommen sind, etwa herausgeschmissenes Geld? Was ist das für (Anja Hajduk GAL: Der Bürgermeister hört ein Bild von Wettbewerb, das Sie da zeichnen? gar nicht zu, weil es ihm peinlich ist!) (Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, gerade von denn eine Bewerbung, mit der Hamburg eine der FDP!) Chance gehabt hätte, hätte den Ansatz verfolgen müssen, Elektromobilität eben nicht nur als ein Es gab 23 Bewerbungen und offenbar kennen die Thema für Autos anzusehen, sondern zum Beispiel Redner der Grünen noch nicht einmal die Bewer- auch für den Bereich des öffentlichen Nahver- bung Hamburgs für das Projekt "Schaufenster kehrs. Das wäre natürlich ein schwieriger Kurs für Elektromobilität". Zunächst kam es mir vor wie ein einen Bürgermeister gewesen, der als erste Maß- flammendes Plädoyer für das Auto, was von Herrn nahme eine Stadtbahn zur Seite gewischt hat und Dr. Steffen zu hören war, auf Busse und ein Busbeschleunigungsprogramm (Jens Kerstan GAL: Was? – Klaus-Peter setzt, bei dem alle Experten in den Ausschüssen Hesse CDU: Das verwechseln Sie mit Frau einfach nur lachen, wenn dieser Senat damit Sudmann!) kommt, woraufhin er erst einmal beschließt, 200 Millionen Euro in dem Bereich auszugeben, und zum Schluss machte er die Kurve zum Thema und das ohne eine Nutzenevaluation, weil alle Ex- Elektrofahrräder. Ich habe mich wirklich gefragt, perten sagen, da gebe es nichts zu evaluieren, da was Sie damit meinen. Was meinen Sie damit, sie schon von Anfang an wüssten, dass das nicht wenn Sie sagen, Hamburg hätte eine gute Chance funktionieren könne. Da zeigt sich, dass dieser Se- gehabt, beim Schaufenster Elektromobilität zum 2278 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Ole Thorben Buschhüter)

Zuge zu kommen, wenn es sich nur mit Elektro- (Beifall bei der SPD – Zurufe von der GAL fahrrädern beworben hätte? und der LINKEN) (Glocke) natürlich auch auf dem Flughafenvorfeld oder im Hafen. Auch das ist ein ganz wichtiger Einsatzort, Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- wo Hamburg einmalig ist. chend): Das Wort hat Herr Buschhüter. (Beifall bei der SPD) (Jens Kerstan GAL: Wenn Sie mehr nicht Ich weiß, Sie können es nicht hören, aber natürlich haben, dann hatten wir einfach recht!) wird das Thema Elektromobilität auch bei der Schaffung eines der modernsten Bussysteme Ole Thorben Buschhüter SPD (fortfahrend): Herr Europas in Hamburg eine Rolle spielen. – Vielen Kerstan, wenn Sie glauben, dass Sie mit Elektro- Dank. fahrrädern den Wettbewerb beim Bund gewonnen (Beifall bei der SPD) hätten, wo ganz offensichtlich die Modellregionen, die aufs Automobil gesetzt haben, in diesem Wett- bewerb die entscheidende Rolle gespielt haben, Erster Vizepräsident Frank Schira: Meine Da- dann verstehe ich nicht, wie Sie sich so sehr für men und Herren! Die Aktuelle Stunde ist nun been- dieses Thema einsetzen können und denken, man det. hätte mit dem Schaufenster Elektromobilität etwas Bevor wir zu Tagesordnungspunkt 4 kommen, gewonnen. möchte ich noch etwas nachholen. Unser Kollege (Glocke) Jan-Hinrich Fock hat heute Geburtstag. Lieber Herr Fock, im Namen des gesamten Hauses herz- lichen Glückwunsch. Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Buschhüter, gestatten Sie eine Zwi- (Beifall im ganzen Haus) schenfrage von Herrn Stemmann und Frau Sud- mann? Meine Damen und Herren! Dann kommen wir zu Ole Thorben Buschhüter SPD (fortfahrend): Tagesordnungspunkt 4, Drucksache 20/3742, – Nein, heute nicht. Wahl einer oder eines Deputierten der Kulturbehör- Es ist wirklich absurd zu glauben, der Bund hätte de. Hamburg den Zuschlag gegeben, hätte man nur auf Elektrofahrräder gesetzt. Die Auswahlkriterien, [Unterrichtung durch die Präsidentin der Bür- nach denen der Bund offenbar geurteilt hat, sind gerschaft: klar: Sie bezogen sich nämlich auf das Automobil. Wahl einer oder eines Deputierten der Kultur- Ich möchte Frau Sudmann insofern recht geben, behörde dass das Thema Elektromobilität wirklich mehr ist – Drs 20/3742 –] als nur das Thema Auto. Der Stimmzettel liegt Ihnen vor. Er enthält Felder (Dr. Till Steffen GAL: Ach, jetzt widerspre- für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Ich chen Sie sich aber!) bitte Sie, den Stimmzettel jeweils nur mit einem – Ich widerspreche mir überhaupt nicht. Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen Insofern brauchen wir auch keine Sorge zu haben, oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unaus- dass das Thema Elektromobilität in Zukunft keine gefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Bitte neh- Rolle spielen wird, nur weil wir diesen einen Wett- men Sie Ihre Wahlentscheidung vor. bewerb nicht gewonnen haben. (Die Wahlhandlung wird vorgenommen.) (Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Richtig!) Ich darf die Schriftführer nun bitten, mit dem Ein- sammeln der Stimmzettel zu beginnen. Das Thema Elektromobilität wird in Hamburg auch weiterhin eine große Rolle spielen, darauf können Sind alle Stimmzettel eingesammelt? Dann schlie- Sie sich verlassen. Frau Hajduk, an Ihrer Stelle ße ich die Wahlhandlung. wäre ich da ganz ruhig und würde ganz kleine Das Wahlergebnis wird ermittelt und im Laufe der Brötchen backen. Sitzung bekanntgegeben.* (Beifall bei der SPD) Elektromobilität wird in den kommenden Jahren in Hamburg eine große Rolle spielen beim Bau der Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 25, Drucksa- S4 nach Ahrensburg, che 20/3746, gemeinsamer Bericht des Haushalts- ausschusses und des Umweltausschusses: Ham- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2279

(Erster Vizepräsident Frank Schira) burg schafft die Energiewende – Strategische Be- nen, und das zu einem Preis, den keiner bezahlen teiligung Hamburgs an den Netzgesellschaften für kann? Wir meinen: nein. Strom, Gas und Fernwärme, und Beteiligung der (Beifall bei der SPD) Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Be- teiligungsmanagement an den Netzgesellschaften Ist es dann nicht besser, um ein konkretes Beispiel für Strom, Gas und Fernwärme. zu nennen, bereits jetzt einen Weg für ein hoch- modernes Innovationskraftwerk als Nachfolger für [Gemeinsamer Bericht des Haushaltsausschus- das Kraftwerk in Wedel, das 2017 definitiv vom ses und des Umweltausschusses über die Netz gehen wird, aufzuzeigen? Oder wollen Sie da Drucksachen 20/2392 und 20/2949: lieber Zeit verplempern? 2017 ist, wenn man ein Hamburg schafft die Energiewende – Strategi- solches Kraftwerk bauen will, nicht mehr wirklich sche Beteiligung Hamburgs an den Netzgesell- lange hin, und wir können und wollen nicht verant- schaften für Strom, Gas und Fernwärme (Se- worten, dass die Versorgung gefährdet wird und natsmitteilung) und am Ende womöglich 200 000 Haushalte im Kalten Beteiligung der HGV Hamburger Gesellschaft sitzen. für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (Beifall bei der SPD) mbH an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme (Senatsantrag) Wer meint – das geht an die Adresse von GAL, – Drs 20/3746 –] LINKE und Volksinitiative –, ein Kleinkrieg mit den Versorgungsunternehmen sei der bessere Weg für Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 20/3872 die Energiewende, der irrt und er schadet der (Neufassung) und 20/3883 Anträge der Fraktionen Stadt. Er schadet auch dem Standort und den vie- der FDP und der SPD vor. len Arbeitsplätzen, das möchte ich an dieser Stelle auch betonen, denn wir haben heute Arbeitneh- [Antrag der FDP-Fraktion: mervertreter bei uns, an die übrigens in dieser Dis- Beteiligung der HGV an den Netzgesellschaften kussion bisher viel zu wenig gedacht worden ist. für Strom, Gas und Fernwärme aussetzen Auch das gehört bei dieser Debatte dazu. – Drs 20/3872 (Neufassung) –] (Beifall bei der SPD) [Antrag der SPD-Fraktion: Deshalb ist der Weg, den wir gehen, der richtige Hamburg schafft die Energiewende – verbindli- Weg. Wir haben Unterstützung bekommen von der che Umsetzung, mehr Kooperation und Dialog Handelskammer, vom Industrieverband und vom sowie intensive parlamentarische Begleitung Bund der Steuerzahler. Außerdem gab es, das – Drs 20/3883 –] sollte man sich an einem Tag wie dem heutigen auch noch einmal zu Gemüte führen, vor einigen Die GAL-Fraktion möchte die Drucksache 20/3883 Wochen eine repräsentative Umfrage – zu einem an den Umweltausschuss überweisen. Wer Zeitpunkt, an dem wir für unser Modell noch gar wünscht das Wort? – Herr Dr. Dressel. keine Werbung gemacht haben, sondern es war gerade erst vorgestellt worden. 43 Prozent haben Dr. Andreas Dressel SPD: Herr Präsident, meine für dieses Modell gestimmt, sehr verehrten Damen und Herren! Überall in (Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Das kannte Deutschland wird in diesen Tagen angemahnt, es damals noch keiner!) müsse endlich losgehen mit der Energiewende. Da die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht in die obwohl es noch gar nicht beworben war. Aber es Pötte kommt, sondern nur Papiere schreibt, sind gab vorher schon ein Volksbegehren, in der für die die Länder und Kommunen gefragt, Wege aufzu- 100-Prozent-Variante massiv in der ganzen Stadt zeigen und anzufangen, und das tun wir heute mit geworben wurde. Das heißt, so schlecht, wie Sie diesem Beschluss. es darstellen, ist dieses Modell in der öffentlichen Wahrnehmung gar nicht. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD – Katja Suding FDP: Man muss bei solchen Fragen immer in Alternati- Was hat denn die Expertenanhörung erge- ven denken, ben?) (Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Hätten Sie Wer nun aber glaubt – und das geht in Richtung das mal getan!) CDU und FDP, die diese Position auch in den Aus- abstrakte Modelle helfen nicht weiter. Ist es bes- schussberatungen vertreten haben –, es werde ser, jahrelang zu prozessieren und sich einen erbit- schon alles gut und die Stadt solle sich einfach terten, im Ausgang höchst ungewissen Kleinkrieg heraushalten, dem sage ich, dass das weder im mit den beiden großen Versorgungsunternehmen Sinne von Gemeinwohlorientierung noch im Sinne in Hamburg zu liefern, um dann vielleicht in zehn von Klimaschutz oder Versorgungssicherheit sein Jahren 100 Prozent der Netze erwerben zu kön- 2280 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Andreas Dressel) kann. In diesem Bereich der Daseinsvorsorge kann Das ist falsch. Es kann über die Kaufpreisanpas- man nicht alles dem Markt überlassen. sungsklausel – das steht in den Verträgen und in der Drucksache – nachjustiert werden, sodass für (Beifall bei der SPD) Hamburg kein Schaden entsteht. Wir zeigen mit unserem Modell einen Mittelweg (Beifall bei der SPD) auf, und zwar einen bezahlbaren Mittelweg, der über die reine Frage des Netzanteils hinausgeht. Zweite Behauptung: Hamburg habe kaum Einfluss. Das ist ein entscheidender Punkt: Wir diskutieren Auch das ist falsch. Bei Investitionsentscheidun- zu viel über Prozentzahlen und zu wenig darüber, gen geht nichts ohne uns, die Energiewende-Ziele was in Bezug auf die Energiewende in Hamburg sind konstitutiver Vertragsbestandteil, auf deren noch alles in den Vereinbarungen steht. Wir haben Einhaltung die Stadt bestehen kann, und wir haben durch die Kooperationsverträge einen relevanten in den Verträgen zahlreiche Mitwirkungsrechte ver- Einfluss auf die Energiepolitik der Unternehmen; einbart und sind überproportional in den Aufsichts- sie ermöglichen eine Fülle von Maßnahmen, die gremien vertreten. Zeigen Sie uns doch einmal ei- Sie mit einem 100-prozentigen Eigentum an den ne 25-Prozent-Beteiligung, bei der die Stadt so viel Netzen niemals durchsetzen könnten. Sie hätten herausholen kann. Dieses Ergebnis kann sich se- dann zwar 100 Prozent der Netze, aber keinen hen lassen. Einfluss auf ganz viele Fragen, die mit der Energie- (Beifall bei der SPD) erzeugung zusammenhängen. Deswegen gehört das Gesamtpaket in die Betrachtung und nicht nur Dritte Behauptung: Hamburg könne keinen Ein- der Prozentanteil. fluss auf Geschäftsführerbestellungen nehmen. Auch das ist falsch. Hamburg hat sehr wohl ein Ab- (Beifall bei der SPD) lehnungsrecht. Und wenn ein Atomlobbyist Ge- Wir wollen einen Mittelweg zwischen den Varian- schäftsführer in einer Netzgesellschaft werden soll, ten Heraushalten und 100-Prozent. Das Einzige, dann wird die Stadt das ablehnen. Wir werden dar- worüber Sie sich einig sind, ist, dass Sie diesen auf achten, dass nur der Geschäftsführer werden Mittelweg nicht wollen. Ansonsten sind Sie in der kann, der die Gewähr bietet, die Energiewendezie- Energiepolitik diametral unterschiedlicher Auffas- le der Stadt zu unterstützen; da können Sie ganz sung, und deswegen kann man so eine Energie- sicher sein. wende mit den von Ihnen vertretenen Positionen (Beifall bei der SPD) nicht herbeiführen. Vierte Behauptung, die heute noch einmal durch (Beifall bei der SPD) die Gazetten geisterte: Das Innovationskraftwerk Ein Mittelweg setzt auch auf eine Partnerschaft mit stehe nur auf dem Papier, über den Wirtschaftlich- den Unternehmen. keitsvorbehalt suche man eine Ausstiegsstrategie. Auch das ist falsch. Das "Ob" ist klar, die Frage ist (Finn-Ole Ritter FDP: Oh, jetzt auf einmal!) nur, wo es entsteht, in Wedel oder in Stellingen. Das ist auch richtig so, wenn man in der Sache Das wird im Moment mit Hochdruck geprüft. Wir vorankommen will und es darum geht, Investitio- haben diesen Aspekt des Prüfens noch einmal als nen für die Stadt und für die Energiewende auszu- Zusatzpunkt in unseren Antrag aufgenommen, weil lösen. Ich sage ganz klar, dass ich mir zum Thema uns das wichtig ist, aber das "Ob" steht nicht infra- Atomausstieg andere Äußerungen von E.ON und ge, das möchte ich noch einmal betonen. Vattenfall gewünscht hätte, aber unsere Partner- (Beifall bei der SPD) schaft wird auf den niedergelegten Vertragskondi- tionen basieren. Die Energieversorgungsunterneh- Fünfte Behauptung: Die Garantiedividende lohne men E.ON und Vattenfall haben sich glasklar zu sich nur für die Unternehmen und nicht für die den Zielen unserer Energiewende bekannt. Das ist Stadt. Auch das ist falsch. Die Garantiedividende die Vertragsgrundlage und darum geht es hier. ist risikolos, deswegen heißt sie Garantiedividen- de. (Beifall bei der SPD) (Finn-Ole Ritter FDP: Sechs Jahre!) Es kursierten in den letzten Wochen und Monaten eine ganze Reihe von Falschmeldungen und Sie steht uns auch dann zu, wenn das Unterneh- Falschbehauptungen. Mittlerweile sind es so viele, men geschäftlich in Schwierigkeiten ist. dass es den Nachmittag sprengen würde, auf alle (Finn-Ole Ritter FDP: Sechs Jahre!) einzugehen. Aber in den Ausschussprotokollen können Sie nachlesen, dass bereits vieles ausge- Logischerweise gibt es diese Dividende nur, wenn räumt ist. man Minderheitseigner ist, das ist das Wesen einer Garantiedividende. Das kann dann in der Tat auch Erste Behauptung: Hamburg zahle zu viel. nachverhandelt werden, aber es geht erst einmal (Jens Kerstan GAL: Jawoll!) um diesen Zeitraum. Natürlich haben dann beide Seiten die Möglichkeit, vertragliche Veränderungen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2281

(Dr. Andreas Dressel) herbeizuführen, und trotzdem ist es ein gutes Ge- Was bleibt nach alledem von Ihrer Verfahrenskri- schäft. tik? Ich finde, da bleibt nichts mehr übrig. (Dora Heyenn DIE LINKE: Für Vattenfall und (Beifall bei der SPD) E.ON!) Obwohl wir uns in den Ausschüssen auf einen Be- – Nein, ein gutes Geschäft für die Stadt. Zeigen ratungsfahrplan verständigt haben, der für heute Sie bitte einmal, wie das von Ihnen favorisierte Mo- die Abstimmung in erster und vielleicht auch in dell funktionieren soll. So geht es nämlich nicht, zweiter Lesung vorsieht – ansonsten findet diese meine Damen und Herren. Anfang Mai statt, das ist in Ordnung –, kommt von der FDP heute der Antrag, alles noch einmal unter (Beifall bei der SPD) Vorbehalt zu stellen. Wir sollen erst entscheiden, Sechste Behauptung: Der Senat habe nicht sorg- wenn der geschätzte Rechnungshof zu einer Stel- fältig verhandelt und die Unternehmen nicht or- lungnahme gekommen ist, wobei wir gar nicht wis- dentlich geprüft – Stichwort "Due Diligence", seit sen, ob es überhaupt eine Prüfung geben wird. einigen Wochen das Lieblingswort von Herrn Ker- (Christiane Schneider DIE LINKE: Dann stan und anderen in diesem Hause. Auch das ist warten Sie das doch erst mal ab!) falsch. Ich empfehle dem klagefreudigen Kollegen Kerstan nachdrücklich, in den Schriftsätzen seines – Frau Schneider, wenn man sich interfraktionell letzten Verfahrens gegen Hapag-Lloyd nachzule- auf einen Beratungsfahrplan verständigt, dann er- sen, unter welchen rechtlichen Maßstäben "Due warten wir auch, dass man sich an ihn hält. Das ist Diligance" erforderlich ist. Sie werden feststellen, ein Anspruch, den eine Mehrheitsfraktion haben dass der Senat auch in diesem Fall seinen Sorg- muss, und das gehört auch zur Demokratie. faltsmaßstäben gerecht geworden ist. Wir sind in der Frage der Rechnungshofprüfung (Robert Heinemann CDU: Seinen eigenen!) gar nicht weit weg von Ihnen, wir haben in der letz- ten Sitzung selber ein solches Ersuchen formuliert, Insofern ist auch diese Behauptung schlicht falsch, denn wenn der Rechnungshof sich das anschaut, und sie ist auch in den Ausschussberatungen wi- dann soll er beide Modell prüfen: das Modell des derlegt worden. Senats und das Modell der Initiative. Das gehört (Beifall bei der SPD) zur Fairness einfach dazu. Wir haben über das Thema Volksentscheid eben schon gesprochen. Siebte Behauptung – man könnte das beliebig fort- Wenn der Rechnungshof der Prüfung zustimmt, führen, ich fasse das ein bisschen zusammen –: dann werden seine Ergebnisse, wie es üblich ist, Der Senat habe den Deal im Geheimen eingefä- auch vorgestellt werden. Und dann werden die delt, dabei den Volkswillen missachtet und ihn in- Bürgerinnen und Bürger sich vor einem möglichen transparent durch die Bürgerschaft gepeitscht. Das Volksentscheid selber ein Bild machen können ist großer Unsinn, wenn man sich die Beratungs- über die haushalterischen Auswirkungen des einen geschichte der letzten Monate anschaut. Unser und des anderen Modells. Das ist völlig in Ord- Modell stand im Wahlprogramm. Jeder Bürger die- nung, aber deswegen können wir trotzdem heute ser Stadt wusste ganz genau, mit welchem Modell zu einer Entscheidung kommen. zum Thema Netzerückkauf wir in die Diskussion gehen würden. Vor einem Jahr hat die Bürger- (Beifall bei der SPD) schaft den Senat beauftragt, Verhandlungen auf- Wir haben als Regierungsfraktion einige Zusatz- zunehmen, wir haben hier ein Pflichtenheft für die- punkte formuliert – als Bekräftigung, nicht aus Mis- se Verhandlungen formuliert. Der Senat hat das strauen. aufgegriffen, er hat verhandelt und er hat geliefert. Wir haben dann in zig Sitzungen im Umwelt- und (Jens Kerstan GAL: Das ist auch dringend Haushaltsausschuss darüber beraten, es gab An- notwendig!) hörungen und freiwillige Aktenvorlagen. Wir haben Diese Punkte wollen wir als Regierungsfraktion mit als Regierungsfraktion – das ist mir wichtig, zu be- besonderen Akzenten versehen. Dieses Recht ha- tonen – einen sehr breiten Raum für Beratungen ben Sie als Regierungsfraktion, die Sie vor nicht geschaffen, damit auch wirklich alle Fragen gestellt allzu langer Zeit auch einmal waren, durchaus sel- und beantwortet werden konnten. Soviel zum The- ber in Anspruch genommen. Dabei haben wir noch ma parlamentarische Beteiligung. einmal richtig nachgelegt. Ich glaube, es ist im Sin- Zum Thema Volksentscheid: Obwohl die Verfas- ne der politischen Kultur dieses Hauses – Stich- sung es nicht von uns verlangt, haben wir in die wort Dialog mit der Stadt und parlamentarische Be- Verträge die Rückabwicklung für den Fall, dass der teiligung –, das Reporting-System für die Umset- Volksentscheid im Sinne der Bürgerinitiative ent- zung dieser Verträge noch einmal zu erweitern. schieden wird, mit aufgenommen. Das ist nicht Wir möchten gerne, dass es einen Beirat gibt, in selbstverständlich gewesen, sondern war ein Zu- dem verschiedene gesellschaftliche Akteure an der geständnis an die politische Kultur in dieser Stadt. Umsetzung der Energiewende beteiligt werden können. Ich glaube, das ist eine gute Sache und 2282 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Andreas Dressel) ich möchte, dass das konstruktiv passiert und nicht Feuerwerk an Beruhigungspillen, und es waren als Ersatzwahlkampfbühne für den Volksentscheid. nicht einmal Beruhigungspillen für die Opposition, die Sie verschossen haben, sondern für die eige- Sie sagen, wir hätten überhaupt nichts aus der An- nen Leute, denn die SPD-Fraktion ist in dieser zen- hörung aufgegriffen, aber einen Punkt fanden wir tralen Frage, diesem 540-Millionen-Euro-Invest- nachvollziehbar und auch gewichtig, nämlich die ment in 25,1 Prozent der Netze, alles andere als Frage, welche Kooperationen es geben kann zwi- einig. Da gibt es Bedenken, das haben die Bera- schen den Netzgesellschaften untereinander und tungen gezeigt. Sie versuchen, im Parforce-Ritt ih- mit den anderen Ver- und Entsorgungsunterneh- re eigenen Leute zu überrennen. men dieser Stadt. Da gibt es sicherlich noch Syn- ergiepotenziale, die wir ausloten können. Das ha- (Beifall bei der CDU und der GAL) ben wir als Prüfauftrag mit hineingenommen. Ein Punkt ist für mich besonders wichtig: Kein Jota Alle anderen Punkte – deswegen habe ich die vie- zwischen Hamburg, Vattenfall und E.ON. Und zwei len Behauptungen auch so ausführlich aufge- Minuten später sagen Sie, wenn ein böser Atom- zählt – sind ausgeräumt und widerlegt. Wir haben lobbyist von unseren neuen Partnern – Klammer ein ordentliches Paket zusammengestellt, das wir auf: kein Jota zwischen Hamburg, Vattenfall und heute zur Abstimmung stellen. Wir reden nicht von E.ON – als Geschäftsführer vorgeschlagen wird, der Energiewende, wir handeln, und deswegen bit- dann sagen wir natürlich nein. Herr Dr. Dressel, te ich nachher um Ihre Zustimmung. – Vielen was ist es denn nun? Ein Zusammenrücken um Dank. der energiepolitischen Ziele von SPD, Vattenfall und E.ON willen, was bedeutet, dass die Ziele die (Beifall bei der SPD) gleichen wären, oder wollen Sie nur 25,1 Prozent der Netze, um zu verhindern, dass Ihre energiepo- Erster Vizepräsident Frank Schira: Das Wort hat litischen Ziele nicht durchkommen? Für eine Rich- Herr Heintze. tung müssten Sie sich entscheiden. Mir scheint, dass Sie das für sich zumindest in der Fraktion Roland Heintze CDU: Herr Präsident, meine Da- noch nicht geklärt haben, aber trotzdem heute ab- men und Herren! Herr Dr. Dressel, ich muss geste- stimmen lassen wollen. hen, dass ich selten ein so defensives Vorgehen (Beifall bei der CDU und der GAL) und eine so defensive Begründung bei einem zen- tralen Politikfeld wie der Energiewende in dieser Sie sagten, man müsse in Alternativen denken. Stadt erlebt habe wie in Ihrer Rede eben. Das ist eine tolle Idee. Nur haben alle, die diese Ausschussberatungen verfolgt haben – und es wa- (Beifall bei der CDU und der GAL) ren viele Stunden –, gesehen, dass, egal was die Diese Defensive hat Gründe. Alle, die die Beratun- Experten gesagt haben und egal, wie wenig aus- gen verfolgt haben kunftsfähig und erklärungsfähig die zuständigen Senatoren waren, eines nicht getan wurde: in Al- (Zuruf von Andy Grote SPD) ternativen zu denken. Sie hatten eine Blaupause, – Sie gehörten bekanntermaßen nicht dazu, Herr die irgendwie durch die Beratungen gebracht wer- Grote, Sie beschäftigen sich dieser Tage mit ande- den musste. Es konnten zwar viele Fragen gestellt ren Themen –, haben eine Dauerdefensive erleben werden, dürfen. Es wurde ein Punkt vorgestellt, es kamen (Dr. Andreas Dressel SPD: Was ist denn Ih- Experten, diese hatten eine Meinung, und der Se- re Alternative?) nat ist in die Defensive gegangen. Die gesamten Beratungen für dieses Konzept der Energiewende, Sie hatten aber sicherlich nicht das Ziel, in Alterna- die Sie mit einem zentralen Zukauf Ihrer derzeiti- tiven zu denken. Das haben Sie mit keinem Meter gen Shoppingtour voranbringen wollen, ist eine getan. Sie haben Ihren Entwurf 1:1 durchgebracht. einzige Defensivveranstaltung der SPD und hat Und wenn Sie dann von Alternativen reden, ist das überhaupt nichts mit der innovativen Gestaltung ei- eine Verkackeierung des Parlaments. ner Energiewende zu tun. Und jetzt die Bundesre- (Beifall bei der CDU und der GAL – Glocke) gierung als Hauptschuldigen dafür heranzuziehen, wo Sie agieren müssten Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- (Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben nichts chend): Herr Heintze, würden Sie sich bitte an den verstanden!) parlamentarischen Sprachgebrauch halten? mit einer Begründung, die ich bisher noch nicht ge- hört hatte. Ich finde sie aber bemerkenswert. Roland Heintze CDU (fortfahrend): – Selbstver- ständlich. (Beifall bei der CDU und der GAL) Was dabei herausgekommen ist, ist keine Alterna- Es war allerdings schon eine Art Feuerwerk ande- tive und kein Mittelweg, sondern Sie präsentieren rer Natur, was Sie eben geliefert haben. Es war ein hier einen verdammt schlechten Kompromiss für Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2283

(Roland Heintze) die Stadt, für die Hamburgerinnen und Hamburger (Dr. Andreas Dressel SPD: Immerhin!) und vor allen Dingen für die Energiewende. Das ist aber was passiert eigentlich, wenn die Zinsen stei- kein Mittelweg, sondern ein schlechter Kompro- gen? Was passiert, wenn die Gesellschaft defizitär miss, den Sie uns zur Abstimmung vorlegen. ist und Sie für die Stadt auf der Auszahlung der (Beifall bei der CDU und der GAL) Garantiedividende bestehen? Ich sage Ihnen, liebe SPD-Fraktion, was passiert: Sie werden in die Ich will das begründen. Wir haben drei Kritikpunk- Wahlkreise gehen und Ihren Wählerinnen und te: Es gibt kein schlüssiges Konzept, dieses Invest- Wählern die Energiepreise erklären müssen. Sie ment ist haushaltspolitisch der falsche Weg, und werden erklären müssen, wieso die Stadt eine Ga- es treten weitere Risiken durch Ihr staatliches Un- rantiedividende erhält, aber das städtische Unter- ternehmertum auf. nehmen notleidend ist. Sie werden erklären müs- Dass das Konzept nicht schlüssig ist, zeigt sich al- sen – und das ist das Problem dieses Weges –, leine daran, dass Sie mit einer Teilhabe von dass Sie sich in eine gewinnorientierte Unterneh- 25,1 Prozent – die von Ihnen gewählte Konstellati- mung begeben haben. Immer, wenn der Staat sich on, die Sie uns als goldene Lösung vorgeschlagen in eine gewinnorientierte Unternehmung begibt, haben – keine Steuerungskompetenz bekommen. sollte er die Landeshaushaltsordnung lesen. In der Alle Experten waren sich in einem Punkt einig: Mit Landeshaushaltsordnung steht unter Paragraf 65, 25 Prozent steuern Sie in Bezug auf die Energie- dass für die Freie und Hansestadt Hamburg Betei- wende in Hamburg in Ihrer neuen Gesellschaft ligungen an privatrechtlichen Unternehmen nur zu- überhaupt nichts. lässig sind, wenn ein wichtiges staatliches Interes- se vorliegt, das anders nicht besser oder effizienter (Beifall bei der CDU und der GAL) verfolgt werden kann. Und ich sage Ihnen, das Wenn Sie das weiterhin behaupten, sind zentrale staatliche Interesse ist besser und effizienter wahr- Beratungsinhalte an Ihnen vorbeigerauscht. zunehmen als mit einer 25,1-Prozent-Beteiligung der Freien und Hansestadt Hamburg an den Net- (Beifall bei der CDU und der GAL) zen. Damit sehen wir einen Verstoß gegen die Es gibt im Vertrag keine Entsenderechte, es gibt Landeshaushaltsordnung. keinen Zustimmungskatalog. Es gibt im Vertrag (Beifall bei der CDU) keine 1,6 Milliarden Euro festgeschriebene Investi- tionen, Die Stadt wird weiter Unternehmer. Wir werden viele Diskussionen bekommen: Gewinnorientie- (Dr. Andreas Dressel SPD: Welche Drucksa- rung versus Endverbraucher und, je näher wir den che haben Sie denn gelesen?) Wahlen kommen, versus Wähler. Wie wollen wir sondern maximal 500 Millionen Euro für das Inno- investieren, wenn parallel Garantiedividenden aus- vationskraftwerk, aber auch das nur unter Wirt- geschüttet werden müssen? Wir werden die Dis- schaftlichkeitsvorbehalt. Wo steuern Sie denn da? kussion bekommen, welche Rolle eigentlich HAM- Sie wirken mit, das mag sein, aber Steuerungsin- BURG ENERGIE spielen soll, wenn wir mit deren strumente sehen anders aus, Herr Dr. Dressel. Wettbewerbern eine Gesellschaft gegründet ha- ben. Diese Frage konnte und wollte die Senatorin (Dr. Andreas Dressel SPD: Gucken Sie noch nicht beantworten; Sie haben angekündigt, nach mal in die Drucksache!) der Entscheidung einen Dialog führen zu wollen. Wir und auch Ihre Fraktion haben in diesen Bera- Wie auch immer das ausgehen mag: HAMBURG tungen eines gelernt: 25,1-Prozent-Verträge wer- ENERGIE tun Sie mit dem, was Sie da auf den den Sie in Zukunft vermutlich nicht mehr schließen. Weg bringen, überhaupt keinen Gefallen. (Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der (Beifall bei der CDU) GAL) Sie bringen heute etwas auf den Weg, dem der Aber diese ziemlich teure Absichtserklärung über Senat nicht gewachsen sein wird. Zu viele zentrale 543 Millionen Euro, die wir heute beschließen, ist Fragen sind offen, das Konzept ist unklar, die auch haushaltspolitisch falsch. Sie geben inner- Preisfindung ist unklar, die Beteiligungshöhe ist un- halb weniger Wochen 543 Millionen Euro aus, und klar. Wir werden deshalb heute der zweiten Le- was bekommen Sie dafür? Neue Schulden und sung nicht zustimmen, weil wir uns sehr wünschen Anteile an Rohren und Leitungen, die kreditfinan- würden, dass Sie sich noch einmal die Zeit neh- ziert sind und Ihnen damit noch nicht einmal gehö- men, nachzuvollziehen, was Sie da abschließen, ren. Was zahlen Sie dafür? Zinsen. Im Moment ha- und vielleicht auch der eine und andere zu dem ben Sie das Glück, dass die von Ihnen ausgehan- Schluss kommt, dass Ihr Konstrukt – wie es auch delte Garantiedividende in Höhe von 8 Millionen alle Experten gesagt haben – kein gutes Konstrukt Euro über den Zinsen liegt, die Sie aktuell am ist. Markt zahlen müssen – das ist auch die einzige Wir als CDU vertreten eine klare Position: Keine Leistung in dieser Kaufpreisverhandlung –, Zusatzanträge; wir lehnen dieses Investment ab. 2284 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Roland Heintze)

Der Senat will Geld ausgeben, das er nicht hat, für burg notwendig ist. Es sind viele richtige Punkte, Leitungen und Rohre, die er nicht braucht. Das aber kein einziger ist in dem sogenannten Energie- lehnen wir als CDU-Fraktion klar ab. konzept des Senats, das Teil der Verträge ist, ent- halten. Insofern ist dieser Antrag eine Mängelliste (Beifall bei der CDU) für das Versagen des Senats im Bereich der Ener- giepolitik in diesen Verträgen, denen Sie heute Erster Vizepräsident Frank Schira: Das Wort hat aber dennoch zustimmen wollen. Das ist das Merk- Herr Kerstan. würdige, meine Damen und Herren. (Beifall bei der GAL und der CDU) Jens Kerstan GAL: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Verträge zur Minderheitsbeteili- Sie fordern außerdem einen Expertenkreis. Das ist gung der Stadt an den Energienetzen sind mit hei- sicher eine richtige Forderung, ßer Nadel gestrickt worden und schlampig verhan- (Zuruf von der SPD: Immerhin!) delt. Energiepolitisch ist das Verhandlungsergebnis eine Nullnummer, und das Beratungsverfahren war und in der Tat hätte dieser Senat einer guten Bera- eine Zumutung gegenüber Parlament und Öffent- tung schon bei den Vertragsverhandlungen be- lichkeit. durft, denn alle Experten, die wir in den bürger- schaftlichen Anhörungen gehört haben, haben ein- (Beifall bei der GAL und der CDU) dringlich vor diesem Geschäftsmodell und vor die- So unterschiedlich die Oppositionsfraktionen bei sen Verträgen gewarnt. Selbst glühende Verfech- ihren Zielen in Bezug auf staatlichen Besitz von ter einer Rekommunalisierung der Netze haben die Netzen auch sind, in dem Punkt waren wir uns alle Abgeordneten aufgefordert, diesen Verträgen nicht einig. Erstaunlich ist, dass die SPD-Mehrheitsfrak- zuzustimmen. tion diese Meinung ebenfalls teilt, denn wenn das (Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- nicht der Fall wäre, gäbe es überhaupt keinen mann CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Grund, diesen Zusatzantrag zu stellen, den Sie vor Was heißt denn "selbst"?) wenigen Stunden auf den letzten Metern vor der Abstimmung ins Parlament eingebracht haben. Dann fordern Sie in Ihrem Zusatzantrag – und das ist wirklich das Verblüffendste überhaupt – ein ge- (Dr. Monika Schaal SPD: Wann denn sonst? samtstädtisches Wärmekonzept für Hamburg und Hinterher? – Vizepräsidentin Dr. Eva Güm- das, obwohl diese Verträge einen gemeinsamen bel übernimmt den Vorsitz.) Betrieb der Gas- und Fernwärmeleitungen verhin- Wenn man diesen Zusatzantrag genauer liest, dern, weil der Betrieb weiterhin nicht unter einem dann stellt man fest, dass die SPD-Fraktion dem Dach von der Stadt erfolgen soll, sondern von kon- Senat zwischen den Zeilen ein vollständiges Ver- kurrierenden Gesellschaften. Durch das Verschen- sagen in der Energiepolitik bescheinigt. ken des Fernwärmemonopols an Vattenfall wird ohne Not jegliche Möglichkeit eines städtischen (Beifall bei der GAL und der CDU) Gesamtkonzepts unmöglich gemacht. Das müssen Letztendlich greifen Sie dort all die Kritikpunkte Sie doch wissen, Sie waren doch bei den Beratun- und Forderungen aus den Beratungen auf, gen dabei. Wenn Sie Ihre Forderungen ernst mei- nen, dann sollten Sie heute nicht nur Ihren Zusatz- (Gabi Dobusch SPD: Ist das jetzt falsch?) antrag verabschieden, sondern dann müssen Sie in denen die Grünen, die LINKE, die Netzinitiative gegen diese Verträge stimmen, liebe Kollegen von und die Experten alle einmütig und dringend vor der SPD. dem Abschluss dieser Verträge gewarnt haben. (Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- Das wird an wenigen Beispielen sehr deutlich. Sie mann CDU) fordern in Ihrem Antrag, zügig ein Gas- und Dieser Zusatzantrag beseitigt nicht die vielen Män- Dampfturbinenkraftwerk zu planen und auch für ei- gel des Vertragswerkes, das unsorgfältig mit viel ne verbindliche Umsetzung zu sorgen. Das ver- Geld wenig Einfluss kauft, zu teuer ist und voller blüfft, denn dieser Punkt ist der Kernpunkt der Ver- Risiken und verpasster Chancen steckt, denn in träge, die der Senat mit Vattenfall und E.ON ge- dem Moment, in dem Sie den Verträgen zustim- schlossen hat. Allein, dass Sie es für notwendig men, die der Senat heute zur Abstimmung stellt, ist halten, kurz vor Toresschluss noch einmal einen der Großteil der Forderungen aus Ihrem Zusatzan- solchen Antrag zu stellen, zeigt doch, dass Sie es trag obsolet und kann gar nicht mehr umgesetzt noch nicht einmal für möglich halten, dass der Se- werden. nat in der Lage ist, das gegenüber den Konzernen durchzusetzen, was explizit in den Verträgen steht. (Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist absoluter Blödsinn!) (Beifall bei der GAL und der CDU) Das ist keine Verbesserung, liebe Kollegen von der Sie fordern auf einer ganzen Seite mit sehr vielen SPD, das ist schlicht und einfach schizophren. Punkten, was alles für ein Energiekonzept in Ham- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2285

(Jens Kerstan)

(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- Das wird dem Senatsantrag und einer Beteiligung mann CDU) über eine halbe Milliarde Euro, auf Pump finan- ziert, nicht gerecht. Meine Damen und Herren! Wenn es heute darum geht, nach all den Beratungen ein Fazit zu ziehen, (Jan Quast SPD: Sie distanzieren sich von und wenn Sie diesen Zusatzantrag ernst meinen, der CDU!) dann gibt es nur noch einen Weg für Sie, nämlich Wir haben vor knapp drei Wochen über die Beteili- diesem Senat die Gefolgschaft zu verweigern und gung der Stadt an Hapag-Lloyd debattiert, 420 Mil- dagegen zu stimmen. Wenn das nicht Ihre Absicht lionen Euro, heute über den Senatsantrag zur Be- ist, dann ist dieser Zusatzantrag nur weiße Salbe teiligung an den drei Netzgesellschaften, 543,5 Mil- für ein schlechtes Gewissen, liebe Kollegen von lionen Euro, und wenn wir die Nachbewertung da- der SPD. zuzählen, weitere 60 Millionen Euro, insgesamt al- (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der so über 1 Milliarde Euro. Beide Vorhaben, Ha- CDU) pag-Lloyd und die Netze, weisen bemerkenswerte Übereinstimmungen auf. Bei beiden Beteiligungen Dieser Vertrag ist in Ihrer Fraktion sehr umstritten, behauptet der Senat, sie seien notwendig, um die und die wenigen Aufrechten in der SPD-Fraktion, Stadt in eine vorteilhaftere Situation zu bringen die dafür gesorgt haben, dass der Zusatzantrag – der Hapag-Lloyd-Deal, um das Andienungsrecht verabschiedet werden wird, haben meinen Re- der TUI aus der Welt zu schaffen, der Netz-Deal, spekt, denn ich weiß, was es in Regierungsverant- um langwierige Rechtsstreitigkeiten mit Vattenfall wortung bedeutet, sich gegen die Pläne des eige- zu vermeiden. Diese Begründung muss man sich nen Senats zu stellen. Das Dokument zeigt sehr auf der Zunge zergehen lassen. Es handelt sich al- deutlich, dass Sie in diesem Bereich gekämpft ha- so um Rechtsstreitigkeiten mit genau dem Unter- ben. Aber der Zusatzantrag geht nicht weit genug nehmen, was zukünftig Partner und Mehrheitsge- und ist in sich unschlüssig. Wenn Sie heute den sellschafter von zwei der drei Netzgesellschaften Verträgen zustimmen, dann werden die notwendi- sein soll. Bei beiden Beteiligungen ist der Senat gen Punkte Ihres Antrags nicht mehr umgesetzt bislang eine Begründung seiner Behauptungen werden. Deshalb kann ich Sie nur auffordern, schuldig geblieben, denn er hat Alternativen zu wenn es heute zur Abstimmung kommt, gegen die- diesen Beteiligungen, die mit über 1 Milliarde Euro se Verträge zu stimmen oder den Saal zu verlas- neuer Schulden verbunden sind, überhaupt nicht in sen. Betracht gezogen oder ernsthaft geprüft. Das er- (Heiterkeit bei allen Fraktionen – Dirk Kien- gibt sich aus den uns als Abgeordneten zur Verfü- scherf SPD: Wir werden hierbleiben, Herr gung gestellten Unterlagen; eine solche Prüfung Kerstan!) gab es nicht. Somit stellt sich für die Begründung des Senats zu beiden Beteiligungen – hier will ich Die Verträge, wie Sie sie heute verabschieden wol- gern eine Anleihe bei den aktuellen Plakaten der len, werden den Fehler, den wir alle gemeinsam CDU machen – die Frage, ob das Erreichte zählt gemacht haben, HEW und HEIN GAS zu privatisie- oder für das Parlament das Erzählte reichen soll. ren, nicht nur wiederholen, sondern der Prozess Der Senat ist jedenfalls eine triftige Begründung für wird im Fernwärmebereich unumkehrbar sein. Die- über 1 Milliarde Euro neue Schulden und auf ser SPD-Senat macht nicht nur den gleichen Feh- Pump finanzierte Beteiligungen in beiden Fällen ler erneut, sondern verschlimmert ihn noch, und schuldig geblieben. Daher lehnt die FDP-Fraktion zukünftige Generationen werden ihn teuer bezah- eine Beteiligung der Stadt an den Netzgesellschaf- len müssen. Wenn Sie der Meinung sind, dass die- ten ab. ser Zusatzantrag notwendig war, dann stimmen Sie heute gegen diese Verträge. – Vielen Dank. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der GAL, vereinzelt bei der CDU Wie bei Hapag-Lloyd haben wir auch bei den Net- und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP) zen viel darüber gesprochen, ob die Beteiligung an den Netzgesellschaften – 543,5 Millionen Euro auf Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel: Herr Dr. Kluth, Pump finanziert – ein vertretbares Risiko darstellt Sie haben das Wort. oder ob die Garantiedividende für die Stadt ein gu- tes oder eher ein schlechtes Geschäft ist. Worüber wir aber erneut kaum gesprochen haben, ist die Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP:* Frau Präsidentin, nach der Landeshaushaltsordnung maßgebliche liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Kollege Frage – Herr Heintze hat sie schon erwähnt –, wel- Heintze, Sie haben in Ihrem Debattenbeitrag Rich- ches wichtige öffentliche Interesse vorliegt, sich an tiges gesagt, aber in einem Punkt muss ich Ihnen den Netzgesellschaften zu beteiligen. Ich habe be- widersprechen. Das, was Herr Dressel heute abge- reits in meinem Beitrag zur Hapag-Lloyd-Debatte liefert hat, war kein Feuerwerk, sondern knapp gesagt, dass der öffentliche Nutzen im Vorder- oberhalb von nichts. grund stehen muss, nicht die Erwartung einer gu- (Beifall bei der FDP) ten Rendite oder eines Gewinns, und erst recht 2286 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Thomas-Sönke Kluth) nicht, Herr Scholz, das parteipolitische Kalkül, der (Beifall bei der FDP) Volksinitiative mit ihrer Forderung nach einer voll- Meine Damen und Herren! Die Sache wird noch ständigen Verstaatlichung der Netze den Wind aus viel kurioser. Wieso sollte sich denn überhaupt et- den Segeln zu nehmen. was ändern, wenn ich zunächst aus den Konzer- (Beifall bei der FDP) nen Vattenfall und E.ON drei Netzbetriebsgesell- schaften abspalte und ausgliedere, an denen sich Damit kommen wir zu der Frage, was der öffentli- die Stadt dann mit 543,5 Millionen Euro auf Pump che Nutzen einer solchen Beteiligung sein könnte. finanziertem Geld beteiligt, und dann im nächsten Der Senat sagt in seinen Drucksachen hierzu, Schritt einen großen Teil dieser operativen Tätig- dass die Beteiligung der Energiewende dient; Herr keiten, die ich gerade aus dem Konzern herausge- Dressel hat uns das eben auch noch einmal zu er- nommen und auf die Netzgesellschaften übertra- klären versucht. Das ist kurios. Sämtliche Sachver- gen habe, durch ein völlig intransparentes Geflecht ständige, und zwar ausnahmslos, haben auf der von Austausch, Dienstleistung und sonstigen Ver- Expertenanhörung am 22. März 2012 genau das trägen wieder an diese Konzerne zurückdelegiere? Gegenteil gesagt. Warum soll sich bei dieser Konstruktion im Sinne (Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt auch der Energiewende etwas ändern? Logisch ist das so nicht, das ist falsch wiedergegeben!) nicht. – Herr Dressel, entweder waren Sie nicht da oder (Beifall bei der FDP und der GAL) Sie haben nicht zugehört. Meine Damen und Herren! Der Sachverständige (Dr. Andreas Dressel SPD: Wir waren zu- Schröer hatte völlig recht, als er die Frage stellte, sammen da!) was die Stadt hier mache. Letztlich gibt die Stadt den Konzernen Vattenfall und E.ON eine Anleihe Wer etwas für die Energiewende tun will, der muss und das mit geliehenem Geld und auf Risiko der bei der Erzeugung und dem Verbrach von Energie Steuerzahler. ansetzen und nicht bei der Verteilung, oder wie es die von Ihnen benannte Sachverständige Frau (Beifall bei der FDP und bei Dr. Friederike Beckmann-Petey anschaulich gesagt hat – ich zi- Föcking, Robert Heinemann und Roland tiere –: Heintze, alle CDU) "[…] bei Netzen hat man den Teil der Ener- Eine Beteiligung an den Netzen ist weder risikolos gieversorgungskette, der eigentlich am we- noch eine eierlegende Wollmilchsau. Die Höhe der nigsten spannend ist." Garantiedividende ist bis zum Ende der zweiten Regulierungsperiode festgeschrieben. Welche Di- Genau das ist der Grund, warum Bremen – und ich vidende dann gezahlt wird und wie sich die Zinsen meine mich zu erinnern, dass Bremen von einem für die Darlehen entwickeln, steht in den Sternen. rot-grünen Senat geführt wird – Zurzeit muss die Stadt für zehnjährige Anleihen, (Dr. Andreas Dressel SPD: Die jetzt übri- das ergibt sich aus der Mitteilung des Senats, gens dasselbe machen werden!) 3 Prozent Zinsen bezahlen. Der Stadt bleiben also von der Garantiedividende nach Abzug der Refi- bislang noch nicht entschieden hat, welchen Weg nanzierungskosten magere 1,2 beziehungsweise es mit seinen Netzen gehen will, eine vollständige 1,5 Prozent zur Tilgung der Schulden und zur Ab- oder teilweise Rekommunalisierung oder aber ein deckung des Risikos. Die Kosten für die Moderni- reiner Konzessionsvertrag ohne städtische Beteili- sierung und Dezentralisierung der Netze sind da- gung. bei nicht eingepreist. Es liegt auf der Hand, dass Meine Damen und Herren! Wer die streng regulie- sich die technischen Anforderungen an die Netzar- renden Netze betreibt, muss jedem Stromanbieter, chitektur und der rechtliche Regulierungsrahmen kontrolliert von der Bundesnetzagentur, einen dis- unter den Bedingungen der Energiewende ändern kriminierungsfreien Netzzugang gewähren, ganz werden. Das hat der Generalbevollmächtigte von gleich, ob dieser Strom aus Windkraftwerken an Vattenfall gestern bei Hamburg 1 noch einmal aus- der Nordsee oder aus französischen Atomkraftwer- drücklich bestätigt. ken stammt. Die Sachverständigen haben an- Meine Damen und Herren! Wir haben zu diesen schaulich gesagt, dass Netze wie Autobahnen sind zusätzlichen Kosten für Modernisierungen der Net- und man jeden darauf fahren lassen muss. Wer ze in den Unterlagen des Senats kein Wort gefun- das Gegenteil behauptet, nämlich dass man mit ei- den. Unsere eigenen Experten gehen von dreistel- ner Verstaatlichung der Energienetze etwas zur ligen Millionenbeträgen aus, die zusätzlich zum Energiewende beitragen kann, der redet nicht nur Kaufpreis zu finanzieren sind. Ich kenne keine ein- Unfug, sondern täuscht wider besseren Wissens zige Bank, die bei einer solchen Finanzierung nicht die Bürger. Eine Verstaatlichung der Netze bringt auch die Gesellschafter, nach dem Willen des Se- für die Energiewende überhaupt nichts, sondern nats also zukünftig auch die Stadt, mit in die Haf- nur neue Schulden. tung nimmt. Wer sich an Netzgesellschaften betei- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2287

(Dr. Thomas-Sönke Kluth) ligt, ohne diese Risiken zu klären, begeht einen vorzuschlagen für einen rationellen, sparsamen haushaltspolitischen Blindflug. Das mag ein Unter- und ressourcenschonenden Umgang mit Energie, nehmer mit seinem eigenen Geld tun, aber nicht genau so wie Paragraph 3 der Konzessionsabga- die Stadt als Treuhänder des Vermögens der Bür- benverordnung dies ausdrücklich zulässt. ger und der Steuerzahler. (Beifall bei der FDP) Überhaupt ist die Prüfung der Risiken für die Stadt Das bringt wirklich etwas für die Umwelt, kostet wohl eher rudimentär verlaufen. Der Bericht über den Steuerzahler keinen Pfennig und produziert die rechtlichen Risiken des Deals ist den Abgeord- keine Schulden. – Vielen Dank. neten erst unter großem Druck zur Verfügung ge- stellt worden. Die gemeinsame Sitzung von Haus- (Beifall bei der FDP) halts- und Umweltausschuss musste verschoben werden. Wenn es in Hamburg gegenwärtig prekäre Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel: Frau Heyenn, Arbeitsverhältnisse gibt, dann sind das die der Ab- Sie haben das Wort. geordneten der Hamburger Bürgerschaft ange- sichts der Informationspolitik des Senats. Dora Heyenn DIE LINKE:* Frau Präsidentin, mei- (Beifall bei der FDP) ne Damen und Herren! Dieses Vertragswerk hat mit Energiewende nicht das Geringste zu tun, da Noch etwas hat die Sitzung der beiden Ausschüs- waren sich alle fünf Experten in der Anhörung ei- se am 12. April ergeben. Berichte über die wirt- nig. schaftlichen, finanziellen, technischen oder steuer- lichen Risiken konnten vom Senat nicht vorgelegt (Beifall bei der LINKEN, der GAL und bei werden, und zwar deshalb nicht, weil es sie über- Robert Heinemann CDU) haupt nicht gibt. Jeder Manager oder Berater eines Alles, was uns hier vorliegt, ist die Verhinderung ei- privaten Unternehmens könnte in einem vergleich- ner Rekommunalisierung der Netze in Hamburg, baren Fall gleich seine Haftpflichtversicherung an- die den Namen "Rekommunalisierung" auch ver- rufen. Ein sorgfältiger Umgang mit Steuermitteln dient. Vor einem Volksentscheid sollen Fakten ge- sieht anders aus. schaffen werden, um eine 100-prozentige Rekom- (Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der munalisierung zu verhindern. Schon sehr zeitig, als GAL) das Volksbegehren noch lief, wurden geheime Ge- spräche mit E.ON und Vattenfall vonseiten des Se- Wir begrüßen es vor diesem Hintergrund aus- nats geführt. drücklich, dass die Bürgerschaft am 29. März be- schlossen hat, den Landesrechnungshof zu ersu- (Dirk Kienscherf SPD: Das haben wir alles chen, eine gutachterliche Stellungnahme zu dem gesagt!) Beteiligungsvorhaben des Senats und der vollstän- Zum gleichen Zeitpunkt hat Olaf Scholz, Mitglied digen Rekommunalisierung, wie die Volksinitiative des Bundesvorstandes, auf SPD-Ebene beschlos- sie anstrebt, abzugeben. Aber es sollte selbstver- sen – ich zitiere –: ständlich sein, so lange keine Fakten zu schaffen, sondern die Beschlussfassung über den Senatsan- "Die Energiewende gelingt nur ‚von unten’. trag der Bürgerschaft auszusetzen, bis eine Ent- Die Sozialdemokratische Partei wird dafür scheidung und eine Stellungnahme des Landes- sorgen, dass die Monopole der vier großen rechnungshofs zu dem Prüfersuchen vorliegt. Soll- Energieversorgungsunternehmen reduziert te der Landesrechnungshof dem Ersuchen der werden." Bürgerschaft folgen, dann muss abgewartet wer- den, bis die gutachterliche Stellungnahme vorliegt. Olaf Scholz hat aber in Hamburg sein Bündnis mit Das gebietet nicht nur der Respekt vor dem Lan- E.ON und Vattenfall von oben durchgedrückt und desrechnungshof, das ist vor allen Dingen ein Ge- nicht von unten entwickelt. bot des sorgfältigen Umgangs und der genauen (Jan Quast SPD: Energieversorgung und Prüfung des vom Senat beabsichtigten und auf Netze sind zwei verschiedene Dinge! Das Pump finanzierten 453-Millionen-Euro-Deals. haben Sie noch nie verstanden!) (Beifall bei der FDP) Eine Feststellungsklage der Behörde für Umwelt Die FDP-Fraktion hat einen entsprechenden An- und Stadtentwicklung gegen Vattenfall wurde zu- trag vorgelegt, der eigentlich selbsterklärend ist: rückgezogen. Das war nach der Aussage eines Hände weg vom schuldenfinanzierten Netzkauf, Behördenvertreters in einer öffentlichen Anhörung ganz gleich, ob teilweise oder vollständig, stattdes- die Bedingung dafür, dass Vattenfall überhaupt an sen eine transparente, diskriminierungsfreie und den Verhandlungstisch gegangen ist. am besten europaweite Ausschreibung der Kon- (Anja Hajduk GAL: Das hat sogar der zession. Dabei soll es keine Vorzugsstellung für Staatsrat gesagt!) Vattenfall und E.ON geben, sondern die bindende Auflage, Konzepte vorzulegen oder Maßnahmen – Genau. 2288 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dora Heyenn)

Der Senat forderte aber umgekehrt nicht, dass Vat- nen festgemeißelt und ohne Sie würde es diese tenfall seine Klage vor dem Internationalen nicht geben. Nun sind aber ernstzunehmende Schiedsgericht in Chicago zurückzieht, wo Vatten- Stimmen zu hören, dass die beiden Energiekon- fall die Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs zerne diese Investitionen sowieso getätigt hätten, verklagt. So viel, Herr Dressel, zu der glasklaren vielleicht sogar noch mehr als diese, und es ist uns Positionierung Vattenfalls zum Atomausstieg. von den Experten gesagt worden, dass viele der Investitionen gesetzlich vorgeschrieben sind. Also (Beifall bei der LINKEN und der GAL) ist auch das kein Pluspunkt für Ihr Vertragswerk. Nach allen vorhandenen Informationen und Sit- Die Fraktion DIE LINKE hat in der letzten Bürger- zungsdiskussionen ergibt sich das Bild, dass schaftssitzung zusammen mit der FDP und mit Un- schlecht verhandelt worden ist und der Deal zum terstützung der CDU und der GAL ein Prüfungser- Vorteil der Energiekonzerne und zum Nachteil für suchen an den Landesrechnungshof hinsichtlich die Hamburgerinnen und Hamburger gerät. Diesen des umstrittenen Vertragswerks erfolgreich durch Eindruck möchten wir aber genauer prüfen lassen. die Bürgerschaft gebracht. Grundlage war eine An- (Zuruf aus dem Plenum: Da sind Sie noch hörung, in der drei von fünf Experten der Bürger- nicht ganz sicher?) schaft empfohlen haben, diesen Verträgen auf kei- nen Fall zuzustimmen. Herr Dressel, dass wir – Wir haben den Landungsrechnungshof gebeten, einen gemeinsamen Fahrplan verabschiedet ha- sich damit zu beschäftigen, und das werden wir ben bedeutet aber nicht, alle neuen Aspekte zu ne- natürlich abwarten; es sind auch eine Menge Ge- gieren und außer Acht zu lassen. heimakten dabei. (Beifall bei der LINKEN) Es passt auch nicht in die politische Kultur, dass Bürgermeister Scholz einen Tag nach langwieri- Die Opposition wird sich ihren Spielraum durch sol- gen, intensiven Debatten zur Haushaltsbefas- che Verabredungen nicht einschränken lassen. sung 2011 Arm in Arm mit Vattenfall und E.ON den Drei Experten haben klar und deutlich gesagt, sogenannten Teilrückkauf der Netze für Strom, dass wir dem Vertragswerk nicht zustimmen soll- Gas und Fernwärme zum Preis von 543,5 Millio- ten, und das war für uns alle sehr überraschend. nen Euro vorstellt. Einen Tag nach den Haushalts- Deswegen unterstützen wir den FDP-Antrag, dazu beratungen solch ein Paket vorzustellen, ist von sage ich gleich noch etwas. der politischen Kultur her unterirdisch. (Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE) (Beifall bei der LINKEN) Von den Experten wurde die Aussage des Senats Der Begriff Teilrückkauf ist, wie schon angedeutet skeptisch gesehen, dass im Fall eines erfolgrei- wurde, ein sehr defensiver Begriff. Mit Rückkauf chen Volksentscheids die Rückabwicklung lediglich hat das überhaupt nichts zu tun. Diese 25,1 Pro- durch eine Rückzahlung des Kaufpreises erledigt zent sind nur eine Finanzspritze für die Energie- werden könnte. Herr Dr. Dressel, Sie haben eben konzerne und eine Absicherung der Monopolstel- gesagt, dass Sie dieses Rücktrittsrecht ganz frei- lung, genau das Gegenteil von dem, was Sozialde- willig eingebracht haben, um die politische Kultur mokraten auf Bundesebene proklamieren. Die Ein- zu verbessern. Wenn Sie aber im gleichen Atem- flussnahme auf die Geschäftspolitik mit 25,1 Pro- zug darauf hinweisen, dass Sie dieses Vertrags- zent ist außerdem unumstritten verschwindend ge- werk abgeschlossen haben, um jahrelangen Pro- ring. Nun sagt Herr Dressel, aber Sie vergessen zessen zu entgehen, dann frage ich mich natürlich, die Innovation. was dieses Rücktrittsrecht wert ist, denn wahr- scheinlich wird genau das auf uns zukommen. (Dr. Andreas Dressel SPD: Ich habe be- stimmt nicht Ja gesagt zu dem, was Sie Ich werde schon gemahnt und mache es kurz. Wir eben gesagt haben!) werden dem FDP-Antrag zustimmen, unter ande- rem deshalb, weil es keine Transparenz gab. We- Dazu ist von Herrn Schlemmermeier im Ausschuss nige Gründe sprachen für Geheimhaltung und wir Folgendes gesagt worden: hätten mindestens erwartet, dass das Vertrags- "Das GuD-Kraftwerk in Wedel als Innovati- werk der Initiative zur Verfügung gestellt worden onskraftwerk zu bezeichnen, das würde ja wäre. bedeuten, dass da irgendetwas Innovatives (Beifall bei der LINKEN) drin ist." Eigentlich finden wir sogar, dass alle Bürgerinnen Das sei aber eine ganz normale GuD-Anlage und und Bürger dieses sehen müssten. Vielleicht ha- Stand der Technik, mit Innovation habe das nichts ben wir das Glück, dass die Transparenzinitiative zu tun. in Zukunft solch eine Geheimhaltung verhindern (Beifall bei der LINKEN und der GAL) wird. Dann kommen Sie mit dem weiteren Argument, Der SPD-Antrag ist entweder als Kosmetik oder Sie hätten in diesem Vertragswerk alle Investitio- Beruhigungspille zu verstehen. Wenn Sie jetzt von Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2289

(Dora Heyenn) einem Dialog mit der Stadt sprechen, dann ist das Gleichzeitig gilt, dass wir die Energiewende nur mit blanker Zynismus. allen Akteuren schultern können. Wir brauchen da- zu sowohl HAMBURG ENERGIE und Unterneh- (Beifall bei der LINKEN) men wie LichtBlick als auch große Energieversor- ger wie Vattenfall und E.ON Hanse, denn eine Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel: Frau Senatorin Energiewende, die gegen die großen Erzeuger in Blankau, Sie haben das Wort. der Stadt angegangen wird, führt nicht zu Verän- derungen, sondern zu Stillstand und Streit. Senatorin Jutta Blankau: Frau Präsidentin, meine (Beifall bei der SPD) sehr geehrten Damen und Herren! Als im März letzten Jahres die Bilder des explodierenden Kraft- Es geht um energiepolitischen Einfluss, und diesen werks in Fukushima um die Welt gingen, wurde haben wir uns mit einem Anteil von 25,1 Prozent uns allen bewusst, was das bedeutet. Es war das gesichert. Die Unternehmen haben Hamburg ma- Ende des Atomzeitalters in Deutschland. Auf Trau- teriell deutlich mehr als die typischen Minderhei- er und Schock folgte die politische Reaktion, die tengesellschafterrechte eingeräumt. Die Stadt hat der Bürger und Bürgerinnen, die wie in Hamburg in eine starke Gesellschafterstellung – die Aufsichts- großen Zahlen auf die Straße gingen, und die der räte sind paritätisch besetzt – und entscheidet über Bundesregierung, die Hals über Kopf den Ausstieg die Investitionsplanung der Gesellschaften mit. aus dem Ausstieg verkündete und sich der Ener- Das Risiko ist gering. Wir erhalten auf unseren An- giewende verschrieb. Vor diesem Hintergrund gilt teil eine Garantiedividende, ganz gleich, ob Netz- es, die Energieversorgung und die Energiesicher- und Muttergesellschaften Gewinn machen oder heit innerhalb von rund zehn Jahren grundlegend nicht. umzustellen. Die Ethikkommission der Bundesre- Meine Damen und Herren! Wir nehmen 543,5 Mil- gierung hat dazu geschrieben: lionen Euro in die Hand und nicht weit über 2 Milli- "Der Ausstieg wird umso besser gelingen, arden. Wir spielen nicht mit Hoffnungen und Risi- wenn er zu einem Aufbruch und Aufstieg ko, sondern haben das ganz nach solider Hambur- wird." ger Kaufmannsart durchgerechnet. Auch wir in Hamburg sind gefragt, dieses Gemein- (Beifall bei der SPD) schaftswerk, die Energiewende, voranzutreiben. Gleichzeitig lohnt sich die Vereinbarung für die (Beifall bei der SPD) Stadt nicht nur finanziell. Mit diesen Verträgen ga- rantieren die Energieversorger Investitionen von Dabei gilt es, Wirtschafts- und Standortpolitik mit 1,6 Milliarden Euro in der Stadt und wir sichern Be- Klimaschutz und Energiepolitik zusammen zu den- schäftigung. Die Investitionen sind eine Zukunfts- ken und in Zeiten knapper Kassen Verantwortung perspektive für Arbeitsplätze, und zwar mit hohen für den Haushalt zu übernehmen. Wir haben im Sozialstandards und guter Mitbestimmung. Man Verlauf des letzten Jahres sehr viel erreicht, denn soll nicht vergessen, dass es in der Metropolregion Hamburg hat einen vorbildlichen Kurs eingeschla- um mehrere Tausend Arbeitsplätze und damit um gen. Die Verträge sind der richtige Weg, denn sie mehrere Tausend Arbeitnehmer und Arbeitnehme- sind gut durchgerechnet, garantieren umfangrei- rinnen und ihre Familien geht. che Investitionen und Innovationen in der Stadt und bringen die Energiewende, die wir in Deutsch- (Beifall bei der SPD) land brauchen, schnell und substanziell voran. Gleichzeitig bringen wir die Energiewende schnell (Beifall bei der SPD) und substanziell voran. In der öffentlichen Diskus- sion in Hamburg gibt es die Volksinitiative, das ha- Die Verträge sind kaufmännisch solide, sicher und ben wir eben schon mehrfach gehört, die eine für die Stadt rentabel, sie verschaffen realen Ein- 100-prozentige Rekommunalisierung der, ich beto- fluss und bergen ein geringes Risiko. Die Zahlen, ne das jetzt noch einmal, Energieverteilnetze for- mit denen die Initiative und viele der Damen und dert. Letztlich handelt es sich dabei, profan ausge- Herren aus der Opposition operieren, basieren auf drückt, um Kabel und Rohrleitungen, die Strom, irrigen Vorstellungen. Gas und Wärme transportieren. Hier stellt sich die (Beifall bei der SPD) berechtigte Frage, wie damit Energiepolitik ge- macht werden kann. Bislang fehlt eine plausible Wer glaubt, die Stadt könne nicht nur einen Kauf- Antwort. Mit einem Verteilnetz hat man noch keine preis von mehr als 2 Milliarden Euro, sondern auch Kunden, geschweige denn einen Einfluss auf die die notwendigen Investitionen locker schultern, der Art der Energieerzeugung und den gewählten spielt auf Risiko, und das können wir nicht verant- Energiemix getroffen. worten. Zudem stünden wir vor großen rechtlichen Risiken, (Beifall bei der SPD) wenn wir die geforderte 100-prozentige Rekommu- nalisierung vorantreiben wollten. Ich will Ihnen 2290 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Senatorin Jutta Blankau) nicht die Details darstellen, aber in diesem Fall Zudem haben wir auch den Volksentscheid nicht stünden uns langwierige Gerichtsverfahren mit völ- präjudiziert. In den Verträgen ist für den Fall, dass lig ungewissem Ausgang bevor. Und es wäre nicht die Initiative Erfolg hat, ein Rücktrittsrecht fest ver- garantiert, dass Hamburg ohne Erfahrung mit dem ankert. Ich finde es nur schade, dass sich die In- Betrieb solcher Netze aus einem transparenten itiative nicht einer schnellen Abstimmung stellt. und nichtdiskriminierenden Vergabeverfahren als Das wäre im Sinne einer schnellen Energiewende Sieger hervorginge. Diese Risiken würden auf Jah- im Interesse aller gewesen. re die Energiewende blockieren. Und sollte es (Beifall bei der SPD) doch gelingen, müsste die Stadt am Ende Milliar- den Euro in Netze investieren, mit denen sie doch Meine Damen und Herren! Wir sind auf dem richti- keinen Einfluss auf die Energiewende ausüben gen Kurs. Vor wenigen Wochen schrieb die "Frank- könnte. furter Allgemeine Zeitung" in einem Artikel über die Schwierigkeiten der Energiewende: Dagegen greift die Vereinbarung sofort. Wir gehen Klimaschutz und Energiewende direkt an. Denken "Wie es gehen könnte, zeigt Hamburg […]." Sie nur an die langen Diskussionsprozesse über Wir gehen mit schnellen Schritten voran. Hamburg das Kraftwerk Moorburg, an die großspurigen An- ist auf dem richtigen Weg, finanziell, für den Stand- kündigungen, dieses Kraftwerk zu stoppen und die ort und vor allem in der Energiepolitik. – Vielen Fernwärmetrasse aus Moorburg zu verhindern. Dank. Das sind schöne Beispiele dafür, wie man als Tiger springen und als Bettvorleger landen kann. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel: Nun hat Frau Anders mit unserer Vereinbarung: Mit ihr ist festge- Dr. Schaal das Wort. legt, dass die Moorburgtrasse nicht gebaut und durch ein Innovationskraftwerk ersetzt wird. Für Dr. Monika Schaal SPD: Frau Präsidentin, meine dieses Gas- und Dampfkraftwerk mit angeschlos- Damen und Herren! Trotz alledem bleibe ich dabei, senem Wärmespeicher, der mit Windkraft betrie- dass die Beteiligung an den Netzgesellschaften die ben werden kann, wurden bereits sogenannte Sco- Energiewende und den Klimaschutz voranbringen ping-Termine zur Umweltverträglichkeitsprüfung soll. Es ist auch gelungen, denn die zusätzlichen durchgeführt. Vereinbarungen mit den Energieversorgern gehen Daneben gibt es zahlreiche weitere Maßnahmen in weit über das hinaus, was man mit einer alleinigen der Stadt. Hamburg wird zum wichtigsten Standort Sperrminorität an den Netzgesellschaften errei- von Energiespeichern. Ich nenne hier nur beispiel- chen könnte. Die Minderheitenbeteiligung an den haft den Wärmespeicher am Standort Tiefstack, Netzen hat dabei die strategische Funktion, die aber auch Kraft-Wärme-Kopplung, Power-to-Gas- Energieversorger zur Umsetzung der Energiewen- Konzepte, intelligente Stromzähler, Smart Grids, de zu verpflichten und gleichzeitig das wirtschaftli- virtuelle Kraftwerke, den Ausbau der Nahwärme- che Risiko der Stadt klein zu halten; dazu ist eini- versorgung und vieles mehr. ges gesagt worden. In der Debatte um die Beteili- gung an den Energienetzen geht es also nicht al- Bis September nächsten Jahres werden Sie se- lein darum, ob die Stadt 100 Prozent kauft oder hen, was alles passiert. So startet E.ON Hanse sich nur mit 25,1 Prozent an den Netzgesellschaf- Wärme GmbH morgen ein Pilotprojekt zur Einspei- ten beteiligt, sondern darum, ob, wie und auch sung solarer Wärme in das Wärmenetz. Und so wann die Energiewende in Hamburg vorankommt. wird es jetzt von Monat zu Monat weitergehen. Wir reden nicht nur von der Energiewende, wir machen (Beifall bei der SPD) sie gemeinsam mit unseren Kooperations- und Meine Damen und Herren! Niemand von uns hat Vertragspartnern und unseren öffentlichen Unter- gesagt, dass wir mit den Verträgen, die wir heute nehmen in Hamburg. in erster Lesung ratifizieren, die Umsetzung der (Beifall bei der SPD) Energiewende schon als abgeschlossen ansehen. Wir haben mit unserem Zusatzantrag Hinweise Gleichzeitig haben wir transparent gearbeitet. Wir darauf gegeben, wie die Energiewende weiterent- haben Ihnen auch höchstsensible Unterlagen wickelt werden kann. Uns geht es dabei vor allen (Dora Heyenn DIE LINKE: Nein, nein, das Dingen um den Dialog. Aber wir haben jetzt einen war nicht höchstsensibel! Das war keine Ge- Anfang gemacht, der die Basis dafür bildet, die heimhaltungsstufe!) Energiewende dann auch wirklich umzusetzen. – das haben Sie eben selbst erwähnt, Frau Hey- Im Rahmen einer Vertragsarchitektur mit Gesell- enn – mit zahlreichen schutzbedürftigen Informa- schaftsbeteiligungs- und Konsortialverträgen mit tionen zur Verfügung gestellt. den Energieversorgern Vattenfall und E.ON haben sich die Gesellschafter verpflichtet, das Energie- konzept für Hamburg umzusetzen. Vattenfall und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2291

(Dr. Monika Schaal)

E.ON haben das unterschrieben. Das ist nicht nur den Vertrag abzusegnen, sondern auch Butter selbstverständlich, denn sie haben damit auch die bei die Fische wollen. Wir wollen, dass die neue Rahmenbedingungen für das Konzept anerkannt, Fernwärmeversorgung zügig umgesetzt wird und nämlich den Ausstieg der Bundesrepublik aus der die Standortentscheidung bis Mitte des Jahres Atomenergie. nachvollziehbar und transparent getroffen wird, da- mit der Bau der Anlagen im Jahr 2014 beginnen (Beifall bei der SPD – Christiane Schneider kann. Natürlich bevorzugen wir als Hamburgerin- DIE LINKE: Chicago sage ich nur!) nen und Hamburger schon allein aus technischen Herr Dressel hat es bereits gesagt: Das Drumher- Gründen den Standort Stellingen, weil dann die um, was dabei auch noch zu hören und zu lesen Leitungsverluste bei der Wärmebereitstellung mini- ist, gefällt nicht allen, auch mir nicht. Aber man miert werden könnten. muss wahrscheinlich akzeptieren, dass es hier we- Positiv ist aber, dass insgesamt Konsens darin niger um Energiepolitik als ums Geld geht. besteht, die Fernwärme nördlich der Elbe zu er- Für uns ist das Kernstück der heute vorliegenden zeugen. Damit ist die umstrittene Moorburg-Trasse Verträge die Neuausrichtung der Fernwärme. Herr vom Tisch und wird auch wirtschaftlich überflüssig. Kluth, Sie sagen, die Energiewende könne nur ge- Das ist für uns ein sehr wichtiger Teil der politi- lingen, wenn man sich um die Produktion kümmert. schen Dividende und den können sich die Aktivi- Die Neuausrichtung der Fernwärme umfasst auch sten der Initiative "Moorburgtrasse stoppen" die Produktion von Fernwärme. Hier geht es näm- durchaus auf die Fahnen schreiben. lich nicht nur um die Netze, sondern um die Pro- Meine Damen und Herren! Mit Power-to-Gas- duktion von Wärme und Strom. Und hier wird auf Technologie und Wasserstofferzeugung – bisher beiden Gebieten auch Geld verdient. stand immer nur die Verwendung im Vorder- (Robert Heinemann CDU: Ja, von Herrn grund – werden neben Wärmespeichern auch wei- Schröder!) tere Speichertechnologien entwickelt. Energiespei- cher sind für die Umsetzung der Energiewende Die Art und Weise, wie die Fernwärme hier produ- notwendig, denn nur so können wir die rasant ziert wird, ist für uns wichtig, denn es wird verein- wachsenden erneuerbaren Energien auch effizient bart, dass für die Befeuerung der Fernwärme eine einsetzen. Bis jetzt ist in Hamburg und auch hocheffiziente Gas-Dampfturbinen-Anlage mit deutschlandweit in Bezug auf das Speichern nir- Speichertechnologie eingesetzt wird und nicht gendwo etwas in Sicht. Hamburg übernimmt hier Kohle in Wedel oder gar in Moorburg. – Frau Senatorin Blankau hat es gesagt – eine Meine Damen und Herren! Die SPD hat schon vor Vorreiterrolle, und das ist gut so. fünf Jahren gesagt, dass wir in Hamburg als Ersatz (Beifall bei der SPD) für Wedel ein Gaskraftwerk wollen und kein überdi- mensionales Kohlekraftwerk. Ich erinnere mich Der Zubau von dezentralen Blockheizkraftwerken daran – Herr Kerstan schwatzt gerade –, dass die und ihre Zusammenschaltung zu sogenannten vir- GAL meines Erachtens auch einmal auf dieser tuellen Kraftwerken macht große Kraftwerkseinhei- Schiene war. ten überflüssig. Dazu werden dann auch entspre- chend die Netze ausgebaut, pro Jahr mit 160 Mil- (Jan Quast SPD: Früher, da waren die auch lionen Euro. Dadurch werden die Netze stärker noch grün!) und sie werden durch die Einführung von Smart Das Basisgutachten für den Masterplan Klima- Grids intelligenter gemacht. schutz, das die vorige grüne Chefin der Behörde Wir brauchen auch ein Wärme-Kälte-Konzept, das für Stadtentwicklung und Umwelt in Auftrag gege- ist richtig. Wir wollen die industrielle Abwärme ein- ben hat, bezeichnet die Ablösung der Steinkohle in beziehen und erneuerbare Energien und Geother- der Fernwärmeversorgung als einen – Zitat –: mie einbinden. Dabei werden auch zentrale Wär- "[…] der wichtigsten Beiträge zur Verringe- meinseln eine Rolle spielen, denn bekanntlich ist rung der CO2-Emissionen in Hamburg." nicht überall in dieser Stadt Fernwärme zu haben. Darüber wollen wir mit allen Akteuren am Markt re- (Dr. Andreas Dressel SPD: Hört, hört!) den, um die Wärmenutzung insgesamt effizienter Das Gutachten wurde im Oktober 2010 vorgelegt. zu machen. Ich finde das auch heute noch richtig. Die GAL will Meine Damen und Herren! Bei der Umsetzung der davon offensichtlich nichts mehr wissen, Herr Ker- Energiewende setzen wir auf Dialog, auch zur Wei- stan. Ich habe den Eindruck, Sie wollen nicht nur terentwicklung des heute verabschiedeten Kon- Ihren Namen ändern, sondern sich auch von frühe- zepts. Wir wollen nicht nur eine enge parlamentari- ren Überzeugungen lossagen. sche Begleitung der Umsetzung der Verträge, son- (Beifall bei der SPD) dern auch mit den Bürgerinnen und Bürgern spre- chen, und wir wollen einen externen Energiebeirat In unserem Zusatzantrag haben wir deutlich ge- in dieser Stadt. Dort sollen Vertreterinnen und Ver- macht, dass wir uns nicht damit zufrieden geben, 2292 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Monika Schaal) treter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aus (Farid Müller GAL: Ist das Ihre einzige Hoff- Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzverbänden nung?) vertreten sein. Wir wollen auch die Hochschulen Darum drängen wir auch auf eine zügige Umset- einbinden, damit auch sie mit ihrem Know-how zur zung der Vereinbarungen und wollen einen breiten Energiewende beitragen, und, last but noch least, Dialog darüber einleiten. Dazu bitten wir um Ihre auch diejenigen, die das Ganze technisch umset- Zustimmung. – Vielen Dank. zen, nämlich Handwerk und Industrie. (Beifall bei der SPD) Wir wollen, dass es in der Stadt zu einer Koopera- tion zwischen Energieversorgern, Ver- und Entsor- gungsbetrieben, privaten und öffentlichen Unter- Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel: Wenn keine nehmen in diesem Bereich kommt und nicht zuletzt weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir auch den Behörden. Neben E.ON und Vattenfall zur Abstimmung. Zunächst zum Überweisungsbe- kommen dabei auch LichtBlick und HAMBURG gehren bezüglich der Drucksache 20/3883. ENERGIE für den Ausbau der erneuerbaren Ener- Wer stimmt einer Überweisung dieser Drucksache gien ins Spiel. Auch die Stadtreinigung ist ein an den Umweltausschuss zu? – Gegenprobe. Energieerzeuger, das wird leicht vergessen, denn – Enthaltungen? – Damit ist dem Überweisungsbe- sie holt nicht nur den Müll ab und verbrennt ihn, gehren nicht stattgegeben worden. sondern erzeugt auch ganz umweltfreundlich Gas. Das muss mit berücksichtigt werden und auch sol- Dann kommen wir zur Abstimmung in der Sache. che Unternehmen müssen in die Kooperation ein- Meine Damen und Herren! Wären Sie so freundlich bezogen werden. Mithilfe einer solchen Kooperati- und würden Sie der Abstimmung bitte Ihre Auf- on gilt es im gesamtstädtischen Interesse, Synergi- merksamkeit schenken? Sie ist etwas kompliziert. en zu heben, sich abzustimmen, die energie- und Wir erleichtern es uns allen, wenn Sie zuhören. klimapolitischen Ziele in der Stadt zu besprechen und weiterzuentwickeln. Ein Konzept für eine der- Wir beginnen mit dem Antrag der FDP-Fraktion artige Kooperation soll der Senat uns vorlegen. aus Drucksache 20/3872 in der Neufassung. Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Ent- Meine Damen und Herren! Insgesamt verpflichten haltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt. sich die beiden Partnerunternehmen zu einer deut- lichen Reduzierung der CO2-Emissionen in der Nun zum Antrag der SPD-Fraktion aus Drucksache Hansestadt. So will E.ON seinen Treibhausgas- 20/3883. Diesen möchte die GAL-Fraktion buch- ausstoß bis 2015 gegenüber 2008 um 15 Prozent stabenweise abstimmen lassen. verringern und Vattenfall verspricht, seine CO2- Wer möchte den Antrag aus dem Buchstaben A Emissionen bis 2020 im Vergleich zu heute um annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Da- 27 Prozent zu reduzieren. Allein durch die neue mit ist der Buchstabe A angenommen. Ausrichtung der Fernwärme kann das bewerkstel- ligt werden. Das kann Hamburg gut gebrauchen, Wer möchte sich dem Antrag aus dem Buchsta- um die Klimaziele zu erreichen. ben B anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltun- gen? – Damit ist der Buchstabe B angenommen. (Beifall bei der SPD) Wer möchte dem Antrag aus dem Buchstaben C All die Möglichkeiten, die diese Verträge bieten, zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? wurden von vielen Rednerinnen und Rednern aus- – Das ist angenommen. geblendet und das finde ich nicht richtig. Man muss sich das Gesamtwerk ansehen, alles andere Wer möchte dem Antrag aus dem Buchstaben D ist demagogisch und das lehnen wir ab. folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das angenommen. (Beifall bei der SPD) Wer möchte den Antrag aus dem Buchstaben E Meine Damen und Herren! Dem FDP-Antrag fol- beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? gen wir nicht. Die Unterlagen lagen vor; auch Un- – Damit ist auch das beschlossen. terlagen, die nicht allgemein einsichtig waren, la- gen im Datenraum aus, darauf hat Herr Dressel Wer möchte den Antrag aus dem Buchstaben F hingewiesen. Zudem gehen wir davon aus, dass annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Da- die Prüfergebnisse des Rechnungshofs vor dem mit ist auch das angenommen. Volksentscheid vorliegen. Dann haben alle die Schließlich zum gemeinsamen Bericht des Haus- Möglichkeit, sich zu informieren, und das ist auch haltsausschusses und des Umweltausschusses gut so. Der Volksentscheid findet bekanntlich zu- aus Drucksache 20/3746. sammen mit der Bundestagswahl statt und bis da- hin muss aus unserer Sicht für die Hamburgerin- Zunächst stelle ich fest, dass die in Ziffer 1 der nen und Hamburger deutlich erkennbar sein, dass Ausschussempfehlungen erbetene Kenntnisnahme sich bei der Energiewende und der Umsetzung der erfolgt ist. Verträge etwas tut. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2293

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel)

Die GAL-Fraktion hat gemäß Paragraf 36 Absatz 1 schenken. Wenn Sie sich unterhalten möchten, ge- unserer Geschäftsordnung zu Ziffer 2 der Aus- hen Sie hinaus; hier drinnen hören Sie bitte dem schussempfehlungen aus Drucksache 20/3746 ei- Redner zu. – Herr Roock, Sie haben das Wort. ne namentliche Abstimmung beantragt. Hans-Detlef Roock Ich bitte nun die Schriftführer, mit dem Namensauf- CDU: Frau Präsidentin, meine ruf zu beginnen. Bitte antworten Sie jeweils laut mit Damen und Herren! Der Bürgermeister hat in sei- Ja, Nein oder Enthaltung. Zur Abstimmung steht ner Regierungserklärung den Bau von 6000 Woh- die Ziffer 2 der Ausschussempfehlungen. nungen pro Jahr versprochen. Diese Zielrichtung finden wir grundsätzlich richtig und werden sie Ich bitte jetzt die Schriftführer zu beginnen. auch unterstützen. (Der Namensaufruf wird vorgenommen)* Zurzeit brüstet sich der Senat wiederholt damit, Solange die Stimmen ausgezählt werden, unter- 2011 6800 Baugenehmigungen auf den Weg ge- breche ich die Sitzung. bracht zu haben, Unterbrechung: 17.54 Uhr (Andy Grote SPD: Das ist ja auch richtig!) Wiederbeginn: 17.57 Uhr unabhängig davon, lieber Herr Grote, dass die Pla- nungsgrundlagen für diese Baugenehmigungen überwiegend in der letzten Legislaturperiode unter Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel: Meine Damen Schwarz-Grün auf den Weg gebracht wurden. Das und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet, es gibt weiß im Übrigen jeder, der etwas von langwierigen ein Ergebnis. Planungsprozessen versteht. Es wurden 117 Stimmen abgegeben, davon waren (Andy Grote SPD: Zehn Jahre!) 62 Ja-Stimmen und 55 Nein-Stimmen; es gab kei- ne Enthaltungen. Damit ist Ziffer 2 der Aus- Es fehlen aber klare Aussagen über die Fertigstel- schussempfehlungen angenommen. lungszahlen im Wohnungsbau. Wir haben mit vie- len Schriftlichen Kleinen Anfragen und Großen An- (Beifall bei der SPD) fragen versucht, Klarheit und Transparenz in die- Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat sen Zahlensalat zu bringen. einer sofortigen zweiten Lesung zu? (Jan Quast SPD: Haben Sie früher schon (Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nicht verstanden!) nen.) Die Antworten des Senats sind immer noch unklar. Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem Eine große Tageszeitung nannte das im November Hause? – Das ist auch der Fall. letzten Jahres "Behördenirrsinn". Der Widerspruch ist wirksam, wenn er von minde- (Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg stens einem Fünftel der anwesenden Mitglieder er- übernimmt den Vorsitz.) hoben wird. Ich stelle fest, dass das der Fall ist. Recht hat sie, und ich werde ein weiteres Beispiel Damit ist die zweite Lesung verschoben. dafür nennen. (Beifall bei der CDU) Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 34 auf, das Laut meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage 20/3087, ist die Drucksache 20/3690, Antrag der CDU-Frak- "Vertrag für Hamburg – Fortschritte im Januar", tion: Transparente Statistiken für den Wohnungs- nämlich 2012, hat es der Senat verschlafen, auf bau. die für den Wohnungsbau neu identifizierten Flä- chen einzugehen. Er hat es schlicht und ergreifend [Antrag der CDU-Fraktion: übersehen, dass sich durch meine monatliche Ab- Transparente Statistiken für den Wohnungsbau frage herausstellte, dass die Bezirke mittlerweile – Drs 20/3690 –] ihre Wohnungsbauprogramme beschlossen hatten. Auf meine Nachfrage wurde lediglich auf die Inter- Wer wünscht das Wort? – Herr Roock. netadressen der Bezirke verwiesen, unter denen die Wohnungsbauprogramme der Bezirke einge- (Glocke) stellt sein sollten. Meine Damen und Herren! Auch wenn wir gerade (Jan Quast SPD: Haben Sie keine eigene?) eine wichtige Abstimmung zu Ende gebracht ha- ben, beginnt nun ein neuer Tagesordnungspunkt Meine Recherchen, lieber Herr Quast, ergaben, und ich bitte darum, dass Sie dem Redner Gehör dass diese Internetadressen teilweise nicht zu- 2294 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Hans-Detlef Roock) gänglich waren und vor allen Dingen die Woh- Jörg Hamann CDU: Die sind alle weggelau- nungsbauprogramme nicht einheitlich aufgebaut fen!) und strukturiert waren. (Andy Grote SPD: Sieben unterschiedliche Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen Bezirke!) Dank, Herr Roock. – Das Wort hat Herr Grote. Auch nach intensiver Recherche waren im Sinne Andy Grote SPD:* Herr Präsident, meine Damen meiner Fragestellung keine klaren Ergebnisse er- und Herren! mittelbar. Es war unmöglich, Ordnung in dieses Chaos zu bringen. (Dietrich Wersich CDU: Lass uns doch gleich abstimmen!) (Beifall bei der CDU) Herr Roock, die CDU hat sich überlegt, sich einmal Ich kann nur jedem, der es nicht glaubt, empfeh- für Wohnungsbauzahlen zu interessieren. len, sich daran zu versuchen. Er wird feststellen, dass durch unstrukturierte Vorgaben des Senats (Thilo Kleibauer CDU: Die SPD interessiert Klarheit und Transparenz fehlen. Gutes Regieren sich ja nicht dafür!) sieht anders aus. Das ist nicht schlimm, aber nun hat sie festgestellt, (Beifall bei der CDU) dass das gar nicht so einfach ist. Es gibt Zahlen vom Statistikamt, es gibt Zahlen von den Bezirk- Meine Damen und Herren! Unabhängig davon die- sämtern und die sind überhaupt nicht gleich. Das nen Schriftliche Kleine Anfragen und Große Anfra- kann doch nicht angehen. Wie soll man denn den gen nicht nur der Wissensabfrage, sondern nach Senat richtig ärgern, wenn einem keiner die richti- unserem Verständnis sind sie grundsätzlich Instru- gen Zahlen liefert. Deshalb muss man mit diesem mente zur politischen Auseinandersetzung. Meine merkwürdigen, undurchschaubaren Statistikwesen Kritik ist doch kein Einzelfall. Es liegen eine Reihe einmal richtig aufräumen. Herr Roock, liebe von Beschwerden von Abgeordneten vor, die dem CDU-Fraktion, so schwer ist das alles gar nicht. Senat vorwerfen, die Rechte des Parlaments zu Wenn Sie unterschiedliche Stellen haben, die zu missachten, indem er diesem Hause Informationen unterschiedlichen Zwecken und mit unterschiedli- vorenthält, indem er gar nicht oder nur teilweise chen Methoden Daten erheben, dann sind die Zah- antwortet. Auch hier sieht gutes Regieren anders len unterschiedlich. aus. Ich kann nur alle Kolleginnen und Kollegen auffordern, sich dieses nicht gefallen zu lassen. (Hans-Detlef Roock CDU: Dann bringen Sie das doch in Ordnung!) (Beifall bei der CDU) Die einzige echte Statistik ist die amtliche Statistik Wir wollen mit unserem Antrag zu klaren und vom Statistikamt Nord. Die basiert auf dem Bun- transparenten Entscheidungsgrundlagen kommen. desgesetz über die Hochbaustatistik. (Jan Quast SPD: Nach zehn Jahren!) (Beifall bei Dietrich Wersich CDU) Die Senatszahlen und die des Statistischen Lan- Sie sind abhängig von den Meldungen der Bauher- desamtes liegen meilenweit auseinander. Es sind ren, die häufig verspätet und unvollständig sind, Differenzen zwischen 40 und 27 Prozent festzu- das wissen Sie ganz genau. Hier geht es auch stellen. Es sind keine klaren Aussagen über Fertig- nicht darum, die Neubautätigkeit zu erfassen, son- stellungszahlen brutto im Wohnungsbau möglich, dern den Bestand vorzuschreiben, das ist eine weil Wohnungsabgänge durch Sanierungen, Zu- ganz andere Zielrichtung. Zum Teil sind die Abgän- sammenlegungen und Abriss nicht eindeutig be- ge enthalten, zum Teil aber auch nicht, weil man nannt werden können. sie auch nicht vollständig erfassen kann. (Andy Grote SPD: Brutto? Das ist netto, was Es ist richtig, dass früher Fertigstellungszahlen mo- Sie meinen!) natlich erhoben worden sind. Sie monieren in Ih- Wen es interessiert, den möchte ich auf den Artikel rem Antrag, dass dies nur noch einmal im Jahr "Wohnungsbau schöngerechnet" der "tageszei- stattfindet. Bis 2006 hatten wir monatliche Zahlen tung" vom 2. April 2012 hinweisen, der dieses Pro- auch in der amtlichen Statistik. Dann kam aber ein blem sauber aufarbeitet. CDU-Bundesminister und hat ein Gesetz zum Ab- bau bürokratischer Hemmnisse, insbesondere in (Beifall bei der CDU) der mittelständischen Wirtschaft, auf den Weg ge- Ich bitte Sie alle, im Sinne von Klarheit und Trans- bracht. Und seitdem erhalten wir die Zahlen nur parenz unserem Antrag zuzustimmen. – Danke noch einmal jährlich. Auch die CDU in Hamburg schön. hat mit der Novellierung der Hamburgischen Bau- ordnung alles dafür getan, systematisch Berichts- (Beifall bei der CDU – Heike Sudmann DIE pflichten und auch Genehmigungspflichten abzu- LINKE: Wer klatscht denn nun bei Ihnen? – bauen. Das haben Sie damals unter der Über- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2295

(Andy Grote) schrift "Deregulierung" initiiert. Heute jedoch bekla- Freunde finden, übrigens am allerwenigsten bei gen Sie genau den Zustand, den Sie selbst herbei- der Bauwirtschaft, die Sie doch ansonsten immer geführt haben. vertreten möchten. (Beifall bei der SPD – Hans-Detlef Roock Und es führt zu einem erheblichen Bürokratieauf- CDU: Wir wollen ja nur die Zahlen haben!) bau bei den Behörden und auch bei den Bauträ- gern und erfordert erheblich mehr personelle Res- In der Vergangenheit, lieber Herr Roock, hatten sourcen. Wir brauchen nicht mehr Bürokratie für Sie nie ein Problem damit, dass die Fertigstel- mehr Wohnungsbau, sondern weniger Bürokratie. lungszahlen des Jahres immer erst im Mai/Juni des Folgejahres vorlagen. Im Gegenteil, da war es (Beifall bei der SPD) Ihnen ganz lieb, dass das Elend nur einmal im Jahr Sie haben da eine falsche Hoffnung, denn diese verkündet wurde. Am liebsten hätten Sie die Zah- ganze Bereinigung und dieser große Aufwand wür- len damals gar nicht bekannt gegeben. den Ihnen gar nichts nützen, denn eines wird am Schauen wir uns einmal an, was sich verändert Ende immer dabei herauskommen: Noch nie sind hat, was die SPD gemacht hat. Wir haben durch in den letzten zwei Jahren auch nur im Entfernte- den Vertrag für Hamburg überhaupt erst einmal sten so viele neue Wohnungen genehmigt und ge- eingeführt, dass die Bezirke jeden Monat genau baut worden wie jetzt. über die Baugenehmigungen berichten; diese Zah- (Jörg Hamann CDU: Gebaut oder geneh- len hatten wir vorher gar nicht. Wir haben auch da- migt, das ist ein Unterschied!) für gesorgt, dass in den Baugenehmigungen die Bauherren wieder verpflichtet werden, auch die – Sie sind im Bau, sie werden jetzt gebaut, Herr Fertigstellungen zu melden; auch das gab es vor- Hamann. Wir werden die Fertigstellungszahlen, her nicht. Hier werden wir jetzt bessere und voll- wie immer, im Mai oder Juni bekommen. ständigere Zahlen bekommen. Die 6800 Baugenehmigungen sind die einzige Nun sind die Zahlen aber logischerweise nicht Zahl, die wir bisher haben. Es ist eine Bruttozahl, identisch mit denen vom Statistischen Landesamt, das stimmt. Aber es ist eine Zahl, wie es sie auch und das verstehen Sie nicht. Das ist bedauerlich als Bruttozahl seit zehn Jahren nicht annähernd und tut mir leid. Aber ich kann Ihnen jetzt schon gegeben hat. Es ist eine gute und wichtige Zahl für sagen, dass wir nicht an jeder Statistik so lange Hamburg und darauf kommt es an. Das ist ent- herumdrehen können, scheidend und keine kleinkarierten Statistikdebat- ten. – Vielen Dank. (Zuruf von Jörg Hamann CDU) (Beifall bei der SPD) bis auch die CDU sie versteht, Herr Hamann. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen Nun möchte die CDU eine grundlegende Überar- Dank, Herr Grote. – Das Wort hat Herr Duge. beitung des gesamten Statistikwesens; das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Olaf Duge GAL:* Sehr geehrter Herr Präsident, Sie wollen aus Bequemlichkeitsgründen deutlich meine Damen und Herren! Statistiken sammeln ei- umfassendere, monatlich erhobene und an allen ne Vielzahl von Quellenmaterial, verdichten dieses Stellen übereinstimmende Zahlen bei den Geneh- Material und fassen es in der Regel zu einigen we- migungen und den Fertigstellungen, nigen Zahlen zusammen. In Zahlen steckt be- kanntlich der Zauber, und manche sind von den (Jörg Hamann CDU: Das wollen Sie nicht!) Zahlen so sehr verzaubert, besonders, wenn sie damit Sie damit besser arbeiten können. Ich neh- die Zahl 6000 hören, dass sie wie ein Kaninchen me an, das steht alles unter dem Leitmotiv "mehr auf die Schlange schauen. Bürokratie wagen", das ist anscheinend das neue (Jan Quast SPD: Und Versäumnisse von Motto. Schwarz-Grün spüren!) (Beifall bei der SPD) Wir wissen aber auch, im Zauber steckt die Illusi- Wenn Sie das ernst meinen, würde dies bedeuten, on. Aber die Illusion kann schnell zur Desillusion dass Sie massive, umfassende Änderungen im werden, und so ist es auch mit vielen Statistiken Bundesgesetz Hochbaustatistik anschieben wol- und Zahlen, die uns immer wieder hier vorgehalten len. Selbst dieser Senat kann nicht, wie Sie es in werden. Die magische Zahl 6800 genehmigter Ihrem Petitum fordern, mal eben eigenhändig die Wohnungen führt bei der Bausenatorin zu leuch- bundesgesetzlichen Vorgaben ändern. Das steht tenden Augen und euphorisierenden Redeschwal- so in Ihrem Petitum, aber das geht natürlich nicht. len. Die Belastbarkeit dieser Zahlen bleibt dahinter Ein Bundesgesetz muss auf Bundesebene bewegt stehen. Der Stresstest für diese Zahl wird tagtäg- werden. Das sind umfassende Änderungen, und lich gemacht von den Menschen, die auf der Woh- Sie werden hierfür wenig Unterstützung und wenig nungssuche sind, die in langen Schlangen anste- 2296 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Olaf Duge) hen, um eine Wohnung zu bekommen, und die (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der dann auch noch hören müssen, dass geförderte CDU – Andy Grote SPD: Billig!) Wohnungen für 5,80 Euro kalt angeboten werden (Andy Grote SPD: Wie waren denn Ihre Zah- Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen len? – Wolfgang Rose SPD: Was haben Sie Dank, Herr Duge. – Das Wort hat Herr Dr. Duwe. denn gemacht?) Dr. Kurt Duwe FDP:* Herr Präsident, meine Da- mit Zwangszusatzvermietungen von Stellplätzen men und Herren! Statistik für Anfänger. Der Titel für 8,50 Euro. Sie können das nachrechnen. dieses Antrags ist allgemein verständlich, und den (Beifall bei der GAL) finde ich auch gut. Aber die Mittel, um das zu errei- chen, sehe ich in diesem Antrag nicht. Meine Damen und Herren! Viele Wohnungssu- chende fragen sich, was diese Statistiken ihnen ei- (Beifall bei Jan Quast SPD) gentlich jetzt sagen sollen, während sie dort anste- Wenn Sie die bundesdeutschen Vorgaben für Sta- hen. Was ist von einem solchen Vertrag zu halten, tistik ändern wollen, dann brauchen Sie minde- in dem diese Zahlen regelmäßig vorgelegt werden stens 20 Jahre, und so lange wollen wir doch wohl sollen? Was ist von einer Politik zu halten, die mit nicht warten. Zahlen spielt, die nicht versprechen, was gesagt wird. Zum anderen sind die Zahlen der Baugenehmigun- gen, die monatlich von den Bezirken präsentiert (Beifall bei der GAL und bei Jörg Hamann werden, so etwas wie die Ziehung der Lottozahlen. CDU – Andy Grote SPD: Dass die damit zu Was Sie gern hätten, wäre eine zeitliche Überprü- Ihnen kommen, kann ich mir vorstellen!) fung, wie sich die Zahlen entwickeln. Das können Seriöse Unternehmen, Herr Grote, würden eine Sie höchstens mit Vierteljahreszahlen, am besten solche Statistik zurückziehen, würden sagen, dass mit Jahreszahlen machen. Alles andere ist völliger dort ein Mangel sei und würden nachbessern. Quatsch, denn wenn Sie Januar 2011 mit Januar 2010 vergleichen wollen, dann ist das wie mit den (Beifall bei der GAL und bei Jörg Hamann Äpfeln und Birnen. Sie können dort überhaupt CDU) nichts herauslesen, es sei denn, Sie wollen es un- Diese Zahlen der genehmigten Wohnungen haben bedingt. keine relevante Aussagekraft für diejenigen, die ei- Deshalb ist dieser Antrag überflüssig, und die ne Wohnung suchen; das haben Sie eben selbst FDP-Fraktion wird ihn einfach nicht zur Kenntnis zugegeben. Diese Zahlen sind nicht belastbar, und nehmen. – Vielen Dank. deswegen geht dieser Antrag in die richtige Rich- tung. Wir brauchen belastbare Statistiken, die be- (Beifall bei der FDP) lastbar sind, die eindeutig sind und die transparent sind. Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen (Andy Grote SPD: Aber das ist doch Unsinn, Dank, Herr Dr. Duwe. da waren Sie doch schon mal viel weiter!) Meine Damen und Herren! Ich möchte darauf hin- Diese Statistiken sollen nicht zeigen, was man sich weisen, dass es nicht notwendig ist, auf dem Weg wünscht, sondern sie sollen zeigen, was auf dem zum Podium zu rennen. Wir beginnen mit dem Ab- Markt ist. Und genau das tut diese Zahl nicht. lauf der Redezeit erst dann, wenn Sie hier vorne angekommen sind. – Frau Sudmann hat das Wort, (Andy Grote SPD: Eine Baugenehmigungs- bitte. zahl kann nichts aussagen!) Wir brauchen deshalb – Herr Grote, Sie haben Heike Sudmann DIE LINKE:* – Glücklicherweise eben selbst gesagt, es sei ein Bruttowert – Netto- bin ich noch nicht zum Podium gerannt. werte, wir brauchen deshalb Zeitnähe. Verstecken Es ist schon eine etwas schräge Debatte, denn ei- Sie sich nicht einfach dahinter, dass in den Bezirk- gentlich sollten alle feststellen, dass es ein Erfolg sämtern zu wenig Personal sei. Sie haben selbst ist. Das muss man neidlos sagen, denn es passiert mit den Bezirksämtern den Vertrag für Hamburg wesentlich mehr im Wohnungsbau. Es ist aus un- unterschrieben. Dann müssen Sie dafür auch die serer Sicht zu wenig, aber es passiert etwas. Herr Sachen bereitstellen. Duge, ich finde Ihre Aussage von daher schon et- (Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- was komisch, wenn Sie sagen, 6811 genehmigte mann und Thomas Kreuzmann, beide CDU) Wohnungen würden den Wohnungssuchenden wenig helfen. Da haben Sie zwar recht, aber den Dieser Antrag geht in die richtige Richtung und ich Wohnungssuchenden hätte es geholfen, wenn Sie hoffe, dass wir da einen Schritt weiterkommen und unter Schwarz-Grün wesentlich mehr Wohnungen die Zahlen dann auch wirklich einmal versprechen, gebaut hätten. Das haben Sie ausgeblendet. was dahinter ist und keine Illusionen schaffen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2297

(Heike Sudmann)

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Ole (Jörg Hamann CDU: Ah!) Thorben Buschhüter SPD: Bravo!) Natürlich kann man immer weiter versuchen, noch Es ist mir gerade ein bisschen peinlich, dass die mehr Zahlen zu bekommen und sie einander anzu- SPD so voller Begeisterung klatscht, denn jetzt gleichen. Nur haben wir jetzt deutlich bessere Zah- sind Sie nämlich an der Reihe. len, als wir je hatten. Wir haben vollständige Ge- nehmigungszahlen, sogar monatlich, und wir wer- (Jan Quast SPD: Deinetwegen! Weil du das den Fertigstellungszahlen bekommen, die direkt jetzt gesagt hast!) von den Bauherren aufgrund der Verpflichtung in Nun sind Sie aber an der Reihe, weil die Zahl allein der Baugenehmigung an die Bezirksämter gemel- uns wenig hilft. Nicht nur die CDU hat Anfragen ge- det werden; das hatten wir bisher nicht. stellt, sondern auch ich. Es ging mir vor allen Din- (Dietrich Wersich CDU: Das war doch keine gen darum, was gebaut wird. Werden Eigentums- Abschiedsrede, seien Sie doch einmal groß- wohnungen genehmigt, werden Mietwohnungen zügig! Stimmen Sie doch der Überweisung genehmigt, was passiert da eigentlich? Der Senat als Abschiedsgeschenk zu!) hat gesagt, darauf könne er keine Antworten ge- ben. Und da wir im Gegensatz zu Ihnen der festen Wir haben die Bewilligungszahlen, um sagen zu Überzeugung sind, dass wir wesentlich mehr ge- können, was im geförderten Wohnungsbau pas- förderten Wohnungsbau und wesentlich mehr Miet- siert. Damit haben wir jetzt eine insgesamt deutlich als Eigentumswohnungen brauchen, fehlen diese verbesserte Lage. Zahlen. Alle anderen Zahlen, die das Statistikamt erheben (Andy Grote SPD: Die Bewilligungen gibt es müsste, bekommen wir von Hamburgs Seite aus doch, das wissen Sie!) nicht bewegt. Deswegen ergibt es auch keinen Sinn, auf der Grundlage diesen Antrag zu überwei- Ich habe festgestellt, dass auch die SPD sagt, sen. Die Zahlen werden immer in wichtigen Berei- dass zwar einige Zahlen da seien und dass weitere chen auseinanderfallen, das geht gar nicht anders. Zahlen kommen würden, aber ich habe das Ge- Die Brutto- und Nettobetrachtung, die die CDU fühl, dass es einen Beratungsbedarf gibt. Deswe- gern anstellt und worauf die GAL ein wenig einge- gen beantrage ich jetzt die Überweisung dieses schwenkt ist, ergibt auch keinen wirklichen Sinn, Antrags an den Stadtentwicklungsausschuss, da- weil alle Zielzahlen, die sich je jemand vorgenom- mit wir gemeinsam schauen können, was man ver- men hat, sowohl die schwarz-grünen Zielzahlen ändern kann. Herr Grote, Sie schienen mir eben von 5000 bis 6000 Wohnungen als auch unsere relativ offen dafür. Wir haben nämlich wirklich ein Zielzahlen von 6000, immer Bruttozahlen sind. Das Defizit. Wenn wir Anfragen stellen und der Senat geht auch gar nicht anders, weil man nur die neu- sagt, er könne das nicht beantworten, dann kann en Wohnungen, Genehmigungen und Fertigstel- das nicht richtig sein. lungen sinnvoll erfassen kann. Sie können die Ab- (Beifall bei der LINKEN) gänge nie sinnvoll gegenrechnen, weil Sie die nicht erfassen. Sie müssten nämlich zum einen ab- Wenn Sie dieser Überweisung nicht zustimmen gerissene Wohnungen erfassen. Sie müssten Zu- sollten, werden wir trotz einiger Mängel dem sammenlegungen erfassen, wobei sich hier schon CDU-Antrag zustimmen, denn, Herr Roock, die die Frage stellt, wo denn der Negativeffekt ist, Richtung ist richtig, wir brauchen mehr belastbare wenn ich zwei Wohnungen habe, in denen zwei Zahlen. Singles wohnen, und die dann zu einer zusam- (Beifall bei der LINKEN – Jan Quast SPD: mengelegt werden sollen, in denen anschließend Nun haben Sie Herrn Roock in Verlegenheit eine Familie mit zwei Kindern wohnt. Das ist alles gebracht!) sehr schwierig. Sie müssten dann auch alle dauer- haften Zweckentfremdungen in die Statistik auf- Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Frau nehmen, das sind auch Wohnungen, die herausfal- Sudmann, habe ich das richtig verstanden, Sie ha- len. ben einen Überweisungsantrag gestellt? Sie werden in diesem Bereich aus vielen unter- schiedlichen Gründen keine belastbaren Zahlen er- Heike Sudmann DIE LINKE:* Ganz kurzfristig, halten. Die hat es unter der CDU nie gegeben und den haben wir alle gestellt. die wird es auch in Zukunft, jedenfalls bei der Bun- desstatistik, nicht geben. Insofern muss man sich Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Herr an dem orientieren, worüber man verlässliche Zah- Grote, bitte. len hat. (Dietrich Wersich CDU: Aber die machen Andy Grote SPD:* Dann will ich kurz etwas dazu auch Nettozahlen!) sagen, warum es absolut keinen Sinn ergibt, die- sen Antrag zu überweisen. 2298 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Andy Grote)

Das sind Genehmigungen und Fertigstellungen, [Antrag der GAL-Fraktion: und da werden wir bessere Zahlen haben als in Mindestlohngesetz für Hamburg der Vergangenheit. – Vielen Dank. – Drs 20/3880 –] (Beifall bei der SPD) Die Fraktionen der GAL und der LINKEN möchten die beiden letztgenannten Drucksachen federfüh- Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen rend an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und In- Dank, Herr Grote. tegration sowie mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, wir Wer wünscht das Wort? – Herr Schwieger wünscht kommen damit zur Abstimmung. Wie gerade schon es und hat es. mitgeteilt, beantragt die Fraktion DIE LINKE eine Überweisung der Drucksache an den Stadtent- wicklungsausschuss. Jens-Peter Schwieger SPD: Herr Präsident, mei- ne sehr geehrten Damen und Herren! Wir Sozial- Wer möchte diesem Überweisungsantrag zustim- demokratinnen und Sozialdemokraten sind der men? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist Meinung, dass jemand, der den ganzen Tag arbei- abgelehnt worden. tet, von den Früchten seiner Arbeit leben können Damit kommen wir zur Abstimmung in der Sache. muss. Wer möchte den Antrag der CDU-Fraktion aus der (Beifall bei der SPD und bei Farid Müller Drucksache 20/3690 annehmen? – Gegenprobe. GAL) – Enthaltungen? – Das ist abgelehnt worden. Leider sieht die Wirklichkeit anders aus. Allein in Hamburg sind fast 33 000 erwerbstätige Menschen zusätzlich auf staatliche Unterstützung angewie- Ich rufe dann auf die Tagesordnungspunkte 37 sen. Rund die Hälfte dieser Menschen geht einer und 47, das sind die Drucksachen 20/3743 und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, 20/3757, Antrag der SPD-Fraktion: Ein Landesmin- und selbst Menschen mit einer Vollzeitbeschäfti- destlohngesetz als Baustein für "Gute Arbeit" in gung – das sind ungefähr 7300 in Hamburg – sind Hamburg, zusammen mit dem Antrag der Fraktion auf staatliche Transferleistungen angewiesen, weil DIE LINKE: Mindestlohn ist notwendig – Mindest- ihr Lohn zum Leben nicht reicht. Armut trotz Arbeit, lohn in Hamburg ist möglich! das ist ein sozialpolitischer Skandal. (Beifall bei der SPD) [Antrag der SPD-Fraktion: Ein Landesmindestlohngesetz als Baustein für Dieser Skandal ist für uns Sozialdemokratinnen "Gute Arbeit" in Hamburg und Sozialdemokraten nicht hinnehmbar, und des- – Drs 20/3743 –] halb ist die Einführung eines verbindlichen Min- destlohns erforderlich. Dieses ist ein Baustein zu [Antrag der Fraktion DIE LINKE: guter Arbeit, zu existenzsichernden Löhnen und Mindestlohn ist notwendig – Mindestlohn in zur Verhinderung von Altersarmut. Hamburg ist möglich! (Beifall bei der SPD) – Drs 20/3757 –] Hierzu hat der Senat immer wieder im Bundesrat Zur Drucksache 20/3743 liegen Ihnen als Drucksa- einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einge- chen 20/3845, 20/3865 und 20/3871 Anträge der fordert. Dieser scheiterte aber bislang an der Bun- Fraktionen der FDP, der CDU und der LINKEN vor. desregierung aus CDU und FDP, wohl vor allem an der FDP, wie der vorliegende Antrag heute [Antrag der FDP-Fraktion: deutlich zeigt. Hamburg setzt auch zukünftig auf die Tarifauto- (Beifall bei der SPD) nomie – Drs 20/3845 –] Auch haben wir, hat dieser Senat zahlreiche Initia- tiven angepackt, um im eigenen Verantwortungs- [Antrag der CDU-Fraktion: bereich konsequent diesem gesellschaftlichen Lohnuntergrenzen in Hamburg Skandal entgegenzuwirken. Ich verweise hier nur – Drs 20/3865 –] auf die Initiativen "Equal pay for equal work", glei- cher Lohn für gleiche Arbeit in allen öffentlichen [Antrag der Fraktion DIE LINKE: Unternehmen und die Verankerung eines Mindest- "Gute Arbeit" für ein Landesmindestlohngesetz lohns im Vergaberecht. – Drs 20/3871 –] Ein weiterer konsequenter Schritt im Verantwor- Darüber hinaus liegt Ihnen zur Drucksache tungsbereich Hamburg kann aus unserer Sicht ein 20/3757 ein Antrag der GAL-Fraktion, Drucksache Landesmindestlohngesetz sein. Daher ersucht die 20/3880, vor. SPD-Fraktion den Senat zu prüfen, wie mit einem Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2299

(Jens-Peter Schwieger)

Hamburger Mindestlohngesetz die Voraussetzung Meine Damen und Herren von der FDP! Legen Sie geschaffen werden kann, dass ein Mindestlohn endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab, ver- von 8,50 Euro in allen öffentlichen Unternehmen abschieden Sie sich von dem Märchen, Mindest- eingehalten wird. lohn vernichte Arbeitsplätze. In der deutschen Bauindustrie ist davon nichts zu merken. (Christiane Schneider DIE LINKE: Können Sie nicht mal selber springen?) Auch diesen Antrag werden wir natürlich ablehnen. – Vielen Dank für den Hinweis, Frau Schneider, (Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Natür- Sie kommen gleich noch dran. lich! Das war gut!) Nun zu den vorliegenden Alternativ-, Änderungs- – Dann wissen Sie doch wenigstens, woran Sie und Ergänzungsanträgen der Oppositionsfraktio- sind. nen. Schon die Fülle zeigt das Dilemma der Oppo- (Beifall bei der SPD) sition, denn auf den fahrenden Zug aufzuspringen ist sehr schwierig. Klare und deutliche Ansagen helfen der Oppositi- on, so einfach ist das. Die Fraktion der CDU fordere ich auf, endlich das Hin und Her – gesetzlicher Mindestlohn nein, aber Nun zum vorliegenden Antrag der LINKEN. Sie, Lohnuntergrenze ja vielleicht – zu beenden. Sie verehrte Kolleginnen und Kollegen, fordern einen wollen anscheinend differenzierte Mindestlöhne, Mindestlohn von 10 Euro je Arbeitsstunde. Ich bin wir jedoch stehen für einen einheitlichen Mindest- der Meinung, die Tarifautonomie stellt einen hohen lohn. Wir stehen für den Wert der Arbeit, ein Min- Wert dar. Grundsätzlich ist es gut, dass die Lohn- destlohn muss von Sozialhilfe unabhängig ma- findung eine Frage der Tarifparteien ist. Im Bereich chen, und für die betroffenen Menschen macht es der prekären Beschäftigungsverhältnisse ist die einen Unterschied, ob sie für unter 7 Euro oder für Tarifautonomie aber de facto nicht existent. Daher 8,50 Euro arbeiten. unsere Forderung nach einem Mindestlohn, da sind wir uns einig. Mit Ihrer Forderung nach einem (Beifall bei der SPD) Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde würden wir Ihre zahlreichen und zusätzlich formulierten Prüf- allerdings den Tarifvertrag für den öffentlichen aufträge in Ihrem Antrag erinnern eher an eine An- Dienst der Länder und somit die Tarifautonomie frage und dienen mehr der Verhinderung als der unterlaufen. Das ist nicht unser Ansinnen. Durchsetzung eines Mindestlohns. Wir werden Ih- (Beifall bei der SPD) ren Antrag daher ablehnen. Aus Paragraf 7 Ihres Antrags ist nicht ersichtlich, Zum Antrag der FDP-Fraktion: Das ist offen und ob es sich bei der von Ihnen geforderten Mindest- ehrlich. Wie heißt es so schön bei Ihnen: Leistung lohnkommission um ein beratendes oder ein ent- muss sich wieder lohnen. Für mehr als scheidendes Gremium handelt. Sollte es sich um 30 000 Hamburgerinnen und Hamburger muss das ein bindendes Votum handeln, stellen sich hier er- wie ein Hohn klingen. Die von Ihnen behauptete hebliche verfassungsrechtliche Fragen. Es zeigt Gefahr von Arbeitsplatzverlusten durch die Einfüh- sich, dass es nicht reicht, das bremische Mindest- rung eines Mindestlohns ist durch Studien der Uni- lohngesetz zu kopieren und mit "Suchen" und "Er- versität Barclay klar widerlegt worden. setzen" Bremen durch Hamburg und 8,50 Euro (Finn-Ole Ritter FDP: Jugendarbeitslosigkeit! durch 10 Euro zu ersetzen. Gehen Sie mal darauf ein!) Die SPD-Fraktion wird Ihren Antrag sowie Ihren Ich füge hinzu, dass die große Mehrheit der Nied- Zusatzantrag ablehnen. riglohn-Beschäftigten Menschen mit abgeschlosse- (Finn-Ole Ritter FDP: Natürlich nicht zustim- ner Berufsausbildung sind und mittleren Alters, al- men, sondern ablehnen!) so aus dem zentralen Spektrum des Arbeitsmarkts. – Natürlich nicht zustimmen, sondern ablehnen, Auch Ihre Hoffnung, dass Niedriglöhne als Sprung- Herr Ritter. brett dienen, erfüllt sich immer seltener. Die GAL-Fraktion hat dankenswerterweise auf die (Phyliss Demirel GAL: Richtig! – Dr. Tho- Kopiererei aus dem bremischen Mindestlohnge- mas-Sönke Kluth FDP: Weil's immer weni- setz hingewiesen, übernimmt diesen aber genau- ger Arbeitslose gibt!) so, nur mit 8,50 Euro. Auch in Ihrem Antrag ist 20 von 27 Mitgliedern der EU haben einen gesetz- demnach die Rolle der Mindestlohnkommission un- lichen Mindestlohn, sogar in den USA gibt es ihn. geklärt, daher wirft auch Ihr Antrag verfassungs- Die USA sind nun nicht gerade verdächtig, ein so- rechtliche Fragen auf. zialistisches Land zu sein. In beiden Fällen muss ich darauf hinweisen, dass (Beifall bei der SPD) Bremen sich erst um die Vergaberichtlinie geküm- mert hat und erst danach das Mindestlohngesetz 2300 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Jens-Peter Schwieger) beschlossen hat. Aus diesen Gründen werden wir Monat hat sich Hamburg im Bundesrat abermals auch diesen Antrag ablehnen. einer Initiative für einen gesetzlichen Mindestlohn angeschlossen. Dieser Antrag führt also auch nicht Ich möchte alle Fraktionen in diesem Hause um weiter. die Zustimmung für unseren Antrag bitten, auch, weil er der am weitestgehende ist. Senden wir ein Und die SPD? Etwas vollmundig wird in einer gemeinsames Signal an alle Hamburgerinnen und Presseerklärung ein Hamburger Mindestlohnge- Hamburger; gute Arbeit braucht gerechte Löhne. setz angekündigt. Doch wer den Antrag genauer – Vielen Dank. liest, gewinnt den Eindruck, dass die SPD selbst nicht sicher ist, ob sie den richtigen Weg nach (Beifall bei der SPD) Rom eingeschlagen hat. Da wird der Senat aufge- fordert, zu prüfen, wie mit einem – Zitat – Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen Dank, Herr Schwieger. – Das Wort hat Frau Dr. "[…] 'Hamburger Mindestlohngesetz' die Föcking. rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden können, um zu gewährleisten, dass zukünftig im Grundsatz jede Unterschreitung Dr. Friederike Föcking CDU: Sehr geehrter Herr einer gesetzlichen Lohnuntergrenze von Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber 8,50 Euro (brutto)/Stunde bei den Beschäf- Herr Schwieger, wenn Sie schon auf internationale tigten der Freien und Hansestadt Hamburg, Vergleiche nicht verzichten wollen, dann sollten den städtischen Unternehmen und Einrich- Sie doch wissen, auf welches Glatteis Sie sich da- tungen sowie nach Möglichkeit bei den Zu- bei begeben. Die USA, in denen seit 1938 ein ge- wendungs- und Förderempfängerinnen und setzlicher Mindestlohn besteht, Spanien, Portugal -empfängern der Freien und Hansestadt und Griechenland – alles Länder mit gesetzlichem Hamburg wirksam verhindert werden kann." Mindestlohn – als Vergleichsgrößen dafür heranzu- ziehen, dass ein Mindestlohn Arbeitslosigkeit ver- All die Kautelen mit "prüfen", "nach Möglichkeit" hindern kann, ist in diesen Zeiten ziemlich proble- (Christiane Schneider DIE LINKE: Im Grund- matisch. satz!) (Beifall bei der CDU) und "im Grundsatz" zeigen, dass Sie sich selbst Aber ich gebe zu, dass das Thema Mindestlohn über die Auswirkungen Ihrer Initiative nicht sicher – oder Lohnuntergrenze, wie wir sagen – ein sind. schwieriges Thema ist. Das Interessante an dieser (Beifall bei der CDU) Debatte ist, dass wir uns in unserem Anliegen weit- gehend einig sind: Wir wollen Lohndumping und Für welche Beschäftigten der Stadt würde ein sol- ruinösen Lohnwettbewerb bekämpfen, und wir wol- ches Gesetz überhaupt den Lohn erhöhen? Was len, dass Menschen, die den ganzen Tag hart ar- würde es für die betroffenen freien Träger und die beiten, auch von ihrer Arbeit leben können. Das ist verschiedensten Dienstleistungsunternehmen be- das Ziel der CDU in Hamburg und im Bund, und deuten, und was nicht zuletzt für den Hamburger dieses Ziel lassen wir uns auch von niemandem Haushalt? Wie viel mehr müsste die Stadt an wen absprechen. zahlen? Wo würde sie das einsparen? Müssten dann möglicherweise städtische Arbeitsplätze ab- (Beifall bei der CDU) gebaut werden? Müssten zum Beispiel ein Teil der Uneinig sind wir uns allerdings bei der Frage, wie 110 neuen Sicherheitsleute bei S-Bahn und Hoch- dieses Ziel zu erreichen ist. Nun führen bekanntlich bahn wieder gehen, für die derzeit eine Lohnunter- viele Wege nach Rom, aber nicht alle. Die Kolle- grenze von 7,31 Euro gilt? Wäre das dann wirklich ginnen und Kollegen von der LINKEN fordern noch im Sinne der von Ihnen postulierten "Guten einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro für Arbeit"? Hamburg. Das würde einem Teil der Arbeitsplatz- Fragen über Fragen, die Sie offen lassen und die besitzer sicher nützen, aber es bleiben all diejeni- die GAL mit einer rasch gestellten Schriftlichen gen auf der Strecke, die noch keine Arbeit haben Kleinen Anfrage auch nicht klären konnte. In der oder etwa als Geringqualifizierte für 10 Euro die Senatsantwort finden sich vor allem Aussagen und Stunde auch nichts finden werden. Ein solcher Schätzungen, die sich auf den Bund oder die Sozi- Weg wäre eine Sackgasse, denn – das wird bei alversicherung beziehen, für Hamburg dagegen dem Thema Mindestlohn gern vergessen – das wenig. Dafür sind acht Tage auch zu knapp. Trotz- größte Armutsrisiko trägt in Deutschland der, der dem geht nun auch die GAL den Weg ins Unge- keine Arbeit hat. wisse und legt ein Mindestlohngesetz mit (Beifall bei der CDU) 8,50 Euro vor. Wir fordern deshalb eine umfassen- de Klärung dieser Fragen, ganz zu schweigen von Der Antrag der FDP hingegen hinkt seiner Zeit et- den ganzen vergaberechtlichen Problemen auf der was hinterher. Er fordert vom Senat, nicht zu tun, was er schon längst getan hat. Vor einem guten Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2301

(Dr. Friederike Föcking)

Ebene des Europarechts, die der Antrag der SPD (Beifall bei der CDU) auch birgt. Eines hat die Anfrage der GAL allerdings schon Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen jetzt ergeben: Dort, wo die Stadt Arbeitgeberin ist, Dank, Frau Föcking. – Das Wort hat Frau Demirel. zahlt sie bereits 8,50 Euro und mehr. Hier fordern SPD und GAL also etwas, was längst Wirklichkeit Phyliss Demirel GAL:* Herr Präsident, meine Da- ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. men und Herren! Zukunftsfähige Arbeitsplätze und erfolgreiche Integration von Arbeitslosen in den (Beifall bei der CDU) ersten Arbeitsmarkt sind die Hauptziele grüner Ar- Möglicherweise ergibt die Prüfung aber auch für beitsmarktpolitik. Jeder Mensch hat ein Recht auf weitere Bereiche, dass hier Forderungen gestellt existenzsichernde Arbeit. Aus unserer Sicht ist es werden, die in der Stadt längst erfüllt sind. Schließ- nicht akzeptabel, wenn Menschen nicht von ihrer lich haben wir gerade nach dem Streik im öffentli- Arbeit leben können. chen Dienst Lohnsteigerungen in den städtischen Die Bundesregierung präsentiert dieser Tage feier- Betrieben. Schließlich haben wir etwa bei den Ge- lich den Rückgang der Arbeitslosenzahlen. Die bäudereinigern bereits eine Lohnuntergrenze von Konjunktur steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt: Eine 8,82 Euro und bei den Pflegekräften – und damit glänzende Bilanz, die als Regierungserfolg ver- bei vielen freien Trägern – von 8,75 Euro. Im Bau- kauft wird. Aber was steckt hinter dieser glänzen- gewerbe, im Elektrohandwerk, bei Malern und den Fassade? Hinter dieser glänzenden Fassade Lackierern liegen die Grenzen schon deutlich hö- stecken der massive Abbau von sozialversiche- her; das wissen Sie doch auch. Das alles – und rungspflichtiger Beschäftigung, prekäre Beschäfti- damit sind wir wieder bei dem Weg nach Rom – ist gungsverhältnisse, ein enorm wachsender Niedrig- aber nicht durch ein Mindestlohngesetz erreicht lohnsektor und Armut. Immer mehr Menschen ver- worden. Das wurde durch die Tarifpartner erreicht, lieren ihre sichere Arbeit; Leiharbeit, befristete Ein- (Beifall bei Dietrich Wersich CDU) stellungen und Ausgliederung von Betriebsteilen per Werksvertrag nehmen zu. Besonders stark von dadurch, dass sich Arbeitgeber und Gewerkschaf- Niedriglöhnen betroffen sind Frauen, sehr junge ten im Rahmen der bereits gegebenen rechtlichen und alte Menschen, Alleinerziehende und Paare Möglichkeiten geeinigt haben und diese Grenzen mit Kindern. Das können und das werden wir nicht dann für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Das mittragen. ist ein Weg, den wir als CDU bei diesem wirklich schwierigen Thema auch weiter gehen wollen. (Beifall bei der GAL) (Beifall bei der CDU) Es wird gern von Wachstum geredet, aber ohne ei- ne entsprechende Lohnentwicklung, aber Wachs- Die Autonomie der Tarifpartner – Herr Rose, hören tum braucht eine solidarische Lohnpolitik. Spürba- Sie gut zu –, die das Grundgesetz schützt, hat un- re Lohnerhöhungen, besonders bei den unteren sere soziale Marktwirtschaft erfolgreich gemacht. Einkommen, sind ein Gebot sozialer Gerechtigkeit. Da müssten Ihnen doch die Ohren klingen. Die Ta- rifpartner haben die notwendige Expertise, um den (Beifall bei der GAL) richtigen Punkt zu definieren, damit keine Ar- Um Wachstum und Beschäftigung einigermaßen beitsplätze zerstört, aber faire Löhne gezahlt wer- gerecht zu gestalten, brauchen wir einen Schutz- den. Sie haben seit 16 Jahren für eine Reihe von wall gegen Dumpinglöhne. Dieser ist zugleich ein Branchen Lohnuntergrenzen vereinbart, übrigens Schutz seriöser Unternehmer vor ruinöser Konkur- immer unter CDU-Kanzlern. renz. Auf Bundesebene wird jetzt eine Kommission, die Im April 2011 hat die Prognos AG im Auftrag der paritätisch aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie zur Auswir- besetzt ist, eine allgemeine verbindliche Lohnun- kung eines Mindestlohns auf die öffentlichen Haus- tergrenze definieren, die für die Bereiche gilt, in de- halte erstellt. Bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro nen kein Tariflohn besteht. Dies wird dann auch in belegt die Studie positive fiskalische Effekte in Hö- Hamburg gelten. Nicht politisch und bürokratisch he von 7 Milliarden Euro als Folge von zusätzli- festgelegte statische Grenzen quer über alle Bran- chen Steuereinnahmen, höheren Sozialbeiträgen chen hinweg, sondern Lohnuntergrenzen, die aus und ersparten Sozialtransfers. Ein Mindestlohn von der Sachkenntnis der Tarifpartner gefunden und 8,50 Euro wird auch Veränderungen im Konsum- immer wieder neu verhandelt werden, sind der verhalten privater Haushalte nach sich ziehen. Wer Weg, um dauerhaft Lohndumping zu verhindern, mehr verdient, kann auch mehr ausgeben – ein ohne Arbeitsplätze gerade für Ungelernte zu ver- weiterer positiver Effekt des Mindestlohns auf die nichten und Jugendlichen den Berufseinstieg zu Gesamtwirtschaft. verbauen. Dieser Weg, meine Damen und Herren, führt auf die Dauer wirklich nach Rom. – Vielen Im wurde das Thema in dieser Legisla- Dank. turperiode sieben Mal debattiert – ohne Ergebnis. 2302 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Phyliss Demirel)

Wir bleiben auf Bundesebene bei unserer Forde- dem SGB II beziehen müssen, darunter 8000 Be- rung nach einem allgemeinen gesetzlichen Min- schäftigte mit einer Vollzeitbeschäftigung. Wir wer- destlohn von 8,50 Euro, genauso wie die SPD. So- den die Anträge von SPD- und CDU-Fraktion ab- lange unsere Forderung aber nicht erfüllt wird, se- lehnen, weil beide nur auf Zeit spielen, anstatt hen wir die Stadt Hamburg in der Pflicht, als Arbeit- längst überfällige Maßnahmen zu ergreifen. Den geberin vorbildlich dafür zu sorgen, dass ihre Be- Antrag der FDP-Fraktion werden wir ebenfalls ab- schäftigten angemessen bezahlt werden. Das gilt lehnen, weil er einfach am Thema vorbeigeht. nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch für – Vielen herzlichen Dank. Beschäftigte von Dienstleistungsunternehmen, die (Beifall bei der GAL) Aufträge der Stadt erhalten. Hamburg verfügt zwar nicht über die Gesetzgebungskompetenz für die Einführung eines allgemeinen Mindestlohnge- Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen setzes, kann aber ein Landesmindestlohngesetz Dank, Frau Demirel. – Das Wort hat Herr Dr. Kluth. erlassen. In Bremen hat die rot-grüne Landesregie- (Jens-Peter Schwieger SPD: Arbeiterführer rung diesen Weg eingeschlagen und die Einfüh- Dr. Kluth!) rung eines Mindestlohngesetzes im Februar dieses Jahres in erster Lesung beschlossen. Dem wollen Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP:* Herr Präsident, wir folgen. meine Damen und Herren! Angesichts der Anträge (Beifall bei der GAL) von SPD und GAL ist mir der Gedanke gekommen, ob ich in dieser Debatte nicht einmal etwas Gutes Das grüne bremische Mindestlohngesetz ist die für meine Partei tun könnte und sollte; wie Sie wis- Grundlage unseres Entwurfs für ein hamburgi- sen, sind unsere Umfragewerte durchaus ausbau- sches Mindestlohngesetz. Offensichtlich ist das bei fähig. der LINKEN ebenso der Fall. Die Fraktion DIE LIN- KE hat den Bremer Gesetzentwurf bis auf die Hö- (Matthias Albrecht SPD: Mindestumfrage- he des Mindestlohns 1:1 übernommen. Das freut werte! – Dr. Andreas Dressel SPD: Also, die uns zwar, aber interessanterweise steht es nir- FDP steht nicht bei 8,50!) gendwo in Ihrem Antrag. Wenn man etwas kopiert, Die SPD fordert einen gesetzlichen Mindestlohn dann sollte man wenigstens die Urheberin erwäh- von 8,50 Euro, DIE LINKE und die GAL fordern nen. 10 Euro. Warum also nicht gleich 12 Euro fordern (Beifall bei der GAL) – die FDP war bekanntlich immer für besseres Ver- dienen. Ich tue das deshalb nicht, weil ich die et- Der einzige Unterschied zwischen den beiden An- was altmodische Auffassung vertrete, dass man trägen liegt in der Höhe des Mindestlohns. Wir for- politisch zu dem stehen sollte, was man in der Sa- dern in unserem Zusatzantrag einen Mindestlohn che für richtig hält, von 8,50 Euro auf Bundes- und Landesebene, DIE LINKE fordert 10 Euro. (Jörg Hamann CDU: Klassische FDP-Politik! – Heiterkeit bei der SPD) Alle Fakten sprechen für ein Landesmindestlohn- gesetz. Nach den vorhergehenden Beiträgen er- anstatt danach zu gehen, was der Partei nutzt oder schließt es sich mir daher nicht, warum SPD und schadet. CDU das Mindestlohngesetz auf die lange Bank Das ist für mich schon eine etwas gespenstische schieben wollen. Auch die Antwort auf unsere Vorstellung: Die Politik setzt die Löhne fest und die Schriftliche Kleine Anfrage zeigt, dass keine nega- Parteien betreiben einen Überbietungswettbewerb. tiven Auswirkungen auf den Hamburger Haushalt Die SPD fordert 8,50 Euro, DIE LINKE und die zu erwarten sind, im Gegenteil. Wortwörtlich heißt Grünen 10 Euro es dort, dass (Zurufe von der GAL: Nein!) "[…] ein Mindestbruttolohn von 8,50 Euro in allen Leistungsbereichen zu finanziellen Ent- und die Piraten demnächst vielleicht 12,50 Euro. lastungen führen […]" (Glocke) würde. Daher ist es auch nicht nachvollziehbar, warum Sie bis Ende dieses Jahres die Auswirkun- Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- gen eines solchen Gesetzes auf den Hamburger brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Haushalt prüfen wollen. Sie sollten lieber auf Lan- Zwischenfrage der Abgeordneten Sudmann? desebene die Missstände abbauen, die Sie auf Bundesebene anprangern, liebe SPD. Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Frau Sudmann, Wir als GAL-Fraktion wollen ein Landesmindest- bitte. lohngesetz, und zwar jetzt. Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass über 30 000 Beschäftigte in Zwischenfrage von Heike Sudmann DIE LINKE:* Hamburg trotz Arbeit ergänzende Leistungen nach Ich möchte nur wissen, ob Sie den Antrag der GAL Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2303

(Heike Sudmann) gelesen haben, denn die GAL fordert 8,50 Euro besteht. Wenn ein solches bestehen sollte – was und nicht 10 Euro; da haben wir ein Alleinstel- wir, wie gesagt, nicht wissen –, dann stellt sich lungsmerkmal. auch die Frage, was für Tarifverträge ver.di da ei- gentlich vereinbart hat; aber das nur am Rande. Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP (fortfahrend): Ich (Beifall bei der FDP) bin gerne bereit, das zu korrigieren. Vielen Dank für den Hinweis. Meine Damen und Herren von den antragstellen- den Fraktionen: Machen Sie zunächst einmal Ihre (Jens Kerstan GAL: Danke an DIE LINKE für Hausaufgaben. Die FDP jedenfalls lehnt beide An- die Klarstellung!) träge ab und legt Ihnen stattdessen einen Zusatz- Das muss man sich einmal vorstellen: in Wahl- antrag vor, in dem die Einführung eines gesetzli- kampfzeiten dann vielleicht immer ein bisschen chen Mindestlohns abgelehnt wird. Herr Kollege mehr. Bezahlen sollen das die Unternehmen, aber Schwieger hat den Inhalt im Wesentlichen schon ausbaden müssen es letztlich die Arbeitnehmer, richtig dargestellt, nur natürlich politisch falsch ge- nämlich durch Jobverlust. würdigt. – Vielen Dank. (Heike Sudmann DIE LINKE: Altersarmut!) (Beifall bei der FDP) Deshalb lehnt die FDP gesetzliche branchenüber- Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen greifende Mindestlöhne ab. Dank, Herr Dr. Kluth. – Das Wort hat Herr Golke. (Beifall bei der FDP) Keine Frage, es kann niemanden politisch befriedi- Tim Golke DIE LINKE: Herr Präsident, sehr geehr- gen, wenn ein geringer Teil von Arbeitnehmern te Damen und Herren! Sie haben recht – man und Arbeitnehmerinnen trotz Vollzeittätigkeit auf muss Ihnen etwas zu meckern lassen, bevor Sie ergänzende Transferleistungen angewiesen ist. gar nichts mehr zu meckern haben –: Dieser An- trag ist in größeren Teilen aus Bremen übernom- (Beifall bei Heike Sudmann DIE LINKE) men, und nicht nur der Antrag. Der Abgeordnete, Hieran gibt es nichts zu beschönigen, aber daran der vor Ihnen steht, hat viele Jahre seines Lebens, durch einen Mindestlohn etwas ändern zu wollen, nämlich 19, dort verbracht. So lange wollen wir mit ist nach unserer Auffassung der falsche Weg. einem Mindestlohn nicht mehr warten. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der LINKEN) Schauen Sie sich etwa die Studie des ifo Instituts Fragen wir einmal – Herr Dr. Kluth hat das auch an, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Einfüh- gerade gefragt –, wie viele Beschäftigte das ei- rung eines gesetzlichen Mindestlohns von gentlich betrifft. Das ist eine spannende und auch 8,50 Euro voraussichtlich 1,2 Millionen Arbeitsplät- eine schwierige Frage, da gebe ich Ihnen gern ze und etwa 740 000 Minijobs kosten wird. Treffen recht. Nach Schätzungen, die wir nicht alleine ge- würde das also besonders Menschen, die als Ge- macht haben – wir haben mit den Gewerkschaften ringverdiener oder Hartz-IV-Empfänger auf einen gesprochen –, sind etwa 6000 Beschäftigte im Be- Zuverdienst angewiesen sind. Die Schaffung eines wachungs- und Reinigungsgewerbe betroffen. Es gesetzlichen Mindestlohns ist daher eine unsoziale geht nicht nur um städtische Beschäftigte und Be- Arbeitsmarktpolitik, weil sie Arbeitsplätze vernichtet triebe im öffentlichen Dienst, sondern auch um Zu- und mehr Menschen von Transferleistungen ab- wendungs- und Vergabeempfänger und -empfän- hängig macht und nicht weniger. gerinnen. Von daher ist das Ganze schwer zu überblicken. In diesem Sinne Richtung CDU ein (Beifall bei der FDP) kleines Chapeau von mir; Sie wollen genau das Die FDP ist aber nicht nur gegen die Einführung ei- herausfinden und dieses Ansinnen ist durchaus nes politisch festgesetzten Mindestlohns, sondern nachzuvollziehen. lehnt auch das vorgeschlagene Mindestlohngesetz Es wurde schon gesagt, dass der Tarifvertrag im für Hamburg ab. Wer neue Gesetze oder Verord- Sicherheitsgewerbe momentan auf unterster Stufe nungen einführen will, der muss auch deren Not- – das ist nicht das Ultimo, es gibt Zulagen und zum wendigkeit begründen, denn alles andere bedeutet Teil höhere Löhne – einen Lohn von 7,31 Euro vor- nur mehr Bürokratie. Es findet sich aber weder im sieht. Dafür arbeiten Menschen in Museen oder Antrag der LINKEN noch im Antrag der Sozialde- Gefängnissen, als Reinigungspersonal in Behör- mokraten eine konkrete Angabe darüber, wie viele den – vielleicht auch in Ihren Büros – und für Cate- Beschäftigte der Stadt oder in städtischen Unter- rer bei Veranstaltungen. nehmen überhaupt weniger als 10 Euro bezie- hungsweise 8,50 Euro die Stunde verdienen. Wir (Glocke) wissen also gar nicht, wie viele Beschäftigte das Gesetz überhaupt betrifft, wir wissen nicht einmal, Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- ob überhaupt ein regelungsbedürftiges Problem brechend): Herr Abgeordneter, einen Moment bitte. 2304 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

– Meine Damen und Herren! Es redet nur Herr Das geht nicht mit 8,50 Euro. 8,50 Euro in der Golke, und sonst niemand. – Fahren Sie bitte fort. Stunde sind, wenn man das einmal hochrechnet, nicht alterssichernd. Tim Golke DIE LINKE (fortfahrend): Der Senat Von allen Beschäftigten arbeiteten nach deutsch- kauft sich bei Empfängen zum Teil Fremdfirmen landweiten Zahlen – Zahlen für Hamburg alleine ein, und es geht um die Menschen, die uns hier gibt es nicht – im Jahr 2010, wie uns freundlicher- vor unliebsamen Dingen beschützen, nämlich die weise die Hans-Böckler-Stiftung in Zusammenar- Menschen, die unten stehen und den Einlass kon- beit mit dem IAQ erklärt hat, 16,7 Prozent für unter trollieren. Das sind "contro" und "Securitas" und 8 Euro und sogar 19,9 Prozent für unter 8,50 Euro. die sind Teil dieses Tarifvertrags. (Glocke) Wenden wir uns einmal von den Betroffenen ab und richten unseren Blick auf einen anderen Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- Aspekt dieser spannenden Frage, es geht um Exi- brechend): Herr Abgeordneter, einen Moment noch stenzsicherung. Es ist nun einmal so, dass bei ei- einmal bitte. – Jetzt müssen wir eine Stufe weiter- nem Vollzeitarbeitsverhältnis von 40 Stunden in gehen. Wenn ein allgemeiner Aufruf nicht reicht, der Woche bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro dann nenne ich Frau Spethmann, Herrn Kleibauer, nur 1360 Euro brutto herauskommen und bei ei- Herrn Petersen, Herrn Rickmers und die Dame, nem Mindestlohn von 10 Euro – das ist leichter deren Namen ich nicht kenne. Ich bitte Sie noch auszurechnen – 1600 Euro. Netto nach Steuern einmal, das Reden einzustellen oder den Raum zu und Sozialversicherung sind das in Steuerklasse 1 verlassen. – Herr Abgeordneter, Sie haben das bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro Wort. 1008,23 Euro. Das liegt für Alleinstehende ohne ir- gendwelche Sonderbedarfe knapp über Hartz-IV, aber auch wirklich nur ganz knapp. Für Alleinerzie- Tim Golke DIE LINKE (fortfahrend): Vielen Dank. hende, die in Lohnsteuerklasse 2 sind und etwas Ich wiederhole das noch einmal: Wir haben einen mehr, nämlich 1034,71 Euro bekommen würden, Lohn von unter 8 Euro bei 16,7 Prozent und einen liegt es darunter. Das hilft also an der Stelle nicht Lohn von unter 8,50 Euro bei 19,9 Prozent der Ge- weiter. samtbevölkerung in Deutschland. Stundenten, (Beifall bei der LINKEN) Schüler und Praktikanten sind da allerdings einge- schlossen. Bei einem Mindestlohn von 10 Euro wä- Da sind wir auch nicht wesentlich besser mit den re nach meinen Schätzungen wahrscheinlich ein 10 Euro, die wir fordern, das kann man deutlich sa- Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung betrof- gen, denn die bedeuten in Lohnsteuerklasse 1 ein fen. Das zeigt das Problem sehr deutlich. In Ham- Nettoeinkommen von 1136,62 Euro und in Lohn- burg sollten diese Zahlen etwas geringer sein, weil steuerklasse II von 1174,24 Euro. Das schützt ge- Hamburg Gott sei Dank im Allgemeinen im Lohnni- rade eben vor Hartz-IV oder einem Aufstocken, es veau etwas besser liegt als der Rest des Bundes. schützt nicht davor, Wohngeldansprüche oder Ähnliches in Anspruch nehmen zu müssen. Es (Christiane Schneider DIE LINKE: Das Le- schützt auch Alleinerziehende unter Umständen ben ist ja auch teurer!) noch nicht vor Hartz-IV, dafür wäre ein Mindest- – Wobei das Leben natürlich auch teurer ist, völlig lohn von 10,78 Euro notwendig, den wir gar nicht richtig, Frau Schneider. fordern. Wenn das alles zu unkonkret sein sollte, dann kön- So viel zum Thema, in welchen Größenordnungen nen wir gerne in den Ausschüssen darüber spre- wir uns in diesem Parlament bewegen und in wel- chen, es runder machen und es hier dann noch chen Größenordnungen sich diese Gesellschaft einmal debattieren oder auch so verabschieden. bewegt. Wenn der öffentliche Dienst es hinbekom- Ich habe damit überhaupt kein Problem, Herr men hat, Tarifverträge abzuschließen, die unter Schwieger. Überweisen Sie die Anträge und wir diesen Werten liegen, dann ist das im Zuge des machen das. Stichworts "Gute Arbeit", das der Senat auch ver- tritt, schlicht und ergreifend traurig. (Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel und Antje Möller, beide GAL) (Beifall bei der LINKEN) Zum FDP-Antrag: Ihre Argumentation geht schon Es gibt weitere Argumente; ein wesentliches ist die im Ansatz fehl. Hier wird der Staat nur positiv tätig. Altersarmut. Nach einer ziemlich alten Untersu- Ein Landesmindestlohngesetz bewirkt, das wissen chung – Quelle sind der Bundestag und die Deut- wir alle, keinen allgemeinen Mindestlohn in Ham- sche Rentenversicherung im Bund – müsste für ei- burg, es kann sich eben nur auf Stellen auswirken, ne Nettorente von 684 Euro, und das ist wahrlich die sich in irgendeiner Weise auf die Stadt als Ar- nicht viel, über 45 Versicherungsjahre hinweg – ich beitgeberin beziehen. Machen wir doch einmal gebe zu, das ist ein ziemlich akademischer Rent- das, was Sie so gern tun, bezeichnen die Stadt als ner – ein Mindestlohn von 10 Euro gezahlt werden. Unternehmen und überlegen uns einmal, nach wel- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2305

(Tim Golke) chen Grundsätzen ein Unternehmen Verträge mit einen Lohn von unter 5 Euro, 2,4 Millionen Men- seinen Vertragspartnern abschließt. Solche Grund- schen beziehen einen Lohn zwischen 5 Euro und sätze können sein, Verträge nur mit bestimmten 7,50 Euro, und weitere 1,4 Millionen Menschen be- Partnern abzuschließen, es kann aber auch fest- ziehen einen Lohn zwischen 7,50 Euro und geschrieben sein, Verträge nur mit Vertragspart- 8,50 Euro. Das macht zusammen 5 Millionen Be- nern abzuschließen, die garantieren, dass ihre Be- günstigte, die von einem Mindestlohn von schäftigten 10 Euro bekommen. 8,50 Euro profitieren würden, Nichts anderes ist dieses Landesmindestlohnge- (Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt setz, und in die Tarifautonomie greifen wir damit den Vorsitz.) auf hamburgischer Ebene tatsächlich gar nicht ein. und das sind eben keine Aufstocker, also Teilzeit- Und wenn man das ifo Institut in Fragen des Min- beschäftigte oder ähnliches, sondern das sind destlohns zitiert, dann ist das ungefähr so, als wür- Menschen, die einen Arbeitsvertrag haben, in dem de man das Zentrum für Hochschulentwicklung in steht: 4,99 Euro oder 4,30 Euro. Das ist ein Skan- Fragen einer kritischen Bewertung von Bachelor dal, dem man nur mit einem allgemeinen gesetzli- und Master befragen. chen Mindestlohn beikommen kann. (Beifall bei der LINKEN – Katja Suding FDP: (Beifall bei der SPD) Das sagen Sie!) Auch aufseiten der Union wird offensichtlich Hand- Um das noch kurz abzurunden: Es gibt durchaus lungsbedarf gesehen. Es wird über Lohnuntergren- kleine und mittelständische Unternehmer und auch zen geredet und die Tarifautonomie beschworen, Vereinigungen von diesen, die einen Mindestlohn in die man nicht eingreifen könne; die Tarifpartner fordern, um nicht durch Dumping-Löhne vom Markt mögen es regeln. Seit dem Parteitag hat man ausgeschlossen zu werden. Die sollten Sie doch nichts mehr gehört. Dabei sind in Berlin in zwei eigentlich vertreten. Gesetzen durchaus Instrumente vorhanden, um in (Finn-Ole Ritter FDP: Die vertreten Sie doch Branchen, in denen die Löhne zu niedrig sind, ein- jetzt! Haben Sie mit denen gesprochen?) greifen zu können. – In der Tat, das habe ich. (Finn-Ole Ritter FDP: Entsendegesetz!) (Roland Heintze CDU: 12,50 Euro!) Man kann das über das Arbeitnehmer-Entsende- gesetz tun, da sind die Tarifpartner dabei. Aber Zum CDU-Antrag habe ich schon gesagt, dass der Vorsicht, nicht zu früh gefreut. Sie haben in Ihren Ansatz, Dinge erfahren zu wollen, immer in Ord- Koalitionsvertrag geschrieben, dass das Bundes- nung ist. Da Sie aber die 10 Euro nicht prüfen wol- kabinett zustimmen muss, und das Bundeskabinett len, werden wir uns enthalten. stimmt regelmäßig nicht zu. Das ist aber Ihr eige- Zum GAL-Antrag: Ich habe begründet, warum wir nes Problem, dass Sie sich die Tarifautonomie mit 10 Euro wollen. Ihr wollt 8,50 Euro; wir werden den dem Tarifausschuss selbst aus der Hand geschla- Antrag ablehnen. gen haben. Ganz kurz zum SPD-Antrag: Es ist nicht nachvoll- (Beifall bei der SPD) ziehbar, warum dem Senat ein erneuter Prüfauf- Wenn es sich nur um den Tarifausschuss handeln trag erteilt wird. Eine Prüfung ist auch bei einer würde, dann ginge es. Dann könnte Frau von der Ausschussberatung möglich. Ich frage mich wirk- Leyen es anordnen, wenn der Tarifausschuss be- lich, wann die SPD-Fraktion endlich anfangen will, schlossen hat. außerhalb des Senats selber zu gestalten. Das zweite Gesetz, das es gibt, ist das Mindestar- (Beifall bei der LINKEN) beitsbedingungsgesetz. Es gilt immer dann, wenn Sie sind so viele und Sie haben so viele Mittel, und in Wirtschaftszweigen mehr als 50 Prozent der Ar- man wird den Eindruck nicht los, Sie können vor beitnehmer ohne Tarifbindung beschäftigt sind Kraft kaum laufen. (Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Das ist nicht (Beifall bei der LINKEN) angewendet worden!) und ein Ausschuss, der von der Bundesregierung Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg: Vielen eingesetzt worden ist, soziale Verwerfungen fest- Dank, Herr Golke. – Das Wort hat Senator Schee- stellt. Auf dieser Basis kann per Verordnung bran- le. chenweise regional ein Mindestlohn festgelegt wer- den. Die Bundesregierung tut es nicht, und warum Senator Detlef Scheele: Herr Präsident, meine sie es nicht tut, müssen Sie beantworten. Damen und Herren! Wenn man sich die Zahlen an- (Dietrich Wersich CDU: Sagen Sie doch mal schaut, dann kann man keinen Zweifel daran ha- was zum Antrag für ein Hamburger Gesetz, ben, dass Deutschland einen allgemeinen Mindest- ob das geht, was das bringt!) lohn braucht. 1,2 Millionen Menschen beziehen 2306 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Senator Detlef Scheele)

– Dazu komme ich gleich, erst einmal sind wir bei herauskommt, dass sie bisher von der Stadt dem Thema, was geht und was vernünftig ist. zu wenig bekommen haben?) Insofern geht all das, was Sie hier beklagen, ohne- weil wir differenzierte Antworten für Unternehmen, hin und in Hamburg gibt es vier Handlungsfelder. für Zuwendungsempfänger und für die verschiede- Das erste Handlungsfeld sind die Beschäftigten im nen Arten von Vergabe brauchen. Auch der Senat öffentlichen Dienst. Da gibt es gegenwärtig, auch spricht sich dagegen aus, in einen Überbietungs- nach der Antwort, die wir gegeben haben, keinen wettbewerb einzutreten, wie hoch denn der Min- Lohn unter 8,50 Euro im Bereich der Tarifbeschäf- destlohn sein soll. tigten der Freien und Hansestadt Hamburg. (Katja Suding FDP: Wo legen Sie denn den (Dietrich Wersich CDU: Das Problem gibt es Grundbetrag an?) nicht!) Wir halten 8,50 Euro im Einvernehmen mit dem – Im Bereich der Beschäftigten der Stadt nicht. DGB für eine vernünftige Höhe, und wenn Sie 8,50 Euro mal 40 und mal 4 nehmen, dann werden (Dietrich Wersich CDU: Wissen Sie denn, ob Sie sehen, dass das kein Lohn ist, von dem man es das überhaupt gibt?) reich wird, sondern das ist das Mindeste, was an- Dann gibt es die Beschäftigten bei den von der gemessen ist, wenn man einen Monat zur Arbeit FHH beherrschten Unternehmen. Da gibt es von geht. Unternehmen zu Unternehmen unterschiedliche (Finn-Ole Ritter FDP: Wer entscheidet das Themen, weil sich auch öffentliche Unternehmen denn? Der Staat?) im Wettbewerb befinden, auch im Wettbewerb über Löhne, die über ein Hamburger Mindestlohn- Das ist das Mindeste, was man zahlen muss, weil gesetz keinesfalls auch Wettbewerber binden; das damit ein alleinstehender Mensch keine Grundsi- ist der Schwachpunkt. Deshalb muss man jetzt cherung mehr bezieht. Das ist eine realistische Zug um Zug und Unternehmen für Unternehmen Vorstellung von dem, was möglich ist, und der durchsehen, um zu schauen, wie man mindestens Maßstab, auf den sich, so weit ich das hier sehe, einen Lohn hinbekommt, der ordnungspolitisch alle verständigt haben. Deshalb werden wir den geht und über 8,50 Euro liegt. Es betrifft insbeson- Antrag der SPD-Fraktion, sofern er hier beschlos- dere die Flughafen Hamburg GmbH mit ihren Vor- sen wird, sorgfältig prüfen und im Laufe des Jahres feldtöchtern. Daran arbeiten wir gerade mit Ge- Antworten geben. – Vielen Dank. schäftsleitung und Betriebsrat. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Dann gibt es die Unternehmen, die von Aufträgen Vizepräsidentin Kersten Artus: Das Wort hat der Freien und Hansestadt Hamburg profitieren jetzt Herr Hackbusch. und begünstigt sind. Dafür werden wir das Ham- burger Vergabegesetz novellieren, damit darin Norbert Hackbusch DIE LINKE:* Frau Präsiden- rechtskonform ein Mindestlohn enthalten ist und si- tin, meine Damen und Herren! Bevor ich zu Herrn chergestellt wird, dass dort, wo die FHH Auftragge- Scheele komme, interessiert mich natürlich, was ber ist, ein Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt wer- die FDP gesagt hat. Was Sie hier darstellen, ist den muss. diese alte Vorstellung davon, dass möglichst gerin- ge Löhne – das heißt 5 Euro, 4 Euro – zu einer (Beifall bei der SPD) möglichst hohen Anzahl von Arbeitsplätzen führen. Schlussendlich bleiben die Zuwendungsempfän- (Katja Suding FDP: Das haben Sie falsch ger. Das ist offen und ehrlich das unübersichtlich- verstanden!) ste Feld, aber wenn man sich dazu bekennt, wird man auch bei den Zuwendungsempfängern schau- – Genau das ist doch die Grundlage davon, weil en müssen, dass wir Zug um Zug dahin kommen, Sie das in gewisser Weise umdrehen. dass keiner seinen Beschäftigten weniger als Das Interessante daran ist, dass das in den letzten 8,50 Euro zahlt. Das sind die vier Handlungsfelder. Jahren in dieser Republik völlig widerlegt worden (Dietrich Wersich CDU: Gestatten Sie eine ist, und zwar auf dem Rücken von Millionen Men- Zwischenfrage?) schen in diesem Land, weil Sie dieses Experiment durchgeführt haben. – Nein. (Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei Das werden wir im Laufe dieser Legislaturperiode der SPD) regeln. Aber da es nicht ganz einfach ist, ist der Antrag der SPD-Fraktion auch richtig, Man sollte dabei zumindest nicht vergessen, was dort geschehen ist. Die Situation, die durch das (Dietrich Wersich CDU: Bekommen die Zu- Experiment der niedrigen Löhne entstanden ist, ist wendungsempfänger dann mehr Geld, wenn Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2307

(Norbert Hackbusch) von der Logik her in gewisser Weise eine Auswir- sondern jetzt anzugehen und nicht nur allgemein kung von Hartz IV. mit vier Punkten, auch wenn es die richtigen wa- ren, die Sie aufgezählt haben. Nur ein Prüfauftrag (Christiane Schneider DIE LINKE: Richtig!) seitens der Sozialdemokratie würde der Art und Die schlimmsten Auswirkungen von Hartz IV sind Weise, wie Sie heute über Mindestlohn reden, nicht die Zwangsmaßnahmen für diejenigen, die nicht gerecht. – Danke. auf Hartz IV angewiesen sind, sondern die kata- (Beifall bei der LINKEN) strophalen wirtschaftlichen Auswirkungen sind, dass wir einen riesigen Niedriglohnsektor bekom- men haben, eines der größten ökonomischen und Vizepräsidentin Kersten Artus: Wenn keine wei- sozialen Probleme, die diese Stadt gegenwärtig zu teren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zu bewältigen hat. den Abstimmungen. Wir beginnen mit der Abstim- mung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE aus (Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei Drucksache 20/3871. der SPD) Wer möchte diesem zustimmen? – Gegenstim- Herr Scheele, Sie sind Spezialist auf diesem Ge- men? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag ab- biet. Sie und Herr Scholz kennen sich damit lange gelehnt. aus und haben in gewisser Weise die Architektur mit geschaffen. Dementsprechend ist es mir wich- Weiter zum Antrag der CDU-Fraktion aus Drucksa- tig, dass die Sozialdemokraten, wenn sie schon che 20/3865. seit Jahren – oder eher seit Monaten – davon re- Wer möchte diesen beschließen? – Gegenstim- den, sie wollten das mit dem Mindestlohn jetzt ver- men? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag ab- bessern, was sie damals angerichtet haben, dann gelehnt. aber auch einmal etwas vorlegen müssten und hier nicht so herumstottern, es gebe vier Bereiche, in Nun zum Antrag der FDP-Fraktion aus Drucksache denen sie sich in diesem Jahr noch irgendetwas 20/3845. überlegen müssten. Das reicht nicht aus. Dazu Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den müssen Sie ein bisschen mehr vorlegen, weil dies bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? das drängende soziale Problem ist. – Enthaltungen? – Damit ist auch dieser Antrag (Beifall bei der LINKEN) abgelehnt. Ich möchte noch kurz etwas dazu sagen, was Herr Wir kommen sodann zum SPD-Antrag aus Druck- Golke ausgeführt hat. Es hört sich immer so popu- sache 20/3743. listisch an, wenn wir 10 Euro fordern. Wer möchte diesen annehmen? – Gegenstimmen? (Robert Bläsing FDP: Ist es auch!) – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag ange- nommen. 10 Euro bedeuten in der Praxis 1600 Euro brutto im Monat, das bedeutet, dass denjenigen Arbeit- Wir kommen nun zum Überweisungsbegehren zu nehmern 1150 Euro bis 1180 Euro im Monat übrig den Drucksachen 20/3757 und 20/3880. bleiben. Hier geht es nicht um Luxus, das ist die Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen Grundlage. Wenn ich 40 Stunden die Woche arbei- 20/3757 und 20/3880 federführend an den Aus- te, muss ich das haben, und wir sollten als Poli- schuss für Soziales, Arbeit und Integration sowie tiker, als Vorbild, das man in der Stadt auch dar- mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, In- stellen sollte, sagen, das müsse man hier auch novation und Medien zu? – Gegenstimmen? – Ent- verdienen. Es ist existenziell für diese Stadt und für haltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt. die Menschen, die wir beschäftigen, dass sie das auch verdienen. Das ist kein Populismus, das ist Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Hier zu- Realität für viele Menschen und das müssen wir für nächst zum Antrag der GAL-Fraktion aus Drucksa- sie auch verändern. che 20/3880. (Beifall bei der LINKEN) Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? Eine ganz einfache Situation: Gehen Sie ins Muse- – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abge- um und sprechen Sie mit den Leuten, die dort die lehnt. Aufsicht führen. Sie bekommen gegenwärtig 7,31 Euro die Stunde. Das beauftragen wir als Schließlich zum Antrag der Fraktion DIE LINKE Stadt. Das ist unredlich von der Stadt und mora- aus Drucksache 20/3757. lisch nicht zu verantworten. Wer möchte diesen annehmen? – Gegenstimmen? (Beifall bei der LINKEN) – Enthaltungen? – Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt. Dementsprechend fordere ich diesen Senat auf, das Problem nicht irgendwann in diesem Jahr, 2308 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

mehr Studierende pro Jahrgang ein Studium auf- nehmen. Das ist ohne Frage eine positive Entwick- Ich rufe Tagesordnungspunkt 31 auf, Drucksache lung, eine Entwicklung, die uns alle auch zu Recht 20/3663, Antrag der SPD-Fraktion: Für eine Aus- stolz machen sollte, gerade wenn man sich noch weitung des Hochschulpaktes – zusätzliche Studi- einmal vor Augen führt, dass wir ein rohstoffarmes enplätze schaffen und Masterangebot ausbauen. Land sind und Bildung eines der entscheidenden Schlüsselthemen für die Zukunftsfähigkeit unseres [Antrag der SPD-Fraktion: Landes ist. Für eine Ausweitung des Hochschulpaktes (Beifall bei der SPD) – Zusätzliche Studienplätze schaffen und Ma- sterangebot ausbauen Der zweite Punkt, auf den ich aber gerne eingehen – Drs 20/3663 –] möchte – da will ich Hamburg durchaus loben und auch ein Lob aus der vorangegangenen Legislatur- Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 20/3863 und periode wiederholen –, ist die Frage der Zugangs- 20/3864 Anträge der Fraktionen der LINKEN und berechtigung für beruflich Qualifizierte. Hier hat der CDU vor. Hamburg in der vergangenen Legislaturperiode schon einiges getan und es ist wirklich nachhaltig [Antrag der Fraktion DIE LINKE: gelungen, mehr Menschen, die eben nicht über die Hochschulpakt: Bedarfsdeckendes Angebot an klassische Hochschulzugangsberechtigung verfüg- qualitativ hochwertigen Studienplätzen an ten, für ein Studium zu begeistern. Insofern sind Hamburger Hochschulen das ein Stück weit die Erklärungen, die hoffentlich – Drs 20/3863 –] vielen hier im Plenum verdeutlichen, warum wir bis zum Jahr 2019 mit weit über 450 000 Studienan- [Antrag der CDU-Fraktion: fängern pro Jahr rechnen müssen. Das ist eine ge- Hochschulpakt weiterentwickeln und Engage- waltige Zahl und diese Zahl stellt uns vor große ment des Bundes im Hochschulbereich unter- Herausforderungen. stützen – Drs 20/3864 –] Die Herausforderung ist nämlich, diese zusätzli- chen Studienplätze zu finanzieren, und daher will Wer wünscht das Wort? – Herr Kühn, Sie haben ich kurz auf dieses Verhältnis zwischen Verschul- es. dungsverbot und Haushaltskonsolidierung einge- hen, denn ich muss an dieser Stelle, und will das auch, gerade als Landespolitiker darauf verweisen, Philipp-Sebastian Kühn SPD:* Frau Präsidentin, dass die Finanzsituation der Bundesländer eine meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestat- grundsätzlich andere ist als die des Bundes. Ohne ten Sie mir zur Einführung in das doch etwas ab- Frage stehen sowohl der Bund als auch die Länder strakte Thema Hochschulpakt ein paar allgemeine und Kommunen vor der Herausforderung, ihre Anmerkungen, um vielleicht dem gesamten Ple- Haushalte zu konsolidieren, aber man muss an num noch einmal verdeutlichen zu können, warum diesem Punkt schon einmal feststellen, dass die diese Diskussion in den vergangenen Wochen Situation des Bundes sich hier doch deutlich von noch einmal eine besondere Dynamik erhalten hat. der der meisten Bundesländer unterscheidet, und Wir haben – entgegen fast allen Prognosen – bei Hamburg ist hier leider keine Ausnahme. den Studienanfängerzahlen für die kommenden Jahre erhebliche Steigerungen zu verzeichnen und (Vereinzelter Beifall bei der SPD) diese Steigerungen muss man vielleicht kurz erklä- Deshalb brauchen wir eine stärkere Planungssi- ren. Eingängig sind vielleicht die beiden Erklärun- cherheit und diese Planungssicherheit soll eben gen, dass wir eine Verkürzung des Abiturs von 13 ein Stück weit durch diesen "Hochschulpakt Plus" auf zwölf Jahre in fast allen Bundesländern haben generiert werden. Ich möchte auch darauf verwei- und selbstverständlich auch die Abschaffung der sen, dass Hamburg sehr wohl versucht, in diesem Wehrpflicht ihren Beitrag geleistet hat. Aber diese Spannungsfeld zwischen Haushaltskonsolidierung beiden Punkte erklären nicht, warum wir bis zum und Planungssicherheit trotzdem wichtige Impulse Jahre 2019 und darüber hinaus mit deutlich höhe- zu setzen. Da gilt mein Dank ganz besonders der ren Studienanfängerzahlen zu rechnen haben, als Wissenschaftssenatorin und ihrer Behörde, dass das in der Vergangenheit prognostiziert wurde. es in den vergangenen Wochen gelungen ist, mit Ich möchte zwei Punkte besonders herausheben, weiteren Hochschulen Hochschulvereinbarungen die aus meiner Sicht diese Entwicklung ein Stück zu treffen. Diese Hochschulvereinbarungen garan- weit besser erklären als die ersten beiden Punkte, tieren gerade den Hamburger Hochschulen bis die ich nannte. Wir haben es zum einen wirklich zum Jahr 2020 eine gewisse Verlässlichkeit in ihrer nachhaltig geschafft, in der Bundesrepublik Finanzierung, und das ist ein ganz wichtiger Punkt Deutschland dafür Sorge zu tragen, dass mehr und eine große Leistung. Menschen das Abitur machen. Damit werden trotz (Beifall bei der SPD) geburtenschwächerer Jahrgänge auch weiterhin Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2309

(Philipp-Sebastian Kühn)

Gestatten Sie mir noch eine kurze inhaltliche An- Wenn man ihn sich durchliest, dann ist es im We- merkung. Diese wendet sich ein bisschen an die sentlichen eine Formulierung: Der Senat wird auf- Systematik, die wir bislang in dem Hochschulpakt gefordert, sich im Rahmen seiner Zuständigkeiten haben. Bislang ist es im Hochschulpakt so, dass auf Bundesebene für die Weiterentwicklung des jeder Studienplatz, der zusätzlich geschaffen wird, Hochschulpaktes einzusetzen. Das ist wahrschein- pauschal berechnet wird. Das führt nun dazu, zu- lich der kleinste gemeinsame Nenner, den Sie mit mindest gibt es einige klare Indizien für diese Ent- der Senatorin gefunden haben. Im Endeffekt be- wicklung, dass manche Hochschulen diese Sys- sagt die Formulierung, die Senatorin wird aufgefor- tematik etwas zweckentfremden, nämlich in die dert, ihre Arbeit zu machen. Das ist für einen bür- Richtung, dass sie Studienkapazitäten in günstige- gerschaftlichen Antrag, der dann hier auch zur De- ren Studiengängen aufbauen und Kapazitäten ab- batte angemeldet wird, nicht so richtig viel. bauen in den teureren, den sogenannten Laborstu- (Beifall bei der CDU) diengängen. Das ist eine Entwicklung, die wir alle zusammen im Blick behalten müssen, weil eine Man muss sich nur die Verwaltungsvereinbarun- solche Entwicklung nicht eintreten darf. Auch die gen von Bund und Ländern in der gemeinsamen teureren Studiengänge müssen ausgebaut wer- Wissenschaftsministerkonferenz zum Hochschul- den, und da ist es durchaus notwendig, eine Idee pakt durchlesen, in denen ganz klar steht, dass der SPD-Bundestagsfraktion aufzugreifen, nämlich rechtzeitig Gespräche über die Fortführung des an die Systematik der pauschalen Erstattung her- Hochschulpaktes nach 2015 geführt werden. Wir anzugehen und vielleicht für unterschiedlich kos- haben im Moment eine Planungssicherheit bis tenintensive Studiengänge auch eine unterschied- 2015, der Hochschulpakt heißt Hochschulpakt lich pauschale Vergütung zu garantieren. Nichtsde- 2020. Er ist ganz klar darauf angelegt, auch den stotrotz bleibt es eine wichtige Herausforderung Zeitraum 2016 bis 2020 abzudecken, und dann und ich hoffe, dass bei den fünf hier im Parlament müssen halt jetzt Gespräche geführt werden. Ich vertretenen Fraktionen Einigkeit darüber besteht glaube, Sie sind am Freitag bei der GWK, und da und wir diesen Punkt im Auge behalten wollen. steht auch das Thema Bericht zur Entwicklung des Hochschulpaktes auf der Tagesordnung. Das ist Zum Schluss will ich noch kurz etwas zu den ge- doch eine gute Gelegenheit, hier auch die Interes- stellten Zusatzanträgen sagen. Beim CDU-Antrag sen der Hansestadt entsprechend zu vertreten und überrascht es hoffentlich die CDU-Fraktion nicht, vielleicht mit Ergebnissen nach Hause zu kommen, dass wir ihm nicht zustimmen können, weil wir ihn Frau Stapelfeldt. inhaltlich so nicht teilen. Insofern wird die SPD- Fraktion Ihren Antrag auch ablehnen. Beim Antrag (Beifall bei der CDU) der LINKEN seien mir zwei Anmerkungen gestat- Herr Kühn ist etwas auf die Frage eingegangen, tet. Sie treffen leider in Ihrem Vorspann teilweise wie unsere Finanzen aussehen und wie die Finan- Falschaussagen, die mit den Zahlen, die mir zu- zen des Bundes aussehen. Auch für den Bund gilt mindest und auch der Behörde zur Verfügung durchaus die Schuldenbremse, aber für ihn ist der standen, so nicht in Übereinstimmung zu bringen Zukunftsbereich Bildung und Forschung ein sind. Schwerpunktbereich und in dieser Legislaturperi- (Christiane Schneider DIE LINKE: Welche ode wird die Bundesregierung 12 Milliarden Euro Zahlen?) mehr in diesen Bereich investieren. Das sind alles Dinge, von denen die Länder profitieren. Qualitäts- Außerdem haben Sie teilweise nicht zur Kenntnis pakt Lehre: Hamburg profitiert, Exzellenzinitiative: genommen, dass Hamburg bereits jetzt schon sei- Hamburg profitiert wenigstens in kleinen Teilen, ne Zusagen aus dem Hochschulpakt II übererfüllt Hochschulpakt: Die Hochschulen in Hamburg profi- hat; das wird beispielsweise in Ihrem Antrag auch tieren sehr deutlich. Auch vom Pakt für Forschung nicht deutlich. Insofern möchte ich Sie bitten, die und Innovation profitieren die Einrichtungen in beiden Anträge abzulehnen und unserem Antrag Hamburg und so indirekt durchaus auch der Hoch- zuzustimmen. – In diesem Sinne vielen Dank für schulstandort Hamburg. Das sollten Sie hier we- Ihre Aufmerksamkeit. nigstens einmal anerkennen, Herr Kühn, denn es (Beifall bei der SPD) ist schon eine Frage, wie man in Zeiten knapper Kassen die Schwerpunkte setzt. Vizepräsidentin Kersten Artus: Herr Kleibauer, (Beifall bei der CDU und bei Dr. Eva Gümbel Sie haben das Wort. GAL) Schön, dass ich mir diese Frage nicht allein stelle, Thilo Kleibauer CDU:* Frau Präsidentin, meine sondern dass auch andere diese Frage stellen. Die Damen und Herren! Herr Kühn, ich hatte immer SPD-Fraktion hat sie heute vor zwei Stunden ganz noch gewartet, dass Sie etwas näher auf Ihren An- klar beantwortet. Sie investieren lieber 540 Euro in trag eingehen, aber der gibt auch nicht so viel her. Stromleitungen in der Stadt, (Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!) (Jan Quast SPD: Millionen!) 2310 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Thilo Kleibauer)

– 543 Millionen Euro, Herr Quast, dann wollen wir Vielleicht noch einen Punkt zum Thema Master- auch genau sein –, und es sind nicht nur Stromlei- plätze. Darauf gehen Sie in der Überschrift Ihres tungen, es sind auch andere Leitungen, das wis- Antrags und vielleicht auch in der Absichtserklä- sen wir. Und Sie geben sich zufrieden mit einer rung des Antrags ein, aber Masterstudienplätze Garantiedividende von 4,2 bis 4,5 Prozent, die für schafft man nun nicht durch Absichtserklärungen fünf Jahre garantiert ist. Alle Investitionen in Hoch- oder Überschriften. Wenn man diese Übergangs- schulausbildung – die diesbezügliche Untersu- quoten vom Bachelor zum Master, die an jeder chung der OECD kennen Sie, Herr Kühn, und Sie Hochschule ein bisschen anders und auch sys- kennen sie auch, Frau Dr. Stapelfeldt – erzielen tematisch in den Studiengängen unterschiedlich zweistellige Renditen. Insofern ist doch ganz klar sind, rechnerisch konsequent nach oben bringen die Frage, wo man die Schwerpunkte setzt, und will, dann ist das ein sehr teures Unterfangen. Sie setzen Sie etwas an der falschen Stelle. Auch da ist die Frage, wie man das solide ausfi- nanziert. Hier sind Sie die Antwort schuldig geblie- (Beifall bei der CDU) ben und hier bleiben auch die Hochschulvereinba- Die Weiterentwicklung und Fortsetzung des Hoch- rungen von Ihnen die Antwort schuldig, denn die schulpaktes über 2015 hinaus ist definitiv sinnvoll Hochschulvereinbarung sagt im Endeffekt, dass und richtig. Da unterscheiden wir uns wenig, wir al- Sie das Problem an die Hochschulen delegieren. le kennen die neuen Prognosen zum Thema Studi- Sie verpflichten die Hochschulen zu einer Leistung, enanfänger. Ich finde auch den Aspekt positiv, den geben ihnen aber nicht entsprechend mehr Mittel. Sie angesprochen haben, dass es gerade der Be- Das ist eine Politik, die noch nicht einmal auf halb- reich der beruflich Qualifizierten ist, der die Pro- em Weg stehen bleibt, sondern die vielleicht die gnosen etwas nach oben zieht. Kurve richtig kriegt, aber dann den Motor abwürgt, die also nicht weit vorangekommen ist. Da müssen Es gibt aber auch einige Dinge, die wir bedenken Sie noch sehr viel nacharbeiten, da lässt Ihr Vorge- sollten, und ich picke mir da einmal einen Bereich hen viele Fragen offen. – Vielen Dank. heraus: Der Hochschulpakt führt im Endeffekt da- zu, dass die Hochschulen befristete Projektmittel (Beifall bei der CDU) bekommen. Wir haben neulich im Wissenschafts- ausschuss eine längere Debatte darüber geführt Vizepräsidentin Kersten Artus: Frau Dr. Gümbel, und wir waren alle der Meinung, dass die Hoch- Sie haben das Wort. schulen zu viel Personal haben, das mit befristeten Verträgen ausgestattet ist. Wenn die Hochschulen Dr. Eva Gümbel GAL:* Frau Präsidentin, meine Mittel erhalten, die sie teilweise im Nachhinein für Damen und Herren! Ich will meinen Redebeitrag das letzte Jahr bekommen, und sie nicht wissen, mit zwei, drei technischen Dingen beginnen, bevor wie viel sie fürs nächste Jahr erwarten können, ich zum Inhaltlichen komme. Wir haben eine ziem- oder wenn die Hochschulen Mittel bekommen, die lich vielstimmige Antragslage, die ich kurz darlegen ihnen für drei, vier Jahre Planungssicherheit ge- möchte, damit Herr Kleibauer nicht sagt, ich hätte ben, dann wird das nicht dazu führen, dass neue nicht begründet, warum unsere Fraktion sich ent- Studienplätze komplett ausfinanziert sind, sondern hält. es wird eher dazu führen, dass weiterhin Personal befristet eingestellt wird oder dass man vielleicht in Zunächst einmal vorausgeschickt: Wir stimmen der Übergangsphase einer Professur rechtzeitig ei- dem SPD-Antrag zu und wir stimmen auch dem ne neue besetzt. Das ist keine hundertprozentig Antrag der LINKEN zu, weil er das recht dünne Pe- solide Ausfinanzierung von Studienplätzen. titum der SPD an dieser Stelle etwas präziser fasst. Dem CDU-Antrag können wir nicht zustim- Sie haben gesagt, dass Sie unseren Zusatzantrag men, weil er in der Lockerung des Kooperations- ablehnen – näher begründet haben Sie es nicht, verbots den großen Bereich Schule auf Bundes- außer dass es die Meinung der SPD sei. Aber ge- ebene ausklammert. Wir fänden es sehr wichtig, rade vor diesem Hintergrund muss man doch dass die Schule auch mit hineinkommt; insoweit schauen, und das ist doch der Ansatz von Frau das Technische. Schavan aus Berlin, was man dazu beitragen kann, damit diese Mittel verlässlich bereitgestellt Jetzt komme ich aber zum Inhaltlichen: Herr Kühn, werden. Das betrifft nicht nur den Hochschulpakt, ich hatte eigentlich gedacht, dass wir hier eine ge- sondern das betrifft auch die Mittel aus dem Quali- meinschaftliche Debatte führen könnten. Dann ha- tätspakt Lehre, die die Hochschulen jetzt haben. In be ich Ihren Redebeitrag gehört und an Herrn fünf Jahren ist das Programm zu Ende und dann Dr. Kluth denken müssen, der das immer so schön stellt sich die Frage, was wir dann machen. Genau benennt: Sie haben die Tatsachen gewürdigt, aber deshalb ist es doch wichtig, die Verstetigung der die falschen politischen Schlüsse daraus gezogen. Mittel zu unterstützen. Das ist der Ansatz, der aus Ich teile in vielen Punkten Ihre Darstellung. Die Berlin kommt und den wir mit unserem Zusatzan- Studienanfängerzahlen werden steigen, die Pro- trag auch unterstützen wollen. gnose der KMK hat sich korrigiert, aber, Herr Kühn, es ist auch kein Geheimnis, dass die KMK (Beifall bei der CDU) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2311

(Dr. Eva Gümbel) das jedes Jahr tut. Weil Studierende natürlich Kos- nicht genau, ob ich lachen oder weinen sollte. ten auslösen, hoffen sie immer, dass deren Zahl ir- Dann habe ich ihn noch einmal gelesen und es gendwie sinken wird, obwohl der gesellschaftliche blieb nur ein Gefühl übrig: ohnmächtige Wut. Konsens dahingeht zu sagen, wir brauchen mehr SPD und Senat tun seit einem Jahr alles, um den Anfängerzahlen und mehr Studierende; das wis- Hochschulstandort Hamburg zu schädigen. Sie ha- sen wir alle. ben im Haushalt 2011/2012 bei den Hochschulen Wenn das so ist, dann kann man natürlich – und reale Kürzungen durchgesetzt, sie haben der Uni- wir unterstützen Ihren Antrag – zum Bund gehen versität und mittlerweise auch anderen Hoch- und sagen, wir brauchen noch mehr. Das ist eine schulen Vereinbarungen aufgedrängt, die, Herr gemeinschaftliche Aufgabe, deshalb Aufhebung Kühn, in der Tat Garantie für den Abbau und die fi- des Kooperationsverbots. Aber was so traurig ist nanzielle Auszehrung bieten und im Ergebnis zum an Ihrer Art und Weise, Politik zu machen – das Studienplatzabbau führen werden. Sie schauen zu, hat der Kollege Kleibauer schon ausgeführt –, ist, wie die HCU langsam stirbt. Sie vertreiben einen dass Sie Ihre eigenen Anstrengungen, die Sie in der besten Hamburger Hochschul-Chefs, Profes- Hamburg unternehmen könnten, nicht in der Weise sor Debatin vom UKE. Und es gibt keine seriöse vorantreiben, wie das angesichts dieser steigen- Kompensation für den Wegfall der Studiengebüh- den Zahlen, die Sie selbst beschrieben haben, not- ren und schon gar keine Dynamisierung für künfti- wendig wäre. ge Jahre. Das ist das Werk Ihrer Senatorin und Sie, Herr Kühn, und Ihre Fraktion machen das mit; (Beifall bei der GAL) Sie sind mitverantwortlich. Die SPD spart die Ham- Das ist doch einfach eine Frage der Prioritätenset- burger Hochschulen kaputt und ruft jetzt nach dem zung. Wenn Sie sich mit der Schuldenbremse her- Bund; das ist dreist. ausreden, dann finde ich das etwas dünn. Wollen (Beifall bei der FDP) Sie das in Zukunft immer so machen, dass Sie die falschen Prioritäten setzen und sagen, die Schul- Das passt übrigens zum Verhalten von SPD, Grü- denbremse sei schuld? nen und Linken in den Bundesländern. Nur zwei Beispiele: In Rheinland-Pfalz regiert Rot-Grün. (Robert Bläsing FDP: So ist es!) Dort wurden die Langzeit-Studiengebühren abge- Wenn man jetzt schaut, wo Sie überall Geld ha- schafft, was an sich schon ein Fehler ist, aber es ben, dann haben wir es vorhin bei Hapag-Lloyd gibt auch keine Gegenfinanzierung. Im Ergebnis gesehen. Allein die Zinsen, die wir jährlich für den haben die rheinland-pfälzischen Hochschulen un- Hapag-Lloyd-Deal bezahlen müssen, wären ter Rot-Grün 4 Millionen Euro weniger zur Verfü- 2000 Studienplätze, dafür werden wir jetzt Reeder. gung. Ich frage mich, wo die Prioritäten dieses SPD-Se- Zweites Beispiel ist Brandenburg. Frau Heyenn, nats liegen. hören Sie genau zu, in Brandenburg regiert Rot- (Beifall bei der GAL, der FDP und vereinzelt Rot, also Sie regieren mit. Sie verhängen über die bei der CDU) Hochschulen in Brandenburg eine globale Minder- ausgabe in Höhe von 12 Millionen Euro. Das Er- Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich Ihnen das et- gebnis sind drastische Kürzungen. was freundlicher verpackt unter die Nase reibe. Frau Senatorin, Sie sind morgen bei der gemeinsa- (Klaus-Peter Hesse CDU: Kläglich!) men Wissenschaftskonferenz. Im Bericht über das Das ist die Politik von Rot-Rot und Rot-Grün und Jahr 2009 stand zu lesen, dass Hamburg zusätzli- das machen Sie auch hier in Hamburg. che Mittel in Höhe von 9 Millionen Euro über den Hochschulpakt hinaus eingesetzt und damit minde- Anders die FDP im Bund. Seit die FDP 2009 im stens 1400 Studienplätze geschaffen hatte. Im Sin- Bund mitregiert, also seit dem Jahr 2009, wird dort ne der jetzigen oder zukünftigen Abiturientinnen eine völlig andere Politik gemacht. Der Etat des und Abiturienten würde ich mir so wünschen, dass Bundesministeriums für Bildung und Forschung im nächsten und übernächsten Bericht der gemein- war im Jahr 2010 um 701 Millionen Euro höher als samen Wissenschaftskonferenz etwas Ähnliches 2009; im Folgejahr kamen 783 Millionen Euro stehen würde. Das wäre mein Verständnis von gu- obendrauf und in diesem Jahr noch einmal tem Regieren. 454 Millionen Euro. Das heißt Investieren in Hoch- schulen und Bildung, das ist vorbildliche Politik von (Beifall bei der GAL) CDU/CSU und FDP im Bund. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie in Hamburg und in al- Vizepräsidentin Kersten Artus: Herr Dr. Schin- len anderen SPD-regierten Bundesländern ma- nenburg, Sie haben das Wort. chen. So ist die Situation. (Beifall bei der FDP und bei Christoph Ahl- Dr. Wieland Schinnenburg FDP: Frau Präsiden- haus und Thilo Kleibauer, beide CDU) tin, meine Damen und Herren! Als ich den Antrag der SPD-Fraktion zum ersten Mal las, wusste ich 2312 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Wieland Schinnenburg)

Wir wissen alle, dass die Hamburger Hochschulen deutschen Hochschulen nimmt die Zahl ausländi- unter Ihrer Regierung bereits im Jahr 2011 quasi scher Studierender zu. am Ende gewesen wären, wenn sie nicht Mittel All das führt dazu, dass wir mehr Studierende ha- aus dem jetzt noch existierenden Hochschulpakt ben, was wir auch wollen. bekommen hätten. Es hätte in den Jahren 2011 und 2012 noch einmal einen kräftigen Abbau von Man muss sich einmal vergegenwärtigen, welche Studienplätzen gegeben. Die Hamburger Hoch- Zahlen dahinter stecken. Was kostet eigentlich ein schulen werden von Ihnen finanziell ausgezehrt Studienplatz? Das Statistische Bundesamt hat be- und können nur durch die derzeitigen Mittel aus legt, dass die tatsächlichen Kosten für einen dem Hochschulpakt überleben. Das ist der wahre durchschnittlichen Studienplatz bei 7150 Euro lie- Grund für Ihren Antrag. Sie suchen einen Freibrief ben. Aber zur Verfügung gestellt werden nur für die weitere finanzielle Auszehrung der Hambur- 6500 Euro. Und wenn wir jetzt zum Beispiel in ger Hochschulen und dafür wollen Sie Geld vom Hamburg jedes Jahr 16 000 Studienplätze mehr Bund. schaffen müssen, um dem Bedarf gerecht zu wer- den, dann bedeutet das in der Konsequenz – das Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, hat Herr Schinnenburg angesprochen – eine im- dass wir so ein Ansinnen nicht mitmachen können. mer stärkere Verschärfung der Unterfinanzierung Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Vielen Dank. der Hochschulen. Und das kann so nicht gehen. (Beifall bei der FDP und bei Christoph Ahl- (Beifall bei der LINKEN) haus und Christoph de Vries, beide CDU) Aus der Studie der KMK ist zu folgern, dass mehr Vizepräsidentin Kersten Artus: Frau Heyenn, Sie Ressourcen in die Universitäten fließen müssen, haben das Wort. und zwar umfänglich. Wenn man als Politiker land- auf, landab dafür wirbt, dass mehr junge Leute ein Studium aufnehmen, dann muss man auch einiges Dora Heyenn DIE LINKE:* Herr Schinnenburg, ei- dafür tun, dass das Studienangebot angemessen ne kleine Orientierungshilfe: Wir sind in Hamburg ist. Die Hochschulrektorenkonferenz hat dazu Stel- und nicht in Kiel. Ihre Wahlrede nützt hier über- lung genommen und ganz klar gesagt, dass ein haupt nichts. Hochschulsystem dauerhaft nur dann gestärkt (Finn-Ole Ritter FDP: Aber Ihre jetzt!) wird, wenn Personal, Räume, Lehrmittel und die komplette Infrastruktur dem Mehrbedarf entspre- Ich will zum Hochschulpakt sprechen und zu dem, chend verlässlich zur Verfügung gestellt werden. was gefühlt in allen Hochschulen und Universitäten schon Realität ist. Die KMK hat mit ihrer neuen Es ist eben schon angesprochen worden – ich Veröffentlichung zur Entwicklung der Studienan- glaube, von Herrn Kleibauer –, dass die große An- fängerzahlen bestätigt, dass wir eine deutlich stei- zahl befristeter Verträge und die prekären Beschäf- gende Zahl von Studienanfängern haben; das wird tigungsverhältnisse an den Universitäten ein Un- auch langfristig so bleiben. Frau Dr. Gümbel hat ding sind. Auch die GEW fordert eine Stabilisie- darauf hingewiesen, dass schon lange gesell- rung der Beschäftigungsverhältnisse und dass mit schaftlicher Konsens ist, dass wir das wollen. diesem Hire and Fire Schluss gemacht wird. Das gehört dazu, aber ebenso auch kostengünstiger Die KMK hat in sechs Punkten die Ursachen für Wohnraum und eine bessere Ausstattung des Stu- den Anstieg der Studierendenzahlen benannt: dierendenwerks. Erstens: Durch die doppelten Abiturjahrgänge ist Ich zitiere die Forderungen einer politischen Grup- die Zahl der Abiturienten gestiegen. pe – ich sage hinterher, wer das ist –: Zweitens: Die Studierneigung ist deutlich gestie- "Die Schaffung zusätzlicher Studienplätze gen, was wir als Politiker auch motiviert haben. alleine reicht außerdem nicht aus! Studie- Drittens: Die im Jahr 2011 beschlossene Ausset- rende brauchen auch soziale Infrastruktur zung der Wehrpflicht hat die Zahl der Studierenden […], von Wohnheimplätzen über Mensen bis erhöht. hin zu Beratungs- und Kultur-Angeboten. […] Das stete Zurückfahren der finanziellen Viertens: Der Anteil beruflich Qualifizierter, die ein Unterstützung der Studierendenwerke durch Studium aufnehmen können, ist gestiegen. Dieser die Länder läuft den Bemühungen um mehr Anteil ist unserer Meinung nach allerdings immer Studierende völlig entgegen." noch viel zu gering. Die haben recht, und diese Erklärung kommt von Fünftens: In einzelnen Bundesländern wurden Be- den Jusos. Wir brauchen dringend kostengünsti- rufsakademien dem Hochschulbereich zugeordnet. gen Wohnraum und das kostet eben auch Geld. Sechstens: Die Anzahl der Studienanfänger, die (Beifall bei der LINKEN) ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben, ist gestiegen. Das heißt, an den Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2313

(Dora Heyenn)

Das politische Ziel muss sein, genügend Studien- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt plätze zur Verfügung zu stellen, damit der NC eine neue Prognose vor; die letzte war aus dem überflüssig wird und damit das, was Frau Schavan Jahr 2009, ist also drei Jahre alt. Für die Jahre versprochen hat, dass jeder das studieren kann, 2011 bis 2015, das heißt für den Zeitraum des was er möchte, und jeder seinen Master machen Hochschulpaktes II, werden jetzt 357 000 Studien- kann, auch erfüllt wird. anfänger zusätzlich prognostiziert. Wenn man die zusätzlichen für die Wehrpflicht schon abzieht, sind (Beifall bei der LINKEN) das 297 000 zusätzliche Plätze, die schon im Zeit- raum bis 2015 notwendig sind. Für Hamburg sind Vizepräsidentin Kersten Artus: Frau Senatorin es 12 000 minus 1780 für die Wehrpflicht, also Dr. Stapelfeldt hat das Wort. rund 10 000 Studienplätze, die wir neu schaffen müssten, was wir zum Teil auch tun in dieser Pha- Zweite Bürgermeisterin Dr. Dorothee Stapel- se. feldt: Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Da- Mit der Entschließung, die heute zur Abstimmung men und Herren! Seit 2007 unternehmen Bund steht, wird genau dieses eingefordert, also sowohl und Länder große Anstrengungen, um die benötig- eine Ausweitung für die zweite Phase des Hoch- ten zusätzlichen Studienanfängerkapazitäten zu schulpaktes als auch für die dritte Phase, für die schaffen. Das müssen wir, wenn wir heute über Jahre 2016 bis 2020, weil auch dann die vor drei weitere zusätzliche Plätze diskutieren, zunächst Jahren vorausberechneten Zahlen deutlich über- einmal berücksichtigen; da sind schon erhebliche schritten werden. Und – das muss man für beide Leistungen vollbracht worden. Für Hamburg sind Phasen sagen – die Entwicklung der Masternach- es 4370 Studienplätze, die – mit den 1780 für die frage ist überhaupt nicht berücksichtigt. Aussetzung der Wehrpflicht – mit diesen Mitteln an den staatlichen Hamburger Hochschulen zusätz- Was bedeutet das zusammengefasst? Meiner An- lich geschaffen werden. sicht nach bedeutet es zügiges Handeln und eine zeitnahe Aufstockung der zweiten Programmphase Es gibt jetzt – das ist der zweite Punkt, auf den ich des Hochschulpaktes, das heißt bis 2015. Und es eingehen will – eine besondere nationale Aufgabe, bedeutet ausdrücklich, dass die Masternachfrage die Hochschulen für den erheblich gestiegenen bei dem Pakt mitberücksichtigt werden muss. Drit- Andrang junger bildungswilliger Menschen auszu- tens muss es bedeuten, dass es zwischen Bund bauen und auszustatten. Deswegen brauchen wir und Ländern eine rechtzeitige Einigung über die eine Ausweitung des Hochschulpaktes. Diese Auf- Ausgestaltung der dritten Programmphase, näm- gabe ist nicht mit einer Grundgesetzänderung, wie lich von 2016 bis 2020, gibt. Denn es ist in diesem die Bundesregierung sie vorschlägt, zu leisten. Ich Zusammenhang ganz wichtig, Planungssicherheit will das kurz begründen. für die Hochschulen zu erlangen. Und wenn die Die Initiative der Bundesregierung ermöglicht eine Bürgerschaft so beschließen sollte, dann nehme neue Verbindung zwischen Universitäten und au- ich das gerne als Unterstützung für die Gespräche, ßeruniversitären Forschungseinrichtungen zur die wir morgen und übermorgen mit dem Bund ha- Weiterförderung von Exzellenzclustern und auch ben, und werde mich gerne darauf beziehen, dass eine dauerhafte institutionelle Förderung an den es eine fraktionsübergreifende Unterstützung für Hochschulen, aber nicht der Hochschulen. Das ist die Ausweitung der Hochschulpaktes gibt. – Vielen ein ziemlich wichtiger Unterschied und außerdem Dank. bleibt das Erfordernis der überregionalen, also der (Beifall bei der SPD) nationalen Bedeutung bestehen. Mit dieser Initiati- ve zur Änderung des Grundgesetzes ist im We- sentlichen beabsichtigt, die Spitzenforschung an Vizepräsidentin Kersten Artus: Wenn keine wei- den Hochschulen weiter zu fördern. Aber die Fi- teren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur nanzierung der Hochschulen in der Breite würde Abstimmung. Zunächst zum Antrag der Fraktion damit nicht erfolgen, sondern unterbleiben und da- DIE LINKE aus Drucksache 20/3863. mit würde sich auch die unterschiedliche finanzielle Wer möchte diesem zustimmen? – Gegenstim- Situation der Hochschulen verfestigen. Darauf hat men? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag ab- auch Frau Dr. Gümbel hingewiesen. Bei dieser In- gelehnt. itiative ist der gesamte Schulbereich, der zur För- derung mit anstünde, eher nicht berücksichtigt. Weiter zum Antrag der CDU-Fraktion aus Drucksa- Deswegen gibt es eine Bundesratsinitiative Ham- che 20/3864. burgs, die im Bundesrat von Berlin und Branden- Wer möchte diesen beschließen? – Gegenstim- burg dahingehend unterstützt wird, dass Finanzhil- men? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag fen nach Artikel 104c geschaffen werden, was abgelehnt. dann auch tatsächlich zu einer halbwegs gerech- ten Mittelverteilung führen würde. Schließlich zum SPD-Antrag aus Drucksache 20/3663. 2314 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

Wer möchte diesen annehmen? – Gegenstimmen? derschutzes erarbeiten. Um diese Maßnahmen – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag angenom- noch in dieser Legislaturperiode einzuleiten, sind men. wir zu der Auffassung gekommen, dass die kom- primierte und konzentrierte Arbeit eines Sonder- ausschusses hierfür der richtige Weg ist. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 44 und 48 auf, Es geht uns darum, Defizite der Arbeitsweise der Drucksachen 20/3754 in der Neufassung und Jugendämter aufzuzeigen und das Rollenverständ- 20/3870, den Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ein- nis und die Zusammenarbeit zwischen Jugendäm- setzung einer Enquete-Kommission nach Artikel 27 tern und freien Trägern untersuchen zu lassen und der Hamburgischen Verfassung in Verbindung mit zu bewerten. Darüber hinaus wollen wir in diesem Paragraf 63 der Geschäftsordnung der Hamburgi- Ausschuss die bereits eingeleiteten Maßnahmen schen Bürgerschaft "Nachhaltige Stärkung der Da- der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Inte- seinsvorsorge für Kinder und Jugendliche – das gration inhaltlich eng begleiten und bewerten so- System der Kinder- und Jugendhilfe in Hamburg wie eigene Vorschläge entwickeln; es ist unser auf die sozioökonomische Entwicklung der Stadt Ziel, diese bis zum Herbst 2013 vorzulegen. ausrichten" sowie den Antrag der Fraktionen der Wir sind der Auffassung, dass der von der LINKEN SPD, der CDU, der GAL und der FDP: Einsetzung vorgelegte Zusatzantrag nicht zu einer Konkretisie- eines Sonderausschusses. rung des Arbeitsauftrags des Sonderausschusses beiträgt, sondern dass hier Themen eingebracht [Antrag der Fraktion DIE LINKE: werden sollen, die sich in diesem Rahmen nicht Einsetzung einer Enquete-Kommission nach zufriedenstellend bearbeiten ließen. Daher können Artikel 27 der Hamburgischen Verfassung in wir als SPD-Fraktion diesem Zusatzantrag nicht Verbindung mit § 63 der Geschäftsordnung der folgen. Hamburgischen Bürgerschaft "Nachhaltige Stärkung der Daseinsvorsorge für Kinder und Wir begrüßen ausdrücklich, dass wir uns einver- Jugendliche – das System der Kinder- und Ju- nehmlich mit den Fraktionen von CDU, GAL und gendhilfe in Hamburg auf die sozioökonomi- FDP darauf verständigen konnten, uns diesen vor sche Entwicklung der Stadt ausrichten" uns liegenden Aufgaben im Rahmen eines Son- – Drs 20/3754 (Neufassung) –] derausschusses zu widmen. [Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, GAL und (Beifall bei der SPD) FDP: Einsetzung eines Sonderausschusses Vizepräsidentin Kersten Artus: Herr de Vries, – Drs 20/3870 –] Sie haben das Wort.

Zur Drucksache 20/3870 liegt Ihnen als Drucksa- Christoph de Vries CDU:* Frau Präsidentin, mei- che 20/3874 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE ne Damen und Herren! Es ist ein gutes Zeichen, vor. dass wir nach dem Fall Chantal nicht zur Tages- ordnung übergehen, sondern gemeinsam bewei- [Antrag der Fraktion DIE LINKE: sen, dass wir ein ernsthaftes und auch aufrichtiges Konkretisierung des Auftrags des Sonderaus- Interesse an der Aufarbeitung dieses Falls haben. schusses Wir haben nach den letzten Monaten erkennen – Drs 20/3874 –] müssen, dass eine wirkliche Aufarbeitung und Be- fassung nicht einfach im Rahmen einiger regulärer Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Leonhard, Sie Ausschusssitzungen geleistet werden kann. Wenn haben es. wir für das Kindeswohl in Hamburg etwas leisten wollen, dann müssen wir uns eingehend und tief- Dr. Melanie Leonhard SPD: Sehr geehrte Frau gründig damit befassen. Deswegen war auch un- Präsidentin, meine Damen und Herren! Das sere Überlegung, den Sonderausschuss zu schaf- Schicksal von Chantal, die im Januar in einer Pfle- fen. Ob es dann ein Sonderausschuss wird oder gefamilie, die das Jugendamt für sie ausgewählt eine Enquete-Kommission, ist eine zweite Frage; hatte, zu Tode gekommen ist, beschäftigte uns im dazu vielleicht gleich mehr. Aber es ist richtig, dass Familienausschuss in den vergangenen Wochen wir uns gesondert damit befassen. Das zeigt allein und Monaten sehr. Wir haben uns deshalb ge- schon die Tatsache, dass wir aufgrund unseres Er- meinsam mit vier Fraktionen dazu entschieden, suchens auf Aktenvorlage allein 150 Akten vorge- einen Sonderausschuss einzurichten, der die Um- legt bekommen haben. Wenn wir uns damit ernst- stände aufklären soll, die zum Tod der elfjährigen haft auseinandersetzen wollen, dann müssen wir Chantal aus Wilhelmsburg in diesem Januar ge- uns auch die Zeit dafür nehmen. führt haben. Der Ausschuss soll Strukturen und Der Antrag ist aus drei Gründen richtig: Erstens hat Abläufe im Jugendhilfebereich beleuchten und es zu Anfang, in der Zeit des großen öffentlichen konkrete Empfehlungen zur Verbesserung des Kin- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2315

(Christoph de Vries)

Interesses die richtigen und auch notwendigen Aber es sind noch viele Fragen offen geblieben, personellen Konsequenzen gegeben, indem politi- zum Beispiel die Gründe für die Defizite im Han- sche Verantwortung übernommen wurde. Was auf deln staatlicher Stellen, wie des Jugendamts, und Verwaltungsebene weiter passiert, wird sich zei- für das Versagen von Kontrollsystemen, die dem gen, das hängt auch vom Ergebnis der staatsan- Kindeswohl dienen sollen. Die Rolle der freien Trä- waltschaftlichen Ermittlungen ab. Aber mindestens ger in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ist genauso wichtig ist, dass wir jetzt nicht zur Tages- ebenfalls noch nicht ausreichend definiert. Und si- ordnung übergehen und den Fall wieder ad acta cherlich wird es auch notwendig sein, die vom Se- legen, sondern dass wir dort jetzt richtig einstei- nat eingeleiteten Sofortmaßnahmen auf ihre Sinn- gen; das ist auch ein gutes Signal nach außen. haftigkeit und Wirksamkeit hin zu überprüfen, denn diese Maßnahmen sind als erste schnelle Reaktion (Beifall bei der CDU) ohne vorherige Analyse erfolgt. Zweitens haben wir mit diesem Antrag einen klaren Zur Aufklärung dieser und weiterer Punkte haben und erfüllbar formulierten Auftrag. Das ist auch not- sich vier Fraktionen verständigt, einen Sonderaus- wendig; Frau Leonhard hat das richtig skizziert. schuss einzurichten. Die Einigkeit bei der Einset- Wir wollen in Erfahrung bringen, welche Umstände zung dieses Instruments nach dem Tod von Chan- konkret in dem Behördenverfahren zu diesem To- tal ist wichtig, damit wir möglichst schnell handeln desfall geführt haben. Wir wollen sehen, wie Me- können. Und nicht zuletzt haben die Menschen in chanismen falsch laufen und welche Hürden wir dieser Stadt zu Recht die Erwartung, konkrete vielleicht in Zukunft einziehen müssen, um ein sol- Empfehlungen zur Verbesserung des Kinderschut- ches im Wesentlichen auch persönliches Versagen zes zu erhalten und diese Empfehlungen auch möglichst unwahrscheinlich zu machen. Es ist rich- noch in dieser Wahlperiode umgesetzt zu sehen. tig, dass wir da nicht gleich wieder die Systemfrage Ein Sonderausschuss der Bürgerschaft ist aus un- stellen, denn es war in diesem Fall vermutlich kein serer Sicht das beste Instrument, um den Fall auf- Systemversagen. Deswegen ist der Antrag der zuklären und echte Verbesserungen zum Schutz LINKEN aus meiner Sicht auch nicht hilfreich, weil der Kinder zu erreichen. Mit einem Sonderaus- er den Auftrag des Ausschusses mit einem etwas schuss lassen sich die Elemente einer Enquete- ideologisch befrachteten Gesellschaftsbild überlas- Kommission und eines parlamentarischen Untersu- ten und ihn so ausweiten würde, dass wir gar nicht chungsausschusses vereinen. imstande wären, ihn abzuarbeiten. Meine Damen und Herren insbesondere der Links- Drittens haben wir einen klaren Zeithorizont, näm- Fraktion! Ich möchte jetzt nicht darüber debattie- lich bis 2013. Wir haben einen klaren Auftrag. Wir ren, ob eine Enquete-Kommission oder ein Son- wollen Handlungsempfehlungen erarbeiten und derausschuss das geeignete Instrument ist, die uns nicht nur mit dem beschäftigen, was die BASFI Frage nach den Ursachen, die sich aus dem Tod derzeit schon erarbeitet. Das gehört sicher auch von Chantal ergeben haben, zu beantworten. Das dazu und wir als Fraktionen haben schon konkrete würde dem Tod von Chantal und unserem Ziel, Vorschläge erarbeitet. Wir werden Experten hinzu- Lücken im Hilfesystem zum Schutz aller Kinder ziehen, und dann hoffe ich, dass wir konkrete schnell zu analysieren, nicht gerecht werden. Handlungsempfehlungen abgeben können, die dem Wohl und Schutz der Kinder in Hamburg die- (Beifall bei der GAL) nen. Und dies ist ein guter Start. Viel wichtiger ist aus Sicht der Grünen, dass sich (Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der nach dem Tod des Mädchens alle Parteien einig SPD) waren, nicht einfach zur Tagesordnung überzuge- hen. Und diese Einigkeit spiegelt sich in dem ge- Vizepräsidentin Kersten Artus: Frau Blömeke, meinsamen Willen von SPD, CDU, GAL und FDP Sie haben das Wort. wider, einen Sonderausschuss einzurichten. Ich bin davon überzeugt, liebe Kolleginnen und Kolle- gen der Links-Fraktion, dass auch Sie sich dann in Christiane Blömeke GAL: Frau Präsidentin, mei- der laufenden Arbeit des Sonderausschusses mit ne Damen und Herren! Es ist jetzt ein Vierteljahr einigen der von Ihnen gewünschten Untersu- her, dass Hamburg durch die Umstände des trauri- chungspunkte wiederfinden werden. gen Todes von Chantal schockiert wurde. Notwen- dige personelle Konsequenzen wie der Rücktritt (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der des politisch verantwortlichen Bezirksamtsleiters SPD) Markus Schreiber und die Versetzung der fachlich zuständigen Jugendamtsleitung Frau Wolters sind Vizepräsidentin Kersten Artus: Herr Ritter, Sie erfolgt; das ist gut so. Ebenso sind Maßnahmen haben das Wort. getroffen worden, die die Unterbringung von Kin- dern in Pflegefamilien vermeintlich sicherer ma- Finn-Ole Ritter FDP: Frau Präsidentin, meine sehr chen sollen. geehrten Damen und Herren! Nach dem Tod eines 2316 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Finn-Ole Ritter) kleinen Mädchens, das dazu noch unter Aufsicht Vizepräsidentin Kersten Artus: Frau Schneider, des Jugendamts stand, kann niemand einfach zur Sie haben das Wort. Tagesordnung übergehen; das wurde schon mehr- fach erwähnt. Deshalb begrüßen wir als FDP-Frak- Christiane Schneider DIE LINKE: Frau Präsiden- tion die parlamentarische Aufarbeitung dieses tra- tin, meine Damen und Herren! Ich vertrete meinen gischen Falls. Wir müssen die richtigen Konse- Kollegen Yildiz, der kurzfristig erkrankt ist. quenzen daraus ziehen, damit sich eine solche Tragödie nicht wiederholt. Wir haben einen Antrag zur Einrichtung einer En- quete-Kommission vorgelegt. Vor dem Hinter- Aus Sicht der FDP-Fraktion wäre, wie wir schon grund, dass in den letzten Jahren vier Kinder in verkündet haben, eine Enquete-Kommission an- den Bezirken Bergedorf, Wandsbek und Hamburg- fänglich der bessere Weg gewesen. Chantal ist Mitte ums Leben gekommen sind, erscheint uns nicht das erste Kind, das gestorben ist, obwohl die das dringend geboten. Der Tod dieser Kinder ist Familie vom Jugendamt betreut wurde. Jessica nur die Spitze des Eisbergs. In etlichen weiteren und Lara Mia waren aber keine Pflegekinder, son- Fällen sind ähnliche Fehler unterlaufen, die Gott dern starben in ihren eigenen Familien. Alle vorhe- sei Dank nicht zu so extrem traurigen Ergebnissen rigen Fälle zogen Konsequenzen nach sich, das geführt haben, wo Hilfen nicht schnell genug an Babybegrüßungsprogramm nach dem Fall La- das Kind gebracht oder nicht die richtigen Hilfen ra Mia, die Einrichtung der Kinderschutz-Hotline zur richtigen Zeit bewilligt wurden. Gemeint sind als Maßnahme nach dem Fall Jessica, um nur eini- Fälle wie der der siebenjährigen Anna aus Steils- ge Beispiele zu nennen. Das waren aber immer hoop, über den die Presse in den letzten Tagen nur Reaktionen auf die Missstände im jeweils kon- berichtet hat. kreten Fall und sie waren leider – traurig, aber wahr – beileibe nicht ausreichend, um andere Fälle Einen Sonderausschuss beziehungsweise bürger- zu verhindern. Deshalb hätten wir Liberale uns ei- schaftliche Untersuchungen verschiedener Art hat ne grundlegende Prüfung der bestehenden Struk- es in der Vergangenheit mehrfach gegeben. In turen gewünscht. Unserer Ansicht nach liegen die schöner Regelmäßigkeit wurden vor allem zusätzli- Probleme tiefer als nur in der Organisation des che Kontrollmaßnahmen eingeführt, Stichworte: Pflegekinderwesens, also erneut einem spezifi- verschärfte Durchsetzung der Schulpflicht, Einfüh- schen Teilbereich der Kinder- und Jugendhilfe. rung eines Schülerregisters, Verschärfung von Meldeverfahren, unangemeldete Hausbesuche. Liebe Kollegen von der LINKEN, Ihrem Antrag in Jetzt sollen weitere Maßnahmen kommen wie er- seiner jetzigen Form hätten wir aber dennoch nicht weiterte Gesundheitszeugnisse, Erhöhung der An- in allen Punkten zustimmen können. Die pauschale forderungen an Führungszeugnisse, Einführung ei- Verurteilung der freien Träger wird den vielschichti- ner Jugendhilfeinspektion. Aus unserer Sicht reicht gen Problemen absolut nicht gerecht. Die meisten die Einführung von immer mehr Kontrollen und freien Träger haben unglaublich viel Fachwissen, ständig steigenden Berichtspflichten für die Be- sie kennen den Sozialraum, sie haben einen ganz schäftigten bei den Allgemeinen Sozialen Diensten anderen Zugang zu den Betroffenen. Viele Famili- und den Einrichtungen der Träger nicht aus, das en stehen Jugendamtsmitarbeitern misstrauisch Problem angemessen zu bearbeiten. gegenüber, während sie die Mitarbeiter der Träger als Vertrauenspersonen wahrnehmen. Außerdem (Beifall bei der LINKEN) schreiben Sie im Antrag, die Standardisierung der Es geht nicht nur darum, konkrete Empfehlungen Arbeit degradiere die Mitarbeiter zu Fallmanagern. zur Verbesserung des Kinderschutzes zu erarbei- Aber gerade im Fall Chantal hätte doch eine Stan- ten, indem Strukturen und Abläufe untersucht wer- dardisierung im Umgang mit Beschwerden Gutes den, sondern es geht auch um die Bereitstellung bewirken können. Dann wären die Hinweise der von Ressourcen. Das ganze System bedarf einer Nachbarn und Lehrer vielleicht nicht einfach als unabhängigen, externen fachlichen Beurteilung. Mobbing abgetan, sondern ernst genommen wor- den. Die umfangreichen Kontrollmaßnahmen und die stetig steigenden Berichts- und Dokumentations- Meine Damen und Herren! Als FDP haben wir uns pflichten fressen einen erheblichen Teil der Zeit, schließlich dazu entschlossen, der Einrichtung ei- die für die fachliche Arbeit eingesetzt werden soll- nes Sonderausschusses zuzustimmen. Wir wollen te, und senken deren Qualität. Bei Kinderschutzfäl- uns einer parlamentarischen Aufarbeitung nicht len müssen allein Fragebögen im Umfang von verschließen, wir wollen und werden uns konstruk- 20 Seiten ausgefüllt werden und die Kontrollmaß- tiv an der Debatte beteiligen. Deshalb stimmt die nahmen sind teuer. Die Einführung von JUS-IT FDP-Fraktion der Einrichtung eines Sonderaus- kostet über 112 Millionen Euro. Das System schusses zu. – Vielen Dank. schlägt die billigste Hilfe als Erstes vor und das (Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der SPD muss, das wissen Sie alle, nicht die beste Hilfe und bei Christoph de Vries CDU) sein. Unser Fazit: Die bisher vorrangig betriebene Politik ist teuer und beansprucht viel Arbeitszeit, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2317

(Christiane Schneider) die bei der fachlichen Arbeit mit den Menschen (Beifall bei der LINKEN) fehlt. Dazu haben wir einen Zusatzantrag gestellt, den Der Vorteil eines Sonderausschusses liegt für die wir gern ziffernweise abstimmen lassen wollen, Parteien, die in der Vergangenheit politische Ver- wenn Sie nicht bereit sind – und das hat sich ange- antwortung getragen haben, deshalb auf der Hand: deutet –, diesen Zusatzantrag als Ganzen mitzu- Er ist in seinem Untersuchungsauftrag einge- tragen. Die von uns gemachten Vorschläge bewe- schränkt und lässt sich leichter steuern. Wir fürch- gen sich dabei durchaus im Zusammenhang mit ten, es werden vor allem die vom Senat vorge- der öffentlichen Diskussion wie auch mit der Fach- schlagenen Maßnahmen noch einmal geprüft und diskussion. dann wahrscheinlich im Wesentlichen durchge- So haben FDP und SPD im Bezirk Hamburg-Mitte winkt und es werden, wie auch schon gesagt wur- vereinbart, dass die Arbeitsbedingungen im Ju- de, persönliche Verantwortlichkeiten festgestellt. gendamt, insbesondere beim Allgemeinen Sozia- Nach so vielen Vorfällen ist aber eine generelle len Dienst, genauer geprüft werden sollen. Mögli- Prüfung des Gesamtsystems der Jugendhilfe aus cherweise soll dies durch eine externe Evaluation unserer Sicht unaufschiebbar. geschehen. Die Kürzungen in der offenen Kinder- (Beifall bei der LINKEN) und Jugendarbeit werden abgelehnt. Auch in die- sem Punkt werden also von anderen durchaus Zu- Sie argumentieren, Frau Blömeke, dass ein Son- sammenhänge gesehen, die untersucht werden derausschuss der Bürgerschaft das beste Instru- müssen. ment sei, um den Fall einerseits aufzuklären und andererseits echte Verbesserungen, zum Beispiel Aus unserer Sicht muss es im weiteren Verfahren bei der Wirksamkeit von Kontrollen, zu erreichen. darum gehen, die bestmöglichen Bedingungen Diese Argumentation haben Sie mit Ihrem eigenen herzustellen, um die Rechte der Jugendlichen und Antrag zur Festlegung von Obergrenzen beim ASD Kinder zu gewährleisten. Dazu gehört vor allem widerlegt. Dieser Antrag liegt der Bürgerschaft vor, auch die Herstellung von Beziehungen. Das kostet obwohl der Sonderausschuss noch gar nicht ein- Zeit und die Bedürfnisse der Hilfesuchenden müs- gesetzt ist. Das ist auch gut so, aber der Vorgang sen bei der Gewährung der Hilfen berücksichtigt zeigt, dass die gründliche Untersuchung durch ei- werden. Zur Herstellung von Beziehungen gehört ne Enquete-Kommission die Bürgerschaft nicht auch Kompetenz, Kompetenz bei den Pflegefamili- daran hindern würde, dort Verbesserungen umzu- en, die ihre Ressourcen für die Gesellschaft zur setzen, wo Fehler im System der Jugendhilfe iden- Verfügung stellen, und deren Ressourcen weiter tifiziert worden sind. gefördert und ausgebaut werden müssen, und Kompetenz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Uns stört vor allem, dass es im Wesentlichen um tern der Jugendhilfe. die Überprüfung der Wirksamkeit von Kontrollen gehen soll. Das ist aus unserer Sicht falsch, denn Dazu dienen die von uns aufgeführten zusätzli- es muss vor allem darum gehen, dass die fachlich chen vier Punkte, um die der Auftrag des Sonder- richtige Hilfe im entsprechenden Einzelfall gewährt ausschusses nach unserer Auffassung erweitert wird und dass die fachliche Kompetenz und Auf- werden soll. – Schönen Dank. merksamkeit der handelnden Personen gewähr- (Beifall bei der LINKEN) leistet ist. Dass das nicht immer der Fall ist, zeigt gerade sehr bedrückend der Fall, den ich schon angesprochen habe, der jungen Anna. Hier haben Vizepräsidentin Kersten Artus: Wenn keine wei- Kompetenz und Aufmerksamkeit gefehlt. teren Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Wir beginnen mit dem Antrag der Im Fall Chantal war gerade deutlich geworden, Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 20/3754 in dass sich die unterschiedlichen Stellen jeweils auf der Neufassung. Dieser Antrag wurde nicht mit die andere Stelle und ihre schon geleistete Kon- dem nach Artikel 27 Absatz 1 Satz 1 der Hambur- trollarbeit verlassen haben. Kontrollmaßnahmen, gischen Verfassung erforderlichen Quorum ge- zumal standardisierte Kontrollen, haben den Nach- stellt. Ich lasse deshalb über den Antrag abstim- teil, dass sie dazu verleiten, gerade wenn wenig men. Zeit vorhanden ist, den fachlichen Blick und In- stinkt zu verlieren. Wer möchte ihn annehmen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt. Da die FDP wie auch die GAL sich dem Antrag der übrigen Fraktionen angeschlossen haben und Wir kommen nun zum Antrag der Fraktion DIE LIN- nicht mehr für eine Enquete-Kommission plädie- KE aus der Drucksache 20/3874. Diesen werden ren, wollen wir uns zumindest dafür einsetzen, wir auf Antrag der Fraktion DIE LINKE ziffernweise dass der Untersuchungsauftrag auf die Felder aus- abstimmen. geweitet wird, deren Untersuchung wir für unbe- Wer Ziffer 1 des Antrags aus der Drucksache dingt notwendig halten, um weitere Gefahren von 20/3874 annehmen möchte, den bitte ich um das Kindern und Jugendlichen abzuwenden. 2318 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? Uns schockiert, dass der Senat sagt, es müssten – Damit ist diese Ziffer abgelehnt. 250 Stellen eingespart werden, 12,5 Millionen Euro im Jahr sollten eingespart werden und das mög- Wer möchte der Ziffer 2 seine Zustimmung geben? lichst auch noch strukturell, damit andere Dinge – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch – "pay as you go" sei es geschuldet – gegenfinan- diese Ziffer abgelehnt. ziert sind. Wenn das die Ziellatte war und man sich Wer möchte die Ziffer 3 beschließen? – Gegenpro- jetzt überlegt, ob sie denn nur annähernd verfehlt be. – Enthaltungen? – Damit ist auch diese Ziffer wurde oder ob man vielleicht ein wenig vorbeige- abgelehnt. sprungen ist und was da eigentlich passiert ist, dann muss man feststellen, dass man scheinbar Und wer schließt sich Ziffer 4 an? – Gegenprobe. gar nicht erst losgelaufen ist. Wenn wir nämlich die – Enthaltungen? – Damit ist auch diese Ziffer und Antworten auf die dort gestellten Fragen richtig in- damit der Antrag in Gänze abgelehnt. terpretieren, dann haben wir im Jahr 2011 143 Schließlich zum gemeinsamen Antrag der Fraktio- dauerhaft eingesparte Stellen. Das wäre "pay as nen der SPD, CDU, GAL und FDP aus Drucksache you go", weil das strukturell ist, nur leider haben 20/3870. wir auch 1000 neue Stellen. Und jeder, der rech- nen kann – das kann der Senat normalerweise Wer diesen annehmen möchte, den bitte ich um nicht, aber ich denke, alle anderen, die hier sitzen, das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltun- können es –, stellt fest, dass die 250 Stellen netto, gen? – Damit ist der Antrag angenommen. die eingespart werden sollten, nicht erreicht wor- den sind. Nun könnte man sagen, der Senat sei besonders Ich rufe Punkt 8 auf, Drucksache 20/3008, Große kreativ in der Haushaltsführung und hätte noch vie- Anfrage der CDU-Fraktion: Personaleinsparungen le wichtige Dinge in petto. Schauen wir doch ein- 2011. mal, wie es denn mit den 12,5 Millionen Euro ist. Sind denn wider Erwarten mit 800 zusätzlichen [Große Anfrage der CDU-Fraktion: Stellen strukturell 12,5 Millionen Euro eingespart Personaleinsparungen 2011 worden? Wenn wir uns das für 2011 anschauen, – Drs 20/3008 –] dann sehen wir überraschenderweise, dass nicht 12,5 Millionen Euro eingespart, sondern 65 Millio- Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an nen Euro mehr ausgegeben wurden. Wir werden den Haushaltsausschuss überweisen. Wer es gleich in der Diskussion erleben, dass gesagt wünscht das Wort? – Herr Heintze, Sie haben es. wird, das seien doch Vollzeitäquivalente, man (Jan Quast SPD: Kann ja keine lange Rede müsse dort genau hinschauen und dieses und je- werden! – Präsidentin Carola Veit über- nes richten und eine Nebelkerze nach der anderen nimmt den Vorsitz.) geworfen wird. Unterm Strich steht, dass Ihr Ver- sprechen, 12,5 Millionen Euro strukturell im Perso- Roland Heintze CDU: Frau Präsidentin, liebe Kol- nalhaushalt einzusparen, völlig gebrochen wurde, leginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über indem Sie nämlich einfach 65 Millionen Euro mehr eine Große Anfrage, die eines extrem deutlich ausgegeben haben. Wenn das die Qualität des macht, nämlich wie dieser Senat, insbesondere die Einhaltens Ihrer politischen Zusagen ist, dann ist Finanzbehörde, in der Vergangenheit mit ihren das ein ganz desolater Zustand. großen Ankündigungen umgegangen ist und wie (Beifall bei der CDU und bei Anja Hajduk dort einem vollmundigen Senatsversprechen eine GAL) Bruchlandung folgte, die dann mit möglichst vielen Nebelkerzen vertuscht werden soll. Dieses zeigen Um sich diesen Zustand schönzurechnen, hat man die Antworten auf unsere Große Anfrage. mal eben 200 vorübergehend nicht besetzte Voll- zeitstellen einbezogen, hat dann noch 180 kw-Ver- Es mag auch dazu beigetragen haben, dass der merke dazugerechnet, nur, damit man das irgend- Senat sehr bemüht war, seine Interpretation dieser wie noch ansatzweise schön aussehen lassen Antworten zeitnah den Medien zur Verfügung zu kann. stellen, knapp, nicht ganz so zeitnah, dass es die Abgeordneten nicht vorher gehabt hätten, aber die Das Schlimme dabei ist nicht, dass erneut ein Ver- Reaktionszeiten wurden arg verkürzt. Dieses Ab- sprechen gebrochen wurde, daran haben wir uns weichen vom üblichen parlamentarischen Vorge- gewöhnt. Das Schlimme ist, dass es in diesem Se- hen zeugt doch sehr von einem extrem schlechten nat keine gesteuerten Stelleneinsparungen bezüg- Gewissen. Aber das ist an anderer Stelle zu disku- lich des Aufwachsens des budgetrelevanten Per- tieren und nicht heute bei dem Thema der Großen sonalbestandes gibt. Wenn es das nicht gibt, dann Anfrage. frage ich mich allen Ernstes, wie Sie Ihre Haus- haltsziele und vor allen Dingen Ihre 1-Prozent-Stei- gerung jemals erreichen wollen. Ich habe ein we- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2319

(Roland Heintze) nig das Gefühl, dass sich in der Finanzbehörde viel wahrnehmen und welchen Einspareffekt man errei- schöne Rhetorik ausgedacht wird und die Fachbe- chen kann, den wir gemeinsam erzielen wollen. hörden dann fleißig damit beschäftigt sind, dies Das wäre ein Vorgehen, das wir ausdrücklich mit- möglichst so hinzutricksen, dass es irgendwie tragen würden. Nur so, wie Sie es im Moment wie- passt. Das hat aber mit Steuerung und systemati- der machen, nämlich einen großen Rasenmäher schen Sparbemühungen überhaupt nichts zu tun. anzuwerfen, damit aber noch nicht einmal umge- hen können, das kann keine weiterführende Politik (Beifall bei der CDU) sein. Das ist nichts, was die CDU mitträgt. Wenn ich die Signale richtig deute, dann steht so- Besser wäre es – und dazu haben Sie jetzt die gar zu befürchten, dass dieses Prinzip im Haushalt Chance –, uns die Möglichkeit zu geben, diese 2013/2014 noch systematisiert wird, indem man es Aufgabenkritik zu führen. Lassen Sie uns dieses grundsätzlich der Kreativität der Behörden über- besprechen und überweisen Sie unsere Große An- lässt, wie sie mit ihren Budgets zurechtkommen; frage an den Haushaltsausschuss. Da sind wir be- darüber sollten Sie noch einmal nachdenken. reit, Sie in einem kreativen, konstruktiven, den Mit- (Vereinzelter Beifall bei der CDU) arbeitern angemessenen und für die Aufgabener- füllung in der Stadt nötigen Prozess zu begleiten. Nichtsdestotrotz ist positiv anzumerken, dass die Herr Quast, wir fangen gerne an. Stimmen Sie der Versorgungslasten erstmalig gesunken sind. Aber Überweisung an den Ausschuss zu, dann lassen was nicht sein kann, denn dafür ist das Thema zu wir den Ankündigungen Taten folgen. – Schönen ernst, ist, dass Sie per se mit Rasenmähern arbei- Dank. ten und globalen Zielvorgaben. Am Ende des Ta- ges reden wir nämlich über Mitarbeiter im öffentli- (Beifall bei der CDU – Jan Quast SPD: Sie chen Dienst. Wir reden über Menschen in den Be- können auch so Vorschläge machen! Die hörden, wir reden über Menschen, die dort ihre Ar- gehen auch durch!) beit tun, und die haben deutlich Besseres verdient, als ständig durch große Rhetorik als zentrales Ein- Präsidentin Carola Veit: Nun bekommt Herr Dr. sparziel benannt zu werden, ohne dass man sich Tode das Wort. jemals damit beschäftigt hätte, welche Aufgaben sie überhaupt wahrnehmen. Das kann nicht der Dr. Sven Tode SPD: Frau Präsidentin, meine Da- Umgang eines Senats sein, der seine Mitarbeiter men und Herren! Der sozialdemokratische Senat, und Bediensteten ernst nimmt. Bürgermeister Scholz und Finanzsenator Dr. (Vereinzelter Beifall bei der CDU) Tschentscher haben, anders als uns Herr Heintze das glauben machen möchte, im ersten Jahr der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sind nämlich per Amtszeit ihre Ziele und Ankündigungen im Perso- se nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil, sie sind nalbereich vollauf eingehalten. Das geht aus den sehr wichtig für diese Stadt. Wenn man genau hin- Antworten auf die Große Anfrage der CDU klar schaut, bedeutet es auch nicht, dass Hamburg hervor. überverwaltet ist. Die Herausforderungen der kommenden Jahre (Jan Quast SPD: Wir warten auf Ihre Vor- bestehen, da haben Sie völlig recht, in einer pro- schläge!) fessionellen Aufgabenkritik und einem verantwor- Das ist nicht unsere Kritik. Unsere Kritik besteht tungsvollen Personalmanagement, den notwendi- darin, dass es Schwachstellen gibt. Es gibt Dop- gen Personalabbau zu gestalten. Ziel ist dabei, die pelarbeit und es gibt eine ganze Menge Häuptlin- Effizienz der Hamburger Verwaltung zu stärken ge, wenn man sich den Overhead bei den einzel- und die Leistungsfähigkeit der Stadt zu erhalten. nen Behörden ansieht. Da gibt es einzelne (Beifall bei der SPD – Katja Suding FDP: Schwachstellen, bei denen man sich einmal die Machen Sie das doch mal!) Mühe machen muss, sie genau zu identifizieren. Es hilft dort nicht, einen behördenübergreifenden Gleichzeitig hält sich der Senat selbstverständlich Rasenmäher anzuwerfen und sich finanzpolitische an die gesetzlichen Vorgaben und die gemeinsam Zauberformeln auszudenken, denn das geht vereinbarten Ziele, zum Beispiel im Rahmen des schief, das haben wir jetzt wieder gesehen. Hamburger Schulfriedens. Wir setzen die Prioritä- ten um, um derentwillen die Menschen uns ihr Ver- Wir wollen, dass Sie Ihre Mitarbeiter ernst nehmen, trauen gegeben haben. und ernst nehmen bedeutet für uns Aufgabenkritik, und zwar eine breite Aufgabenkritik. Eine Haus- (Beifall bei der SPD) haltsstrukturkommission, wie wir sie vorgeschlagen Unsere erste Priorität ist Bildung. Dafür wurden im hatten und wie sie von der SPD abgelehnt wurde, vergangenen Jahr 450 zusätzliche Lehrerinnen hätte so etwas leisten können. Man hätte sich in- und Lehrer eingestellt. Dies ist nichts anderes als tensiv mit der Frage beschäftigen können, welche die konsequente Einhaltung und Fortführung der Aufgaben wahrgenommen werden sollen, wie sie im Rahmen des Schulfriedens von 2009 gemein- wahrgenommen werden, wie viele Menschen sie 2320 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Sven Tode) sam getroffenen Entscheidung. Es sind die Stellen, (Anja Hajduk GAL: Ach, und das finden Sie die Sie von CDU und GAL damals mit uns gemein- jetzt nicht gut!) sam beschlossen haben, Das entspricht einem Aufgabenzuwachs von (Katja Suding FDP: Das wussten Sie doch!) 160 Millionen Euro. freilich erst, nachdem wir Sie dazu zwingen muss- (Anja Hajduk GAL: Jetzt machen Sie sich ten. Und es sind absolut sinnvolle Stellen, denn mit das aber ein bisschen leicht!) ihnen werden die Klassen kleiner, der Unterricht Abgesehen von den neuen Lehrkräften, die im besser und die Ganztagesbetreuung ausgebaut. Rahmen des Schulfriedens bereits vor 2011 einge- (Beifall bei der SPD) stellt wurden, blieben andere weitgehend nebulös. Ich weiß natürlich, Frau Hajduk, dass Sie es für Für bessere Bildung und Betreuung sorgen auch sinnvoll erachten, dass der Innensenator Ahlhaus die 123 neuen Sozialpädagogen an den Schulen. drei Pressesprecher brauchte. Wir sehen aber, Weitere 141 neue Stellen sind an den Hoch- dass man auch mit einem Pressesprecher gute schulen entstanden, und zwar im Rahmen des fes- Politik machen kann. ten Budgets oder durch Drittmittel. (Beifall bei der SPD) Halten wir also fest: Was Sie kritisieren und ableh- nen, Herr Heintze, ist erstens der bessere Unter- Fakt ist, dass es angesichts der Verschwendungs- richt an den Schulen und die Einhaltung des bilanz Ihrer Amtszeit ziemlich tollkühn ist, ausge- Schulfriedens, zweitens eine bessere soziale Be- rechnet den Senat jetzt für das erste Dreivierteljahr treuung an Schulen und die Einhaltung von Bun- seiner Amtszeit anklagen zu wollen. desgesetzen und drittens eine bessere Forschung Meine Damen und Herren! Bereits morgen werden und Lehre an den Hochschulen. wir die Möglichkeit im Unterausschuss für Perso- (Anja Hajduk GAL: Na, so einfach ist das nalwirtschaft und öffentlichen Dienst haben, den nicht!) Personalbericht des Senats für 2010 zu beraten und in wenigen Monaten auch den Personalbericht Ihr Vorwurf, der Senat habe nicht genügend Stel- für 2011. Für eine zusätzliche Überweisung Ihrer len abgebaut, trägt so nicht. Schließlich hat dieser Großen Anfrage besteht daher, ganz im Sinne der Senat es geschafft, bereits im ersten Dreivierteljahr Vermeidung von Doppelarbeit, kein Anlass. seiner Amtszeit 269 Stellen, wie aus der Großen Anfrage hervorgeht, in der Kernverwaltung abzu- Fassen wir zusammen: Der sozialdemokratische bauen, und damit eigene Vorgaben eingehalten. Senat hat die notwendige Konsolidierung des Haushalts begonnen, und zwar genau so, wie er Das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil es vorher angekündigt und versprochen hat. Die es hier nicht um irgendwelche statistischen Zahlen Umsteuerung im Personalhaushalt, die wir begon- geht, sondern um Menschen, um die Arbeitnehme- nen haben, werden wir verantwortlich fortsetzen: rinnen und Arbeitnehmer dieser Stadt, also jene vernünftig geplant, sozialverträglich gestaltet, auf Frauen und Männer, die täglich für uns alle mit Klarheit und Effizienz orientiert, nachhaltig und großem Einsatz und gewissenhaft wichtige Aufga- konsequent und dabei stets mit großer Achtung ben erfüllen. Am Anfang jeder Debatte muss daher und Wertschätzung für die Leistungen der Arbeit- die nachdrückliche Anerkennung ihrer Arbeit für nehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Stadt. die Stadt Hamburg stehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Ein zentraler Bestandteil zukunftsorientierter Per- sonalpolitik ist die klare Zuordnung von Aufgaben Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun Frau zwischen den Verwaltungsebenen, um Doppel- Hajduk. strukturen künftig zu vermeiden. Der entsprechende Vertrag, den der Senat hierzu Anja Hajduk GAL: Frau Präsidentin, liebe Kolle- kürzlich mit den Bezirken vorgestellt hat, gibt ge- ginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Tode, es nau die richtige Richtung vor. Aufgaben werden ist okay, wenn wir über politische Meinungen strei- entflochten, Verantwortlichkeiten werden gestärkt ten. Sie reden die Fakten schön und sind auch un- und die entsprechenden Ressourcen klar zugeord- fähig zur Selbstkritik, dass nach großspurigen Ein- net und effizient eingesetzt. Diese verantwortliche sparversprechen nicht viel herausgekommen ist. Herangehensweise unterscheidet uns jedoch fun- Dieses kraftvolle Gerede, dass alles so läuft, wie damental von Ihrer Regierungspolitik. Sie haben es Sie es am Anfang gesagt haben, ist einfach geschafft, in den Jahren zwischen 2007 und 2010 Quatsch, und das kann man relativ leicht nachwei- einen Personalaufwuchs der Stadt von sage und sen. schreibe 3435 Stellen zustande zu bringen. (Beifall bei der GAL und der CDU – Dr. Sven Tode SPD: Hey, hey!) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2321

(Anja Hajduk)

Olaf Scholz und Finanzsenator Tschentscher ha- 500 oder 700 Stellen mehr schaffen, dann wird ben mit großen Worten erklärt, dass sie Personal diese Rechnung nicht aufgehen. abbauen würden, 250 Beschäftigte pro Jahr – ich (Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP) spreche ganz bewusst nicht von Stellen. Sie haben damit die Aussage verknüpft, dass dies 12,5 Millio- Diese Kopflosigkeit in der Finanzplanung muss nen Euro Einsparungen pro Jahr bringe und dann heute thematisiert werden. Herr Tode, so weit soll- zur Gegenfinanzierung für andere Dinge zur Verfü- ten Sie in die Sache einsteigen gung stehen würde. Wenn man den Gesamtperso- (Finn-Ole Ritter FDP: Er hat es ja nicht gele- nalbestand anschaut und sieht, dass im Jahr 2011 sen!) in der Tat 65 Millionen Euro mehr ausgegeben wurden, dann können Sie nicht sagen, dass man und nicht diese schleierhaften Erklärungsversuche die Ziele erreicht hätte. Man kann Gründe ange- des Senats fahrlässig missinterpretieren. Darum ben, warum sie nicht erreicht wurden, aber man würde ich Sie als Kollegen doch recht herzlich bit- kann sich nicht so selbstgefällig hinstellen und ei- ten. nerseits einräumen, dass es einen deutlichen Per- (Beifall bei der GAL und bei Finn-Ole Ritter sonalaufwuchs gibt, sich qualitativ hinter ihn stellen FDP) und gleichzeitig davon reden – ich könnte auch sa- gen schwätzen –, man hätte einen Konsolidie- Fakt ist, dass es 1000 dauerhafte Stellen mehr rungsbeitrag erbracht. Das hat definitiv nicht statt- gibt, aber nur 143 dauerhaft eingesparte Stellen. gefunden, und das hat der Senat selbst auf die Wir Grüne scheuen uns nicht zu sagen, dass wir Große Anfrage der CDU so beantwortet. die meisten dieser dauerhaft geschaffenen Stellen gewollt haben. Aber dann sollte die SPD jetzt auch (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der selbstkritisch in sich gehen und sagen, dass sie CDU) diese Stellen früher bekämpft hat, heute jedoch die Ich sage für meine Fraktion, dass wir das Thema Stellen wolle und deswegen sei sie ratlos mit ihrem Personalabbau nicht auf die leichte Schulter neh- eigenen Konsolidierungskonzept. Da müssen Sie men. Ich werde auch nicht sagen, dass dies ganz noch ein bisschen nacharbeiten. – Herzlichen einfach gehe und wir weiter abbauen sollten. Aber Dank. ich habe auch keine Lust mehr, mir ein weiteres (Beifall bei der GAL und bei Roland Heintze Märchen anzuhören, nämlich das Märchen – be- und Kai Voet van Vormizeele, beide CDU) sonders angesichts des nicht gelungenen Konsoli- dierungsbeitrags der SPD –, dass der Betriebs- haushalt unter Schwarz-Grün so stark ausgeweitet Präsidentin Carola Veit: Jetzt hat Frau Suding worden sei. Das war sehr viel Personal nicht nur das Wort. im Bereich Schule und Lehrer, sondern auch im Bereich Kita und in anderen Bereichen, für das Sie Katja Suding FDP:* Frau Präsidentin, liebe Kolle- immer fröhlich mitgestimmt haben. Und wenn der ginnen und Kollegen! Ich hatte tatsächlich beim Senat sagt, ein Teil des Personalzuwachses – den Lesen der Großen Anfrage fast ein wenig Mitleid er auch einräumt – gehe auf Entscheidungen von mit der CDU. Sie hatten sich so schöne Fragen Senat und Bürgerschaft zurück, die zum Teil be- ausgedacht, aber am Ende standen Sie ziemlich reits in der letzten Legislaturperiode getroffen und dumm da. Einen Grund zur Freude können Sie von jetzt vollzogen worden wären, dann räumt er ein, der CDU-Fraktion nicht haben, wenn man sich den dass er diesen politisch gewollten Personalzu- Zuwachs des Personals in den Jahren 2007 bis wachs heute positiv sieht. Deswegen möchte ich 2010 ansieht. Für diejenigen, die es vergessen ha- auch ein wenig Selbstkritik hören, dass dieses ben: In vier von fünf abgefragten Jahren regierte Grundsatzargument, der Haushalt sei in falschen ein CDU-Bürgermeister, teilweise auch mit Unter- Bereichen aufgebläht worden, von Ihnen im Voll- stützung der GAL. zug gar nicht getragen wird. Der Personalbestand stieg seit dieser Zeit kontinu- (Beifall bei der GAL) ierlich an. 2007 hatten wir 47 188 budgetrelevante, vollzeitäquivalente Stellen. Herr Heintze, der Be- Wirklich bedenklich ist, dass Ihnen eine Säule in griff "vollzeitäquivalent" ist da etwas klarer; die Ihrem eigenen Konsolidierungskonzept zerbröselt Zahlen sind dennoch schlimm. 2008 waren es ist und Sie nicht fähig sind, darüber Rechenschaft dann schon 48 322, ein Jahr später 49 134 und abzulegen und auch keinen Ersatz dafür liefern. noch ein Jahr später 49 591. Das ist ein Anstieg in Wenn Sie für den Abbau des strukturellen Defizits vier Jahren um immerhin 2400 vollzeitäquivalente über einen Zeitraum von zehn Jahren 12,5 Millio- Stellen, und das sind 5 Prozent des Ausgangs- nen Euro in Aussicht stellen, nämlich 125 Millio- werts, liebe CDU, die auf Ihr Konto gehen. nen Euro erwirtschaften wollen, und dann in Ihrer eigenen Personalplanung sehen, dass Sie zwar (Beifall bei der FDP und bei Dirk Kienscherf pro Jahr in dem Riesenpersonalkörper 269 Stellen SPD) nicht nachbesetzen, aber an anderer Stelle etwa 2322 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Katja Suding)

Dass sich die Aufgaben, die die Stadt Hamburg zu wurde der Personalbestand der Stadt systematisch erledigen hat, in diesem Umfang erhöht hätten, ausgeweitet, ohne dass klar wurde, welche zusätz- darüber wissen wir nichts. Wir wissen auch nichts lichen Aufgaben denn wahrgenommen wurden. darüber, dass sich die Leistungsfähigkeit oder die Wenn wir über Personalabbau wirklich ernsthaft re- Produktivität der städtischen Beschäftigten in die- den wollen, dann muss auch klar sein, dass wir ei- sem Zeitraum verringert hätte. Offen bleibt also die ne konsequente und ehrliche Kritik aller staatlichen Frage, warum der Hamburger Haushalt und damit Aufgaben brauchen. Wir müssen den Mut haben auch der Steuerzahler mit so vielen zusätzlichen zu definieren, welche Aufgaben die Stadt Hamburg Beschäftigten belastet werden musste. in Zukunft wahrnehmen soll und welche nicht. Wir Meine Damen und Herren! Einen Grund zur Eu- können den Personalbestand nur dann langfristig phorie gibt es natürlich auch nicht für die Kollegen zurückführen, und nur dann wird es uns auch ge- von der SPD. Seit Ihrer Regierungsübernahme im lingen, den Haushalt langfristig auf eine solide März 2011 ist der Personalbestand absolut um Grundlage zu stellen. 445 vollzeitäquivalente Stellen angestiegen. Der Wir als FDP-Fraktion haben in den letzten Haus- Schaffung von 714 neuen vollzeitäquivalenten haltsberatungen und auch mit unseren Anträgen Stellen stand lediglich die Reduzierung um ganze beispielsweise zum Verkauf von HAMBURG 269 Stellen gegenüber. Herr Tode, wenn Sie da ENERGIE oder von weiteren Anteilen an der HHLA auf Beschlüsse der vergangenen Legislaturperiode bereits gute und sehr sinnvolle Vorschläge ge- verweisen, dann retten Sie sich damit natürlich macht. Von der SPD, übrigens auch von allen an- nicht. Sie haben den Anträgen damals zugestimmt, deren Fraktionen, haben wir dazu bisher ziemlich das haben Sie auch eingeräumt. Sie und allen vor- wenig gehört. an der Bürgermeister wussten schon im Wahl- kampf und in den Monaten danach, dass Sie ver- Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der sprochen haben, 250 Stellen abzubauen, dass Sie CDU liefert uns in erster Linie viele Informationen jedoch Beschlüsse gefasst haben, die dem entge- und viele Zahlen, neue Erkenntnisse oder gar Lö- genstehen. Dazu haben Sie nichts gesagt. Sie ha- sungsansätze sind erst einmal nicht erkennbar. ben die Bürger ganz bewusst getäuscht und ganz Fakt ist, dass der Personalbestand der Freien und eindeutig ein sehr zentrales Wahlversprechen ge- Hansestadt seit Jahren ansteigt. Dabei können wir brochen. keinen Unterschied zwischen der CDU- und der SPD-Regierung erkennen. (Beifall bei der FDP) (Jan-Hinrich Fock SPD: Was?) Deswegen irritiert es mich und ärgert mich umso mehr ein Satz in der Beantwortung der ersten Fra- Nicht erkennbar sind leider entsprechende Kon- ge – ich zitiere –: zepte, wie der Senat den vollmundig angekündig- ten Personalabbau mit Leben erfüllen will. Fakt ist "Mit der Personalreduzierung um 269 Voll- auch, dass wir auf der Stelle treten und hier viel zeitäquivalente wurde der in der Größenord- Zeit verlieren. Beim Personalabbau muss der nung von 250 Vollzeitäquivalenten ange- SPD-Senat endlich einmal die Karten auf den strebte Personalabbau mehr als erreicht." Tisch legen und sagen, wo die Reise hingehen Diese Aussage ist schlicht und ergreifend falsch. soll. Wenn die Große Anfrage dazu einen kleinen Beitrag leisten kann, dass die Debatte sich weiter- (Beifall bei der FDP und bei Anja Hajduk entwickelt, dann hat sich das schon gelohnt. Allein GAL) daran fehlt mir noch der Glaube. – Vielen Dank. Der Personalaufwuchs seit Regierungsübernahme (Beifall bei der FDP) betrug 714 Vollzeitäquivalente, abgebaut wurden nur 269. Folglich ist der Personalkörper um 445 Vollzeitäquivalente angestiegen. Erklärtes Ziel Präsidentin Carola Veit: Frau Schneider, Sie ha- des Senats und der Mehrheitsfraktion war aber ein ben das Wort. Abbau, und dieses Ziel haben Sie klar verfehlt. Christiane Schneider DIE LINKE: Frau Präsiden- (Beifall bei der FDP) tin, meine Damen und Herren! Gerade bei Ihrer Dabei war schon dieses Ziel ziemlich wenig ambi- Rede, Frau Suding, hatte ich den Eindruck, dass tioniert. Die FDP-Fraktion hat mehrfach erklärt, sich nicht alle Kolleginnen und Kollegen bewusst dass eine Rückführung des Personalbestands auf sind, worüber wir eigentlich sprechen. das Niveau von 2007 möglich und sogar auch not- (Beifall bei der LINKEN) wendig gewesen wäre. Wir sind uns darüber einig, dass es in Hamburg ei- In 2011 betrug der durchschnittliche statistische ne schwierige Haushaltssituation gibt und dass de- Personalbestand 58 419, und damit 3 000 Stellen ren Bewältigung eine Herkulesaufgabe ist. Wie ei- mehr als 2007. Ein Teil des Zuwachses, wir haben ne Konsolidierung des Haushalts zu erreichen ist, es gehört, sind Lehrer und Sozialarbeiter. Dennoch in welchem Tempo und mit welchen Zielen, ob vor Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2323

(Christiane Schneider) allem zulasten der sozialen Infrastruktur und damit will. Hier bleibt der Senat stumm und damit setzt er die soziale Spaltung verschärfend oder durch Er- sich gehörig dem Druck aus. Wir sind also mit der höhung der Einnahmen, das ist die große Ausein- ernsten Frage konfrontiert, ob die Beschäftigten im andersetzung, die wir führen, seit wir in der Bürger- öffentlichen Dienst und die Menschen, die von gu- schaft sind, und die wir auch im nächsten Jahr- ten öffentlichen Dienstleistungen abhängig sind, zehnt führen werden. die sie dann nicht mehr in der Qualität erhalten können, in der sie sie benötigen, den Großteil der (Beifall bei der LINKEN) Konsolidierungslasten tragen müssen. Ein solcher Der Senat hat neben den Streichungen oder Kür- Kurs wirft die Bestrebungen und Kämpfe für sozia- zungen bei den öffentlichen Leistungen und Ein- le Gerechtigkeit um Dekaden zurück. richtungen als weitere wesentliche Maßnahme die (Beifall bei der LINKEN – Dora Heyenn DIE jährliche Streichung von 250 Stellen im öffentlichen LINKE: Richtig!) Dienst angekündigt und, das sehe ich anders als einige meiner Vorredner, bereits eingeleitet. Ne- Wenn Sie, wie vom Rechnungshof vorgerechnet benbei bemerkt ist im Haushaltsjahr 2011 der An- und von Ihnen verlangt, jährlich 950 Vollzeitstellen satz bei den Personalausgaben um 86,6 Millionen streichen, dann werden Sie in einer Dekade jede Euro unterschritten worden, und zwar vor allem fünfte bis sechste Vollzeitstelle beseitigen und den durch Minderausgaben in den dezentralisierten öffentlichen Dienst um 15 bis 20 Prozent zusam- Personalausgabenbudgets der Behörden und Äm- mengestrichen haben. Wie stellen Sie sich das ei- ter und bei den Versorgungsbezügen der Beamtin- gentlich vor? Auf welches Niveau soll denn der öf- nen und Richter. Aktuell hat der Finanzsenator vor fentliche Dienst zurückfallen in Zeiten, in denen die wenigen Tagen angekündigt, dass bei Übernahme Abhängigkeit vieler Menschen von öffentlichen des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst durch Dienstleistungen und Gütern zunimmt? Welche die Länder über die 250 Stellen hinaus weitere Leistungen und Funktionen sollen gestrichen wer- Stellen gestrichen werden. den und wie soll die Stadtgesellschaft überhaupt noch zusammengehalten werden? Ich habe ein Zitat von Herrn Wersich gefunden, er ist leider nicht mehr da. (Katja Suding FDP: Wie lief das denn im Jahr 2007?) (Dietrich Wersich CDU: Natürlich! – Heiter- keit im Plenum) Ein solcher Kurs kann überhaupt nicht zum Ziel führen, denn er ist letztlich teuer. Lassen Sie mich Sie wurden vor fast einem Jahr am 5. Mai 2011 im das ganz prägnant sagen: Für jede Sozialarbeiter- "Hamburger Abendblatt" mit der Äußerung zitiert, stelle, die gestrichen wird, brauchen Sie zwei Stel- dass die Ankündigung der 250 jährlichen Stellen- len bei der Polizei und vielleicht eine halbe im Ju- streichungen eine "beispiellose Drohung" – so Ihr stizvollzug. Zitat – gegen die Mitarbeiterinnen der Stadt und ih- re Gewerkschaften darstelle. (Katja Suding FDP: Fangen Sie doch ein- fach mal an der richtigen Stelle an!) (Beifall bei der LINKEN) Über die nachhaltigen, auf lange Zeit irreversiblen Recht hatten Sie, aber das ist für die CDU längst Folgen für den öffentlichen Dienst, für Verwaltung das Geschwätz von gestern. Sie haben heute ein und Dienstleistung müssen Sie sich im Klaren sein. bisschen schamhaft hinter dem Berg gehalten, Schauen Sie sich doch einmal den Personalbericht aber wenn ich Ihre Verlautbarungen aus der letz- an und werfen Sie einen Blick auf die Altersstruk- ten Zeit lese, dann wollen Sie sehr viel mehr als tur. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten steigt 250 Stellen streichen. seit Jahren. Bei den Lehrkräften werden bis 2018 (Glocke) fast 30 Prozent altersbedingt aufhören, in den so- zialen Berufen 25,8 Prozent, und im Durchschnitt Präsidentin Carola Veit (unterbrechend): Frau werden bis 2018 23,2 Prozent aller Beschäftigten Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage? im öffentlichen Dienst aufhören. Wenn, jedenfalls statistisch, die Stellen nach Ihren Vorstellungen weitgehend gestrichen werden, also Stellen nur Christiane Schneider DIE LINKE (fortfahrend): noch intern besetzt werden und niemand mehr neu Ich möchte jetzt nicht, nein. eingestellt wird, dann blutet der öffentliche Dienst Sie wollen sehr viel mehr als 250 Stellen streichen absehbar aus. Der zunehmende Arbeitsdruck auf und Ihre Große Anfrage dient keinem anderen die Verbleibenden, die die Ausscheidenden nie Zweck, als Druck zu entfalten. Der Rechnungshof, und nimmer ersetzen können, wird, das ist abseh- darauf will ich hinweisen, geht davon aus, dass der bar, die Fehlzeiten in die Höhe treiben. Das ist eine Senat nicht nur 250, sondern weitere 700 Vollzeit- Abwärtsspirale ohne Ende, die Sie – der Senat et- stellen jährlich streichen muss, wenn er das ange- was langsamer, die Opposition schneller – in Gang gebene Ziel, die Steigerung der Personalausgaben setzen wollen. Von Zielsetzungen wie der interkul- auf jährlich 1,36 Prozent zu begrenzen, erreichen turellen Öffnung, die nur durch externe Besetzun- 2324 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Christiane Schneider) gen zu erreichen ist, braucht dann niemand mehr autonome Entscheidungen über ihr Personal ein- zu sprechen. Damit hätte der öffentliche Dienst in geräumt, das sie aus ihrem Budget und zum Teil Hamburg bei einer seiner großen Herausforderun- aus Drittmitteln finanzieren. Nicht gekürzt wird also gen, die sich in der Zukunft stellen, versagt, und bei den zusätzlich Beschäftigten in den Universitä- auch das käme teuer. ten, den Sozialarbeitern und den Lehrkräften in Schulen. Das als Aufblähung der Verwaltung zu (Beifall bei der LINKEN) bezeichnen wie in einigen Pressemitteilungen der Die Auswirkungen eines solchen Kurses auf die Opposition ist eine Haltung, die der Senat nicht Lebenssituation eines Großteils der Bevölkerung teilt. werden sich erst nach und nach abzeichnen. Das (Beifall bei der SPD) Schlimme ist, dass die Folgen des Streichungskur- ses dann nur noch beklagt und nur sehr schwer Es geht bei den Lehrerinnen und Lehrern um Ent- und mit großen Anstrengungen behoben werden scheidungen von Senat und Bürgerschaft, die zum können. – Schönen Dank. Teil schon in der letzten Legislaturperiode getrof- fen wurden, (Beifall bei der LINKEN) (Katja Suding FDP: Ja, eben!) Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Herr Sena- die jetzt vollzogen werden und in den Haus- tor Dr. Tschentscher. haltsplänen berücksichtigt waren. Bezogen auf die- sen Stand hat der neue Senat im Mai beschlossen, Senator Dr. Peter Tschentscher:* Frau Präsiden- die Haushaltskonsolidierung dadurch zu unterstüt- tin, meine Damen und Herren! Keine unserer Maß- zen, dass wir in der Verwaltung die Zahl der Be- nahmen zur Haushaltskonsolidierung ist so plausi- schäftigten um 250 pro Jahr verringern. Dieses bel und löst trotzdem so heftige Reaktionen aus Vorhaben ist konsequent von den Behörden ver- wie die Steuerung der Personalentwicklung. folgt und bereits im ersten Jahr erreicht worden. Trotz der Übernahme von 350 Nachwuchskräften (Robert Heinemann CDU: Sparen Sie doch für Polizei, Justiz, Feuerwehr und Finanzämter, mal eine Senatorin ein!) trotz einer Verstärkung der sozialen Dienste und Die Ausgangslage ist eindeutig. In den vergange- Amtsvormundschaften der Bezirke sowie der Über- nen drei Jahren wurde der Personalbestand in der nahme von City-BKK-Rückkehrern haben wir die Hamburger Verwaltung um 3 000 Beschäftigte er- Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, au- höht, aber niemand kann genau sagen, wo das ßer in Schulen und Hochschulen, um genau Personal eingesetzt wurde. Fest steht nur, dass es 269 Vollzeitkräfte reduziert. Wir reden nicht über sich überwiegend nicht um Lehrerinnen und Leh- Stellen, sondern über Vollzeitkräfte; das haben wir rer, Hochschuldozenten, ASD-Beschäftigte oder im Haushaltsausschuss sorgfältig besprochen. Polizeivollzugskräfte gehandelt hat. Der neue Se- (Dietrich Wersich CDU: Es sind keine Ein- nat hat deshalb im Mai letzten Jahres alle weiteren sparungen!) zusätzlichen Stellenplananträge aus den Haus- haltsunterlagen des Vorgängersenats gestrichen, Deswegen haben wir 2011 auch nicht mehr, son- mit Ausnahme der Stellen für Lehrerinnen und dern weniger Personalausgaben gehabt als ge- Lehrer und einige Steuerfahnder. Das Ziel des Se- plant, genau 86,6 Millionen Euro, ein Betrag, der nats zur Personalreduzierung in einer Größenord- sich aus verschiedenen Teilbeträgen zusammen- nung von 250 Beschäftigten pro Jahr wurde in der setzt, aber eben auch ein Teilbetrag aus Personal- Haushaltsdrucksache ausdrücklich verbunden mit einsparungen von rund 250 Beschäftigten, die wir der Aussage: mit 12,5 Millionen Euro angegeben haben. Diesen Weg werden wir fortsetzen und mit einer entspre- "Ausgenommen hiervon ist die Fortschrei- chenden Aufgabenkritik begleiten, weil es richtig ist bung des Lehrerstellenplans." und weil wir dazu gezwungen sind durch eine So haben wir es auch im Haushaltsausschuss vor- Haushaltslage, für die einige hier im Hause verant- getragen. Dies entspricht den sogenannten Wahl- wortlich sind. versprechen, dem Arbeitsprogramm des Senats (Dietrich Wersich CDU: Meinten Sie jetzt die und auch den Beschlüssen aller Parteien im soge- Studiengebühren?) nannten Schulfrieden. Die Personalkosten für zu- sätzliche Lehrkräfte, die sich aus dem Anstieg der Wir werden das Personal, das die Stadt hat und Schülerzahlen und den beschlossenen Klassen- das sie für ihre Aufgaben braucht, in den richtigen größen errechnen, waren im Haushaltsplan des Bereichen einsetzen. – Vielen Dank. jetzigen Senats und des Vorgängersenats enthal- (Beifall bei der SPD) ten. Ebenfalls veranschlagt sind zusätzliche Sozial- arbeiter in Schulen, die aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung finanziert wer- Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Herr Heint- den. Außerdem hat der Senat den Hochschulen ze. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2325

Roland Heintze CDU: Herr Senator, das war eine sonalhaushalt wirklich ein Defizitabbau und Ein- noch größere Melange von Dingen, die da sein sparungen für den Haushalt zu erreichen sind. Das könnten und eventuell vielleicht passieren, weil sind Ihre Erwartungen, die Sie in die Welt gesetzt man sie sich vorgenommen hat, als ich vermutet haben, Ihre 12,5 Millionen Euro pro Jahr, die dann hatte. Sie haben es gerade geschafft, uns drei bis zur Gegenfinanzierung für zusätzliche Ausgaben vier Minuten lang zur Verfügung stünden. (Dietrich Wersich CDU: Gefühlt eine halbe (Beifall bei der GAL) Stunde!) Sie sagen, Sie haben den Abbau von 269 Vollzeit- zu beruhigen und zu sagen, das sei alles konse- äquivalenten, um dieses wunderbare Wort zu ver- quent, man mache eine Aufgabenkritik und sei mit wenden, erreicht. Faktisch ist damit aber der Per- einer Punktlandung herausgekommen. Wenn Sie sonalhaushalt um einen hohen zweistelligen Millio- sich aber die Zahlen in der Großen Anfrage an- nenbetrag angewachsen, nämlich um über 60 Mil- schauen, wenn Sie sich die Aussagen Ihrer Fach- lionen Euro. Sie hätten ein Wort dazu sagen müs- behörden in den Ausschüssen anhören und sich sen, wie Sie den Personalhaushalt in den näch- die Realitäten im Haushaltsplan vergegenwärtigen, sten zehn Jahren überhaupt steuern wollen und dann hat das überhaupt nichts mit Steuerung zu dass Sie sich im Grunde gar nicht zutrauen, dort tun, sondern ist eine Mischung von Zufällen, die Einsparungen zu vollziehen. Das wäre dann viel- Sie hinterher schönreden. leicht eine Übersetzung der Realität gewesen. Dem sind Sie in einer Weise ausgewichen, die für (Beifall bei der CDU) einen Finanzsenator nicht gut und würdig ist. Ich möchte Sie auffordern, das zu lassen. Je nebu- (Beifall bei der GAL, der CDU und der FDP) löser Sie werden – und Sie waren gerade extrem nebulös –, desto schwieriger wird es für jeden Be- troffenen, sich Gedanken zu machen, wo und wie Präsidentin Carola Veit: Wenn keine weiteren Ihre Aufgabenkritik stattfinden könnte und wo Sie Wortmeldungen vorliegen, dann kommen wir zur ansetzen wollen mit Ihrem angeblich so strukturier- Abstimmung. ten, vorbereiteten und geplanten Vorgehen. Sie Wer stimmt einer Überweisung an den Haushalts- versuchen, das Parlament konsequent auch im ausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? Ton zu beruhigen, aber Sie sagen nicht konkret, – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt. was Sie vorhaben. Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft von der (Beifall bei Dietrich Wersich CDU) Großen Anfrage aus der Drucksache 20/3008 Die Überweisung der Großen Anfrage ist die ein- Kenntnis genommen hat. malige Chance, im Ausschuss Farbe zu bekennen. Das haben Sie bisher nicht getan, das ist eine Falschaussage, die Sie getroffen haben. Daher Wir kommen zu Punkt 39, Drucksache 20/3749, kann ich die SPD-Fraktion nur dazu animieren, der Antrag der GAL-Fraktion: Kinderschutz: Fallzahlbe- Überweisung dieser Großen Anfrage zuzustim- grenzung für Fachkräfte in den Jugendämtern. men, denn dann erfahren Sie, was Ihr Senat in concretum vorhat und nicht nebulös, was er viel- [Antrag der GAL-Fraktion: leicht vorhaben könnte. Kinderschutz: Fallzahlbegrenzung für Fachkräf- (Beifall bei der CDU) te in den Jugendämtern – Drs 20/3749 –] Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Frau Haj- Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/3873 ein An- duk. trag der Fraktion DIE LINKE vor. Anja Hajduk GAL: Frau Präsidentin, meine Da- [Antrag der Fraktion DIE LINKE: men und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Kinderschutz: Fallzahlbegrenzung für Fachkräf- Dr. Tschentscher, auf einen Punkt hätten Sie ein- te in den Jugendämtern gehen sollen in Ihrem Beitrag. Dass Sie noch ein- – Drs 20/3873 –] mal dargestellt haben, dass Sie ganz bewusst als Senat entschieden haben, bestimmte Bereiche von Die SPD-Fraktion möchte den GAL-Antrag an den den Personaleinsparungen auszunehmen und da- Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überwei- mit auch Beschlüsse aus der vorherigen Legisla- sen. Wer wünscht das Wort? – Frau Blömeke, Sie turperiode ausdrücklich weiterzutragen und zu stüt- haben es. zen, ist richtig. Das bezieht sich auf den Bereich Hochschule und Schule, wie Sie gesagt haben. Christiane Blömeke GAL: Frau Präsidentin, mei- Sie haben aber in Ihren eigenen Darstellungen im- ne Damen und Herren! Bei unserem Antrag han- mer die Erwartung geweckt, dass durch den Per- delt es sich um das genaue Gegenteil dessen, was 2326 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Christiane Blömeke) wir eben diskutiert haben. Eben ging es um Perso- und dass das nicht reicht. Zwar hat der SPD-Senat naleinsparungen, hier wird es um eine bessere die Bezahlung der Hamburger ASD-Mitarbeiter auf Stellenausstattung gehen. Ich bin etwas erstaunt den Bundestarif angeglichen, aber die politische – aber ich komme auch nicht ganz aus diesem Be- Entscheidung, die Stellen im ASD aufzustocken, ist reich –, dass Senator Tschentscher Hochschule nicht gefallen. Im Gegenteil, anstatt für mehr Mitar- und Schule als Ausnahmebereiche aufführte. Mei- beiter im ASD zu sorgen, setzt die SPD jetzt auf ner Erinnerung nach gehörte in dem Bereich, der Kinderschutz und Jugendhilfe per Mausklick, das nicht bespart wird, der Allgemeine Soziale Dienst konnten wir neulich in der Presse lesen. Eine neue dazu. Software in den Jugendämtern soll die Mitarbeiter kontrollieren und die Arbeitsbelastung senken. Ver- Meine Damen und Herren! In den Hamburger Ju- ehrte Kollegen der SPD-Fraktion, ich kann nicht gendämtern herrscht Notstand. Ich möchte Ihnen glauben, dass Sie die Meinung des Senators tei- das am Beispiel der Jugendämter in Wandsbek er- len. Ist das noch dieselbe SPD, die vor gut einem läutern, nicht zuletzt deshalb, weil sich in Wands- Jahr massiv gegen die Einführung der neuen Soft- bek der Fall des vermeintlichen Kindes- ware JUS-IT gewettert hat? missbrauchs ereignet hat, der durch die Presse ging. 14 von 80 Fachkraftstellen sind dort unbe- (Frank Schmitt SPD: Sie waren dafür!) setzt, von den verbliebenen 66 Mitarbeitern sind Ist das noch dieselbe SPD, die in der Opposition nur 37 Prozent erfahrene Fachkräfte, und nur nicht müde wurde, mit Ihren Abgeordneten Veit 50 Prozent der in Leitungsfunktionen arbeitenden und Kienscherf die Unterbesetzung der ASDs an- Mitarbeiter sind erfahren. 19 Mitarbeiter haben im zuprangern und den Kinderschutz mit oberster Jahr 2011 gekündigt oder ihren Aufgabenbereich Priorität immer wieder zu diskutieren? Hat sich die- gewechselt. Mit rund 70 gleichzeitig pro Mitarbeiter se SPD jetzt so gewandelt, dass sie einer Software zu bearbeitenden Fällen besteht die höchste Fall- das Schicksal unserer Kinder anvertraut? Wir Grü- belastung von ganz Hamburg. Bis zu 100 Meldun- ne meinen, dass es, um den Schutz der Kinder zu gen liegen auf dem Tisch des Eingangsmanage- verbessern, mehr Menschen braucht, die in die Fa- ments, 100 Fälle, die als Meldungen eingehen und milien gehen, und vor allem mehr Zeit, um die sich ein Mitarbeiter kümmern muss. Allein im Jahr 2011 gab es sechs kollektive Überla- (Beifall bei der GAL und der LINKEN) stungsanzeigen aus den Abteilungen sowie diver- um diesen Familien mit ihren, wie wir doch alle se individuelle. wissen, sehr komplexen Problemlagen zu helfen. Meine Damen und Herren! Das ist die alarmieren- Eine Computersoftware kann diesen Prozess nur de Bilanz der Wandsbeker Jugendämter, auch All- begleiten, aber doch nicht ersetzen. Machen Sie gemeine Soziale Dienste, in Wandsbek. Zu den sich bitte klar – und ich merke an Ihrem Schwei- Wandsbeker Jugendämtern, ich erwähnte das gen, dass die Situation Sie betroffen macht –, dass eben schon, gehört auch das Jugendamt Steils- wir auf einem familienpolitischen Pulverfass sitzen. hoop, das aktuell durch den Missbrauchsfall eines Der Notstand in den Jugendämtern bleibt, auch mit jetzt neunjährigen Mädchens in die Kritik geraten der Einführung der neuen Software. Wir waren alle ist. Den Mitarbeiterinnen wird vorgeworfen, Mel- betroffen durch den Tod von Kindern bei uns, zu- dungen mit Hinweis auf Kindesmissbrauch oder letzt von Chantal, und wir sind jetzt genauso be- Kindeswohlgefährdung nicht nachgegangen zu troffen durch den Missbrauchsfall in Steilshoop. sein. Ich kann den Einzelfall nicht beurteilen, aber Aber wir dürfen bei der Betroffenheit nicht stehen in den Hamburger Jugendämtern herrscht Not- bleiben. Wenn wir es mit dem Kinderschutz ernst stand. Wenn ein Mitarbeiter dort 50 bis 70 Fälle meinen, dann muss eine grundlegende Änderung gleichzeitig bearbeiten muss oder bei 100 Meldun- her. Und weil das Problem nicht nur eine Hambur- gen entscheiden muss, welchem Fall er sofort gensie ist, setzen wir uns bundesweit für eine ein- nachgeht und welchem später, dann können Sie heitliche Obergrenze von maximal 35 Fällen pro sich ausmalen, was passiert. Der Mitarbeiter wird Vollzeitstelle ein. Sollte sich im Bundesrat keine entweder krank oder es fehlt an Sorgfalt und Zeit Mehrheit finden, dann muss Hamburg alleine vor- zur Bearbeitung der eingehenden Fälle oder auch angehen und eine Fallzahlobergrenze definieren. an Zeit zur Hilfe in den Familien und bei den Kin- (Dirk Kienscherf SPD: Frau Hajduk sorgt da- dern. für!) Die vorzeitige Schuldzuweisung, dass Mitarbeiter Wir fordern den Senat auf, den Notstand in den Ju- ihre Sorgfaltspflicht nicht wahrgenommen hätten, gendämtern nicht länger auszusitzen. Stimmen Sie ist unserer Meinung nach daher zu einseitig und unserem Antrag zur Begrenzung der Fallzahlen zu. trifft die Sachlage nicht. Es zeigt sich, dass alle Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Frakti- Maßnahmen zur Verbesserung der Situation bis- on, vor allen Dingen diejenigen, die sich lange für lang nur ein Tropfen auf den heißen Stein waren. den Kinderschutz eingesetzt haben, weisen Sie Ih- Wie Sie wissen, hat Schwarz-Grün 30 Stellen mehr ren Senat darauf hin, dass Kinderschutz per in den ASD investiert. Heute müssen wir feststel- Mausklick nicht ausreichend ist. len, dass sich die Situation weiter zugespitzt hat Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2327

(Christiane Blömeke)

(Beifall bei der GAL und der LINKEN – Dirk für eine Überweisung des GAL-Antrags votieren. Kienscherf SPD: Das sagen Sie!) Der Zusatzantrag, der sich darüber hinaus in sei- ner Begründung auf eine in einem einzelnen Be- Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Frau zirk ermittelte durchschnittliche HzE-Fallzahl be- Dr. Leonhard. zieht und dann auch noch eine Jahreszahl, näm- lich 2005, als Referenz anführt, die vor der großen Organisationsreform des ASD in diesem Bezirk Dr. Melanie Leonhard SPD: Sehr geehrte Präsi- liegt, werden wir ablehnen. Für uns ist aber wich- dentin, meine Damen und Herren! Erlauben Sie tig, die Arbeitsbedingungen im ASD so zu gestal- mir kurz die Vorbemerkung, dass den sogenannten ten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ih- Kinderschutz per Mausklick, das System JUS-IT, ren wichtigen Aufgaben gerecht werden können, die Vorgängerregierung aus ihrer Sicht guten und deswegen wollen wir uns im Ausschuss mit Gründen auf den Weg gebracht hat. Die CDU erin- dieser Thematik befassen. nert sich noch daran, Sie scheinen das vergessen zu haben. Lassen Sie mich das richtigstellen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GAL: Sie vergessen aber auch, was die SPD ge- Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Herr de sagt hat! Eine zweite Elbphilharmonie!) Vries. Die Allgemeinen Sozialen Dienste spielen inner- Christoph de Vries CDU:* Frau Präsidentin, mei- halb der Jugendämter eine zentrale Rolle. Die Ar- ne Damen und Herren! Es ist unbestreitbar, dass beit, die von den Mitarbeitern dort täglich geleistet die Aufmerksamkeit auf die Aufgaben der ASD-Mit- wird, ist außerordentlich anspruchsvoll, erfordert arbeiter in den letzten Jahren erheblich an Bedeu- viel Einsatz und fordert die Mitarbeiter oft auch per- tung zugenommen hat. In welchem sensiblen Um- sönlich heraus. Um ihr Wächteramt zum Wohle der feld sich die Mitarbeiter bewegen, konnten wir nicht Kinder unserer Stadt auszufüllen, müssen sie alle zuletzt im Fall Chantal erleben, aber auch in ande- Anliegen, unabhängig, von wem oder wann diese ren Fällen wie dem jüngst bekanntgewordenen an sie herangetragen werden, prüfen und ent- möglichen sexuellen Missbrauch eines Kindes. scheiden, ob und in welcher Weise gehandelt wer- Was daraus wird, müssen wir abwarten. Klar ist den muss. Das gilt, wenn sie selbst tätig werden, aber, dass die Mitarbeiter sich in einem Umfeld be- andere hinzuziehen und sich manchmal sogar fra- wegen, in dem sie sich den Kindern mit sehr hoher gen, ob ein Kind so sehr in Gefahr ist, dass es in Aufmerksamkeit und Sorgfalt widmen müssen. staatliche Obhut genommen werden muss. Daher Dass in diesem Zusammenhang Arbeitsbedingun- ist es wichtig und nötig, sich mit der Frage zu be- gen geschaffen werden müssen, die diese Wahr- fassen, wie die Rahmenbedingungen aussehen nehmung ermöglichen, ist richtig, und insofern ist müssen, damit die Mitarbeiter des ASD ihrer an- das Anliegen der GAL auch vernünftig und nach- spruchsvollen Arbeit gewachsen sind und nicht vollziehbar. dauerhaft strukturell überfordert und überlastet werden, wie wir es in der Vergangenheit oft erle- Allerdings ist auch unbestreitbar, dass wir in den ben mussten. letzten Jahren schon Stellenzuwächse im Bereich des ASD hatten und dass die durchschnittliche Das Arbeitsfeld des ASD ist vielfältig und jede Fa- Fallzahlbelastung jedes Mitarbeiters abgenommen milie ist anders. Die benötigte Hilfe und der Unter- hat. Das ist Ihrer Anfrage zu entnehmen, und da stützungsbedarf sind gerade in einer Großstadt wie reicht auch nicht der Verweis auf einen einzelnen Hamburg individuell unterschiedlich. Fall ist eben Bezirk, sondern man muss darüber nachdenken, nicht gleich Fall. Es geht im ASD um weit mehr als ob die Steuerung in den einzelnen ASDs der Be- nur um die Verfügung von Hilfen zur Erziehung, zirksämter richtig funktioniert oder ob wir übergrei- nämlich auch um Kenntnisse der Infrastruktur ei- fend neue Steuerungsmechanismen brauchen, die nes Stadtteils, die Netzwerkarbeit im Quartier und auf die einzelnen Fallsituationen vor Ort eingehen. vieles mehr. Die Forderung nach einer pauschalen Richtig gesagt worden ist auch schon, dass die Fallzahlbegrenzung nach Maßgabe HzE-Fall pro einzelnen Fälle nicht vergleichbar sind und dass es Mitarbeiter muss man in diesem Kontext bewerten keine Fallidentität gibt. Sie haben als Grundlage und beraten. Schon ein Blick auf die Entwicklung für die gesetzliche Fallbegrenzung die Fallober- in unterschiedlichen Hamburger Bezirken zeigt grenze für die Amtsvormünder angeführt, aber das dies deutlich. Einige unterschreiten die geforderten ist nicht ganz vergleichbar. Wir haben dort Sollvor- Höchstgrenzen bereits, in anderen ist die Situation gaben, die mindestens einen monatlichen Besuch mehr als prekär. Auch die Arbeitsstrukturen in den pro Kind vorsehen. Den Amtsvormündern obliegt einzelnen Jugendämtern unterscheiden sich. Ob die persönliche Verpflichtung zur Gewährleistung eine bundeseinheitliche Regelung, die sich aus- und Förderung zur Erziehung des Mündels. Wir re- schließlich auf die Begrenzung von HzE-Fallzahlen den also nicht von den gleichen Fällen, dort ist ei- bezieht, eine erstrebenswerte Initiative ist, wollen ne gesetzliche Begrenzung von 50 Fällen ange- wir gern im Ausschuss beraten. Daher werden wir führt. Wir müssen uns noch einmal überlegen, wie 2328 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Christoph de Vries) wir auf 35 Fälle kommen. Ich habe mir die Mühe den Allgemeinen Sozialen Diensten. Die hohe Fall- gemacht nachzusehen, ob es hierfür eine wissen- belastung bringt eine enorme Verantwortung mit schaftliche Fundierung gibt oder Empfehlungen sich, die Anzahl der Überlastungsanzeigen spricht der bekannten Verbände. Ich habe sie nicht finden für sich. Die Situation hat Folgen, sie führt zu einer können, und deswegen finde ich es richtig, wenn höheren Fluktuation. Viele Bewerber werden gleich wir das Thema mit in den Ausschuss nehmen und abgeschreckt. Aus den Antworten diverser Schriftli- darüber nachdenken, ob eine solche Fallbegren- cher Kleiner Anfragen wissen wir, wie schwer es in zung wirklich notwendig und geboten ist ange- der Vergangenheit oftmals war, freie Stellen wieder sichts der Entwicklungen der letzten Jahre. Brau- zu besetzen. Mit besseren Arbeitsbedingungen chen wir sie und wenn ja, was wäre eine vernünfti- könnten mehr Bewerber für eine Tätigkeit beim ge Obergrenze? Einfach eine Zahl zu streuen, die ASD gewonnen werden und gleichzeitig die Fluk- politisch gegriffen ist, ist der Sache nicht angemes- tuation bekämpft werden. Das halten wir Liberale sen und eher ein Schnellschuss, der vermieden für erstrebenswert. werden sollte. Zweitens: Wir wollen nicht nur einen wirksamen (Vereinzelter Beifall bei der CDU) Kinderschutz und eine funktionierende Jugendhil- fe, sondern die wachsende Fallzahl im Bereich Hil- Deswegen nehmen wir den Fall mit in den Aus- fen zur Erziehung begrenzen. Hier spielt der ASD schuss. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir dort eine entscheidende Rolle. Bei der Expertenanhö- eine Anhörung mit Experten machen. Uns mangelt rung im Familienausschuss wurde deutlich, dass es nicht an Anhörungen, aber das wäre ein geeig- ein überlasteter ASD paradoxerweise dazu neigt, netes Thema, sich dem Anliegen ernsthaft zu wid- schneller eine Hilfe zur Erziehung zu gewähren als men und zu einem guten Ergebnis zu kommen. ein weniger belasteter ASD. Letzterer schafft es in – Danke. vielen Städten und Gemeinden, Familien und ihren (Beifall bei der CDU und bei Frank Schmitt Kindern durch gezielte Maßnahmen zu helfen und SPD) sie zu unterstützen, ohne dass der Fall tatsächlich zu einem HzE-Fall wird. Dahin müssen wir auch in Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Herr Ritter. Hamburg kommen. (Beifall bei der FDP) Finn-Ole Ritter FDP: Frau Präsidentin, meine sehr Aus Sicht der FDP-Fraktion ist eine Fallzahlbe- geehrten Damen und Herren! Förderung der Erzie- grenzung ein Baustein, der zu einem besseren hung in der Familie, Bewilligung und Begleitung Kinderschutz und zu mehr Qualität der Allgemei- von Hilfen zur Erziehung, sozialräumliche Angebot- nen Dienste beitragen kann. sentwicklung, Mitwirkung bei Gerichtsverfahren, Kinderschutzaufgaben – das ist nur ein Teil der Zum anderen spielt dies eine Rolle bei der Be- langen Liste von Aufgaben, die die Mitarbeiter kämpfung des Fallzahlenanstiegs bei den Hilfen beim ASD zu erfüllen haben. Um allen Fällen, das zur Erziehung. Allerdings ist der GAL-Vorschlag heißt konkret allen Kindern, Jugendlichen und ih- aus unserer Sicht auch ein wenig halbherzig. ren Eltern gerecht zu werden, brauchen die ASD- Warum brauchen wir eine Bundesratsinitiative oder Mitarbeiter vor allem eines: Zeit. bundeseinheitliche Standards, wenn wir doch in Hamburg vorangehen könnten? Wenn sie aber nicht genug Zeit haben, sich um je- den einzelnen Fall zu kümmern, dann heißt das, Fachkreise empfehlen 35 Fälle. Die Bedingungen dass die Fälle liegen bleiben und nur die dringend- und Belastungen vor Ort sind aber sehr unter- sten Anliegen Beachtung finden. Alle anderen Fäl- schiedlich, und es kommt auch auf die Schwere le müssen warten. Im schlimmsten Fall bedeutet der Fälle an. Wie praktikabel ist eine Fallzahlbe- es aber, dass ein Kind gefährdet wird und die Zei- grenzung? Wie viele Mitarbeiter werden zusätzlich tungen hinterher wieder einmal titeln werden, dass notwendig? Gäbe es überhaupt genug geeignete das Jugendamt versagt habe. Meine Vorredner ha- Bewerber für diese Tätigkeit? Und wie sollen zu- ben bereits darauf hingewiesen, wie viele Fälle ein sätzliche Stellen finanziert werden? Könnte die ASD-Mitarbeiter bearbeiten muss. Von den durch- Fallzahl pro Mitarbeiter auch durch Umstrukturie- schnittlich 35 Fällen, die von den Fachkreisen ge- rung gesenkt werden? Das sind Fragen, die für fordert werden, sind wir da zum Teil sehr weit ent- uns noch offen sind. fernt. Um diese Aspekte zu erläutern, möchten wir Libe- Deshalb begrüßen wir den Antrag der GAL im rale uns näher mit dem Thema Fallbegrenzung be- Grundsatz. Mit einer Begrenzung der Fallzahlen fassen und unterstützen daher eine Überweisung könnten wir, neben einer Verbesserung des Kin- an den Familienausschuss. derschutzes, außerdem mehrere Fliegen mit einer (Beifall bei der FDP und bei Christoph de Klappe schlagen. Vries CDU) Erstens: Um Kinderschutz sicherzustellen, brau- chen wir qualifizierte und engagierte Mitarbeiter bei Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2329

Präsidentin Carola Veit: Frau Heyenn, Sie haben schiedlichen Stadtteilen. Fallobergrenzen können das Wort. nach unserer Auffassung also durchaus in den un- terschiedlichen Bezirken auch unterschiedlich hoch Dora Heyenn DIE LINKE:* Die Kinderschutzpraxis angesetzt werden. Hamburg muss aber schnell der Jugendämter steht in der öffentlichen Diskussi- handeln. Ich finde es mit der Bundesratsinitiative on. Und nicht erst seit dem Tod der elfjährigen ganz gut, aber Hamburg muss eben auch selbst Chantal wird die Frage gestellt, warum solche Fälle etwas tun, und zwar relativ schnell. Die Fallober- im Vorfeld nicht besser erkannt wurden und vor al- grenzen müssen heruntergesetzt werden. Wir len Dingen, warum sie nicht verhindert wurden. Zu- müssen im Ausschuss darüber diskutieren, ob es gleich steigen die Fallzahlen und die Inobhutnah- 35 oder 27 sein sollen, und einen gangbaren Weg men nach aktuellen Kinderschutzfällen, was eine finden, um in Zukunft zu verhindern, dass Kinder in stärkere Arbeitsbelastung des ASD im Jugendamt Gefahr kommen, weil eine richtige Pflege nicht bei oftmals weniger Ressourcen bedeutet und stattfindet. einen hohen Krankenstand bei den Mitarbeiterin- (Beifall bei der LINKEN) nen und Mitarbeitern sowie hohe Fluktuation in den Abteilungen. Viele Stellen in den Bezirken Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun Sena- blieben unbesetzt, zu geringe Bezahlung und hohe tor Scheele. Arbeitsbelastung insgesamt wurden gemeldet. In diesen Zusammenhang gehören Überlastungs- Senator Detlef Scheele: Frau Präsidentin, meine anzeigen, die in den letzten Jahren von einzelnen Damen und Herren! Im Grundsatz ist die Intention ASD-Mitarbeitern gestellt wurden und teilweise so- dieses Antrags wirklich nachvollziehbar, denn es gar von ganzen Abteilungen. Der ASD ist überla- stimmt, dass die Mitarbeiter im ASD genügend stet und kann unter den jetzigen Bedingungen sei- Ressourcen für ihre Einzelfälle haben müssen. Die ner Arbeit und damit seiner Verantwortung nicht so Arbeitsanforderungen müssen überschaubar und gerecht werden, wie die Mitarbeiterinnen und Mit- zu bewältigen sein, gerade auch für die Fachkräf- arbeiter es gern möchten. te, deren zentrale Aufgabe die Sicherung des Kin- Der Antrag der GAL verweist auf den Anlass des deswohls ist. Insofern begrüßt auch der Senat die Regelungsbedarfs in Bremen, wo ein Amtsvor- Überweisung an den Ausschuss, um dort weiter zu mund zeitgleich 200 Kinder zu betreuen hatte. erörtern, wie wir denn künftig vorgehen wollen. Frau Blömeke, Sie haben in Ihren Ausführungen Anders als im vorliegenden Antrag suggeriert wird noch einmal sehr eindrucksvoll belegt, dass ein – darauf ist auch hingewiesen worden –, ist es bis- Sonderausschuss zur Klärung der Jugendhilfesi- her bundesweit nicht gelungen, allgemein verbind- tuation nicht ausreicht; das möchte ich noch einmal liche Kennzahlen für Fallobergrenzen für Kinder- ganz deutlich sagen. schutzfachkräfte festzusetzen. Und dafür gibt es, (Beifall bei der LINKEN) wie ich finde, nachvollziehbare Gründe. Warum ei- ne Fallzahlobergrenze von 35 HzE-Fällen? Woraus Diese ganze Situationsbeschreibung zeigt, dass es leitet sich denn diese Zahl ab? Wenn Experten die- überfällig ist, dass inhaltliche Veränderungs- und se Zahl nennen, dann beziehen sie sich auf ein Verbesserungsprozesse eingeleitet werden müs- ganz bestimmtes Jugendamt, das sich an dieser sen. Und ein Baustein dafür, das hat die GAL rich- Fallzahl orientiert. Diese Fallzahlobergrenze leitet tig benannt, ist eine konkrete und fachgerechte sich ab aus den spezifischen Strukturen dieses Ju- Festlegung von Fallobergrenzen für Mitarbeiterin- gendamts und den spezifischen Aufgabenzuschnitt nen und Mitarbeiter des ASD. Ich möchte an dieser des dortigen ASD. Sie ist niemals 1:1 übertragbar Stelle das Beispiel von Düsseldorf nennen. Dort ist auf andere Jugendämter. Das hat einen ganz ein- die Anzahl der Fälle auf maximal 27 bis 30 ge- fachen Grund, der auch nachvollziehbar ist. deckelt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gute Erfahrungen damit gemacht und die Familien Die Allgemeinen Sozialen Dienste sind eben nicht konnten und können entsprechend gefördert wer- gleich aufgestellt. Sie bedienen sich unterschiedli- den. cher Rechtskreise. In Hamburg haben wir einen reinen Jugendhilfe-ASD. In anderen Kommunen Dennoch halten wir feste Obergrenzen nicht für werden dem Sozialen Dienst auch andere Aufga- richtig, das sollte nur eine Orientierung sein. Sie ben, zum Beispiel die der Grundsicherung oder der muss flexibel gehandhabt werden und die Art und Seniorenbetreuung übertragen. Auch die ASDs, Schwere der Fälle, die konkret vorliegen, müssen die ausschließliche Jugendhilfeaufgaben wahrneh- berücksichtigt werden. Herr de Vries hat es gesagt, men, sind nicht 1:1 vergleichbar. Sie unterscheiden es gibt keine Fallidentität. Das unterstützen wir sich hinsichtlich der Arbeitsteilung zwischen den auch. Nicht jeder Fall hat den gleichen Zeit- und Kommunalen Sozialen Diensten und denen der Arbeitsbedarf. freien Träger und in Bezug auf den Spezialisie- Aus diesem Grund haben wir unseren Zusatzan- rungsgrad des Kommunalen Sozialen Dienstes. So trag gestellt. Hamburg ist eine Metropole mit unter- haben die Hamburger Bezirksämter Servicefunktio- 2330 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Senator Detlef Scheele) nen wie zum Beispiel die Kita-Sachgebiete in eige- das Denken verboten oder ausgeschaltet werden nen Organisationseinheiten angesiedelt. Anderen- soll. orts werden diese Arbeiten aber auch vom ASD Es wurde auf die Fluktuation hingewiesen. Aus wahrgenommen. den Berichten der Bezirksamtsleiter wissen wir, Man müsste klären, wenn es denn um Fallzahlo- dass die Fluktuation nach der Höhergruppierung bergrenzen geht, worüber wir auch in den Aus- nach E10 abgenommen habe, weil wir gegenüber schussberatungen reden werden, wie denn die den Umlandkreisen wettbewerbsfähig sind und wir Amtsvormünder einberechnet werden. Sie besu- leichter Personal gewinnen können als das vorher chen auch Kinder und Jugendliche zu Hause. Wie der Fall war. Insoweit hat der Mitteleinsatz, den wir werden die freien Träger einberechnet, wie gehen dort gewährt haben, offensichtlich Erfolg. So lauten sie ein in die Zahl der im ASD beschäftigten Mitar- jedenfalls die Berichte. beiterinnen und Mitarbeitern? Aus meiner Sicht ist Aus den sozialräumlichen Hilfen und Angeboten, es plausibel, dass wir nicht in allen Kommunen in den 12,1 Millionen Euro, stehen insgesamt 25 Pro- Deutschland eine einheitliche Fallzahl erreichen zent für weitere Personalverstärkungsmaßnahmen können, weil es ganz unterschiedliche Lebenswirk- zur Verfügung. Insofern kommt es jetzt darauf an, lichkeiten und Organisationsaufstellungen gibt, die das eingesetzte Personal und die eingesetzten wir von Hamburg aus und auch aus dem Bundes- Mittel bestmöglich aufzustellen, um ein optimales rat heraus nicht vereinheitlichen können und wahr- Ergebnis zu erzielen. Wenn wir erst einmal alle scheinlich auch nicht sollten. Stellen besetzt haben, denke ich, dass wir nach Es gibt insoweit keine einheitlichen Kennzahlen gegenwärtiger Lage der Dinge vernünftig arbeiten und Fallobergrenzen. Jede Kommune muss das können werden. Profil ihres ASD selbst bestimmen und verantwor- (Beifall bei der SPD) ten. Das tun wir auch in Hamburg für den Hambur- ger ASD. Was wir bisher getan haben, ist bekannt. Wir haben aus dem Controllingbericht HzE meiner Es hat Organisationsentwicklungsprozesse zur Behörde zum 31. Dezember 2011 und zum 31. De- Einführung der Funktionsbereiche Eingangsfall zember 2010 und aus den Daten der Finanzbehör- und Netzwerkmanagement in allen Bezirksämtern de zum Personalbestand folgende Fallzahlbelas- gegeben. Die Fachvorgaben wurden allesamt tung festgestellt. Ich nenne ausdrücklich die Da- überarbeitet, vereinheitlicht und im Anlagenband tenquelle, weil auch ein Streitpunkt ist, was eigent- zur Fachanweisung zusammengefasst. Die Einfüh- lich die Datengrundlagen sind, über die wir mitein- rung von JUS-IT steht bevor und dazu möchte ich ander reden. Die Daten sind also aus dem Perso- zwei Sätze sagen. nalbestand Finanzbehörde und dem Controllingbe- richt HzE der Sozialbehörde. Auch wenn eine Hamburger Tageszeitung die Überschrift gewählt hat "Sozialarbeit per Die Fallzahlbelastung am Stichtag 31. Dezember Mausklick", muss niemand glauben, dass künftig 2010 betrug 30,2 HzE pro ASD-Fachkraft. Ein Jahr die EDV darüber entscheidet, welche Hilfe wie ge- später waren es 29,9. Sie liegen also darunter, währt wird. Was wir gern wollen, ist, dass mithilfe aber ich sage ausdrücklich, dass es nicht zwin- einer EDV-Unterstützung und des Qualitätsmana- gend etwas darüber aussagt, ob die Mitarbeiter gements die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ge- ausgelastet, überausgelastet oder auch einmal un- schützt und entlastet werden. Wir werden standar- terausgelastet sind. disierte Verfahrensabläufe einführen, die dazu füh- Mit der Überweisung dieses Antrags an den Aus- ren, dass man künftig schauen kann, wenn ein schuss mag auch die Grundlage gelegt sein, wenn Kind zu Schaden kommt und geprüft wird, was da es uns gelingt, JUS-IT nun endlich einzuführen. vorgefallen ist, ob die Mitarbeiterinnen und Mitar- Dann können wir vielleicht künftig Daten liefern, die beiter die Arbeitsschritte, die miteinander verein- helfen, etwas sachlicher über die Frage der Belas- bart waren, eingehalten haben, um in einer spezifi- tung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu spre- schen Situation das Kindeswohl bestmöglich zu chen. schützen. Das dient nicht der Abschaffung der Ei- genverantwortung, sondern es dient dazu, dass Ich komme zum Schluss. Eine Bundesratsinitiative die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, was wäre chancenlos, wir sollten uns auf unsere Aufga- von ihnen erwartet wird. Sie sollen es in einem ben in Hamburg konzentrieren. Der Senat will sei- transparenten System abarbeiten. Wir wollen ein nen Beitrag ausdrücklich dazu leisten. Die Gleich- bestmögliches System schaffen, das organisatori- behandlung der ASD in allen deutschen Kommu- sche Versäumnisse faktisch ausschließt, wenn nen wäre keine gute Idee. Wir können uns um un- man sich daran hält. Also ist es eine Schutzfunkti- sere Sachen kümmern, dazu werden wir unseren on für Mitarbeiter und Führungskräfte in den Allge- Beitrag leisten. – Danke. meinen Sozialen Diensten und in den Jugendäm- (Beifall bei der SPD) tern. Dass man hierbei ab und zu einen Mausklick machen muss, hat nichts damit zu tun, dass damit Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2331

Präsidentin Carola Veit: Das Wort erhält Frau – Kollektive heißt, dass gleich eine ganze Abtei- Blömeke. lung eine Überlastungsanzeige gestellt hat. In Bergedorf, wo die Fallzahl annähernd an die 35 Christiane Blömeke GAL: Frau Präsidentin, mei- herankam, hatten wir in den letzten Monaten ne Damen und Herren! Zunächst will ich feststel- 21 Menschen, die gekündigt haben aufgrund der len, dass ich es sehr gut finde, dass die SPD unse- für sie unerträglichen Situation im ASD Bergedorf, ren Antrag zum Anlass nimmt, ihn an den Famili- wo die Mitarbeiter zudem noch in einem Groß- enausschuss zu überweisen und wir dort dann ei- raumbüro arbeiten müssen, was gar nicht geht. ne Diskussionsgrundlage für das weitere Verfahren haben; das finde ich positiv. So viel noch einmal zu den Zahlen. Die sind keine Erfindung der GAL-Fraktion, es sind Antworten des Herr Senator Scheele, ich weiß nicht, mit welcher Senats und als solches haben sie dann auch Ein- Zahl Sie jetzt operiert haben. Sie haben gesagt, fluss auf unsere Diskussion im Familienausschuss. woher Sie diese Bemessungsgrundlage haben. Ich hoffe, wir kommen da voran, denn am Kinder- Wir haben in regelmäßigen Abständen Schriftliche schutz sollte nicht gespart werden. Kleine Anfragen an den Senat gerichtet und die Zahl, die ich Ihnen eben von den Jugendämtern in (Beifall bei der GAL) Wandsbek nannte, stammt vom 6. März 2012. Präsidentin Carola Veit: Meine Damen und Her- (Dirk Kienscherf SPD: Völlig überholt!) ren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Wenn das Sie ist auch kein Einzelfall. Es hörte sich nämlich nicht der Fall ist, kommen wir zur Abstimmung. vorhin so an, als ob es auch Bezirke gäbe, die dar- Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache unter lägen. Diese Schriftlichen Kleinen Anfragen 20/3749 an den Kinder-, Familien- und Jugendaus- werden auch vom Senat beantwortet, und in unse- schuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? rer Schriftlichen Kleinen Anfrage mit der Drucksa- – Dann ist diese Drucksache einstimmig so über- chennummer 20/3410 ist für jeden nachzulesen, wiesen worden. dass es kein einziges Jugendamt und keinen Be- zirk gibt, bei dem die Fallzahl unter der empfohle- Wir kommen zum Antrag der Fraktion DIE LINKE nen Zahl von 35 liegt. aus Drucksache 20/3873. Wandsbek ist überhaupt kein Einzelfall. Im Bezirk Wer möchte diesen annehmen? – Die Gegenpro- Hamburg-Nord haben wir zum Beispiel auch eine be. – Enthaltungen? – Dann hat dieser Antrag kei- durchschnittliche Fallbelastung von 50. Wir haben ne Mehrheit gefunden. in Eimsbüttel 43, in Altona 45 und in Hamburg-Mit- te 43 Fälle, die gleichzeitig bearbeitet werden müs- sen. Es ist mir im Moment also nicht ganz erklär- Wir kommen zu Punkt 6, Drucksache 20/3005, lich, Herr Senator Scheele, wo Sie Ihre Zahlen her- Große Anfrage der FDP-Fraktion: Hamburg vor nehmen, wenn uns der Senat selbst andere Zah- dem bilanziellen Offenbarungseid – Pensions- und len gegeben hat. Beihilfeverpflichtungen der Freien und Hansestadt Noch einmal zu Herrn de Vries. Sie haben gesagt, Hamburg. die Zahl 35 wäre so ein politischer Einfall der Grü- nen. Das ist es nicht, es ist eine Empfehlung bun- [Große Anfrage der FDP-Fraktion: desweiter Fachkreise, auf eine Zahl von 35 zu Hamburg vor dem bilanziellen Offenbarungseid kommen. – Pensions- und Beihilfeverpflichtungen der (Frank Schmitt SPD: Dann nennen Sie doch Freien und Hansestadt Hamburg mal konkrete Fälle!) – Drs 20/3005 –] Es ist in der Tat schon vergleichbar, auch mit den Diese Drucksache möchte die FDP-Fraktion an Amtsvormündern, denn auch da musste man sich den Haushaltsausschuss überweisen. – Herr Rit- zu einer bundeseinheitlichen Regelung durchrin- ter, Sie wünschen das Wort und Sie haben es. gen. Amtsvormünder haben nämlich vorher Meine Damen und Herren! Vielleicht können sich 200 Fälle betreut, das war natürlich völlig absurd. diejenigen, die sich schon geraume Zeit stehend Jetzt ist die Zahl immerhin auf 50 herabgesetzt und klönend im hinteren Bereich des Plenarsaals worden. aufhalten, dazu durchringen, entweder hinauszu- Übrigens ist in dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage gehen oder sich wieder hinzusetzen. Das wäre auch durchaus lesenswert die Anzahl der Überla- nett, vielen Dank. – Herr Ritter, beginnen Sie bitte. stungsanzeigen. Sie gilt für ganz Hamburg. Es gab 28 individuelle Überlastungsanzeigen und 14 kol- Finn-Ole Ritter FDP: – Geht das schon von mei- lektive. ner Redezeit ab? Ich habe 15 Minuten vorbereitet, (Finn-Ole Ritter FDP: Kollektive!) also bitte, seid tapfer. 2332 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

Präsidentin Carola Veit: Sie haben noch 15 Minu- bestimmtes Leben für die junge und kommende ten und 18 Sekunden für Ihre Fraktion. Generation an. Das ist das langfristige liberale Ziel einer echten Chancen- und Generationengerech- (Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der tigkeit. CDU – Jan Quast SPD: Was, für den Mist 15 Minuten!) (Beifall bei der FDP – Zuruf von Jan Quast SPD) Finn-Ole Ritter FDP: Frau Präsidentin, meine Da- – Herr Quast, jetzt passen Sie auf. men und Herren! Hamburg erstellt seit dem Jahr 2006 jedes Jahr eine Bilanz, in der das Vermögen Genau bei dieser Beurteilung der Generationenge- der Stadt ihren Verbindlichkeiten gegenüberge- rechtigkeit hilft uns der Anblick der Bilanz Ham- stellt wird. Hamburg war damit das erste Bundes- burgs. Die korrigierte Eröffnungsbilanz wies für land, das die neue, staatliche doppelte Buchfüh- 2006 noch ein positives Eigenkapital von 3,3 Milli- rung in die Realität umgesetzt hat. Diesem Vorbild arden Euro aus. Im zuletzt vorgelegten Geschäfts- folgen bislang nur Hessen seit 2009 und Bremen bericht für 2010 ist von diesem Eigenkapital nicht seit 2010. Für uns Liberale ist dieses neue doppi- nur nichts mehr übrig, es ist sogar negativ, und sche Haushaltswesen der richtige Weg hin zu zwar auf den Gesamtkonzern Hamburg bezogen mehr haushaltspolitischer Transparenz und Nach- um knapp 400 Millionen Euro. Der Finanzsenator haltigkeit. brachte es bei der Vorstellung des Geschäftsbe- richts treffend auf den Punkt – ich zitiere Herrn (Beifall bei der FDP) Tschentscher –: Achtung – vor mittlerweile über zehn Jahren for- "Würde man die Stadt unter kaufmänni- cierte die damalige FDP-Bürgerschaftsabgeordne- schen Gesichtspunkten betrachten, wäre te Rose Pauly die Idee, eine Generationenbilanz Hamburg pleite." der Stadt zu erstellen und ein modernes Haus- haltswesen zu schaffen. Auch darum heißt es heu- Vielen Dank, Herr Tschentscher, für diese Aussa- te in den vom Bundesfinanzministerium herausge- ge. gebenen Standards "staatliche doppische Buch- Meine Damen und Herren! Spätestens bei diesem führung". Satz sollten in der Hansestadt alle Alarmglocken (Jan Quast SPD: Wir haben sogar einen schrillen. Wenn man sich jedoch den kreditfinan- Stadtteil nach ihr benannt!) zierten Kaufrausch des Senats und die faktische Personalpolitik anschaut, dann klingelt auf der Se- Der Gläubigerschutz ist das zentrale Prinzip der natsbank wohl nicht einmal ein Wecker. handelsrechtlichen Buchführung und Bilanzierung, seine Ausprägung findet sich im Vorsichtsprinzip. (Beifall bei der FDP) Die Standards staatlicher Doppik, Herr Quast, Dabei legt unsere Große Anfrage offen, dass das übernehmen diese Grundprinzipien als Ausprä- wahre Bilanzdefizit noch einmal um mindestens gung des Nachhaltigkeitsprinzips zum finanziellen 5,6 Milliarden Euro höher ist als die bereits ge- Schutz künftiger Generationen. nannten 400 Millionen Euro. Das ist auch der Grund, warum ich heute als ju- (Zuruf von Jan Quast SPD) gendpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion zu Ih- nen spreche. Für uns Liberale beinhaltet der Be- Man behilft sich nämlich in Hamburg mit einer mitt- griff der Nachhaltigkeit nämlich nicht nur Umwelt- lerweile veralteten Bilanzierungsrichtlinie. So wer- themen, wie dies häufig bei den Grünen zu erleben den Pensions- und Beihilferückstellungen bis 2015 ist. Die Nachhaltigkeit, die wir Liberale meinen, be- mit 6 Prozent Diskontierungszinssatz berechnet. zieht sich auch ausdrücklich auf den Erhalt der fi- Die Standards staatlicher Doppik sehen allerdings nanziellen und politischen Handlungsfreiheit von einen deutlich niedrigeren Zins vor, Herr Quast. Bürgern und Staat. Hessen und Bremen, vorbildlich, haben 2010 (Beifall bei der FDP) einen Diskontierungszinssatz von 4,5 Prozent an- gewendet. Wegen des für Deutschland historisch Für uns Liberale ist es zudem eine grässliche Ver- niedrigen Zinsniveaus ist dieser Wert mittlerweile zerrung des Begriffs der sozialen Gerechtigkeit, sogar auf 4 Prozent zu senken. Dies hat der Senat wenn darunter bloß noch Symptome kurierende, in der vorliegenden Großen Anfrage sowie in den staatliche Umverteilung innerhalb einer Generation Schriftlichen Kleinen Anfragen sogar bestätigt. verstanden wird, wie dies häufig bei den LINKEN oder der SPD der Fall ist. Spätestens im Geschäftsjahr 2015 wird Hamburg also statt 6 Prozent nur noch 4 Prozent Diskontie- (Christiane Schneider DIE LINKE: Nee, nee, rungszins anwenden dürfen. Das ergibt erst dann bei uns nicht!) – offizieller Stand von heute – 5,6 Milliarden Euro Die Gerechtigkeit, die wir Liberale meinen, setzt zusätzliches Bilanzdefizit. Darüber hinaus kommt bereits bei schuldenfreien Chancen auf ein selbst- in Hamburg ebenfalls erst 2015 eine weitere Milli- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2333

(Finn-Ole Ritter) ardenleiche namens Erfüllungsbetrag aus dem Bi- werden? Richtig, die Mieten werden dann noch lanzkeller. Die Standards staatlicher Doppik schrei- mehr steigen. Welch eine Überraschung, die Ze- ben vor, dass auch zukünftige Tarifsteigerungen che für linke Steuersymbolpolitik zahlen in Wahr- von Bezügen, Löhnen und Gehältern bei der Rück- heit Otto Normalverbraucher, kleine und mittelstän- stellungsberechnung berücksichtigt werden müs- dische Unternehmen und Selbstständige. sen. Auch das machen Bremen und Hessen be- (Beifall bei der FDP) reits. Der Hamburger Senat will das jedoch laut Antwort auf unsere Anfragen bis 2015 nicht tun. Er So konkret kann sich ein Bilanzdefizit wegen stei- weigert sich vielmehr standhaft, entsprechende gender Pensionsverpflichtungen für alle Bürgerin- Berechnungen einzuholen und bekannt zu ma- nen und Bürger auswirken, wenn die SPD regiert. chen. Aber der Finanzsenator wird die Hamburger Fami- lien schon bestimmt beruhigen, indem er sagt, In der Burg, wo König Olaf herrscht, ist nicht nur dass es sich nur um virtuelle Löcher in ihren Ta- bei diesem Thema die Zugbrücke stets hochge- schen handele. klappt. Das Hamburger Milliardenbilanzloch zeigt uns aber (Jan Quast SPD: Jetzt kommt der tapfere noch mehr, nämlich wo die großen Ausgaben- Ritter!) brocken in zukünftigen Haushalten herkommen. Transparente Politik und ein offener, respektvoller Pensionen und Beihilfen sind da ein sehr großer, Umgang mit Bürgern und gewählten Volksvertre- stetig wachsender Faktor. Unsere Anfragen zum tern sieht anders aus. Thema zeigen, dass die Zahl der Versorgungs- empfänger noch bis circa Ende des Jahrzehnts (Beifall bei der FDP – Jan Quast SPD: Und stetig anwächst. Bei realistischen 2 Prozent jährli- jetzt kommt der Ritter und will die Burg cher Steigerung der Bezüge werden die Versor- schleifen!) gungsausgaben immer weiter anwachsen. – Herr Quast, warten Sie doch, ich komme gleich Herr Tjarks, ich habe Ihre Pressemitteilung gele- wieder zu Ihnen. Ich kann nicht alle zwei Minuten sen, Sie müssen dann aber auch lesen, was Sie mit Ihnen reden. sagen. Die Versorgungsausgaben werden von der- Fakt ist jedenfalls schon heute, dass der nächste zeit 1,1 Milliarden Euro bis ins Jahr 2030 auf deut- Senat bei der Vorstellung des Geschäftsberichts lich über 1,6 Milliarden Euro anwachsen. Das ist 2015 eine Menge Erklärungsbedarf hat. Falls dann doch einmal eine konkrete Zahl. Um die Versor- immer noch Herr Tschentscher Finanzsenator sein gungsausgaben auch in Zukunft stemmen zu kön- sollte, bin ich schon gespannt, ob von der Finanz- nen, müsste der Senat daher schon heute deutlich behörde dieses Defizit dann wieder als ein Pro- mehr einsparen. Der Landesrechnungshof hatte blem, das – Herr Quast, jetzt hören Sie doch zu, letztes Jahr in seinem Bericht "Nachhaltige Finanz- Zitat für Sie aus der Finanzbehörde – wirtschaft" einen Konsolidierungsbedarf von 35 Millionen Euro pro Jahr oder 700 Stelleneinspa- "rein virtuell" rungen pro Jahr errechnet. Der SPD-Senat spart ist, abgetan wird. stattdessen allerdings an anderen Stellen. Man denke an das aktuelle Beispiel der offenen Kinder- Danach dürfte Herr Tschentscher eigentlich kein und Jugendarbeit, hier sollen 3,5 Millionen Euro hanseatischer Finanzsenator mehr sein oder eingespart werden. Aber Zigmillionen unnötige Zin- müsste zumindest seinen Pressesprecher wech- sen pro Jahr darf die Scholz'sche seln. "Spend-as-you-like"-Shoppingtour dann wieder Was bedeutet dieses vermutlich zweistellige Milli- kosten. ardendefizit in der Bilanz konkret? Einerseits kann Meine Damen und Herren! Wir müssen uns über man es als zusätzliche Steuer- und Abgabenlast mögliche Begrenzungsmöglichkeiten der drastisch von morgen sehen. Der Finanzsenator und die gestiegenen Versorgungsausgaben, insbesondere SPD setzen auch ganz unverhohlen ihre entspre- bei den Beihilfen, unterhalten. Wir müssen uns chenden Pläne um. Die Vermögensteuer ist zum über die Ausgestaltung eines langfristigen, echten Beispiel ganz vorn mit dabei auf der Wunschliste. Personalabbaus unterhalten, um mit den Einspa- Nur, wer ernsthaft glaubt, dass eine Vermögen- rungen die Versorgungsausgaben zu finanzieren. steuer Vermögende besteuert, der glaubt auch, Wir müssen uns über die ungeklärte Frage der Li- dass ein Volkswirt das Volk bewirtet. quidität des Hamburger Versorgungsfonds unter- (Beifall bei Dr. Kurt Duwe FDP – Zuruf von halten, der sonst nach 2017 zahlungsunfähig zu Jan Quast SPD) werden droht. Denn ein Löwenanteil des Vermögens ist in Ham- Wir sehen Sie alle an unserer Seite, wenn es um burg in Immobilien, also vor allem in Wohnungen eine offene und transparente Erörterung des The- und Büroflächen investiert. Und was passiert, mas geht. Ziel muss es sein, eine nachhaltige Lö- wenn diese Immobilien nun zusätzlich besteuert sung im Sinne Hamburgs und seiner Mitarbeiter zu 2334 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Finn-Ole Ritter) finden. Ich würde mich freuen, wenn die SPD-Frak- tung der Beamtinnen und Beamten, denen wir zu tion dies so sehen würde und wir die Beratung un- danken haben, dass sie das mitgemacht haben. serer Großen Anfrage im Haushaltsausschuss fort- Darüber hinaus wurde im Jahr 1999 von der rot- setzen könnten. – Vielen Dank. grünen Bundesregierung das Versorgungsreform- gesetz verabschiedet, mit dem das Versorgungsni- (Beifall bei der FDP) veau von 75 Prozent auf 71,75 Prozent abgesenkt wurde, um die Versorgungslasten zu verringern. Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun Herr Außerdem haben die Vorgängersenate sowohl un- Albrecht. ter SPD- als auch unter CDU-Führung vorbildlich dafür gesorgt, Pensionslasten entgegenzuwirken, Matthias Albrecht SPD:* Frau Präsidentin, meine indem in vorausschauender Weise Sonderfonds sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter eingerichtet wurden, zum ersten Mal 1999 von ei- Herr Ritter, wenn ich höre, dass Sie finanzielle nem SPD-Senat. staatliche Nachhaltigkeit einfordern, dann bedeutet (Beifall bei der SPD) das bei der FDP leider immer nur Steuersenkun- gen und nichts anderes. Und das ist das Problem. Das ist ein bedeutender Schritt zu mehr finanzieller Zum Thema, Herr Ritter, haben Sie in vielen Punk- Nachhaltigkeit und deswegen sind Ihre Anschuldi- ten gar nicht gesprochen, sondern Sie haben zu gungen auch nicht gerechtfertigt. Sachen gesprochen, die wir nicht weiter auf der Wir werden in Zukunft noch weitere Schritte unter- Tagesordnung haben. Wir reden heute über die nehmen müssen, Versorgungs- und Pensionslasten der Hansestadt Hamburg. (Katja Suding FDP: Was für Schritte?) (Finn-Ole Ritter FDP: Jetzt können Sie ja und wir haben heute schon mehrfach darüber dis- zum Thema reden!) kutiert, wie wir das machen wollen. Ich möchte nur das Beispiel des Personalabbaus ansprechen, das Natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, dass wir vorhin alles in Ruhe besprochen haben. Ich es künftig große Herausforderungen gibt, diesen denke, das ist ein richtiger Weg, das zu machen. Pensionslasten gerecht zu werden, und zwar nicht, seitdem wir die Kameralistik auf die Doppik umstel- Ein zweiter Punkt ist, dass wir in den nächsten len, sondern auch schon jetzt; das wissen wir alle. Jahren – das wissen Sie auch – die Rekapitalisie- Auch andere Bundesländer haben im Übrigen die- rung des Hamburger Versorgungsfonds in Angriff se Schwierigkeiten, die Hansestadt Hamburg also nehmen und dort knapp 700 Millionen Euro ein- nicht allein. Wenn Sie sich andere Stadtstaaten speisen wollen. Das ist übrigens ein Punkt, der uns anschauen, dann sehen Sie, dass diese es nicht vor einiger Zeit bei den Beratungen im Haushalts- immer besser machen. Es gibt zum Beispiel in ausschuss den Vorwurf einbrachte, wir würden un- Bayern auch ganz andere Probleme, denn gerade, seren Haushalt finanzpolitisch frisieren wollen wenn man bei der doppischen Umstellung ist, hat – das nur als Hinweis. man häufig das Problem, dass die anderen Dinge Zum guten Schluss wollen wir auf dem Weg zur gar nicht mehr einberechnet werden, da es dort Schuldenbremse natürlich auch Korsettstangen in auch noch andere Strukturen gibt. den Haushalt einziehen, damit wir nicht über die Ich finde es allerdings nicht in Ordnung, Herr Rit- Ausgaben hinausgehen, die wir uns ausgerechnet ter, dass Sie von einem bilanziellen Offenbarungs- haben. Auch hier gilt für uns ein strenges eid sprechen. Ich finde es nicht in Ordnung, Herr "pay-as-you-go"-Prinzip, Ritter, dass Sie unsere Pensionäre vor Ort ent- (Katja Suding FDP: Ach, da auch?) sprechend verunsichern und so tun, als wäre der Staat nicht in der Lage, künftig für die Pensionen das wir einhalten wollen und einhalten werden. aufzukommen. Das ist ein Skandal und das sollten (Beifall bei der SPD) Sie bitte auch in Zukunft vermeiden. Wenn wir daran gemeinsam arbeiten, Herr Ritter, (Beifall bei der SPD) dann brauchen wir nicht von einem bilanziellen Of- In der Vergangenheit sind schon einige Bereiche fenbarungseid zu reden. Das verunsichert nur un- gelöst worden und es wurde versucht, den Proble- sere Beamtinnen und Beamten, die schon eine men entgegenzutreten. Ich möchte nur kurz drei ganze Menge für den Haushalt getan haben. Las- Beispiele nennen, auch in Anbetracht der knappen sen Sie uns also zusammenarbeiten und das in Zeit. Zukunft diskutieren. Aber einer Überweisung Ihrer Großen Anfrage werden wir nicht zustimmen. Erstens: Im Januar 2010 trat das Beamtenversor- gungsgesetz in Kraft, das übrigens noch vom Vor- (Katja Suding FDP: Was denn nun, diskutie- gängersenat eingeführt wurde. Es bedeutet eine ren oder nicht diskutieren?) schrittweise Erhöhung des Pensionseintrittsalters auf das 67. Lebensjahr. Das ist auch eine Belas- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2335

(Matthias Albrecht)

Wir werden dann miteinander diskutieren, wenn es Prognoserechnungen et cetera; wer Zahlen mag, soweit ist und wir weitere Schritte unternehmen. sollte sie einmal durchblättern, sie ist sehr interes- – Danke schön. sant. Aber in einem Punkt – Herr Tschentscher ist noch da – ist die Antwort des Senats sehr dünn: (Beifall bei der SPD) bei der letzten Frage von Herrn Ritter, welche Maßnahmen der Senat daraus ableite und was sei- Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun Herr ne politischen Handlungsempfehlungen seien. Auf Kleibauer. diese Frage ist die Antwort äußert knapp. Das steht in einem krassen Missverhältnis zu den übri- Thilo Kleibauer CDU:* Frau Präsidentin, meine gen Antworten und zeigt deutlich, dass die Proble- Damen und Herren! Auch von unserer Seite einige me weiter vertagt werden und nicht besprochen Anmerkungen zu diesem Thema, das Herr Ritter werden sollen. Mir ist zugetragen worden, dass Sie für die FDP-Fraktion adressiert hat und das für die keine Neigung haben, das an den Ausschuss zu Stadt schon jetzt eine große finanzielle Bedeutung überweisen. Sie kennen das Problem, Sie adres- hat, die in den nächsten Jahren noch wachsen sieren es, aber Sie packen es nicht richtig an. Sie wird. Wir haben weiterhin ansteigende Versor- wollen ihm weiter aus dem Weg gehen und das gungsbezüge, auch wenn die Zahl der Ruhestand- wird nicht klappen, meine Damen und Herren. seintritte ab diesem Jahr perspektivisch rückläufig (Beifall bei der CDU und der FDP) sein wird. Der Rechnungshof hat im letzten Jahr – Herr Ritter ist darauf eingegangen – sehr ein- drücklich darauf hingewiesen, dass Handlungsbe- Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Herr Dr. darf besteht. Tjarks. Herr Albrecht, Sie sagten, Herr Ritter habe das Dr. Anjes Tjarks GAL:* Frau Präsidentin, meine Ganze skandalisiert und trage es auf dem Rücken Damen und Herren! Lieber Herr Ritter, ich finde, der Pensionäre aus. Dazu möchte ich anmerken, dass Sie eigentlich ein wichtiges Thema adressie- dass ich sehr gut in Erinnerung habe, wie Ihr ren. Ich hatte aber schon ein bisschen Angst, dass Staatsrat Herr Krupp in der letzten Sitzung des Un- Sie mit Ihrer Rede, bei der ich das Gefühl hatte, terausschusses für Personalwirtschaft die Versor- dass Sie selber manchmal nicht so ganz ernst neh- gungsempfänger als das größte Problem in dieser men, was Sie gerade sagen, die vollen 15 Minuten Stadt bezeichnet hat. Das finde ich definitiv unfair. ausschöpfen würden. Denn so, wie Sie das ange- Sie können das nicht an Personen festmachen, gangen sind, ist es der falsche Ansatz. Sie haben das hat auch etwas mit Wertschätzung für diese sich sehr eindrücklich mit der Zeitreihe WU3975 Menschen zu tun. Wir können nicht den Pensio- der Bundesbank und den versicherungsmathemati- nären die Schuld geben für die Fehler, die die schen Verfahren zur Nutzung der Generationen- Dienstherren über die letzten 30 Jahre gemacht sterbetafeln 2005 G nach Heubeck beschäftigt. haben. Das ist relativ viel Klein-Klein und diese Anfrage ist (Beifall bei der CDU) eher ein Beispiel für Bürokratieaufbau als für Büro- kratieabbau. In den letzten Jahren sind vielfältige kleinere Maß- nahmen ergriffen worden, um das Problem anzu- (Beifall bei der GAL) gehen. Sie sind darauf eingegangen, Herr Al- Die Frage ist aber doch, was das Ergebnis dieses brecht. Das betrifft den Versorgungsfonds, die ganzen technokratischen Klein-Kleins ist. Das Er- Rücklagen, eigene Beiträge und eine moderate gebnis ist, dass Sie sagen: Es gibt einen Berg von Absenkung des Versorgungsniveaus. Durch das Pensionslasten. Das ist eine überraschende Nach- Thema Doppik wurde das Ganze in den letzten richt. Wenn man über dieses Thema redet, dann zehn Jahren überhaupt erst transparent gemacht. ist es wichtig, nicht nur zu fragen, wie groß der Und Herr Ritter hat zu Recht darauf hingewiesen, Berg der Verpflichtungen ist, der auf die Stadt zu- dass die bürgerliche Koalition in Hamburg Vorreiter kommt, sondern das muss man auch ins Verhältnis gewesen ist und als erstes einen Geschäftsbericht zu den Einnahmen zu setzen. Das ist doch der aufgestellt hat. entscheidende Punk. Ich weiß nicht, wie weit die (Beifall bei der CDU und der FDP) Prognosen reichen, aber das haben Sie für 2030 überhaupt nirgendwo abgefragt. Man muss damit leben, dass die Zahlen dieses Geschäftsberichts vielleicht nicht in jedem Jahr po- (Finn-Ole Ritter FDP: Sie müssen die Anfra- sitiv ausfallen, aber das ist im Endeffekt eine For- ge lesen, Herr Tjarks!) derung an uns, die Maßnahmen zu stärken und in – Das können Sie gleich in der zweiten Runde die richtige Richtung zu lenken. noch einmal genauer erläutern. Die Große Anfrage liefert, wenn man sie sich Der entscheidende Punkt ist doch, das in ein ver- durchliest, durchaus einige interessante Aspekte. nünftiges Verhältnis zu setzen. Sie können nicht Sie ist teilweise sehr umfangreich beantwortet mit nur sagen, es gibt im Jahr 2030 mehr Verpflichtun- 2336 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Anjes Tjarks) gen, sondern müssen auch schauen, wo Sie dann Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen das bei den Ausgaben landen und wie man die Pensi- Wahlergebnis der Wahl eines Deputierten der Kul- onslasten durch den Haushalt steuern kann. Wir turbehörde mitteilen. Auf Wilfried Buss sind bei 110 wissen alle, dass nicht genug getan wurde, was abgegebenen Stimmen 107 Ja-Stimmen entfallen, die Vorsorge angeht, also müssen wir mit der jetzi- (Beifall bei allen Fraktionen) gen Situation leben und umgehen. Das muss man in einem vernünftigen Verhältnis diskutieren, alles zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. andere macht meines Erachtens keinen Sinn. Des- wegen sollte man das nicht an den Ausschuss überweisen, sondern das Thema zu gegebener Wir kommen zu Punkt 46 unserer Tagesordnung, Zeit erneut aufrufen. – Danke schön. Drucksache 20/3756, Antrag der Fraktion DIE LIN- (Beifall bei der GAL) KE: Tempominderung für mehr Sicherheit auf Hamburgs Straßen. Präsidentin Carola Veit: Herr Hackbusch? – Sehr gern, Sie haben das Wort. [Antrag der Fraktion DIE LINKE: Tempominderung für mehr Sicherheit auf Ham- Norbert Hackbusch DIE LINKE:* Meine Damen burgs Straßen und Herren! Herr Tjarks, Ihr Beitrag hat mir sehr – Drs 20/3756 –] gefallen, deswegen kann ich es ganz kurz ma- Dazu liegt Ihnen als Drucksache 20/3882 ein An- chen. trag der SPD-Fraktion vor. (Beifall bei Katharina Wolff CDU) Es wurde eine große Fleißarbeit geleistet, die sehr [Antrag der SPD-Fraktion: ins Detail geht. Ich muss ehrlicherweise zugeben, Tempominderung für mehr Sicherheit auf Ham- dass ich etliches nicht verstanden habe, weil die burgs Straßen versicherungstechnischen Rechnungen mein Wis- – Drs 20/3882 –] sen völlig überfordert haben. Das macht aber Frau Sudmann, Sie haben das Wort. nichts, damit komme ich zurecht; Herr Hamann kennt das schon. Heike Sudmann DIE LINKE:* Auch wenn der An- Ich finde aber, dass die wesentliche Herausforde- trag "Tempominderung" heißt, würde ich am lieb- rung natürlich in der Frage liegt, wie wir dieses sten die Zeit mindern, aber die SPD wollte die An- Problem lösen können, und ich gebe zu, dass mir träge leider nicht in den Ausschuss schieben, also Ihre Antworten – von wegen Gefahr von Staatswirt- debattieren wir jetzt darüber. Mit den dreieinhalb schaft und Ähnliches – nicht so gut gefallen haben. Minuten, die Sie noch haben, bin ich gespannt, Ich habe da eine andere politische Auffassung, was noch kommt. aber das brauchen wir hier nicht lange zu diskutie- ren. Im Gegensatz zu Herrn Tjarks sehe ich es Vor wenigen Wochen wurde die neue Verkehrsun- aber durchaus als Aufgabe des Haushaltsauschus- fallstatistik veröffentlicht. In der Kurzfassung kann ses an, sich mit einzelnen Aspekten der Anfrage man sagen: Es gibt mehr Unfälle, es gibt mehr auseinanderzusetzen. Bei einigen Aspekten sollte Verunglückte und es gibt mehr Verkehrstote. In man noch einmal genauer nachfragen, und deswe- dem Punkt sind wir uns einig, das war dreimal zu gen ist es eigentlich eine gute Sitte, so etwas zu viel. überweisen. – Danke. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Das wollen wir nicht, wir wollen mehr Sicherheit auf den Straßen. Präsidentin Carola Veit: Wird weiter das Wort ge- Wenn wir genauer schauen, wer eigentlich verun- wünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen glückt, dann stellen wir fest, dass gerade bei den wir zur Abstimmung. sogenannten schwächeren Verkehrsteilnehmerin- Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache nen und -teilnehmern – also bei den Fußgängerin- 20/3005 an den Haushaltsausschuss zu? – Die nen und Fußgängern, den Radfahrenden und den Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist dem Motorradfahrenden – die Unglückszahlen über- Überweisungsbegehren nicht gefolgt worden. durchschnittlich stark gestiegen sind. Bei den To- ten, alle denken immer an die vier Eppendorfer To- Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft von der ten, sind insgesamt wesentlich mehr Menschen Großen Anfrage aus Drucksache 20/3005 Kennt- tödlich verunglückt, und da ist, wie die CDU gerne nis genommen hat. sagt, jeder Tote einer zu viel. Deswegen greifen wir eine Diskussion auf, die in dieser Bürgerschaft schon immer sehr abhängig Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2337

(Heike Sudmann) von der Regierungsbeteiligung geführt wurde. Die Wir waren beim Thema Geschwindigkeit reduzie- CDU ist schon immer – da ist sie konsequent – da- ren. Die SPD scheint auch Sympathie für meinen für gewesen, dass wesentlich schneller gefahren Antrag zu haben, nur dummerweise scheint Ihre werden kann und mehr Tempo 60 eingerichtet Sympathie immer dann aufzuhören, wenn Sie ein- wird. fach nur Ja sagen müssten. Deswegen haben Sie wieder einmal einen Änderungsantrag geschrie- (Beifall bei der CDU) ben, der natürlich nicht so weitreichend ist wie un- – Dass Sie da klatschen, finde ich ein bisschen ser Antrag. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf traurig. – wir sind im zweiten Jahr der SPD-Regierung –, dass Sie langsam ein bisschen mutiger werden. (Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE) Von daher bin ich zwar enttäuscht, dass Sie unse- Ich habe Ihnen gerade die Verkehrsunfallzahlen ren Antrag ablehnen werden, aber immerhin wer- genannt und wir wissen, wie viele Unfälle durch er- den Sie einen kleinen Prüfauftrag beschließen, höhte Geschwindigkeit verursacht werden. und vielleicht sind wir am Ende alle etwas schlau- er. – Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GAL) (Beifall bei der LINKEN) Ich bleibe bei den Hoffnungsträgerinnen und -trä- gern der SPD. Frau Timmermann hat sich in der Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Frau Koep- letzten Legislaturperiode auch mit dem Thema pen. auseinandergesetzt, und eigentlich müsste die SPD schon sehr eindeutig wissen, dass sie dafür Martina Koeppen SPD:* Frau Präsidentin, meine ist, die Geschwindigkeiten zu reduzieren. Die mei- sehr verehrten Damen und Herren! Jedes Un- sten von Ihnen werden auch einmal im Auto oder fallopfer in Hamburg ist eines zu viel und wir haben im Bus unterwegs sein und festgestellt haben, die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Hamburgs dass, wenn jemand Tempo 50 fährt, er in dieser Straßen sicherer werden. Von der LINKEN kommt Stadt immer ein Verkehrshindernis ist. Tempo 60 nun der erste Ansatz dazu: Temporeduzierung, be- zu fahren, wo 50 gefahren werden darf, und 70 zu gründet mit den Zahlen der Verkehrsunfall-Bi- fahren, wo 60 erlaubt ist, ist bei vielen eine Art Ka- lanz 2011. So schreiben Sie in Ihrem Antrag, dass valiersdelikt. Ich frage jetzt nicht, wer von Ihnen ein beträchtlicher Teil der Unfälle auf überhöhte schon einmal einen Bußgeldbescheid bekommen Geschwindigkeit als Unfallursache zurückzuführen hat, aber ich glaube, dass viele teilweise er- sei, nach Ihrer Aussage 30 Prozent. Sie sollten bei schrocken sind, wenn sie merken, dass sie im Ver- der Interpretation der Zahlen für 2011 aber nicht kehrsfluss eine viel zu hohe Geschwindigkeit er- Äpfel und Birnen in einen Topf werfen. Bei der Vor- reicht haben. stellung der Verkehrsunfallzahlen wurden die Un- fallursachen – zu geringer Sicherheitsabstand, ver- Das muss aufhören. Deswegen sind wir dafür, die antwortlich für 16,2 Prozent und Geschwindigkeit, Geschwindigkeit zu reduzieren. Das hat nicht nur verantwortlich für 13,8 Prozent dieser Unfälle – ad- Sicherheitsaspekte, es hat auch Umweltaspekte. diert und ergeben so die von Ihnen genannten Können wir auch die Redelautstärke reduzieren, 30 Prozent. Unter dem Oberbegriff Geschwindig- Frau Präsidentin? Ich höre mich selbst kaum noch. keit verbirgt sich dann aber nicht nur die Über- schreitung, sondern auch die Unterschreitung der (Dennis Gladiator CDU: Dann können Sie zulässigen Höchstgeschwindigkeit. sich ja wieder hinsetzen!) (Glocke) Präsidentin Carola Veit (unterbrechend): Offen- bar können alle mitreden bei dem Thema. Ich habe Präsidentin Carola Veit (unterbrechend): Meine vorhin schon dieses Herumstehen in den Ecken Damen und Herren! Das eben bei Frau Sudmann und an der Wand angesprochen. Vielleicht können Gesagte gilt ebenso für die Rednerin Koeppen. alle, die keine akuten Rückenprobleme haben, sich – Fahren Sie bitte fort. wieder ihren Plätzen nähern und die Gespräche einstellen, Herr Grote, Frau Dobusch. Frau Do- Martina Koeppen SPD (fortfahrend): Ein Vor- busch, Sie haben die Möglichkeit, sich auch außer- schlag von Ihnen ist nun, die auf einigen Haupt- halb des Plenarsaals zu unterhalten. – Frau Sud- straßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von mann, bitte fahren Sie fort. 60 Kilometern pro Stunde wieder auf 50 Kilometer pro Stunde herabzusetzen. Jede Aussage muss Heike Sudmann DIE LINKE (fortfahrend): – Vielen aber mit handfesten Fakten hinterlegt werden, und Dank. Ich zitiere jetzt sehr gerne Herrn Wersich, eine Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten der sagt, er habe ein Herz für die Randständigen. Timmermann aus der letzten Legislaturperiode hat Aber auch die Randständigen mögen den Mund ergeben, dass die Unfallzahlen auf den Tempo- ein bisschen mehr schließen. 60-Straßen überhaupt nicht erhöht sind. 2338 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Martina Koeppen)

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das stimmt das, was Frau Koeppen eben andeutete, getan: nicht!) Wir haben darauf geachtet, wie sich die Unfallzah- len auf diesen Straßen entwickeln und welche Aus- Daher müssen wir diese Unfallzahlen erneut abfor- wirkungen die Tempo-60-Regelungen haben. Ich dern – und das tun wir mit unserem Antrag –, um habe mit der Drucksache 19/5136 in der letzten zu sehen, ob und wo mit welchen Maßnahmen die Legislaturperiode selber eine Anfrage gestellt, die Sicherheit erhöht werden kann. Die Reduzierung sich mit den Unfallzahlen auf der Alten Landstraße der Höchstgeschwindigkeit ist aber nicht das All- beschäftigt hat, und Frau Timmermann – das ist heilmittel der Unfallvermeidung. 26,1 Prozent der erwähnt worden – hat sich auch mit dem Thema Unfälle in Hamburg werden durch Fehler beim Ein- beschäftigt. fahren, Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren verursacht. In der Tat – und da geben wir Ihnen Die CDU-Fraktion hat nichts gegen den SPD-An- recht – bietet die Unfallbilanz 2011 eine gute trag; wir können immer wieder weiter evaluieren Grundlage, um über die Sicherheit auf Hamburgs und prüfen – und das sollten wir auch tun –, ob Straßen nachzudenken. sich die Unfallzahlen auf solchen Straßen verän- dern. Sollte das der Fall sein, dann trägt die CDU- Einen enormen Anstieg um 10,3 Prozent gab es Fraktion selbstverständlich auch entsprechende bei der Unfallursache Alkohol. Diese Unfälle hätten Änderungen mit. Aber sollte sich herausstellen, vermieden werden können, wenn Alkohol genau dass das nicht der Fall ist, dann sollten wir nicht wie Drogen im Straßenverkehr verboten wäre. Die aus ideologischen Gründen von Tempo 60 auf SPD unterstützt daher die Bundesratsinitiative zur Tempo 50 zurückgehen. 0,0-Promille-Grenze, die Michael Neumann ein- bringen wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurz zum SPD-Antrag. Wir haben keine Probleme da- (Beifall bei der SPD) mit, die Unfallzahlen in den Tempo-60-Straßen zu Ein letzter Satz: Wir haben diesen Zusatzantrag evaluieren, wir haben auch keine Probleme damit formuliert, mit dem wir die Grundlagen für weitere zu prüfen, inwieweit sich die Lärm- und Feinstau- Maßnahmen abfordern. – Vielen Dank. bemissionen dort verändert haben. Ich glaube nur, dass das sehr schwer festzustellen sein wird. Nach (Beifall bei der SPD) meiner Kenntnis und nach allem, was wir in den vergangenen zehn Jahren im Verkehrsausschuss Präsidentin Carola Veit: Nun hat Herr Hesse das zu diesem Thema diskutiert haben, waren die Wort. Emissionswerte immer dann gut, wenn wir einen fließenden Verkehr hatten. Das war auch ein um- Klaus-Peter Hesse CDU: Frau Präsidentin, meine weltpolitischer Ansatz, den wir als CDU-Fraktion sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es immer vertreten haben, darauf zu achten, dass der kurz machen. Auch die CDU-Bürgerschaftsfraktion Verkehr in unserer Stadt fließt, denn dann haben nimmt die Unfallzahlen ernst und diesen Bericht wir auch weniger Emissionen. Autos, die im Stau als Anlass, genau zu schauen, wie wir die Unfall- oder an der Ampel stehen, verursachen mehr zahlen senken können. Für Ihren Antrag, liebe Emissionen als Autos, die durchgehend fahren. Frau Sudmann, haben wir trotzdem keine Sympa- (Heike Sudmann DIE LINKE: In dieser Stadt thie, weil wir glauben, dass er in die falsche Rich- fährt niemand durchgehend, auch Sie nicht!) tung geht. Es ist ein Antrag, Frau Sudmann, der politisch motiviert geschrieben ist, der stigmatisiert Insofern glaube ich, liebe Kolleginnen und Kolle- und mit dem Finger auf die Autofahrer zeigt und gen, dass das auch die Antwort auf Ihre Frage 2 sagt, da sind die Schuldigen. Es ist ein Antrag, der sein wird. sich nicht mit Ursachenforschung beschäftigt. Das Sie fordern vom Senat unter Punkt 3 Ihres Peti- grenzt nahtlos an Ihren Beitrag zur Elektromobilität tums einen Bericht über die Tempo-30-Zonen. Die- an, wo Sie den E-Volkstrabbi für alle gefordert und sem Bericht können wir – gemeinsam mit den Grü- auch schon mit dem Finger auf alle Autofahrer in nen hatten wir in der letzten Legislaturperiode ge- unserer Stadt gezeigt haben. Das ist der falsche fordert, diese Zonen auszudehnen – gerne zustim- Weg und das ist kein Weg, den die CDU mitgeht. men. Ich möchte Sie aber an dieser Stelle auf die (Beifall bei der CDU) Drucksache 20/3849 hinweisen, eine Schriftliche Kleine Anfrage von mir aus der letzten Woche. Die Die CDU hat tatsächlich während ihrer Regie- Antwort darauf dürfte Ihnen sozusagen den rungsverantwortung auf einigen Straßen Tempo 60 Punkt 3 ersparen. Wir werden ihm trotzdem zu- eingeführt. Wir haben das sehr bewusst gemacht, stimmen und damit Ihrem Antrag in Gänze, denn und zwar nicht flächendeckend, sondern wir haben auch wir finden es richtig, erst zu prüfen und dann sehr genau darauf geachtet, auf welchen Straßen zu entscheiden, und nicht, wie DIE LINKE es tut, das möglich ist. Die Innenbehörde hat genau ge- vorab zu verurteilen. – Vielen Dank. prüft, nach welchen Kriterien Tempo 60 eingeführt werden kann. Außerdem haben wir natürlich auch (Beifall bei der CDU) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2339

Dr. Till Steffen GAL:* Sehr geehrte Frau Präsiden- Forderungen haben drei Sachen gemeinsam: Ers- tin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man tens sind sie beide richtig, zweitens rangieren sie darf schon die Fakten zum Anlass nehmen, einen bei den Unfallursachen weit unten und drittens Antrag zu stellen, wie ihn DIE LINKE eingebracht sind es Bundesratsinitiativen, das heißt, man muss hat. Er ist in allen Punkten richtig. Und die Fakten erst einmal selber nichts machen. Das steht dann sprechen eine relativ klare und, gemessen an der schon in einem echten Missverhältnis zu den The- öffentlichen Diskussion, auch eine überraschende men, bei denen man selber etwas machen könnte, Sprache. Wenn in der Unfallstatistik der Polizei und da ist eben das Thema Tempo mit allen Facet- neun Unfallursachen als Hauptursachen für Unfälle ten ein wichtiges Thema. mit Personenschäden aufgezählt werden, dann Ich glaube, dass es richtig ist, von den Tempo- lohnt es sich, diese Unfallursachen genau anzu- 60-Strecken in der Stadt wieder wegzukommen, schauen. An allererster Stelle stehen mit 26 Pro- aber ich glaube nicht, dass das zahlenmäßig ent- zent Fehler beim Einfahren in den fließenden Ver- scheidend ist. Die Forderung ist richtig und des- kehr, an zweiter Stelle mit 16 Prozent ein ungenü- halb unterstützen wir sie, aber wahrscheinlich wür- gender Sicherheitsabstand und an dritter Stelle mit den sich die Effekte aus vielen Gründen nicht mes- knapp 14 Prozent überhöhte Geschwindigkeit. Und sen lassen. Umso wichtiger ist es, auch andere da finde ich es schon legitim, diese drei Unfallursa- Fragen im Blick zu behalten. Warum weiten wir chen auch im Zusammenhang zu betrachten. Ein nicht konsequent die Kontrollen von Geschwindig- zu geringer Sicherheitsabstand heißt ja nichts an- keitsverstößen aus? Das ist eine Maßnahme, die deres, als dass der Autofahrer, der hinten fährt, sich mindestens kostenneutral darstellen lässt. Ein schneller fahren möchte als der, der vor ihm fährt; zweiter Punkt ist ganz klar – das ist positiv genannt der vordere hält sich an die vorgeschriebene Ge- worden – die Ausweitung der Tempo-30-Zonen. schwindigkeit, der andere möchte das aber nicht. Das haben wir in der letzten Wahlperiode betrie- Das heißt, die Raserei drückt sich natürlich auch in ben, es wird weiterbetrieben, das ist gut so. Aber zu geringem Sicherheitsabstand aus. man fragt sich natürlich, warum eigentlich Maßnah- (Beifall bei Antje Möller GAL und der LIN- men, die nicht nur über Kontrollen arbeiten sollen, KEN – Arno Münster SPD: Das ist doch 'ne sondern darüber, dass der Straßenraum eine nied- Unterstellung, mehr ist das doch nicht!) rigere Geschwindigkeit suggeriert, plötzlich nicht mehr fortgeführt werden. Dazu gehören die Pro- Das gilt auch für das Thema Fehler beim Einfahren gramme zu "Shared Space" und Kreisverkehre, in den fließenden Verkehr. Das hat natürlich etwas Maßnahmen, die wirklich sehr gut geeignet sind, damit zu tun, dass der Verkehr, der Vorfahrt hat, dort, wo nicht in einem angemessenen Tempo ge- schneller ist als erlaubt, sodass Kreuzungssituatio- fahren wird, Verkehre zu verlangsamen. nen das Einfädeln nicht mehr ermöglichen, auch wenn der Fehler formal beim einbiegenden Ver- (Vereinzelter Beifall bei der GAL) kehrsteilnehmer liegt. Das Thema Tempo hat des- Die Frage stellt sich, warum das Thema Tempo wegen eine überragende Bedeutung, und ich glau- nicht konsequent angegangen wird. Da hat die be nicht, dass man zu nennenswert hohen Zahlen SPD wirklich mehr zu tun als die Umsetzung der kommt, wenn man die Unfallzahlen aufgrund zu drei Punkte, die in dem Antrag stehen. Die sind geringer Geschwindigkeit getrennt auswertet. Die- richtig, aber läppisch. Deswegen werden wir ihm se Ursache wird sicher nicht zu vielen Unfällen mit auch zustimmen, meinen aber gleichwohl, dass Personenschäden führen. man sich wesentlich weitgehender mit diesen Fra- Deswegen ist es auch interessant, darauf zu gen auseinandersetzen müsste. schauen, was am Ende der neun Ursachen steht. (Beifall bei der GAL) Da steht an achter Stelle mit 4,4 Prozent das Nichtbeachten der Verkehrsregelung durch Licht- zeichen – ich persönlich beobachte häufig im Stra- Präsidentin Carola Veit: Sodann hat Herr Dr. ßenverkehr, dass über rote Ampeln gefahren wird, Schinnenburg das Wort. das ist bei Weitem keine so bedeutende Unfallur- sache, wie ich es angenommen habe – und an Dr. Wieland Schinnenburg FDP: Frau Präsiden- letzter Stelle, gestiegen auf niedrigem Niveau, mit tin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau 3,4 Prozent Alkoholeinfluss. Das muss man sich Sudmann, ich habe Verständnis für Ihren Antrag. vor Augen halten, wenn man sich Gedanken dar- Solange ich Sie hier erlebe – jetzt also seit einem über macht, was man dafür tun kann, damit wir we- Jahr –, habe ich den Eindruck, dass Sie vor allem niger Unfälle haben. ein Ziel haben: In Hamburg soll kein Auto schneller fahren können als Sie mit Ihrem Fahrrad. Nun haben wir einen zuständigen Senator, der zwei Initiativen angekündigt hat, nämlich erstens (Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der einen Einsatz für ein absolutes Alkoholverbot und CDU) zweitens einen Einsatz für regelmäßige ärztliche Das ist subjektiv absolut verständlich. In diese Li- Untersuchungen in allen Altersgruppen. Diese zwei nie passt dann auch der Antrag, also Verständnis 2340 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dr. Wieland Schinnenburg) ja, aber inhaltlich falsch. Es wurde schon gesagt, mits" die richtige Idee wäre. Der Mann könnte von dass überhöhte Geschwindigkeit als Unfallursache der FDP sein, er hat recht, aber Ihr Antrag ist ein Problem ist. Das hat aber nichts mit dem ange- falsch, und darum lehnen wir ihn ab. – Vielen ordneten Tempolimit zu tun, sondern damit, dass Dank. das angeordnete Limit überschritten wurde. (Beifall bei der FDP) Die beste Abhilfe wäre ein besserer Verwaltungs- vollzug. Einige von Ihnen werden die Antwort auf Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Frau Sud- meine Schriftlichen Kleinen Anfragen gelesen ha- mann für zwei Minuten und 48 Sekunden. ben. Die Hälfte aller festen Blitzer steht nicht an Unfallschwerpunkten, sondern da, wo man gut ab- Heike Sudmann DIE LINKE:* Das habe ich Ihnen kassieren kann, nämlich an vier- oder sechsspuri- doch versprochen, ich komme noch mal wieder. gen Straßen. Da ist auch keine Kita in der Nähe, nichts dergleichen. Die Hamburger Blitzer stehen Frau Koeppen, in einem Punkt haben Sie recht: In an der falschen Stelle. Sie gehören dahin, wo Un- unserem Antrag steht ein falsches Zitat. Aber in fallschwerpunkte sind, vor Kitas, Schulen und Se- der Pressemitteilung können Sie lesen, wie es sich niorenheime und nicht dahin, wo der Staat viel kas- mit der um 30 Prozent erhöhten Geschwindigkeit sieren kann. Die Verwaltung setzt – unter dem al- und dem Sicherheitsabstand verhält. Mit der Anfra- ten Senat ebenso wie unter dem neuen – völlig ge Ihrer Kollegin Timmermann haben Sie jedoch falsch an. nicht recht. Frau Timmermann hat bezüglich der acht Straßenabschnitte nachgefragt, bei denen (Beifall bei Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP) von Tempo 50 auf 60 erhöht wurde. In fünf der Wer das Tempolimit als solches angeht, muss, an- acht Straßenabschnitte haben sich die Verkehrs- ders, als Sie es wollen, Frau Sudmann, sehr diffe- unfälle gesteigert, beim Brombeerweg/Alte Land- renziert vorgehen. Für die meisten innerstädti- straße, die Herr Hesse nannte, von 24 auf 34, und, schen Straßen ist es sinnvoll, bei Tempo 50 zu absolute Krönung, bei der Buxtehuder Straße/Cux- bleiben. Es gibt aber auch Straßen – Herr Hesse havener Straße von 504 auf 751. Insofern weiß ich hat das schon ein bisschen ausgeführt –, wo es nicht, was Sie noch untersuchen wollen. ohne weiteres möglich ist, auch Tempo 60 zu fah- Herr Hesse, Sie haben mir den schlimmsten Vor- ren. Umgekehrt gibt es Straßen, wo es sinnvoll ist, wurf gemacht, den man einer Politikerin machen nur Tempo 30 zu erlauben, eben vor Kitas, kann und den Sie allen hier machen können, wir Schulen und Ähnlichem. Eine differenzierte Vorge- würden politisch motivierte Anträge stellen. Was hensweise ist viel besser als eine pauschale, wie denn sonst? Das hat mich echt schockiert. Frau Sudmann das nahelegt. Aber ich will noch einmal auf die Geschwindigkeit (Beifall bei der FDP) zurückkommen, weil Herr Hesse meinte, dass er Eine weitere Bemerkung: Ökologisch und volks- mehr Geschwindigkeit und fließenden Verkehr ha- wirtschaftlich ist flüssiger Verkehr der beste ben möchte. Die meisten Fahrten in Hamburg er- Schutz. Wenn wir endlich anfangen, etwas gegen strecken sich über eine Distanz von 5 bis 10 Kilo- die Staus in Hamburg zu tun, helfen wir der Um- metern, das heißt, wir reden bei einer Geschwin- welt. Denn CO2 wird auch im Stehen ausgestoßen, digkeitsreduzierung über einen Zeitverlust von es bringt aber nur etwas, wenn das Auto fährt. zwei bis fünf Minuten. Das sollte uns Sicherheit wert sein. Ein letzter Hinweis – Frau Sudmann, ich komme auf Sie zurück –: Es ist nicht alles toll, was Karl- (Beifall bei der LINKEN) Theodor zu Guttenberg macht. Er hat abgeschrie- Herr Schinnenburg sprach ebenfalls vom fließen- ben, ohne zu sagen wo. Sie machen den anderen den Verkehr. Die Uni Duisburg hat festgestellt: Je Fehler. Sie zitieren eine Studie von Herrn van weniger Tempo, desto weniger Stau. Eine Tempo- Benthem, aber diese hilft Ihrer Argumentation reduzierung trägt also dazu bei, dass der Verkehr nicht. Wahrscheinlich meinen Sie die Studie vom flüssiger wird. Und Herr Schinnenburg, Sie haben 20. September 2011: "Do We Need Speed Limits Tagesordnungspunkt 4 unseres Antrags nicht ge- on Freeways?" Diese Studie bezieht sich aber lesen, in dem es darum geht, auf den Autobahnab- nicht auf den Stadtverkehr, sondern auf Freeways, schnitten in Hamburg Tempo 100 einzuführen. Die auf Deutsch: Autobahnen. Der Autor untersucht Studie aus Amerika bezog sich auf Tempo 100, die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn man umgerechnet Tempo 120. Insofern macht es Sinn, die amerikanische Geschwindigkeitsbegrenzung und ich habe Herrn van Benthem anders interpre- von 55 Meilen pro Stunde auf 65 erhöht. Das hat tiert als Sie. Vielleicht stimmen Sie jetzt doch zu. mit der Hamburger Situation nun gar nichts zu tun. Nehmen Sie wenigstens eine Studie, die Sie stützt, (Beifall bei der LINKEN) und zitieren Sie nicht falsch. Herr van Benthem scheint gar nicht so blöd zu sein, denn er kommt Präsidentin Carola Veit: Wenn keine weiteren am Ende zu dem Ergebnis, dass "flexible speed li- Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstim- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2341

(Präsidentin Carola Veit) mung, zunächst zum Antrag der Fraktion DIE LIN- Wer möchte der Eingabe folgen, die der Eingaben- KE, Drucksache 20/3756. ausschuss zur Eingabe 632/11 abgegeben hat? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war dann Wer möchte diesen nun annehmen? – Die Gegen- einstimmig. probe. – Enthaltungen? – Dann hat dieser Antrag doch keine Mehrheit gefunden. Schließlich zum Bericht 20/3640, zunächst zu Zif- fer 1. Hierin sind nur einstimmige Empfehlungen Wir kommen zum SPD-Antrag aus Drucksache enthalten. 20/3882. Wer möchte diesen beschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war dann ein- Wer möchte sich diesen anschließen? – Die Ge- stimmig. genprobe. – Enthaltungen? – Dann ist auch das einstimmig so beschlossen. Von den Ziffern 2 bis 10 hat die Bürgerschaft Punkt 5 unserer Tagesordnung, das sind die Be- Kenntnis genommen. richte des Eingabenausschusses.

[Bericht des Eingabenausschusses: Die in der Geschäftsordnung für bestimmte Punkte Eingaben der Tagesordnung vorgesehene – Drs 20/3370 –] Sammelübersicht* [Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben haben Sie erhalten. – Drs 20/3638 –] Ich stelle fest, dass Sie die unter A aufgeführten Drucksachen zur Kenntnis genommen haben. [Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben Wer stimmt den Überweisungsbegehren unter B – Drs 20/3639 –] zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig so geschehen. [Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 20/3640 –] Punkt 22, Drucksache 20/3623, Unterrichtung Ich beginne mit Bericht 20/3370. durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Bürger- schaftliches Ersuchen vom 8. Februar 2012 Wer schließt sich der Empfehlung an, die der Ein- St. Petersburg – Hamburgs Partnerstadt muss gabenausschuss zur Eingabe 72/12 abgegeben Menschenrechte achten. hat? – Die Gegenprobe. –Enthaltungen? – Das war dann mehrheitlich so der Fall. [Unterrichtung durch die Präsidentin der Bür- Wer möchte den Empfehlungen folgen, die der gerschaft: Eingabenausschuss zu den Eingaben 89/12, 90/12 Bürgerschaftliches Ersuchen vom 8. Februar und 98/12 abgegeben hat? – Die Gegenprobe. – 2012 Enthaltungen? – Dann ist auch das mit großer St. Petersburg – Hamburgs Partnerstadt muss Mehrheit so beschlossen. Menschenrechte achten (Drs. 20/3017) – Drs 20/3623 –] Wer möchte sich der Empfehlung anschließen, die der Eingabenausschuss zur Eingabe 572/11 abge- Diese Drucksache möchte die FDP-Fraktion an geben hat? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? den Europaausschuss überweisen. – Das war dann einstimmig. Wer möchte dem zustimmen? – Die Gegenprobe. Zum Bericht 20/3638, zunächst Ziffer 1. Hierin sind – Enthaltungen? – Dann hat das Überweisungsbe- nur einstimmige Empfehlungen enthalten. gehren keine Mehrheit gefunden, und ich stelle Wer möchte diesen folgen? – Gegenprobe. – Ent- fest, dass die Bürgerschaft Kenntnis genommen haltungen? – Das war einstimmig. hat. Von den Ziffern 2 bis 5 hat die Bürgerschaft Kennt- nis genommen. Tagesordnungspunkt 26, Drucksache 20/3747, ge- Weiter zum Bericht 20/3639. Wer schließt sich der meinsamer Bericht des Haushaltsausschusses und Empfehlung an, die der Eingabenausschuss zu der des Umweltausschusses: Gesetz zur Änderung Eingabe 34/12 abgegeben hat? – Gegenprobe. – des Sielabgabengesetzes, Einführung getrennter Enthaltungen? – Das war mehrheitlich so be- schlossen. 2342 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Präsidentin Carola Veit)

Sielbenutzungsgebühren für die Schmutz- und Nie- derschlagswasserbeseitigung. Wir kommen zu Punkt 38, Drucksache 20/3748 in [Bericht des Haushaltsausschusses und des ihrer Neufassung, Antrag der SPD-Fraktion: Haus- Umweltausschusses über die Drucksache 20/ halt 2011/12, Einzelplan 9.2, Titel 9500.971.01 2947: – Verwendung der Mittel aus der Tronc-Abgabe Gesetz zur Änderung des Sielabgabengesetzes des Jahres 2011 und 2012 für einmalige Zwecke. – Einführung getrennter Sielbenutzungsgebüh- ren für die Schmutz- und Niederschlagswasser- [Antrag der SPD-Fraktion: beseitigung (Senatsantrag) Haushalt 2011/12, Einzelplan 9.2, Titel – Drs 20/3747 –] 9500.971.01 – Verwendung der Mittel aus der Tronc-Abgabe des Jahres 2011 und 2012 für Wer möchte der Ausschussempfehlung folgen und einmalige Zwecke das Elfte Gesetz zur Änderung des Sielabgaben- – Drs 20/3748 (Neufassung) –] gesetzes aus Drucksache 20/2947 beschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war Mir ist aus den Reihen der Fraktionen der LINKEN, einstimmig. der GAL sowie der FDP mitgeteilt worden, dass hierzu gemäß Paragraph 26 Absatz 6 unserer Ge- Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat, schäftsordnung das Wort gewünscht wird. Frau Frau Schiedek, einer sofortigen zweiten Lesung Heyenn, Sie haben es für maximal fünf Minuten. zu? (Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- Dora Heyenn DIE LINKE:* Frau Präsidentin, mei- nen.) ne Damen und Herren! Wir haben wieder, wie Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem auch unter der CDU/GAL-Regierung, Probleme mit Hause? – Den sehe ich nicht. der Verwendung der Mittel aus der Tronc-Abgabe. Bei vielen Organisationen befürworten wir, dass Wer will das soeben in erster Lesung beschlosse- sie Geld bekommen, nur verstehen wir nicht, ne Gesetz in zweiter Lesung beschließen? – Die warum diese ausgewählt wurden und andere nicht. Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Ge- Wir verstehen auch nicht, warum mal der Betrag setz auch in zweiter Lesung einstimmig und somit 500 Euro dasteht und mal der Betrag 5900 Euro. endgültig beschlossen worden. Uns fehlen die Kriterien, nach denen ausgewählt wird, dass bestimmte Organisationen bestimmte Summen bekommen, und uns ist das Verfahren Punkt 29, Drucksache 20/3719, Bericht des Ver- entschieden zu intransparent. kehrsausschusses: Gegen Unfalltod und Pflegebe- (Beifall bei der LINKEN) dürftigkeit – Helmpflicht für Minderjährige. Deshalb wenden wir uns nicht gegen den Vor- [Bericht des Verkehrsausschusses über die schlag, an diese bestimmten Organisationen Mittel Drucksache 20/2826: zu vergeben, sondern gegen das Verfahren, dass Gegen Unfalltod und Pflegebedürftigkeit uns auf diese Art und Weise die Regierungspartei- – Helmpflicht für Minderjährige (Antrag der en eine Vorlage machen und wir überhaupt nicht CDU-Fraktion) nachvollziehen können, warum diese Mittel in die- – Drs 20/3719 –] ser Höhe an die jeweiligen Organisationen gehen. Das möchte ich für die LINKE erklären. Wer möchte sich der Empfehlung des Verkehrs- (Beifall bei der LINKEN) ausschusses anschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist dann mehrheitlich so be- Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Frau Haj- schlossen worden. duk.

Anja Hajduk GAL: Frau Präsidentin, liebe Kolle- Punkt 32, Drucksache 20/3664, Antrag der SPD- ginnen und Kollegen! Die Tronc-Abgabe wird Fraktion: Inklusion in Arbeit. schon seit mehreren Jahren in einer besonderen Weise vergeben, das ist nicht neu. Anlässlich des [Antrag der SPD-Fraktion: Antrags der SPD möchte ich aber auch noch ein- Inklusion in Arbeit mal für meine Fraktion erklären, warum wir uns zu – Drs 20/3664 –] diesem Antrag enthalten werden. Wer möchte diesen Antrag annehmen? – Die Ge- Wir möchten uns nicht inhaltlich gegen die Anlie- genprobe. – Enthaltungen? – Das ist dann einstim- gen aussprechen, die die Initiativen haben und wo- mig so beschlossen worden. für das Geld verwendet werden soll, aber uns hat Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2343

(Anja Hajduk) ein bisschen nachdenklich gemacht, dass wir (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der 185 Einzelprojekte haben. Da könnte man auf die CDU) Idee kommen, dass jedes Fraktionsmitglied drei Projekte vorschlagen darf und Dr. Dressel fünf, Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Herr Blä- dann kommt es ungefähr hin. sing, ebenfalls für maximal fünf Minuten. (Heiterkeit bei der SPD – Arno Münster SPD: So stellt sich der kleine Fritz Politik Robert Bläsing FDP: Frau Präsidentin, meine vor!) sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin- nen und Kollegen, ich möchte ins gleiche Horn sto- – Das hat einen ernsten Kern. ßen wie meine beiden Vorrednerinnen, die mir Wenn das so kleinteilig ist und so nah in die Bezir- schon alles aus dem Mund genommen haben, was ke geht, ich dazu sagen wollte. (Arno Münster SPD: Wohin denn sonst?) (Gabi Dobusch SPD: Tschüss!) dann halten wir – und wir wissen, dass wir das in Auch wir sehen das Problem, dass es kein trans- der Koalition mit der CDU nicht durchsetzen konn- parentes Verfahren gibt, und würden uns wün- ten, weil wir uns nicht ganz einig waren – die alte schen, dass es zu einer Änderung kommt. Wir wer- Idee aufrecht, das auf diesem Niveau durch die den demnächst auf die Fraktionen zukommen, in Bezirke verteilen zu lassen. Das finden wir ange- welche Richtung wir arbeiten können. Auch ich hal- messener, te es für denkbar, dass man das vor Ort die Bezir- ke machen lässt. In den Haushaltsausschüssen (Beifall bei der GAL – Arno Münster SPD: gibt es probate Verfahren, Die haben doch auch Sondermittel, oder?) (Karin Timmermann SPD: Bezirkliche Son- besonders vor dem Hintergrund, dass wir in die- dermittel!) sem Sommer vor schwierigen Haushaltsentschei- dungen stehen. Man bekommt sonst das Gefühl, wie man mit Antragsformularen vorgeht und wo dass Trostpflästerchen verteilt werden. dann auch geschaut wird, welche Einrichtung in den letzten Jahren was bekommen hat. (Zuruf von Dietrich Wersich CDU) (Dr. Andreas Dressel SPD: Ich denke, die Ich will keineswegs unterstellen, dass das Ihre Ab- FDP ist für Bürokratieabbau!) sicht ist. Aber 185 Einzelprojekte werden von der Bürgerschaft, da gebe ich Frau Heyenn recht, in ei- – Nein, für Transparenz, Herr Dr. Dressel. nem nichttransparenten Verfahren vergeben. Soll Insofern werden wir uns enthalten. Wir gönnen den das das Selbstverständnis des Hauses bleiben? Einrichtungen das Geld natürlich und freuen uns Wir hatten früher auch ein Verfahren und hatten für sie. Gleichwohl müssen wir gerade vor dem uns als GAL auf etwas größere Projekte konzen- Hintergrund der Sparmaßnahmen, die mehrheitlich triert. im Haus durchaus mit unterschiedlicher Akzentuie- (Wolfgang Rose SPD: Größere Pflaster!) rung für notwendig erachtet werden, zu einer an- deren Verfahrensweise kommen. Ich möchte die SPD-Fraktion – und ich denke nicht so utopisch, dass Sie das aus dem Stand für rich- (Beifall bei der FDP) tig erachten – eindringlich bitten, zum nächsten Jahr ein anderes Verfahren zu wählen und nicht so Präsidentin Carola Veit: Herr Kienscherf. eine kleinteilige Vergabe. Wenn Sie dabei bleiben, dann müssten wir als GAL-Fraktion eine Art offe- (Hans-Detlef Roock CDU: Das täte jetzt aber nes Anmeldeverfahren in der Stadt machen, so- nicht mehr nötig! – Zuruf von Dietrich Wer- dass sich alle, die eine Summe in der Größenord- sich CDU) nung zwischen 500 und 4000 Euro brauchen, bei uns melden können. Wir leiten das dann an Sie Dirk Kienscherf SPD:* – Keine Angst, Herr Wer- weiter und können am Ende sehen, was dabei her- sich. auskommt. Das ist kein gutes Verfahren, das sage Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir ich auch aus praktischer Erfahrung. Die Leute fra- haben eben eine relativ sachliche Diskussion er- gen einen nämlich, wie sie an das Geld für die lebt. Ich will seitens der SPD-Fraktion ein, zwei An- Tronc-Abgabe kommen, und wenn es dann heißt, merkungen machen. melden Sie sich einfach bei der SPD, und wenn Sie Glück haben, bekommen Sie es, dann ist das Frau Hajduk, Sie haben darauf hingewiesen, dass doch eine gutsherrschaftliche Art, die Sie für sich wir im Jahr 1998 alle gemeinsam – Sie waren da- sicherlich nicht in Anspruch nehmen wollen. mals dabei, auch viele aus der CDU und von den – Herzlichen Dank. Sozialdemokraten – diesen Ausgabetitel eingerich- tet haben. Wir haben in den darauffolgenden Jah- ren dann viele Diskussionen erlebt. Die GAL hat 2344 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Dirk Kienscherf) zwischendurch immer wieder die Idee aufgebracht, Präsidentin Carola Veit: Gibt es weitere Wortmel- dass man das vielleicht an die Bezirke geben soll- dungen? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir te. Als Sie dann an den Regierungen beteiligt wa- zur Abstimmung über diesen Antrag. ren, haben Sie es doch anders gemacht. Es wurde Wer ihn annehmen möchte, den bitte ich um das oft diskutiert, wie kleinteilig oder wie groß so etwas Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? sein soll. Wir haben unterschiedliche Diskussionen – Das ist dann mit Mehrheit so beschlossen wor- erlebt. So hat die CDU-Fraktion einmal einen sehr den. kleinteiligen Antrag eingebracht, den wir dann kriti- siert haben. Heute bringen wir selber einen klein- Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat teiligen Antrag ein und ich will kurz begründen, einer sofortigen zweiten Lesung zu? warum das so ist. (Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- (Dietrich Wersich CDU: Kommt jetzt die nen.) Wahrheit? Das würde uns jetzt schon mal in- Das ist der Fall. Gibt es Widerspruch aus dem teressieren, wie der Verteilungsschlüssel bei Hause? – Den sehe ich nicht. der SPD ist!) Wer möchte den soeben in erster Lesung gefas- Seit dem Jahre 2010 sind keine Mittel mehr verge- sten Beschluss auch in zweiter Lesung fassen? ben worden, und jetzt haben sich diverse Organi- – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist sationen an uns gewandt. So war es schon bei an- das ebenfalls mehrheitlich in zweiter Lesung und deren Regierungsfraktionen und auch bei Ihnen, damit endgültig beschlossen worden. Herr Wersich. Wir haben das gesammelt und ent- sprechend bewertet. (Uwe Lohmann SPD: Ich möchte mitteilen, dass ich an der Abstimmung eben nicht teil- (Dietrich Wersich CDU: Was heißt "entspre- genommen habe!) chend bewertet"?) – Ja, das nehmen wir gern noch ins Protokoll auf. – Nun hören Sie doch einfach mal zu, Herr Wer- sich. Mit solch einer kleinteiligen Vergabe werden wir Wir kommen zum letzten Tagesordnungspunkt, dem Ziel gerecht, Drucksache 20/3750, Antrag der GAL-Fraktion: (Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Was waren Kein Kontaktanbahnungsverbot in St. Georg ohne denn Ihre Kriterien?) begleitende Evaluation. nicht nur wenige, sondern möglichst viele Projekte zum Wohle der Menschen in den Stadtteilen zu un- [Antrag der GAL-Fraktion: terstützen. Kein Kontaktanbahnungsverbot in St. Georg ohne begleitende Evaluation (Beifall bei der SPD – Robert Bläsing FDP: – Drs 20/3750 –] Nach dem Gießkannenprinzip!) Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/3881 ein An- Das ist das Ziel, und deswegen haben wir Ihnen trag der SPD-Fraktion vor. das vorgelegt. Herr Wersich, wir haben eben eine relativ sachli- [Antrag der SPD-Fraktion: che Diskussion geführt. Ich kann mich nicht daran Kontaktverbotsverordnung in St. Georg erinnern, dass Sie damals einen Kriterienkatalog – Drs 20/3881 –] vorgelegt haben. Wir haben diese Projekte inner- halb der Fraktion gewertet, so wie alle Regierungs- Die GAL-Fraktion möchte die Drucksache 20/3750 fraktionen vorher auch. Wir können Ihnen versi- federführend an den Justizausschuss und mitbera- chern, dass wir das verantwortungsvoll getan ha- tend an den Innenausschuss überweisen. ben und auch in Zukunft tun werden und dass das Wer stimmt dem Überweisungsbegehren zu? – Die vom Umfang auch etwas weniger sein wird. Wir Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das würden uns freuen, wenn von diesem Haus insge- Überweisungsbegehren abgelehnt. samt ein breites Signal in die Stadt ausgesendet würde, auch diese kleinteiligen Projekte, die für Mir ist mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der den Stadtteil und die Menschen vor Ort wichtig Fraktionen der LINKEN und der GAL das Wort ge- sind, gemeinsam zu unterstützen und zum Wohle mäß Paragraph 26 Absatz 6 begehrt wird. Wer der Stadt tätig zu sein. – Vielen Dank. möchte beginnen? – Frau von Berg, Sie haben das Wort für maximal fünf Minuten. (Beifall bei der SPD)

Dr. Stefanie von Berg GAL:* Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß, es ist schon spät, und wir wollen alle nach Hause. Aber dieser Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2345

(Dr. Stefanie von Berg)

Antrag beziehungsweise der Umgang mit diesem nissen zum Umgang mit Sexarbeit. Ich frage mich Antrag hat noch ein paar Worte verdient. Auch auch, was für ein Freier-Bild die SPD hat. Die be- wenn es um das Kontaktanbahnungsverbot in St. kommen einen blauen Brief nach Hause, dann Georg geht, scheint es nicht besonders sexy zu kloppt die Hausfrau noch mal ordentlich drauf – so sein, mit diesem Thema umzugehen. ähnlich war die Argumentation. Das fanden wir schon mehr als schräg. Das Verhalten der SPD bei diesem Antrag beweist einmal mehr die Arroganz der Macht. "Das alte St. Georg stirbt" titelte gestern eine Ham- burger Boulevardzeitung. Heute ist dazu auch ein (Beifall bei der GAL und bei Jörg Hamann Leserbrief in der "Hamburger Morgenpost" zu se- CDU – Zurufe von der SPD: Oh!) hen. Dies zeigt, wie man das Viertel im Rahmen ei- Wir wollten diesen Antrag überweisen, weil wir nes Gentrifizierungsprozesses verändern will, ob- gern wissen wollten, ob die Verordnung wirkt oder wohl es sich nur schwer verändern lässt und zum nicht. Stattdessen führt die SPD in Windeseile eine Teil auch nicht verändert werden will. Verordnung durch, von der sie nicht weiß, ob sie Zu unserem Abstimmungsverhalten möchte ich er- wirkt, zumindest hat sie das neulich in einer läutern, dass die GAL mit ihrem Antrag quasi das Schriftlichen Kleinen Anfrage beantwortet. Wir da- Kontaktanbahnungsverbot akzeptiert. Das war un- gegen haben mittlerweile ein Fachgespräch ge- ser großes Problem damit. Und wenn die Kollegin führt und wissen aus Dortmund, dass genau die von Berg eben ausführte, dass Studien bereits er- Wirkungen eintreten, die wir befürchten, und zwar geben haben, wie sich ein Kontaktanbahnungsver- für die Schwachen in unserer Gesellschaft bezie- bot auswirkt, frage ich mich, warum in Hamburg ei- hungsweise die Betroffenen, nämlich die Prostitu- ne Evaluation durchgeführt werden soll. Wir for- ierten, die Sexarbeiterinnen in St. Georg. Mit der dern weiterhin, dieses Kontaktanbahnungsverbot Entscheidung gegen eine Evaluation und der Ab- wieder abzuschaffen. lehnung unseres Antrags wird ein Stadtteil alleine gelassen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der GAL – Dirk Kienscherf SPD: Deswegen sagen wir auch Nein zu den Ziffern 2 Das stimmt doch gar nicht!) und 3. Ansonsten stimmen wir dem Vorschlag zu, dass wieder ein Runder Tisch eingeführt werden Dem können wir nicht zustimmen. Es werden buß- soll und dass die Handlungsempfehlungen des geldbewährte Regelungen für Freier unter dem Runden Tisches aus der 19. Wahlperiode berück- Deckmantel der Freierbestrafung eingeführt, und sichtigt werden. Wären sie berücksichtigt worden, für die Sexarbeiterinnen – natürlich gibt es auch hätte es kein Kontaktanbahnungsverbot gegeben Sexarbeiter – wird nichts getan. Einmal mehr frage – also insofern hier eine differenzierte Abstim- ich mich nach dem Umgang mit unserem Antrag, mung. wofür das S in der SPD eigentlich steht. Dann trudelte der SPD-Antrag ein. Mir wäre es (Beifall bei der GAL – Dirk Kienscherf SPD: peinlich, wenn ich so einen Antrag hätte stellen Jetzt geht es langsam wieder los!) müssen, weil Senator Michael Neumann das letzte Woche in St. Georg selbst so gesagt hat. Dass die Präsidentin Carola Veit: Frau Artus hat das Wort. SPD-Fraktion das heute noch einmal zur Abstim- mung stellt und sich ein Senatorenwort noch ein- Kersten Artus DIE LINKE:* Ja, wofür steht das S? mal von der Bürgerschaft bestätigen lassen will, finde ich peinlich. Wir lehnen diesen Antrag daher Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! ab. Am 24. Januar dieses Jahres ist das Kontaktan- bahnungsverbot für St. Georg erlassen worden. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben das damals mit den Worten kritisiert, dass der SPD-Senat ohne vorhergehende politi- Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun Frau sche Debatte quasi im Handstreich damit eine Steppat. neue Eskalation der Repression beschließt. Dieser Auffassung sind wir heute noch. Aus unserer Sicht Sabine Steppat SPD: Frau Präsidentin, meine Da- war es ein unglaublicher Affront gegen das soziale men und Herren! Gemäß einer Verordnung vom Engagement und die Einrichtungen, die sich in Oktober 1980 besteht in St. Georg ein Verbot der St. Georg um die Sexarbeiterinnen kümmern. Am Prostitution. Gemäß dieser Sperrgebietsverord- meisten betrifft es die Frauen. nung ist die Ausübung der Straßenprostitution in (Finn-Ole Ritter FDP: Soziale Kälte!) St. Georg verboten. Dennoch wurde weiterhin der Prostitution nachgegangen, was erhebliche Beein- – Herr Ritter, Sie können gleich auch noch einen trächtigungen für den Stadtteil und für das Leben Fünfminutenbeitrag halten, ich freue mich darauf. der Bewohnerinnen in St. Georg mit sich gebracht Die SPD befindet sich in diesem Zusammenhang hat. Die Polizei konnte trotz zahlreicher Maßnah- in einem kompletten Widerspruch zu allen Erkennt- men wie Platzverweisen oder der Verhängung von 2346 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

(Sabine Steppat)

Bußgeldern die Prostitution nicht nachhaltig ein- Antje Möller GAL:* Frau Präsidentin, meine Da- dämmen. Aufgrund der Rechtslage konnte die Poli- men und Herren! Wir hören mal wieder zu später zei lediglich gegen die Prostituierten vorgehen. Stunde interessante, spontan abgelesene Beiträge Das hat dazu geführt, dass die Frauen finanziell vonseiten der SPD. durch die Bußgelder belastet wurden, ihnen die (Beifall bei der GAL und der CDU) Mittel aber häufig fehlten. Daraufhin wurde im Ja- nuar 2012 die Verordnung über das Verbot der – Die Männer klatschen. Kontaktaufnahme zu Personen zur Vereinbarung Das Thema ist hochpolitisch. Die Frage ist, warum entgeltlicher sexueller Dienstleistungen im Sperr- eine Sperrgebietsverordnung, die es im Übrigen gebiet beschlossen. Bei einem Verstoß gegen die- nicht erst seit Anfang der Achtzigerjahre gibt, son- se neue Verordnung können die Freier mit einer dern deren erste Fassung aus den Sechzigerjah- Geldbuße von bis zu 5000 Euro belegt werden. ren stammt, in einem Quartier nicht umgesetzt Bisher wurden nur die Frauen belastet. Diese Ver- wird, das in seiner Bevölkerungsentwicklung und ordnung richtet sich ausdrücklich gegen jene Män- wirtschaftlichen Situation virulent ist und einen ner, die die schwierige Situation der betroffenen wichtigen kulturellen und sozialen Stand-, aber Frauen ausnutzen. Daher ist sie aus Sicht der auch Brennpunkt dieser Stadt darstellt. Das ist die Frauenpolitik ein Schritt in die richtige Richtung. politische Frage daran. Wenn jetzt in einigen Re- (Beifall bei der SPD) debeiträgen so getan wird, als ob wir über Ord- nungswidrigkeiten wie das Laufenlassen von Hun- Seit Inkrafttreten der Verordnung sind die Be- den ohne Leine oder Ähnliches sprechen, dann ist schwerden der Anwohnerinnen zurückgegangen das ein völliges Missverständnis gegenüber dem und positive Rückmeldungen zu verzeichnen. Auch politischen Thema, was wir eigentlich diskutieren aus anderen Städten, die vergleichbare Verord- sollten. nungen erlassen haben – Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Düsseldorf, Frankfurt und so weiter –, (Beifall bei der GAL und der LINKEN) hat es bereits Rückmeldungen gegeben, dass sol- Die Redebeiträge – es tut mir leid, dass Sie nun che Verordnungen Erfolg zeigen. Vor diesem Hin- benannt worden sind, zu diesem Thema zu spre- tergrund ist die Forderung aus dem GAL-Antrag, chen – die Verordnung künftig bis zu einer Evaluations- phase ohne Bußgeldverhängung anzuwenden, (Dr. Andreas Dressel SPD: Sie ist unsere nicht zielführend, zumal es bereits erste Erfolge bei gleichstellungspolitische Sprecherin!) der Bußgeldverhängung gegeben hat. Außerdem haben keinen inhaltlichen Ansatz, der sich mit dem ist es fraglich, ob zur Überprüfung einer Wirksam- Thema Prostitution befasst sowie der Tatsache, keit der Verordnung tatsächlich eine wissenschaft- dass Prostitution legal ist und dass wir über ein liche Evaluation nötig ist, zumal die Verordnung Gebiet sprechen, das durch eine Virulenz der Ent- nun schon seit drei Monaten in Kraft ist. Wir halten wicklung geprägt ist. Mitnichten hat sich über lange es hingegen für sinnvoll, dass der Senat der Bür- Zeit ein Problem entwickelt, sondern wir haben gerschaft bis Ende März 2013 einen Bericht vor- plötzlich auch in St. Georg eine Gentrifizierung, die legt, in dem über die Erfahrungen und die prakti- zu einer anderen Klientel an Anwohnern führt. sche Durchführung der Verordnung berichtet wird. Dabei sollten die im GAL-Antrag unter 3a bis c ge- Der zukünftige Vertreter des Bezirks ist nicht mehr nannten Gesichtspunkte berücksichtigt werden, al- sichtbar. Doch, dort hinten, Herr Grote, vielleicht so erstens, inwieweit sich die Verordnung auf die sagen Sie noch einmal etwas dazu. Lebensqualität der Anwohnerinnen St. Georgs (Beifall bei der GAL und der FDP) ausgewirkt hat, zweitens, wie sich die Situation der Sexarbeiterinnen verändert hat und drittens, wie Ein Konzept muss entwickelt werden, und man sich das Verhalten der Freier verändert hat. Im sollte nicht mit Ordnungswidrigkeiten und Bußgel- Herbst 2011 hat in der Gesundheitsbehörde be- dern eine Situation zu verändern versuchen, von reits ein Gespräch stattgefunden mit dem Ergeb- der viele in dieser Stadt profitieren. Es handelt sich nis, dass ein Runder Tisch in St. Georg eingerich- nicht um eine Schutzfunktion gegenüber den Frau- tet werden soll. Wenn dieser etabliert wird, dann en, das ist ein großes Missverständnis. Dieses sollte er sinnvollerweise durch den Bezirk Ham- Kontaktanbahnungsverbot gilt für beide Seiten, die burg-Mitte eingerichtet werden. Daher, meine Da- Frau wird genauso belangt wie der Freier. Und tat- men und Herren, freue ich mich, dass unser SPD- sächlich wird immer noch zunehmend den Frauen Zusatzantrag soeben die Mehrheit gefunden hat. die finanzielle Last auferlegt. Ich sehe an der Stelle überhaupt keinen stadtplanerischen Ansatz, ich (Beifall bei der SPD) sehe keinen Ansatz, der die Situation in diesem Quartier tatsächlich verändern wird. Ich sehe ledig- Präsidentin Carola Veit: Frau Möller, Sie haben lich, dass der SPD im Bezirk Hamburg-Mitte, aber das Wort. auch in diesem Haus nichts anderes einfällt, als mit Ordnungswidrigkeit und Bußgeld ein Thema Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2347

(Antje Möller) anzugehen, das die Stadt in der Breite beeinflusst Präsidentin Carola Veit: Meine Damen und Her- und das im Übrigen in Berlin ganz wunderbar mit- ren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist hilfe eines Gutachtens einer Lösung zugeführt nicht der Fall. Dann wollen wir jetzt abstimmen. wird. Das stünde uns auch gut an. Zunächst zum Antrag der GAL-Fraktion, Drucksa- (Beifall bei der GAL, der LINKEN und bei che 20/3750. Die Fraktionen der CDU und der LIN- Robert Heinemann CDU) KEN haben eine ziffernweise Abstimmung bean- tragt. Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat Herr Wer möchte Ziffer 1 des GAL-Antrags seine Zu- Schmidt. stimmung geben? – Die Gegenprobe. – Enthaltun- gen? – Damit ist Ziffer 1 abgelehnt. Hansjörg Schmidt SPD:* Frau Präsidentin, meine Wer möchte Ziffer 2 annehmen? – Die Gegenpro- sehr geehrten Damen und Herren! Frau Möller hat be. – Enthaltungen? – Damit hat auch Ziffer 2 kei- den Bezirk Hamburg-Mitte eben noch einmal ange- ne Mehrheit gefunden. sprochen und ich will nur ein paar Bemerkungen dazu machen, auch wenn es spät ist. Im Bezirk Wer schließt sich Ziffer 3 an? – Gegenprobe. steht die Diskussion um die Probleme der Prostitu- – Enthaltungen? – Auch die Ziffer 3 ist damit abge- tion in St. Georg seit Jahren auf der Tagesord- lehnt. nung; diese Diskussion ist nicht erst seit Februar Wer möchte Ziffer 4 zustimmen? – Gegenprobe. vergangenen Jahres entstanden. Alle Maßnah- – Enthaltungen? – Das ist ebenfalls abgelehnt. men, über die wir in den letzten Jahren geredet ha- ben, und auch diese Maßnahme, über die wir jetzt Und wer nimmt Ziffer 5 an? – Gegenprobe. – Ent- reden, hat die GAL im Bezirk mit angestoßen. Wir haltungen? – Dann ist auch Ziffer 5 und damit der haben gemeinsam Prüfaufträge abgestimmt, wir Antrag insgesamt abgelehnt. haben am Runden Tisch mit allen diskutiert, wir Nun zum Antrag der SPD-Fraktion aus Drucksache haben gemeinsam mit dem Bürgerverein, dem Bei- 20/3881. rat und der Anwohnerinitiative, die sich gegründet hat, ganz viele Diskussionen geführt. Dabei waren Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? alle im Bezirk der Meinung, dass hier etwas pas- – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist sieren und dass man handeln muss. Da können dieser Antrag beschlossen worden. Sie jetzt nicht sagen, das ist alles ganz böse, denn Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend. das sind Dinge, die wir gemeinsam, auch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen von der GAL im Bezirk, Ende: 22.35 Uhr angestoßen haben. Insofern finde ich diese Diskre- ditierung total unangebracht. (Beifall bei der SPD)

Hinweis: Die mit * gekennzeichneten Redebeiträge wurden in der von der Rednerin beziehungsweise vom Redner nicht korrigierten Fassung aufgenommen.

In dieser Sitzung waren nicht anwesend: die Abgeordneten Ralf Niedmers, Olaf Ohlsen, Cansu Özdemir und Mehmet Yildiz 2348 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

Anlage 1 (siehe Seite 2293)

Namentliche Abstimmung über Ziffer 2 des Senatsantrags: Beteiligung der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme Drucksache 20/2949

Name Abstimmungsergebnis Kazim Abaci Ja Christoph Ahlhaus Nein Matthias Albrecht Ja Peri Arndt Ja Kersten Artus Nein Jan Balcke Ja Ksenija Bekeris Ja Dr. Stefanie von Berg Nein Robert Bläsing Nein Christiane Blömeke Nein Ole Thorben Buschhüter Ja Matthias Czech Ja Phyliss Demirel Nein Gabi Dobusch Ja Anja Domres Ja Dr. Andreas Dressel Ja Barbara Duden Ja Olaf Duge Nein Dr. Kurt Duwe Nein Gunnar Eisold Ja Katharina Fegebank Nein Jan-Hinrich Fock Ja Dr. Friederike Föcking Nein Dennis Gladiator Nein Christa Goetsch Nein Tim Golke Nein Daniel Gritz Ja Andy Grote Ja Dr. Eva Gümbel Nein Birte Gutzki-Heitmann Ja Norbert Hackbusch Nein Anja Hajduk Nein Ja Jörg Hamann Nein Ulrike Hanneken-Deckert Ja Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2349

Name Abstimmungsergebnis Nikolaus Haufler Nein Heiko Hecht Nein Robert Heinemann Nein Roland Heintze Nein Klaus-Peter Hesse Nein Dora Heyenn Nein Lars Holster Ja Regina-Elisabeth Jäck Ja Carl-Edgar Jarchow Nein Hildegard Jürgens Ja Martina Kaesbach Nein Annkathrin Kammeyer Ja Gert Kekstadt Ja Jens Kerstan Nein Dirk Kienscherf Ja Thilo Kleibauer Nein Dr. Thomas-Sönke Kluth Nein Martina Koeppen Ja Thomas Kreuzmann Nein Annegret Krischok Ja Philipp-Sebastian Kühn Ja Gerhard Lein Ja Dr. Melanie Leonhard Ja Uwe Lohmann Ja Dorothee Martin Ja Antje Möller Nein Doris Müller Ja Farid Müller Nein Arno Münster Ja Barbara Nitruch Ja Dr. Christel Oldenburg Ja Dr. Mathias Petersen Ja Lars Pochnicht Ja Karin Prien Nein Jan Quast Ja Erck Rickmers Ja Finn-Ole Ritter Nein Hans-Detlef Roock Nein Wolfgang Rose Ja Andrea Rugbarth Ja Dr. Monika Schaal Ja Dr. Martin Schäfer Ja 2350 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

Name Abstimmungsergebnis Dr. Walter Scheuerl Nein Dr. Wieland Schinnenburg Nein Frank Schira Nein Hansjörg Schmidt Ja Frank Schmitt Ja Heidrun Schmitt Nein Christiane Schneider Nein Brigitta Schulz Ja Sören Schumacher Ja Jens-Peter Schwieger Ja Ali Simsek Ja Viviane Spethmann Nein Dr. Till Steffen Nein Olaf Steinbiß Ja Hjalmar Stemmann Nein Sabine Steppat Ja Birgit Stöver Nein Katja Suding Nein Heike Sudmann Nein Urs Tabbert Ja Dennis Thering Nein Carola Thimm Ja Juliane Timmermann Ja Karin Timmermann Ja Dr. Anjes Tjarks Nein Dr. Sven Tode Ja André Trepoll Nein Anna-Elisabeth von Treuenfels Nein Carola Veit Ja Isabella Vértes-Schütter Ja Silke Vogt-Deppe Ja Kai Voet van Vormizeele Nein Christoph de Vries Nein Andreas C. Wankum Nein Karl-Heinz Warnholz Nein Dietrich Wersich Nein Frank Wiesner Ja Katharina Wolff Nein Sylvia Wowretzko Ja Ekkehard Wysocki Ja Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012 2351

Anlage 2 Sammelübersicht gemäß § 26 Absatz 5 GO für die Sitzung der Bürgerschaft am 18. April 2012

A. Kenntnisnahmen

TOP Drs- Gegenstand Nr.

7 3007 Interessenbekundungsverfahren und Ausschreibungen im Arbeitsmarktbereich

16 3588 Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 18. Mai 2011 „Hamburg muss vorangehen: endlich Kinderrechte in das Grundgesetz aufnehmen!“ (Drucksache 20/420)

17 3589 Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 28. September 2011 „Faire Arbeitsbedingungen am Flughafen – keine weitere Liberalisie- rung der EU-Bodenabfertigungsrichtlinie“ (Drucksache 20/1590)

20 3605 Bürgerschaftliches Ersuchen vom 9. Februar 2012 Europäisches Städtenetzwerk für Sport und Bewegung – „Cities for Sports“ (Drs.: 20/3015)

21 3606 Bürgerschaftliches Ersuchen vom 23. November 2011 Hamburg 2020: Innovationshauptstadt für Europa – Sicherung von Fachkräften durch Stär- kung der Qualifizierung (Drs.: 20/2180)

23 3578 Bericht des Gesundheitsausschusses

24 3701 Bericht des Haushaltsausschusses

27 3710 Bericht des Schulausschusses

28 3711 Gemeinsamer Bericht des Familien-, Kinder- und Jugendausschusses und des Schulaus- schusses

30 3718 Bericht der Härtefallkommission

B. Einvernehmliche Ausschussüberweisungen

TOP Drs- Gegenstand auf An- Überweisung an Nr. trag der

10 3361 Kultur und kulturelle Infrastruktur in Harburg DIE Kulturausschuss LINKE

13 3499 Hochwasserschutz in Hamburg FDP Umweltausschuss (f.) und Innenaus- schuss

14 3587 Entwurf eines Gesetzes über die Festsetzung der Hebesätze SPD Haushaltsaus- für die Realsteuern für das Kalenderjahr 2012 schuss

15 3586 Zuleitung des Senats von Vorschlägen der Bezirksversamm- SPD Verfassungs- und lungen für eine Wahlkreiseinteilung zu den Bezirksversamm- Bezirksausschuss lungswahlen nach § 3 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes über die Wahl zu den Bezirksversammlungen 2352 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 30. Sitzung am 18. April 2012

TOP Drs- Gegenstand auf An- Überweisung an Nr. trag der

18 3590 Verlegung der B 4/75 „Wilhelmsburger Reichsstraße“ CDU, Verkehrsaus- 1. Bericht an die Bürgerschaft zur Verkehrsführung während FDP schuss der Internationalen Gartenschau im Jahr 2013 – Darstellung und DIE der erforderlichen Maßnahmen LINKE 2. Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürger- schaft vom 7. Februar 2012 „Verkehrskonzept zur internatio- nalen gartenschau 2013“ – Drucksache 20/3152 (Antrag zu Drucksache 20/2988)

19 3570 23. Tätigkeitsbericht Datenschutz des Hamburgischen Beauf- SPD Ausschuss für tragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) Justiz, Daten- schutz und Gleich- stellung

33 3689 Notrufsystem für gehörlose Bürgerinnen und Bürger in Ham- CDU Ausschuss für burg ausbauen Soziales, Arbeit und Integration

35 3740 Kürzungen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit zurück- FDP Familien-, Kinder- Neuf. nehmen und Jugendaus- schuss

41 3751 Endlich Schluss mit der Ungleichbehandlung! Hamburg un- SPD Ausschuss für terstützt gemeinsame steuerliche Veranlagung von Eingetra- Justiz, Daten- genen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern und sichert schutz und Gleich- die Ansprüche der Paare bis zur höchstrichterlichen Ent- stellung scheidung

42 3752 Aufarbeitung des "kolonialen Erbes" – Neustart in der Erinne- SPD Kulturausschuss rungskultur unter Einbeziehung der Partnerschaft mit Dares- salam

43 3753 Mehr Transparenz bei Baumfällungen: Online-Baumkataster GAL Umweltausschuss einrichten

45 3755 Sprachförderung ist notwendig! DIE Familien-, Kinder- LINKE und Jugendaus- schuss