as Berge D Eine l rund l e S ac he

Wie ein gewaltiger Faustkeil ragt die „La Vecchia“ über der Gianetti-Hütte auf. Rechts davon die Punta Torelli

Die hochalpine Nord-Süd- as westlich sich ans Oberengadin anschließende Ber- gell (italienisch „Val Bregaglia“) ist ein Tal der Über- Umrundung in Eis und Fels, gänge. Vom Malojapass fällt es in drei Geländestufen bis nach Chiavenna, vom Eis des Nordens zur südlich Foto: Rudi Lindner Foto: vom Val Bregaglia zum Val Dmilden Landschaft des Comer Sees, von der rätoroma- di Mello, bietet Gelegenheit, nischen Welt des Engadin zum lombardischen Kulturraum Oberitaliens. die wilde Urlandschaft zwi- Durch seine Lage zwischen Schweiz und Italien, seine Abgeschiedenheit von berühmten Fremdenverkehrsorten schen und lag das Bergell lange Jahrzehnte weltvergessen in einem unbeachteten Winkel, vernachlässigt von der viel beschäf- Piz Badile von zwei Seiten tigten Bergführergilde der Bernina, dem touristischen Zen- kennen zu lernen. trum des Oberengadin. Bergell – alpinhistorisch e Von Rainer Amstädter So wurden die Bergeller Berge zum Ziel eines Bergführers aus dem Graubündner Flextal: Christian Klucker gelangen von 1882 bis in die 1920er Jahre die bedeutendsten Ber-

32 DAV Panorama 5/2006 Bergell Unterwegs as Berge D Eine l rund l e S ac he

geller Erstbegehungen. Sogar an der Nordkante des Piz Ba- dile versuchte Klucker eine Erstbesteigung, die dann 1923 seinem Kollegen Walter Risch gelang. Mit dieser Maßstab gebenden Besteigung war der Ansturm auf die steilen Kan- ten und Wände der Scioragruppe, die riesigen Nordpfeiler des Cengalo und die Nordostwand des Piz Badile eröffnet. In den 1950er Jahren machten dann die beliebten Bergbü- cher des Münchners Walter Pause die Genussklettereien des Bondascatales zu Modetouren. Zumindest bei deutschsprachigen Bergsteigern weniger bekannt war jedoch lange Zeit der südliche, italienische Teil des Bergell. Aus dem mediterranen Valtellina steigt steil das Val Masino auf, und seine verzweigten Seitentäler wie das Val di Mello reichen direkt bis an den Südabsturz der Bergeller Berge. Hier fehlt, im Gegensatz zur Nordseite, das Eis weitgehend, es dominiert heller, oft gelbroter Granit. Der Charakter der Südseite ist heiter und sonnig, doch im Hochsommer sind die Berge über dem Val Masino bisweilen

DAV Panorama 5/2006 33 Landschaft und Wetter spielen mit den Kontrasten Fotos: Georg Hohenester (2), Hohenester Georg Rudi Lindner Fotos:

bünden rau SchweizBergellG St. Moritz

heftigen Wetterumschwüngen Malojapass ausgeliefert, wenn die feucht- ‡ Fornohütte warmen Luftmassen des Bergell nahen Comer Sees über den Italien Vom Malojapass geht es in vier Bergen der Region kondensieren und zu energiegeladenen beschaulichen Stunden leicht ansteigend zur Fornohütte. Gewitterstürmen führen. Auch deshalb gilt der September Der markierte Weg führt am Taleingang durch schönen Ar- als der beste Monat zum Bergwandern, für die klassischen venwald zum viel besuchten Cavlocsee und zur gleichna- Hochgipfel und die Sportkletterrouten des Val di Mello. migen Alp, an der noch mal gejausnet werden kann. Dann In den letzten Jahren erlangte auch bei den deutschspra- wandert man allmählich aus dem üppigen Grün in die chigen Alpinisten der „Sentiero Roma“ seinen berechtigten grauweiße Hochgebirgswelt des Fornokessels. Nach drei Ruf als Juwel hinter den sieben Bergen, die schönste hochal- Stunden knirscht schon das Eis des aperen Fornogletschers pine Wanderung auf der Südseite. Sie führt entlang der ein- unter den Schuhen. Stangenmarkierungen führen zum neu- zelnen Hochtäler unterhalb der Bergeller Granitriesen in wei- en Hüttenzugang, der infolge des massiven Gletscherrück- tem Halbkreis über Almwiesen, Schneefelder und Hochpässe gangs nötig wurde. und braucht ebenso wie die Bergtouren auf der Nordseite Bereits hier lernen wir die Wucht der berüchtigten Ber- festes Schuhwerk, Pickel und Steigeisen. Wie so oft im Leben gell-Gewitter kennen, mitten auf dem aperen Gletscher erschließt sich auch hier im Bergell der bergsteigerische Ge- knallt und donnert um uns die elektrische Hochspannung nuss aus dem Erleben der Gegensätze, die hier vorgestellte des Sommernachmittags. Heilfroh, ihr nur ziemlich durch- Runde wechselt nach der Durchquerung des Nordbergell auf nässt entkommen zu sein, steigen wir auf einer spektaku- die Südseite des Massivs, zuletzt kann zwischen der Rück- lären Galerie über die Hüttenfelsen zur Fornohütte, einem kehr zum Ausgangspunkt am Malojapass oder dem Abstieg gut ausgebauten Ausbildungszentrum des Schweizer Al- ins mediterrane Valtellina gewählt werden... penklubs (SAC).

34 DAV Panorama 5/2006 Landschaft und Wetter spielen mit den Kontrasten Bergell Unterwegs

die Cima di Rosso führt. Aus dem Gletscherbecken zwi- schen der Rosso und dem südlichen Monte Sissone leitet der zeitweise stark zerklüftete Gletscher über die SW-Flanke zum unschwierigen Gipfelgrat der Cima (I). Atemberaubend der Blick vom Gipfel hinunter in die eisgepanzerte Nord- wand, durch die zuerst der berühmte Klucker einen Weg fand. 1930 legte dann der italienische Graf Aldo Bonacossa seinen kühnen Eisweg durch die direkte Nordwand. Spannend wird auch der Abstieg über die im Tagesver- lauf immer weicher werdenden Spaltenbrücken des For- nogletschers hinunter. Ruhig schaut uns dabei der Monte Sissone zu, der schöne Aussichtsberg in der Südostecke des hintersten Fornotals, über den sich die Bergeller Runde zu- rück zum Malojapass wieder schließen wird. Holprig geht die Wanderung über den aperen Fornogletscher zurück zur Fornohütte, die uns wiederum mit einem lukullischen Abendmenü belohnt.

Am dritten Tag bringen wir im an- Fornohütte ‡ Passo di Cantone (3250 m) genehm kühlen Morgengrauen ‡ Albignahütte den lästigen Fornogletscher hinter uns. Im innersten Becken wenden wir uns nach Westen und suchen unseren Weg durch den zerrissenen Fornogletscher gegen den Cantunpass immer steiler ansteigend, während hinter uns die drei prächtigen Gipfelgrate der Punta Rasica versinken. Die Cima di Cas- tello dagegen bleibt auch noch vom Cantunpass aus ein Eindruck gebietendes Bollwerk, das selbst auf dem leichtes- ten Anstieg vom Fornotal aus den zweiten Schwierigkeits- grad verlangt. Unter ihrer Ostwand und den nördlich anschließenden Gratfelsen erreichen wir bei guten Firnver- hältnissen über die steile Gratflanke den Passo del Cantone Vom Albigna-Stausee führt der Übergang über den Cacciabel- (3,5-4 Std.). lapass zur Sciora-Hütte (l.) unter der Nordflanke des faszinie- Beschaulich lassen wir uns zur Mittagsrast nieder und renden Cengalo. Weiter östlich überragen Torrone-Kette und genießen das Panorama des zweiten großen Bergell-Seiten- Monte Sissone den Fornogletscher (o.). tales, des Albigna. 1998 nahm der Schweizer Bundesrat das Die Albignahütte liegt im Herzen eines interessanten Kletter- Val da l’ Albigna in das Bundesinventar der geschützten gebiets. Der Zustieg verkürzt sich durch die Seilbahn auf eine Landschaften der Schweiz auf. Am Talausgang blinkt ver- knappe Stunde. lockend der Albigna-Stausee, die Albignahütte ist in einer guten halben Stunde von der Seilbahnstation bei der Stau- mauer erreichbar. Im Talschluss pfeilen markante Granit- grate hinauf zu den Gipfeln der Zocca- und Ferri-Gruppe, Das Fornotal ist das längste der die westliche Talumrahmung dominiert die Sciora-Gruppe Fornohütte ‡ Cima di Rosso (3366 m) drei nördlichen Bergell-Hochtäler. mit der riesigen Orgelpfeife des Ago di Sciora, der aller- ‡ Fornohütte Im Süden wird es von der vielgip- schönsten der Granitnadeln des Bergell. Zu Füßen all die- feligen Torrone-Gruppe abge- ser Stein gewordenen Flammen liegt deren abgeworfener schlossen. In der Mitte des Tales steht die Cima di Castello, Ballast, über dessen endlos scheinende Blockhalden wir schon der Name sagt es, wie eine Burg in der Mitte von den Weg zur Albignahütte abwärts suchen und dank vieler nach beiden Seiten wegführenden Bergketten. In die nörd- Steinmänner auch finden (2,5-3 Std.). Die Hütte verdankt liche liegt der Passo del Cantone eingebettet, der uns mor- ihre Beliebtheit und damit verbundene Überfüllung den gen ins Albignatal bringen wird. zahlreichen Sportklettereien in Hüttennähe, schnell erreich- Heute geht es über den endlos langen und blanken For- bar wie etwa der Biopfeiler und der Spazzacaldeira-Grat. nogletscher ins hinterste Fornobecken, von wo unsere Ak- Eine gemütlichere Tagesvariante führt von der For- klimatisationstour auf den schönsten Gipfel des Fornotales, nohütte über den südlichen Casnilpass (2941 m) ebenfalls

DAV Panorama 5/2006 35 Hochalpine Rundtour für Bergerfahrene Fotos: Rainer Amstädter (2), Rainer Amstädter Rudi Lindner (2) Fotos:

:info: Die Bergell-Runde

Anreise ge zur Forno- und Albignahütte, 1:50.000, henmeter, 3,5-4 Std., Hüttenaufstieg mit Aus Österreich und Bayern durch das Inn- 278 Monte Disgrazia. flachem Gletscher, markiert, auf dem Glet- tal über Innsbruck-Landeck-Finstermünz- scher weglos. Fornohütte (SAC), 102 Schlaf- St. Moritz zum Malojapass. Vom Rheintal Routencharakter plätze, Tel./Reservierung: 0041/(0)81/824 31 82. Auf den Schweizer Hütten ist gene- aus über den Splügenpass nach Chiavenna Für die Gletscheretappen Seil erforder- rell Reservierung empfehlenswert. und durch das Val Bregaglia zum Maloja- lich. Wer statt dem Cantonepass über den pass. Casnilpass, statt dem Bondopass über den 2. Von Forno nach Albigna, anspruchsvolle Trubinasca- und den Porcellizzopass geht hochalpine Gletschertour, weglos, spal- Beste Zeit und vom Passo Cameraccio zum Rifugio tenreicher Gletscher. Fornohütte-Passo di Juli bis September (je nach Schneelage). Ponti und ins Valtellina absteigt, kann auf Cantone (3250 m), 750 Hm, 3,5-4 Std.; Im Hochsommer hohe Gewitterneigung. das Seil verzichten. Wegen des hochalpinen Passo di Cantone-Albignahütte (2336 m), Charakters erfordern jedoch alle Touren 2,5-3 Std. Albignahütte (SAC), 96 Plätze, Führer entsprechende Ausrüstung, solide alpine Tel.: 0041/(0)81/822 14 05. Alternativetap- Gebietsführer Bergell von Paul Nigg, Berg- Erfahrung, sicheren Umgang mit Steigei- pe: Von der Fornohütte über den sanften verlag Rother, München. SAC-Clubführer sen/Pickel und für das weglose Gelände südlichen Casnilpass (2941 m), 440 Hm, Bündner Alpen Bd. IV, umfassend mit zahl- am Gletscher entsprechende Fähigkeit bei teilweise weglos, markiert, Abstieg zur Al- reichen Fotos und Toposkizzen. der Routenfindung. bignahütte, insgesamt 6-7 Std. 3. Zu den Bergriesen von Bondasca, alpin- Karten Tourenverlauf technisch anspruchsvoll, teilweise weglos, Schweizer Landeskarte 1:25.000, 1296 1. In den Fornokessel, Malojapass (1815 m), markiert. Albignahütte-Pass Cacciabella Sciora, 1276 Val Bregaglia zeigt die Anstie- bis Fornohütte (2574 m) knapp 800 Hö- Süd (2897 m), 740 Hm, 3 Std.; Cacciabella-

36 DAV Panorama 5/2006 Bergell Unterwegs

Durch dichten Wald führt der Aufstieg zur Sciora-Hütte, pass ab. Im Lauf des Sommers kann die Randkluft auf der die einen atemberaubenden Blick auf große Ziele wie Sciora Nordseite des Passes unpassierbar werden – Auskunft über di Fuori, Punta Pioda, die schlanke Ago di Sciora und ganz den aktuellen Zustand kann wohl am besten der Sciora- rechts im Bild Sciora di Dentro bietet. Ganz markant zeigt Hüttenwirt geben. sich die berühmte Fuorikante (VII oder VI, A0), die bereits Bereits am Vortag sollte der Zustieg zum Bondasca- einige große Felsstürze zu verzeichnen hatte. Darunter Ein- gletscher erkundet werden. So lässt sich auch im Dunkel drücke von der Etappe unterm Monte Sissone. des nächsten Morgens der Durchstieg über die Gras- und Schutthänge finden, die zur östlichen Seitenmoräne des Gletschers führen. Auf ihr steil hinauf bis auf etwa 2340 Meter, dann zum Gletscher traversieren. Weiter steigen wir zur Albignahütte (6-7 Std.). Vom Pass aus kann der südlich dem Westfuß der Sciorafelsen entlang über den teils stark gelegene namenlose Dreitausender (P. 3034) lohnenderwei- zerklüfteten Gletscher, noch sind die Spaltenbrücken hart se mitgenommen werden. gefroren von der Kälte der Sternennacht. Durch das Spal- tengewirr des Gletschers erreichen wir die felsige Passlücke Diese alpintechnisch anspruchs- dort, wo der zackige Felsgrat zwischen der Cima del Pas- Albignahütte ‡ Pass Cacciabella Süd (2897 volle Etappe fordert den hoch- so di Bondo und dem Pizzo Ferro Occidentale (P. 3267.2) m) ‡ Sciorahütte alpinen Wanderer, setzt gute am tiefsten zum Gletscher herabreicht. Ist der heikle Schritt Moral und Trittsicherheit auf über die Randkluft an den Fels gelungen, führt eine steile, steilen Schneefeldern, Graspassagen und abschüssigen Bän- aber gutgriffige Wandstufe (I) in die markante Scharte (4 dern voraus. Von der Hütte geht’s zuerst einmal abwärts Std.). Auf der Südseite des Passes steht die Biwakschachtel zum Albignasee. Wir überqueren die Staumauer, im mor- Ronconi. Von der Passhöhe lässt es sich etwas ausgesetzt genglatten See spiegelt sich der Panoramablick dunkler über leichte Felsbänder und Platten zum südseitigen Glet- Granitmassive und blinkender Firnkuppen. Die 700 Hö- scher absteigen. Vom Gletscher weg halten wir uns nach henmeter Aufstieg zum Cacciabella führen über saftige Westen zum Fuß des markanten SW-Grates, der aus dem Grashänge bis in die große Geröllhalde unter dem Pass. Zu- Val Porcellizzo empor zum Doppelgipfel der Pizzi Gemelli letzt wird über steile Rasenbänder und Stufen der Passein- zieht. Durch ein Moränentälchen absteigend sehen wir be- schnitt erreicht (3 Std.). Atemberaubend ist der Blick in den reits den Sentiero Roma, der uns nach zwei Kilometern zum Bondascakessel, der sich hier urplötzlich auftut – eine Welt Rifugio Gianetti bringt. zu Stein gewordener Flammen, himmelstürmender Grate Wanderbare Alternative zum Bondopass ist der wildro- und Granitkolosse: Aug‘ in Aug‘ mit dem drachengleichen mantische Weg von der Sciorahütte über das berühmte Vi- Buckel der Bügeleisenkante, den massiven Nordpfeilern des ale, einen ausgesetzt begehbaren Pfad auf einem schmalen Piz Cengalo und der wie ein Schaufelblatt gekrümmten 900 Grasband unter der Badilekante zur Sass Furä Hütte (3- Meter hohen Nordwand des Piz Badile. 3,5 Std.). Diese Etappe ist auch gemeinsam mit der vorigen Der Abstieg zur Capanna Sciora führt direkt durch ein von der Albigna- zur Sciorahütte in einem Tag zu schaffen. steiles Couloir, das in einem Schneehang ausläuft. Fixseile Von den lichten Lärchenwäldern oberhalb von Sass Furä helfen beim Abstieg, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit geht der Blick bereits in den einsam eindrücklichen Trubi- vorausgesetzt. Der harte Firn in der Rinne macht häufig den nascakessel, aus dem man am nächsten langen Wandertag gekonnten Einsatz von Steigeisen und Pickel erforderlich. zum Couloir gelangt, durch das in leichter Kletterei (II) der Wer hier lieber abseilt, kann die gebohrten Abseilhaken Trubinascapass erreicht wird (3-4 Std.). Die südseitige Steil- verwenden. Inmitten eines chaotischen Trümmergewirrs rinne ins Val Codera ist mit Ketten versichert, nach einer zyklopischer Granitblöcke zu Füßen der Wände ist nach Stunde bietet das Bivacco Vaninetti Gelegenheit zur Mit- eineinhalb Stunden die heimelig-kleine Sciorahütte erreicht, tagsrast, weitere zweieinhalb bis drei Stunden Wanderzeit darunter liegt das abwärts stürzende Bondascatal mit seinen führen über den Passo Porcellizzo die Gianettihütte. hellleuchtenden Lärchenwäldern. Wer den Cacciabellapass lieber auslassen möchte, Wir sind nun mitten im Kern- Rifugio Gianetti ‡ Pässe fährt von der Albignhütte mit der Seilbahn hinunter nach Camerozzo, Qualido und stück des Sentiero Roma, die- Pranzaira und mit dem Postbus nach Bondo; der Aufstieg Averta ‡ Rifugio Allievi ser grandiosen Hochgebirgs- zur Sciorahütte dauert vom Parkplatz bei Laret (Taxi von wanderung im Süden des Bondo) zweieinhalb Stunden. Bergell, einem Aussichtsbalkon gleich zweitausend Höhen- meter über dem einsamen Val di Mello. Bereits in den Das Gelingen dieser Königs- 1930er Jahren gelang es der Sektion Mailand des Club Al- Sciorahütte ‡ Bondopass (3169 m) etappe unserer hochalpinen pino Italiano (CAI), ihre Hütten zum überwältigend ein- ‡ Rifugio Gianetti Rundtour hängt fast völlig von drucksvollen Weg zu verbinden – sein Name erklärt sich den Verhältnissen am Bondo- aus der damaligen nationalistischen Zeitgeschichte.

DAV Panorama 5/2006 37 Atemberaubende Granitbastionen über Blumenwiesen Fotos: Georg Hohenester (2), Rudi Lindner, Rainer Amstädter (2), Hohenester Georg Rudi Lindner, Fotos:

pass-Sciorahütte (2118 m), 1-1,5 Std. Sciora- 5. Kernstück des Sentiero Roma, lange Ta- Roma (2840 m), 2 Std., Abstieg zum Rif. hütte (SAC), 42 Plätze, Tel.: 0041/(0)81/822 geswanderung über drei steile, gesichterte Ponti (2559 m), 45 Min. Rif. Ponti (CAI), 88 11 38. Wer am nächsten Tag statt über den Hochpässe zwischen 2400 und 2700 m, Plätze, Tel. 0039/0432/61 14 55. Bondopass via Trubinasca- und Porcellizzo- Klettersteigerfahrung (A-B) und Schwindel- 7. Ausklang, gemütlicher Abstieg nach Ma- pass zum Rifugio Gianetti geht, sollte von freiheit erforderlich. Von allen Hochtälern loja, 2,5-3 Std. der Sciorahütte am selben Tag weiter zur Abstiegsmöglichkeit ins Val di Mello. Rif. e Monte Disgrazia (3678 m), vom Rif. Sass Furä-Hütte, über das Viale, 3-3,5 Std. Gianetti-Passo Camerozzo (1,5 Std.)-Passo Ponti über den Preda Rossa-Gletscher und Sass Furä-Hütte (SAC, 1904 m), 50 Plätze, Qualido (1 Std.)-Passo Averta (1 Std.)-Rif. spaltig zur Sella Monte Pioda, rund 800 Tel. 0041/(0)81/822 12 52. Allievi (2 Std.), Rif. Allievi (CAI, 2390 m), Hm, dann etwa 300 Hm an WNW-Grat, Stel- 130 Plätze, Tel. 0039/0342/64 10 63. 4. Vom Norden in den Süden, sehr an- len III, überwiegend II, bei Vereisung zeit- spruchsvolle hochalpine Gletschertour, 6. Von der Sonnenseite zurück nach Forno, raubend, 5-6 Std., Biwakschachtel Rauzi weglos, spaltenreicher Gletscher, Kletter- sehr lange Tagestour, hochalpine Wande- knapp unterhalb des Gipfels; Abstieg zum passagen am Bondopass (I). Sciorahüt- rung über zwei Pässe mit anschließender Rif. Ponti 4 Std. te-Bondopass (3169 m), 1050 Hm, 4 Std.; anspruchsvoller Gletschertour über den e Rif. Ponti-Bocchetta Roma-Monte Sisso- Bondopass-Rif. Gianetti (2534 m), 2 Std., Monte Sissone zur Fornohütte. Rif. Allie- ne-Fornohütte, in 1 Std. auf die Bocchetta, Abstiegsmöglichkeit nach Bagni del Màsino vi-Passo Val Torrone-Passo Cameraccio weitere 2,5-3 Std. auf den Sissone, dann 3 3 Std. Alternativetappe: Lange hochalpine (2898 m), 500 Hm, 2,5-3 Std.; Passo Ca- Std. zur Fornohütte. Wanderung, teilweise markiert, meistens meraccio-Monte Sissone (3330 m), 530 e Rif. Ponti-Val Masino, auf dem Hütten- Pfadspuren. Sass Furä-Hütte-Passo Trubi- Hm, 2 Std.; Abstieg über den Sissone- weg zu den Wiesen von Preda Rossa und nasca (2701 m), 800 Hm, Kletterpassage Nordgrat zum Passo Sissone und über zum Parkplatz, 1,5 Std. Straße bis San Mar- (II), 3-4 Std.; Trubinascapass-Passo Porcel- den Fornogletscher zur Fornohütte 3 Std. tino im Val Masino 15 km. Per Autostop, lizzo-Rif. Gianetti, 2,5-3 Std., Rif. Gianetti Alternativetappe: Vom Passo Cameraccio Bus oder Taxi über das Valtellina und das (CAI), 90 Plätze, Tel.: 0039/0342/64 10 ins oberste Val di Mello und zuletzt über Nordufer des Comer Sees nach Chiavenna 68. versicherte Plattenstufen zur Bocchetta und auf den Malojapass.

38 DAV Panorama 5/2006 Atemberaubende Granitbastionen über Blumenwiesen Bergell Unterwegs

Oberhalb der Sass Furä-Hütte hat man einen guten Blick auf die düstere Nordkante des Badile. Auf der Gegenseite streift der Blick mit dem Badile im Rücken über die Kulisse des Val Porcellizzo. Von der Via Roma aus sieht man gut die Südost- flanke des Badile. Die „Spigolo Vinci“ über den Südgrat des Cengalo zählt zu den schönsten Kantenklettereien im Ber- geller Granit.

Das erste Morgenlicht lässt die mächtigen Felsbastionen von Badile und Cengalo erstrahlen. Die Szenerie liegt hier, im Gegensatz zur eher düster-grandiosen vergletscherten Nordseite, in einer meist heiteren und sonnigen Stimmung. Der gesamte Südabfall des Bergell ist geprägt von ebenso weit wie tief eingekesselten Karen, eingegrenzt von scharfen, endlos langen Graten, von hohen Wänden umschlossen, deren gewaltige Felsarenen ein wahres Eldorado bester Kletterrouten bieten. In begeisterndem Schwung pfeilt die goldgelbe Südkante des Cengalo, der „Spigolo Vinci“ (V+) hinauf in den Himmel, an ihm vorbei führt der Weg in wei- tem Bogen zum Passo Camerozzo (1,5 Std.). Jäh öffnet sich nun der Blick in die blockige Steinwüste des Valle del Ferro. Der Abstieg ins Tal ist eine der anspruchsvollsten Stellen des gesamten Höhenwegs: ausgesetzte Rampen und Bän- der, plattige Steilstufen und gut versicherte Rinnen leiten ins oberste Talbecken, wo das Bivacco Molteni-Valsecchi neun Personen Schutz bietet. Wasserüberflossenen Karrenplatten folgen endlose Blockfelder, am Passo Qualido empfängt uns eine neugierige Schafherde (1 Std.). Erst im zweiten Hinsehen bemerken wir den überwäl- tigenden Ausblick auf die östlichen Bergellgipfel, von der prallen Südwand der Cima di Castello bis zu den schim- mernden Gletschern des Monte Disgrazia, mit 3678 Metern der höchste Berg der Gruppe. Nach überraschend leichtem Abstieg ins Valle Qualido ziert sich der Passo Averta mit einer letzten senkrechten Stufe in die Passscharte (1 Std.). Wie immer unangenehm sind Hütten, die schon von weitem zu sehen sind. Bis zum Rifugio Allievi in beschaulicher Lage inmitten des wilden Valle Zocca braucht es noch zwei über- raschend anspruchsvolle Stunden. Eine Bänderzone und eine steil anschließende, versicherte Rinne geht’s abwärts auf die idyllischen Wiesen des Zocca-Kares, doch dann zwingt eine tiefe Bachrinne zum letzten Ab und Auf. Die freundliche Allievihütte belohnt unsere Ausdauer mit einer gut bestück- ten Bar, ausgezeichneter Küche und warmen Duschen.

Vor die Rückkehr ins Rifugio Allievi ‡ Pässe Val Torrone und Cameraccio ‡ Nordbergell haben die Monte Sissone ‡ Fornohütte Berggötter eine lange und schweißtreibende Tagese- tappe über den alpinsten Teil des Sentiero Roma gesetzt. Unterhalb der Granitbastionen der Cima di Castello folgt

DAV Panorama 5/2006 39 Eisige Wildnis, zerklüftete Zyklopenmauern Fotos: Rudi Lindner (2), Rainer Amstädter Fotos:

der Pfad erst einmal gemütlich der oberen Terrasse des Val- Rassige Anstiege führen auf die Punta Ferraria (l.) und den le Zocca bis zum unvermutet steilen Abstieg vom Torro- Torrone Orientale von Süden, mit der kühnen Nadel des Ago nepass ins gleichnamige Hochtal. Auf den in der Morgen- del Torrone in der Mitte. Das Bild darunter zeigt die Torro- kühle noch taunassen Schrofenrippen können wir die ne-Gruppe von Süden aus größerer Entfernung. Vom Gipfel Drahtseilversicherungen gut gebrauchen, die anschließende des Badile blickt man nach Osten über die steil nach Süden Steilrinne läuft am Fuß der 400-Meter-Plattenwand des Pic- abfallenden Granitflanken des Bergell bis zum Gipfel des co Luigi Amedeo aus, in deren rauem und festen Granitpan- Monte Disgrazia am Horizont. zer prachtvolle alpine Sportkletterrouten mit wohligem Schauder zu bewundern sind. Mitten auf einer Felsrippe im zyklopisch wüsten Valle Torrone steht das Bivacco Manzi, hingeduckt unter die Zan- thront der Disgrazia mit seiner Stein-Eis-zerrissenen Nord- gengrate der Torronegruppe. Immer mühsamer und steiler wand, doch wir brauchen nur mehr unter dem Südgrat des führt der Pfad über Moränengeröll und Schneefelder bis Monte Sissone ins Firnbecken östlich davon queren. Der an die Südkante des Torrone Orientale. Der steile Firn un- Gipfelaufbau wird über leichte Felsen bis zu einer kleinen terhalb der graugelben Torronemauern, bei morgendlicher Schulter im Westgrat unmittelbar unterhalb des Gipfels er- Härte am sichersten mit Steigeisen und Pickel zu queren, ist klettert, kühl umweht uns die Gletscherluft des Fornobe- durchfurcht vom Steinhagel des Berges; schnell und kon- ckens auf den letzten fünfzig Metern des Westgrats zum zentriert keuchen wir auf den Passo Cameraccio, direkt am 3330 Meter hohen Sissone (1,5-2 Std.). Fuß der Torronekante auf 2898 Meter (2,5-3 Std.). Über Nach dem Abstieg über den bisweilen stark verwäch- einen gemächlich abfallenden Firnbuckel entrinnen wir der teten Nordgrat wird der weit geschwungene Passo Sissone Schwefelstimmung der Steinschlagflanken ins milde Licht erreicht, dann tauchen wir ein in das stark zerklüftete Glet- des weiten und stillen Talabschlusses von Mello. Dahinter scherbecken, das wir schon beim Anstieg zur Cima di Rosso

40 DAV Panorama 5/2006 Bergell Unterwegs ANZEIGE

kennen gelernt haben. Auch fällt uns der lästige Hatscher über den aperen Gletscher talaus wieder ein, von dem uns erst das Bier der Fornohütte erlösen wird (3 Std.).

Wer lieber im sonnigen Süden Passo Cameraccio ‡ Bocchetta Roma bleiben möchte oder gar noch ‡ Rifugio Ponti den Disgrazia anhängen will, be- trachtet beim Gang durch das hinterste Mello-Tal den himmelstürmenden Nordwestgrat, der vom Passo di Mello über den Monte Pioda auf den Eis gepanzerten Disgrazia führt, und denkt sich sein Teil dazu.

Am Talende wartet dann ein letzter anstrengender Aufstieg mm 280 x HF 104 "U1906" Motiv AZ. über die versicherten Plattenstufen auf die Bocchetta Roma (2 Std. vom Passo Cameraccio). Nun ist das Ende dieses langen Tages absehbar, nach fünfundvierzig Minuten Ab- stieg über geröllbedeckte Hänge taucht das altehrwürdige Intensives Training – Rifugio Ponti auf und verwöhnt den Hungrigen mit Spezi- alitäten der Veltliner Küche. erhöhte Infektgefahr?! Der „ungnädige“ Berg hat seinen Klingt paradox – ist aber bewiesen: Aktive Sportler Rifugio Ponti ‡ Monte haben häufiger Atemwegsinfekte als „Couch- Disgrazia (3678 m) Namen nur zu berechtigt – allzu ‡ Rifugio Ponti oft schlägt hier das Wetter um Potatoes“. Neue Untersuchungen zeigen, was Sie und macht eine Gipfelbesteigung unternehmen können, damit Ihrem Immunsystem unmöglich. Der Disgrazia ist wegen seiner isolierten Lage auch bei starker Belastung nicht die Luft ausgeht. bei Schlechtwetter meist als erster Bergellgipfel in Wolken gehüllt. Wer Wetterglück hat, den erwartet ein bedeutender ei jeder starken körper- zelextrakt aus der südafrika- B lichen Belastung entste- nischen Kapland-Pelargonie, klassischer Gipfelanstieg über den WNW-Grat, der eng- hen kleinste Verletzungen bekämpfen. Das rein pfl anz- lischen Alpinisten mit Schweizer Bergführern schon 1862 und Entzündungen in der liche Medikament überzieht

gelang. Im Aufstieg über den Gletscher von Preda Rossa Muskulatur. Sofort wandern die Schleimhäute der Atemwe- Neu DAVPanorama wird am Monte Pioda vorbei der Grataufschwung erreicht, körpereigene Immunzellen ge mit einem Schutzfi lm und über den kombinierten Fels-Firn-Grat dann der Vorgipfel. als Aufräumkommando in die stoppt so wirksam Erregerat- Das „Cavallo di Bronzo“, das Bronzepferd, eine anschlie- Muskeln und fehlen deshalb tacken. Außerdem mobilisiert auf den Schleimhäuten der UMCKALOABO® körperei- ßende felsige, manchmal schneebedeckte Graterhebung Atemwege. Und schon sind gene Abwehrzellen, die Viren muss im III. Schwierigkeitsgrad überklettert werden, bevor Viren und Bakterien Tür abtöten, hindert Bakterien über ein letztes Steilstück der begehrte Gipfel erreicht ist und Tor geöffnet, um sich in an der Vermehrung und wirkt (5-6 Std.). Der Abstieg folgt dem Aufstiegsweg, nach etwa den Atemwegen breitzuma- schleimlösend. Ein weiteres vier Stunden ist man wieder bei der Pontihütte. chen. Das Resultat: die Nase Plus gerade für Sportler: die schwillt zu, der Hals beginnt sehr gute Verträglichkeit. Zurück in den Norden zu schmerzen oder man hustet vor sich hin. Dann heißt es erst Wer die Wahl hat ... muss sich auch entscheiden. Entwe- einmal pausieren, damit nicht der geht’s zurück über die Bocchetta Roma und den Monte eine langwierige Verschlep- Sissone ins Fornotal und zum Malojapass. Wer genug von pung oder gar eine gefährliche Gletscherspalten und Bergellfelsen hat, steigt vom Rifugio Herzmuskelentzündung droht. Ponti ab zu den grünen Weiden von Preda Rossa und ge- Geheimtipp: langt wohl ohne größere Probleme per Autostopp, Bus oder Infektabwehr aus der Natur! Taxi über das Valtellina und das Nordufer des Comer Sees zurück nach Chiavenna (wo es sich im Schatten der „Grotta Schnell wirksam und natürlich ombra“ angenehm speisen lässt), ins Val Bregaglia und auf kann man Bronchitis & Co. mit UMCKALOABO® den Malojapass. f UMCKALOABO®, dem Wur- Infektabwehr aus der Natur

Dr. Rainer Amstädter ist promovierter Zeithistoriker (Forschungsschwerpunkt UMCKALOABO® ist eine eingetragene Marke, Nr. 644318 ■ www.umckaloabo.de deutsche und österreichische Sportgeschichte), Journalist, Ausstellungs- UMCKALOABO®. 8 g/10 g Flüssigkeit. Für Erwachsene und Kinder ab 1 Jahr. Wirkstoff: Auszug kurator, Berater des ORF für die Fernsehreihe „Land der Berge“, staatlich aus den Wurzeln von Pelargonium sidoides. Anwendungsgebiet: Akute Bronchitis (Entzündung der Bronchien). Enthält 12 Vol.-% Alkohol. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie geprüfter Berg- und Skiführer, Diplom-Sportlehrer, Extrembergsteiger und die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. ISO-Arzneimittel, Sportkletterer. 76256 Ettlingen.

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