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Year: 2004

Geselligkeit und Methode : naturgeschichtliches Sammeln im 18. Jahrhundert : naturgeschichtliches Sammeln im 18. Jahrhundert

Siemer, Stefan

Abstract: Die Arbeit behandelt naturgeschichtliche Sammlungen aus der Perspektive von Austausch und wissenschaftlicher Forschung. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Londoner Sammler und Naturforscher (1660-1753) und Emmanuel Mendes da Costa (1717-1791) sowie der Danziger Sammler Johann Philipp Breyne (1680-1764). Neugier und methodische Genauigkeit prägte deren Hal- tung ebenso wie der Wunsch, ihre Sammlungen zum Zentrum geselligen und freundschaftlichen Umgangs zu machen. Der Nahblick auf die alltägliche Sammlungs- und Forschungspraxis der Naturforscher zeigt das Sammeln als Bewegung: Objekte werden geschenkt, getauscht, auf dem Markt erworben oder auf Forschungsreisen zusammengetragen. Die Arbeit endet mit einem Ausblick auf das 19. Jahrhundert. Die naturgeschichtliche Sammlungen fanden nun ihren festen Platz innerhalb den öffentlich zugänglichen Naturkundemuseen. Der Preis für diese Öffentlichkeit war die Trennung des Forschungs- vom Samm- lungsraum, deren Einheit im 18. Jahrhundert noch allgegenwärtig war. The Dissertation deals with collections as part of 18th century practice of exchange and research. It describes the activities of the London collectors and natural historians Hans Sloane (1660-1753), Emmanuel Mendes da Costa (1717-1791) and Johann Philipp Breyne (1680-1764) from Danzig. Curiosity and methodical research made their collections centres of discourse, friendship and mutual exchange. From this point of view collections are described as part of contemporary practices of the exchange of knowledge and objects. As cultural commodities natural history objects were exchanged on the market or gathered during far reaching expeditions. The dissertation ends with an outlook into the 19th century. At this time natural history collections became part of museums of natural history and were made accessible to a wider public. But in consequence that meant a separation between spaces of research and spaces of public display. Both of them were closely connected during the 18th century.

Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich ZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-163182 Dissertation Published Version

Originally published at: Siemer, Stefan. Geselligkeit und Methode : naturgeschichtliches Sammeln im 18. Jahrhundert : naturgeschichtliches Sammeln im 18. Jahrhundert. 2004, University of Zurich, Faculty of Arts.

GESELLIGKEIT UND METHODE. NATURGESCHICHTLICHES SAMMELN IM 18. JAHRHUNDERT

Abhandlung zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich

vorgelegt von Stefan Siemer

von Leverkusen

Angenommen auf Antrag von Herrn Prof. Dr. Bernd Roeck

München, 2004

VORWORT

Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Fassung meiner im Winter- semester 2000/2001 an der Universität Zürich eingereichten Dissertation. Danken möchte ich an erster Stelle Prof. Dr. Bernd Roeck, der die Arbeit be- treute und mir im Rahmen seiner Colloquien in Bonn und in der Villa Vigoni mehrfach Gelegenheit gab, Teile daraus vorzustellen. Prof. Dr. Urs Bitterli über- nahm freundlicherweise das Zweitgutachten. Zu Dank verpflichtet bin ich überdies allen Archiven und Bibliotheken, die mir ihre Bestände zugänglich machten, darunter besonders der Staatsbibliothek Bam- berg, der Staatsbibliothek Berlin, der British Library London, dem British Muse- um London, dem London, der Library of the Royal College of Surgeons of England London, der Royal Society Library London, der Forschungsbibliothek Gotha, der Bodleian Library Oxford und der Zentral- bibliothek Zürich. Gedankt sei auch denjenigen Institutionen, die die Arbeit durch Stipendien und Arbeitsaufenthalte ermöglichten: dem Deutschen Akademischen Austausch- dienst, dem Deutschen Historischen Institut London und dem Institut für euro- päische Geschichte Mainz. Mein besonderer Dank gilt dabei Prof. Dr. Heinz Duchhardt, der die Arbeit in die Schriftenreihe des Mainzer Instituts aufnahm. Bedanken möchte ich mich überdies bei Dr. Ralph Melville, der sie redaktionell betreut hat, und Frau Annette Reichardt, die das druckfertige Manuskript erstellt hat, sowie bei Dr. Claus Scharf und Dr. Matthias Schnettger. Nicht zuletzt möchte ich denjenigen herzlich danken, die mich während der vergangenen Jahre mit Anregungen, Korrekturen und kritischen Kommentaren begleiteten und ohne die diese Arbeit so nicht hätte fertiggestellt werden können: Silke Berdux, Martin Ehrenfeuchter, Anke te Heesen, Michael Kempe, Arthur MacGregor, Ulrike Stottrop und Udo Scheer. Danken möchte ich auch Benedikt Mauer und Otto W. Plocher, die mir über die Jahre und räumliche Distanz hin- weg ihre Freundschaft bewahrten.

Ich widme diese Arbeit meinen Eltern Klaus und Katharina Siemer.

München, Juni 2004 Stefan Siemer

INHALT

Vorwort ...... IX

Einleitung: Sammeln als kommunikative Praxis ...... 1 Sprechen über Objekte ...... 1 Sammlungsgeschichte ...... 3 Sammeln als kommunikative Praxis ...... 5 Sammeln und Forschen ...... 8 Quellen ...... 11 Gliederung ...... 12

1. Gemeinschaft ...... 14 1.1 Der Sammler im urbanen Raum ...... 15 Das erweiterte Zentrum ...... 29 Besuche und Empfehlungen ...... 34 1.2 »The narrow sphere of my own observations«: Sammeln in der Provinz ...... 48 Die englische Provinz ...... 55 Stützpunkte auf dem Kontinent ...... 64 1.3 Jenseits der Studierstube: naturgeschichtliche Exkursionen ...... 78 Nordamerika ...... 81 Rußland ...... 87 1.4 Gelehrte Briefwechsel ...... 97 Korrespondenzen und Zeitschriften ...... 99 Die Rhetorik der Gemeinsamkeit ...... 103 »A great many anecdotes«: gedruckte Korrespondenzen ...... 108 1.5 Gaben und Gegengaben ...... 111 Naturalien ...... 113 Büchersendungen ...... 121 Widmungen ...... 126 Holländische Pfahlwürmer ...... 133 Subskriptionen ...... 137 VI Inhalt

2. Sammlungsräume ...... 140 2.1 Die naturgeschichtliche Sammlung zwischen Wissenschaft und Lebensstil ...... 143 Virtuosi und Pedanten ...... 144 Physikotheologie und Wunderkammer ...... 150 »Employment for the mind«: Die Sammlung als Privatraum ...... 156 Der Sammlungsraum ...... 163 2.2 Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung ...... 175 2.3 Wissenschaft und Konsum: Sammlungen in der Warenwelt ...... 181 Auktionen und Verkäufe ...... 186 Der Händler als Erzieher ...... 193 2.4 »Publick Cabinets of Fossils«: Die Sammlung als öffentliche Institution ...... 197 Das Ashmolean Museum in Oxford ...... 200 Die Woodward-Sammlung in Cambridge ...... 205 Das Repository der Royal Society ...... 207 Das ...... 211

3. Forschung ...... 217 3.1 Katalogisieren ...... 218 Naturgeschichte im Katalog ...... 222 Vernetzte Kataloge ...... 229 ›Museum Absconditum‹: Leerstellen im Katalog ...... 240 3.2 Informationsnetzwerke ...... 247 Fragebögen ...... 249 Anleitungen zum richtigen Sammeln ...... 255 Unterweisung durch Briefwechsel ...... 260 Mineralogie für alle ...... 263 3.3 Systematisieren und Klassifizieren ...... 265 Natürliche und künstliche Systeme ...... 266 Das Prinzip der Enzyklopädie ...... 270 Die Grammatik der Fossilien ...... 274 3.4 Der kritische Blick auf das Detail ...... 279 Der Blick durch das Mikroskop ...... 282 Anatomie ...... 290 Wunder der Natur ...... 302 Bezugssysteme: Sintflut und Artenkonstanz ...... 306 Das ›Krokodil‹ von Maastricht ...... 319 Die verfälschte Natur ...... 325

Inhalt VII

Schlußbetrachtung und Ausblick: Vom Anschauungsraum zum Denkraum 341

Anhang ...... 348 1. Kurzbiographien ...... 348 2. Der Bibliothekskatalog von Isaac Romilly ...... 356 Quellen- und Literaturverzeichnis ...... 359 1. Handschriftliche Quellen ...... 359 2. Gedruckte Quellen ...... 362 3. Literatur ...... 370

Verzeichnis der Abbildungen und Karten ...... 388 1. Abbildungen ...... 388 2. Karten ...... 391

Abkürzungsverzeichnis ...... 392

Register ...... 393 1. Ortsregister ...... 393 2. Personenregister ...... 397

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abb. Abbildung Anm. Anmerkung Aufl. Auflage Bd. Band Bde. Bände BL British Library, London Bodl. Bodleian Library, Oxford d. i. das ist EA Erstausgabe engl. englisch fol. folio F.R.S. Fellow of the Royal Society frz. französisch Gotha Forschungsbibliothek Gotha: Nachlaß Johann Philipp Breyne Hrsg. Herausgeber hrsg. herausgegeben ital. italienisch Ms. Maschinenschriftlich ND Nachdruck NHMB Natural History Museum, London: Library NHMP Natural History Museum, London: Palaeontology Library o. D. ohne Datum o. J. ohne Jahr o. O. ohne Ort Prom. Promotion r recto RCS Library of the Royal College of Surgeons of England, London RS Royal Society Library, London S. Seite s. siehe schwed. schwedisch SBB Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin Ser. Serie Sp. Spalte übers. übersetzt u. und v verso vgl. vergleiche Z. Zeile ZBZ Zentralbibliothek Zürich: Nachlaß Johann Jakob Scheuchzer zit. zitiert nach

EINLEITUNG:

SAMMELN ALS KOMMUNIKATIVE PRAXIS

Wer heute eines der großen öffentlichen Museen besucht, tritt den dort ausge- stellten Objekten zunächst als distanzierter Betrachter gegenüber. Sein Blick wird durch Stellwände, Vitrinen, Absperrungen und Hinweisschilder geführt; Erläute- rungen und neuerdings vermehrt audiovisuelle Medien konfrontieren ihn mit einer Vielzahl von begleitenden Informationen über die ausgestellten Objekte und leiten seine Wahrnehmung auf didaktisch und konzeptionell vorgezeichneten Bahnen. Auf diese Weise sind die Objekte des Museums in eine Vielfalt von In- formationsangeboten eingebunden, die sie im Kontext von Wissen und Beleh- rung aufbereiten. Doch erfährt der Besucher kaum etwas über die Geschichte ihres Erwerbs. Das gilt auch für die gegenwärtigen Versuche, die Objekte des Mu- seums in ihrer fragmentarischen Überlieferung selbst zur Sprache kommen zu lassen, sie in ihren sinnlichen Qualitäten und ursprünglichen Zusammenhängen über die Zeiten hinweg wieder erfahrbar zu machen.1

Sprechen über Objekte

Wie kommt es, daß die Geschichte der Objekte in den heutigen Sammlungen kaum noch präsent ist? Die Gründe für diese Entwicklung sind vor allem darin zu suchen, daß die öffentlichen und staatlichen Sammlungen im 19. Jahrhundert die bis dahin existierenden Privatsammlungen ablösten. Als neue Trägerschicht trat eine an den Künsten und Wissenschaften interessierte bürgerliche Öffentlich- keit auf den Plan, deren Bildungsbestrebungen sich vor allem in der Institution Museum manifestierten. Indem das Museum öffentlich und in eigens für diesen Zweck bereitgestellten Gebäuden Raum zur Betrachtung der Gegenstände ge- schaffen wurde, verstärkte sich die Trennung zwischen den Sphären eines inter- essierten Laienpublikums und den für den Museumsbetrieb verantwortlichen, oft fest angestellten Fachleuten. Das in den Objekten der Sammlung aufbereitete Wissen bedurfte der Vermittlung durch eine spezialisierte und professionalisierte Wissenschaft und vertiefte auf diese Weise den Graben zwischen dem Betrachter und den ausgestellten Objekten.

1 Hierzu Gottfried KORFF, Läßt sich Geschichte musealisieren?, in: Museumskunde 60 (1995), S. 18–22. 2 Einleitung Die Bereitstellung öffentlicher Schauräume führte in Konsequenz zum Verlust jener geselligen und kommunikativen Praktiken, die noch im 18. Jahrhundert den Umgang mit den Sammlungsobjekten wesentlich bestimmten. Dieser Wandel hin zu einem stummen, kontemplativen Umgang mit den Objekten läßt sich am Beispiel Kunstmuseum illustrieren. In einem kurzen Zeitschriftenbeitrag von 1810 aus der Feder Clemens Brentanos und Achim von Arnims werden in einer Reihe von Dialogen Reaktionen von Besuchern bei der Betrachtung eines Gemäl- des von Caspar David Friedrich wiedergegeben.2 Einer der Beobachter dieser fiktiven Gespräche faßt für sich selbst den Eindruck folgendermaßen zusammen: »Es ist gut, daß die Bilder nicht hören können, sie hätten sich sonst schon längst verschleiert; die Leute gehen gar zu unzüchtig mit ihnen um und sind fest überzeugt, sie [d. i. die Bilder] ständen hier wegen eines geheimen Verbrechens am Pranger, das die Zuschauer durchaus entdecken müssen.«3 Es zeigt sich, daß die Betrachtung von Gegenständen im öffentlichen Raum einer Disziplinierung unterlag, die jedes weitere Reden über sie überflüssig machte, so, als sei eine Ver- ständigung über sie nur im stummen, kontemplativen Zwiegespräch möglich. Ganz in diesem Sinne bemerkte am Ende des 19. Jahrhunderts der englische Kunstschriftsteller John Ruskin über die ideale (Kunst-) Sammlung: »The first function of a Museum […] is to give example of perfect order and perfect elegance […] to the disorderly and rude populace«.4 Eleganz und Perfektion der architektonischen Inszenierung korrespondierten mit einem den Objekten zuge- schriebenen höheren Wert und schufen damit eine Sphäre vollendeter Kultur, die den Alltagserfahrungen der Besucher bewußt entgegengesetzt wurde. Der schweigende, auf den Kunstgenuß hin ausgerichtete Kenner kontrastierte mit dem gesprächigen, auf Oberflächenreize reagierenden allgemeinen Publikum. Anders lagen die Verhältnisse im achtzehnten, dem ›geselligen Jahrhundert‹5. Obwohl sich schon zu dieser Zeit erste Ansätze öffentlicher Sammlungstätigkeit finden – das bekannteste Beispiel ist die Eröffnung des British Museum im Jahr 1759 –, beherrschte der private Sammler, im Spektrum zwischen adeligem Reprä- sentationsbedürfnis und gelehrter Neugier, in all seinen vielfältigen Erscheinungen die Szene. Die Privatheit sicherte jenen Raum umfassend-geselligen Austauschs im Umgang mit den Objekten, der im darauffolgenden Jahrhundert verloren gehen sollte. Der persönliche Besitz von Gegenständen aus den Bereichen Kunst, Geschichte und Natur bedeutete jedoch keineswegs eine klar definierte Abgren- zung von der öffentlichen Sphäre als eines Verbergens der Schätze vor den neu- gierigen Augen potentieller Interessenten. Im Gegenteil wurden Sammlungen und

2 Clemens BRENTANO/Achim von ARNIM, Verschiedene Empfindungen vor einer Seeland- schaft von Friedrich, worauf ein Kapuziner, in: Clemens BRENTANO, Werke, Bd. 2, hrsg. von Wolfgang Frühwald und Friedhelm Kemp, 3. Aufl. München 1980, S. 1034–1038. 3 Ebenda, S. 1037. 4 John RUSKIN, Museums (1880), in: Ders., The Lamp of Beauty: Writings on Art, hrsg. von Joan Evans, London 1995, S. 366 f., hier S. 366. 5 So der treffende Titel von Ulrich Im Hofs Buch über Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufklärung, München 1982. Siehe hier vor allem S. 226–230. Gliederung 3 die in ihnen enthaltenen Objekte Teil umfassender Austauschprozesse und kom- munikativer Praktiken. Der Artikel ›Museum‹ in Zedlers Universal Lexicon von 1739 betont gerade diese kommunikative Funktion einer Sammlung: Das Museum sei »ins besondere aber ein Gebäude, darinnen die Gelehrten beysammen wohnten, miteinander aßen, und ihr Studieren abwarteten«.6 Philosophisches Gespräch und Musenverehrung stehen aus dieser Sicht am Beginn einer Geschichte des Sam- melns.7 So ist die Sammlung den halb öffentlichen und halb privaten Institutionen, wie etwa dem Salon, der Bibliothek oder dem Coffee House, als Raum individueller Lebensgestaltung und weltzugewandten Austauschs eng verwandt. Es ist diese Einheit von Sammeln, Forschen und Kommunizieren zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, die als ein Hauptcharakteristikum der Sammlungen des 18. Jahrhunderts gelten kann.

Sammlungsgeschichte

In der Sammlungsgeschichte hat das 18. Jahrhundert bisher nur wenig Aufmerk- samkeit gefunden.8 Das hängt unter anderem damit zusammen, daß die Samm- lungen dieser Zeit sozusagen eine Mittelstellung zwischen den Kunst- und Wunderkammern des vorhergehenden sowie den öffentlich-institutionalisierten Museen des nachfolgenden Jahrhunderts einnahmen. Im folgenden sollen des- halb einige Grundlinien der neueren Sammlungsgeschichte skizziert werden. In der für den heutigen Betrachter oft fremd anmutenden Zusammenschau von Kunst- und Naturgegenständen setzten die Kunst- und Wunderkammern Objekte unter dem Leitaspekt der Ähnlichkeit zueinander in Beziehung.9 Sammlungen die- ser Art waren damit Teil einer visuellen Kultur, in der das höchst spannungsvolle

6 Johann Heinrich ZEDLER, Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 22, Halle/Leipzig 1739, Sp. 1375. Bezeichnend ist der Vergleich mit dem Ein- trag in einem Lexikon aus unseren Tagen: »Das M. ist, je nach Größe, ein personalintensiver Be- trieb mit Werkstätten, Labors, Archiv, Bibliothek, Wissenschaftlern, Verwaltung und Einrichtungen für Öffentlichkeitsarbeit.« dtv-Brockhaus-Lexikon in 20 Bänden, Bd. 12, München 1982, S. 257. 7 Siehe Walter H. GROSS, ›Museion‹, in: Der kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bän- den, München 1979, Bd. 3, Sp. 1482 f. 8 Hierzu zuletzt Debora J. MEIJERS, Kunst als Natur. Die Habsburger Gemäldegalerie in Wien um 1780, Mailand 1995, und Christoph BECKER, Vom Raritäten-Kabinett zur Sammlung als Institution. Sammeln und Ordnen im Zeitalter der Aufklärung, Egelsbach 1996. Einen Überblick zum Thema bieten die Sammelrezensionen von Lorraine DASTON, The factual sensibility, in: Isis 3 (1988), S. 452–467, und Ingo HERKLOTZ, Neue Literatur zur Sammlungsgeschichte, in: Kunstchronik 47 (1994), S. 117–135. Zudem ist das seit 1989 erscheinende Journal of the History of Collections ein Forum neuerer Forschungen zur Sammlungsgeschichte. Zu weiterer Literatur siehe unten, S. 140, Anm. 2. 9 Dazu Horst BREDEKAMP, Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte, Berlin 1993, S. 99 f., und Svetlana AL- PERS, The Museum as a Way of Seeing, in: Ivan KARP/Steven D. LAVINE (Hrsg.), Exhibiting Cul- tures. The Poetics and Politics of Museum Display, Washington 1989, S. 25–32. 4 Einleitung

Verhältnis von Wissen und Sehen thematisiert wurde. Dies ist das Thema vor allem neuerer kunsthistorischer Untersuchungen, die sich etwa mit den Bildüberlie- ferungen von Sammlungen im Kontext des Stillebens oder bildlicher Darstellun- gen von Wissenschaft beschäftigen.10 Die Wiedergewinnung des Visuellen unter Bezug auf das Prinzip Wunderkammer reicht dabei bis in die gegenwärtige Mu- seumspraxis hinein. So wurden die den Wunderkammern zugrundeliegenden Ordnungs- und Gestaltungsprinzipien nicht nur in einer Reihe von Ausstellungen in ihren historischen Bezügen thematisiert und rekonstruiert11, sondern zugleich als Vorbild moderner Museumspräsentation und -inszenierung wiederentdeckt und umgesetzt.12 Als Grundlage einer Periodisierung der Sammlungsgeschichte dienen zumeist die unterschiedlichen Ordnungssysteme. So konstatiert etwa Thomas Macho, daß »Inventare, Kataloge, Listen und Bestandsverzeichnisse […] auch jenseits der sinnlichen Wirklichkeit jeweiliger Objekte historisch relevant bleiben«.13 Ebenso erscheint die Sammlung mit ihren Objekten in Michel Foucaults mittlerweile zum Klassiker avancierten Buch ›Les Mots et les Choses‹ im Zusammenhang sprachli- cher Repräsentationen und der Versuche, dem Verhältnis von Worten und Din- gen ordnend beizukommen.14 Das Ende der frühneuzeitlichen Wunderkammern wird daher meist auf die Zeit um 1700 datiert, als die Objekte nun unter dem Ein- fluß der neuen, empirisch und methodisch fundierten Wissenschaften in das Mahl- werk der Systeme und verfeinerter Klassifizierungen gerieten.15 Diese Neuord-

10 Siehe die Arbeiten von Gisela LUTHER, Stilleben als Bilder der Sammelleidenschaft, in: Gerhard LANGEMEYER/Hans-Albert PETERS (Hrsg.), Stilleben in Europa, Ausstellungskatalog, Münster 1979, S. 88–128, Barbara Maria STAFFORD, Artful science. Enlightenment entertain- ment and the eclipse of visual education, Cambridge/Mass. 1994, und Robert FELFE, Natur- geschichte als kunstvolle Synthese. Physikotheologie und Bildpraxis bei Johann Jakob Scheuchzer, Berlin 2003. 11 Siehe Wunderkammer des Abendlandes. Museum und Sammlung im Spiegel der Zeit, Aus- stellungskatalog hrsg. von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1995, Horst BREDEKAMP/Jochen BRÜNING/Cornelia WEBER (Hrsg.), Theater der Natur und Kunst – Theatrum naturae et artis. Wunderkammern des Wissens an der Humboldt-Uni- versität zu Berlin, Ausstellungskatalog, Bde. 1–2, Berlin 2000, Alfred WALZ (Hrsg.), Weltenhar- monie. Die Kunstkammer und die Ordnung des Wissens, Ausstellungskatalog, Braunschweig 2000. 12 Siehe Beat WYSS, Das Museum. Oder die Rückverzauberung entzauberter Dinge, in: Mu- seumskunde 63 (1998), S. 74–83, Bodo-Michael BAUMUNK, Naturkundemuseen und Geschichtsmuseen. Eine vergleichende Anatomie, in: Museumskunde 61 (1996), S. 14–19, und Ulrike STOTTROP, Zwischen Natur und Geschichte. Entwicklung und Perspektiven der Natur- kundemuseen, in: Museumskunde 61 (1996), S. 82–86. 13 Thomas MACHO, Sammeln in chronologischer Perspektive, in: BREDEKAMP, Theater, Bd. 2, S. 63–74, hier S. 68. 14 Siehe Michel FOUCAULT, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissen- schaften, 12. Aufl. Frankfurt a. M. 1974 (frz. 1966), S. 177. Die deutsche Übersetzung des Titels verfehlt gerade jenes Verhältnis von Worten und Dingen, um das es bei Foucault geht. 15 Vgl. Klaus MINGES, Das Sammlungswesen der frühen Neuzeit. Kriterien der Ordnung und Spezialisierung, Münster 1998, und Eilean HOOPER-GREENHILL, Museums and the Shaping of Knowledge, London 1992. Gliederung 5 nung und -bewertung überlieferter Sammlungsbestände mündete dann ein in die Einrichtung spezialisierter Sammlungsräume, als Teil einer umfassenden Wissens- organisation und -verwaltung, von der etwa auch zeitgenössische Enzyklopädien, Lexika und Zeitschriften Zeugnis geben. Der Übergang von den Kunst- und Wunderkammern hin zu den geordneten Sammlungen des 18. Jahrhunderts verlief jedoch keineswegs geradlinig. Das Jahr- hundert der Aufklärung bildete gewissermaßen ein Experimentierfeld, auf dem die Möglichkeiten der Sammlungen im privaten, öffentlichen wie auch im wissen- schaftlichen Zusammenhang auf die Probe gestellt wurden. Vorherrschend war nach wie vor die Privatsammlung, die in ihren unterschiedlichen Spielarten bis zum Ende des Jahrhunderts in Europa weit verbreitet war.16 Gleichzeitig fanden Sammlungen ihren Platz im Rahmen der allerorten entstehenden wissenschaft- lichen Gesellschaften und Akademien, deren Mitglieder die Forschung auf dem Gebiet der Natur auf ihre Fahnen geschrieben hatten.17 Die Popularisierung des Sammelns verdankte sich darüber hinaus dem Aufschwung der beschreibenden und systematisierenden Naturgeschichte im 18. Jahrhundert, die nicht nur die im 17. Jahrhundert begonnene Revision traditioneller Wissensbestände fortsetzte und neue Kriterien der Ordnung etablierte, sondern auch zu Beobachtung und Sammlung auf lokaler Ebene aufrief. Von diesen Bemühungen ausgehend, wurde im 18. Jahrhundert eine Brücke zur naturkundlichen Unterrichtung und damit verbunde- ner Techniken der Wissensvermittlung geschlagen. Zwischen Bücherwissen und Objekterfahrung stehend, erwies sich die Sammlung als ein Ort, wo die Anliegen aufgeklärter Erziehung umgesetzt werden konnten.18

Sammeln als kommunikative Praxis

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht jedoch weder eine Entwicklungs- geschichte noch eine Geschichte unter den Aspekten von Ordnung und Systema- tik. Am Beispiel naturgeschichtlicher Sammlungen des Zeitraums von 1680 bis 1780 sollen vielmehr die für eine Sammlung grundlegenden Praktiken des Spre- chens, Schreibens, Tauschens und Forschens näher in den Blick genommen wer- den. Denn es ist einer der bisher noch zu wenig beachteten Aspekte der Samm- lungsgeschichte, daß sich in ihrem Rahmen kommunikative Praktiken abspielten, deren Gegenstand die Objekte selbst und die mit ihnen verbunden Informa- tionen waren.

16 Siehe die Untersuchung von Krzysztof POMIAN, Collectors and Curiosities. Paris and Venice 1500–1800, Cambridge 1990 (frz. 1987), S. 217. 17 Siehe allgemein zu diesem Thema: James E. MCCLELLAN III, Science Reorganized. Scien- tific Societies in the Eighteenth Century, New York 1985. 18 Siehe zu diesem Aspekt Anke te HEESEN, Der Weltkasten. Die Geschichte einer Bild- enzyklopädie aus dem 18. Jahrhundert, Göttingen 1997, und Ilse JAHN, Sammlungen. Aneig- nung und Verfügbarkeit, in: Andreas GROTE (Hrsg.), Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450–1800, Opladen 1994, S. 475–500. 6 Einleitung Bisher gibt es nur wenige Untersuchungen, die in diese Richtung weisen. So versucht Manfred Sommer, die dem Sammeln zugrundeliegenden Prozesse der Weltaneignung aus phänomenologischer Perspektive zu beschreiben.19 Ein wichti- ger Beitrag von Seiten der Sammlungsgeschichte ist Paula Findlens umfangreiche Studie über den italienischen Naturhistoriker und Sammler Ulisse Aldrovandi.20 Die aus der Sammlung resultierenden Forschungen kommen hier ebenso zur Spra- che wie die Vernetzung Aldrovandis mit der gelehrten Welt seiner Zeit. Auf diese Weise geraten nicht nur der Sammler und seine Praktiken in das Blickfeld des Historikers, sondern zugleich auch der Sammlungsraum selbst als ein bewegtes En- semble von Objekten, Besitzern und Besuchern. Ausgehend vom Umgang des Menschen mit seinen Objekten kann die Sammlungsgeschichte so, wie Susan Pearce betont, zu einem Teil der Sozialgeschichte werden.21 Das Spektrum reicht hier von den repräsentativen Sammlungsräumen des Adels bis hin zu den Samm- lungen als Teil einer langen Geschichte bürgerlicher Wohnkultur, in deren mate- riellen Zeugnissen, wie etwa Schränken, Truhen und Tischen, ein Prozeß der Ab- grenzung privater und öffentlicher Sphären sichtbar wird.22 Diese Dynamik des Sammelns erschließt sich vor allem in den Briefwechseln der Sammler untereinander. Das Leitmedium des Briefes verband die räumlich ge- trennten Orte des Sammelns und bot den einzelnen Sammlern die Gelegenheit, Sammlungsbestände und Forschungsergebnisse untereinander abzugleichen. Diese Sammlernetzwerke waren Teil jener Briefnetzwerke, die, von einzelnen Personen initiiert und ausgebaut, als ein wichtiges Charakteristikum der Gelehrtenrepublik wie einer fortgeschrittenen Wissensgesellschaft im 18. Jahrhundert gelten kön- nen.23 Doch sind die Netzwerke nicht allein als persönliche Leistung einzelner Gelehrter zu begreifen. So weisen beispielsweise die Korrespondenzen von Natur- forschern wie Hans Sloane, Albrecht von Haller, Johann Jakob Scheuchzer oder Christoph Jacob Trew nicht nur ähnliche inhaltliche Schwerpunkte auf, sondern sie sind über gemeinsame Korrespondenten auch aufs engste untereinander ver- flochten. Es ging hier darum, die Differenz zwischen Wissensproduktion und

19 Siehe Manfred SOMMER, Sammeln. Ein philosophischer Versuch, Frankfurt a. M. 1999. 20 Siehe Paula FINDLEN, Possessing Nature. Museums, Collecting, and Scientific Culture in Early Modern Italy, Berkeley/Los Angeles/London 1994. 21 Susan M. PEARCE, On Collecting: An investigation into collecting in the European tradi- tion, London 1995, S. 3. 22 Siehe Bernd ROECK, Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der frühen Neuzeit, Mün- chen 1991, S. 21. Die adlige Sammelkultur beschreibt Geza VON HABSBURG, Fürstliche Kunst- kammern in Europa, Stuttgart 1998. 23 Siehe Peter BURKE, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2001 (engl. 1997), S. 73. Die bedeutende Rolle der Gelehrtennetzwerke war auch der Ausgangs- punkt einer Ausstellung über den Forschungsreisenden . Siehe Frank HOLL (Hrsg.), Alexander von Humboldt. Netzwerke des Wissens, Ausstellungskatalog, Berlin 1999. Gliederung 7 Informationsvermittlung aufzuheben.24 Eine Erfassung, Kartierung und Re- konstruktion solcher Netzwerke muß gerade dieses Spektrum zwischen persönlicher Abgrenzung und erwünschter Gemeinsamkeit berücksichtigen.25 Korre- spondentennetzwerke erweisen sich so als ein offenes, sich ständig neu figu- rierendes Gebilde. Die Briefe zirkulierten nicht nach einem einmal festgelegten Schema, sondern im Medium des Briefes erwies sich die gelehrte Kommunikation vielmehr als ein offener, dynamischer Prozeß im Spannungsfeld von öffent- licher Teilhabe an Informationen und dem Wunsch nach privater Verständi- gung.26 Ebenso wie der Brief war die Geselligkeit ein Kernbegriff des 18. Jahrhunderts. Der Hallenser Gelehrte Christian Thomasius widmete diesem Thema 1710 eine umfangreiche Untersuchung, deren Ausgangspunkt die Vorstellung eines dem Men- schen eigenen und das gegenseitige Gespräch fördernden ›appetitus socialis‹ bil- dete.27 Die aufeinander bezogenen Bereiche von Verschriftlichung im Medium des Briefes und zeitgenössischer geselliger Praktiken lassen sich mithin zu Recht als eine Ausdifferenzierung von Wissens- wie Kommunikationsformen im Laufe

24 Siehe Madeleine HERREN, »Die Erweiterung des Wissens beruht vorzugsweise auf dem Kontakt mit der Außenwelt.« Wissenschaftliche Netzwerke aus historischer Perspektive, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 3 (2001), S. 197–207, hier S. 200. 25 Die gründliche Erforschung neuzeitlicher Netzwerke steht erst am Anfang. Eine genaue Fallstudie findet sich bei Michael KEMPE, Die ›Anglo-Swiss-Connection‹. Zur Kommunika- tionskultur der Gelehrtenrepublik in der Frühaufklärung, in: Cardanus. Wissenschaftshistorisches Jahrbuch der Universität Heidelberg, Bd. 1: Wissen und Wissensvermittlung im 18. Jahrhun- dert. Beiträge zur Sozialgeschichte der Naturwissenschaften zur Zeit der Aufklärung, hrsg. von Robert Seidel, Heidelberg 2000, S. 83–104. Das Unternehmen einer Briefdatenbank für das 17. und 18. Jahrhundert beschreibt Georges DULAC, Le projet d’un Atlas de la communication manu- scrite à l’Âge classique, in: Benôit MELANCON (Hrsg.), Penser par lettre. Actes du colloque d’Azay- le-Ferron (mai 1997), Québec 1998, S. 219–240. Ein herausragendes Beispiel für die computer- gestützte Erfassung einer einzelnen Gelehrtenkorrespondenz stellt das inzwischen abgeschlos- sene Berner Forschungsprojekt zu Albrecht von Haller und der Gelehrtenrepublik des 18. Jahr- hunderts dar. Siehe: Urs BOSCHUNG/Barbara BRAUN-BUCHER/Stefan HÄCHLER/Anne Kathrin OTT/Hubert STEINKE/Martin STUBER (Hrsg.), Repertorium zu Albrecht von Hallers Korre- spondenz 1724–1777, Bde. 1–2, Basel 2002. Auch über ältere Nachlaßverzeichnisse lassen sich Briefnetzwerke rekonstruieren. So etwa bei Rudolf STEIGER, Verzeichnis des wissenschaftlichen Nachlasses von Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733), Zürich 1933, oder Eleonore SCHMIDT- HERRLING, Die Briefsammlung des Nürnberger Arztes Christoph Jacob Trew (1695–1769) in der Universitätsbibliothek Erlangen, Erlangen 1940. 26 Siehe Hans Erich BÖDEKER, Aufklärung als Kommunikationsprozeß, in: Aufklärung 2 (1988), S. 90–111. Zur Geschichte des Briefes siehe auch Martin FONTIUS, Post und Brief, in: Hans-Ulrich GUMBRECHT/Karl L. PFEIFFER (Hrsg.), Materialität der Kommunikation, Frank- furt a. M. 1988, S. 267–279, hier S. 272. 27 Zu Thomasius siehe Claudia SCHMÖLDERS (Hrsg.), Die Kunst des Gesprächs. Texte zur Geschichte der europäischen Konversationstheorie, München 1986, S. 49. Zum Thema Gesel- ligkeit siehe Emmanuel PETER, Geselligkeiten. Literatur, Gruppenbildung und kultureller Wan- del im 18. Jahrhundert, Tübingen 1999, und Wolfgang ADAM, Einführung, in: Ders. (Hrsg.), Geselligkeit und Gesellschaft im Barockzeitalter, Wiesbaden 1997, S. 2–16. 8 Einleitung des 18. Jahrhunderts beschreiben.28 Das Führen einer Korrespondenz wurde da- bei nicht nur zum Substitut des Gespräches, sondern es entwickelte sich zu einer eigenen Kommunikationsform. Die Bemerkung Denis Diderots, daß die »Kunst des Briefeschreibens« nichts anderes sei »als die Kunst, die Arme zu verlängern«, betont gerade das Spezifische des Briefes in seiner Mittelstellung zwischen for- maler Gestaltung und lebendiger Präsenz.29 Dabei fanden Briefwechsel und Geselligkeit ihre gemeinsame Basis im Ideal der Gelehrtenrepublik. Was im 16. Jahrhundert als die Gemeinschaftsbildung einer hu- manistisch gebildeten Gelehrtenelite begonnen hatte, öffnete sich im Laufe der Zeit immer mehr in Richtung auf eine breite interessierte Öffentlichkeit hin. Damit nahm nicht nur die Zahl derjenigen zu, die sich aktiv an den Wissenschaften betei- ligten, sondern auch die Debatten selbst wandelten sich. Besonders die Druckme- dien boten eine Möglichkeit, Streit und Mißgunst unter den Gelehrten gleichsam zu entschärfen, indem sie deren bislang im Verborgenen ausgetragenen Streit in das Licht der Öffentlichkeit rückten. Zugleich gilt, daß diese auf Gleichheit und gegenseitiger Verpflichtung beruhende Einheit der Gelehrtenrepublik immer wie- der in Frage gestellt wurde. Persönlich und weltanschaulich motivierter Streit so- wie nationale und religiöse Vorurteile konnten sich zuweilen als stärker erweisen als das Bedürfnis nach einer freien Teilhabe am Kommunikationsprozeß.30

Sammeln und Forschen

Die Verständigung über die Sammlung mit ihren Objekten war darüber hinaus eng verknüpft mit dem Prozeß wissenschaftlicher Forschung und einer damit einhergehenden Wissensbildung.31 Die Sammlung war der Ort, an dem die Ob- jekte auf den Prüfstand genauer Beobachtung gestellt und das überlieferte Wissen zusammen mit den traditionellen Autoritäten hinterfragt wurde. Theoretisches Wissen über die Objekte verband sich hier mit der Praxis eines konkreten

28 Diesen Aspekt betont Robert VELLUSIG, Schriftliche Gespräche. Briefkultur im 18. Jahr- hundert, Wien/Köln/Weimar 2000, S. 21. 29 Denis Diderot an Madame de Maux (o. O; o. D.), in: Denis DIDEROT, Briefe 1742–1781, hrsg. von Hans Hinterhäuser, Frankfurt a. M. 1984, S. 312. 30 Dazu Lorraine DASTON, The Ideal and Reality of the Republic of Letters in the Enligh- tenment, in: Science in Context 4 (1991), S. 367–386, und Anne GOLDGAR, Impolite Learning. Conduct and Community in the Republic of Letters 1680–1750, New Haven/London 1995, S. 214. 31 Siehe dazu Anke te HEESEN/Emma C. SPARY (Hrsg.), Sammeln als Wissen. Das Sam- meln und seine wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung, Göttingen 2001. An dieser Stelle eine Bemerkung zur Verwendung der Begriffe ›Wissenschaft‹ und ›Wissenschaftler‹: Wenn im folgen- den von ›Wissenschaft‹ die Rede ist, so sind im allgemeinen die Wissenschaften von der Natur gemeint, für die die englische Bezeichnung ›science‹ steht. Jedoch ist zu bedenken, daß diese Begriffsverengung hin auf die Naturwissenschaften eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts ist. Im 18. Jahrhundert verwendete man dagegen meist die Begriffe ›Naturgeschichte‹ und vor al- lem ›Naturphilosophie‹. Vgl. Dorinda OUTRAM, The Enlightenment, Cambridge 1995, S. 48 f. Gliederung 9 Umgangs mit ihnen.32 Der genaue Blick auf das Detail und die unvoreingenom- mene Beschreibung des Objekts sind dabei unter dem Stichwort Empirie bis heute ein in den Naturwissenschaften gängiges Modell der Wissensaneignung.33 Die Entstehung naturgeschichtlichen Wissens verdankte sich jedoch nicht al- lein einem neuen, empirisch geprägten Blick auf die Natur, sondern ist gleicher- maßen im Zusammenhang eines Bemühens zu verstehen, dieses neue Wissen zu kommunizieren. Dies reichte vom geselligen Miteinander der Forscher bis hin zu den unterschiedlichen Formen der Präsentation des im Umgang mit den Objek- ten gewonnenen Wissens in Form von gedruckten Texten und Abbildungen. Mit den Büchern und Bildern war das Wissen nicht mehr an den konkreten Ort der Sammlung gebunden, sondern suchte sich nun seine Bahnen außerhalb dieses Raums. Das Wissen wie die Objekte selbst gerieten in Bewegung und waren da- mit Teil jener Grundtendenz der Aufklärung, den Zugang zu Wissensbeständen zu erleichtern und den Prozeß der Wissensbildung transparent zu machen. Die neuere Wissenschaftsgeschichte hat diese Mobilisierung der Wissensbestän- de unter dem Leitbegriff der ›Praxis‹ näher zu beschreiben versucht.34 Die Auf- merksamkeit gilt sowohl den Orten der Wissensproduktion – wie etwa dem La- bor und der Sammlung – als auch Forschungsreisen und Expeditionen, in denen die Forscher über weite räumliche Entfernungen hinweg agierten. In der Praxis der Forschung wurden Objekte ausgewählt, ausgewertet und in einen ständig an- wachsenden Bestand an Daten, Informationen und Beobachtungen übersetzt. Auch die Rolle einer am Forschungsprozeß teilnehmenden Öffentlichkeit ist hier- bei wichtig. So zeigt ein Blick auf die Praxis des Experimentierens im späten 17. Jahrhundert, daß die Wahrheit der beobachteten Vorgänge in erheblichem Maße von der Zeugenschaft und der Autorität der am Experiment beteiligten Personen abhing.35

32 Siehe Paula FINDLEN, Die Zeit vor dem Laboratorium. Die Museen und der Bereich der Wissenschaft 1550–1750, in: Andreas GROTE (Hrsg.), Macrocosmos in Microcosmo: Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450–1800, Opladen 1994, S. 191–207, hier S. 195. 33 Siehe dazu Ian HACKING, Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften, Stutt- gart 1996 (engl. 1983), S. 85 f., und Lorenz KRÜGER/Bernhard THÖLE, Empirismus, in: Gerhard KRAUSE/Gerhard MÜLLER (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie, Bd. 9, S. 561–576. 34 Hierzu Jan GOLINSKI, The Theory of Practice and the Practice of Theory: Sociological Approaches in the History of Science, in: Isis 81 (1990), S. 492–505, hier S. 494 f., Bruno LA- TOUR, La science en action. Introduction à la sociologie des sciences, Paris 1995 (engl. 1987), S. 524–557, Christian LICOPPE, La formation de la pratique scientifique. Le discours de l’expé- rience en France et en Angleterre (1630–1820), Paris 1996, S. 16, und Hans Erich BÖDE- KER/Peter Hanns REILL/Jürgen SCHLUMBOHM (Hrsg.), Wissenschaft als kulturelle Praxis 1750– 1900, Göttingen 1999. Die Deutung einer Wissenschaft als Praxis läßt sich dabei bis auf den amerikanischen Pragmatismus mit seiner Betonung praktischer Handlungen gegenüber theore- tischer Erkenntnis zurückführen. Vgl. John DEWEY, Die Suche nach Gewißheit. Eine Untersu- chung des Verhältnisses von Erkenntnis und Handeln, Frankfurt a. M. 1998 (engl. 1927). 35 Siehe dazu Steven SHAPIN, A Social History of Truth. Civility and Science in Seventeenth- Century England, Chicago 1994. 10 Einleitung Der Prozeß der Wissensbildung im Bezugsfeld sozialer Praktiken stellt die Wissenschaften damit in den Zusammenhang eines historischen Wandels. Seit Thomas Kuhns Arbeiten zur Wissenschaftsgeschichte aus den frühen sechziger Jahren wird die Gültigkeit überzeitlicher Kriterien wissenschaftlicher Erkenntnis und dabei das Postulat einer Fortschrittsgeschichte der Wissenschaften zuneh- mend in Frage gestellt.36 Wissenschaftsimmanent wirksame Faktoren wie etwa Rationalität, Objektivität oder Evidenz werden in ihrem Zusammenspiel mit ex- ternen ideen- und sozialgeschichtlichen Faktoren beschrieben. Die Formen des Wissens haben ihre je eigene Geschichte, wie dies etwa Lorraine Daston am Bei- spiel des wissenschaftlichen Leitbegriffs der Rationalität und seiner unterschiedli- chen Erscheinungsformen deutlich machen kann.37 Die Betrachtung der Wissenschaftsgeschichte aus der Perspektive der Praxis zeigt zudem, daß die Entstehung von Wissen in erheblicher Weise von der Inter- aktion der unmittelbar beteiligten Personen und öffentlichen Austauschprozessen abhing. Dabei orientierte sich die Aufbereitung des Wissens, wie Martin Gierl am Beispiel theologischen Debattierens nachweist, zu Beginn des 18. Jahrhunderts zunehmend am Kriterium von Konsens und Wahrheitsverwaltung sowie dem Wunsch, einen Grundbestand an ›wahrem Wissen‹ zu sichern, der im Jahrhundert zuvor noch Gegenstand hitzig und kontrovers geführter Debatten gewesen war.38 Diese pazifizierende Grundhaltung fand ihren Ausdruck nicht zuletzt im naturgeschichtlich orientierten Sammeln selbst, indem Objekte zusammengetragen oder das Wissen über sie in den allerorten publizierten Lexika zugänglich ge- macht wurde. Jedoch ist nicht zu übersehen, daß noch im 18. Jahrhundert eine Sammeltätig- keit dieser Art Ausgangspunkt oft polemischer Kontroversen war, in denen es um die richtige Methode des Wissenserwerbs und vor allem die daraus abzuleitenden Konsequenzen ging. Zwar hatte sich die von Bacon begründete empirische Me- thode der Naturforschung im Laufe des 17. Jahrhunderts als durchaus erfolgreich erwiesen, doch konnte sie die Fragen im Hinblick auf die Stellung des Menschen in der Natur nicht eindeutig beantworten. Es waren damit insbesondere jene moral- philosophisch-theologischen Implikationen einer Naturphilosophie zu klären, die sich in Form einer methodisch fortschreitenden Wissenschaft mit ihren Regeln

36 Siehe Thomas S. KUHN, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2. Aufl. Frank- furt a. M. 1976 (engl. 1962). Ein Überblick zu dieser Diskussion über die Rolle wissenschafts- immanenter und wissenschaftsexterner Faktoren findet sich bei Carl F. GETHMANN, Wissen- schaftssoziologie, in: Jürgen MITTELSTRASS (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 4, Stuttgart/Weimar 1996, S. 735–738. Andere Akzente in dieser Debatte setzen HACKING, Einführung, und Bruno LATOUR, Die Hoffnung der Pandora. Un- tersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft, Frankfurt a. M. 2000 (engl. 1999), die die wis- senschaftliche Praxis im Bezugsfeld eines wissenschaftlichen Realismus deuten. 37 Siehe Lorraine DASTON, Wunder, Beweise und Tatsachen. Zur Geschichte der Rationalität, Frankfurt a. M. 2001, und darüber hinaus auch dies./Katherine PARK, Wonders and the Order of Nature 1150–1750, New York 1998. 38 Dazu Martin GIERL, Pietismus und Aufklärung. Theologische Polemik und die Kommu- nikationsform der Wissenschaft am Ende des 17. Jahrhunderts, Göttingen 1997. Gliederung 11 und Gesetzen als weitgehend autonom darstellte. Das Wissen über den Menschen sowie das Wissen über die Natur erwiesen sich als nicht kompatibel und boten An- laß zu kontroversen Diskussionen.39 Der Erfolg einer auf rationaler Verständi- gung und Spezialisierung beruhenden Disziplin Naturgeschichte läßt sich dem- nach in der Rückschau nicht von seinem weltanschaulich und philosophisch ge- prägten Umfeld trennen. Im Gegenteil muß eine Betrachtung kommunikativer, kultureller und sozialer Praktiken den jeweiligen Gegenstand gerade von den Rän- dern und Kontaktzonen zu anderen Bereichen des Wissens her in den Blick neh- men, um auf diese Weise die engen Grenzen einer Disziplinengeschichte zu über- schreiten.40

Quellen

Die Basis der Arbeit bildet die Auswertung der handschriftlichen Nachlässe von Sir Hans Sloane (1660–1753) und Emmanuel Mendes da Costa (1717–1791) in London sowie Johann Philipp Breyne (1680–1764) in Gotha. Besondere Auf- merksamkeit gilt in allen drei Fällen den gut dokumentierten Briefwechseln und ihrer zentralen Rolle in den Korrespondentennetzwerken des 18. Jahrhunderts.41 Doch rückt die folgende Darstellung nicht einen bestimmten Sammler und sein Umfeld in den Vordergrund, sondern trägt gerade der Vielfalt der einzelnen ›Stimmen‹ im Konzert gelehrten Austauschs Rechnung. Keiner der drei Sammler zeichnet sich durch eine herausragende Leistung auf dem Gebiet der Naturfor- schung aus. Mit ihrer Fähigkeit zu genauer Beobachtung und Beschreibung kön- nen sie jedoch gewissermaßen als Repräsentanten wissenschaftlicher Alltagspraxis betrachtet werden. Die Auswahl Sloanes, Mendes da Costas und Breynes verdankt sich also weniger deren wissenschaftsgeschichtlicher Stellung, als vielmehr der Möglichkeit, an ihrem Beispiel den vielfältigen Kontakten, Verflechtungen sowie Netzwerken im Umfeld des Forschens und Sammelns nachzugehen. Demnach ist es keineswegs die Absicht, die eine Sammlung oder die eine Persönlichkeit in ihrer lokalen Verankerung oder biographischen Besonderheit in den Vordergrund zu

39 Diesen wichtigen Konflikt behandelt umfassend Panajotis KONDYLIS, Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus, Stuttgart 1981, S. 119–124. 40 Zu einer Geschichte der Disziplinarität siehe DASTON, Wunder, S. 23. 41 Eine ältere gedruckte Übersicht zum Nachlaß Sloanes bietet Edward J. L. SCOTT, Index to the Sloane Manuscripts in the British Museum, London 1904. Ein Register der Korrespon- denten ist als Begleitbuch zur Mikrofilmausgabe der Sloane-Briefe zugänglich. Siehe The His- tory of Science and Technology, Ser. I: The Papers of Sir Hans Sloane 1660–1753, Marlborough 1991. Der Bestand des Gothaer Breyne-Nachlasses findet sich bei Helmut ROOB, Jacob und Johann Philipp Breyne. Zwei Danziger Botaniker im 17. und 18. Jahrhundert. Nachlaßverzeichnis, Gotha 1988, verzeichnet. Eine Übersicht über den Nachlaß Mendes da Costas in der British Library London existiert bislang nicht. 12 Einleitung rücken, sondern gerade die im Umfeld faßbaren Kontakte in ihrer Eigenart zu betonen und herauszustellen.42

Gliederung

Die Arbeit gliedert sich in drei Abschnitte. Im ersten Teil werden die Briefnetz- werke vor allem im Wechselspiel von Peripherie und Zentrum betrachtet. In den Blick geraten dabei die Zentren fortschrittlicher Naturforschung wie etwa Lon- don und die Niederlande, aber auch Osteuropa, das mit Danzig und Petersburg über lokale Schwerpunkte verfügte. Eine besondere Bedeutung kam diesem Aus- tausch deshalb zu, weil die Naturforscher des 18. Jahrhunderts im Rahmen von Forschungsreisen damit begannen, weite Räume systematisch zu erschließen, und damit vor der Aufgabe standen, sich über weite Strecken hinweg zu verständigen. Diese erweiterten Möglichkeiten wissenschaftlicher Kommunikation beruhten nicht zuletzt auf einem Appell an gemeinsame Forschungsziele, einer damit verbundenen Rhetorik der Gemeinsamkeit sowie dem Austausch von Gaben und Geschenken. Gerade die Identität als Naturforscher und Sammler führte zu jenen öffentlichen und privaten Verständigungsprozessen, auf denen die natur- geschichtliche Exploration des Raumes wesentlich basierte. Der Sammlungsraum und der Erwerb von Objekten steht im Mittelpunkt des zweiten Teils. Die Ausgangsfrage lautet hierbei, welche Gestaltungsmöglichkeiten das Prinzip Sammlung zwischen individuell gestaltetem Privatraum und öffentlich orientiertem Forschungsraum bot. Im Zusammenhang des überlieferten Bil- dungsideals des Virtuoso war die Sammlung zunächst ganz auf die privaten Bedürfnisse eines einzelnen Sammlers zugeschnitten. Doch im Bezugsfeld physi- kotheologischer Denkmuster wandelte sie sich ab 1700 zu einem auf Transparenz und Öffentlichkeit ausgerichteten Forschungsraum. Dies hängt nicht zuletzt mit der Popularisierung naturgeschichtlichen Sammelns im Zusammenhang einer sich vor allem in England formierenden Konsum- und Warengesellschaft zusammen. Über einen spezialisierten Handel wurden Sammlungsobjekte für breite Kreise verfügbar. Erst das Modell einer öffentlichen, institutionalisierten Sammlung zog dann neue Grenzen. Sie verliefen zwischen den für das allgemeine Publikum zugänglichen Schauräumen und den verborgenen Forschungsräumen hinter den Kulissen der Museen. Das Sammeln und die Wahrnehmung der Objekte wurde auf diese Weise diszipliniert. Anders formuliert: Im Gefüge der neuen Sammlungsarchitekturen wurde Objekten wie Menschen ein fester Platz zugewiesen. Der dritte Teil widmet sich dem Verhältnis von Sammeln und Forschen. Er nimmt die mit der Sammlung in Verbindung stehenden Forschungsaktivitäten näher in den Blick. Zu nennen sind dabei an erster Stelle die Techniken der Ka- talogisierung zur sammlungsinternen Aufbereitung der Objekte. Die Leistung der

42 Um dem Leser die Orientierung bei der Vielzahl meist unbekannter Korrespondenten, Sammler und Forscher zu erleichtern, sei an dieser Stelle ausdrücklich auf die Kurzbiographien im Anhang verwiesen. Gliederung 13 Kataloge bestand darin, daß sie nicht nur Wissen systematisch erfaßten, sondern es in den medialen Zusammenhang gedruckter Bücher und Briefwechsel brachten. Zu diesen Kommunikationsstrategien gehörten zudem Fragebögen und Unterwei- sungen zur Naturgeschichte, mit denen die Forschung und ihre Methoden po- pularisiert und zugleich weitreichende Informationsnetzwerke aufgebaut wurden. Weiterhin gilt der Blick den Forschungsaktivitäten innerhalb der Sammlungen. Es geht hierbei um die Stellung von Sammlungsobjekten als Original- und Beleg- stücke. Das im Laufe des 18. Jahrhunderts einsetzende Bestreben, Sammlungsbe- stände mittels Texten und Bildern zu kommunizieren, stellte deren Wert in Frage. Zudem wandte sich die Neugier des Forschers zunehmend der inneren, unter der Oberfläche verborgenen Struktur der Objekte zu. Die Zerstückelung und Zerstörung im Dienst der Wissenschaft machte aus den Schauobjekten der Sammlung Gegenstände der Wissenschaft. Dieser Prozeß einer Distanzierung des forschenden Sammlers von seinen Objekten zeigt sich zudem an der kritischen Bewertung spektakulärer Sammlungsobjekte, die nun zunehmend als Fälschun- gen entlarvt wurden.

Insgesamt versucht die Arbeit unter den Leitbegriffen von Praxis und Kom- munikation sozial- wie kulturgeschichtliche Aspekte für eine Geschichte des Sammelns fruchtbar zu machen. Das naturgeschichtliche Sammeln steht hier exemplarisch für einen Vorgang, an dem sich gleichermaßen die Formierung kommunikativ-geselliger Praktiken und die Entstehung von Wissen über die ge- sammelten Objekte beobachten läßt. In dieser Betrachtung des Umgangs der Sammler mit ihren Objekten aus dem Blickwinkel der Praxis wird der eingangs erwähnte Verlust der den Sammlungsobjekten eigenen Geschichte deutlich. Auf die Sammlung bezogen bedeuten Austausch und Kommunikation letztlich einen zwischen wissenschaftlicher Distanzierung und persönlicher Lebensgestaltung angesiedelten spezifischen Umgang des Menschen mit seinen Objekten. Aus der Sicht des Literaturwissenschaftlers hat Stephen Greenblatt diesen Vorgang als »Resonanz« zu deuten versucht und damit auf die den Objekten eigene Differenz zwischen unmittelbarer Präsenz und deren historisch fundierter Hermeneutik hingewiesen. Er schlägt damit den Bogen von der Geschichte der Wissenschaften hin zu einer gegenwärtigen Ausstellungspraxis: »Eine resonanzreiche Ausstellung reißt den Betrachter immer wieder aus der Überhöhung isolierter Objekte heraus und geleitet ihn zu einer Reihe implizierter, nur halb sichtbarer Beziehungen und Fragen.«43 Im weiteren Sinne stellt sich hieran anschließend die Frage nach der Geschichte dieser ›Resonanzen‹ selbst. Die vorliegende Arbeit möchte sich als ein Beitrag zu dieser Geschichte verstehen.

43 Stephen GREENBLATT, Resonanz und Staunen, in: Ders., Schmutzige Riten. Betrachtun- gen zwischen Weltbildern, Frankfurt a. M. 1991 (engl. 1990), S. 7–29, hier S. 18.

1. GEMEINSCHAFT

»Die Grenze ist nicht eine räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkun- gen, sondern eine soziologische Tatsache, die sich räumlich formt.«1

Die Sammlung selbst wird nicht allein durch den Sammlungsraum definiert. In der Gemeinschaft der Sammler und dem von ihnen initiierten Austausch werden ihre Grenzen in der alltäglichen Praxis des Sammelns immer wieder aufs neue ge- zogen. Für die Entstehung und den Erhalt einer Sammlung ist die Mobilität der Besitzer und die damit einhergehende Verfügbarkeit der Objekte über die Gren- zen der Sammlung hinaus dabei von entscheidender Bedeutung. Das seit dem 16. Jahrhundert in Europa geläufige Modell einer Gelehrtenrepublik, deren Teil- nehmer auf der Grundlage von Briefen, Zeitschriften und gedruckten Büchern über nationale, sprachliche und ständische Grenzen hinweg miteinander kom- munizierten, trug im Bereich naturgeschichtlicher Sammlungen wesentlich dazu bei, den Zusammenhalt von Besitzern, Forschern und Interessierten zu verstärken. Doch für den einzelnen Sammler waren die Bedingungen, unter denen er seiner Beschäftigung nachging, von Ort zu Ort sehr verschieden. Einerseits bot das Sammeln von Pflanzen, Tieren und Fossilien für den auf dem Lande ansässigen Forscher eine willkommene Abwechslung vom eintönigen Alltag, andererseits sah er sich vom Geschehen in den Zentren der Gelehrsamkeit und des Sammelns isoliert. Dabei waren es gerade Forscher in der Provinz, die in ihrer unmittelbaren Nähe zur Natur der Forschung mit neuen Funden entscheidende Impulse zu geben vermochten. Wiederum anders sah die Situation während längerer Forschungsreisen aus. Hier war der Sammler in einer ihm fremden Umgebung, fernab gewohnter wissenschaftlicher Ressourcen wie etwa Bibliotheken, Sammlungen oder wissenschaftlichen Instrumenten, völlig auf sich allein gestellt. Wenngleich ein genauer Blick auf die Praxis des Forschens und Sammelns das von den Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts oft schöngefärbte Bild einer auf Gegenseitigkeit beruhenden Gelehrtenrepublik zu relativieren vermag, so muß demgegenüber doch die enorme kommunikative Leistung einer Naturforschung betont werden, die sich in zunehmendem Maße an eine breitere, interessierte Öf- fentlichkeit wandte und weite Räume miteinander verband. Diese Gemeinschaft von Sammlern und Naturforschern gilt es unter verschiedenen Aspekten im fol- genden näher in den Blick zu nehmen.

1 Georg SIMMEL, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, hrsg. von Otthein Rammstedt, Frankfurt a. M. 1992 (EA 1908), S. 697. Gaben und Gegengaben 15

1.1 Der Sammler im urbanen Raum

Bei näherer Betrachtung erweist sich der Begriff des wissenschaftlichen Zen- trums als höchst vieldeutig. Wichtige Kriterien können etwa der Ruf der dort le- benden Gelehrten und die von ihnen publizierten Werke sein: »A centre is con- stituted by the fact that works produced there command more attention and acknowledgement than works produced elsewhere.« Dies schreibt der Wissen- schaftssoziologe Rainald von Gizycki, wobei er damit natürlich implizit die Frage stellt, was diese besonderen Leistungen des wissenschaftlichen Zentrums hervor- bringt.2 Denn in Frage kommen hier nicht nur die jeweiligen Forschungsleistun- gen einzelner, sondern vor allem die ein Klima der Forschung und des Austauschs begünstigenden Institutionen, wie etwa Universitäten, Akademien und wissen- schaftliche Gesellschaften. Ebenso spielten damals die informellen Orte geselli- gen Austauschs, für die etwa Clubs oder die für London typischen Coffee Houses stehen können, eine wichtige Rolle. Hier konnten sich die Sammler zwanglos treffen, sich über ihre Projekte gegenseitig auf dem laufenden halten und neue Kontakte knüpfen. Mit dem Blick auf die einzelnen Orte des Sammelns und Forschens stellt sich so insgesamt die Frage nach einer internen Differenzierung dieser Aktivitäten. Das gilt besonders für diejenigen Akteure, die sich außerhalb des Zentrums befinden. Was sind die räumlichen Grenzen eines Zentrums? Fallen seine Grenzen mit denen der Stadt zusammen oder erstreckt es sich bis ins Umland? Oder gibt es im Gegenteil nur bestimmte Bereiche innerhalb der Stadt, die, wie die obenge- nannten Institutionen, gewissermaßen als Zentrum im Zentrum gelten können? Fragen dieser Art lassen sich etwa am Beispiel der Rolle Londons innerhalb der damaligen wissenschaftlichen Welt stellen; Antworten hierauf sollen mit Blick auf einige der dort aktiven Sammler und ihrer Sammlungen versucht werden. Schon die seit dem 17. Jahrhundert stetig wachsende Einwohnerzahl Londons vermag einen ersten Eindruck von der Vorrangstellung dieser Metropole nicht nur innerhalb Englands selbst, sondern auch im europäischen Rahmen zu geben. Sie lag um 1700 bei ungefähr 675 000 und hatte im Jahr 1801, dem Jahr der er- sten genaueren Zählung, mit 900 000 fast die Millionengrenze erreicht. Fast zehn Prozent der englischen Bevölkerung lebten in der Hauptstadt.3 Dem demogra- phischen Wandel entsprach die räumliche Entwicklung. Schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte man damit begonnen, die zwischen der alten City und dem politischen Zentrum Westminster gelegenen freien Flächen zu bebauen. Es ent- standen erste Plätze, sogenannte Squares, deren Häuser vor allem die wohlhaben- deren Einwohner bezogen, womit ein Prozeß der Urbanisierung begann, der we-

2 Rainald von GIZYCKI, Centre and Periphery in the International Scientific Community: Ger- many, France and Great Britain in the 19th Century, in: Minerva 11 (1973), S. 474–494. 3 Siehe Roy S. PORTER, London. A Social History, London 1994, S. 131. 16 Gemeinschaft der durch administrative Grenzen noch durch regulative Vorgaben von Seiten des Staates wesentlich behindert wurde.4 Da London bis ins 19. Jahrhundert über keine eigene Universität verfügte, war die Gründung der Royal Society im Jahre 1662 ein wichtiges Ereignis im Hinblick auf die institutionelle Festigung der Wissenschaften in dieser Stadt.5 Als eine Gesellschaft wissenschaftlich interessierter Amateure stellte sie keine von ihrer Umgebung separierte Körperschaft dar, sondern war im Gegenteil fest ein- gebunden in die Formen urbaner Geselligkeit. Dies wird vor allem deutlich, wenn man die Verhältnisse in Frankreich zum Vergleich heranzieht. Die fast zeitgleich entstandene Académie des Sciences war im wesentlichen das Instrument einer zentralisierten und staatlichen Wissenschaftspolitik und wurde von der Krone un- mittelbar gefördert. Die wenigen Akademiemitglieder stellten als Beste ihres Fachs die Spitze innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft dar und erfreu- ten sich darüber hinaus einer festen und bezahlten Anstellung.6 Dagegen waren die Auswahlkriterien in London weniger streng, was nicht zuletzt damit zusam- menhing, daß die Fellows mit ihren finanziellen Beiträgen unmittelbar zum Er- halt der Gesellschaft beitrugen. Dieses offene Konzept, in dem sowohl Amateure als auch spezialisierte Fachgelehrte Zugang zu den Wissenschaften fanden, war bereits einem der frühen Besucher vom Kontinent nicht entgangen. »Es ist wahr«, so schrieb Voltaire in seinen Lettres Philosophiques 1729, »die Königliche Gesellschaft hatte einen Newton, die hat ihn aber nicht hervorgebracht; sogar unter Kollegen gab es nur wenige, die ihn verstanden hätten; ein Genie wie Newton gehörte zu allen Akademien Europas, weil sie alle viel von ihm zu lernen hatten.«7 Doch übersah Voltaire zugunsten einer von ihm favorisierten Professionali- sierung der Wissenschaften die eigentliche Qualität der Londoner Gesellschaft, in der Wissenschaft als geselliger und im weiten Sinne offener Vorgang betrieben wurde, der es Newton erst ermöglichen sollte, seine europäische Wirkung zu ent- falten. Gleichzeitig sah der Franzose deutlich, daß die Arbeiten Newtons als einem der bedeutendsten Vertreter der damaligen Wissenschaft nicht auf den Gesichtskreis Londons beschränkt blieben; seine Forschungen waren der Besitz aller Gelehrten in ganz Europa. So finden sich in der Académie des Sciences und der Royal Society schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts zwei für das kommende Jahrhundert wegweisende Modelle wissenschaftlicher Organisation: auf der einen Seite freier Zusammen-

4 Siehe dazu die ausführliche Darstellung von John SUMMERSON, Georgian London, London 1962 (EA 1945), S. 40 f. 5 Dazu Michael HUNTER, The Royal Society and its fellows 1660–1700. The morphology of an early scientific institution, London 1982. Siehe auch die ältere Darstellung von C. R. WELD, A History of the Royal Society, Bde. 1–2, London 1848. 6 Siehe dazu Alice STROUP, A Company of Scientists. Botany, Patronage, and Community at the Seventeenth-Century Parisian Royal Academy of Sciences, London 1990, und Roger HAHN, The Anatomy of a Scientific Institution: The Paris Academy of Sciences, 1666–1803, Berke- ley/Los Angeles/London 1971. 7 VOLTAIRE, Briefe aus England, hrsg. u. übers. von Rudolf von Bitter, Zürich 1994, S. 153. Gaben und Gegengaben 17 schluß von Amateuren und Fachwissenschaftlern im Rahmen einer Sozietät, auf der anderen Seite staatliche Wissenschaftsförderung im Rahmen einer elitären Akademie.8 Im Zusammenhang dieser wissenschaftlichen Institutionen zeichnen sich dann um 1700 erstmals die Konturen des modernen Typus des Wissen- schaftlers ab. Er erhält einen anerkannten Platz innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie. Seine Einbindung in die Akademien und Gesellschaften – in das Netzwerk der Gelehrsamkeit – ermöglicht zudem die regelrechte Planung einer wissenschaftlichen Karriere.9 Ihren Sitz fand die Royal Society zunächst in den alten Gebäuden des Gresham College. Es war 1579 auf Initiative und mit finanzieller Unterstützung des Kauf- manns Thomas Gresham zu dem Zweck gegründet worden, daß hier Vorlesun- gen zu allen Bereichen der Wissenschaft stattfinden sollten. Die räumliche Enge machte dann 1711 eine Umsiedlung in ein neues Domizil im Crane Court, in der Nähe der Fleetstreet, notwendig.10 Neben den wöchentlich stattfindenden Sit- zungen des sogenannten Council, in dem laufende administrative und wissen- schaftliche Themen besprochen wurden, bildete auch die Sammlung der Gesell- schaft, das Repository, einen wichtigen Anlaufpunkt. Obwohl diese Sammlung in der nachfolgenden Zeit einen regelrechten Niedergang erlebte, kann sie von Beginn an als ein integraler Bestandteil dieser Neugründung gelten. Sammlung und wissenschaftlicher Diskurs sollten einander ergänzen, wobei dieser Zusam- menhang in erheblichem Maße der Baconschen Tradition einer kritischen Natur- geschichte geschuldet war. Die Sammlung stand im Zeichen der Empirie für einen neuen, unmittelbaren Blick auf die Natur, und es war unter anderem diese Haltung, die wesentlich zum Erfolg der Londoner Gesellschaft beitragen sollte.11 Schon im ersten Band der seit der Gründung bis heute regelmäßig erscheinenden Hauszeitschrift, den Philosophical Transactions (Abb. 1), wurden Mitglieder wie Le- ser dazu aufgefordert, seltene und interessante Naturalien zur Aufbewahrung an das Repository zu schicken: »To which Repository whatsoever is presented as rare and curious, will be with great care, together with the Donors names and their Beneficence recorded, and the things preserved for After-ages«.12

8 Siehe MCCLELLAN, Science, S. xx. Siehe darüber hinaus auch die Übersichtsdarstellungen von Klaus GARBER, Sozietäten, Akademien, Sprachgesellschaften, in: Hans-Jörg SANDKÜHLER (Hrsg.), Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Bd. 1, Hamburg 1990, S. 366–384, ders./Heinz WISMANN, (Hrsg.), Europäische Sozietätsbewegung und demokrati- sche Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung, Tübingen 1996, und Jürgen VOSS, Die Akademien als Organisationsträger, in: Historische Zeitschrift 231 (1980), S. 43–74. 9 Siehe Vincenzo FERRONE, Der Wissenschaftler, in: Michel VOVELLE (Hrsg.), Der Mensch der Aufklärung, Frankfurt a. M. 1996, S. 169–209. 10 Der Kauf wurde von dem seit 1703 als Präsidenten amtierenden Newton in die Wege ge- leitet. Siehe Richard S. WESTFALL, Never at Rest. A Biography of Isaac Newton, Cambridge 1980, S. 676 f. 11 Siehe Michael HUNTER/Paul WOOD, Towards Solomon’s House. Rival strategies for reforming the early Royal Society, in: History of Science 24 (1986), S. 49–108, hier S. 51. 12 Siehe Philosophical Transactions 1 (1666), S. 321. 18 Gemeinschaft

Abb.1: Titelblatt des ersten Bandes der Philosophical Transactions.

Gaben und Gegengaben 19 Die Bemerkung zeigt, daß über den wissenschaftlichen Wert der Stücke hinaus der Spender sich mit seiner Gabe inmitten der Fellows ›verewigen‹ konnte. Auf diese Weise wurde über die Tätigkeit des Sammelns und Beobachtens im Laufe der Zeit ein Netzwerk von Mitgliedern aufgebaut, dessen Fäden in der Royal Society sowie seiner Sammlung zusammenliefen. Zudem wird in dieser Passage die persönliche Bindung der Naturforscher an die Gesellschaft betont, deren Na- men und Geschenke festgehalten und für nachfolgende Forschergenerationen überliefert wurden. Vor dem Hintergrund dieser Bemühungen, den Austausch unter den Sammlern und Gelehrten zu fördern, wird die besondere Rolle naturgeschichtlicher Samm- lungen als Orte der Begegnung wie des Gesprächs verständlich. So genoß beson- ders diejenige des Londoner Arztes und Naturforschers Sir Hans Sloane in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter den Gelehrten in ganz Europa einen be- deutenden Ruf. An seiner Stellung innerhalb der gelehrten Welt läßt sich jenes zu Beginn skizzierte Gefüge von institutioneller Anziehungskraft sowie privater Ge- selligkeit in der wissenschaftlichen Forschung näher beschreiben und zugleich die Rolle eines urbanen Zentrums für die Aktivitäten naturgeschichtlich orientierter Sammler aufzeigen. Als Sohn eines Steuereinnehmers 1660 in der nordirischen Provinz Down ge- boren, entstammte Sloane eher bescheidenen Verhältnissen.13 Im Jahr 1680 kam er nach London, wo er zunächst pharmazeutische, chemische und medizinische Studien betrieb. Im Zusammenhang mit diesen Interessen lernte er und Robert Boyle kennen, die, wesentlich älter als er, zu den herausragenden Vertre- tern der damaligen englischen Naturforschung gehörten und deren Freundschaft sich für seine spätere Karriere als nützlich erweisen sollte. Sloane setzte zunächst seine Studien in Frankreich fort, wo er – nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Paris und am dortigen botanischen Garten – 1683 an der Universität von Orange seinen medizinischen Doktortitel erwarb.14 Im folgenden Jahr fand er Aufnahme in die Royal Society, an der er schon bald als zweiter Sekretär für die

13 Zur Biographie Sloanes siehe vor allem den Lebensabriß von Arthur MACGREGOR, The Life, Character and Career of Sir Hans Sloane, in: Ders. (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Collector, Scientist, Antiquary, Founding Father of the British Museum, London 1994, S. 11–44 (mit aus- führlicher Literatur). Ältere Darstellungen finden sich bei Gavin R. DE BEER, Sir Hans Sloane and the British Museum, London 1953, Eric SAINT JOHN BROOKS, Sir Hans Sloane: The great collector and his circle, London 1954, und Edward P. ALEXANDER, Sir Hans Sloane and the British Museum: From Collection of Curiosities to National Treasure, in: Ders., Museum Masters, Nashville/Tenn. 1983, S. 19–42. Erwähnenswert sind an dieser Stelle auch die genealogische Studie von William R. SLOAN, Sir Hans Sloane. Founder of the British Museum. Legend and Lineage, Helen’s Bay 1981, sowie Marten ULTEE, Sir Hans Sloane. Scientist, in: British Library Journal 14 (1988), S. 8–21. Hingewiesen sei ebenfalls auf das Buch von Martin BROWN, Hans Sloane. 1660–1753, Belfast 1995, bei dem es sich um ein mit vielen farbigen Zeichnungen ver- sehenes Übungsbuch zur Begleitung des Naturkundeunterrichts an Grundschulen handelt und das in einer Reihe mit dem Titel ›Irish Scientists and Inventors‹ erschienen ist. 14 Die dortige Universität war bekannt für ihre damals vergleichsweise einfachen Studienbedin- gungen sowie Prüfungen und lag zudem auf dem Territiorium des protestantischen Fürsten- hauses der Oranier. 20 Gemeinschaft Abwicklung der ausländischen Korrespondenz und der damit verbundenen Her- ausgabe der Transactions verantwortlich war. Gleichzeitig verfolgte er zielstrebig den Aufbau einer medizinischen Praxis in London. Eine Einladung des Duke of Albemarle, des neuernannten Gouverneurs von Jamaika, ihn als Arzt nach West- indien zu begleiten, bot ihm 1687 die Gelegenheit, sich in den folgenden zwei Jahren als Botaniker mit einer bis dahin noch weitgehend unbekannten exoti- schen Fauna und Flora zu beschäftigen. Das von dort mitgebrachte Material bil- dete die Keimzelle seiner in den folgenden Jahren bis zu seinem Tod 1753 stän- dig anwachsenden Sammlungen. Seine Erfahrungen und den wissenschaftlichen Ertrag dieser Reise legte er in zwei Publikationen nieder: im 1696 erschienenen Catalogus Plantarum jamaikanischer Pflanzen und in einer umfangreichen, in zwei Bänden zwischen 1707 und 1725 veröffentlichten Reisebeschreibung.15 Sloane etablierte sich in London nicht nur als erfolgreicher Arzt – 1727 wurde er Leibarzt des Königs –, sondern machte auch als Naturforscher innerhalb der Royal Society Karriere, zu deren Präsident er ebenfalls 1727 als Nachfolger Newtons gewählt wurde. Ein um diese Zeit entstandenes Porträt zeigt ihn in re- präsentativer Pose auf einem reichgeschnitzten Lehnstuhl vor einem Schreibtisch sitzend (Abb. 2). Die Äskulapfigur im Hintergrund ist das Attribut seines Berufsstandes und das oberhalb der Lehne angebrachte Wappen mit der Inschrift ›Nullius in Verba‹ ist dasjenige der Royal Society. Ob es sich bei dem Schriftstück in seinen Händen um einen Brief, ein Rezept oder um ein mögliches Ernennungsschreiben handelt, ist nicht näher auszumachen, es verdeutlicht jedoch wie die anderen Attribute die wichtige Stellung, die er als Gelehrter, Wissenschaftsorganisator und nicht zuletzt als reicher Mann von Welt inmitten der vornehmen Londoner Gesellschaft einnahm.16 Dieser gesellschaftliche Aufstieg als Arzt und Wissenschaftler spiegelt sich auch in seinem Wohnsitz wieder. Schon 1695 erwarb er ein Haus am vornehmen Bloomsbury-Square, im Jahr 1711 erfolgte dann der Kauf eines Landgutes in Chelsea, wohin er dann 1742 endgültig umzog (Abb. 3, 4).

15 Siehe Hans SLOANE, Catalogus Plantarum quae in Insula Jamaica sponte proveniunt, vel vulgo coluntur, cum eaundem synonymis & locis natalibus; adjectis aliis quibusdam quae in Insulis Maderae, Barbados, Nieves, & Sancti Chistophori nascuntur. Seu Prodromi Historiae Naturalis Jamaicae pars prima, London 1696, und A Voyage to the Islands Madera, Barbadoes, Nieves, St Christophers, and Jamaica; with the Natural History of the Herbs and Trees, Four- footed Beasts, Fishes, Birds, Insects, Reptiles, &c. of the last of those Islands … In large Cop- per-Plates as big as the Life, Bde. 1–2, London 1707–1725. 16 Die Londoner Dilettanti Society gab 1730 mehr als vier Pfund für den aufwendig gestalteten Stuhl ihres Präsidenten aus; siehe Peter CLARK, British Clubs and Societies 1580– 1800. The Origins of an Associational World, Oxford 2000, S. 247. Zu diesen Formen bürger- licher und gelehrter Selbstdarstellung gehört auch eine um 1732 von der Londoner Society of Apothecaries in Auftrag gegebene lebensgroße Marmorstatue Sloanes. Sie fand Aufstellung im Apothecaries Garden in Chelsea, den Sloane dieser Gesellschaft zur Verfügung gestellt hatte. Heute ziert sie die Eingangshalle der neuen British Library. Gaben und Gegengaben 21

Abb. 2: Hans Sloane als Präsident der Royal Society. Gemälde John Vanderbank (1694–1739) zugeschrieben.

22 Gemeinschaft

Abb. 3: Der Bloomsbury Square im frühen 18. Jahrhundert. Im Hintergrund sind die noch offenen Felder im Norden Londons zu sehen. Sloanes Haus befindet sich in der Häuserreihe rechts von Southampton Palace. Kupferstich von Sutton Nicholls.

Gaben und Gegengaben 23

Abb. 4: Das Manor House in Chelsea, damals noch ein Dorf im Südwesten Londons. Kupferstich 1829.

Beide Häuser boten ausreichend Raum sowohl für seine medizinische Praxis als auch für seine umfangreichen Sammlungen.17 Die Sammlung am Bloomsbury Square entwickelte sich bald zu einem wich- tigen Treffpunkt für Gelehrte und allgemein wissenschaftlich Interessierte in Lon- don. Dabei verbanden sich zwanglos gelehrte, gesellige und repräsentative Funk- tionen miteinander. Gavin R. De Beer bemerkt über den Gastgeber: »When Sloane had become famous and his house was full of his collections, he set aside a day in the week for the entertainment of his scientific friends by means of a dinner and conversazione.«18 Regelmäßige Besuche dieser Art brachten es mit sich, daß sich einige der Gäste im Laufe der Zeit mit der Sammlung und den Räumlichkeiten bestens vertraut zeigten: »If I mistake not«, wandte sich der mit Sloane befreundete Sammler Peter Collinson brieflich an seinen Kollegen, »I remember to have seen you have a great number and Variety of Duplicates in a Cabinet on the left Hand as I went into the Roome where the Mummy lies.«19 Selbst die königliche Familie fand ihren Weg in die Sammlung des Londoner Arz- tes. Im Jahr 1748 statteten der Prinz und die Prinzessin von Wales dem alten Sloane in Chelsea einen Besuch ab, über dessen Verlauf wir aus einem ausführli- chen Bericht im Gentleman’s Magazine näheres erfahren.20 Cromwell Mortimer, ehemaliger Sekretär Sloanes, führte den herrschaftlichen Besuch durch die Samm-

17 Leider existieren, soweit mir bekannt, keine Abbildungen, die eine Vorstellung von der räumlichen Anordnung der Sloane-Sammlung geben könnten. 18 DE BEER, Sloane, S. 56. 19 Peter Collinson an Sloane, London (o. D.), BL, Sloane 4058, fol. 170r. 20 Der Bericht ist wiederabgedruckt in MACGREGOR, Sloane, S. 34 f. 24 Gemeinschaft lung, eine Aufgabe, die Sloane wegen seines hohen Alters selbst nicht mehr übernehmen konnte. Einer der Höhepunkte war die Begegnung zwischen dem Prinzenpaar und dem Sammler: »The Prince took a chair and sat down by the good old gentleman some time, when he expressed the great esteem and value he had for him personally, and how much the learned world was obliged to him for his having collected such a vast library of curious books, and such immense treasures of the valuable and instructive productions of nature and art.«21 Einige Jahre zuvor, 1727, hatte schon Queen Caroline, die Gemahlin des im glei- chen Jahr auf den Thron gekommenen Georg II., Sloanes Sammlung besucht. Auch damals wurde der Besuch einer breiteren Öffentlichkeit mitgeteilt: Die Ga- zette de Hollande veröffentlichte einen Bericht über dieses Ereignis und trug damit nicht unwesentlich zum weiteren Ruhm der Sammlung über die Grenzen Lon- dons hinaus bei.22 Doch nicht jeder dieser adligen Besucher zeigte sich gleichermaßen beein- druckt. Es war die Duchess of Portland, die, nachdem sie einige Gegenstände der Sammlung betrachtet hatte, gegenüber einer Freundin bekannte: »I’m but just come from Sir H. S.’s, where I have beheld many odder things than himself & though none so inconsistent«.23 Formen urbanen Witzes dieser Art auf Kosten von Gelehrten und Sammlern, die sich nur allzu leicht dem Verdacht der Pedanterie aussetzten, gehörten jedoch fast schon wieder zum guten Ton. Sie waren immer auch Teil jener zwischen Literaten wie Gelehrten heftig ausgetragenen Streitereien und Debatten, die sich um das Thema des Vorrangs antiker und mo- derner Bildung drehten und in England um 1700 unter dem Titel ›Battle of the Books‹ geführt wurden.24 Wenngleich dieser Streit zunächst unter den Überset- zern und Herausgebern klassischer Autoren ausbrach, so ergriffen bald die Na- turforscher auf Seiten der Modernen Partei, eine Haltung, die nicht weiter über- raschen kann, gaben sie doch zumeist den neuesten Ausgaben der Transactions den Vorzug vor den Neuerscheinungen zur klassisch-antiken Literatur. Doch vor allem wurden die naturhistorischen Sammlungen durch Debatten dieser Art Teil einer sich neben den Wissenschaften etablierenden adligen und bürgerlichen Gesprächs- und Diskussionskultur und erreichten darüber hinaus jenseits der

21 Ebenda. 22 John Thomas de Woolhouse, Arzt am Pariser Blindenhospital und Korrespondent Sloanes, erwähnt diesen Besuch in einem seiner Briefe: »Monsieur Je n’ay appris que par la Gazette d’Hollande l’honneur et la Justice que la Reine a bien voulu vous faire en venant voir vostre Cabinet Magnifique, et en voulant bien diner chez vous, dont je vous felicite de tout mon Coeur, et cet Evenement a tellement reveillé la vielle verve de ma Muse.« Woolhouse an Sloane, [Paris 1727,] BL, Sloane 3516, fol. 80r. Auch ein anderer Korrespondent, G. L. Teissier, erwähnt die- sen Besuch gegenüber Sloane. Siehe Teissier an Sloane, Bath, 4. Mai 1728, BL, Sloane 4049, fol. 158r. Woolhouse fühlte sich sogar veranlaßt, ein Lobgedicht auf Sloane und seine Sammlung zu verfassen. Siehe BL, Sloane 3516, fol. 4; 79. 23 Zit. nach DE BEER, Sloane, S. 117; 125. 24 Umfassend dazu Joseph M. LEVINE, The Battle of the Books. History and Literature in the Augustan Age, Ithaca/London 1991. Gaben und Gegengaben 25 Forschung im engeren Sinne mit den Halbinteressierten, Dilettanten und Müßiggängern ein breiteres Publikum. Ein weiterer Knotenpunkt innerhalb des urbanen Netzwerks gelehrter Kontakte war der Physic Garden in Chelsea, dessen Geschichte unmittelbar mit der Person Sloanes verknüpft ist.25 Sein Vorläufer war der seit dem späten 17. Jahrhundert existierende Apothecaries Garden in Chelsea, der von der Worshipful Society of Apothecaries of London betreut wurde.26 Als Sloane ihn 1712 zusammen mit seinem Landsitz in Chelsea erwarb, begann ein neues Kapitel in dessen Ge- schichte. Er verblieb zwar für einen symbolischen Pachtzins unter der Aufsicht der Apotheker, wurde aber auf Sloanes Initiative hin als eine Art Außenstelle der Royal Society wesentlich umgestaltet und ausgebaut: »There were library and meeting rooms above and the main block was flanked by lean-to houses which were heated both by stoves and by beds of fermenting tan-bark«.27 Als Glücks- griff erwies sich dabei die Berufung von Philipp Miller, unter dessen langjähriger Leitung eine Fülle von exotischen Pflanzen, vor allem aus der Neuen Welt, kul- tiviert und Forschern wie Sammlern zur Verfügung gehalten wurden. Chelsea war zu dieser Zeit noch ein kleines Dorf im Umkreis Londons, weit ent- fernt von der City, dem kommerziellen Zentrum der Metropole. Inmitten der unübersehbaren Zahl von Geschäftsstraßen zwischen London Bridge im Osten und Fleetstreet im Westen lagen dann die Treffpunkte, die von den Londoner Naturforschern als Orte eines alltäglichen und informellen wissenschaftlichen Aus- tauschs häufig frequentiert wurden.28 Zu ihnen zählten etwa der 1689 gegründete Temple House Botany Club, eine kurzlebige, 1721 von Patrick Blair und gegründete botanische Gesellschaft, die sich im Rainbow Coffee House in der Watlin Street traf, und die Society of Aurelians, die seit 1740 mit Unter- brechungen existierte und an der vor allem die Entomologen Moses Harris und Bernard Wilkes beteiligt waren. Gesellschaften dieser Art können als ein lokales Gegenstück zur großen, international agierenden Royal Society angesehen wer- den. Dies zum einen deshalb, weil sich in ihrem Rahmen speziellere Forschungs- interessen verfolgen ließen, zum anderen weil hier jene komplizierten Auswahl- verfahren und die relativ hohen Mitgliedsbeiträge fehlten, die für viele Interes- sierte den Zugang zur Royal Society erschwerten.

25 Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch das Royal Observatory in Greenwich und das Royal College of Physicians, dessen Präsident Sloane von 1719 bis 1735 war. 26 Siehe The Chelsea Physic Garden, edited by The Curators of the Physic Garden, London 1991. 27 Ebenda, S. 8. 28 Siehe Larry STEWART, Other centres of calculation, or, where the Royal Society didn’t count. Commerce, coffee-houses and natural philosophy in early modern London, in: The British Journal for the History of Science 32 (1999), S. 133–153. Klassische Darstellungen zu diesem Thema stammen von Ellis AYTOUN, The Penny Universities. A History of the Coffee-Houses, London 1956, und Bryant LILLYWHITE, London Coffee Houses, London 1963. Einen umfas- senden Überblick über die englischen Clubs und Gesellschaften dieser Zeit bietet CLARK, Clubs, hier S. 63; 74, sowie speziell für den Bereich der Naturgeschichte David E. ALLEN, The naturalist in Britain. A social history, London 1976. 26 Gemeinschaft Doch in der Praxis lassen sich die Royal Society und die in ihrem Umfeld ent- stehenden kleineren Gesellschaften nicht genau auseinanderhalten. Im Gegenteil waren es gerade die Mitglieder der Royal Society, für die das informelle Kollo- quium im Coffe House eine willkommene Abwechslung bot. So war Sloane ein häufiger Gast im Temple House Botany Club, in dem sich die an der Natur- geschichte interessierten Mitglieder der Royal Society regelmäßig trafen. Man war dort nicht an das offiziöse Zeremoniell der wöchentlichen Sitzung im Council der Royal Society gebunden, sondern konnte sich hier oder an anderen Orten ganz ungezwungen verabreden. So schrieb der Botaniker Nehemiah Grew in einem Bil- let an Sloane: »If you intend to be at our Club this afternone, pray, as you go […] call of me in Racquet Court a little above Fleet Bridge, because I shall not be there«.29 Für den schottischen Arzt Charles Preston war diese Art des wissen- schaftlichen Diskurses ein Vorbild, das bis in das ferne Edinburgh ausstrahlte: »We have also begun a virtuoso Meeting every moonday such as you’ve att the temple coffehouse & dicourse of philosophick matters it begins to be pretty well frequented.«30 Ein Treffpunkt der besonderen Art war Don Saltero’s Coffee House in Chel- sea.31 James Salter, ein ehemaliger Diener Sloanes, hatte es 1695 eröffnet und ne- benher darin auch einen Barbierladen betrieben. Nach und nach hatte er von sei- nem ehemaligen Herrn eine stattliche Anzahl von Naturalien und Kuriositäten geschenkt bekommen, mit denen er sein Lokal ausstattete, das mit der Zeit unter dem Namen My Museum Coffee House bekannt wurde. Dieser Ort scheint nicht nur unter Sammlern, sondern auch unter Literaten beliebt gewesen zu sein. Ri- chard Steele, Herausgeber und Autor der Wochenschrift The Tatler, widmete ihm einen ausführlichen Bericht, in dem er die ohne Frage sehr exzentrische Persön- lichkeit Mr. Salters in den Mittelpunkt stellte, der seinen Gäste nicht nur mit Aderlässen zu Diensten stand, sondern sich, inmitten seiner kuriosen Einrich- tung, auch mehr schlecht als recht auf der Violine übte.32 Diese Verbindung von Geselligkeit und gesammelten Kuriositäten scheint jedoch nicht einmalig gewe- sen zu sein. In seinen Tagebüchern berichtet Ralph Thoresby, ein Sammler aus Leeds, von einem gewissen Mr. Miers in London: »[He] hath a handsome collec- tion of curiosities in the room where the virtuosi meet.«33

29 Siehe Nehemiah Grew an Sloane, London, 14. März 1692, BL, Sloane 4036, fol. 309r. 30 Charles Preston an Sloane, Edinburgh, 18. Oktober 1705, BL, Sloane 4040, fol. 79v. 31 Siehe den gleichnamigen Artikel in Ben WEINREB/Christopher HIBBERT (Hrsg.), The Lon- don Encyclopaedia, London 1995, S. 240. 32 »When I came into the coffee-house, I had not time to salute the company, before my eye was diverted by ten thousand gimcracks round the room, and on the ceiling. When my first astonishment was over, comes to me a sage of a thin and meagre countenace; which aspect made me doubt, whether reading or fretting had made it so philosophic«. The Tatler Nr. 35 (28. Juni 1709). 33 P. C. D. BREARS, Ralph Thoresby. A Museum Visitor in Stuart England, in: Journal of the History of Collections 1 (1989), S. 213–224, hier S. 218. Gaben und Gegengaben 27 Wie im Falle Sloanes, so ist auch die Karriere des Fossiliensammlers und -for- schers Emmanuel Mendes da Costa untrennbar mit diesen urbanen Netzwerken verbunden. Sein 1755 anläßlich der Aufnahme in die deutsche Naturforschende Gesellschaft, die Leopoldina, verfaßter kurzer Lebenslauf macht dies deutlich.34 Zu seinen Gönnern – »patrocinii me dignati sunt« –, die ihn bei seinen ersten Studien auf dem Gebiet der Naturgeschichte unterstützt hätten, zählte er unter anderen Hans Sloane, Martin Folkes – Sekretär der Royal Society und einer der ersten Präsidenten der Society of Antiquaries –, den Arzt Richard Mead und die Duchess of Portland. Aber auch die diversen wissenschaftlichen Zirkel und Ge- sellschaften waren in dieser Hinsicht für ihn von Bedeutung: 1740 wurde er Mit- glied der Aurelian Society und ein Jahr später zum Fellow der Royal Society er- nannt.35 Im Jahr 1756 veröffentlichte er seine History of Fossils nachdem er schon zuvor mit einer Reihe von Aufsätzen in den Transactions zu diesem Thema her- vorgetreten war. Anders als Sloane, der als Sammler auf so gut wie allen Gebieten der Naturgeschichte zu Hause war, sah Mendes da Costa sein eigentliches Forschungsfeld im Bereich der Mineralogie und Fossilienkunde. Nach einem län- geren Aufenthalt in den Niederlanden 1748 begann er in den folgenden Jahren zielstrebig mit dem Aufbau einer eigenen Spezialsammlung, aus deren Bedeutung er gegenüber seinen vielen Korrespondenten keinen Hehl machte.36 Einen weiteren Mittelpunkt seiner Aktivitäten bildete von 1762 bis 1767 der Ausbau und die Renovierung des Repository der Royal Society, zu dessen damaligem Kurator – dem Sloane-Intimus Cromwell Mortimer – er intensive Kontakte un- terhielt. Ende der 1750er Jahre gehörte er damit zu einem der anerkannten Mit- glieder innerhalb der Londoner Scientific Community. Von Mendes da Costa ist ein Verzeichnis unter dem Titel Notices and Anecdotes of Literati and Collectors überliefert, in das er mit kurzen Stichworten und Charak- teristiken insgesamt 109 Sammler vornehmlich aus dem 18. Jahrhundert ein- trug.37 Diese Liste gibt nicht nur Auskunft über die einzigartige Dichte an pri- vaten Sammlungen im London des 18. Jahrhunderts, sondern spiegelt auch gleich-

34 Siehe Mendes da Costa an Andreas Elias Büchner, London, 11. April 1755, BL, Add. 28.535, fol. 256r. Er war in die Leopoldina, wie er mit einigem Stolz bekannte, als 579. Mitglied unter dem Namen ›Plinius IV‹ aufgenommen worden. Seine Vorgänger gleichen Namens – auch das schien ihm erwähnenswert – waren der Amsterdamer Sammler Georg Rumph, der Leipziger Apotheker Linck und der italienische Forscher Paolo Boccone. Siehe Mendes da Costa an Schlosser, London, 20. Januar 1759, BL, Add. 28.544, fol. 261r. 35 Siehe P. J. P. WHITEHEAD, Emanuel Mendes da Costa (1717–1791) and the Conchology, or natural history of shells, in: Bulletin of the British Museum of Natural History, Hist. Series 6 (1977), S. 1–24. 36 An Peter Ascanius schrieb er 1760: »My Cabinet is the only private one in England where You will find Series’s of Stone, of Strata Saxa, Bergarten, Lava &c as well as beautifull Agats, Jaspers, Cristals or Rich Ores and tho there are of these in Sr. Hans Sloane’s Cabinet yet they are far from being in proportionate degree to the other classes of fossils.« BL, Add. 28.534, fol. 131r. 37 Siehe [Emmanuel MENDES DA COSTA,] Notices and Anecdotes of Literati, Collectors, &c. from a MS. by the late Mendes de Costa, and collected between 1747 and 1788, in: Gentleman’s Magazine 82 (March/June 1812), S. 205–207; S. 513–517. 28 Gemeinschaft zeitig Mendes da Costas Bestreben wieder, seine eigene, wichtige Stellung inner- halb dieser Welt der Sammler und Naturforscher zu dokumentieren. Sein Ehr- geiz, sich in dieser Welt zu bewähren, ist hier, außerhalb seiner umfangreichen Korrespondenz, häufig zu bemerken. Über seine Begegnungen mit dem Sammler Joseph Dandridge berichtet er: »I used to be frequently with him in the summer of 1740, and, though he was then upwards of 80, he was extremely affable and communicative. He told me many anecdotes of the old collectors, was very merry and chatty […] He had a fine collection of natural history, as fossils, birds, shells, &c; but his chief display was in insects, well kept and judiciously arranged, and shewed them with great pleasure, and with instruction.«38 Auch zu anderen Naturforschern – so etwa dem Botaniker Mark Catesby – unter- hielt er Kontakte. Es waren hier vor allem diejenigen der älteren Generation, die er noch kurz vor ihrem Tod kennenlernte oder mit deren Erben er Kontakt auf- nahm. Über Charles Dubois berichtete er 1740: »His heirs were Mr. Waldo, who married his neice, and her sister. Was a great and celebrated botanist, and had an excellent botanic garden to his house on the upper green […] at Mitcham, in Surry. He had collections of shells, fossils &c of which I saw some at Mr. Waldo’s junior, about 1760.«39 Die Leistungen Mendes da Costas als Forscher und Sammler sind jedoch umso höher zu bewerten, da ihm als Kind sephardisch-jüdischer Einwanderer ein natur- geschichtliches Studium an den beiden englischen Universitäten verschlossen war. Er war gezwungen, sich als Autodidakt seine umfangreichen Kenntnisse anzu- eignen. So unterschiedlich die gesellschaftliche Stellung Sloanes und Mendes da Costas auch immer gewesen sein mag: Ihre Interessen als Sammler und Naturforscher bildeten einen gemeinsamen Nenner, der die Begegnung und den Austausch be- günstigte. London als Zentrum von Naturforschung und Gelehrsamkeit ermög- lichte auf diese Weise innerhalb der Netzwerke der Gelehrsamkeit eine gemein- same Identität als Sammler und Naturforscher.

Das erweiterte Zentrum Die Stellung Londons als wissenschaftliches Zentrum war in erheblichem Maße von äußeren Einflüssen bestimmt. Das Netzwerk wissenschaftlicher Kontakte erweiterte sich über die Grenzen der Stadt hinaus. Es entstand so etwas wie ein wissenschaftlicher Verdichtungsraum, wobei die Mobilität der Studierenden hier von großer Bedeutung war. Viele der Studenten unterbrachen ihr Studium in Pa- ris oder Leiden, um während eines Aufenthalts in London neue Erfahrungen zu sammeln oder Kontakte zu den dortigen Naturforschern zu knüpfen. Wenngleich

38 Ebenda, S. 514 (Nr. 53). 39 Ebenda, S. 206 (Nr. 30). Gaben und Gegengaben 29 ein Universitätsstudium in London nicht in Frage kam, so lag doch die Anzie- hungskraft der Stadt – neben vielem anderen – gerade in der Dichte der dortigen Aktivitäten auf dem Gebiet der Naturforschung. Ein Aufenthalt dort konnte ne- ben Einblicken in neueste Forschungen zu oft lebenslangen Kontakten in Form einer späteren Korrespondenz führen. Die nahe London gelegenen Universitäten Oxford und Cambridge wiederum waren eine Attraktion für gelehrte Besucher, die einen Aufenthalt in London häufig mit einem Abstecher in diese Stätten tra- ditioneller Gelehrsamkeit verbanden. Insgesamt zeigt sich eine vor allem auf per- sönlichen Kontakten beruhende hohe Mobilität von Studierenden und Gelehr- ten, bei der sich hergebrachte Studienverläufe mit der Neugier auf neue Formen von Forschung und Wissenschaft vereinten.40 Die enge Verbindung Englands mit Leiden geht vor allem auf das Wirken des dort lehrenden Mediziners Hermann Boerhaave (1668–1738) zurück.41 Seine me- dizinischen Ansichten waren vor allem durch die Physik Newtons bestimmt, auf deren Grundlage er es unternahm, die Funktionsweise der Lebewesen nach phy- sikalisch-mechanistischen Modellen zu erklären. Die hieraus resultierende metho- dische und theoretische Neuorientierung der Medizin trug erheblich zur Attrak- tivität Leidens als Universitätsstadt bei. Sie wurde damit in gewisser Hinsicht zu einem Außenposten der neuen englischen Naturphilosophie, die an den beiden englischen Universitäten bisher kaum hatte Fuß fassen können. Viele englische Mediziner hatten deshalb in der ersten Jahrhunderthälfte ein Studium in Leiden begonnen, von wo aus sie ihr Wissen mit in die Heimat brachten. Wie erfolgreich diese neue Richtung der Naturphilosophie war, läßt sich auch daran ablesen, daß ein Studium bei Boerhaave fast als Freibrief für eine spätere Karriere als Mediziner in England gelten konnte.42 Um 1700 entstand so ein komplexes Netz-

40 Auf die Bedeutung Italiens sei in diesem Zusammenhang nur am Rande verwiesen. Die Akademien und Universitäten in Padua und Bologna konnten nach wie vor europäischen Rang beanspruchen, doch existierte im Vergleich zu Leiden, London und Paris dort kein Raum ähn- licher wissenschaftlicher Konzentration. Wieweit dies im Zusammenhang einer von Braudel postulierten Verlagerung von Wirtschaftsräumen vom Mittelmeer nach Nordeuropa zu begreifen ist, wäre eine nähere Untersuchung wert. Auch die Verbindung von Technik und Wissenschaft im Kontext der Industrialisierung des späteren 18. Jahrhunderts scheint dabei eine Rolle zu spielen. Der Begriff ›Verdichtungsraum‹ wird hier in Analogie zu den von Braudel diskutierten ›Wirtschaftskreisen‹ gebraucht, ohne allerdings speziell ökonomische Zusammenhänge mitzudenken. Siehe Fernand BRAUDEL, Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts, Bd. 3: Aufbruch zur Weltwirtschaft, München 1986 (frz. 1979), S. 24 f. Die Akademien Italiens beschreibt Michele MAYLENDER, Storia delle accademie d’Italia, Bde. 1–5, Bologna 1926–1930. 41 Siehe E. G. RUESTOW, Physics at 17th and 18th Century Leiden, Den Haag 1973; G. A. LINDEBOOM, Boerhaave and Great Britain. Three Lectures on Boerhaave with particular refer- ence to his relations with Great Britain, Leiden 1974, und E. Ashworth UNDERWOOD, Boer- haave’s Men at Leiden and after, Edinburgh 1977. Einen guten Überblick über das naturwissen- schaftliche Studium in Leiden im 18. Jahrhundert bietet auch die vom dortigen Boerhaave-Mu- seum herausgegebene Schrift: Newtons erfenis. Nederland, de natuurwetenschappen en de verlichting, Leiden 1989. 30 Gemeinschaft werk gegenseitiger Empfehlungen und persönlicher Kontakte zwischen London und Leiden, das den Wissenstransfer in Richtung England bestimmte.43 Obwohl Sloane selbst nicht in den Niederlanden studiert hatte, verfügte er den- noch über gute Beziehungen zu niederländischen Gelehrten und Sammlern.44 Zu ihnen zählten neben Boerhaave der Mediziner sowie die Sammler Levinus Vincent, Paul Hermann und Albert Seba. Sloanes Interesse an niederländischen Sammlungen bekundete sich auch darin, daß er 1711 seinen Kollegen James Petiver mit dem Auftrag in die Niederlande schickte, auf einer Versteigerung des Nachlasses von Hermann mitzubieten.45 Daß Sloane mit Boer- haave bekannt war, bezeugt Alexander Stuart, der in Leiden Medizin studierte und dem Boerhaave riet, sich wegen Pflanzenproben aus dem Physic Garden in Chelsea direkt an Sloane zu wenden.46 Über die Art und Weise des Studiums in Leiden konnte Sloane durch seinen Enkel Rose Fuller, der sich dort 1729/30 aufhielt, aus erster Hand Näheres erfahren. So berichtete dieser über die große Wirkung, die Boerhaave in seinen Vorträgen erzielte und über seine Fähigkeit, komplexe Sachverhalte durch anschauliche Beispiele verständlich zu machen.47 Ein Abstecher nach Amsterdam führte Fuller in die Kabinette von Seba und Ruysch, wobei allerdings, wie er berichtete, keine der Sammlungen im Vergleich mit der seines Großvaters bestehen könne.48 Mit Fuller gerät Paris als ein weiteres Zentrum ins Blickfeld, denn Sloane hatte seinem Enkel geraten, seine Studien mit dem Beginn des folgenden Jahres in der

42 »In english-speaking countries – and, as far as I kow, in other countries also – to have been promoted by Boerhaave was always regarded as a singular honour. Men who had been thus favoured never forgot the fact, and it was not infrequently recorded in their obituary notices.« UNDERWOOD, Boerhaave’s Men, S. 61. 43 Siehe Trevor H. LEVERE, Relations and rivalry: Interactions between Britain and the Netherlands in eighteenth-century science and technology, in: History of science 9 (1970), S. 42– 53, hier S. 46. Von großer Bedeutung für die Etablierung der neuen Wissenschaften in England war auch Edinburgh, dessen medizinische Schule sich stark nach Leiden hin orientierte. Dazu John R. R. CHRISTIE, The origins and development of the scottish scientific community, 1680– 1760, in: History of Science 12 (1974), S. 122–141, hier S. 128. 44 Siehe LINDEBOOM, Boerhaave, S. 18, und DE BEER, Sloane, S. 80. 45 Siehe Petiver an Sloane, Amsterdam, 29. Juli 1711 (Entwurf), BL, Sloane 4042, fol. 305v. 46 Siehe Stuart an Sloane, Leiden, 25. Januar 1710, BL, Sloane 4042, fol. 105r. 47 »The next and indeed those of the greatest consequence are Dr. Boerhave’s Colleges upon his own Institutes and Aphorisms; and as he has in those books taken great care that nobody shou’d understand them, so he is equaly solicitious in his Lectures to explain them by all the reasoning that he is master of, and to confirme what he says by Experiments and Examples, which he does to so good a purpose and so very clearly, that there is hardly one of his Audience tho: even prejudiced against the Doctrine he lays down, but what finds in himself a great inclination to be of the Dr.s opinion; as for Chemistry there are no Lectures of it att this time of year, nor indeed have we any Professor. Dr. Boerhave having quitted that and Botany by a publick oration since my being here«. Fuller an Sloane, Leiden, 23. Juni 1729, BL, Sloane 4050, fol. 140r. Näheres zu Fuller bei SAINT JOHN BROOKS, Sloane, S. 159 f. 48 »You having I dare say near forty times as many things as he has. All his being kept in one small closet not half so big as one of your Rooms.« Fuller an Sloane, Amsterdam, 30. Juli 1729, BL, Sloane 4050, fol. 160r. Gaben und Gegengaben 31 französischen Hauptstadt fortzusetzen und schon Empfehlungsbriefe an einige Freunde dort ausgestellt.49 Um wen es sich dabei handelte, darüber gibt Fullers Brief leider keine Auskunft. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß unter ihnen der dortige Vorsteher der königlichen Bibliothek, Abbé Jean Paul Bignon, zu fin- den war.50 Sloane verfügte überhaupt über gute Verbindungen zu Pariser Ge- lehrten, seitdem er erstmals 1683 auf seiner Frankreichreise den dort lebenden Botaniker Joseph Pitton de Tournefort kennengelernt hatte. Die Kontakte wur- den weiter gepflegt: Nachdem Sloane 1689 von seiner Jamaikareise zurückge- kehrt war, erhielt er Besuch von dem Berliner Arzt Andreas Gundelsheimer, der im Auftrag Tourneforts seine Sammlung in Augenschein nahm.51 Darüber hinaus zählten viele von Tourneforts Schülern – darunter der schon erwähnte Bignon, Etienne François Geoffroy und Antoine Laurent de Jussieu – zu seinen regelmäßigen Korrespondenten. Weitere Informationen über den Stand der Wis- senschaften in der französischen Metropole erhielt er von Philipp Henry Zoll- mann, der sich zwischen 1724 und 1730 als Sekretär des Britischen Botschafters Sir Horace Walpole mehrfach dort aufhielt und in einer Doppelfunktion als Diplomat und Foreign Correspondent der Royal Society tätig war.52

49 »The Letter wherein you were pleased to recommend Mr. Annerly and me, we carried to Dr. Boerhaave, who received us with the great civility and promised to doe us any service that lay in his power. I thank you very heartily for your offer of recommending me to some of your acquaintance att Paris which wou’d be of great advantage to me, shou’d I be so happy as to goe there after I have left this place, which I design not to doe till after next year.« Fuller an Sloane, Leiden, 26. Oktober 1729, BL, Sloane 4050, fol. 220v. 50 Siehe Françoise BLÉCHET, Un exemple d’échanges franco-anglais privilégiés: la correspondance entre Hans Sloane et l’Abbé Bignon, in: Studies on Voltaire & the eighteenth century 292 (1991) S. 119–127, Jean JAQUOT, Sir Hans Sloane and French Men of Science, in: Notes and Records of the Royal Society London 10 (1953), S. 85–98, Jack A. CLARKE, Sir Hans Sloane and Abbé Jean Paul Bignon. Notes on Collection Building in the Eighteenth Century, in: Library Quarterly 50 (1980), S. 475–482, und Arthur MACGREGOR, The natural history correspondence of Sir Hans Sloane, in: Archives of Natural History 22 (1995), S. 79–90. 51 Siehe SLOANE, Voyage, Bd. 2, S. xvi. Gundelsheimer, dies sei als biographisches Detail an dieser Stelle nicht verschwiegen, sollte Tournefort später auf seinen ausgedehnten botanischen Exkursionen im Mittelmeerraum begleiten; 1703 fand er eine Anstellung am anatomischen Theater in Berlin, wo er 1715 starb. Siehe Christian Gottlob JÖCHER, Allgemeines Gelehrten- Lexicon, Bde. 1–4 und Ergänzungsbd., Leipzig 1750–1751 (ND 1968), Bd. 2, Sp. 1278. 52 »I received yesterday of Mr. Woolhouse the three enclosed Disputations, which he desired me to forward to You by the first Messenger. Mylord Kintore being just upon the point of setting out for England, I have recommended this Packet to Mr. Frasier who is with him. I have taken the liberty some months ago to send some curiositys to Dr. Rutty with my offer of them to you; I have heard nothing from the Doctor, but hope my boldness has met with Your excuses in regard of the good intention I had in doing so. I should think myself very happy if I should be honoured with Your command, during my stay in these parts. Mr. Poyntz is to return to Soissons as soon as Their Excellencys Mr. Stanhope and Mr. Walpole arrive here.« Zollmann an Sloane, Paris, 11. April 1729, BL, Sloane 4050, fol. 95r. Näheres zu Zollmann bei Derek MASARELLA, Philip Henry Zollmann. The Royal Society’s First Assistant Secretary for Foreign Correspondence, in: Notes and Records of the Royal Society London 46 (1992), S. 219–234. 32 Gemeinschaft Neben Leiden und Paris stellte Oxford einen weiteren Bezugspunkt für Sloane und seine Londoner Sammlerkollegen dar. Dies vor allem wegen der spektakulä- ren Gründung des Ashmolean Museums, des ersten öffentlich zugänglichen Mu- seums auf englischem Boden. Seine Entstehung verdankte sich der Sammlung des Londoner Kaufmanns und Sammlers Elias Ashmole, der sie 1675 der Uni- versität Oxford angeboten hatte und die daraufhin mit dem Neubau eines dann 1683 fertiggestellten Museumsgebäudes begann.53 Das Ashmolean gehörte nun, außerhalb der traditionellen Stätten universitärer Ausbildung gelegen, neben der Royal Society zu den Orten einer neuen, empirischen Naturforschung. Große An- ziehungskraft übte die Person Edward Lhwyds aus, der sich vor allem auf dem Ge- biet der Fossilienkunde einen Namen gemacht hatte und bis zu seinem Tode 1709 dort als Kurator wirkte.54 Er profitierte jedoch in erheblichem Maß von den Aktivitäten seines Vorgängers im Amt und Gründungsleiters, Robert Plot. Dieser hatte gleichzeitig mit der Sammlung ein chemisches Laboratorium eingerichtet, in dessen Räumen physikalische Versuche und Vorlesungen abgehalten werden konnten. Zudem hatte Plot zwischen 1684 und 1686 zu den Herausgebern der Philosophical Transactions gezählt und nach dem Vorbild Londons eine kurzlebige Philosophical Society ins Leben gerufen, die eine Alternative zum gängigen universitären Lehrbetrieb bieten sollte.55 Von Beginn an zählte Sloane zu denjenigen, die als Donatoren des neugegrün- deten Museums in Erscheinung traten. Im Auftrag Lhwyds besuchte ein gewisser Mr. Jones 1701 Sloane in London, um herauszufinden, welche Duplikate der Sloane-Sammlung für das Museum geeignet seien, wobei er besonders an zusätz- lichen Informationen zu den Objekten, wie etwa genauen Beschreibungen und Fundorten, interessiert war.56 Die neuen Stücke wurden dann später nicht etwa in die Systematik der Sammlung eingeordnet, sondern für sie wurde ein dem Rang des Spenders entsprechendes, separates Kabinett eingerichtet: »Here are al- ready two Cabinets of Dr Plot’s one of Dr Lister’s, and one of another Person’s. And I think it most proper that yours be also reposited in a Distinct Cabinet, which though you should not furnish immediatly you may perhaps herafter be mindfull of.«57 Auch Dr. Arthur Charlett, Master des University College, stand mit Sloane in Verbindung. Jener berichtete 1715 über den gegenwärtigen Zustand des Museums und die Arbeit von John Whiteside, der dem 1709 gestorbenen

53 Siehe Arthur MACGREGOR/A. J. TURNER, The Ashmolean Museum, in: T. H. ASTON (Hrsg.), The History of the , Bd. 5, Oxford 1986, S. 639–658, Arthur MAC- GREGOR, The Cabinet of Curiosities in Seventeenth Century Britain, in: Oliver IMPEY/Arthur MACGREGOR (Hrsg.), The Origins of Museums. The Cabinet of Curiosities in Sixteenth- and Seventeenth-Century Europe, Oxford 1985, S.147–158, und R. F. OVENELL, The Ashmolean Museum 1683–1894, Oxford 1986. 54 Ein neuerer biographischer Abriß findet sich bei Brynley Francis ROBERTS, Edward Lhuyd. The making of a scientist, Cardiff 1980. 55 Siehe MACGREGOR/TURNER, Ashmolean, S. 643 f. 56 Siehe Lhwyd an Sloane, Oxford, 15. September 1701, BL, Sloane 4038, fol. 236r. 57 Ebenda. Gaben und Gegengaben 33 Lhwyd im Amt des Kurators gefolgt war; vor allem die Bibliothek sei dank einiger neuerworbener Nachlässe in den Jahren seit der Gründung mächtig ge- wachsen, und man verfüge nun zusammen mit der Sammlung und dem Labora- torium über eine gutausgestattete Institution der Naturforschung.58 Ein besonders kurioser Fall, der zugleich die engen Verbindungen zwischen dem Ashmolean in Oxford und den Londoner Sammlern verdeutlicht, sei hier noch abschließend erwähnt. Es war Lhwyd, der sich 1691 mit der Bitte an den be- kannten Londoner Sammler William Courten wandte, Nachforschungen über einige kurz zuvor dem Museum gestohlene Stücke – es handelte sich um kostba- re Medaillen – anzustellen. Offenbar hatte ein Besucher während einer Führung einen unbeobachteten Augenblick zu seinem Vorteil genutzt. Lhwyd äußerte einen Verdacht: »The person suspected is a foreign Gent. supposed by his speech to be a German, but speaks tolerabel good English and Latine, between forty and fifty years of Age, a pretty corpulent man with a red full face.«59 Courten, der sich als Sammler von Antiquitäten gut in der Londoner Sammlerszene auskannte, sah sich daraufhin in einer Reihe von Coffee Houses von vermutlich eher fragwürdigem Ruf um, wo er Sammler und Händler befragte. Deutlich wird hier ein weiterer Aspekt der Metropole London: Im Schlepptau des Naturalien- und Antiquitätenhandels bewegten sich oft recht zwielichtige Gestalten, die entweder Sammler mit überhöhten Preisen betrogen oder, wie in diesem Fall, mit gestoh- lenem Gut handelten.60 Doch berührt dies das wissenschaftlich-systematische Sammeln von Naturalien nur am Rande. Der in Verdacht stehende rotgesichtige Deutsche hätte sich kaum etwa an den fossilen Schiefern vergriffen, deren Verlust Lhwyd als Forscher, so steht zu vermuten, ungleich näher gegangen wäre.

Besuche und Empfehlungen Die vielfältigen Kontakte Londoner Sammler zu den Stätten wissenschaftlicher Forschung wie Leiden, Paris oder Oxford verdeutlicht die Einbindung des Zen- trums in ein Geflecht weiterführender kommunikativer Netzwerke. Zeigen läßt sich dies auch mit Blick auf die Herkunft und die Interessen derjenigen, die als Ausländer London mit seinen Sammlungen besuchten.

58 »I desired lately Mr Bagford to tell You in what good condition our Museum is in, and what Charges the University has been at this last yeare, in cleansing and adorning the Particular Room of the Repository, which was scarce ever in so decent an order as now, under the care of Mr. Whiteside, and his assistant Mr. Hansted«. Charlett an Sloane, Oxford, 25. November 1715, BL, Sloane 4044, fol. 112r. 59 Edward Lhwyd an William Courten (Charleton), Oxford, 25. September 1691, BL, Sloane 3962, fol. 288v. Vgl. zu diesem Fall auch OVENELL, Ashmolean, S. 65–68. 60 Siehe auch die anschaulichen Schilderungen des deutschen Reisenden Konrad Zacharias UF- FENBACH, Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen, Holland und England, Bde. 1–3, Ulm/Memmingen 1753–1754, hier Bd. 3, S. 245 f., wo unter anderem von dem »berüchtigten« Londoner Antiquitätenhändler Hadrianus Beverland berichtet wird, der das Opfer betrügeri- scher Machenschaften seiner Kollegen geworden war. 34 Gemeinschaft Denn mit Besuchen dieser Art kündigt sich schon zu Beginn des 18. Jahrhun- derts jene Bewegung an, die unter dem Stichwort Anglophilie das aufgeklärte Rei- sen in der zweiten Jahrhunderthälfte bestimmen sollte.61 Doch bereits im späten 17. Jahrhundert richtete sich die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf London und es waren dabei vor allem Deutsche, von denen die Gründung und Arbeit der Royal Society mit Aufmerksamkeit verfolgt wurde. Nach seiner ersten Ver- öffentlichung in den Transactions 1669 war es besonders Leibniz, der im Rahmen seiner umfangreichen Korrespondenz Kontakte zu Londoner Gelehrten pfleg- te.62 Die Übersetzung von Thomas Sprats History of the Royal Society 1677 ins Deut- sche weckte dann zusätzlich das Interesse an englischen Aktivitäten auf dem Ge- biet der Naturgeschichte und an der Neugründung der Royal Society.63 So gehörte London bald zum festen Besuchsprogramm nicht nur gelehrter, sondern auch allgemein interessierter Englandreisender. Caspar Friederich Neickel, der deutsche Verfasser eines vielgelesenen Sammlungsführers von 1727, vergaß des- halb auch nicht, über sein spezielles Thema hinaus die Sammlungen in den Kon- text allgemeiner Attraktionen zu stellen. Paläste, Bibliotheken, die königliche Börse oder etwa der Tower zählen genauso zum Programm der ›kuriosen‹ Reisen- den, wie etwa die Sammlung des mit der Royal Society eng verbundenen Apo- thekers James Petiver.64 Im Strom dieser allgemein-touristischen curiositas schwammen die gelehrten Adepten von Medizin und Naturkunde. Trotz eines ausgebauten Korresponden- ten- und Zeitschriftenwesens gehörte die peregrinatio academica noch im 18. Jahr- hundert zu den wesentlichen Merkmalen wissenschaftlicher Praktiken in der Gelehrtenrepublik. Willem Frijhoff hat auf die unterschiedlichen Motivlagen hin- gewiesen, die diesen gelehrten Migrationen zugrundelagen.65 Nicht nur der Wunsch, bestimmte Institutionen wie Universitäten und Akademien mit ihren berühmten Lehrern aufzusuchen, spielte hier eine Rolle, sondern auch die At- traktivität einer bestimmten Stadt, die in der Verdichtung unterschiedlichster ge- lehrter Angebote unter anderen Orten herausragte.66 In diesem Sinne vermittelt

61 Siehe Andreas SELLING, Deutsche Gelehrtenreisen nach England 1660–1714, Frank- furt a. M. 1990, Michael MAURER, Aufklärung und Anglophilie in Deutschland, Göttingen/Zü- rich 1987, und W. D. ROBSON-SCOTT, German Travellers in England 1400–1800, Oxford 1953. 62 Siehe SELLING, Gelehrtenreisen, S. 58. 63 Siehe ROBSON-SCOTT, Travellers, S. 92. 64 Siehe die Liste in Caspar Friederich NEICKEL, Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum oder Raritäten-Kammern …, Leipzig 1727, S. 201. 65 Siehe Willem FRIJHOFF, La circulation des hommes de savoir. Pôles, institutions, flux, volumes, in: Hans BOTS/Françoise WAQUET (Hrsg.), Commercium Litterarium. Forms of Com- munication in the Republic of Letters 1600–1750. Lectures Held at the Colloquia Paris 1992 and Nijmegen 1993, Amsterdam 1994, S. 229–258. 66 »Enfin les villes dans leur ensemble, […] chaque ville constitutant une structure poly- morphe que réunit un ensemble unique de curiosités et d’attractions savantes (université, cour, Gaben und Gegengaben 35 etwa Johannes Geßners Pariser Tagebuch des Jahres 1727 einen Einblick in die Vielfalt gelehrter Kontakte, die der junge Student der Medizin für seine weitere Ausbildung nutzte, und erzählt zugleich von den Erfahrungen jenseits des aka- demischen Lehrplans. So berichtet er etwa von der »staunenerregende[n] hydrauli- sche[n]« Maschine, mittels derer das Wasser in die Parkanlagen des königlichen Schlosses von Marly gehoben wurde.67 Vor dem Hintergrund der Mobilität innerhalb des akademischen Milieus erklärt sich die Attraktivität Londoner Sammler und Naturforscher zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Unter ihnen nahm Sloane mit seiner Sammlung am Bloomsbury Square – und später in Chelsea – eine herausragende Stellung ein. Schriftliche Empfehlungen waren dabei zumeist unerläßlich. Einer derjenigen, die auf diese Weise unermüdlich die Londoner Sammlung empfahlen, war der Hannoveraner Arzt Johann Georg Steigerthal. Er war mit Sloane von seiner Tätigkeit als einer der Leibärzte Georgs I. her gut bekannt und unternahm berufsbedingt regelmä- ßig Reisen in die Hauptstadt. In seiner Heimatstadt Hannover stellte er so etwas wie eine Anlaufstelle für Englandreisende dar: »Que vous ne refusis jamais q’etran- gers quand j’auroi l’honneur de vous voir.«68 So ergab sich ein dichtes Netz an Empfehlungen. Freundschaften und Bekannt- schaften aus erster Hand wandelten sich durch die Einbeziehung weiterer Perso- nen in Kontakte aus zweiter Hand, bis schließlich auf der Ebene formelhaften Lobs jener Zustand erreicht war, bei dem sich Dichtung und Wirklichkeit un- trennbar miteinander vermischten. Doch dienten Empfehlungen nicht allein den Interessen ihrer Überbringer. Die zwischen London, Paris, Leiden und den deut- schen Provinzstädten hin- und herreisenden jungen Gelehrten standen als Über- bringer inhaltsreicher Briefe und gewichtiger Pakete überdies ganz im Dienst derjenigen, die sie empfahlen oder sie empfingen. Der mit dem Danziger Arzt und Naturforscher Johann Philipp Breyne befreundete junge Mediziner Georg Remus reiste im September 1711 nach London, wohlversehen mit Empfehlungs- administrations, centre ecclésiastique, académie nationale, antiquités, collections, librairie, etc.).« Ebenda, S. 238. 67 Siehe Johannes GESSNER, Pariser Tagebuch 1727, kommentiert, übers. und hrsg. von Urs Boschung, Bern 1985, S. 196. 68 Steigerthal an Sloane, Hampton Court, 28. August 1717, BL, Sloane 4045, fol. 42r. Weitere Empfehlungsbriefe Steigerthals an Sloane: London, 19. Januar 1716, BL, Sloane 4044, fol. 176r; London, 28. März 1718, BL, Sloane 4045, fol. 105; Hampton Court, 5. Oktober 1718, BL, Sloane 4045, fol. 154r; Hampton Court, 20. Dezember 1719, BL, Sloane 4045, fol. 200r. Abgesehen von der umfangreichen Korrespondenz mit Sloane und einigen Aufsätzen in den Transactions haben sich die Lebensspuren Steigerthals fast vollständig verloren. Einige wenige Hinweise über seine Tätigkeit als königlicher Leibarzt finden sich bei Joachim LAMPE, Aristokratie, Hofadel und Staatspatriziat in Kurhannover. Die Lebenskreise der höheren Beamten an den kurhannover- schen Zentral- und Hofbehörden 1714–1760, Bde. 1–2, Göttingen 1959, hier Bd. 2, S. 58, und bei Hans TEICHERT, Geschichte des Medizinalwesens im Gebiet des ehemaligen Königreichs Han- nover. Ein Beitrag zur vaterländischen Kulturgeschichte, Hannover/Leipzig 1908, S. 16–22. Zur ›German Community‹ im London des 18. Jahrhunderts siehe Garold N. DAVIS, German Thought and Culture in England 1700–1770. A preliminary survey including a chronological bibliography of German literature in English translation, Chapel Hill 1969, S. 76–80. 36 Gemeinschaft schreiben an Sloane, Woodward und Petiver.69 Noch von Leiden aus, wo er sein Studium zwei Jahre zuvor beendet hatte, berichtete er Breyne über seine Vor- freude, all diejenigen bedeutenden Sammler und Naturforscher kennenzulernen, mit denen sein Mentor vorher schon Bekanntschaft geschlossen hatte.70 Es war vor allem Woodward, der Remus in seinem Haus gastlich aufnahm und ihm seine Sammlung zeigte, dies allerdings mit dem Hintergedanken, seine Beziehung zu Breyne in Danzig zu festigen: »I return you Thanks for bringing me aequainted wth. Dr. Remus, whom I find a Gentleman of great Learning & accomplishements. It has been a great Pleasure to me to serve a Gentleman of his Character: & I have taken all ye Opportunityes, he allowd me, to do it. I have promised him a Collection of English Fossils whenever he shall send for them: and if you please at the same Time to let me have a Catalogue of those wch. you want, I will do my best to supply you with them.«71 Remus, der seine Reise nach Paris fortsetzte, hatte in seinem Gepäck ein druck- frisches Exemplar des ersten Bandes von Sloanes Naturgeschichte Jamaikas und den kompletten Jahrgang 1710 der Transactions, die Sloane mit den besten Wün- schen nach Danzig sandte.72 So profitierten alle Seiten von dieser Reise: Remus, indem er seine Studien in London fortsetzen und weitere Kontakte knüpfen konn- te, die Londoner Sammler, die ihre Verbindungen nach Danzig festigten und nicht zuletzt auch Breyne, der sich über seinen jungen Kollegen erneut bei den Londo- nern ins Gedächtnis rief. Doch nicht immer waren Empfehlungsschreiben der Königsweg in die natur- historischen Sammlungen. Dies geht zumindest aus einer Bemerkung des deut- schen Englandreisenden Konrad Zacharias Uffenbach hervor. In seinem Reise- bericht vermerkt er, daß viele Sammler es mehr schätzten, wenn sich die Besucher auf eigene Initiative zu einem Besuch anmeldeten, statt von dritter Seite empfoh- len zu werden und sich anschließend nur oberflächlich interessiert zu zeigen.73 Einige Sammler, so scheint es, sahen durchaus die Gefahr, daß sich ihre Samm- lungen unter dem Strom der Besucher in eine Art Touristenattraktion verwan- delten und deren eigentliche Rolle als Keimzelle wissenschaftlicher Forschung darüber verloren ging. Tatsächlich handelte es sich bei vielen von Steigerthal empfohlenen Besuchern um junge Adlige, die auf ihrer Bildungsreise, der ›Grand Tour‹, in London Station machten, eine Klientel, die schwer abzuweisen und, so

69 »The Gentleman who is giving You His Present is My Worthy Country Man an Freind Dr. Remus, a very curious Person and known by his dissertation de Hyeme Ao. 1709 insolita, Pray Sir let him be recomendet to You and have ye kindnes to let him see Your Nobel Collection of Natural Things; I am in hopes you will often find the said Gentleman worthy Your Acquain- tance«. Breyne an Woodward, Danzig, 19. September 1711 (Kopie), Gotha, Chart. B 857b, fol. 42r. 70 Siehe Remus an Breyne, Leiden, [September] 1711, Gotha, Chart. B 789, fol. 561r. 71 Woodward an Breyne, London, 10. November 1711, Gotha, Chart. B 788, fol. 759r. 72 Siehe Sloane an Breyne, London, 9. November 1711, Gotha, Chart. B 787, fol. 611r. 73 UFFENBACH, Reisen, Bd. 3, S. 583 f. Gaben und Gegengaben 37 darf angenommen werden, in einigen Fällen noch schwerer zu ertragen war. Doch sind dies durchaus Vermutungen, denn gerade im Falle Sloanes gibt es kaum Hinweise, daß er sich Besuchern gegenüber je ablehnend oder verärgert gezeigt hätte.74 Einem gesellschaftlichen Aufsteiger wie ihm, der gelernt hatte, sich nicht nur innerhalb der Scientific Community sicher zu bewegen, sondern auch mit dem Adel und der mondänen Gesellschaft Londons verkehrte, mußte die Sammlung nicht zuletzt als ein Mittel gesellschaftlicher Repräsentation er- scheinen. Von den Besuchern, die von auswärts nach London reisten, sind besonders die Deutschen und Schweizer einer näheren Betrachtung wert. Von ihren Erfahrun- gen – Hoffnungen und Enttäuschungen gleichermaßen – wird im folgenden die Rede sein. Viele von ihnen hatten, wie der bereits erwähnte Georg Remus, in Lei- den oder Utrecht studiert und nutzten die Zeit nach dem Studium, einen Sprung in die nahe Weltstadt zu wagen. Als einer dieser typischen gelehrten Reisenden kann Christoph Erndtel gelten, der während seines Londonaufenthalts 1708 eine Vielzahl von privaten Sammlungen besuchte und seine Eindrücke in einem Reise- bericht festhielt, wobei die Dichte seines Besuchsprogramms Staunen weckt.75 Über den Schweizer Gelehrten Johann Jakob Scheuchzer war Erndtel besonders auf den Fossiliensammler John Woodward aufmerksam geworden, dem er des- halb umgehend einen Besuch abstattete. In das Lob über seine wohlgeordnete Sammlung mischt sich jedoch bald harsche Kritik an der Art und Weise, in welcher Woodward mit seinen Besuchern umging. Weder konnte er sich in fließendem Latein mit seinem Gast, der anscheinend des Englischen nicht mächtig war, unterhalten, noch erlaubte er ihm, die Sammlungsstücke selbst in die Hand zu nehmen, um sie näher zu betrachten.76 Weitere Details erfahren wir aus dem Reisebericht von Konrad Zacharias Uffenbach, der sich zwei Jahre später in London aufhielt. Auch er war auf den Sammler Woodward nicht gut zu sprechen. Erst nach dem fünften Versuch gelang es ihm, vorgelassen zu werden,

74 Eine der wenigen Ausnahmen in dieser Hinsicht scheint der Komponist Händel gewesen zu sein, von dem berichtet wird, er habe während des Teetrinkens bei Sloane seinen Kuchen sorglos auf einem kostbaren Manuskript plaziert, was einen Wutanfall bei seinem Gastgeber aus- löste. Siehe dazu MACGREGOR, Sloane, S. 28. 75 »There are many more Valuable Libraries and Curiosities in and about London; as those of the present Bishop of Ely’s, the Earl of Sunderland’s, Earl of Pembroke’s, Earl of Carberry’s, Lord Sommers’s, Mr. Harley’s, Mr. Bridge’s, Mr. Bernard’s, Dr. Tancred Robinson’s, Dr. Mead’s, Dr. Gray’s, Mr. Collins’s, Mr. Slater’s, Mr. Rawlinson’s, Mr. Clavel’s, Mr. Topham’s, Mr. Aston’s, Dr. Goodman’s and many others. As for Animals, Plants and Fossils, there are Large and Curious Collections in the hands of Mr. James Petiver, Mr. Dandrige, Mr. Dubois, Mr. Stonestreet, Mr. Buddle, Mr. Parry, and others in both our Famous Universities.« Christoph H. ERNDTEL, The Relation of a Journey into England and Holland in the Years 1706 and 1707 …, London 1711, S. 40 f. 76 »It is to be Lamented that this Famous Man is not Master of the Latin Tongue, nor can you Understand him unless he Speaks Earnestly, and then it is with much Difficulty and straining of the voice that he shows his Curiosities, which when you See, you must take care you Touch not with the tip of your Finger, neither look into his Books except he hold ’em to you in his own hands.« Ebenda, S. 36. 38 Gemeinschaft und seine verständlicherweise schlechte Laune hielt an, als sich der mürrische Gastgeber nicht bereit zeigte, tiefere Einblicke in seine Sammlung zuzulassen.77 Die Schilderung des Besuchs bei James Petiver ist für letzteren ebenfalls wenig vorteilhaft. Wie schon Erndtel bemängelt Uffenbach das fehlerhafte Latein der Engländer, das es nicht erlaubt, eine anspruchsvolle Unterhaltung zu führen. Er fährt dann mißvergnügt fort: »Von seinem Cabinet und Naturalien habe ich nichts zu erinnern, weil er, so bald er nur das geringste bekommt, so gleich eine platte und kurze Beschreibung davon stechen lässet, und sie einem dedicirt, den er nur ein wenig kennet, und ein Prä- sent davor nimmt. Er hat alles in einem schlechten Cabinet und Schachteln, gar nicht sauber, sondern recht auf Englische Manier, und dabey zimlich confus […] Er bietet allen Fremden, so zu ihm kommen, ein Exemplar von seinem Musäo [dem gedruckten Katalog seiner Sammlung, St. S.] an, die er sich aber gar theuer bezahlen lässet, deßwegen ich mich davor bedankte.«78 Von Sloane zeigt sich Uffenbach hingegen beeindruckt, da der ihn sogleich auf Französisch anredete, wohingegen er es bisher gewohnt war, daß die Engländer lieber ganz schwiegen, als sich in einer Fremdsprache zu unterhalten.79 Be- sonders hebt Uffenbach hervor, daß der notorisch vielbeschäftigte Sloane sich mehr als vier Stunden Zeit nahm, den Fremden in seiner Sammlung herum- zuführen. Überhaupt fällt ihm die Weltläufigkeit seines Gastgebers auf, den er als weitgereisten und höflichen Mann charakterisiert, der sich darüber hinaus beson- ders freundlich gegenüber deutschen Besuchern zeige.80 Schon die indirekte Kontrastierung Sloanes mit seinen Sammlerkollegen legt die Vermutung nahe, daß diesen Berichten oft sehr persönlich gefärbte Eindrücke zugrunde lagen. Doch ergänzen sie auf diese Weise die vielen verdächtig positiven Äußerungen in den Briefwechseln, die, vor allem im Rahmen von Empfehlungs- und Dan- kesbriefen, doch etwas zur Schönfärberei neigen. Jedenfalls drängt sich dieser Gedanke auf, wenn man den erwähnten Brief Woodwards über den Besuch von Georg Remus mit den Berichten von Erndtel und Uffenbach vergleicht. Zudem wird spätestens hier deutlich, daß Besuche dieser Art immer wieder von unab- sichtlichen Mißverständnissen, nationalen Vorurteilen (so etwa im impliziten Hinweis auf das schlechte Latein und die Spracharroganz der Engländer), Kon- kurrenzdenken oder ganz einfach nur von persönlicher Antipathie dem Gastgeber gegenüber geprägt waren. Umso bemerkenswerter ist es vor diesem Hintergrund, daß sich inmitten dieser zufälligen Launen auch Möglichkeiten zu intensivem Kontakt und Austausch ergaben, mithin ein Gespräch, in dem die Naturgeschichte und ihre Objekte Vorrang vor den geselligen Qualitäten der Naturforscher hatte.

77 Siehe V. A. EYLES, John Woodward, F.R.S., F.R.C.P., M.D. (1665–1728). A bio- bibliographical account of his life and work, in: Journal of the Society of Bibliography of Natural History 5 (1971), S. 399–427, hier S. 412. 78 UFFENBACH, Reisen, Bd. 3, S. 583. 79 Siehe ebenda, S. 247. 80 Ebenda. Gaben und Gegengaben 39

Ein weiterer dieser Besucher war der aus Annaberg in Schlesien stammende David Krieg. Er hatte in Leipzig und Utrecht ein Studium der Medizin absolviert, bevor er sich im Jahr 1697 dazu entschloß, von den Niederlanden aus nach Lon- don zu reisen.81 Aus seinen Briefen, die sich im Nachlaß Sloanes erhalten haben und die er von seinem späteren Wohnort Riga aus an Sloane und Petiver geschrie- ben hatte, erfährt man nur wenig über seinen Aufenthalt in der Stadt, der mit Unterbrechungen bis 1699 dauerte. Jedoch gibt ein ebenfalls erhaltenes Album Amicorum zumindest Auskunft über den Personenkreis, mit dem er in der Stadt Umgang hatte.82 Schon kurz nach seiner Ankunft fand er Zugang zu den im Temple Coffe House Club verkehrenden Naturforschern. Dort lernte er den schottischen Arzt James Cunninghame kennen, der während seiner Reisen nach Südafrika und China Naturalien an Sloane und Petiver geschickt hatte.83 Weitere Einträge im Album stammen von Petiver, dem Vorsteher des Chelsea Physic Gar- den, Samuel Doody, und dem Leiter des Oxforder Botanischen Gartens, Jacob Bobart.84 Man unternahm zusammen Exkursionen in die nähere Umgebung Lon- dons, nach Hampstead und Hampton Court. Überdies fertigte Krieg Zeichnun- gen von Objekten in der Sammlung William Courtens an.85 Weiterhin war Krieg an den Aktivitäten des Clubs bei der naturhistorischen Erschließung der engli- schen Kolonien in Nordamerika beteiligt: Von März bis November 1698 hielt er sich in Maryland auf.86 Das während dieser Unternehmung gesammelte Material fand teilweise Eingang in die Sammlungen Sloanes und Petivers, was Krieg einen gewissen Ruf unter seinen Londoner Sammlerkollegen eintrug. So betonte etwa Petiver seine besondere Begabung im Zeichnen und Malen von Pflanzen.87 Doch

81 In der wissenschaftlichen Literatur hat David Krieg nur wenig Spuren hinterlassen. Siehe JÖCHER, Gelehrten-Lexicon, Ergänzungsband, Sp. 879, wo er fälschlicherweise als englischer Arzt bezeichnet wird, und I. BRENNSOHN, Die Aerzte Livlands, Riga 1905, S. 4. 82 Siehe David Krieg, Album Amicorum (1691–1697), BL, Sloane 2360. 83 Ebenda, fol. 7r. Zu Cunninghame siehe Mike FITTON/Pamela GILBERT, Insect Collec- tions, in: Arthur MACGREGOR (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Collector, Scientist, Antiquary, Found- ing Father of the British Museum, London 1994, S. 112–122, hier S. 116. 84 Siehe David Krieg, Album Amicorum (1691–1697), BL, Sloane 2360, fol. 5v; 6r; 3v. 85 Siehe John H. APPLEBY, Robert Erskine: Scottish pioneer of Russian natural history, in: Archives of Natural History 10 (1982), S. 377–398, hier S. 390. Laut Appleby befindet sich der Großteil der Krieg-Papiere im Moskauer Archiv der russischen Akademie der Wissenschaften. 86 Siehe Charles E. RAVEN, John Ray: Naturalist. His Life and Works, Cambridge 1949, S. 301, und James L. REVEAL, Significance of pre-1753 botanical explorations in temperate North America on Linnaeus’ first edition of , in: Phytologia 53 (1983), S. 1–96. Auch in MENDES DA COSTA, Anecdotes, S. 206, wird Krieg unter Bezug auf einen Bericht in den Ephemerides Medico-Physicae erwähnt: »That Dr. David Krieg was sent by, and at the expence of the Royal Society London, to travel through the British Colonies in America, and make Ob- servations.« Mitglied der Royal Society war Krieg seit dem 1. November 1698. 87 »This curious gentleman, after he had made several Remarks on the Natural Production of this Island, and Painted several things he had observed, was pleased to make a Voyage to Maryland, from whence he returned plentifully stored with what in Nature he had there take notice of. His happy Genius in Designing, Painting, Etching, etc. were no small Additions to his other Qualifications; he being no less versed in the Study of Physick, than Anatomy, Botany, 40 Gemeinschaft trotz dieser Aktivitäten gelang es ihm nicht, sich auf Dauer in London zu etablie- ren. Im Mai 1699 reiste er von London aus nach Riga zurück, wo er ab 1705 die Stelle eines Garnisonsmedicus bekleidete und 1707 zum ersten Stadtphysikus aufrückte.88 Im Jahr 1702 setzte der uns schon bekannte Johann Philipp Breyne den Reigen der Englandbesucher vom Kontinent fort.89 Er hatte wie schon zuvor sein Vater in Leiden Medizin studiert und ebendort bei Hermann Boerhaave promoviert. Der insgesamt neunmonatige Aufenthalt in England stellte die erste Station einer längeren Reise dar, die ihn später nach Italien führen sollte und von der er erst Ende 1704 in seine Heimatstadt zurückkehrte. Die einzelnen Stationen der Reise hat er in einem Reisetagebuch dokumentiert, in dem er stichwortartig die wich- tigsten Ereignisse und Begegnungen festhält.90 Mit Empfehlungsbriefen seiner Leidener Lehrer ausgestattet, erreichte er im August 1702 London, wo er schon bald mit Petiver, dem in Kreisen der Naturforscher hochgeschätzten Apotheker, zusammentraf, »welcher mich sehen liße eine große quantität von seinen insectis«, und der ihn kurz darauf in den Temple House Botany Club einführte, »alwo die vörnemsten Membra Societatis Regiae als der Praes[ident], der Secretary Sloane, Doctor Hutton, und andere versamlet waren welche mich sehr hofflich emp- fangen.«91 Obwohl Breyne vom Gespräch der eifrig diskutierenden Naturfor- scher nur wenig verstanden haben dürfte – gute Englischkenntnisse scheinen un- ter den Englandbesuchern die Ausnahme gewesen zu sein92 – zeigte er sich von der Begegnung offenbar beeindruckt. An diesem Tag wurde in der Runde über eine 21 Fuß lange Schlange »discurieret«, die Petiver von den Philippinen zuge- schickt worden war. So verlief diese ›akademische Initiation‹ durchaus erfolg- reich. In den folgenden Wochen und Monaten lernte er nach und nach weitere Mitglieder der Londoner Scientific Community kennen, wobei ihm meistens der umtriebige Petiver als Führer und Türöffner diente. Eine botanische Exkursion nach Hampstead – »wir funden daselbst schöne kraüter und unter anderen auch einige welche ich in Holland noch bey uns nicht observiret«93 – brachte ihn mit dem Vorsteher des botanischen Gartens in Chel- sea, Samuel Doody, zusammen. Weitere Ziele waren der Garten des Bischofs von

Chemistry, Natural Philosophy, and indeed whatever is requisite to compleat a Physician.« Zit. nach APPLEBY, Erskine, S. 389. 88 Zu Krieg in Riga siehe BRENNSOHN, Aerzte, S. 4. 89 Die Literatur zu Breyne ist recht spärlich. Siehe das Vorwort zu ROOB, Breyne, sowie Con- rad GRAU, The Scientific Correspondence of the Gdansk Physician and Botanist Johann Phil- e ipp Breyne, in: Actes du XI Congrès International d’Histoire des Sciences, Bd. 2, Warschau/Krakau 1967, S. 158–161. Ein kurzer Eintrag findet sich auch in JÖCHER, Gelehrten-Lexicon, Bd. 1, S. 364. 90 Reisetagebuch vom 1. Januar bis 31. Dezember 1702, Gotha, Chart. B 966. 91 Ebenda, fol. 18r. 92 Breyne führte sein Tagebuch bei den wissenschaftlichen Beschreibungen auf Latein, alltäg- lich-touristische Erlebnisse hielt er in deutscher Sprache fest. Erst Monate später entschloß sich Breyne, einen englischen Sprachlehrer zu nehmen. 93 Reisetagebuch vom 1. Januar bis 31. Dezember, Gotha, Chart. B 966, fol. 18v. Gaben und Gegengaben 41 London im fünf Meilen entfernten Fulham sowie der Physic Garden in Chelsea, wo er die libanesischen Zedern am Eingang bewunderte, die bis ins 19. Jahrhun- dert eine Art Wahrzeichen des Gartens waren. Bei diesem enggesteckten Besuchs- programm ergaben sich Kontakte zu interessanten Sammlern fast wie von selbst. Während der Besichtigung des Repository der Royal Society traf er zufällig auf einen gewissen Mr. Stonestreet, der ihn gleich zum Besuch seiner Sammlung ein- lud.94 Je mehr Gärten, Sammlungen und Kaffeehäuser Breyne besuchte, desto mehr schärfte sich sein Blick für persönliche Dissonanzen unter den Londoner Gelehrten. So stellte er fest, daß der Botaniker Plukenet mit Petiver und Sloane verfeindet, Sherard dagegen mit aller Welt befreundet sei.95 Am sechsten September, fast einen Monat nach seiner Ankunft in London, be- suchte Breyne endlich Sloane und seine Sammlung. Er befand sich dabei in Be- gleitung von und den Herren Erskine und Mead, Ärzte wie Sloane und illustre Vertreter der Londoner Sammlerszene. Breyne zeigte sich, wie viele vor und nach ihm, von der Fülle dieser Sammlung beeindruckt; obwohl sein Notizbuch nur wenig Platz für ausführliche Beschreibungen bot, nehmen die Notizen zu Sloane den bei weitem größten Raum ein.96 Anders als Uffenbach verliert er jedoch kein über eine formelhafte Bewunderung hinausgehendes Wort über die Person Sloanes; im Vordergrund des Gesprächs der fünf Herren scheinen allein die Sammlungsobjekte gestanden zu haben, darunter die von Sloane zusammengetra- gene Jamaika-Sammlung. Zwei Wochen später reiste Breyne nach Oxford weiter, wo das Ashmolean Mu- seum und ein Besuch bei dessen Kurator Edward Lhwyd auf dem Programm stan- den. Als Zeugnis dieser Begegnung findet sich in Breynes Nachlaß eine längere Vorlesungsmitschrift von 1703 über fossile Abdrücke von Seesternen. Aus ihr er- fahren wir Näheres über die Praxis wissenschaftliche Erläuterungen im Samm- lungsraum selbst: Die Vorträge fanden unmittelbar vor den Objekten statt.97 In Lhwyds Begleitung nahm er die im Museum aufbewahrten Fossiliensammlungen von dessen Vorgänger Robert Plot und von Martin Lister in Augenschein. Ein fast schon obligater Programmpunkt des reisenden Naturforschers war der Besuch des botanischen Gartens der Universität, dessen damaliger Leiter der mit Sloane

94 Ebenda, fol. 21v. 95 »Plukenetis inimicus est Dr. Petiver et Dn. Sloane, Dn. Sherard omnium amicus«. Ebenda, fol. 26r. Siehe dazu auch RAVEN, Ray, S. 232. 96 »Post meridiem cum Dn. Sherard, Arescino, et Dn Mead fuimus apud Dn Sloane M. Doct. qui de Albermarle Praefecti in Jamaica quondam archiatrum, nunc Socitatis Regia Lond. Secre- trum meritissimum. Hujus amplissimum rerum naturalium summopere miratq. cum museum et Bibliothecum instructissimam. Musaeum rarissima continet et pulcherrima ex tribus regnis.« Breyne, Reisetagebuch vom 1. Januar bis 31. Dezember 1702, Gotha, Chart. B 966, fol. 26v. 97 Ebenda, fol. 35r/v. Der Titel der Vortragsmitschrift lautet: Eduardi Luidii Musei Ashmo- leani Oxoniensis d. v. Custodis Viri in inquisitione Rerum Naturalium imprimis Fossilium M[aris] Britanniae et Hiberniae diligenissimi et perspicatissimi Praelectio de Stellis marinii Oceani Britannici et lapidibus quibusdam qui Stellis marinis artum debeat, habita in Museo Ashmoleano anitzig a Clarrissimo authore communicata, Oxonii Ao 1703. Gotha, Chart. A 871, fol. 65–82. 42 Gemeinschaft gut bekannte Jacob Bobart war. Später unternahm Breyne von Oxford aus eine längere Reise in die englische Provinz, unter anderem nach Bath und Bristol, wo er mit lokalen Gelehrten zusammentraf, die ihn über kurz zuvor ausgegrabene römische und englische Altertümer unterrichteten. Nach einem weiteren Aufenthalt in Oxford kehrte er im Mai 1703 nach London zurück, von wo aus er kurz darauf seine Reise nach Italien antrat. Als eine besondere Gruppe unter den Londoner Sammlungsbesuchern ragen zu- dem Schweizer Gelehrte und Reisende heraus. Die aus Zürich stammenden Brü- der Johann Jakob und Rudolf Lavater besuchten die Stadt nur kurz nach Breynes Aufenthalt im Jahr 1704, um dort und später in Oxford ihre medizinischen Stu- dien fortzusetzen. Sie führten ein Empfehlungsschreiben des englischen Gesand- ten in Zürich, William Aglionby, an Sloane mit sich und sind von diesem, wie aus einem späteren Dankesbrief an den Londoner Arzt hervorgeht, freundlich empfangen worden. Denn für Aglionby war Sloane, als einer der ersten Ärzte Londons, der gegebene Mann, unter dessen Anleitung die Schweizer Studenten wichtige Erfahrungen in der medizinischen Praxis sammeln konnten: »If your great and laborious practice will give you leave[,] none will oblige them in this part soe well as your selfe which I shall take as a favour done to me. You may introduce them to the Society meeting and to some hospitals as alsoe the colledge of physitians laboratorye all which will answer their ends.«98 Während wir im Gegensatz zu Breyne über Details ihres Aufenthalts in London nichts wissen, erfahren wir aus einem Brief an Sloane genaueres über ihren Be- such in Oxford. Wie schon zuvor Breyne interessierte die beiden Lavaters dort vor allem das Ashmolean Museum und dessen Leiter Edward Lhwyd, von dessen Schriften sie vermutlich zuvor durch Johann Jakob Scheuchzer in Zürich er- fahren hatten. Lhwyd verschaffte ihnen nun den Zugang zu den Originalen in seiner Sammlung und bot ihnen damit die Möglichkeit, aus dem Gedächtnis her- aus zuvor bei Scheuchzer gesehene Fossilien mit denen in Oxford zu verglei- chen.99 Ihre Bewunderung für das Museum zeigt unter anderem auch, wie sehr sein Ruf über die Qualität der Sammlungen hinaus von dem eines einzelnen Ge- lehrten abhing. Ein weiterer Schweizer, den es nach London verschlug, war Johann Kaspar Scheuchzer, Sohn des schon erwähnten Züricher Gelehrten Johann Jakob Scheuchzer. Seit 1720 hatte sich letzterer bei Sloane und Woodward, mit denen er schon seit längerem in einem intensiven Briefwechsel stand, wegen der Unter- stützung seines Sohnes bei einem Studienaufenthalt in London erkundigt. Beide gleichzeitig in dieses Unternehmen einzuspannen, war jedoch denkbar unge- schickt, denn schon bald versuchte Woodward nach Kräften, seinen Rivalen Sloane

98 William Aglionby an Sloane, [Zürich,] 7. Januar 1704, BL, Sloane 4039, fol. 411r. 99 Johann Jakob und Rudolf Lavater an Sloane, Oxford, 12. Januar 1705, BL, Sloane 4039, fol. 420r. Gaben und Gegengaben 43 bei Scheuchzer in ein schlechtes Licht zu rücken.100 Im Gegensatz zu Sloane, so Woodward, sei er durchaus bereit, den jungen Scheuchzer zur Fortsetzung seiner medizinischen Studien in seinem Haus aufzunehmen. Aber bald zeigte sich, daß Woodward entgegen seinen Versicherungen ihn nicht unterstützen konnte oder nicht dazu bereit war. Es war dann Sloane, der sich nach einigem Zögern des 1722 in London Eintreffenden annahm: Er stellte ihn als Sekretär in seiner Sammlung an und kam damit einer sich anbahnenden akuten Notlage zuvor.101 Mit seinen deutschen Sprachkenntnissen war Scheuchzer unter anderem für die auswärtige Korrespondenz Sloanes zuständig, eine Tätigkeit, die ihn später für die Stellung eines Secretary of Foreign Correspondence empfahl, welche er ab 1728 zusammen mit dem Deutschen Philipp Henry Zollmann ausübte. Aber vor allem war er an der Ordnung und Systematisierung der Sloaneschen Sammlung beteiligt. Gegenüber dem Vater äußert sich Sloane außerordentlich zufrieden über die Arbeit des Sohnes:

»I found upon tryall that he was very labor, modest, & diligent & therefore I thought proper to keep him longer & allow him what I thought & he told me was sufficient to keep him from being chargeable to you, and at the same time advised him to betake himselfe to the study of the practice of physick which here or in all places will make a man qualified able to live hansomely & have the good will of his Neighbours.«102 Johann Kaspar traf zu einem Zeitpunkt in London ein, als Sloane intensiv mit der Ordnung seiner Sammlungen und der unmittelbaren Drucklegung seines Haupt- werkes, der Voyage to Jamaica, beschäftigt war. Der notorisch mit Arbeit über- häufte Sloane konnte also einen fähigen Gehilfen gut brauchen. Ein Vertrauens- beweis gegenüber dem jungen Schweizer war, daß er ihm die Übersetzung eines Teils des Nachlasses des bedeutenden Japanreisenden Engelbert Kämpfer über- ließ. Er hatte dessen Papiere 1725 nach langwierigen Verhandlungen mit den Erben in Lemgo und Hannover erworben. Die wissenschaftliche Auswertung lag nun vor allem in den Händen Scheuchzers, der sich darin glänzend bewährte.103 Im Jahr 1727 erschien unter dem Titel History of Japan seine Übersetzung der

100 Siehe Gavin R. DE BEER, Johann Gaspar Scheuchzer (F.R.S.), in: Notes and Records of the Royal Society London 6 (1948), S. 56–66. 101 Die Vorfälle in London blieben auch weiteren Korrespondenten nicht verborgen. So hatte der Frankfurter Arzt Georg Kisner von dieser ›Affäre Scheuchzer‹ gehört und schreibt an J. K. Scheuchzer nach London: »Was den Hochedl. Dr. Woodward anlanget, wundert mich, daß er [John Woodward, St. S.] die dem H. Hatton gegebenen promesses nicht gehalten, wozu ihm [J. K. Scheuchzer, St. S.] gratuliere: dann ich festiglich versuchet habe, daß sie dero zeit bey demsel- ben hätten verdrießlich zubringen müssen, so sie nun in mehrern freyheit leben.« Kisner an J. K. Scheuchzer, Frankfurt, 14. Mai 1722, BL, Sloane 4065, fol. 299r. 102 Sloane an J. J. Scheuchzer, London, 4. Januar 1724, ZBZ, H 293, S. 13. 103 Siehe dazu Derek MASSARELLA, The History of The History. The Purchase and Publi- cation of Engelbert Kaempfer’s The History of Japan, in: Beatrice M. BODART-BAILEY/Derek MASSARELLA (Hrsg.), The Furthest Goal. Engelbert Kaempfers encounter with Tokugawa Ja- pan, Folkestone 1995, S. 96–131. 44 Gemeinschaft Kämpfer-Manuskripte.104 Die Bedeutung dieses Buches mißt sich unter anderem daran, daß es sich um den ersten zusammenhängenden Reisebericht aus einem bis dahin unter europäischen Gelehrten und Reisenden noch weitgehend unbe- kannten Weltteil handelt. Scheuchzer profitierte somit in hohem Maße vom ge- nerösen Verhalten Sloanes, der ihn keineswegs nur für die Ordnung und Verwal- tung seiner Sammlung einspannte, sondern ihm Möglichkeiten zu einer eigenen wissenschaftlichen Profilierung bot. Schon kurz nach seiner Ankunft in London war er überdies zum Mitglied der Royal Society gewählt worden und bekam die Möglichkeit, zwei Aufsätze zur barometrischen Höhenmessung in den Transactions zu veröffentlichen; 1728 wurde er in Cambridge zum Doktor der Medizin promoviert. Die vielversprechende Karriere Scheuchzers kam jedoch zu einem abrupten Ende, als er kurz darauf im Alter von erst 27 Jahren starb. Noch während der junge Scheuchzer bei Sloane in London arbeitete, besuchte sein Schweizer Landsmann Albrecht von Haller die Stadt. Haller studierte zu die- sem Zeitpunkt noch bei in Leiden.105 Über den alten Scheuchzer hatte er den Kontakt zu Sloane hergestellt und reiste dann im August 1727 nach England. An die Aufnahme im Haus am Bloomsbury Square erinnerte er sich noch Jahre später mit Dankbarkeit in einem Brief an Sloane, der den damals noch völlig unbekannten Studenten der Medizin freundlich empfangen hatte.106 Über die Details dieses Besuchs bei Sloane gibt ein Tagebuch Hallers Auskunft. Beeindruckt von den in der Sammlung enthaltenen Objekten schließt er seine Beschreibung mit der Bemerkung: »In einem worte, es ist das vornemste Cabinet der Welt«.107 Haller hatte sich jedoch, anders als Breyne, für den Besuch nur einen Monat Zeit genommen. Zwar besuchte er Oxford, doch schien ihm dort außer einigen touristischen Impressionen nichts weiteres notierenswert. Dies hängt vermutlich zum einen mit den dezidiert medizinischen Interessen Hallers zusammen, zum anderen damit, daß nach dem Tode Lhwyds 1709 die An- ziehungskraft des Ashmolean auf auswärtige Besucher erheblich gesunken war. Es war vor allem der junge Scheuchzer, der Haller während seines Londonauf- enthalts als Führer mit allen wichtigen Orten der Stadt bekannt machte. Bei einem dieser Gänge stand der botanische Garten in Chelsea auf dem Programm, der seinen Eindruck auf Haller nicht verfehlte: »In allem, der Garten übertrifft den Leydenschen an größe, schönheit und kommlichkeit, weicht ihm aber bei weitem an menge der Pflanzen, an ordnung. Doch bildt man sich hier wunder mit ein

104 Engelbert KÄMPFER, The History of Japan. Giving an Account of The antient and pre- sent State and Government of that Empire; of its Temples, Palaces, Castles, and other Build- ings; of its Metals, Minerals, Trees, Plants, Animals, Birds and Fishes …, Bd. 1, London 1728. 105 »In unserer Wißenschaft aber hatten wir alles was wir wünschen mochten. Boerhaave, der noch täglich 3 biß 4 Stunden hielte, zoge auß aller Welt Leute an sich und Albinus [Bernhard Siegfried Albinus, St. S.] konnte in der Zergliederungskunst so gut einen anführen als kein an- derer.« Haller in Holland. Het Dagboek van Albrecht von Haller van zijn verblijf in Holland (1725–1727), hrsg. von G. A. Lindeboom, Delft 1958, S. 37. 106 Siehe BOSCHUNG, Repertorium, Bd. 1, S. 478 (Nr. 988). 107 Albrecht Hallers Tagebuch seiner Studienreise nach London, Paris, Straßburg und Basel 1727–1728, hrsg. von Erich Hintzsche, 2. Aufl. Bern 1971, S. 23. Gaben und Gegengaben 45 und meint, es komme ihm nichts bey.«108 Aus der Perspektive seines in Paris stu- dierenden Landsmanns Johannes Geßner erfährt man weiteres und diesmal weit kritischeres über Hallers Londonaufenthalt. Nachdem Haller von London aus weiter nach Paris gereist war, berichtete er seinen dortigen Freunden sogleich über seinen Aufenthalt. Der junge Scheuchzer, so erzählt Haller Geßner, sei ziemlich »stolz und von sich eingenommen« gewesen und habe durch die Bekanntschaft mit Sloane sein Glück gemacht. Sloane selbst sei einer der reichsten Männer Englands und seine Sammlung aufgrund ihrer Vollständigkeit höchst bewunde- rungswürdig. Auch erwähnte Haller Neues über Sammler und Botaniker in Lon- don: »Herr Sherard und sein Freund Dillenius strengten sich unglaublich an, den Pinax von Bauhin zu vermehren; sie rücken von Autor zu Autor vor und sind be- reits bei den Werken des Plukenet angelangt.« Mit vielen anderen Naturforschern und Sammlern, darunter Woodward, habe er leider nicht sprechen können.109 Für den späteren Petersburger Akademieprofessor Johann Amman – auch er Schweizer Herkunft – bedeutete, im Gegensatz zu Haller, der Schritt nach Lon- don eine entscheidende Wendung in seiner Karriere als Arzt und Naturfor- scher.110 Er war zunächst nach einem Studium in Leiden 1730 von Sloane als Se- kretär und Bibliothekar eingestellt worden und half diesem bei der ständigen Arbeit des Ordnens und Katalogisierens seiner Sammlung. Daß sich die Dinge auf diese Weise günstig entwickelten, war für ihn, der 1729 in Medizin promoviert hat- te, zunächst nicht abzusehen. Es war der schon seit längerem in Danzig ansässige Breyne, der ihn im September dieses Jahres dazu ermutigte, den Schritt nach London zu Sloane zu wagen, nachdem Amman kurz zuvor aus Geldknappheit mit dem Gedanken gespielt hatte, in seine Heimat zurückzukehren.111 In diesem Zusammenhang zeigt sich wiederum die wichtige Rolle von Empfehlungsbriefen innerhalb des akademischen Netzwerks. Es war sein Studienkollege Gottfried Sellius, den Amman zunächst um Hilfe in dieser Angelegenheit ansprach und der sich daraufhin mit der Bitte um Empfehlungen für Sloane an Breyne in Danzig wandte; Sellius selbst war schon ein Jahr zuvor von Breyne an Sloane empfohlen worden.112

108 Ebenda, S. 22. 109 Siehe GESSNER, Tagebuch, S. 200. 110 Zu Amman siehe Christine G. THOMAS, Sir Hans Sloane and the Russian Academy of Sciences, in: The British Library Journal 14 (1988), S. 21–37, und Rudolf MUMMENTHALER, ›Kei- ner lebt in Armuth‹. Schweizer Ärzte im Zarenreich, Zürich 1991. 111 Siehe Amman an Breyne, Leiden, 7. Oktober 1729, Gotha, Chart. B 785, fol. 1r. 112 Im Empfehlungsschreiben für Sellius heißt es: »At the same time I take bolde to recom- mend to You the foresaid Gentleman, who is a Discipel of the Celebrated Philosopher Wolf in Germany and has made very good Profectus in Philosophy and Mathematicks; now traveling into Engeland, to see Your blessed Island and the learned men and remarcable things there […] You will be pleased to let him see Your vast Museum, an Ornament not only to Engeland but to all Europe«. Breyne an Sloane, Leipzig, 8. April 1729, BL, Sloane 4050, fol. 90r. Zu Breyne und Sellius siehe auch Pieter SMIDT (Hrsg.), Hendrik Engel’s Alphabetical List of Dutch Zoological Cabinets and Menageries, 2. Aufl. Amsterdam 1986 (EA 1939), S. 251, Nr. 1396. 46 Gemeinschaft Kurz nachdem das ersehnte Schreiben aus Danzig eingetroffen war, reiste Am- man dann im November 1729 nach England, und bald wurde der erste Kontakt zu Sloane aufgenommen. Mit dem Brief, den er ihm überreichte, konnte er zu- frieden sein: »The Gentleman’s name, who will deliver You this Letter, is John Amman from , of a celebrated Family. He is recommendet to me for his Erudition, and Skill in Philosophie, Mathematicks and Physick, but chiefly in Botanick and Natural History.«113 Amman hatte bald Gelegenheit, die in ihn ge- setzten Erwartungen unter Beweis zu stellen. Dabei kam ihm letztlich der Zufall zu Hilfe. Nach dem Tod des jungen Scheuchzer zwei Jahre zuvor war die Stelle als Sekretär noch nicht besetzt worden, und der geschäftige Sloane brauchte dringend jemanden, der ihm bei den laufenden Arbeiten in der Sammlung zur Hand gehen konnte.114 Amman scheint ganz in seiner neuen Aufgabe, die zunächst im Ordnen von Herbarien bestand, aufgegangen zu sein; die überlieferten Briefe an Breyne in Danzig behandeln ausschließlich naturhistorische Fragen und befassen sich mit der Organisation von Bücher- und Naturaliensendungen. Über das Leben Ammans in London erfahren wir dagegen nichts. Eine persönliche Note erhalten die Briefe allein durch Äußerungen der Dankbarkeit Breyne ge- genüber, der ihm die Fahrt nach London durch seine Empfehlung ermöglicht hatte.115 Seine Berufung als Professor der Botanik an die Akademie in Petersburg be- deutete einen weiteren Karrieresprung, den Amman unmittelbar seiner Arbeit bei Sloane verdankte. Schon im Oktober 1730 war der damalige Sekretär der Akademie, Gerhard Friedrich Müller, nach London gereist, um sich nach ge- eigneten Wissenschaftlern für die neugegründete Akademie umzusehen. Er hatte damals unter anderem Sloane besucht, der ihn auf seinen Mitarbeiter Amman hinwies. Drei Jahre später drängte Müller erneut auf einen Vorschlag Sloanes zur Besetzung dieser Stelle, und dieser scheint dann Amman direkt ins Spiel gebracht zu haben. Jedoch war dieser zunächst unentschlossen, worauf ein Brief an Breyne in Danzig hinweist, in dem er ihn um seinen Rat bat.116 Nach einiger Bedenkzeit und, wie es scheint, auf Drängen Sloanes, entschied sich Amman für den Schritt nach Rußland. Die formelle Einladung nach Petersburg erreichte Amman dann 1733; kurz darauf reiste er aus London ab.117 Obwohl die Bedingungen, die Dauer und letztlich die Motive des Besuchs aller fünf Londonreisenden – David Krieg, Johann Philipp Breyne, Albrecht von Hal- ler, Johann Kaspar Scheuchzer und Johann Amman – jeweils sehr unterschiedlich

113 Breyne an Sloane, Danzig, 29. November 1729, BL, Sloane 4050, 234r. 114 »Monsr. Aman whom you recommended to me lives in a manner with me & carries on a work I begun some years since in making an index to all my volumes of dryed plants or horti sic- ci«. Sloane an Breyne, London, 28. Juni 1730, Gotha, Chart. B 788, fol. 633r. 115 Siehe Amman an Breyne, London, [Oktober 1730,] Gotha, Chart. B 785, fol. 3r, und Amman an Breyne, London, 26. Februar 1732, Gotha, Chart. B 785, fol. 10r. 116 Siehe Amman an Breyne, London, 20. Oktober 1732, Gotha, Chart B 785, fol. 7r. 117 Siehe MUMMENTHALER, Armuth, S. 60 f. Zu seiner weiteren Karriere in Petersburg siehe unten, S. 75. Gaben und Gegengaben 47 waren, zeigen sie doch Gemeinsamkeiten. Jeder von ihnen erfuhr London als eine Erweiterung der durch das Studium der Medizin und der Naturgeschichte vorgegebenen Möglichkeiten, als eine Art Ausbruch aus dem Lehrplan der Uni- versitäten in die Praxis wissenschaftlicher Forschung. London zusammen mit Oxford bildete in der unvergleichlichen Dichte privater Sammlungen, der Viel- zahl informeller Treffpunkte und nicht zuletzt mit der Royal Society eine Art Schnittstelle von Geselligkeit und Wissenschaft, die einer Verbreitung naturge- schichtlichen Wissens günstig war. Das neue Modell der Wissenschaft war nicht universitär geprägt, sondern entstand zu Beginn des 18. Jahrhunderts in den ur- banen Verdichtungsräumen. Auf welche Weise dieses Modell in der Folge bis an die Peripherie der gelehrten Welt ausstrahlte, soll im anschließenden Kapitel nä- her untersucht werden.

1.2 »The narrow sphere of my own observations«: Sammeln in der Provinz

Gegenüber William Borlase, dem in Cornwall lebenden Antiquar und Naturfor- scher, bemerkt Emmanuel Mendes da Costa 1748, daß das Interesse für das Stu- dium der Naturgeschichte auf allen Gebieten zunehme: »The Royal Society takes Great notice of Nat. Histy. in all its Branches & the Societies abroad also. The study revives daily, and we daily hear of new naturalists new entering on the Public Lists.«118 Dieser Begeisterung des jungen Mendes da Costa, der kurz vor- her selbst zum Mitglied der Royal Society ernannt worden war, konnte Borlase allerdings mit Recht die schwierige Situation in der wissenschaftlichen Provinz, abseits gelehrter Zirkel und Bibliotheken, entgegenhalten. Einer von ihm geplan- ten Naturgeschichte Cornwalls stünden gravierende Hindernisse entgegen. Es seien nicht nur die Bücher, die ihm fehlten, sondern besonders vermisse er den Umgang mit Gleichgesinnten in seiner näheren Umgebung.119 Die beiden Äußerungen machen deutlich, daß mit der Popularisierung und Verbreitung der Naturgeschichte im 18. Jahrhundert sich die Aktivitäten vom Zentrum weg zunehmend an die Peripherie verlagerten. Die Verteilung der Kor- respondenten Sloanes und Mendes da Costas auf der europäischen Landkarte vermittelt einen Eindruck von der Dichte wissenschaftlicher Aktivitäten außer- halb der klassischen Zentren der Gelehrsamkeit (Karten 1, 2, 3). Von Beginn an war es die Absicht der Royal Society, nicht nur ein Diskus- sionsforum der Wissenschaften innerhalb eines urbanen Umfeldes zu bieten, son- dern darüber hinaus Kontakte zu Gelehrten außerhalb zu knüpfen. Das hier zu-

118 Mendes da Costa an William Borlase, s’Hertogenbosch, 16. Juni 1748, BL, Add. 28.535, fol. 4r. Waren um 1700 noch 131 Personen in den Mitgliederlisten der Royal Society zu finden, so waren es um 1800 schon 531. Siehe Richard SORRENSON, Towards a History of the Royal Society in the Eighteenth Century, in: Notes and Records of the Royal Society London 50 (1996), S. 29–46, hier S. 30. 119 Siehe Borlase an Mendes da Costa, Lugdvan, 27. Juli 1748, BL, Add. 28.535, fol. 18r. 48 Gemeinschaft grundeliegende Ideal der Gelehrtenrepublik löste den Gelehrten von seiner Bindung an einen bestimmten Ort und stellte seine wissenschaftliche Qualifikation Gaben und Gegengaben 49

Karte 1: Das Sammlernetzwerk Hans Sloanes auf dem Kontinent.

50 Gemeinschaft

Karte 2: Die Korrespondenzorte Emmanuel Mendes da Costas auf dem Kontinent.

Gaben und Gegengaben 51

Karte 3: Die Korrespondenzorte Emmanuel Mendes da Costas innerhalb Englands.

52 Gemeinschaft jenseits regionaler oder nationaler Grenzen in den Vordergrund. In der Realität sah dies jedoch oft anders aus. Denn die Spielräume, innerhalb deren Wissen- schaft möglich war, fielen durchaus unterschiedlich aus. Borlases Klage über die eingeschränkten Möglichkeiten einer gelehrten Existenz jenseits der Zentren ist hierbei ein beredtes Zeugnis und verdeutlicht zugleich die grundlegende Ambi- valenz dieser Situation. Denn einerseits war es unbestreitbar eine der wesentli- chen Leistungen der mit den neuen Wissenschaften entstehenden kommunika- tiven Netzwerke, auch diejenigen am Rande der Zentren in die gemeinsame Ar- beit am Wissensfortschritt einzubeziehen, andererseits entstand damit aber zu- gleich ein Gefälle zwischen Wissenschaftszentrum und Peripherie. Richard Barton, ein weiterer Korrespondent Mendes da Costas, bringt dies zum Ausdruck, wenn er sich bei ihm über die mangelnden Möglichkeiten zur Durchführung wissen- schaftlicher Experimente an Mineralien beklagt. Er beneidete seinen Londoner Kollegen um die ihm zur Verfügung stehenden Gerätschaften – die »philosophical machines«, wie er sich ausdrückt.120 So waren sich die Sammler im Zentrum London ihrer privilegierten Stellung wohlbewußt. Der mit Mendes da Costa be- freundete Sammler Andrew Peter Dupont schreibt: »It is not surprising to meet with curious collections on the very spots where nature is so very abundant in such various productions, but with all the beautys which the cabinets of Country virtuosi may display, the want of proper Knowl- edge in most part of the Possessions I apprehend, tenders them of much less consequence, than if they were in the hands of the more judicious in these studies, & while these latter are denied the easy means of procuring what would greatly tend to enlarge natural knowledge, the former are to be envyd for their being able so steadily to obtain what they are in generall unacquainted with. But perhaps I may underate the judgement of Country naturalists too much.«121 Was in dieser Bemerkung zugleich anklingt, ist das Bewußtsein Londoner Samm- ler, auf die Aktivitäten in der Provinz angewiesen zu sein. Nur der Sammler in der Provinz hatte die Möglichkeiten, aus seiner Lokalkenntnis heraus neue Ent- deckungen auf dem Gebiet der Naturgeschichte zu machen. Er war damit dem Sammler im Zentrum überlegen, der nur zeitweise und durch aufwendige Exkur- sionen sich diese Kenntnisse anzueignen vermochte. Was sich hier zudem an- deutet, ist ein Gefälle zwischen primär-registrierender Sammlungstätigkeit auf lo- kaler Ebene und sekundär-wissenschaftlicher Bearbeitung im Zentrum. Doch ungeachtet dieser Unterschiede vollzog sich im 18. Jahrhundert eine Bewegung des Ausgleichs zwischen wissenschaftlichem Zentrum und Peripherie. Wenngleich das Zentrum im Bewußtsein der Naturforscher und Sammler seine Vorrangstellung beibehielt, so war doch nicht zu übersehen, daß immer mehr Naturforscher in der Provinz Zugang zur Forschung im Zentrum fanden. Trotz

120 Richard Barton an Mendes da Costa, Lurgan (Nordirland), Dezember 1753, BL, Add. 28.534, fol. 177r. 121 Andrew Peter Dupont an A. Robinson (Kopie von Mendes da Costas Hand), London, 14. Februar 1761, BL, Add. 28.536, fol. 242r. Gaben und Gegengaben 53 der Anziehungskraft Londons ermöglichte der Ausbau kommunikativer Netz- werke die Einbeziehung der Provinz in den Prozeß des Sammelns und der natur- geschichtlichen Wissensbildung. Die Ausbreitung der Wissenschaften von den Zentren aus an die Peripherie war eine Bewegung des Ausgleichs sowohl im Hin- blick auf den Wissenstransfer als auch einer Institutionalisierung nach dem Vor- bild der Zentren. Die in London, Leiden oder Paris ausgebildeten Forscher tru- gen ihr Wissen bis in die entlegensten Winkel ihrer Länder und schufen in Form gelehrter Zirkel und wissenschaftlicher Gesellschaften eine institutionelle Basis für weitere Forschungsaktivitäten.122 Im 18. Jahrhundert sprossen allerorten auf dem Lande naturforschende und all- gemein wissenschaftliche Gesellschaften hervor. In Frankreich etwa entstanden auf Initiative des Staates und in enger Verbindung zur Muttergründung der Aca- démie des Sciences über das ganze Land verstreut eine Vielzahl von Akademien. Allein von 1715 bis 1760 gab es von Cherbourg im Norden bis Marseille im Sü- den zwanzig Neugründungen.123 Für England gilt für die gleiche Zeit ein ähnlicher Befund. In Spalding, Peterborough, Northampton oder Manchester entstanden Gesellschaften, in deren Rahmen naturhistorische Vorträge und Exkursionen ver- anstaltet wurden.124 Das Vorbild der Royal Society ist dabei unverkennbar wirk- sam: Die 1710 gegründete Spalding Society zählte insgesamt nur 60 Mitglieder vor Ort, dagegen aber eine Vielzahl von Ehrenmitgliedern, die sich aus den Reihen der Fellows der Londoner Gesellschaft rekrutierten.125 Auch die Versendung der Philosophical Transactions erwies sich als ein wichtiges Instrument der Anbindung der Provinz an die Aktivitäten im Zentrum London. Ein großer Teil der etwa 300 im Monat zirkulierenden Exemplare erreichte die Interessenten in den weiter ent- fernten Regionen.126 War in England und Frankreich die Situation durch den Gegensatz von Zen- trum und Provinz geprägt, so lagen die Verhältnisse in Deutschland anders.127

122 Siehe hierzu Raymond James EVANS, The diffusion of science. The geographical trans- mission of natural philosophy into the English Provinces (1660–1760), Diss. Cambridge 1982 (Ms.), Roy S. PORTER, Science, provincial culture and public opinion in enlightenment Eng- land, in: British Journal for Eighteenth Century Studies 3 (1980), 20–46, R. G. A. DOLBY, The Transmission of Science, in: History of Science 15 (1977), S. 1–43. Von den Ursprüngen des Be- griffs ›Provinz‹ im römischen Verwaltungswesen einmal abgesehen, sind dessen kulturelle und wissenschaftliche Konnotationen auch vor dem Hintergrund moderner Urbanität und damit letztlich der Herausbildung von Metropolen zu begreifen. 123 Siehe Daniel ROCHE, Natural history in the academies, in: Nicolas JARDINE/James A. SECORD/Emma C. SPARY (Hrsg.), Cultures of Natural History, Cambridge 1996, S. 127–144, hier S. 127 f. 124 Gwendoline AVERLEY, English Scientific Societies, Diss. Teeside Polytechnic 1990 (Ms.). 125 Ebenda, S. 11. 126 Siehe EVANS, Diffusion, S. 125. 127 Siehe Rolf WINAU, Zur Frühgeschichte der Academia Naturae Curiosorum, in: Rudolf VIERHAUS/Fritz HARTMANN (Hrsg.), Der Akademiegedanke im 17. und 18. Jahrhundert, Wol- fenbüttel 1977, S. 117–137, und Richard van DÜLMEN, Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bür- gerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland, 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1996, S. 26 f. 54 Gemeinschaft Hier entstanden um die Mitte des 17. Jahrhunderts, wenngleich zaghaft, erste wissenschaftliche Gesellschaften. Doch ließ die territoriale Zersplitterung eine zen- tralisierte Organisation nicht zu, sodaß man nach anderen, dezentralen Lösungen Ausschau hielt. Den Anfang markierte 1651 die epistula invitatoria des Schweinfurter Stadtphysicus Johann Lorenz Bausch an seine dortigen Ärztekollegen, in der er zur Gründung einer kurz darauf Academia Naturae Curiosorum benannten Ge- sellschaft aufrief. An ihr wird der dezentrale Charakter der Organisation beson- ders sinnfällig. Sie war nicht an einen bestimmten Ort gebunden, der Sitz dieser Akademie wechselte mit dem jeweiligen Wohnsitz des Präsidenten. Doch ist die Gründung wissenschaftlicher Gesellschaften außerhalb der tradi- tionellen Zentren der Gelehrsamkeit keineswegs als eine ›Zivilisierung‹ rückstän- diger Regionen zu betrachten, gleichsam als Kultivierung einer bis dato unbestell- ten Wildnis nach dem Muster mittelalterlicher Klostergründungen. Im Gegenteil: Wissenschaftliche Gesellschaften in der Provinz beruhten auf schon vorher aus- gebildeten Strukturen von Verkehrswegen und Handelsplätzen. Sieht man sich nach weiteren Gründen für eine Entwicklung dieser Art um, so ist im Falle Eng- lands vor allem auf die beginnende Industrialisierung zu verweisen, in deren Ge- folge die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der Wissenschaften ausgelotet wurden. Das vielzitierte Beispiel der Lunar Society in Birmingham, zu deren Mit- gliedern Naturforscher, Ingenieure und Unternehmer zählten, veranschaulicht dies besonders deutlich.128 Die frühe Industrialisierung in England verlagerte die Wissenschaften vom Zentrum in die Provinz. Dies gilt im weiteren Sinne auch für wissenschaftliche Gesellschaften und Akademien außerhalb Englands, die im Sinne der Aufklärung die Reform des Wissens sowie die Verbesserung der Land- wirtschaft und der Ökonomie auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Als Zusam- menschluß der gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen Eliten wirkten sie von Dublin bis Mannheim, Göttingen oder München in Politik und öffentliches Le- ben hinein.129 Aber nicht allein die wirtschaftliche und industrielle Modernisierung kann als Motor der Verbreitung der Wissenschaften angesehen werden. Ebenso wichtig war der Wunsch lokaler, kleinstädtischer Eliten, mit den Entwicklungen in den großen Städten Schritt zu halten. Für sie bedeutete die Beschäftigung mit den Wissenschaften eine Möglichkeit, sich vom Verdacht der Rückständigkeit zu be- freien. Wissenschaft ist in diesem Sinne Teil einer verfeinerten Kultur und Aus- druck einer Neudefinition städtisch-bürgerlicher Lebensweisen.130 Betrachtet man

128 Siehe Margaret C. JACOB, Living the Enlightenment. Freemasonry and Politics in Eight- eenth-Century Europe, Oxford 1991, dies., Scientific Culture in the Early English Enlighten- ment: Mechanisms, Industry, and Gentlemanly Facts, in: Alan Charles KORS/Paul J. KORSHIN (Hrsg.), Anticipations of the Enlightenment in England, France and Germany, Philadelphia 1987, S. 134–164, und CLARK, Clubs, S. 110 f. 129 Siehe zur Dublin Society Theodore K. HOPPEN, The common scientist in the eighteenth century, Charlottesville 1970. 130 So PORTER, Science, S. 27. Die Kultur in der englischen Provinz beschreibt ausführlich John BREWER, The Pleasures of the Imagination. English Culture in the Eighteenth Century, London 1997, S. 495. Gaben und Gegengaben 55 die wissenschaftlichen Aktivitäten auf dem Lande und in den kleinen Städten aus dieser Perspektive, so stellt die Institutionalisierung im festen Rahmen einer Gesellschaft nur eine der Möglichkeiten der Beschäftigung mit Wissenschaft dar. Populärwissenschaftliche Gastvorträge reisender Naturgelehrter oder die gemein- same Lektüre wissenschaftlicher Neuerscheinungen, die private Einrichtung von Kabinetten und Sammlungen sowie Exkursionen in die Umgebung sind Erschei- nungsformen einer Wissenschaftskultur jenseits festgefügter Institutionen.131 Diese Entwicklung ist auch im engeren Bereich einer Beschäftigung mit Natur- geschichte ablesbar. So hatte seit dem 17. Jahrhundert in England die Beschreibung lokaler und regionaler Eigentümlichkeiten in Form einer Natural History Tradition. Antiquarische, historische und naturgeschichtliche Interessen verbanden sich hier mit dem Stolz auf die Bedeutung lokaler Überlieferungen und Naturschönhei- ten.132 Die Arbeit in der Provinz bot zudem die Möglichkeit, eine bisher noch unentdeckte Natur zu beschreiben, und erwies sich in dieser Hinsicht als Stand- ortvorteil gegenüber den Naturforschern im Zentrum. Exkursionen und For- schungsreisen verloren zwar nicht an Bedeutung, aber die dauerhafte Anwesen- heit auf dem Lande bot ganz andere Möglichkeiten des Sammelns und des Be- schreibens. Es entstand ein Netzwerk lokaler Sammler und Sammlungen, über das die Funde ihren Weg in die Sammlungen des Zentrums fanden. Aus der Perspek- tive des lokalen Naturforschers bemerkt in seiner Natural History of Selborne von 1789: »But in general foreign animal fall seldom in my way: my little intelligence is confined to the narrow sphere of my own observations at home.«133 Für den Naturforscher auf dem Lande stellte sich die Natur anders dar, als für denjenigen, der seinen Blick über die rauchverhangenen Dächer Londons schwei- fen ließ. Was jenem an Büchern, Instrumenten und persönlichem Austausch ab- ging, ersetzte ihm eine unmittelbare Naturerfahrung. Doch durch diese notori- schen Klagen klingt zugleich unverhohlener Stolz auf die Nähe zur Natur und der Fülle des noch Unentdeckten. So hebt etwa William Borlase die Bodenschät- ze seiner Heimat Cornwall hervor und weist auf künftige Möglichkeiten hin, die- se unterirdischen Welten durch verbesserte Abbaumethoden wirtschaftlich zu er- schließen.134 Auf ähnliche Weise spricht der Züricher Gelehrte Johann Jakob Scheuchzer gegenüber Johann Philipp Breyne von der Schweiz als einem zwar entlegenen Weltwinkel, der aber wegen seiner großartigen Natur dennoch einen Besuch lohne.135

131 Dazu Fred E. SCHRADER, Soziabilitätsgeschichte der Aufklärung. Zu einem europäischen Forschungsproblem, in: Francia 19 (1992), S. 177–194. 132 Siehe David M. KNIGHT, Natural Science Books in English 1600–1900, London 1972. 133 Gilbert WHITE, The Natural History of Selborne, with a preface by Lord Selborne and an introduction by David Attenborough, Oxford 1978 (EA 1789), S. 40. 134 Borlase an Mendes da Costa, Lugdvan, 27. Juli 1748, BL, Add. 28.535, fol. 18r. 135 »Sed ne quaeso obliviscaris Helvetiae, anguli illis mundi abjecti, sed tamen Magnalium Na- tura, unò DEI refertissimi.« Scheuchzer an Breyne, Zürich, 1. März 1704, Gotha, Chart. B 789, 576r. 56 Gemeinschaft Die englische Provinz Wie sich unter diesen Bedingungen eine Existenz als Naturforscher außerhalb der etablierten Zentren verwirklichen ließ, zeigt anschaulich das Beispiel des schotti- schen Arztes Patrick Blair.136 Die Sektion eines in der Nähe von Dundee kurz zuvor verendeten Zirkuselefanten war für ihn Anlaß, sich mit der Anatomie die- ses Tieres näher zu beschäftigen. Er wurde hierbei von Charles Preston und vor allem von Sloane ermutigt, nachdem er beiden Anfang 1706 eine erste kurze Be- schreibung des Vorfalls und erste Ergebnisse der Untersuchungen zugeschickt hat- te.137 Es war dann Sloane, der 1710 dafür sorgte, daß die daraus entstandene um- fangreiche Untersuchung zur Anatomie des Elefanten unter dem Titel Osteographia Elephantina im Rahmen der Philosophical Transactions erscheinen konnte (Abb. 5).138 Doch schon während der Arbeit an diesem Werk konnte Blair kaum auf Rück- halt im eigenen Land rechnen. Im Jahr 1712 zog er in die Nähe von Aberdeen und hoffte, zwei Jahre nach der Beendigung seines Werks, auf eine Stelle an der Universität von St. Andrews. Aber auf mehr als den guten Willen seitens der an der Naturgeschichte Interessierten konnte er nicht zählen. In einem Brief an Sloane beklagt er sich über die mangelnde finanzielle Unterstützung, die die Na- turgeschichte in Schottland erfuhr. Der langwährende Krieg mit England, der erst durch die Union von 1707 beendet wurde, und ein nur laues Interesse von Gentry und Nobility seien für den langsamen Fortschritt der Wissenschaften ver- antwortlich. Dabei stand ihm das Vorbild der Wissenschaftsförderung in anderen Ländern deutlich vor Augen. Mit Bewunderung spricht er von den vom franzö- sischen König finanzierten Forschungsreisen des Joseph Pitton de Tournefort oder von den Reisen, die Paul Hermann im Auftrag der East India Company zwi- schen 1672 und 1679 unternehmen konnte.139 Vor diesem Hintergrund bat er Sloane und die Royal Society, sich beim englischen König für eine Naturfor- schende Sozietät in Schottland einzusetzen. Aber die Gründung der Philosophi- cal Society of Edinburgh sollte erst im Jahre 1737 erfolgen, verbunden mit dem

136 Siehe L. R. C. AGNEW, Patrick Blair, in: Charles Coulston GILLISPIE (Hrsg.), Dictionary of Scientific Biography, Bd. 2, New York 1970, S. 188. 137 Siehe Blair an Sloane, Dundee, 24. Mai 1706, BL, Sloane 4040, fol. 169r. 138 Patrick BLAIR, Osteographia Elephantina: or, a Full and exact description of all the bones of an elephant which died near Dundee, April the 27th. 1706. With their several dimensions. Communicated in a letter to Dr. Hans Sloane, in: Philosophical Transactions 27 (1710), S. 53–116. 139 Blair an Sloane, 31. März 1712, RS, Letter Book Original (Supplement) Bd. 2, S. 211. Gaben und Gegengaben 57

Abb. 5: Anatomie eines Elefanten. Kupfertafel aus Patrick Blairs Osteographia Elephantina (1710). Kupferstich. nachfolgenden Aufstieg Edinburghs zu einem der Zentren der europäischen Aufklärung.140 Doch für Blair, der sich mit seiner provinziellen Existenz an der Nordostküste Schottlands abfinden mußte, blieben dies Zukunftsträume. An Sloane schreibt er von Geldnöten, die seinen wissenschaftlichen Plänen entge- genstanden:

140 Siehe John R. R. CHRISTIE, The origins and development of the scottish scientific community, 1680–1760, in: History of Science 12 (1974), S. 122–141, und ders., Scotland, in: John W. YOLTON (Hrsg.), The Blackwell Companion to the Enlightenment, London 1991, S. 479–481. So kann Blair als einer der frühen Aktivisten für die Wissenschaftsförderung in Schottland angesehen werden. Schon Anfang 1714 waren die Aussichten auf die Gründung einer Sozietät in Edinburgh vielversprechend: »Since my return I have according to Dr. Arburthnots advice push’d on my recommendations so far for receiving publick encouragement in order to improve the Natural History here in Scotland that I have got the unanimous testimonys of the universities of St Andrews and Aberdeen and have become aquainted with those of our nobility of the best quality who have promised to be assisting with my friends there incising their good endeavoures with the Treasurer and Earle of Mare secretary for Scotland and as I know much of that Chiefly depends upon You and Dr. Arburthnot your Character and recommendation of me I persuade my self you’ll not be wanting in concerting with my other freinds at London what me assures are most propper to take for furthering the design.« Blair an Sloane, Edinburgh, 1. Februar 1714, BL, Sloane 4043, fol. 223r. 58 Gemeinschaft

»I formerly wrote you my living in a Country place without Converse, and a Speciall Attendance required in my Privat affairs hindered me from answering Your Expectations of me or indeed from perusing mine own Inclinations in the Naturall History, I told You there were severall Improvements and discoveries might be made in these parts which a private Purse could not prosecute.«141 Dennoch konnte sich Blair recht gut über die aktuellen Entwicklungen in der Naturgeschichte auf dem laufenden halten. Davon zeugt nicht nur die exzellente Kenntnis der bisherigen Arbeiten zur Naturgeschichte des Elefanten, die er in seiner Osteographia zitiert, sondern auch die Zusendung der Transactions aus London. Aber auf Dauer mußte der Verzicht auf eine größere naturhistorische Bibliothek unerträglich sein. Im selben Brief bemerkt er, daß es ihm schwerfalle zu entscheiden, was er der Royal Society an Beobachtungen senden könne, da er nicht wisse, was die Londoner Fellows gegenwärtig interessiere.142 Denn zu diesem Zeitpunkt, 1712, zwei Jahre nach der Veröffentlichung seiner Osteographia, war er voller Hoffnung, weitere Beobachtungen und Aufsätze der Royal Society mitzuteilen und in den Transactions unterzubringen. In seinen Schubladen befanden sich Arbeiten über die Sektion eines Seehunds und botanische Unter- suchungen.143 Auf andere Weise als erhofft gelangte dann Blair endlich von Schottland nach London. Der Anklage, an einer jakobitischen Verschwörung beteiligt gewesen zu sein, konnte er sich als Katholik 1715 nur durch Flucht entziehen. Es war Sloane, der ihn in London aufnahm und vor einer drohenden Verurteilung und Gefäng- nis bewahrte.144 Fünf Jahre später ließ er sich als Arzt in Boston (Lincolnshire) nieder und fand dort letztlich die nötige Ruhe, sich mit Naturgeschichte zu be- fassen. Über die Zeit dort gibt seine Korrespondenz mit John Martyn Auskunft, der mit ihm zusammen 1721 eine botanische Gesellschaft in London gründete.145 Eine Übersiedlung nach London scheint er kurzfristig erwogen zu haben, aber das Angebot Martyns, ihm im Stadtteil Spitalfields eine Wohnung zu besorgen, nahm er dennoch nicht an.146 Denn im Gegensatz zu seinen früheren Erfahrungen in Schottland konnte er diesmal einer provinziellen Existenz als Naturforscher im Nordosten Englands durchaus Positives abgewinnen: »I have here an agreable divertissement for my leisurly houres in viewing the fields and shall insisting in the prosecution of the Natural history.«147 Er hatte sich eine eigene Sammlung einge-

141 Blair an Sloane, Cowpar (County Angus), 29. Juli 1712, BL, Sloane 4043, fol. 64v. 142 Ebenda. 143 Blair an Sloane, 4. Juni [1712,] BL, Sloane 4025, fol. 49r. 144 Siehe AGNEW, Blair, S. 188. 145 Siehe ALLEN, Naturalist, S. 16. 146 Die Gründe hierfür sind wohl in seinen Londoner Erfahrungen zu suchen, wo er, als schottischer Katholik, von offizieller Seite immer noch dem Verdacht ausgesetzt war, an Ver- schwörungen beteiligt gewesen zu sein. Später scheint sich seine Situation beruhigt zu haben. So betont er gegenüber Martyn, daß er sich in der Ausübung seiner Religion in Boston in keiner Weise eingeschränkt fühle. Siehe Blair an Martyn, Boston, 7. Mai 1720, NHMB, Banks Collec- tion, Nr. 35, S. 89. 147 Blair an Martyn, Boston, 9. Mai 1720, NHMB, Banks Collection, Nr. 35, S. 91. Gaben und Gegengaben 59 richtet und einen kleinen botanischen Garten mit Gewächshaus angelegt; 1720 tra- fen dann die lange vermißten Bücher ein, die er bei seiner Flucht aus Schottland hatte zurücklassen müssen.148 Der Kontakt nach London mittels Briefen schien so vollkommen ausreichend zu sein. Er schickte weiter Beobachtungen dorthin, die sowohl in der botanischen Gesellschaft als auch in der Royal Society verlesen wur- den. Man hat den Eindruck, daß die Entfernung von London ihm durchaus er- wünscht war: Er unternahm Exkursionen in die Umgebung und beschäftigte sich etwa – »among my other amusements« – mit der Züchtung von Seidenraupen und der Konservierung von Vögeln, von denen er regelmäßig ausgestopfte Exemplare nach London verschickte.149 Auch der Naturforscher John Ray hat sich zeitlebens von London ferngehalten, wenngleich er durch regelmäßige Besuche und vielfältige Kontakte zur englischen Metropole Anteil an dem dortigen Geschehen nahm.150 Während seiner Studien- zeit in Cambridge lernte er Francis Willughby kennen, mit dem er von 1663 bis 1666 ausgedehnte Reisen auf den Kontinent unternahm. Gerade in diese Zeit fiel der ehrgeizige Plan einer umfassenden Geschichte aller drei Reiche der Natur, zu deren Vorbereitung diese Exkursion dienen sollte. Nach der Rückkehr arbeiteten beide auf dem Familiensitz Willughbys in der Nähe von Tanworth (Warwickshire) an der Verwirklichung dieses Unternehmens, legten umfangreiche Sammlungen an, richteten einen botanischen Garten ein und erweiterten die Bibliothek. Unter die- sen idealen Bedingungen entstanden, fern von London, die ersten Werke Rays, darunter der Catalogus Plantarum Angliae von 1670. Nach dem Tod Willughbys 1672 konnte Ray noch eine Weile in der gewohnten Umgebung weiterarbeiten, aber die Erben des Hauses zeigten sich an Naturforschung nur wenig interessiert. So nutzte Ray die Gelegenheit, nach dem Tode seiner Mutter 1679 sein Elternhaus in Black Notley in Essex zu beziehen, wo er dann bis zu seinem Tode leben und arbeiten sollte. Obwohl Ray bereits zu dieser Zeit einen hervorragenden Ruf unter den Natur- forschern besaß, lehnte er es trotz einiger Angebote immer wieder ab, nach Lon- don zu ziehen.151 Er richtete sich in den beschränkten Verhältnissen von Black Notley ein, legte Sammlungen an und stellte eine bescheidene Bibliothek von 1 500 Bänden zusammen. Seine enorme Produktivität als Forscher wäre unter die- sen Bedingungen jedoch undenkbar gewesen ohne die regelmäßigen Bücher- und Naturaliensendungen, die bis zu seinem Tod 1705 ihren Weg von London nach Essex fanden.152 Rays Entscheidung für die Provinz hing jedoch sicherlich auch

148 Siehe Blair an Martyn, Boston, 1720, NHMB, Banks Collection, Nr. 35, S. 97. 149 Siehe Blair an Martyn, Boston, 26. Oktober 1724 und 14. November 1725, NHMB, Banks Collection, Nr. 35, S. 195; 249. 150 Siehe zu Rays Leben RAVEN, Ray, hier S. 202–241. 151 Ebenda, S. 179 f. 152 So schrieb er, ein Beispiel von vielen, 1700 an Sloane: »This morning I sent You by Car- rier Monsr. Tourneforts Institutions, which I had done sooner had I known you needed them. I am now busy in running over Mr. Bobarts History, wherein I find more new Plants then I ex- pected, a great part whereof are owing to Dr. Sherards Collections, so that it is likely to take me 60 Gemeinschaft damit zusammen, daß er sich dort unbehelligt von Brotarbeiten ganz seinen For- schungen widmen konnte. Eine von Willughby testamentarisch ausgesetzte Rente sicherte ihm auf dem Lande ein einigermaßen bequemes Leben, ohne daß er sich von dem wissenschaftlichen Geschehen in London gänzlich distanzierte. Ein lokales Zentrum ähnlicher Art wie das von Ray und Willughby in Middel- ton Hall entstand in Bierley Hall, dem Familiensitz Richard Richardsons in York- shire. Richardson war nach einem Medizinstudium in Leiden 1690 dorthin zu- rückgekehrt und widmete sich, wohlhabend und ohne auf die Ausübung seines Arztberufes angewiesen zu sein, in den folgenden Jahren ganz seinen botanischen Interessen. Der weitläufige Garten diente dabei der Anpflanzung exotischer Pflan- zen, die er unter anderem von Sloane aus London zugeschickt bekam. Samuel Brewer, der ursprünglich im Wollgewerbe tätig gewesen war und dies später zu- gunsten botanischer Studien aufgegeben hatte, zog 1727 nach Bierley in die Nähe Richardsons. Auch Brewer war mit den Londoner Sammlern gut bekannt, beson- ders mit , mit dem zusammen er 1726 eine längere Pflan- zenexkursion nach Wales unternahm.153 Noch 1728 war Brewer mit der Auswer- tung des dort aufgesammelten Materials beschäftigt, bei der er jedoch in vielen Fällen, was die genaue Bestimmung von Pflanzen anging, immer wieder auf das fachmännische Urteil von Dillenius angewiesen war. Dillenius scheint diese Anfra- gen eher nachlässig bearbeitet und offenbar wegen eigener Forschungen immer wieder zurückgestellt zu haben. So zeigte sich Brewer während eines Besuches in London ungehalten über diese Verzögerungen. Denn was Brewer dringend für die Ordnung seiner Sammlung brauchte, waren die wissenschaftlichen Namen der Pflanzen, ohne die all seine Mühen vergeblich waren: »I much wait for their names till the minor finished may be 10 or 20 years after I am rotten in my grave.«154 Aber das hielt ihn nicht davon ab, weiterhin Exkursionen zu seinem und der Londoner Forscher Nutzen in der Umgebung zu unternehmen.155 Es lag ihm, fernab in Yorkshire auf dem Lande, viel daran, die von ihm gesammelten Pflanzen dem Urteil der Londoner gelehrten Sammler zu unterbreiten. Sloane spielte dabei eine wichtige Rolle. Überdies scheint es den Ehrgeiz Brewers angestachelt zu haben, den Londoner Großsammler durch neue, ihm noch un- bekannte Sammlungsstücke in Erstaunen zu versetzen: »I’ve collected a pretty many fossils & some Butterflye & other Insects yt Dr Rich[ardson] as I think to be non descripte. Yr collection is so exceedingly rich yt tis difficult & rare to meet wth any thing yt yr Honour has not. As to those things put a great deal of time.« Ray an Sloane, Black Notley, 18. September 1700, BL, Sloane 4038, fol. 70r. 153 Siehe Samuel Brewer’s Botanical Journey through Wales in the year 1726, NHMB, Banks Collection, Nr. 95. 154 Brewer an Sloane, London, 5. Juli 1728, BL, Sloane 4050, fol. 1r. 155 »You would be surprised to find so many new things yt I discovered & all upon ye round it was thoroughly searched before by many curious Gentleman of much better judgment for I never went a Mile in search after curiosity.« Brewer an Sloane, [Bierley,] 10. August 1732, BL, Sloane 4052, fol. 158r. Gaben und Gegengaben 61

yt I find wch are new do hope they will be acceptable to you if I knew of any thing yt you peticulary desir’d would carefuly search after it.«156 Im Gegenzug konnte Sloane ihm so ausgefallene Wünsche wie etwa die Zusen- dung von Glasaugen erfüllen, die Brewer zur Präparation von Vögeln verwenden wollte; ein Zeichen dafür, daß Brewer seine eigenen Sammlungen nicht aus dem Blick verlor.157 Auch sein Kollege Richardson blieb nicht untätig. Nach seiner Rückkehr aus Holland dauerte es eine geraume Zeit, bevor er sich entschloß, eine naturge- schichtliche Bibliothek und Sammlung aufzubauen. Der Kontakt zu Sloane in London scheint hier der Auslöser gewesen zu sein. Im Jahr 1702 berichtete er ihm, daß sich seine Sammlung von Kuriositäten noch in Unordnung befände und daß er gerade damit begonnen habe, sie neu zu ordnen. Er wolle diejenigen Stücke, die für Sloane interessant sein könnten, aussondern und nach London schicken.158 Die Bibliothek des Hauses wurde einer eingehenden Revision unterzogen: »My collection of Bookes in Nat: Hist: is but very inconsiderable being but a new beginer in that unless in Botany, and of that sort I am pretty well provided, though I want severall late Authors.«159 Auf seiner Wunschliste über die noch fehlenden Bücher standen zuoberst Standardwerke von Autoren wie Joseph Pitton de Tournefort, Leonard Plukenet, Ulisse Aldrovandi und Robert Plot. Sloane, der als leidenschaftlicher Büchersammler bei den Londoner Buchhändlern ein und aus ging, kam diesen Wünschen gerne nach und erwies sich auf diese Weise über lange Jahre hinweg als einer der treuesten Korrespondenten Richardsons.160 An Richardsons Briefwechsel mit Sloane ist der vielfältige Austausch von Informa- tionen und Objekten innerhalb eines gelehrten Netzwerkes gut zu beobachten. So stand Richardson etwa mit den damals führenden Fossilienforschern Lhwyd und Woodward in Verbindung, die sich an Funden in den Kohlegruben Yorkshires interessiert zeigten. Hier findet jene schon bekannte Arbeitsteilung zwischen dem Sammeln auf lokaler Ebene und der wissenschaftlichen Aufbereitung im Zentrum statt. Denn das endgültige Urteil über die Herkunft dieser Fossilien überließ Ri- chardson lieber den Experten in London, vor allem John Woodward, dessen neue Naturgeschichte der Fossilien er mit Spannung erwartete.161 Selbst die Aktivitäten des im fernen Zürich ansässigen Johann Jakob Scheuchzer dringen so bis nach Yorkshire vor. Sloane informiert Richardson über ein neues Buch des Schweizers, in dem er Gräser behandle und das er bei nächster Gelegenheit zusammen mit den dort erwähnten Pflanzen zu schicken verspricht. Bücher der Danziger Naturfor-

156 Brewer an Sloane, Bradford (Yorkshire), [ca. 1730,] BL, Sloane 4051, fol. 166v. 157 Siehe Brewer an Sloane, Bierley, 27. Juni 1731, BL, Sloane 4051, fol. 265r. 158 Siehe Richardson an Sloane, Bierley, 23. Mai 1702, BL, Sloane 4038, fol. 348r. 159 Richardson an Sloane, Bierley, 8. Juli 1702, BL, Sloane 4039, fol. 4r. 160 »I will endeavour to supply you with many things the distance you are at from the great places of Commerce hinders you from being able to purchase. I shall not forgett your great civilities, either that way or any other«. Sloane an Richardson, (o. O., o. D.), Bodl., Radcliffe Trust, c 1, fol. 84r. 161 Richardson an Sloane, Bierley, 8. August 1702, BL, Sloane 4039, fol. 4v. 62 Gemeinschaft scher Johann Philipp Breyne und Jacob Theodor Klein, mit denen Sloane korre- spondierte, fanden ebenfalls ihren Weg über London zu Richardson.162 Der Aufbau von Netzwerken dieser Art, in deren Mittelpunkt das lokale Sam- meln vor Ort und der wissenschaftliche Kontakt zu Sammlern und Naturforschern in London stand, macht deutlich, daß es nicht in jedem Fall notwendig war, das Interesse an Naturgeschichte in der Form einer Sozietät zu institutionalisieren. Nur zu oft agierten die Naturforscher vor Ort als Einzelkämpfer. Das gilt erstaun- licherweise auch dort, wo, wie im Falle des Bierley benachbarten Leeds, eine auf- strebende und reiche Stadt die Voraussetzung zu gemeinschaflicher Forschung im Rahmen eines Clubs oder einer Gesellschaft hätte bieten können.163 Doch weder bei Richardson noch bei Brewer gibt es Hinweise darauf, daß sie mit ihren naturkund- lichen Forschungen eine Anbindung an die nahegelegene Stadt suchten. Auch der dort ansässige reiche Wollhändler und umtriebige Sammler Ralph Thoresby stand in seinen Aktivitäten mehr oder weniger isoliert da. Ihm war es um 1700 gelungen, eine Sammlung vorwiegend antiquarischen Inhalts aufzubauen, die aus dem gan- zen Lande Besucher nach Leeds lockte. Er plante eine Zeit lang, seine reiche Bü- chersammlung den Interessierten in der Stadt zugänglich zu machen, ein Hinweis darauf, daß er auch im lokalen Umfeld mit seiner Arbeit Wirkung zu erzielen hoff- te.164 Doch letztlich blieb er mit seinen Interessen isoliert und Pläne dieser Art lie- ßen sich nicht realisieren. Deshalb wundert es kaum, daß er, wie seine Tagebücher ausführlich dokumentieren, bei seinen häufigen Besuchen in London eine Anbin- dung an die dortigen Sammlerkreise suchte. Das weitere Schicksal seiner Samm- lung nach seinem Tode 1725 ist bezeichnend: In einer Bodenkammer des Hauses von den Erben notdürftig untergebracht, verfiel die Sammlung zusehends, bevor sie dann 1743 weitgehend vernichtet war. Thoresby hatte als Sammler das Pech, mit seinen Aktivitäten auf eine weitgehend desinteressierte Öffentlichkeit zu stoßen. Erst in der zweiten Jahrhunderthälfte finden sich in Leeds, durch die beginnende Industrialisierung gefördert, erste Ansätze zu einer Kultur lokaler Geselligkeit: Im Jahr 1776 eröffnete ein Debating Club seine Pforten und auf die Initiative des Arztes William Hey entstand eine Medical Society.165 So waren in vielen Fällen die Sammler in der Provinz zunächst gänzlich auf sich selbst gestellt oder in überregionale Netzwerke eingebunden. Je mehr ihre Samm- lungen, durch Exkursionen in die unmittelbare Umgebung genährt, zunahmen, de- sto stärker wurde das Bedürfnis, sich über die Bedeutung der Objekte und ihre wis- senschaftliche Beschreibung mit Sammlerkollegen zu verständigen. Anfang 1778 reiste Walter Synnot durch England, um Fossilien für sein kleines Museum in Ir- land zu sammeln. Er hielt sich dabei in Derby auf, das er als eine Art Hauptquartier nutzte, um von dort aus Exkursionen in die Umgebung zu unternehmen. Von hier

162 Siehe Sloane an Richardson, London, 27. September 1720, Bodl., Radcliffe Trust, c 4, fol. 21v, und Sloane an Richardson, London, 23. Mai 1732, Bodl., Radcliffe Trust, c 8, fol. 55r. 163 Siehe zu Leeds die zeitgenössische Beschreibung von Daniel DEFOE, A Tour through the Whole Island of Great Britain, hrsg. von Pat Rogers, London 1983 (EA 1724–1727), S. 500. 164 Siehe BREARS, Thoresby, S. 215; 213. 165 Siehe CLARK, Clubs, S. 120; 151. Gaben und Gegengaben 63 aus suchte er den Kontakt mit Mendes da Costa, dem er anbot, zum gegenseitigen Vorteil Sammlungsmaterial zu tauschen.166 Darüber hinaus berichtet Synnot von den Anfängen und Motiven seiner Sammelleidenschaft: »I myself was above 20 years old before I ever saw a petrification, the first that came under my observation were at Bath, in the quarry from whence they pave the town, and I cannot find words to express my astonishment on finding some Hammonites [Ammoniten, St. S.] there; from that moment I commenced a Naturalist, and when I was sent to Travel, tho very Young & without any one to direct me I made some collections in Italy Germany France & , but I had the misfortune when I had so noble an opportunity to improve myself to have no books to direct me where to enquire for such things, nor no requaintance with any person who took delight in the same study, this is what I must for ever regret.«167 Trotz dieser ungeregelten und zufälligen Ausbildung konnte Synnot sich im Laufe der Zeit einiges Spezialwissen aneignen. Schon in Irland hatte er ein eigenes La- boratorium zur Bestimmung von Mineralien und Gesteinen zur Verfügung, das er während seiner englischen Exkursionen mitführen konnte. Auch berichtet er beiläufig von Kenntnissen in der Zubereitung der für die Experimente notwen- digen Säuren, Experimente die er zuweilen zum Vergnügen im Kreise seiner Fami- lie durchführte. Denn anders als Mendes da Costa, der gegenüber chemischen Analysen von Gesteinen eine kritische Haltung einnahm, befürwortete Synnot diese in der damaligen Zeit noch neuen Methoden der Bestimmung.168 Doch hinderte dies nicht eine enge Zusammenarbeit mit seinem Londoner Kollegen. Immer dort, wo er mit seinem eigenen Wissen nicht weiterkam, bat er Mendes da Costa um eine nähere Betrachtung und Beurteilung der gefundenen Stücke. Auch der auf seinem Landsitz Burton Constable in Yorkshire lebende William Constable suchte bei Mendes da Costa nach einer Anleitung für die Ordnung sei- ner Fossilien.169 Obwohl er bei Mendes da Costa, der zeitweise als Fossilienhändler tätig war, für hohe Summen einkaufte, legte er Wert auf seine eigenen Entdek- kungen. Hier, wie so häufig in anderen Fällen, ist eine Art naturhistorischer Lokal- patriotismus spürbar: »Since I receivd. your fossils I have taken some pains in examining the products of our own Coast, an account which perhaps may not bee unacceptable to you tho from the few visits I have paid the Coast you must suppose many things omitted,

166 Siehe Synnot an Mendes da Costa, Derby, 3. Mai 1778, BL, Add. 28.543, fol. 4r, und Synnot an Mendes da Costa, Derby, 31. September 1778, ebenda, fol. 14r. 167 Synnot an Mendes da Costa, Derby, 21. Juli 1781, BL, Add. 28.543, fol. 18. 168 »I prepare my own acids and any other matters I want for the examination of Fossils; this is all I have to say to Chemistry, except that I sometimes perform a few experiments to amuse my children«. Synnot an Mendes da Costa, 2. August 1781, BL, Add. 28.543, fol. 140r. Zu Mendes da Costas kritischer Haltung gegenüber chemischen Bestimmungsmethoden siehe unten, S. 278. 169 Constable an Mendes da Costa, Burton Constable, 8. November 1760, BL, Add. 28.536, fol. 104r. 64 Gemeinschaft

yet a Gentleman of your Knowledge in Natural Philosophy may infer from such things being found that others of which I am ignorant, are to bee found«.170

Für John Smith Budgen, über dessen nähere Lebensumstände die Briefe an Men- des da Costa leider keine Auskunft geben, bedeutete das Fossiliensammeln vor al- lem eine sinnvolle Beschäftigung in einer Umgebung, die nur wenig Aussicht auf Ablenkung und Vergnügung bot. Eine ungeduldig erwartete Fossiliensendung aus London und gelegentliche Exkursionen in die nähere Umgebung boten da eine er- wünschte Abwechslung. Seine freien Stunden verwandte er darauf, Fossilien näher zu betrachten und dies, wie er schreibt, mit größerem Vergnügen als die für ihn anscheinend zu alltäglichen Pflanzen auf den Feldern.171 Somit konnte auch Lan- geweile als Motiv für eine Beschäftigung mit der Naturgeschichte in Frage kom- men. Doch Budgen wollte wie Synnot seine Interessen mit Gleichgesinnten teilen und aus seinem engen lokalen Bezugsrahmen hinaustreten. Ein Besuch des Ash- molean Museums in Oxford 1761 brachte ihn in Kontakt mit dem damaligen Ku- rator William Huddesford, durch den er von Plänen für eine kleine naturforschende Gesellschaft erfahren hatte. Aber dieses Projekt, so berichtet Budgen, wollte nicht so richtig vorankommen, da viele der ›Gentlemen‹, an die man sich gewandt hatte, die mühevolle Arbeit in der Aufbauphase fürchteten. Ihnen schrieb Budgen mit Verweis auf Horaz ins Stammbuch, daß eben aller Anfang schwer sei.172

Stützpunkte auf dem Kontinent

Das Bedürfnis, das lokale Sammeln und Forschen in ein weitgespanntes Netzwerk von Verbindungen und Kontakten einzufügen, findet sich auch auf dem Konti- nent. Für diese Sammler – wobei im folgenden die Städte Riga, Danzig und Peters- burg näher betrachtet werden sollen – stellte der Bezug zu den Zentren der gelehrten Welt eine Konstante ihrer alltäglichen naturforschenden Praxis dar. Daher soll hier der Frage nach dem Verhältnis von dezentralen und lokalen Sammlungsaktivitäten einerseits und dem allgegenwärtigen Wunsch nach zentraler und überregionaler Organisation in Form von Akademien und Gesellschaften andererseits weiter nachgegangen werden. Über die Einrichtung einer »Philosophical Society« in Nürnberg, die er während seiner Reise nach Italien kennengelernt hatte, berichtete Martin Folkes 1733 in einem Brief an Sloane.173 Der Nürnberger Mathematiker Johann Gabriel Doppel- mayr führte ihn in diese Gesellschaft ein, die sich wöchentlich in der Sammlung des Mediziners Christoph Trew traf. Doppelmayr verschwieg seinem Besucher nicht,

170 Constable an Mendes da Costa, Burton Constable, 24. August 1779, BL, Add. 28.536, fol. 80r. 171 Budgen an Mendes da Costa, Dorking (Surrey), 8. August 1760, BL, Add. 28.535, fol. 7v. 172 »Many Gentlemen that have been applied to, are timorous & fearing to engage in such a Society, lest it should not arrive at the wish’d for perfection, but I fancy they have forgot an old sentence of Horace, Dimidium facti que coepit habet.« Budgen an Mendes da Costa, Dorking (Surrey), 16. Juni 1761, BL, Add. 28.535, fol. 289r. 173 Martin Folkes an Sloane, Augsburg, 11. Mai 1733, BL, Sloane 4052, fol. 342r. Gaben und Gegengaben 65 daß er seit kurzem mit Sloane in London in brieflichem Kontakt stand und über ihn bereits einige Bände der Transactions erhalten hatte. Überhaupt war die Verbindung dieser 1730 in Nürnberg gegründeten naturforschenden Sozietät zu englischen Forschern besonders eng. Ein Blick in die Korrespondenzlisten von Trew zeigt den in den dreißiger Jahren engen brieflichen Austausch mit neben Sloane auch anderen Engländern wie etwa Johann Jakob Dillenius, Cromwell Mortimer, John Fothergill oder William Sherard.174 Für Folkes war dies ein Beweis, daß es vor allem dieser Zeitschrift zu verdanken sei, daß sich der gute Ruf der englischen Wissenschaften schnell auf dem Konti- nent verbreite.175 Überhaupt hatte sich die Situation der Nürnberger Forscher seit der Gründung dieser kleinen Gesellschaft im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren wesentlich gebessert. Noch in einem Brief an den jungen Scheuchzer in London hatte sich Doppelmayr einige Jahre zuvor über das Unglück beklagt, in Nürnberg abseits der gelehrten Welt zu leben, wo »die curiositat immerzu mehr und mehr abnimmt«. Es ist nur zu verständlich, daß er Scheuchzer um seine Möglichkeiten, in London zu arbeiten, beneidete und inständig darum bat, ihm Neuigkeiten von dort mitzuteilen. So war er etwa an den neuen Teleskopen Newtons brennend interessiert.176 Konnte Doppelmayr einige Jahre später zumindest seinen Forschungen innerhalb einer neugegründeten Sozietät nachgehen, so war die Lage für den gerade von einem längeren Aufenthalt in London nach Riga zurückgekehrten David Krieg alles andere als günstig. Für ihn, der längere Zeit in der anregenden Atmosphäre des Temple House Botany Clubs verkehrt hatte, bot Riga nur wenig Gelegenheit, sich weiterhin mit den Wissenschaften zu beschäftigen. Hinzu kam, daß er befürchtete, mit seinen Nachrichten und Naturaliensendungen die Erwartungen seiner Londo- ner Freunde nicht erfüllen zu können. Enttäuscht schreibt er an William Courten: »But what can I promise you? Since I am here in a Country, where as well the ground, as the inhabitants are poor to a high degree; except there might come in the windertime some fowls, as they use to do, & bring their skinns and feathers to me, to be send for a present to you the next spring«.177

Um wenigstens die Grundlage für eine wissenschaftliche Bibliothek auf dem neue- sten Stand zu schaffen, bat er James Petiver, ihm regelmäßig Bücher zu schicken,

174 Siehe SCHMIDT-HERRLING, Trew, passim. 175 »Dr Trew told me he had the happiness of being somewhat known to you, and that you had favour’d him with a present of some of the transactions which he very greatly esteemd: I find such a present is so much valued abroad when our Transactions come no other way, that I am satisfyed it is very well work the Societys while to bestow the charge of a few such presents which will both encrease our reputation abroad and be repaid to the Society with interest in the correspondence that will be enlarg’d by that recurrs.« Folkes an Sloane, Augsburg, 11. Mai 1733, BL, Sloane 4052, fol. 342v. 176 Johann Gabriel Doppelmayr an J. K. Scheuchzer, Nürnberg, 2. Dezember 1727, BL, Sloane 1968, fol. 15r. 177 Krieg an William Courten, Riga, 2. Oktober 1699, BL, Sloane 3328, fol. 67r. 66 Gemeinschaft für die er eine bestimmte Summe in London hinterlegen wollte.178 Es war ihm mit der Zeit offenbar gelungen, trotz widrigster Umstände eine eigene Naturaliensamm- lung aufzubauen, wobei er sich gutgemeinter, aber für seine wissenschaftlichen Zwecke ungeeigneter Geschenke nicht immer erwehren konnte. So berichtet er gegenüber Petiver von aufdringlichen Einwohnern, die ihm Sammlungsstücke von recht zweifelhafter Herkunft geradezu aufdrängten, und daß er dadurch die Qualität seiner Sammlung ernsthaft gefährdet sah. Es scheint, als hinge diese Ab- wehrhaltung mit dem Wunsch zusammen, sich von der ungewohnten und unge- liebten neuen Umgebung zu distanzieren, sich hinter seiner gelehrten Sammlung gewissermaßen zu verschanzen.179 So sucht Krieg als Sammler zunächst kaum Kontakte zur Stadt, ja versucht geradezu seine Fremdheit zu kultivieren. Schon bald nach seiner Ankunft in Riga hatte er damit begonnen, Exkursionen in die nähere Umgebung Rigas zu unternehmen. Fossile Muscheln fänden sich, so Krieg in einem Brief an Sloane, überall in großer Menge, selbst in den Mauern einiger Stadt- häuser.180 Sein Anspruch, besonders bemerkenswerte Objekte nach London zu schicken, verleitete Krieg auch dazu, ein Musikinstrument zu versenden, das von den Einheimischen als Harfe bezeichnet wurde und von dem sich ein ähnliches Exemplar auf dem Frontispiz der Sammlungsbeschreibung des Dänen Olaus Worm findet (Abb. 6).181 Eine kurzzeitige Erlösung aus dieser unbefriedigenden Lage in Riga bedeutete für ihn eine Reise nach Paris, wo er sich von 1701 bis 1702 aufhielt. Der Ton der wenigen erhaltenen Briefe an Petiver und Sloane zeugt von einem erneuten Selbst- bewußtsein als Naturforscher und kritischem Berichterstatter über die Pariser Sammlerszene: »As for natural history & collections I have seen but very few here, because the learned apply them self more to mathematick, history & elegand speach, then any thing else. But Mons. Geofroy I find a very ingenious man in natural history, Mons. Merry in Anatomy etc.«182

178 Krieg an Petiver, Riga, 29. April 1708, BL, Sloane 4064, fol. 163r. 179 »You know I went from you for to settle my self at Riga, & when I came there some people would put a piece of natural history into my Collection which I did not like; for I was afraid to have my whole collection spoild.« Krieg an Petiver, Paris, 20. März 1702, BL, Sloane 4063, fol. 147r. 180 Siehe Krieg an Sloane, Riga, 12. Juli 1699, BL, Sloane 4037, fol. 299r. 181 »A Musical Instrument called by the Livonians a Harp, described by Ol. Wormi in Mus. & figured in the Title-print, which the country people use to play upon.« Ebenda, fol. 299v. Siehe Olaus WORM, Museum Wormianum seu Historia rerum rariorum …, Leiden 1663. Die- ses eher einer Zither ähnelnde Instrument findet sich im rechten unteren Regal auf dem mit ›Ligna‹ bezeichneten Kasten. 182 Krieg an Petiver, Paris, 20. März 1702, BL, Sloane 4063, fol. 147r. Gaben und Gegengaben 67

Abb. 6: Frontispiz zu Olaus Worms Museum Wormianum seu Historia rerum rariorum (1663). Kupferstich.

Im Januar 1703 kehrte Krieg nach Riga zurück, wo er zwei Jahre später eine Stel- lung als Garnisonsarzt antrat. Er scheint sich in den folgenden Jahren mit den dor- tigen Verhältnissen arrangiert zu haben, um so mehr, als er offenbar in seinen naturhistorischen Interessen Mitstreiter gefunden hatte: Unmittelbar nach seiner Rückkehr empfahl er den Sohn des örtlichen Stadtphysikus Nikolaus Martini an Petiver nach London.183 Von einem neuerwachten Interesse an naturhistorischer Forschung zeugt ebenfalls ein um diese Zeit veröffentlichter Aufsatz in den Trans- actions, in dem Krieg über die Präparation einiger Mineralien wie Salz, Kobalt und Arsen berichtet.184 Ein weiterer Hinweis auf diese neuerwachten Aktivitäten nach der Rückkehr aus Frankreich ist die Bestellung einige Standardwerke zur Fossilien- bestimmung, eines guten Mikroskops sowie astronomischer Geräte, wegen derer er sich 1708 an Petiver wandte.185 Viel Zeit blieb ihm jedoch im rauhen und unge-

183 Krieg an Petiver, Riga, 22. Januar 1703, BL, Sloane 4063, fol. 190r. 184 Siehe David KRIEG, Part of a Letter from Dr David Krieg, F.R.S. to the Publisher, concerning Cobalt, and the Preparations of Salt and Arsenic, in: Philosophical Transactions 24 (1704/05), S. 1754–1756. 185 Krieg an Petiver, Riga, 29. April 1708, BL, Sloane 4064, fol. 163r. 68 Gemeinschaft liebten Klima Rigas nicht mehr: Schon 1710 starb er an der Pest und seine Samm- lung wurde verkauft. Es war sein Freund Martini, der einige Stücke aus diesem Verkauf retten konnte, Stücke, die kurz darauf ihren Weg nach London in die Sammlung Sloanes fanden. Mit Martini begann dann, so scheint es, ein neuer Ab- schnitt in der Geschichte des gelehrten Riga. Jedenfalls berichtet darüber Caspar Friederich Neickel, in dessen Museographia von 1727 die Stadt Riga mit den Samm- lungen von Martini und Johann Bernhard Fischer Erwähnung findet.186 Kann Krieg letztlich als ein gescheiterter Pionier der Naturforschung in den be- schränkten Verhältnissen Rigas angesehen wurden, so gilt dies keineswegs für Jo- hann Philipp Breyne. Anders als Krieg konnte sein Danziger Kollege nach seiner Rückkehr auf schon vorhandenen wissenschaftlichen Traditionen aufbauen.187 Denn Danzig gehörte mit seinen fast 50 000 Einwohnern zu den bedeutenderen Handelsplätzen im nördlichen Europa. Vielfältige Handelsverbindungen vor allem in die Niederlande und nach England führten zu einer engen Anbindung an Westeuropa, von der nicht zuletzt auch die Naturforscher profitierten, die ihre Briefe und Sendungen den regelmäßig auf Fahrt gehenden Handelsschiffen mitge- ben konnten. Schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts errichtete der Astronom Jan Hevelius (1611–1687) eine Sternwarte in den Mauern der Stadt, nachdem er sich zuvor längere Zeit in England aufgehalten und in engem Kontakt zum Gründungs- und Korrespondenzzirkel der Royal Society um Henry Oldenburg gestanden hatte. Zum Kreis dieser Pioniere der Naturforschung in Osteuropa zählte auch Jacob Breyne (1637–1697), der Vater von Johann Philipp. Er hatte wie sein Sohn in Leiden studiert und war später durch die Veröffentlichung botanischer Schriften hervorgetreten. Vor diesem Hintergrund bedeuteten die Aktivitäten Breynes und einiger ande- rer naturhistorisch Interessierter der Stadt sowohl eine Wiederbelebung lokaler Traditionen als auch den zielstrebigen Ausbau internationaler Gelehrtenkontakte. So hatte Breyne seinen ursprünglichen Plan, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und als Arzt zu praktizieren, ganz zugunsten eigener Naturforschung auf- gegeben.188 Schon die Reise nach England und Italien hatte ihn, wie es scheint, in dieser Hinsicht bestärkt: Zwei Aufsätze in den Transactions, in denen er von seinen Reiseerfahrungen berichtete, zeigen eine deutliche Hinwendung zur Naturge- schichte und besonders zum Spezialgebiet der Botanik, das schon sein Vater ge- pflegt hatte.189 Kurz nachdem er 1704 nach Danzig zurückgekehrt war, nahm er

186 Siehe NEICKEL, Museographia, S. 108. Zum Tod Kriegs siehe BRENNSOHN, Aerzte, S. 4. 187 Siehe Edmund CIESLAK/Czesław BIERNAT, History of Gdansk, Danzig 1995. Zu Breynes Londoner Zeit siehe oben, S. 41 f. 188 »I design to abandon allmost ye Practice of Physic, being forced by ye weakness of my constitution and to spend ye most part of my time to ye study of Natural History and to admire ye wonderfull works of ye Allmighty God. I will renew to that purpose all my correspondencies with learned men in foreign Countries.« Breyne an Sherard, Danzig, 25. Mai 1717, RS, Sherard Correspondence 252, Nr. 87. 189 Siehe Epistola D. J. Phil. Breynij, M.D. Gedanensis … ad D. Hans Sloane, M. D. dictae Societatis Secretarium; varias Observationes continens, in Itinere per Italiam suscepto Anno 1703, in: Philosophical Transactions 27 (1712), S. 447–459; Epistola D. Joannis Philippi Gaben und Gegengaben 69 die Arbeit an den nachgelassenen Schriften seines Vaters auf, die er unter dem Titel Prodromi Fasciculi rariorum plantarum jedoch erst 1739 veröffentlichte. Nach den beiden Aufsätzen in den Transactions erschien 1717 eine erste kleinere Schrift über die Naturgeschichte des Eisvogels, der dann unter anderem Studien über Ver- steinerungen und zum System der Schalentiere folgten. In seinem Haus in der Danziger Langgasse richtete Breyne sich eine umfangreiche Naturaliensammlung ein und fand darüber hinaus ein weiteres Betätigungsfeld in der 1720 gegründeten Societas Litteraria, von der rückblickend der anonyme Verfasser der Einleitung zum ersten Band der Versuche und Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Dantzig berichtet: »Es traten nehmlich im Jahr 1720 einige gelehrte und wackere Männer zusammen und legten den Grund zu einer gelehrten Gesellschaft. Sie erörterten in ihren wöchentlichen Zusammenkünften theils mündlich, theils schriftlich die wichtigsten Fragen aus verschiedenen Wissenschaften und der Gelehrsamkeit, sie liessen ihre Gesetze, ihre Unterredungen und Abhandlungen schriftlich verzeichnen.«190 Obwohl diese Gesellschaft nur insgesamt sieben Jahre bestand, bildete sie den Grundstein der späteren Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, die von 1743 bis 1945 existierte. Anscheinend war zu Anfang des Jahrhunderts das Interesse an einer solchen Vereinigung von Seiten der Danziger Bürgerschaft noch nicht allzu groß. Auch hatte die Vorläufersozietät zunächst mit der mangelnden Bereit- schaft ihrer Mitglieder zu kämpfen, einen Teil ihrer freien Zeit ganz einer gelehr- ten Beschäftigung zu opfern.191 Erst mit einer institutionellen und finanziellen Absicherung veränderte sich die Situation: Es wurde ein eigenes Gebäude erwor- ben, eine Zeitschrift herausgegeben und ein Vorsitzender gewählt. Hatte man sich vorher reihum in den Privathäusern und -sammlungen der einzelnen Mitglieder

Breynii, M. D. … De Plantis & Insectis quibusdam rarioribus in Hispania observatis, in: Philosophical Transactions 24 (1705), S. 2044–2055. 190 Bd. 1, Danzig/Leipzig 1747, S. 6 f. Zur Geschichte der Gesellschaft siehe Ernst SCHU- MANN, Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig 1743–1892, Danzig 1892, und den kurzen Abriss von Peter LETKEMANN, Die Naturforschende Gesellschaft zu Danzig – Geschichtliche Entwicklung, in: Gilbert H. GORNIG (Hrsg.), Deutsch-polnische Begegnung zu Wissenschaft und Forschung im zusammenwachsenden Europa. Schriftenreihe der Danziger Naturforschenden Gesellschaft, Bd. 1, Lübeck 1997, S. 19–25. Eine neuere Untersuchung, die auch die Frühzeit und Vorläufer der Gesellschaft berücksichtigt, steht bislang noch aus. 191 »Es hätte auch vermuthlich diese edle Gesellschaft sich nicht so bald wieder getrennet, wenn nicht viele ihrer Mitglieder zu hohen Ehren-Aemtern gezogen und mit wichtigeren Arbei- ten wären beleget worden.« Versuche und Abhandlungen 1, S. 7. – Im Gegensatz zur späteren Naturforschenden Gesellschaft fehlen bei ihrem Vorläufer Mitgliederlisten. Auch in den Papie- ren Breynes tauchen, soweit mir bekannt, keine Namen von Naturforscherkollegen auf. Zudem ist merkwürdig, daß der Name des 1764 gestorbenen Breyne im Zusammenhang der großen Naturforschenden Gesellschaft nicht erwähnt ist. Ein Grund hierfür mag sein gespanntes Verhältnis zum Danziger Naturforscher Jacob Theodor Klein gewesen sein, mit dem er 1732 in einen heftigen Streit über die Klassifizierung von Schalentieren geriet. Siehe dazu Johann Jakob Scheuchzer an Breyne, Zürich, 1. August 1732, Gotha, Chart. B 789, fol. 588r, und Sloane an Breyne, London, 12. Mai 1732, Gotha, Chart. B 788, fol. 643r. 70 Gemeinschaft getroffen, so bestand nun ein zentraler Anlaufpunkt für das wissenschaftliche Le- ben der Stadt. Diese Entwicklung war jedoch um 1720 noch nicht erkennbar. Dennoch ist die Aufbruchstimmung und der Enthusiasmus der Naturforscher zu diesem Zeitpunkt nicht zu übersehen. Das gilt etwa für Breynes im gleichen Jahr gehaltene Rede mit dem Titel Von der Vortrefflichkeit der Studii Naturae et Historiae, mit der er der bald so genannten Societas Litteraria beitrat.192 In diesem Beitrag verwies er grund- sätzlich auf den natürlichen Trieb eines jeden Menschen, sich auf dem Gebiet der Naturgeschichte zu betätigen: »Ja es bestätigen solches unsere unmündigen Kinder, welche sobald sie nur anfangen ihre Vernunfft zu gebrauchen, auch zugleich Anzeigungen dieses Triebes durch ihre angebohrne Curiosité und die natürlichen Dinge zu bestaunen und sich darüber zu verwundern, welche man bey Ihnen ja nicht muß erstücken [ersticken, St. S.], sondern viel mehr befördern, von sich geben.«193 Wie er noch kurz zuvor ausgeführt hatte, sei es die »Güttigkeit Gottes […] gegen den gefallenen Menschen« gewesen, ihn mit dieser Neugier auf die Welt der »natür- lichen Dinge« ausgestattet zu haben. Daß Naturforschung in dieser Hinsicht eine Art Gottesdienst darstellt, mag für uns heute etwas seltsam klingen, gehörte je- doch für viele der damaligen Forscher zu den Legitimationsstrategien ihrer Tätig- keit, mit denen sie sich gegen allfällige Vorwürfe einer konservativen Theologie abzusichern versuchten. Es waren die sogenannten Physikotheologen, die in ihren Schriften die natürliche Theologie einer traditionellen Offenbarungstheologie ge- genüberstellten. Naturforschung geschah hier zum Lob Gottes, dessen Wunder- werke der Natur bei genauerer Betrachtung nur desto strahlender hervortraten. So überrascht es nicht, daß Breyne die prominenten englischen Vertreter dieser Richtung, John Ray und , deutlich hervorhebt – auch dies ein Indiz für den starken Einfluß englischer Forschung am Rande Europas.194 In den späteren Jahren hat Breyne diesen programmatischen Äußerungen die Detail- arbeit des Naturforschers folgen lassen, wobei er sich hier zuweilen in Form mündlicher Vorträge an seine Kollegen in der Sozietät wandte.195 Aber Naturforschung fand ihren Platz nicht nur innerhalb des formalen Rah- mens der Societas Litteraria, sondern auch in intensiv gepflegten Einzelkontak- ten. An der Beziehung Breynes zum Danziger Stadtsekretär Jacob Theodor Klein ist dies ablesbar. Wann und wie der Jurist Klein seine Liebe zur naturgeschichtli- chen Forschung entdeckt hatte, liegt im Dunkeln. Ein kurzer Aufenthalt in Lon- don hat hier wohl kaum Bedeutung gehabt, denn in seinen Reiseaufzeichnungen

192 Siehe Gotha, Chart. A 875, 2r–7v. Der Vortrag ist undatiert, doch spricht inhaltlich vieles dafür, ihn mit der Gründung der Gesellschaft in Verbindung zu bringen. 193 Ebenda, fol. 4r. 194 Hinweise auf frühe Übersetzungen dieser Schriften finden sich bei Walter SCHATZBERG, Scientific Themes in the Popular Literature and the Poetry of the German Enlightenment 1720–1760, Bern 1973, S. 23. 195 Siehe ›Von mir ausgearbeitete Piecen und Materien, so nach und nach unserer Societati Litterariae gecomuniciret‹, einzeln verzeichnet bei ROOB, Breyne, S. 33 f. Gaben und Gegengaben 71 berichtet er nur von dem politischen Ereignis der Eröffnung des neuen, gesamt- englischen Parlamentes von 1707.196 Im Jahr 1717 trat er seine Stelle als Sekretär in Danzig an, die ihn für die nächsten fünf Jahre als Vertreter der Stadt an ver- schiedene Höfe des Reiches führte. Eine Beschreibung seltener Pflanzen aus sei- nem eigenen Garten eröffnete 1722 die lange Reihe naturhistorischer Schriften, mit denen er sich bald über seine Heimatstadt hinaus einen Namen machte. Schwerpunkte seiner Forschung waren die Fossilienkunde und die Zoologie, wo- bei er auf dem Gebiet der letzteren eine Reihe von Systematiken vorlegte. In sei- ner Geschichte der Zoologie bezeichnet ihn Julius Victor Carus als einen »kuriosen Vorläufer Linnés«, und tatsächlich verband ihn mit dem großen schwedischen Naturforscher ein ausgeprägter Hang zur Systematik, was ihn konsequenterweise jedoch nicht hinderte, diesen in einer Schrift aus dem Jahr 1743 erbittert zu bekämpfen.197 Die Häuser Breynes und Kleins grenzten aneinander und so waren die Wege kurz, wenn es darum ging, Neuigkeiten oder besonders bemerkenswerte Stücke aus der eigenen Sammlung mitzuteilen. Aber trotz dieser Nähe haben sie nicht auf den Austausch von Briefen verzichtet. In diesen undatierten und oft kurzen Schreiben – für die vielleicht die Bezeichnung ›gelehrtes Billet‹ passender wäre – spiegelt sich der ständige und mühsame Prozeß alltäglicher Forschung im wie- derholten Zugriff auf das Wissen und die Sammlung des anderen. So beurteilte man etwa den Fortschritt des Wachstums der Pflanzen in den Gewächshäusern oder gratulierte sich zu einem besonders bemerkenswerten Exemplar einer exoti- schen Pflanze. So schreibt Klein: »Ich versichere, daß die Caffé Früchte […] noch so frisch gewesen, als deren ich öffters mit success und zwar in meiner stube hervorgebracht; bedaure indeßen daß Ewr. Hochgel. das plaisir nicht gehabt sie germiniren zu sehen, gratuliere aber und wünsche desto mehr vergnügen zu denen fertigen Baümchen.«198 Bei der Bestimmung einer in Bernstein eingeschlossenen »sandkrabbe« war sich Klein seiner Sache nicht sicher und fragte vorsichtshalber bei seinem Nachbarn Breyne an, ob dieser die »misgeburt« in Augenschein nehmen wolle, da er nicht über genügend Bücher verfüge, um eine eindeutige Zuordnung vorzunehmen.199

196 Siehe Christian SENDEL, Lobrede auf Herrn Secretair Jacob Theodor Klein, in: Neue Sammlung von Versuchen und Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, Bd. 1, Danzig 1778, S. 300–316. Sendels Rede enthält im wesentlichen das Material, das Klein in einer von ihm selbst verfaßten biographischen Skizze ausbreitet. Sie ist leicht zugänglich bei M. BRAUN, Jacob Theodor Klein’s Aufzeichnungen über sein Leben, in: Zoologische Annalen 2 (1906), S. 135–141. Eine neuere Kurzbiographie stammt von Armin GEUS, Jakob Theodor Klein und seine Vorstellung von einem System der Tiere, in: Jahrbuch für fränkische Landesfor- schung 30 (1970), S. 1–13. 197 J. Victor CARUS, Geschichte der Zoologie bis auf Joh. Müller und Charl. Darwin, München 1872, S. 143. Klein hat seine Kritik an Linné ausführlich in einer eigenen Schrift dargelegt: Jacob Theodor KLEIN, Summa dubiorum circa classes quadrupedum et amphibiorum in Cel. Caroli Linnei systemate naturae …, Danzig/Leipzig 1743. 198 Klein an Breyne, [Danzig,] Gotha, Chart. B 787, fol. 72r. 199 Klein an Breyne, [Danzig,] Gotha, Chart. B 787, fol. 73r. 72 Gemeinschaft Auch die Korrektur von Manuskripten spielte eine Rolle. In einem dieser Fälle drängte Klein seinen Kollegen zur Eile, da er beabsichtige, den Text weiter nach Dresden und Zürich zu schicken: »Da ich mein concept, bey meiner Schmier-Arth selbst nicht gern lesen mag, in- deßen die abschrifft von zweyen bey sachen, so morgen an H. Heucher, von ihm an H. Scheuchzer und per circulum von diesen an mich mit eines jeden bedenken wieder zurück gehen […] so kan nicht ermangeln auf Ewr. Hochedl. verlangen, beyde zu communiciren, werde aber wider meinen Willen bitten müßen, mir selbi- ge nach der mahlzeit wieder zu laßen.«200 Auf diese Weise zogen diese schriftlichen Gespräche weitere Kreise, läßt sich die Zirkulation des Wissens von seinem Ursprung in der Nachbarschaft zweier Samm- lungen bis in die Weiten der Gelehrtenrepublik verfolgen. Jedoch brachte ein sol- cher offener Umgang mit den Forschungsergebnissen gewisse Gefahren mit sich. Um zu vermeiden, daß nur vorläufig formuliertes Wissen gegen einen selbst ver- wandt werden konnte, mußte man sich auf die Diskretion seiner Forscherkol- legen verlassen können. In einem Postskriptum des gleichen Briefes deutet Klein etwas in dieser Richtung an, wenn er halb entschuldigend und halb verteidigend gegenüber Breyne bemerkt: »Deuten sie doch nicht übel, daß mir die freyheit genommen innocement ihrer in der einen piece zu gedenken; ohne dem ist diese gattung von correpondence nichtvon der absicht publica specimina darvon zu machen; sondern man ist es unter sich und nur vor sich so eins worden.«201 Vorläufige schriftliche Entwürfe dieser Art boten somit ein Mittel gegenseitiger Korrektur »unter sich«. Denn Anmerkungen waren auf dem Papier leichter zu machen als im unmittelbaren persönlichen Gespräch. Es ging in diesem Zu- sammenhang daher nicht um die Demonstration von Objekten innerhalb einer Sammlung, gleichsam mit dem Zeigestock ›coram publico‹, sondern im Gegenteil um das ruhige, kontemplative Studium der Objekte mittels Vergleich und Be- schreibung. Diese Art der für die Forschung wesentlichen Distanzierung vom Forschungsobjekt mittels Verschriftlichung findet sich an einer Stelle, in der Klein seine Arbeit an Walknochen beschreibt, zu der er von Breyne Vergleichsmaterial erhalten hatte.202 Aber auch hier waren die Ansprüche auf geistiges Eigentum des anderen genau zu wahren: »Wenn wir von allen solchen thieren entweder richtige Zeichnungen oder richti- gere Beschreibungen hätten wäre es leichter in eine Ordnung zu kommen. Von dem Kupffer habe mit gutten gewißen copiam nehmen können, von dero Zeich- nung aber ohne Erlaubnus es zu thun, gebuhret mir nicht, remittiere dennoch die- selbe bona fide.«203

200 Klein an Breyne, [Danzig,] Gotha, Chart. B 787, fol. 76r. 201 Ebenda. 202 Ebenda, fol. 78r. Siehe auch unten, S. 298. 203 Klein an Breyne, Danzig, 2. Mai 1736, Gotha, Chart. B 789, fol. 409r. Gaben und Gegengaben 73 Diese lokalen Aktivitäten und Kontakte fanden jedoch immer vor dem Hinter- grund einer weiteren Orientierung über das engere städtische Umfeld hinaus statt. Wenngleich Danzig abseits von Zentren der Naturforschung wie London, Leiden oder Paris und am Rande der gelehrten Welt lag, so war es doch gleichzeitig Teil eines sich langsam nach Osten ausdehnenden Netzwerks gelehrter Forschung, über das vor allem Rußland und Polen eine Anbindung an den Westen fanden.204 Ein bedeutendes Datum in dieser Hinsicht war die Gründung der Petersburger Akademie durch Zar Peter I. im Jahr 1725. Die dortige Akademie war sowohl der Versuch Rußlands, Anschluß an die kulturellen Entwicklungen im Westen zu finden, als zugleich auch Ausdruck eines neuerwachten Interesses westlicher Gelehrter an der noch weitgehend unerschlossenen Natur Rußlands und des sibirischen Hinterlands. Die Vorgeschichte der Gründung fällt mit dem Ende des nordischen Kriegs von 1700 bis 1721, unter dem die ganze Region und vor allem die Städte gelitten hatten, zusammen. Wie sehr die naturgeschichtliche Forschung von Kriegshandlungen beeinträchtigt wurde, zeigt etwa das Beispiel David Kriegs in Riga. 1705 berichtet er von der Belagerung der Stadt durch russische Truppen, was nicht nur den Briefverkehr behinderte, sondern auch zum teilweisen Verlust seiner Sammlung führte.205 Es liegt dabei eine unübersehbare Ironie in der Tatsache, daß der Rigaer Gelehrte Peter I. nur als Kriegsherrn und nicht mehr als Förderer der Wissenschaften kennenlernen konnte. Etwas anders sah die Lage in Danzig aus. Zwar wurde die Stadt als Folge des polnischen Thronstreits von 1733 belagert, doch hinderte dies etwa Breyne nicht daran, inmitten des Kriegslärms seinen Be- schäftigungen nachzugehen. So konnte er auf eine besorgte Anfrage Sloanes hin mitteilen, daß er in seinem Garten vor dem feindlichen Bombenhagel sicher ge- wesen war.206 Statt des Krieges standen nun bald die Wissenschaften, statt Kriegszügen natur- historische Exkursionen auf der Tagesordnung. Es war kein geringerer als Leibniz gewesen, der das Programm der Petersburger Akademie ausgearbeitet und den Gedanken einer Erforschung Rußlands unter den europäischen Gelehrten pro- pagiert hatte.207 Für Leibniz stellte Rußland mit seiner noch ungeschriebenen Naturgeschichte eine ›terra incognita‹ dar, die es künftig zu erforschen galt. In

204 Siehe Eduard WINTER, Frühaufklärung. Der Kampf gegen den Konfessionalismus in Mittel- und Osteuropa und die deutsch-slawische Begegnung, Berlin (Ost) 1966, S. 235 f. 205 »Att present this whole Town is in the greatest Consternation & fear of an instand Siege by the Moskowits & God Allmighty knows, what will become off us. I would fain have send you some naturals; but all my things are put away«. Krieg an Petiver, Riga, 15. Juli 1705, BL, Sloane 4064, 77r. 206 Breyne an Sloane, Danzig, 24. November 1734, BL, Sloane 4053, fol. 321r. Siehe auch Klein an Sloane, Danzig, 10. November 1734, BL, Sloane 4054, fol. 310r. 207 Dazu Michael KEMPE, ›Schon befand ich mich in Gedanken in Russland …‹. Johann Ja- kob Scheuchzer im Briefwechsel mit Gottfried Wilhelm Leibniz, in: Helmut HOLZHEY/Simone ZURBUCHEN (Hrsg.), Alte Löcher – Neue Blicke. Zürich im 18. Jahrhundert. Innen- und Außenperspektiven, Zürich 1997, S. 283–297. 74 Gemeinschaft einem an den russischen Zaren gerichteten Specimen einiger Puncte darin Moskau de- nen Scienzen beförderlich seyn kondte ist zu lesen: »Es wäre auch nöthig, daß die mineralien, gewächs und thiere von ganz Scythien durch kenner der natur untersucht und beschrieben würden, welches eine große und neue öffnung geben würde in den tribus regnis; zumahlen von solchen landen gemeiniglich genugsame beschreibungen noch nicht vorhanden.«208

Weit weniger bekannt sind dagegen die Aktivitäten des Engländers Robert Erskine, der zu Beginn des Jahrhunderts als Leibarzt Peters I. mit der Gründung eines bo- tanischen Gartens und der Einrichtung einer naturhistorischen Sammlung in Mos- kau Grundlagenarbeit für den Aufbau der späteren Petersburger Akademie der Wissenschaften leistete. Er gehörte damit jenem Kreis englischer Naturforscher an, die sich im Umkreis der Royal Society um Kontakte nach Rußland bemühten. Denn schon im Jahr 1713 begann ein Komitee der Royal Society mit der Ausar- beitung eines Fragebogens unter dem Titel 53 Enquiries for Russia, der an den rus- sischen Gesandten in Moskau adressiert war.209 Trotz dieses allgemeinen Interesses der Naturforscher an Rußland fiel es den Gründern der Petersburger Akademie zunächst nicht leicht, geeignetes Lehrper- sonal zu finden. In seiner Rußlandbegeisterung hatte Leibniz schon 1712 Johann Jakob Scheuchzer vergeblich gedrängt, eine vom Zaren angebotene Leibarztstelle anzunehmen, wobei dieser nach einigem Hin und Her sich vor allem aus Angst vor der Unberechenbarkeit des Zaren für den Verbleib in Zürich entschieden hat- te.210 Um Vorbehalte dieser Art zu zerstreuen, war schon im Vorfeld der Akade- miegründung der spätere erste Akademiesekretär Friedrich Daniel Schumacher 1721 nach Paris und London gereist. Seine Briefe an den damals in Halle lehren- den Philosophen Christian Wolf vermitteln ein deutliches Bild von den Erwar- tungen und Ängsten, die sich mit einer gelehrten Existenz am Rande Europas verbanden. Möglichen Einwänden gegen eine Anstellung in Petersburg versuchte Schumacher schon im vorhinein jeden Wind aus den Segeln zu nehmen: »Das Clima in Petersburg ist etwas rauh, aber sehr gesund; von malignen Fiebern und ansteckenden Krankheiten weiß man da wenig, oder gar nichts; Speise und Trank sind so delicat und heilsam, als sie in der magern Mark immer seyn mögen. […] Petersburg ist eine so polirete und civilisirte Stadt, welche keiner in Deutsch- land den Vorzug geben wird.«211

208 Gottfried Wilhelm LEIBNIZ, Oeuvres, Bd. 7: Leibniz et les académies. Leibniz et Pierre le Grand, hrsg. von A. Foucher de Corell, Paris 1875, S. 397. 209 Siehe John H. APPLEBY, Erskine, und ders., James Spilman, F.R.S. (1680–1763), and Anglo-Russian Commerce, in: Notes and Records of the Royal Society London 48 (1994), S. 17– 29. 210 Siehe KEMPE, Russland, S. 288. 211 Schumacher an Wolf, Berlin, 10. Juni 1722, zit. nach Christoph GOTTSCHED, Historische Lobschrift des weiland hoch-und wohlgebohrenen Herrn Christians Freyherrn von Wolf …, Halle 1755, in: Christian WOLF, Gesammelte Werke, 1. Abteilung: Deutsche Schriften, Band 10: Biographie, hrsg. von Hans Werner Arndt, Hildesheim/New York 1980, S. 29. Gaben und Gegengaben 75 Die Besetzung der Stellen brauchte jedoch Zeit. Noch vier Jahre nach der Grün- dung reiste 1728 Gerhard Friedrich Müller nach London, um dort erneut Kon- takte zur Royal Society zu knüpfen und sich nach geeigneten Kandidaten umzu- sehen. In einem Meeting der Royal Society erläuterte er die Pläne der Akademie in Richtung auf eine möglichst umfassende Erforschung des Russischen Reiches und den Plan einer regelmäßig erscheinenden Zeitschrift.212 Zu einem guten Ein- vernehmen dürfte auch die von Müller in Aussicht gestellte Akademiemitglied- schaft Sloanes beigetragen haben, die ihm 1734 in einer pompösen Urkunde be- stätigt wurde.213 Wie bereits erwähnt, konnte Müller den damaligen Sekretär Sloanes, Johann Amman, für eine botanische Professur in Petersburg gewinnen.214 An Ammans Aufenthalt in Petersburg, über den wir vor allem durch seine Briefe an Sloane und Breyne informiert sind, kann man die bisher skizzierte Spannung zwischen wis- senschaftlicher Erwartungshaltung und einer schwierigen Lebenssituation an der wissenschaftlichen Peripherie gut beobachten. Die ersten Eindrücke von Peters- burg waren nach seiner Ankunft 1733 durchweg positiv. In einem Brief an Sloane, der zugleich in einem der Meetings der Royal Society verlesen wurde, berichtete er, daß Petersburg alle Erwartungen überträfe: Die Luft sei gesund und vor allem die neuerrichteten Gebäude überaus prächtig.215 Was sich hinter den schönen Fassaden verbarg, erschloß sich dem Fremden nur allmählich. Alsbald fand er sich inmitten der Kabalen zwischen der Leitung der Akademie und dem Hofe wieder, die zuweilen auf für Wissenschaftler ungewohnte Weise ausgetragen wurden: »Ew. Hochgel. wirt ohne Zweifel schon zur genüge bekannt sein«, so schreibt er 1736 an Breyne, »wie und wo der Kammerherr von Korff«, es handelt sich um den Präsidenten der Akademie, »mit dem Vize Präsidenten des Justiz College Herrn von Mengten, nach einem […] harten wort-streit, und sehr anzüglichen Be- schimpfungen, den Streit entweder mit pistolen oder dem degen ausmachen wer- den. Eß wirdt sich bald erweisen ob die Wißenschafften, oder die Justiz trium- phiert.«216 Selbst der Plan einer Heirat mit der Tochter des Akademiesekretärs Schumacher vermochte Amman nicht aus seiner zunehmend melancholischen Stimmung zu reißen:

212 »The design of this undertaking is to get together the Materials of a complete History of the Russian Empire in its largest Extent comprehending not only the History both civil and ec- clestiastical, literary and natural, but also the Antiquities, Medals, Chronology, Geography.« RS, Journal Book (Original), Bd. 14, S. 235. 213 »He assured me that he would consider it a particular honour if the Academy accepted him as an honorary member and showed me his collections and his library, partly with the help of his assistants Mr. Cromwell Mortimer and Dr. Johann Amman«. Zit. nach THOMAS, Sloane, S. 24. Siehe zur Verleihung der Urkunde auch: Procès-Verbaux des Séances de l’Académie Imperiale des Sciences depuis sa fondation jusqu’à 1803, Bd. 1: 1725–1743, Petersburg 1897, S. 123, und Amman an Sloane, Petersburg, 12. Juni 1734, BL, Sloane 4053, fol. 232v. 214 Siehe oben, S. 47. 215 Siehe Amman an Sloane, Petersburg, 18. Juni 1733, in: RS, Letter Book (Copy), Bd. 20, S. 248. 216 Amman an Breyne, Petersburg, 15. November 1736, Gotha, Chart. B 785, fol. 22v. 76 Gemeinschaft

»I am therefore resolv’d to stay here as long as things go well; & to live a more regular, easier & less melancholy live, than the mine has been till now, I am likewise determin’d to marry […] I hope by this marriage not only to put my self in a better condition, than I was in before, but likewise to get the favour of persons, who can do me a great deal of service upon any occasion.«217 Noch kurz vor seinem Tod 1741 schrieb er an Sloane, daß ihn seine unsichere Stellung, die Härten des Petersburger Alltags wie überhaupt auch seine nur langsam fortschreitende Karriere an der Akademie an ein Verlassen der Stadt denken liessen. Eine glanzvolle Armut sei nicht das, was er sich hier erträumt habe.218 Trotz dieser schwierigen äußeren Lebensumstände fand Amman ein breites Betätigungsfeld für seine naturhistorischen, d. h. vor allem botanischen Studien. Er hatte, wie schon erwähnt, früher in London Sloane bei der Ordnung seiner Pflanzenkataloge geholfen. Eine der Grundlagen seiner wissenschaftlichen Arbeit in Petersburg bildete daher ein botanischer Garten, den er zunächst in privater Regie führte, da die Akademie noch über keinen eigenen verfügte. Eingaben an den Akademiepräsidenten, die Errichtung eines solchen Gartens voranzutreiben, blieben ohne Erfolg. Erst 1739 sollte sich die Akademie zu Errichtung eines eigenen Gartens durchringen.219 Andererseits profitierte Amman von den For- schungsmöglichkeiten in der Nachbarschaft einer noch weithin unerschlossenen Natur. Eine Reihe von aufsehenerregenden Expeditionen, zu denen etwa die des Forschungsreisenden Daniel Gottlieb Messerschmidt von 1721 bis 1727 und vor allem die zweite Kamčatka-Expedition von 1734 bis 1743 zählten, brachten eine Fülle neuen naturhistorischen Materials an die Petersburger Akademie. Für einen neugierigen und ehrgeizigen Forscher wie Amman konnte die Situation in dieser Hinsicht kaum günstiger sein, und es ist wohl vor allem den schwierigen äußeren Lebensumständen zuzuschreiben, daß er während seines achtjährigen Aufenthalts an der Akademie nur eine größere Publikation herausbringen konnte. Sie basierte zum Teil auf Material, das Messerschmidt zuvor schon während seiner großen Expedition nach Sibirien gesammelt hatte.220 Forschungsarbeit leistete Amman ebenfalls auf dem Gebiet vergleichender Pflanzenstudien. In einer Reihe von Briefen an Breyne berichtet er ausführlich über einheimische und chinesische

217 Amman an Sloane, Petersburg, 22. April 1738, BL, Sloane 4055, fol. 315v. 218 Amman an Sloane, Petersburg, 24. Januar 1741, BL, Sloane 4056, fol. 355v. 219 Siehe Amman an Sloane, Petersburg, 6. Oktober 1736, BL, Sloane 4054, fol. 299v, und Amman an Breyne, Petersburg, 6. August 1739, Gotha, Chart. B 785, fol. 31r. 220 Johann AMMAN, Stirpium Rariorum in Imperio Rutheni sponte Provenientium Icones et Descriptiones Collectae, Petersburg 1739. Im Vorwort geht er auf die Forschungsarbeiten sei- ner Petersburger Kollegen ein: »Plantarum vivarum descriptiones partim Carissimorum Virorum Messerschmidii et Gmelini observationibus debentur, partim a me ex iis plantis, quas semina ab utroque dum in Sibiria versarentur, atque etiam a Cl. Hainzelmano, cum per Tatriam iter faceret, mihi transmissa in horto Academico protulerant, constitutae sunt.« Ebenda, Praefatio. Gaben und Gegengaben 77 Rhabarberpflanzen, die er in seinem Garten anbaute und in ihren verschiedenen, im Bau voneinander abweichenden Arten beschrieb.221 Die Schwierigkeiten Ammans, sich in Petersburg zurechtzufinden, hatten aber vermutlich damit zu tun, daß seine Ankunft 1733 fast genau mit dem Aufbruch der zweiten Kamčatka-Expedition zusammenfiel. Denn ursprünglich war auch er für eine Teilnahme vorgesehen gewesen, aber die Vorbereitungen waren zum Zeitpunkt seiner Ankunft schon so weit gediehen, daß schließlich der junge Tübin- ger Naturforscher , der 1725 als Professor für Chemie und Naturgeschichte an die Akademie gekommen war, seine Stelle einnahm.222 Zwar trafen in regelmäßigen Abständen Sendungen mit sibirischen Naturalien in Peters- burg ein, doch war dies für einen Naturforscher wie Amman sicherlich nur ein kümmerlicher Ersatz. Er mußte sich demnach gleichsam auf doppelte Weise – fern seiner Freunde in London und fern seiner forschenden Kollegen in Sibirien – als Botaniker in Petersburg isoliert fühlen. Doch ist eine Trennung zwischen persönlicher Lebenssituation und dem Ethos des unabhängigen und objektiven Naturforschers letztlich eine Konstruktion aus heutiger Perspektive. Demgegenüber ist zu betonen, daß das Interesse an einer noch unerforschten Natur leicht in den Schrecken vor einer Natur umschlagen konnte. Die Ästhetik des 18. Jahrhunderts sollte diese Gefühlslage unter dem Be- griff des Erhabenen fassen und damit eine Kategorie der Naturerfahrung einfüh- ren, die sich bewußt gegen jenen distanzierenden Geist der Naturforschung wand- te, in der die Natur beschreibend systematisiert wurde.223 Als ein Beleg hierfür kann ein Brief Ammans von 1735 gelten, in dem er seine Eindrücke von der Um- gegend Petersburgs schildert: »I also observed monstrous rocks here and there in many Places, some single, some lying together in vast heaps: the very sight of them striking with Terror. Nothing more uncough or rough than that whole Country: and nothing so miserable have I ever seen. Had Ovid been there, he must beleived that t’was thence the Giants attempted to scale heaven.«224

Es war das Ethos der genauen Beobachtung, das dem Naturforscher als Grundlage seiner Arbeit diente und das gerade dort an seine Grenzen stieß, wo die klaren Konturen einer Landschaft ineinander verschwammen. Ammans Brief dokumen- tiert einen der raren Momente, in denen der Anblick der Natur für den Forscher in Schrecken umschlägt. Der Rekurs auf die klassische Literatur vermochte, so scheint es, diese Gefühlslage nur unvollkommen zu überdecken. Sie bildete im

221 Siehe Amman an Breyne, Petersburg, 17. Juni 1738, und 6. August 1739, Gotha, Chart. B 785, fol. 27v; 31v. Dazu auch AMMAN, Stirpium, S. 9. 222 Siehe Vladislav KRUTA, Johann Georg Gmelin, in: Charles Coulston GILLISPIE (Hrsg.), Dictionary of Scientific Biography, Bd. 5, New York 1972, S. 427–429. 223 Siehe Carsten ZELLE, Angenehmes Grauen. Literaturhistorische Beiträge zur Ästhetik des Schrecklichen im 18. Jahrhundert, Hamburg 1987. 224 Amman an Sloane, Petersburg, 4. September 1735, BL, Sloane 4054, fol. 99v. Zit. engl. Übersetzung in RS, Letter Book (Copy), Bd. 22, S. 25. 78 Gemeinschaft Gegenteil gerade den Hintergrund für Ammans Melancholie im Angesicht einer wilden, noch unerforschten Natur. Diese Melancholie scheint nicht zuletzt auch das Ergebnis einer zunehmenden Professionalisierung der Wissenschaften im 18. Jahrhundert gewesen zu sein, die den einzelnen Gelehrten auf seine jeweiligen Forschungsaufgaben beschränkte und ihn gewöhnlich daran hinderte, die Natur in allen ihren Aspekten einschließ- lich ihrer »schrecklichen« Seiten wahrzunehmen. Ammans Melancholie lag daher nicht allein die Isolierung von den urbanen Zentren von Geselligkeit und Gelehr- samkeit zugrunde, sondern darüber hinaus auch das Unbehagen an einer gren- zenlosen und unheimlichen Natur.

1.3 Jenseits der Studierstube: naturgeschichtliche Exkursionen

Die kommunikativen Praktiken und der Austausch von Informationen innerhalb der Gelehrtenrepublik stießen dort an Grenzen, wo es darum ging, weite, bisher unbekannte Räume für die Naturgeschichte zu erschließen. Denn anders als bei den Aktivitäten in der Provinz oder in den urbanen Zentren der Wissenschaft war der einzelne Forscher während einer Exkursion, am Rande der gewohnten gesel- ligen oder institutionellen Bezugssysteme, weitgehend auf sich selbst gestellt. Reisen dieser Art bedeuteten für eine begrenzte Zeit den Verlust jener engen Bin- dungen unter den Forschern, wie sie für die Gelehrtenrepublik charakteristisch wa- ren und führten über die gewohnten Grenzen dieser Gemeinschaft hinaus. Auf diesen Reisen befanden sich die Gelehrten außerhalb der zivilisatorisch ge- ordneten Bezugssysteme, mit einem Wort: ihrer Studierstuben. Einen Reflex auf diese grundsätzliche Zuordnung vor dem Hintergrund des Begriffspaars Wildnis – Zivilisation findet sich etwa in Francis Bacons Essay Of Travel, in dem er von längeren Seereisen abrät, mit der Begründung, daß dort nichts bemerkens- und aufzeichnenswertes zu beobachten sei; es sei verwunderlich, so Bacon, während einer solchen Reise ein Tagebuch zu führen.225 An die Stelle des Langweiligen soll das Interessante treten, das allemal eher in den Metropolen der zivilisierten Welt denn in entlegenen Landstrichen, der Wildnis oder dem Meer zu finden ist. Obwohl Bacon als einer der Gründerväter der modernen Naturgeschichte gelten kann, ist dennoch hier, zu Beginn des 17. Jahrhunderts, gewissermaßen eine Hier- archisierung des Raumes zu finden: Der zivilisierte Raum ist dem der Wildnis übergeordnet. Er ist damit denjenigen zugeordnet, die innerhalb der Grenzen Europas auf gesicherte Weise ihre Bildungserfahrungen sammelten. Nicht

225 Francis BACON, The Essays, hrsg. von John Pitcher, London 1985 (EA 1625), S. 113. Zu den Erfahrungen der Forschungsreisenden des 18. Jahrhunderts siehe den Überblick von Jean-Marc DROUIN, Von Linné zu Darwin: Die Forschungsreisen der Naturhistoriker, in: Michel SERRES (Hrsg.), Elemente einer Geschichte der Wissenschaften, Frankfurt a. M. 1998 (frz. 1989) S. 569–595. Zum Gegensatzpaar Wildnis – Zivilisation siehe Urs BITTERLI, Die ›Wilden‹ und die ›Zivilisierten‹. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch- überseeischen Begegnung, 2. Aufl. München 1991. Gaben und Gegengaben 79 zufällig begann in dieser Zeit mit der Grand Tour eine Form organisierten Reisens, die der Tradition europäischer Entdeckerfahrten diametral entgegen- gesetzt war.226 Einstellungen dieser Art fanden ihren Widerhall noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als Samuel Johnson auf die Frage, ob er gewünscht hätte, an der ersten Weltumsegelung Cooks teilgenommen zu haben, ironisch erwiderte: »Sir, there is very little of intellectual in the course. Besides, I see but at a small distance. So it was not worth my while to go to see birds fly, which I should not have seen fly; and fishes swim, which I should not have seen swim.«227 Die Bemerkung des kurzsichtigen Johnson macht deutlich, daß es bei den natur- geschichtlichen Exkursionen auf das Sehen auf weite Distanzen ankam. Mit den weiten Räumen korreliert der Blick in die Ferne. Aber wie der Philologe auf die Bibliotheken, so war der Naturforscher, wenn er Neues entdecken wollte, auf die Erfahrung des naturhistorischen Feldes angewie- sen. Sloane bemerkt 1707 im Vorwort zum ersten Band seiner Naturgeschichte, der Voyage to Jamaica, daß er diese Reise nicht nur als Naturforscher, sondern auch als Arzt unternommen habe, und beruft sich dabei auf eine bis in die Antike zu- rückreichende Tradition, in der Ärzte und Forscher heilkräftige Kräuter aus fer- nen Ländern mit nach Hause brachten.228 Als der Londoner Sammler dies schrieb, war er über zwanzig Jahre nach der von 1683 bis 1685 unternommenen Reise immer noch damit beschäftigt, ihren Ertrag zu ordnen und zu katalogisieren. Was sich hier abzeichnet, ist die Trennung der Erfahrungswelt des in der Exkursion erschlossenen Feldes von der Erfahrungswelt innerhalb der sicheren Mauern von Sammlung und Labor.229 Aber die Erfahrung der wilden Natur und die Be- trachtung inmitten der schützenden Mauern der gelehrten Stube bedingten sich gegenseitig. Die für das okzidentale Bewußtsein wesentliche Verbindung von Reisen und Abenteuer, also der Erfahrung des Ungewohnten und Wunderbaren, war immer auf unterschiedliche Weise in einen Zusammenhang des Vorauswissens einge- bunden. Das Unbekannte entwickelte sich auf der Matrix des schon Bekannten. Reisen, und vor allem Forschungsreisen, um die es hier gehen soll, glichen damit in gewisser Hinsicht einer kontrollierten geographischen Versuchsanordnung, deren genau abgesteckter Erkenntnisrahmen zugleich den Raum für Neuentdekkungen bot.230 Die Formulierung naturhistorischer Fragen war immer rückgebunden an die Stubengelehrsamkeit, an die Arbeit in Sammlung und Labor. Mit der Erweiterung des naturhistorischen Gesichtsfeldes ging gleichzeitig aber eine

226 Siehe Jeremy M. BLACK, The British and The Grand Tour, London 1985. 227 James BOSWELL, Life of Johnson, hrsg. von R. W. Chapman, Oxford 1980 (EA 1791), S. 460. 228 Siehe SLOANE, Voyage, Bd. 1, Preface. 229 Siehe Steven SHAPIN, The House of Experiment in seventeenth-century England, in: Isis 79 (1988), S. 373–404. 230 Siehe Richard WHITE, Discovering Nature in North America, in: The Journal of Ameri- can History 79 (1992), S. 874–891. 80 Gemeinschaft Aufwertung der geschützten Sammlungsräume einher. In den Zentren der For- schung, wie etwa der Royal Society, der Petersburger Akademie und nicht zuletzt auch der Académie des Sciences in Paris mit den ihnen angegliederten botani- schen Gärten und Sammlungen, wurden die Informationen aus aller Welt gesam- melt und ausgewertet. Auch Beschränkungen technischer Art spielten bei wissenschaftlichen Exkur- sionen eine wichtige Rolle. Nur wenige der für eine genauere Bestimmung von Tieren, Pflanzen und Mineralien unverzichtbaren Instrumente und Bücher konn- ten mitgeführt werden. Was an unmittelbarer Naturerfahrung gewonnen wurde, bedeutete vor Ort einen Verzicht auf Systematisierung und präzise Beschreibung. Im späten 18. Jahrhundert entwickelte sich mit den Sammlungen und Gärten im Umfeld der Pariser Akademie eine Art Großforschungszentrum und mit ihm zu- gleich das Bewußtsein eines idealen Ortes der Forschung, an dem es möglich war, die zwangsläufige geographische und epistemologische Beschränkung der Feldarbeit auszugleichen.231 Nach den langen Jahren des Sammelns und der Aus- weitung der Erfahrungsräume war es notwendig geworden, die gesammelten Objekte einer zusammenhängenden und systematischen Untersuchung zu unter- ziehen. Die Sammlung, das Laboratorium oder der botanische Garten wurden zu Orten gestaltet, an denen die gesamte Natur bequem zugänglich war. Aber Forschungsreisen waren damit längst nicht obsolet geworden. Unterneh- mungen dieser Art beruhten weiterhin auf der Vorstellung einer von Gott geord- neten Natur, die es zu inventarisieren und zu systematisieren galt. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die letzten weißen Flecken auf der naturhistorischen Land- karte nach allen Regeln naturkundlicher Beschreibung ausgefüllt würden. Der schwäbische Fossilienforscher Balthasar Erhart verwies etwa im Zusammenhang seiner Studien über fossile Belemniten auf die Grenzen dieser Arbeiten. Zwar seien längst noch nicht alle Arten entdeckt worden, doch er sei voller Hoffnung, daß sie künftig in den noch unerforschten Tiefen der Meere aufzufinden seien.232 Das Bezugssystem einer wilden, gefahrvollen Natur, in der sich das Wunderbare entfalten konnte, wurde – durchaus optimistisch und fortschrittsorientiert – von der Vorstellung des Erwartbaren und Geordneten abgelöst. Unter dieser Prämisse wurden die Techniken des Sehens, Lesens und Aufzeichnens im Feld entwickelt, die die Natur, ganz im Sinne einer planvollen Schöpfung, vorformulierten Stan- dards und Regeln unterwarfen. Die Kartierung des Wissens hatte in ihren Umris- sen schon begonnen und es bedurfte nur noch einer weiteren Ausfüllung mit In- halten. Noch das 17. Jahrhundert hatte Naturgeschichte vorwiegend in lokal begrenz- ten Räumen betrieben, die von einem bestimmten Ort aus in kürzeren Exkur-

231 Siehe Dorinda OUTRAM, New Spaces in natural history, in: Nicolas JARDINE/James A. SE- CORD/Emma C. SPARY (Hrsg.), Cultures of Natural History, Cambridge 1996, S. 249–265. 232 So in seiner Studie über schwäbische Fossilien; siehe Otto WITTMANN, Balthasar Erhardt (1700–1756) aus Memmingen (Schwaben) und seine Dissertatio de belemnitis suevicis (1727). Mit der Übersetzung des lateinischen Originals von Paul William, in: Erlanger geologische Abhandlungen 107 (1979), S. 7–49, hier S. 36. Gaben und Gegengaben 81 sionen zu erschließen waren. John Ray beschränkte sich in seinen naturhistori- schen Untersuchungen vor allem auf die Flora und Fauna Englands, Robert Plot grenzte seine Forschungen auf die Grafschaften Oxford- und Derbyshire ein. Landes-, Stadt- und Verwaltungsgrenzen umrissen auf mehr oder weniger zufäl- lige Weise den Untersuchungsraum der Naturgeschichte.233 Das änderte sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als zunehmend Sibirien und Nordamerika in den Blick der Naturforschung gerieten und damit ein kleinteiliges lokales Bezugssystem auf einen größeren Maßstab übertragen wurde. Es bildete sich ein polares Bezugs- system bisher noch weitgehend unerforschter Weltregionen heraus: Von London aus unternahmen Naturforscher Reisen in die englischen Kolonien in Nordame- rika, von Petersburg aus wurden von der neugegründeten Akademie aus erste For- schungsreisen nach Sibirien organisiert.

Nordamerika Im Gefolge der ersten nordamerikanischen Kolonisten fanden sich bald auch die ersten Naturforscher in der neuen Welt ein.234 Um 1700 wurden Aktivitäten die- ser Art jedoch noch mehr oder weniger zufällig unternommen und es waren meist einzelne Naturforscher, die wie Sloane als Schiffsärzte oder aus purer Abenteuer- lust diese Fahrten zu einem weitgehend noch unbekannten Kontinent wagten. Viele dieser Reisenden standen in engem Kontakt zur Royal Society, die bereits unmittelbar nach ihrer Gründung Verbindungen in die neue Welt geknüpft hatte. Ihr erstes Mitglied in den Kolonien wurde 1661 John Winthorp Jr., damaliger Gouverneur von Connecticut; 1683 gründete dann Cotton Mather in Boston eine Philosophical Society. Mather stand seither in engem Austausch mit den Londoner Fellows, die seine Beobachtungen in einer langen Reihe von Artikeln in den Transactions veröffentlichten.235 So entstand bald unter Federführung der Royal Society ein naturgeschichtlich orientiertes Korrespondentennetzwerk zwischen dem englischen Mutterland und den amerikanischen Kolonien, in das sowohl fest ansässige Forscher eingebunden waren als auch diejenigen, die sich von Berufs wegen nur zeitweise in diesen Gegenden aufhielten. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Londoner Temple House Botany Club. Dessen Mitglieder waren als Sammler vor allem an den Erträgen der Sammlungsaktivitäten interessiert und statteten zuweilen Forscher mit regelrechten Reisestipendien aus. Sloane selbst hatte bereits während seiner Jamaika-Reise den Nutzen einer engen Verbindung kolonialer Interessen und naturhistorischer Ambitionen erleben können. Seine Aufzeichnungen, die mit der Veröffentlichung des zweiten Bandes der Voyage 1725 ihren krönenden Abschluß fanden, können, wie R. P. Stearns feststellt, geradezu als ein Musterbeispiel einer Naturgeschichte der Neuen Welt nach den

233 Siehe Janet BROWNE, The Secular Ark: Studies in the History of Biogeography, New Ha- ven 1983. Zu Plot siehe unten, S. 223. 234 Grundlegend für das Thema: Raymond Phineas STEARNS, Science in the British Colonies of America, Urbana 1970. 235 Siehe ebenda, S. 117; 155. 82 Gemeinschaft Kriterien der Royal Society gelten.236 So wundert es nicht, daß Sloane seit seiner Rückkehr aus Jamaika 1689 zu einem der aktivsten Förderer naturgeschichtlicher Exkursionen in Nordamerika wurde. Die Briefe, die Sloane aus der neuen Welt erreichten, dokumentieren immer wieder das mühsame Geschäft der dortigen Naturforschung. Hugh Jones, 1697 als Kaplan des Gouverneurs von Maryland in die Neue Welt gekommen, war die meiste Zeit über krank und konnte daher das ihm aufgetragene Forschungspen- sum nicht erfüllen.237 Auch war ihm schon auf der Hinfahrt das mitgeführte Thermometer zerbrochen, und so die geforderten genauen und regelmäßigen Messungen unmöglich geworden. Es zeugt von der Verlegenheit und Hilflosig- keit eines Naturforschers fernab aller materiellen Ressourcen, wenn er in diesem Zusammenhang gegenüber Sloane bemerkt, es sei unter der tropischen Sonne eine ganze Menge wärmer als im fernen England.238 Dabei verfügte Jones durch- aus über eine solide naturhistorische Ausbildung. Er hatte unter Edward Lhwyd in Oxford botanische Studien betrieben und war 1695 Mitglied des Temple House Botany Clubs geworden. Es waren vor allem seine dortigen Freunde, die von ihm Sendungen bisher unbekannten Materials erwarteten.239 Da diese Naturforscher meist als Ärzte oder in der Verwaltung der Kolonien tätig waren, blieb oft nur wenig Zeit für ausführliche naturhistorische Untersuchungen und Sammlungen. William Byrd schreibt 1706 aus Virginia, daß er seit seiner Ankunft keine Zeit für Arbeiten dieser Art gefunden habe. Im gleichen Brief beklagt er zudem den Mangel an ausgebildeten Naturforschern, die nicht nur Sammlungen anlegen, sondern auch die Einheimischen in diesem Fach un- terrichten könnten. Was fehle, so Byrd, seien »Missionary Philosophers«, mit Hil- fe derer die vereinzelten und zufälligen Aktivitäten koordiniert und auf eine soli- de Basis gestellt werden könnten.240 Dennoch tat Byrd sein Bestes, um der Royal Society und Sloane mit Beobachtungen zu Diensten zu sein. So informierte er etwa über neue Anbaumethoden auf Plantagen oder über die Wirkung des Klap- perschlangenbisses auf Menschen und Pferde. Bei letzterem habe sich die Gin- sengwurzel als ein gutes Heilmittel erwiesen.241 Wie Jones scheint es auch Byrd ein Anliegen gewesen zu sein, die Naturforschung in den Kolonien zu fördern. So bat er Sloane um die Beschaffung wissenschaftlicher Instrumente wie Spiegel- teleskop, Barometer und Thermometer und verwies in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit, einen wohlausgebildeten, mit einem Stipendium versehe-

236 Siehe ebenda, S. 243. 237 Siehe Jones an Sloane, Maryland, 26. Februar 1701, BL, Sloane 4063, fol. 68r. 238 »I can only say yt it is a great deal hotter yn in England.« Jones an Sloane, Maryland, 26. März 1697, BL, Sloane 4062, fol. 268v. 239 Dazu John CANNON, Botanical Collections, in: Arthur MACGREGOR (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Collector, Scientist, Antiquary, Founding Father of the British Museum, London 1994, S. 136–179, hier S. 141. 240 Siehe Byrd an Sloane, Virginia, 4. April 1706, BL, Sloane 4040, fol. 151r. 241 Siehe Byrd an Sloane, Virginia, 20. August 1738, BL, 4055, fol. 368r. Gaben und Gegengaben 83 nen Forscher in diese Weltteile zu schicken.242 Doch für ihn selbst bedeutete dieser eklatante Mangel an Ressourcen letztlich ein Scheitern seiner hochgesteck- ten Pläne. Sloane berichtet in einem Brief von der Enttäuschung der Londoner Sammler im Umkreis des Temple House Botany Clubs, als die erwarteten Natu- raliensendungen ausblieben.243 Erschwert wurde die Lage auch dadurch, daß Privatleute als Empfänger von Naturalien weniger an längerfristigen Verbesserungen der Bedingungen vor Ort interessiert als vielmehr auf ihren eigenen Vorteil als Sammler bedacht waren, mithin vom Forscher so viele Objekte wie möglich zugeschickt bekommen woll- ten. John Woodward hatte sogar während der Reise David Kriegs im Sommer 1699 beim Gouverneur in Maryland, wo sich Krieg zeitweise aufhielt, intrigiert. Mit dem Versuch, die offizielle Unterstützung zu verhindern, wollte er offenbar seinem Sammel-Konkurrenten Sloane schaden.244 Auch Mark Catesby, der sich von 1712 bis 1719 in Virginia und von 1722 bis 1726 in Carolina aufhielt, sah sich im Zwiespalt zwischen eigenen Interessen und denjenigen seiner Auftragge- ber. Es waren vor allem Sloane und Sherard wie weitere Londoner Sammler ge- wesen, die von seinen Sendungen zu profitieren hofften.245 Doch spätestens seit seinem Aufenthalt in Carolina war Catesby weit mehr daran interessiert, den Er- trag seiner Reise für sich selbst zu verwerten und die Ergebnisse später in Form einer eigenen Publikation der Öffentlichkeit vorzulegen. So kam er Forderungen dieser Art bald nur noch sehr langsam nach, was dazu führte, daß sich einige Sammler von der Finanzierung des Unternehmens ganz zurückzogen und Cates- by schließlich gezwungen war, Sloane um weitere Unterstützung zu bitten.246 Catesby faßte nach seiner endgültigen Rückkehr aus Nordamerika 1731 die Er- gebnisse seiner Reisen in einer umfangreichen, mit zahlreichen Abbildungen ver- sehenen Naturgeschichte zusammen.247 Seine besondere Vorliebe galt dabei den Vögeln. Dies zum einen wegen der Vielfalt der Arten, zum anderen wegen der Farbenpracht ihrer Gefieder, deren genaue Darstellung ihn als Maler und Zeich- ner herausforderte. Es waren nicht zuletzt seine Bilder, die den Verkaufserfolg des Werkes sicherten. Aber auch Insekten, Fische und Pflanzen fanden seine Auf- merksamkeit. Deren genaue, naturgetreue Darstellung stand für ihn immer im Vordergrund. Catesby betont, daß er seine Vorlagen immer ganz frisch und kurz nachdem er sie gesammelt hatte, im Bild festgehalten habe.248 Dieser Genauigkeit

242 Siehe Byrd an Sloane, Virginia, 1. April 1741, BL, 4057, fol. 20v. 243 Siehe Sloane an Richardson, London, 28. November 1721, Bodl., Radcliffe Trust c 4, fol. 55v. 244 Siehe REVEAL, Significance, S. 13 f. 245 »My sending collections of plants and especially drawings to every of my subscribers is what I did not think would be expected from me.« Catesby an Sloane, Charles Town, 15. August 1724, BL, Sloane 4047, fol. 212r. 246 Siehe Catesby an Sloane, Carolina, 5. Januar 1725, BL, Sloane 4047, fol. 307r. 247 Siehe Mark CATESBY, The Natural History of Carolina, Florida and Bahama Islands …, Bde. 1–2, London 1731. 248 Siehe ebenda, Bd. 1, S. ix (Preface). 84 Gemeinschaft der bildlichen Darstellung entsprach die Sorgfalt, mit der er sich ihrer Be- schreibung und der Dokumentation ihrer Namen widmete. Er verwendete soweit möglich die ihm von Europa her vertrauten Artbezeichnungen, griff aber zugleich, wann immer es ihm notwendig schien, auf die volkstümlichen Benennungen zu- rück, die er von den Einheimischen in Erfahrung brachte. Die wissenschaftlich- lateinische Terminologie erarbeitete er nach seiner Rückkehr in London mit der Unterstützung des Botanikers William Sherard. Bei Catesby zeigen sich die Möglichkeiten und Grenzen wissenschaftlicher Ar- beit im Verlauf dieser naturgeschichtlichen Exkursionen. Während sich beim Zeichnen ein Aufenthalt in der freien Natur als Vorteil erwies, war dies bei der genauen Vermessung von Pflanzen und Tieren von Nachteil. Gemeinhin konn- ten die in Gelehrtenstube und Sammlung gewohnten Standards der Vermessung während einer Exkursion nicht praktiziert werden. Da die einzelnen Arten nach Form, Größe und Farbe erheblich voneinander differierten, war die Angabe von Durchschnittswerten und vorläufigen Bestimmungen unvermeidlich. So greift Catesby zuweilen auf einfache Meßverfahren zurück, wenn er etwa die Größe eines Pfirsichs mit der Größe seiner Hand vergleicht.249 Auch Eigenarten von Vögeln lassen sich in Bildern nur unvollkommen darstellen, selbst wenn man die für jede Art typischen Bewegungen und Verhaltensweisen am lebenden Tier vor Augen hat.250 Sloane hatte während seine Jamaika-Reise ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Farben der Pflanzen seien am schwersten zu beschreiben, da sie bei unterschiedlicher Beleuchtung und je nach Tageszeit ständig wechselten. Zudem würde der Sammler leicht getäuscht, wenn die Unterseiten bestimmter Blätter ein anderes Grün als auf der Oberseite zeigten.251 Ähnliche Schwierigkeiten gab es für ihn, wie bereits erwähnt, auch im Hinblick auf ein standardisiertes metrisches Bezugssystem, das unter den Bedingungen der Feldforschung nur schwer anzuwenden war, zumal die einzelnen Pflanzen und Tiere innerhalb ihrer Art be- deutend in ihrer Größe variieren konnten. Aus diesem Grund schätzte Sloane während seiner Feldforschungen auf Jamaika die Abmessungen der unterschied- lichen Spezies nur grob mit seinem Daumen ab. Ausführlich schreibt er über diese Art von Messungen in seinem Reisebericht: »Upon my Arrival in Jamaica, I took what pains I could at Leisure-Hours from the Business of my Profession, to search the several Places I could think afforded Natural Productions, and immediately described them in a Journal, measuring their several Parts by my Thumb, which, with a little allowance, I reckoned an Inch. I thought it needless to be more exact, because the leaves of Vegetables of the same sorts, Wings of Birds, &c do vary more from one another, than that does from the exact measure of an Inch.«252

249 Siehe ebenda, Bd. 2, S. 9. 250 Siehe ebenda, Bd. 1, S. 10 (Parrot of Paradise of Cuba). 251 Siehe SLOANE, Voyage, Bd. 1, S. ii (Preface). 252 Ebenda. Gaben und Gegengaben 85 Ein weiteres Bezugssystem für den Naturforscher konnten die aus der Heimat vertrauten Arten bieten. So vergleicht Catesby die Pflanzen Nordamerikas häufig mit denjenigen aus seiner englischen Heimat. Bei den Bäumen etwa interessiert er sich für diejenigen, die auch im englischen Klima wachsen und dort für den Hausbau, die Ernährung oder in der Heilkunde von Nutzen sind.253 Ein weiterer Forschungsreisender aus dem Umfeld Sloanes war William Houstoun, der 1729 bei Boerhaave in Leiden studiert hatte und anschließend nach London reiste, um dort als einer jener vielen ehrgeizigen jungen Mediziner vom Kontinent sein Glück zu suchen. Im Umfeld des Temple House Botany Club lernte er zunächst alle wichtigen Naturforscher der Stadt kennen. Ein Jahr später verdingte er sich, wie zuvor Sloane, als Schiffsarzt mit dem Ziel West- indien. Schon nach kurzer Zeit gab er diese Stelle auf und trat in den Dienst der South Sea Company, in deren Auftrag er die West-Indies bereiste. Aber schon 1732 erhielt er die Gelegenheit, mit einem Stipendium von 200 Pfund versehen, sich auf seinen Reisen ganz der Naturforschung zu widmen. Es war von Londoner Sammlern ausgesetzt worden, die sich von ihm neues Material für ihre Sammlungen erhofften. Doch noch im gleichen Jahr starb er auf Jamaika.254 Bereits Ende 1730 hatte Houstoun von Vera Cruz aus erste Pflanzensendun- gen an Sloane und den Leiter des botanischen Gartens in Chelsea, Philipp Miller, geschickt.255 Anders als die reisenden Nichtfachleute, die Sloane gelegentlich Ku- riositäten zusandten, war Houstoun ein ausgebildeter Botaniker, der sich der Schwierigkeiten der Arbeit im Feld durchaus bewußt war. Doch konnte Houstoun, dem die anstrengende Arbeit als Schiffsarzt nur wenig Zeit ließ, seinen botani- schen Erkundungen zunächst nur in seinen Mußestunden nachgehen.256 Auch berichtete Sloane an Breyne im Oktober 1731, daß bisher weniger westindische Pflanzenarten als erhofft im Chelsea Physic Garden eingetroffen seien. Die Grün- de hierfür waren, neben Houstouns Zeitmangel, das Fehlen wissenschaftlicher Hilfsmittel. Nicht immer konnten die Pflanzen genau bestimmt werden und Hou- stoun wußte deshalb nicht genau, welche Pflanzen für die Londoner Sammler interessant sein könnten. Paradoxerweise erwies sich dabei die schiere Fülle des

253 »I have likewise taken notice of those Plants, that will bear our English Climate, which I have experienced from what I have growing at Mr. Bacon’s, Successor of the late Mr. Fairchild at Hoxton, where many have withstood the Rigour of several Winters, without Protection, while other Plants, tho’ from the same Country, have perished for Want of it.« CATESBY, Carolina, Bd. 1, S. viii (Preface). 254 Sloane berichtet dies später auch nach Danzig: »Dr Houstoun is dead at Carthagena in America but wee have sent another to furnish us wh. what is curious in naturall history in those parts«. Sloane an Breyne, London, 6. September 1734, Gotha, Chart. B 785, fol. 647r. 255 »You have already seen some of the finds of my Labours in Jamaica, and with this I send you a collection of Plants and other natural curiosities from La Vera Cruz. It would be as need- less as troublesome to enter here upon a detail of what I observed there, since the Lift of Seeds that I have sent to Mr. Miller, and the dryed Plants, with the small annotations made upon some of them will much better inform you.« Houstoun an Sloane, [Charles Town,] 9. Dezember 1730, BL, Sloane 4051, fol. 141r. 256 Siehe ebenda. 86 Gemeinschaft Neuen als besondere Schwierigkeit. Schon kurz nach seiner Ankunft schreibt er an Sloane, daß ihm viele unbekannte Pflanzen begegnet seien, die er vorläufig, in Ermangelung genauer Bezeichnungen, wie neuerdings üblich, mit den Namen be- kannter Botaniker belegt habe.257 Zu den fehlenden Hilfsmitteln, die ihm eine gültige Bestimmung erleichtert hätten, zählten vor allem botanische Bücher. Von ihnen besaß er jedoch nur wenige, so daß er sich nie sicher war, ob vor ihm schon ein anderer die Pflanzen beschrieben hatte. Er hoffte somit auf weitere Hin- weise von Sloane, der aus seiner Sachkenntnis heraus seine vorläufigen Beobach- tungen ergänzen sollte.258 Über die Arbeit Houstouns hat Sloane überdies in vielen Briefen an den in Petersburg arbeitenden Johann Amman ausführlich berichtet und diesen Proben des von Houstoun gesammelten Materials beigelegt. Die Sammlung am Blooms- bury Square und der Chelsea Physic Garden bildeten damit gewissermaßen den Knotenpunkt auf einer naturhistorischen Ost-West-Achse. Denn im Gegenzug profitierte Sloane von Ammans Berichten über neue Forschungsreisen in Sibi- rien. So waren Informationen über neue Entdeckungen in Sibirien und Amerika sowohl in Petersburg als auch in London präsent, ein Hinweis darauf, daß selbst größere Exkursionen während ihres Verlaufs noch in das kommunikative Netz- werk der Gelehrtenrepublik eingebunden waren.

Rußland Die Voraussetzungen, unter denen die sibirische Region für die Naturgeschichte erschlossen wurde, waren grundsätzlich andere als die, unter denen die Forscher in Nordamerika arbeiteten. Die englischen Kolonien in Nordamerika bildeten einen verhältnismäßig schmalen Streifen, der von der Hudson Bay im Norden bis hinunter zu den karibischen Inseln reichte. Das weitere Hinterland war für die Siedler meist noch völlig unerschlossen. Den recht begrenzten Radius naturhi- storischer Exkursionen und die allgegenwärtigen Gefahren solcher Unternehmun- gen beschrieb 1724 Mark Catesby. Er berichtete unter anderem von seiner Furcht vor den 300 Meilen weiter landeinwärts lebenden Ureinwohnern, die jedoch zu diesem Zeitpunkt Krieg untereinander führten und damit von Überfällen auf rei- sende Naturforscher abgelenkt seien.259 Zu erinnern ist in diesem Zusammen- hang auch an die Exkursionen Sloanes 1687 bis 1689 auf Jamaika, die sich auf die relativ kleine Fläche dieser Insel beschränkten. Anders war die Situation zu Anfang des 18. Jahrhunderts in Rußland. Die Be- mühungen Peters I., Anschluß an die wissenschaftliche Vorrangstellung des We- stens zu erlangen, fanden ihren Höhepunkt in der schon erwähnten Akademie-

257 »I met with a great many Plants on the continent which I could not possibly reduce to any genus yet described, and therefor have made bold to characterise some of them, giveing them the names of Botanists, which is a practice now authorised by custom.« Ebenda. 258 Siehe ebenda. 259 Siehe Catesby an Sloane, Charles Town, 12. März 1724, BL, Sloane 4047, fol. 147r. Gaben und Gegengaben 87 gründung in Petersburg 1725.260 Schon einige Jahre zuvor, 1720, hatte der Zar den jungen Danziger Arzt Daniel Gottlieb Messerschmidt mit einer Forschungsreise nach Sibirien beauftragt. Messerschmidts siebenjährige Reise von 1720 bis 1727 bildete den Auftakt zu einer Reihe ähnlicher Unternehmungen. Obwohl Peter I. schon 1725 gestorben und die nachfolgende Zeit von politischer und ökonomischer Instabilität gekennzeichnet war, arbeitete die Petersburger Akademie in dieser An- fangsphase höchst erfolgreich. Sie übernahm die Regie der folgenden Expeditio- nen, gemäß dem von ihr aufgestellten Programm einer umfassenden geographi- schen und naturwissenschaftlichen Erkundung des Russischen Reiches. Schon wenige Jahre nach der Rückkehr Messerschmidts wurde mit Vorberei- tungen zur sogenannten zweiten Kamčatka-Expedition, eines der größten Unter- nehmen dieser Art im 18. Jahrhundert, begonnen. Nachdem bereits 1725 bis 1730 mit einer Schiffsexpedition vergeblich nach einer Landverbindung zwischen Asien und Amerika gesucht hatte, sollte eine zweite Expedition ab 1734 endgültigen Aufschluß über die noch ungeklärten geographischen Verhältnisse im fernen Osten des Russischen Reiches erbringen. Während die Schiffe Berings ein zweites Mal zum Einsatz kamen und die Seeabteilung der Unternehmung bil- deten, wurde die Landabteilung von dem Botaniker Johann Georg Gmelin, dem Historiker Gerhard Friedrich Müller und dem Geographen und Astronomen Ludwig Delisle de la Croyère gebildet. Ziel beider Abteilungen war die im äußer- sten Nordosten gelegene Halbinsel Kamčatka, wo sie zusammentreffen und die vermutete Meerenge weiter erforschen sollten. Es folgten dann ab 1769 – diesmal schon unter der Herrschaft Katharinas II. – weitere Expeditionen im Auftrag der Akademie, von denen eine der wichtigsten von zwischen 1769 und 1774 durchgeführt wurde und in deren Verlauf er bis in die nördliche Mongolei gelangte. Das Ziel dieser Unternehmungen war letztlich, neben allen bedeutenden wissenschaftlichen Erträgen im einzelnen, eine vollständige Topographie des Reiches zu erstellen, ein Plan, der jedoch nie vollständig realisiert wurde.261 Politische, wirtschaftliche und militärische Intentionen lassen sich bei diesen Expeditionen nur schwer von rein wissenschaftlichen Absichten trennen. Diese wohlgeplanten und straff organisierten Expeditionen der Petersburger Akademie lassen sich daher kaum mit den eher zufälligen nordamerikanischen Aktivitäten im Umkreis der Royal Society vergleichen. Die russischen Unterneh- mungen waren zentral und staatlich organisiert und sollten ein Höchstmaß an

260 Siehe Dittmar DAHLMANN, Die russische Eroberung Sibiriens, in: Ders. (Hrsg.), Johann Georg Gmelin. Expedition ins unbekannte Sibirien, Sigmaringen 1999, S. 7–84; Folkwart WEND- LAND, Das Russische Reich am Vorabend der großen Nordischen Expedition, der sogenannten zweiten Kamtschatka-Expedition, in: Doris POSSELT (Hrsg.), Die Große Nordische Expedition von 1733–1743. Aus Berichten der Forschungsreisenden Johann Georg Gmelin und Georg Wilhelm Steller, Leipzig/Weimar 1990, S. 332–384, und Doris POSSELT, Forschungsreisen in Rußland im 18. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Biologie, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 25 (1976), S. 181–201. Zur Gründung der Akademie siehe oben, S. 73 f. 261 Näheres zu den einzelnen Expeditionen bei POSSELT, Forschungsreisen, S. 191 f. 88 Gemeinschaft Informationen erbringen. Was auf amerikanischer Seite das Ergebnis langjähriger Aktivitäten einzelner darstellte, wurde in den russischen Expeditionen jeweils auf einige wenige Jahre komprimiert. Unterschiede bestanden auch im Ausmaß der Kolonisierung, deren Spuren die Wissenschaftler folgten. Sibirien war zwar nur dünn besiedelt, dennoch bestanden an einigen Hauptorten russische Verwaltun- gen als Vorposten europäischer Zivilisation. Noch unter Peter I. war Rußland 1708 in Gouvernements eingeteilt worden, darunter ein Gouvernement Sibirien mit dem Hauptort Tobolsk. Im Jahr 1736 wurde dann ein Vizegouverneur für Ostsibirien in Irkutsk eingesetzt.262 An diesen wenn auch nur rudimentär ausge- prägten Verwaltungsstrukturen orientierte sich die Route der Reisenden und von diesen Hauptorten aus hatten sie die Möglichkeit, ihren Briefverkehr abzuwik- keln. Es bestand also für die Teilnehmer der Sibirienexpeditionen ein locker ge- fügtes Netz der Versorgung und, das ist in diesem Zusammenhang ebenso wich- tig, auch der Kontrolle. Daniel Gottlieb Messerschmidts siebenjährige Reise nach Sibirien fiel genau in die Gründungsphase der Petersburger Akademie. Sie war Ausdruck des Wun- sches, die riesigen, östlich gelegenen Landmassen Rußlands erstmals systematisch- wissenschaftlich zu erforschen.263 Im Jahr 1716, nach der Einnahme Danzigs durch russische Truppen, besuchten Zar Peter I. und sein Leibarzt Robert Erskine die dortige Sammlung Johann Philipp Breynes, bei welcher Gelegenheit Breyne den jungen, gerade von seinem Medizinstudium in Halle in seine Heimatstadt zurückgekehrten Messerschmidt als geeignete Person für eine größere russische Forschungsreise empfahl.264 Eduard Winter weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß sich Messerschmidt aufgrund seines Studiums in Halle besonders für diese Aufgabe qualifiziert hatte. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts verfügte nämlich Halle durch die Aktivitäten August Hermann Franckes über ein um- fangreiches Naturalienkabinett am dortigen Waisenhaus. Die Missionsbemühun- gen des frühen Pietismus nach Rußland und bis nach China hinein wiesen Halle überdies eine Brückenfunktion in der Vermittlung zwischen Ost- und Westeuro- pa zu.265 Da Erskine 1720 starb, betreute sein Nachfolger Laurenz Blumentrost, der spätere erste Präsident der Akademie, Messerschmidt bei den Vorbereitungen zu dieser Reise, deren eigentlicher Beginn mit der Abreise aus Tobolsk Anfang 1721 zu datieren ist. Als Messerschmidt dann nach fast sieben Jahren Abwesenheit im März 1727 nach Petersburg zurückkehrte, fand er eine völlig veränderte Situation vor. 1724 war die Akademie offiziell gegründet worden, geriet jedoch in ihrer

262 Siehe WENDLAND, Expedition, S. 344. 263 Siehe Daniel Gottlieb MESSERSCHMIDT, Forschungsreise durch Sibirien 1720–1727, hrsg. von Eduard Winter und N. A. Figurovskij, Bde. 1–5, Berlin 1962–1977. Zur Biographie siehe JÖCHER, Gelehrten-Lexicon, Bd. 3, Sp. 1542 f., und das Vorwort zu MESSERSCHMIDT, Forschungsreise, Bd. 1, S. 1–20. 264 Siehe APPLEBY, Erskine, S. 382. 265 Siehe Eduard WINTER, Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde, Berlin (Ost) 1953. Gaben und Gegengaben 89 Anfangsphase zunehmend in das Fahrwasser politischer Wirren um die Nach- folge des 1725 verstorbenen Zaren. Der für Messerschmidt zuständige Akade- miesekretär Blumentrost war als Leibarzt nach Moskau zurückgekehrt und durch Johann Daniel Schumacher ersetzt worden. Besonders schmerzhaft für den Heimkehrer war jedoch, daß die Akademie sämtliche Ergebnisse der Reise, also Tagebücher und Naturalien, für sich beanspruchte, und er, da ihm dadurch eine Weiterarbeit verwehrt wurde, damit zu großen Teilen um die Früchte seiner An- strengungen gebracht wurde. Zudem hatte er sich schon vor seiner Reise ver- pflichten müssen, über seine Erkenntnisse nach außen hin Stillschweigen zu be- wahren. So kehrte er mit einer kleinen Restsammlung 1729 nach Danzig zurück. Erst zwei Jahre später erfolgte an ihn ein Ruf nach Petersburg, um dort seine Sammlungen weiter zu bearbeiten. Das beeindruckendste Zeugnis dieser Reise ist ohne Frage Messerschmidts Tage- buch, das ihn in eine Reihe mit den großen Forschungsreisenden von Forster über Humboldt bis Darwin stellt. Dieses in einer geradezu manisch zu nennen- den Akribie geführte Diarium gibt nicht nur Auskunft über seine tagtäglichen Aktivitäten, sondern ist darüber hinaus ein Dokument für die Arbeitssituation eines meist auf sich allein gestellten Forschers fernab der gelehrten Welt. An ihm läßt sich ablesen, welche Bedeutung überhaupt schriftliche Aufzeichnungen für die psychische Stabilisierung des Forschers im Feld hatten: »Diesen Tag war üb- rig, mein Journal, so seit 8 Tagen her im unreinen konzipiret ware, endlich ins reine zu bringen, damit ich nicht mit der Zeit konfus würde.«266 Es wäre ein Irr- tum, den Begriff »konfus« allein im Zusammenhang einer Ordnung des Beob- achteten zu verstehen. Sein scheinbar objektiver Charakter entlarvt ihn zugleich als Ausdruck verborgener Seelennöte, die vielleicht als eigentliches, subjektives movens der Beschäftigung mit der Naturgeschichte gelten können. Wenngleich auf diesen Doppelcharakter naturhistorischer Aufzeichnungen im folgenden nicht nä- her eingegangen werden kann, so ist diese Lesart doch immer im Auge zu be- halten.267 Während der sieben Jahre seines Aufenthalts in Sibirien ging Messerschmidt das ständige Beobachten, Aufzeichnen und Auswerten in Fleisch und Blut über. »Nachdem ich einige specimina aufgesammlet«, so schrieb er in einer Aufzeich- nung vom 12. Mai 1723, »retirirte ich mich wegen starken Regens wieder in mein zelt und arbeitete an meinen annotationibus, die gesammleten nidos avium [Vo- gelnester] zu beschreiben«.268 Überhaupt brachte er zeitweise ganze Tage mit nichts anderem als botanischen Studien zu. In seinem Lager in Udinsk am Bai- kalsee notierte er: »Ich setzte mich diesen Tag noch weiter zu meinen botani- schen laboribus nieder, die Exotica in den Catalogum plantarum officinalium ein-

266 MESSERSCHMIDT, Forschungsreise, Bd. 2, S. 194. 267 Die Herausgeber der Tagebücher, Winter und Figurovskij, haben in ihrem Vorwort zu Recht auf die therapeutische Wirkung des Messerschmidtschen Schreibens hingewiesen: »Messer- schmidt blieb überhaupt nur durch seinen Arbeitsfanatismus Herr der Lage.« MESSERSCHMIDT, Forschungsreise, Bd. 1, S. 9. 268 Ebenda, Bd. 2, S. 49. 90 Gemeinschaft zutragen, und hatte also diesen ganzen Tag völlige Arbeit bis zur Mitternacht.«269 Notizen dieser Art sollten demnach als Grundlage dazu dienen, einmal später in der Geborgenheit und Ruhe der Sammlung und unter besseren Bedingungen ein wissenschaftliches Werk zu verfassen. Daß er dies plante, zeigt unter anderem eine Stelle, in der sich der Stolz des Feldforschers mit dem Neid auf die in ihren warmen Stuben sicher sitzenden Kollegen mischt: »Wiewohl es mir nicht möglich ware, bei diesen Umbständen eine reguläre histo- riam anatomicam desselben zu adorieren, als welches unsere europäische Gelehrten niemals aufm Felde, sondern in verschlossenen Zimmern […] verrichten und also ebensowenig als ich darinnen würde praestiren [erreichen] können, wenn man es ihnen ohne Nachsinnen sollte anmuten wollen.«270 Daneben beschäftigte ihn aber auch das tägliche Geschäft des Konservierens, Verpackens und Ordnens der gesammelten Objekte, die er in regelmäßigen Ab- ständen nach Petersburg schickte. Ganze Tage konnte der Reisende mit diesen Aufgaben zubringen: »Meine Okkupation diesen ganzen Tag ware also, die gesammleten Steine des vo- rigen Jahres zu übersehen, zu rangieren und beschreiben, in Säcklein per Sorti- mens zu füllen, versiegeln und bezeichnen, auch ein Exemplar von jeder Sorte ins Mineralienkästlein zu aptieren und beizulegen«.271

Einen sehr detaillierten Bericht über die mit einem Fund verbundenen Techniken der Dokumentation liefert Messerschmidt anläßlich eines Mammutfundes im nördlichen Sibirien. Er war 1724 während eines längeren Aufenthalts in Irkutsk vom Ortsvorsteher benachrichtigt worden, daß kurz zuvor dort Teile eines Mam- muts abgeliefert worden seien. Ein gefangener Pole habe sie von einer Reise an die Mündung des Flusses Lena ins Nordmeer mitgebracht. Messerschmidt schreibt weiter: »Indes erinnerte ich den Herrn Provincial, dafür zu sorgen, daß eine Zeichnung sowohl vom Kopfe als auch übrigen kuriösen Dingen möchte gemacht werden, im Fall der Kopf ja auf der Reise zu Schaden käme, daß doch Ihro Majestät möchten sehen können, wie er beschaffen gewesen.«272 Die Durchführung dieses Unternehmens gestaltete sich aufgrund der Größe der Knochen und der provisorischen Umstände schwierig: »Meine Denstschiken [denščik = (Offiziers-)Bursche] mußten in instanti ein Gerüste von starken Balken in der Stube aufrichten, und wurde der Kopf mit neuen Hanfstricken in seine gehörige Stellung, wie sie zur Malerei erfodert ware, aufgehangen, worüber beinahe 2 Stunden verloren gingen.«273

269 Ebenda, Bd. 2, S. 244. 270 Ebenda, Bd. 3, S. 70. 271 Ebenda, Bd. 2, S. 191. 272 Ebenda, Bd. 2, S. 195. 273 Ebenda, Bd. 2, S. 203. Gaben und Gegengaben 91 Aber Messerschmidt genügte diese bildliche Dokumentation allein noch nicht. Wichtig war ihm auch, die genauen Umstände der Auffindung durch den Augen- zeugen zu dokumentieren. Der Pole, Michael Wolochowicz, konnte allerdings kein Russisch. Das Interview wurde auf Latein festgehalten und anschließend der vitia grammaticalia wegen von Messerschmidt korrigiert. Diese geradezu pedantische Vorgehensweise ist um so erstaunlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Messerschmidt kaum Zugang zu den für jeden Forscher unentbehrlichen Hilfsmitteln wie etwa Büchern und Instrumenten hatte. Welch wichtige Rolle die wenigen Bücher spielten, die er auf seiner Reise mit sich führte, wird an vielen Stellen seines Tagebuchs deutlich. Sie zeigen einmal mehr die unter- schiedlichen Arbeitsbedingungen im Feld und innerhalb der Sammlung. Das zwei- fellos wichtigste Werk waren für ihn die Institutiones rei herbariae, die der französische Botaniker Joseph Pitton de Tournefort 1700 veröffentlicht hatte und die bald zu einem botanischen Standardwerk avancierten.274 Ein Werk dieser Art war auch dann von Nutzen, wenn man die gesuchten Pflanzen dort nicht fand und sich statt dessen allgemein die Methode der Beschreibung zum Vorbild nehmen konnte: »Hinebst fand ich eine mir unbekannte plantulam papilionaceam, so ich in meinen botanicis, die ich auf der Reise bei mir führe, nicht rezensieret sahe und also mit mir ins Zelt nahme, ihre Deskription zu machen. Sie wurde aber nach des Herrn Tourneforts Methode, in welcher sie nicht anzutreffen ware, folgenderweise be- nennet und beschrieben«.275 Aber Bücher dienten nicht allein als Referenzinstanz zur Bestimmung von Pflan- zen, Tieren und Mineralien. Während einiger exkursionsfreier Tage im März 1723 in Krasnojarsk war für ihn Georg Agricolas klassisches Buch über den Bergbau De re metallica Anlaß, sich in der Klassifizierung und Systematisierung von Mine- ralien – »in desertam, wo keine subsidia literaria, weder vivi noch mortui doctores zu konsultieren sind« – einzuüben.276 Die Einteilung mineralischer Salze hatte keinen direkten Bezug zu seiner gegenwärtigen Arbeit im Feld, dennoch, so ist zu vermuten, diente diese Arbeit als eine Art Fingerübung zur Schärfung seines klassifizierenden Blicks. Aber nicht nur der Anblick der Natur fügte sich dem literarisch fixierten Be- zugssystem. Umgekehrt war auch eine Korrektur des Bücherwissens durch die un- mittelbare Erfahrung der Natur möglich, wobei die in den Büchern enthaltenen Fehler um so deutlicher hervortraten. So erregte John Jonstons noch aus den dreißi- ger Jahren des 17. Jahrhunderts stammende Historia Animalium Quadrupedum das Mißfallen Messerschmidts. In diesem Werk, so Messerschmidt, mangele es an eige- ner Beobachtung, statt dessen würden die tradierten Meinungen alter Autoren weitschweifig zitiert. Während der Expedition trafen Bücherwissen und konkrete

274 Julius SACHS, Geschichte der Botanik vom 16. Jahrhundert bis 1860, München 1875, S. 83 f., hebt in diesem Sinne vor allem die Möglichkeit zur schnellen Information über die bisher bekannten Arten hervor. 275 MESSERSCHMIDT, Forschungsreise, Bd. 3, S. 74. 276 Ebenda, Bd. 2, S. 27. 92 Gemeinschaft

Anschauung der Natur oft unvermittelt aufeinander. So verschaffte Messerschmidt sich das konkrete Anschauungsmaterial in Form zweier Schafsfüße direkt aus der Küche seines Quartiers, um »in methodo discernenda« seine Untersuchungen fortzusetzen und sie dann mit Jonstons Historia zu konfrontieren.277 Auch die Sprache, in der er seine Beobachtungen niederschreibt, ist ein Aus- druck dieses Ordnungswillens im Angesicht der Überfülle neuen Materials. Dort, wo ihm neue Arten begegneten, »welche meines Wissens von keinem Botanico bishero mag sein observieret worden«, beschrieb er sie in lateinischer Sprache, als Vorstufe eines noch zu verfertigenden wissenschaftlichen Kataloges.278 Hierbei spielten, wie schon bei Catesby, die einheimischen Bezeichnungen eine wichtige Rolle, da sich in ihnen gewissermaßen die visuelle Erfahrung derjenigen manife- stierte, die tagtäglich als Jäger oder Bauern mit Pflanzen und Tieren umgingen. So brachte ihm einer seiner Diener einen im Wald gefangenen Adler, von dem er die einheimischen Bezeichnungen in tatarischer Mundart notierte.279 Aufgrund die- ser Befragungen – die er mit einer gewissen Systematik unter den Einheimischen durchführte – schrieb Messerschmidt lange Listen nieder, in denen er die ihm bekannten lateinischen Bezeichnungen mit den einheimischen kompilierte.280 Dieser ständige Prozeß der Verschriftlichung seiner Beobachtungen und die sie begleitende Lektüre – ein Vorgang, den Messerschmidt treffend als »Rezensieren« bezeichnet281 – diente nicht allein dazu, inmitten der Fülle des Neuen den Über- blick zu behalten, er stand zugleich im Dienst einer wissenschaftlichen Kommuni- kation, die selbst unter den Bedingungen einer langjährigen Exkursion nicht völlig abriß. Sein Vertrag mit der Akademie verpflichtete ihn, in monatlichen Abständen über den Fortgang der Expedition zu berichten und Kisten mit dem gesammelten Material nach Petersburg zu versenden – Sendungen, die ihn von der ständig an- wachsenden Zahl der Objekte im wortwörtlichen Sinne entlasteten und damit seine Bewegungsfreiheit während einer ohnehin beschwerlichen Reise garantierten. Er profitierte damit auch von den Verwaltungsstrukturen im Zusammenhang der unaufhaltsamen russischen Kolonisierung Sibiriens. Die Vorsteher der Orte, in denen er sein Quartier aufschlug, waren angehalten, ihm bei seinen Arbeiten be- hilflich zu sein, was soweit ging, daß ihm einmal einer dieser Vertreter der Ob- rigkeit von einem mißgebildeten Schwein berichtete und von der Anweisung des Zaren, »alle dergleichen curiosa zu konservieren und nach Moskau zu versen- den«.282 Aber auch jenseits dieser offiziellen Verbindungen war Messerschmidt während und nach seiner Reise in das Netzwerk gelehrter Kommunikation eingebunden. Noch unmittelbar vor seinem Aufbruch 1719 informierte der spätere Akademie-

277 Siehe ebenda, Bd. 2, S. 161. 278 Siehe ebenda, Bd. 3, S. 101 279 Siehe ebenda, Bd. 2, S. 85 f. 280 »Um 9 Uhr ließe ich ein paar Tungusenweiber für mir kommen und zeigte ihnen meine exuvias avium, umb ihre Benennungen zu erfahren.« Ebenda, Bd. 2, S. 165. 281 Ebenda. 282 Ebenda, S. 21. Gaben und Gegengaben 93 sekretär Schumacher Breyne in Danzig über die Vorbereitungen zu dieser Reise, wobei selbst im gedrängten Raum eines Briefes die ganze Vielfalt und der Ehr- geiz des Unternehmens deutlich wird.283 Es war ja überhaupt erst die Empfeh- lung Breynes gewesen, die Messerschmidt nach Petersburg gebracht hatte, und so überrascht es nicht, daß dieser in einem Brief aus Krasnojarsk 1722 jenen aus- führlich über den bisherigen Verlauf der Unternehmung informierte. Darüber hinaus lieferte Messerschmidt Breyne einen kurzen methodischen Aufriß des Expeditionsvorhabens und beschreibt darin in sechs Abschnitten die geplanten Forschungen.284 Zudem dürfte für Breyne ein »Schubköstlein« mit einigen Natu- ralien von besonderem Interesse gewesen sein; sein Überbringer war Johann Tab- bert, ein Kriegsgefangener noch aus den russischen Feldzügen des Schweden- königs Karl XII., mit dem sich Messerschmidt in Krasnojarsk befreundet hatte. Die in diesem Brief mitgeteilten Neuigkeiten trug Breyne bald darauf seinen Danziger Forscherkollegen im Rahmen der kurz zuvor gegründeten Sozietät vor.285 Schon zur Nach- und Rezeptionsgeschichte der Expedition gehört dann allerdings ein weiterer Vortrag über zwei sibirische Mammutzähne von 1728. Die- ses Thema stand erneut auf der Tagesordnung, als Messerschmidt ein Jahr später, 1729, in seine Heimat Danzig zurückkehrte und bei dieser Gelegenheit einige Zeichnungen über den schon erwähnten Mammutfund von 1724 vorzeigte, die Breyne zusammen mit den dazugehörigen Beschreibungen kopierte.286 Im Jahr 1735 schickte Breyne diese Papiere mitsamt den Kopien der Zeichnungen an die Royal Society nach London. Sie wurden noch im gleichen Jahr in einer Sitzung dort vorgestellt und erschienen 1737 in drei zusammenhängenden Teilen in den Transactions (Abb. 7).287

283 Schumacher an Breyne, Petersburg, 14. Februar 1719, Gotha, Chart. B 788, fol. 62v. 284 Dieses Beispiel ›barocker Polyhistorie‹ sei hier ausführlich zitiert: »Sonst waß anlanget meine bißherigen labores so habe selbige in sechs verschiedene Classes rangiret, nemlich Geographiam in welcher Latitudines aller Örter durch hülffe meines Quadranten abgenommen in Tabellen ge- bracht, und künfftig den Versuch zu meiner Mappen [Karte, St. S.] fürzunehmen; 2) Aero-metri- am in welcher Ao. 1720 Observationes Barometricas auff Tobolskoeschen Horizont in Latit. 58. O. auffgezeichnet. 3) Hist. Nat. triplicis regni in welcher etwa 700 biß 800 vegetabilia, und 150 Descriptiones anatom. avium, folglich auch quadrupedum et piscium; eine kleine Collection von etwa 100 Papilionum pro Insectorum historiâ; Collectio mineralium, Lapidum Terrarum, Salium, bituminum etc. 4) Historiam Chronologiam etc. wozu verschiedene ansamlungen gemacht. 5) Philologiam in welcher alles zur Illustration der Tattarischen, Russischen, Gothischen, Calmak- kischen, Mongolischen, und Tangutischen Sprachen gehörig referirt. 6) Antiquariam Monumen- tariam et Numismaticam, in welcher alle Curiöse Jahrn zugehörige pieces, in bereits mehr alß 70 Tabellen in fol. habe definiren laßen, umb künfftig die Historie dieses Lands auß selbigen so viel beßer illustriren zu können.« Messerschmidt an Breyne, Krasnojarsk, 20. Mai 1722, Gotha, Chart. B 787, fol. 404r. 285 Siehe Gotha, Chart. A 875, fol. 84r. 286 Siehe Gotha, Chart. A 875, fol. 97v–104r. 287 Siehe [1]: A Letter from John Phil. Breyne, M.D. F.R.S. to Sir Hans Sloane, Bart. Pres. R.S. with Observations, and a Description of some Mammoth’s Bones dug up in , prov- ing them to have belonged to Elephants; [2]: Observations on the Mammoth’s Bones and Teeth found in Siberia: Read in a Meeting of some learned Gentlemen at Dantzick in the Year 1728; [3]: An Explanation of the Draughts of the abovemention’d Antediluvian Bones of an Animal 94 Gemeinschaft Warum Breyne so lange mit der Zusendung des Aufsatzes zögerte, hängt ver- mutlich nicht nur mit forschungsstrategischen Erwägungen zusammen – viel- leicht war er der Meinung, einem Aufsatz des von ihm bewunderten Sloane von 1727 über ein ähnliches Thema nichts substantiell Neues hinzufügen zu kön- nen288 –, sondern möglicherweise auch mit der Rücksichtnahme auf seinen Kollegen Messerschmidt, der ja an erster Stelle Anspruch auf eine eigene Veröf- fentlichung solch spektakulärer Funde hatte. Messerschmidt starb im März 1735 und es bestand damit kein Hinderungsgrund mehr, den Aufsatz weiter hinauszu- zögern: Noch im September des gleichen Jahres schickte Breyne das Material nach London. Ein warnendes Vorbild für Breyne könnte zudem der schon erwähnte Philipp Johann Tabbert gewesen sein, der unter dem Namen ›von Strahlenberg‹ Forschungsergebnisse seines Freundes Messerschmidt 1730 vorzeitig veröffent- licht und damit nicht nur letzteren düpiert, sondern sich auch über das Veröf- fentlichungsverbot der Petersburger Akademie hinweggesetzt hatte.289 Die zweite Kamčatka-Expedition, die vier Jahre nach Messerschmidts Rück- kehr begann, ist durch die Journale und späteren Veröffentlichungen der Teil- nehmer Gmelin und Steller ebenfalls gut dokumentiert. Wie schon zuvor bei Messerschmidt bestand ein wesentlicher Teil der Arbeit darin, das gesammelte Material schon vor Ort zu systematisieren und auszuwerten. Für Gmelin und sei- ne Reisegefährten waren die wenigen mitgeführten Bücher deshalb von besonde- rem Wert. Als ein Teil von ihnen während eines Brandes in einem der Quartiere vernichtet wurde, bemerkt Gmelin:

commonly called, The Mammoth of Siberia …, in: Philosophical Transactions 40 (1737), S. 124– 138. Weiterhin findet sich eine Zusammenfassung dieser drei Untersuchungen in den Brief- büchern der Royal Society: A letter from Doctr. Brayne or Breynius, to Sir Hans Sloane Bart. giving notice of a Box of fossil Shells and figured stones sent him with an account of them and likewise descriptions & draughts of some fossil Bones of Elephants inclosed in said Box &c, Read Oct. 6. or 13. 1735, RS, Letter Book (Copy), Bd. 22, S. 30 f. Aufsatz und Zusammenfassung für die Royal Society basieren auf dem Originalbrief Breynes an Sloane, Danzig, 28. September 1735, BL, Add. 5310, fol. 94r. 288 »I readed with great Satisfaction Your Observation and Remarques upon the large Bones of Animals found in the Earth in several Countries, which indeed belong to Elephants or some other large animals, and not, as some have fancied, to Giants.« Breyne an Sloane, Danzig, 10. Mai 1730, BL, Sloane 4051, fol. 25v. Zu Sloanes Aufsatz siehe unten, S. 307. 289 Siehe Philipp Johann TABBERT VON STRAHLENBERG, Das Nord- und Östliche Theil von Europa und Asia, in soweit solches das gantze Russische Reich mit Siberia und der grossen Tar- tarey in sich begreiffet. In einer historisch-geographischen Beschreibung …, Stockholm 1730. Gaben und Gegengaben 95

Abb. 7: Schädelknochen eines sibirischen Mammuts (Vorder- und Seitenansicht) aus Johann Philipp Breynes Observations, and a Description of some Mammoth’s Bones dug up in Siberia (1737). Kupferstich.

»Ungeachtet man zur Tilgung der Glut beständig Schnee hineinwarf, so war doch nicht eher möglich, in der Asche herumzusuchen, als den dritten Tag, da ich dann von einigen wohlgeschlagenen [gut eingebundenen, St. S.] Büchern noch ziemlich gute Überbleibsel bekam, die mir zukünftig bei meiner Armut an Büchern dienen konnten; darunter war fast die ganze Historia plantarum Clusii, Jonstons historia naturalis, Listeri historia conchyliorum. Sie waren zwar an dem Rande hin und wieder beschädigt und verbrannt, ich flickte sie aber ungefähr in einem Monat wieder zusammen.«290 Trotz dieser geretteten Exemplare ging ihm der Verlust der Institutiones von Tournefort »gar zu nahe«.291 Zeichnungen wurden von eigens mitgenommenen Malern angefertigt. »Das nö- tigste«, so Gmelin über Wilhelm Steller, der das letzte und schwierigste Stück der Expedition zur Pazifikküste allein bewältigen sollte, »womit wir ihn zu versehen

290 Johann Georg GMELIN, Reise durch Sibirien (1751–1752), in: Doris POSSELT (Hrsg.), Die Große Nordische Expedition von 1733–1743. Aus Berichten der Forschungsreisenden Johann Georg Gmelin und Georg Wilhelm Steller, Leipzig 1990, S. 7–193, hier S. 67. 291 Ebenda. 96 Gemeinschaft hatten, war ein Maler«.292 Die Anforderungen an diesen waren hoch. Schnelligkeit und Fertigkeit im Zeichnen waren gefordert, damit die Reisenden nicht zu lange an einem Ort verweilen mußten und dennoch Flora und Fauna genügend aufge- nommen werden konnten. Es scheint dabei gängige Praxis gewesen zu sein, Pflanzen, Tiere und Mineralien nicht am Fundort, sondern in schon konservierter und sammlungstechnisch aufbereiteter Form zu dokumentieren. Als der Historiker Gerhard Friedrich Müller 1740 vorzeitig die Rückkehr nach Petersburg antrat, mußte er versprechen, »wenn was Seltenes unter Kräutern, Vögeln, Fischen und vierfüßigen Tieren vorkommen sollte, dieselben auszustopfen oder in Branntwein erhalten und Zeichnungen davon machen zu lassen, nachdem es die Umstände erlauben würden«.293 Es war sicher nicht einfach, die besonderen Anforderungen der Naturforschung an die Maler heranzutragen. So berichtet Gmelin über den Zeichenmeister Lürsenius: »Weil er aber einen guten Anfang in der Malerei hatte, so hielten wir ihn auch nach und nach mehr dazu an, und den verwichenen Sommer war er schon so weit, daß er eine ziemliche Stärke in Zeichnung der Kräuter besaß.«294 Die Anfertigung von Zeichnungen diente aber sicher nicht nur, als Ergänzung der schriftlichen Aufzeichnungen, der wissenschaftlichen Do- kumentation. Wie schon die Beispiele Catesbys und Sloanes gezeigt haben, ver- mochten Bilder die Attraktivität naturhistorischer Werke und im besonderen von Reisebeschreibungen bedeutend zu erhöhen. Der Erfolg von Johann Georg Gme- lins 1751 in Göttingen erschienener Reise durch Sibirien, einer gekürzten Übersetzung seines zwischen 1747 und 1769 in vier Bänden veröffentlichten Hauptwerks Flora Sibirica, verdankt sich nicht zuletzt der Vielzahl von beeindruckenden Ab- bildungen zur Geschichte und Natur dieser bis dato noch wenig bekannten Re- gion. Die in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts unternommenen wissen- schaftlichen Expeditionen setzten unter schwierigen Bedingungen die Erschließung des naturhistorischen Feldes fort und vollzogen damit jene Bewegung nach, die, von den Zentren der Forschung ausgehend, sich weiter an die Peripherie der wis- senschaftlichen Welt ausdehnte. Auch sie sind in letzter Konsequenz einer Zivi- lisierung der Natur zuzurechnen, in dem Sinne, daß die in den urbanen Zentren der Forschung entwickelten Praktiken und Wahrnehmungsweisen auf die Bedin- gungen fernab der gelehrten Welt übertragen wurden. Bacons Verdacht, daß außerhalb der gebahnten Wege nichts Aufzeichnenswertes zu finden sei, trifft für die Naturforscher im 18. Jahrhundert in keiner Weise mehr zu. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, das scheinbar wenig Bemerkenswerte ihrem umfassenden Interesse an der Natur dienstbar zu machen.

292 Ebenda, S. 111. 293 Ebenda, S. 144. 294 Ebenda. Gaben und Gegengaben 97 1.4 Gelehrte Briefwechsel

So unterschiedlich die jeweilige Situation des Sammlers und Naturforschers in den wissenschaftlichen Zentren und an ihren Peripherien immer auch gewesen sein mag: Es waren vor allem Briefe und Zeitschriften, die zu einer gemeinsamen Verständigung über Stadt- und Ländergrenzen hinweg beitrugen. Eine Kommu- nikation mit Hilfe dieser Medien leistete einerseits einer gemeinsamen Identität als Sammler und Naturforscher Vorschub, andererseits begünstigte sie den gegen- seitigen Austausch von Informationen. Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Bedeutung des Raums im Spannungsfeld zwischen Zentrum und Peripherie thematisiert wurde, soll nun auf die Techniken der Wissensvermittlung sowie die Bedingungen und Leistungen von gelehrter Kommunikation näher eingegangen werden. Der Austausch naturgeschichtlichen Wissens ist immer wieder durch den Ver- such gekennzeichnet, den Beitrag des einzelnen Sammlers und Forschers im Hin- blick auf eine übergeordnete Wissensverwaltung zu formalisieren und zu diszipli- nieren. So bemerkte Gottfried Wilhelm Leibniz im Jahr 1697: »Und wird sich finden daß man offt bey wichtigen gesprächen stecken bleiben und stillstehen müßen, weil man von der form abgewichen, gleichwie man einen zwirnsknaul zum gordischen Cnoten machen kan, wenn man ihn unordentlich auf- thut. Und muß ich hiebey meinen gedancken vom rechten gebrauch des förmlichen disputierens in etwas sezen«.295 Dieses regelhafte Sprechen unter Gelehrten war Ausdruck eines Wunsches, letzt- lich in Form einer universalen Wissenschaftssprache die Wissenschaft zu forma- lisieren und damit die Verständigung über Beobachtungen und Entdeckungen zu erleichtern. Das Ideal war, wie Leibniz weiter schreibt, von individuell bestimm- ten Faktoren wie »fertigkeit, beredsamkeit und spizfindigkeit, auch gunst und ansehen« zu abstrahieren und die Tatsachen selbst zu Wort kommen zu lassen.296 Seine Entsprechung fand dieses Ideal einer formalisierten Sprache der Wissen- schaft in der Organisation der Gelehrtenrepublik.297 Sie bildete den Rahmen, in- nerhalb dessen die Vernetzung der Naturgeschichte im Medium von Briefen,

295 Brief von Gottfried Wilhelm Leibniz an Gabriel Wagner (1697), in: Gottfried Wilhelm LEIBNIZ, Schriften zur Logik und zur philosophischen Grundlegung von Mathematik und Natur- wissenschaft, hrsg. von Herbert Herring, Frankfurt a. M. 1996, S. 12. 296 Ebenda, S. 13. 297 Siehe neben GOLDGAR, Learning, auch Dena GOODMAN, The Republic of Letters. A cul- tural history of the French Enlightenment, Ithaca/London 1994. Weitere Arbeiten zur Gelehr- tenrepublik und zum frühneuzeitlichen Briefverkehr stammen von Jan PAPY, Manus manum lavat. Die Briefkontakte zwischen Kaspar Schoppe und Justus Lipsius als Quellen für die Kenntnis der sozialen Verhältnisse in der Respublica Literaria, in: Zeitsprünge. Forschungen zur frühen Neuzeit 2 (1998), S. 276–297, und Andrea RUSNOCK, Correspondence Networks and the Royal Society, 1700–1750, in: British Journal for the History of Science 32 (1999), S. 155– 169. Als Repräsentanten der älteren Forschung sei auf Fritz SCHALK, Von Erasmus’ Res Publica Literaria zur Gelehrtenrepublik der Aufklärung, in: Ders., Studien zur französischen Aufklärung, Frankfurt a. M. 1977, S. 143–163, verwiesen. 98 Gemeinschaft

Aufsätzen und Büchern stattfand und in deren Mittelpunkt sich seit dem 17. Jahr- hundert – außerhalb der traditionellen Universitäten – wissenschaftliche Gesell- schaften und Akademien herausbildeten. Ziel war es, die Vielfalt der Natur in ihrer Gesamtheit deskriptiv und methodisch zu erfassen, eine Arbeit, die nur als ge- meinsame Anstrengung vieler Gelehrter begriffen werden konnte. In seiner Vorrede über den Nutzen der Mathematik und der Naturwissenschaften sucht Bernard Le Bovier de Fontenelle – seit 1699 ständiger Sekretär der Pariser Académie des Sciences – das Ziel der neuen Wissenschaften darin, »eine umfangreiche Sammlung von Beobachtungen und eindeutig nachgewiesenen Fakten anzulegen, die eines Tages die Grundlagen eines Systems sein können«.298 Dieses Sprechen aus dem Blickwinkel von Fakten und empirischer Beobach- tung war besonders im Bereich der Naturgeschichte verbreitet. Eine Position dieser Art vertritt Hans Sloane im Vorwort zum ersten Band seiner Naturge- schichte Jamaikas von 1707: »It may be asked me to what purposes serve such Accounts. I answer, that the knowledge of Natural History, being Observation of Matters of Fact, is more certain than most others, and in my slender Opinion, less subject to mistakes than Reasonings, Hypotheses, and Reductions are.«299 Das Sprechen über Fakten anstelle von Meinungen diszipliniert die Wissenschaf- ten und bewirkt – zumindest als Postulat – jenen empirisch fundierten Konsens, der für sie im 18. Jahrhundert typisch sein wird. Martin Gierl hat diese Ent- wicklung aus der Perspektive gelehrt-theologischen Streitens als eklektisch fun- dierte Wahrheitsverwaltung beschrieben, die die traditionellen Formen streitbaren Wahrheitsschutzes ersetzte. Dies trifft im weiteren Sinne auch auf die Kommuni- kationsformen innerhalb der Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts zu.300 Aber was aus der ideengeschichtlichen Vogelperspektive zunächst als zusam- menhängend erscheint, gestaltet sich bei näherer Betrachtung des Sammleralltags als vielgestaltig und vielfarbig. Im Rahmen der Gelehrtenrepublik war es notwen- dig, die Vielfalt der Beobachtungen zu organisieren und in einen kommunikativen Zusammenhang zu bringen. Als kollektiver, universaler Rahmen diente sie eben- so dazu, Öffentlichkeit herzustellen, als auch dazu, den Kreis derjenigen, die Zu- gang zu ihr hatten, einzugrenzen und nach bestimmten Regeln zu gestalten. Sie war auf der einen Seite ideale Berufungsinstanz für den wissenschaftlichen Fortschritt und blieb auf der anderen Seite von spezifischen und persönlichen Motivlagen einzelner bestimmt. Nationale und religiöse Vorurteile, persönliche Eifer- süchteleien und das Spiel gegenseitiger Verpflichtungen verhinderten in der Rea- lität den reibungslosen Austausch, den ihre Teilnehmer im Namen der Wissenschaft

298 Bernard Le Bovier de FONTENELLE, Vorrede über den Nutzen der Mathematik und der Naturwissenschaften (1699), in: Ders., Philosophische Neuigkeiten für Leute von Welt und für Gelehrte. Ausgewählte Schriften, hrsg. von Helga Bergmann, Leipzig 1991, S. 277–288, hier S. 287. 299 SLOANE, Voyage, Bd. 1, S. i (Preface). 300 Siehe GIERL, Pietismus. Gaben und Gegengaben 99 auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Auch die zunehmende Spezialisierung, wie sie sich in der Herausbildung verschiedenster, voneinander abgegrenzter natur- historischer Disziplinen findet, trug mit dazu bei, das traditionelle Bild einer ein- heitlichen Gelehrtenrepublik in Frage zu stellen.301 Die kommunikative Praxis der Gelehrtenrepublik und der sie tragenden Leitmedien Zeitschrift und Brief be- stand deshalb immer wieder darin, zwischen der Privatheit des Briefes und dem Anspruch auf öffentliche Wissensverwaltung zu vermitteln. Das wird im folgen- den näher auszuführen sein.

Korrespondenzen und Zeitschriften

Wissenschaftliche Korrespondenzen um 1700 waren in hohem Maße Teil einer öffentlichen Informationsverwaltung. In gleicher Weise waren sie oft Ausdruck persönlicher Bindungen der Gelehrten untereinander. In ihnen findet sich die Be- rufung auf Hierarchien, Verpflichtungen, Dienste und Freundschaften. Aber diese gleichsam privaten Faktoren waren immer wieder rückgebunden an den Appell an die Gemeinschaft der Gelehrten, die Gelehrtenrepublik. Auf den grundsätzlich objektiven, auf eine Öffentlichkeit bezogenen Charakter des brieflichen Verkehrs hat schon Georg Simmel aus der Perspektive der formalen Soziologie hingewiesen und diesen von der privaten Situation des Gesprächs abgegrenzt: »Es ist der Vor- zug und der Nachteil des Briefes, prinzipiell den reinen Sachgehalt unsres mo- mentanen Vorstellungslebens zu geben und das zu verschweigen, was man nicht sagen kann oder will.«302 Der Brief, so wäre Simmel an dieser Stelle zu folgen, unterliegt keiner wie immer gearteten Entwicklung zur Subjektivität hin. Es geht um Strukturmerkmale: Aus dieser Perspektive betrachtet, unterscheiden sich die subjektiven, romantischen Briefe um 1800 nicht viel von denjenigen der trocke- nen Empiriker des frühen 18. Jahrhunderts. Diese Objektivierung der Briefform wird unter anderem daran deutlich, daß mit den gelehrten Zeitschriften im Laufe des 17. Jahrhunderts eine Form ent- stand, die sich unmittelbar aus dem Briefverkehr entwickelte. So schreibt Anne Goldgar: »Literary journals simply codified and formalized such conversations and correspondences for wider distribution.«303 Zunächst in kleinen Kreisen zir-

301 Siehe DASTON, Ideal. Unter Rekurs auf die Leibnizsche Universalwissenschaft wurde dieser Prozeß auch als »disintegration of the Republic of Letters into distinct domains« gedeutet. Vgl. Leroy E. LOEMKER, Struggle for Synthesis. The Seventeenth Century Background of Leibniz’s Synthesis of Order, Cambridge/Mass. 1972, S. 50. 302 SIMMEL, Soziologie, S. 430. Siehe zum Brief allgemein: Georg STEINHAUSEN, Geschichte des deutschen Briefes, Bde. 1–2, Berlin 1889–1891, und Monika AMMERMANN, Gelehrten- Briefe des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, in: Bernhard FABIAN/Paul RAABE (Hrsg.), Gelehrte Bücher vom Humanismus bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1983, S. 81–95. 303 GOLDGAR, Learning, S. 57. Zu diesem Thema siehe auch A. H. LAEVEN, De ›Acta Erudi- torum‹ onder redactie van Otto Mencke. De geschiedenis van een internationaal Geleerdenperiodiek tussen 1682 en 1707, Amsterdam 1986, Françoise WAQUET, De la lettre érudite au périodique savant: les faux semblants d’une mutation intellectuelle, in: XVIIe Siècle 140 (1983), S. 47–359, Ralf BROER, Grenzüberschreitender wissenschaflicher Diskurs im Europa der Frühen Neuzeit. Der gelehrte Brief im 17. Jahrhundert, in: Wolfgang U. ECKART/Robert 100 Gemeinschaft kulierend, wurde der Briefverkehr in gedruckter Form einer breiteren Öffentlich- keit zugänglich gemacht. Dies zeigt etwa ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Philosophical Transactions, die seit 1664 von der Royal Society herausgegeben wurden. Ihr erster Herausgeber war der aus Bremen stammende Henry Oldenburg, der seit den fünfziger Jahren in London einen Zirkel von Gelehrten um sich versam- melte, von dem aus sich ein auf regelmäßigem Austausch von Briefen beruhendes dichtes Netzwerk wissenschaftlicher Kontakte entwickelte. Mit der offiziellen Gründung der Royal Society im Jahr 1662 fand dieser Kreis seine institutionelle Grundlage. Wenige Jahre später erschien dann der erste Band der Philosophical Transactions, in denen die frei zirkulierenden Beobachtungen, Entdeckungen und Theorien der Mitglieder zusammengefaßt und einer breiteren Öffentlichkeit zu- gänglich gemacht wurden. Mit Rekurs auf Bacons fast genau fünfzig Jahre zuvor veröffentlichtes Buch Advancement of Learning (1605) gab Oldenburg in seinem pro- grammatischen Vorwort zur neuen Zeitschrift der Vorstellung eines Wissensfort- schritts durch Sammlung von Beobachtungen und Informationen programmati- schen Ausdruck: »It is therefore thought fit to employ the Press, as the most proper way to gratifie those, whose engagement in such Studies, and delight in the Advancement of Learning and profitable Discoveries, doth entitle them to the knowledge of what this Kingdom, or other parts of the World, so, from time to time, afford, as well of the Progress of the Studies, Labors and attempts of the Curious and Learned in things of this kind, as of their complete Discovries and Performances«.304 Dieser Typus der enzyklopädischen Wissensverwaltung im Medium der Zeit- schrift setzte sich im Laufe des Jahrhunderts weiter durch. Einen ersten Höhe- punkt erlebte das Zeitschriftenwesen um 1700 in den Niederlanden. Im Zusam- menspiel von Buchhändlern, Verlegern und gelehrtem Journalismus entstanden im liberalen Klima der Metropole Amsterdam Publikationen, die es sich zur Auf- gabe gesetzt hatten, über Ereignisse, Themen und Neuerscheinungen innerhalb der Gelehrtenrepublik möglichst umfassend zu berichten. Die erste Zeitschrift dieses neuen Typs waren die unter der Regie von Pierre Bayle erstmals 1684 er- schienenen Nouvelles de la République des Lettres. Briefe und Zeitschriften gingen vor diesem Hintergrund eine enge Symbiose ein. Erstere erschienen zwar zunehmend zu Aufsätzen erweitert in gedruckter Form, behielten jedoch ihre Bedeutung als Basismedium der Gelehrtenrepublik. Das zeigt zunächst schon der rein quantitative Befund. Als Beispiele seien die

JÜTTE (Hrsg.), Das europäische Gesundheitssystem. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in historischer Perspektive, Stuttgart 1994, S. 107–121. 304 Zit. Marie BOAS-HALL, Oldenburg and the art of scientific communication, in: British Jour- nal of the History of Science 2 (1962), S. 277–290, hier S. 288 (Hervorhebung St. S.). Siehe zu Ol- denburg neuerdings auch Iordan AVRAMOV, »Merchants of Light«: The Correspondence of Hen- ry Oldenburg with his Fellow »Intelligencers«, 1641–1677, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrich- ten 27 (2000), S. 3–18, und Adrian JOHNS, Miscellaneous methods: authors, societies and journals in early modern England, in: British Journal of the History of Science 33 (2000), S. 159–186. Gaben und Gegengaben 101

Nachlässe von Leibniz (ca. 15 000 Briefe), John Locke (ca. 3 000) und Pierre Bayle (ca. 1 000) genannt.305 Einige der spezifischen Leistungen dieser Kommunikation mittels Briefen sollen im folgenden näher betrachtet werden. Briefe konnten anders als die Zeitschriften sprachliche Barrieren schneller über- winden, indem sie sich den jeweiligen Ansprüchen der Adressaten anpaßten.306 Das gilt besonders für die in den Korrespondenzen gewählte Sprache. Obwohl das Lateinische noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts die traditionelle Sprache der Gelehrsamkeit war, so zeigt doch ein näherer Blick auf den alltäglichen Austausch unter den Naturforschern, daß diese sich in ihrer Sprachwahl den jeweiligen Be- dingungen der Verständigung über Sprach- und Ländergrenzen flexibel anzupassen wußten. Nicht nur war die verwendete Sprache von Korrespondenz zu Kor- respondenz verschieden, auch innerhalb der Briefwechsel selbst stand etwa das Lateinische neben dem Englischen, Französischen und Deutschen. So begann der Amsterdamer Apotheker und Sammler Albert Seba seine Korrespondenz mit Sloane und der Royal Society mit zwei in französischer und holländischer Sprache abgefaßten Briefen, um auf diese Weise seinem Adressaten in London die Wahl der von ihm bevorzugten Sprache zu überlassen.307 Im dann folgenden Briefwechsel steht das Französische neben dem Deutschen, letzteres deshalb, weil Sloane über seinen Sekretär Johann Kaspar Scheuchzer in der glücklichen Lage war, sich die Briefe bei Bedarf übersetzen zu lassen. Nach Scheuchzers Tod werden einige dieser Briefe dann von der Royal Society vom Deutschen ins Eng- lische übersetzt und in die Letter Books, der offiziellen Dokumentation der Kor- respondenz auswärtiger Fellows, eingefügt.308 Demgegenüber waren die wissenschaftlichen Zeitschriften weit weniger in der Lage, diesen Anforderungen schneller Verständigung, Übersetzung und Anpas- sung an die Adressatensprache zu genügen. Grundsätzlich läßt sich jedoch fest- stellen, daß um 1700 immer mehr Zeitschriften sich vor allem in französischer Sprache an ein breites, gebildetes Publikum wandten, und sich die Herausgeber zuweilen sogar dezidiert gegen die Verwendung lateinischer Zitate aussprachen.309 Auch die großen wissenschaftlichen Zeitschriften wie etwa die Londoner Transac- tions oder das Pariser Journal des sçavans hatten schon seit der Mitte des 17. Jahrhun- derts vornehmlich Beiträge in der jeweiligen Landessprache veröffentlicht. Doch führte dies gerade bei den englischen Transactions zu Verständigungsproblemen. Der in Danzig lebende Jacob Theodor Klein, der auf Latein und Französisch pro- blemlos korrespondieren konnte, war darauf angewiesen, für die Lektüre der Philo- sophical Transactions die englische Sprache zu lernen.310 Der Frankfurter Arzt Georg

305 Siehe Marten ULTEE, The Republic of Letters: learned correspondence, 1680–1720, in: The Seventeenth Century 17 (1987), S. 95–112, hier S. 98. 306 Siehe WAQUET, Lettre, S. 357. 307 Siehe Seba an Sloane, Amsterdam, 2. Dezember 1723, BL, Sloane 4047, fol. 97r und fol. 98r. 308 Siehe Seba an Sloane, Amsterdam, Juli 1731, RS, Letter Book (Copy), Bd. 19, fol. 368v f. 309 Siehe GOLDGAR, Learning, S. 230 f. 310 »Quand vos Affaires permettront de me donner de vos nouvelles, je vous supplie, Mon- sieur, de m’ecrire en Langue Angloise, et j’espere, que pendant ce temps là, j’aurai bien rappris ce 102 Gemeinschaft

Kisner wünschte sich, der leichteren Verständlichkeit halber, eine Übersetzung der Transactions ins Lateinische, um so mehr, als er über die Titel einiger Aufsätze zuvor aus Zeitungen erfahren hatte.311 Ganz in diesem Sinne berichtete dann Philipp Henry Zollmann, der ab 1724 als Foreign Correspondent für die Royal Society in Paris tätig war, von einer französischen Fassung eines zuvor in den Transactions erschienenen Aufsatzes über Pockenimpfung für das Journal des sçavans.312 Zu Recht ist von Marten Ultee darauf verwiesen worden, daß die gelehrten Briefwechsel eine Art Gegenkultur zur wissenschaftlichen Institutionalisierung und Professionalisierung boten, die in zunehmendem Maße zwischen den universitär gebildeten Fachgelehrten und den übrigen Interessierten unterschied.313 So hatte es schon bald nach der Gründung der Royal Society Diskussionen darüber gege- ben, wie einer Zunahme von Amateuren in den Reihen der Mitglieder Einhalt ge- boten werden könnte, wobei die Meinungen über eine sinnvolle Beschränkung allerdings auseinandergingen, da die Gesellschaft als private Unternehmung auf die finanzielle Unterstützung durch Mitgliedsbeiträge angewiesen war.314 Jenseits dieser fachlich motivierten Abgrenzungen zwischen Amateuren und Professionellen boten die Korrespondenzen eine Art gemeinsamen Nenner, auf den sich die einzelnen Teilnehmer, zunächst unabhängig von gesellschaftlicher Stellung und wissenschaftlichem Ansehen, berufen konnten. Auch die Beobach- tung eines Laien war der genaueren Betrachtung durch die Experten wert.

Die Rhetorik der Gemeinsamkeit In diesem Sinne wurden die Beiträge zur Naturwissenschaft immer wieder durch eine Art egalisierende Rhetorik flankiert. Man war in den Korrespondenzen bis zu einem gewissen Grade unter sich und konnte im persönlichen Austausch zu- nächst den Stellenwert seines Beitrags ermitteln, ohne sich gleich im Medium Zeitschrift an die breitere Öffentlichkeit zu wenden.315 So berief sich der Samm- ler Albert Seba gegenüber Sloane zunächst auf das hohe Ansehen, das dieser in der Gelehrtenrepublik genoß, verwies aber im Anschluß daran auch auf das bei-

que j’avois oublie de cette belle langue, laquelle je pratique pour l’amour des Philosophical Trans- actions abridgd, que je me fis venir expres. Ainsi je vous répondre, en meme style«. Klein an Sherard, Danzig, 19. Februar 1724, RS, Sherard Correspondence 255, Nr. 587. 311 »Wie auch daß die Transactiones in das lateinische solten übersetzt werden: beyliegende titulen einiger engl. tractat. habe ebenmäßig in dieser Zeitung gelesen, wenn in solchen etwas gutes, so der mühe werth zu wißen, will nach der guten urtheil mir einige ausbitten.« Kisner an Johann Kaspar Scheuchzer, Frankfurt a. M., 8. September 1728, BL, Sloane 4050, 3r. 312 Siehe Philipp Henry Zollmann an James Jurin, Paris, 11. Juli 1724, RS, Letter Book (Co- py), Bd. 18, S. 116. 313 Siehe ULTEE, Letters, S. 97. 314 Siehe HUNTER/WOOD, Solomon’s House, S. 57. 315 Zu dieser Praxis siehe Saskia STEGEMANN, How to set up a scholarly correspondence. Theodorus Janssonius van Almeloveen (1657–1712) aspires to membership of the Republic of Letters, in: Lias 20 (1993), S. 227–242. Stegemann verwendet hier den treffenden Ausdruck »Letters of self introduction«, siehe ebenda, S. 241. Gaben und Gegengaben 103 den gemeinsame Sammlerinteresse.316 Gegenüber dem Londoner Großsammler und Sekretär der Royal Society hatte Seba damit den richtigen Ton angeschlagen. Sloane hob in seinem Antwortbrief ebenfalls die Sammlerinteressen und in wei- terem Sinne die gemeinsamen Mühen hervor, den Werken Gottes in der Natur auf die Spur zu kommen.317 Für die Briefwechsel in der Gelehrtenrepublik war es notwendig, sich auf diesen gemeinsamen Nenner – eben jenes Forschen und Sammeln – gleichsam im Wechselspiel zu adjustieren. Der Rekurs auf bisher erbrachte wissenschaftliche Leistungen und die Positio- nierung innerhalb von Forschungsdebatten spielte bei ersten Kontakten dieser Art ebenfalls eine wichtige Rolle. Dies zeigt ein Brief des in Neuchâtel beheimateten Laurent Garcin, der sich 1747 an Mendes da Costa wandte. Zwar kenne er ihn we- der persönlich noch sein Werk, schrieb Garcin, doch sei sein wissenschaftlicher Ruf aus London schon bis in die ferne Schweiz gedrungen. Garcin zeigte sich zu- dem mit den wissenschaftlichen Debatten im Umfeld der Systeme der englischen Forscher Woodward und Burnet durchaus vertraut, stand ihnen jedoch kritisch bis ablehnend gegenüber. Ein Hinweis darauf konnte jedoch nicht schaden, war es doch zu dieser Zeit höchst unwahrscheinlich, einen vorbehaltlosen Bewunderer Woodwards oder Burnets unter den englischen Fossilienforschern und -sammlern zu finden. Auch der Verweis auf gelehrte Kontakte und Mitgliedschaften fehlte nicht: Er sei Mitglied der Royal Society und der Académie Royale des Sciences de Paris und korrespondiere darüber hinaus mit dem französischen Naturforscher Réaumur.318 Aber trotz all dieser Bemühungen, seine Leistungen im rechten Licht erscheinen zu lassen, hat Mendes da Costa auf diesen Brief nicht reagiert. Über die Gründe hierzu lassen sich nur Vermutungen anstellen. Möglicherweise versprach sich Mendes da Costa – der sich zu diesem Zeitpunkt eifrig bemühte, eine um- fangreiche Sammlung an Mineralien und Fossilien aufzubauen – von einem neuen Schweizer Korrespondenten keine große Ausbeute an neuen Stücken. Auffällig sind überhaupt seine im Vergleich zu Deutschland recht spärlichen Kontakte in die Schweiz und nach Frankreich (Karte 2, oben S. 50). Aber vielleicht haben ihn auch die mit dem Briefverkehr verbundenen Kosten abgeschreckt. Mit Blick auf die ausgedehnten Korrespondentennetzwerke wundert man sich, wie es für viele Sammler und Naturforscher möglich war, diese aufzubringen. Gewiß: Oft waren

316 »Je vous prie de vouloir bien m’excuser, de ce que j’ay pris la liberté de vous addresser les presentes: La hauterenommée, que vous avez acquis parmy toutes sortes de personnes, la grande quantité de curiositez naturelles, que vous avez en possession, mais principalement aussi l’accueil favorable, que vous avez coutume de faire à tout le monde, m’ont fait plus d’une fois prendre la resolution, si mes affaires ne m’en avoient pas empecher d’aller faire un tour a Londres pour voir une collection, que (sans encore flatterie) on peut bien appeller admirable.« Seba an Sloane, Amsterdam, 2. Dezember 1723, BL, Sloane 4047, fol. 97r. Eine Reise Sebas nach London kam letztlich doch nicht zustande. 317 Siehe ebenda, fol. 97v. 318 Siehe Garcin an Mendes da Costa, Neufchâtel en Suisse, 30. Juli 1749, BL, Add. 28.537, fol. 221r. Zur Person Garcins (ca. 1683–ca. 1752), der auch mit Sloane korrespondierte, siehe St. LE TOURNEUR, Garcin, in: Dictionnaire de Biographie francaise, Bd. 15, Paris 1982, Sp. 387. Zu den Debatten über die Entstehung der Fossilien siehe unten, S. 306–318. 104 Gemeinschaft reisende Kaufleute, Schiffsführer oder Freunde bereit, Briefe zu überbringen. Doch bemerkt Breyne, der in der glücklichen Lage war, von den guten Handels- verbindungen Danzigs zu profitieren, an einer Stelle, daß er den Briefverkehr mit seinen italienischen Freunden der Kosten und Umstände wegen aufgegeben habe.319 Korrespondenzen dienten vor allem dazu, das System gegenseitiger Verpflich- tungen aufrechtzuerhalten und weiterzuführen. So schrieb der Hannoveraner Apo- theker Johann Reinhart Andreae an Mendes da Costa, daß eine gegenseitige Kor- respondenz nicht nur für den Erwerb neuer Sammlungsstücke nützlich sei, son- dern darüber hinaus auch jeder der Teilnehmer Neues aus der aktuellen Literatur und den Zeitschriften des jeweiligen Landes erfahren könne.320 Seinerseits lobt Mendes da Costa dann einen weiteren Korrespondenten, es handelt sich um Jo- hann Ambrosius Beurer in Nürnberg, gegenüber George Denis Ehret, dem dama- ligen Leiter des botanischen Gartens in Oxford, der Beurer empfohlen hatte. Die Begeisterung des Londoner Sammlers entzündete sich vor allem an einer Sendung von 51 Fossilien und 48 Mineralien, die Beuer ihm zuvor geschenkt hatte und für die er sich so bald wie möglich revanchieren wollte.321 Auf ähnliche Weise dankte Sloane seinem Danziger Korrespondenten Johann Philipp Breyne ausführlich für als Geschenk übersandte Fossilien und sah sich tief in dessen Schuld.322 Doch dieser Dank beruhte auf Gegenseitigkeit. Bei Gelegenheit einer Büchersendung aus London erhielt Breyne nicht nur neue wissenschaftliche Literatur und neue Ausgaben der Transactions, sondern auch Pakete mit Pflanzensamen.323 Auf eine fünfundvierzigjährige Bekanntschaft zurückblickend, konnte Breyne an Sloane schreiben: »Give me leave to write me more to You and to pay You my very humble Respects and Thanks givings for ye honour of Your Friendship and Corre- spondence You have blessed me with for forty five Years together and for ye many favours and most valuable Presents You have been pleased to bestow upon me.«324 Aber nicht immer lief das Zusammenspiel derart reibungslos wie im Verhältnis von Sloane zu Breyne. Die Einbindung der Korrespondenzpartner in institutio- nelle Verpflichtungen konnte den Austausch von Informationen auch behindern. Seit 1732 stand Johann Amman mit Sloane und Breyne in brieflichem Kontakt. Thema seiner Briefe waren vor allem die noch weithin unbekannte Fauna und

319 »But I left the Correspondence trans Alpes, because the difficulty and charge«. Breyne an Sherard, Danzig, 10. Dezember 1717, RS, Sherard Correspondence 252, fol. 86r. 320 Siehe Mendes da Costa an Andreae, London, 17. November 1747, BL, Add. 28.534, fol. 37r. 321 Siehe Mendes da Costa an Ehret, London, 21. Juli 1748, BL, Add. 35.230, fol. 10r. 322 Siehe Sloane an Breyne, London, 31. Dezember 1717, Gotha, Chart. B 789, fol. 615r. 323 »I receaved with much Joy, Juny last, Blairs Decades and Quincy’s Dissertation, with some Philosophical Transactions and ye Parcel of Seeds, You was pleased to send me.« Breyne an Sloane, Danzig, 23. Oktober 1728 (Abschrift), Gotha, Chart. A 877, fol. 25r. 324 Breyne an Sloane, Danzig, 12. November 1747 (Abschrift), Gotha, Chart. A 873, fol. 3v. Gaben und Gegengaben 105 Flora Sibiriens sowie die kurz nach seinem Eintreffen in Petersburg ausgesandte große Sibirienexpedition. Schon 1735 berichtete er an Sloane, daß die Reisenden in Irkutsk angekommen seien und sich daran machten, den Fluß Lena weiter zu erkunden.325 Fast zur gleichen Zeit jedoch teilte er Breyne in Danzig Näheres über die von der Petersburger Akademie ausgehenden Zensurmaßnahmen mit. Schon vor einer Weile habe der Präsident der Akademie befohlen, daß die ge- samte auswärtige Korrespondenz über seinen Tisch zu laufen habe. Amman, an den Breyne zuvor mit der Bitte um einige Naturalien aus Sibirien herangetreten war, konnte nichts Besseres raten, als daß sich Breyne in dieser Angelegenheit di- rekt an den Präsidenten wende.326 Vor diesem Hintergrund wird der Unwille Ammans gegenüber Sloane verständlich, der Briefe aus Petersburg in der Royal Society vorgestellt hatte. Ammans Absicht sei nie gewesen, schon fertig ausge- führte Arbeiten den Londoner Fellows zu kommunizieren.327 Der Grund für diese restriktive Informationspolitik war vor allem politischer Natur. Die russische Regierung war daran interessiert, andere Länder möglichst lange über das wirkliche Ausmaß der sibirischen Entdeckungen und einer damit verbundenen russischen Machtbasis im unklaren zu lassen.328 In der Petersburger Akademie setzte sich damit eine Haltung durch, die nationalen Aspekten in den Wissenschaften immer mehr Platz einräumte und für die sich Vorläufer im Zusammenhang von Prioritätsstreitigkeiten schon im 17. Jahrhundert finden las- sen. Entscheidend ist dabei nicht, wie man vermuten könnte, der Konflikt des einzelnen Wissenschaftlers mit einer Institution, die seine Ergebnisse für sich selbst beansprucht, sondern die von dieser Institution verletzten ›Normen‹ freien wissenschaftlichen Austauschs.329 Denn das Mißtrauen des Staates gegenüber einer frei kommunizierenden Gelehrtenrepublik war allgegenwärtig. Im Jahr 1667, fünf Jahre nach der Gründung der Royal Society, wurde deren Sekretär Henry Oldenburg unter dem Verdacht auswärtiger Spionage in den Tower ge- worfen.330

325 Siehe Amman an Sloane, Petersburg, 12. April 1735, BL, Sloane 4054, fol. 33r. 326 Siehe Amman an Breyne, Petersburg, 3. Mai 1735, Gotha, Chart. B 785, fol.14r. 327 »My intention in writing to You has never been that such digested Stuff should be com- municated to the Royal Society.« Amman an Sloane, Petersburg, 2. März 1736, BL, Sloane 4054, fol. 188r. 328 Zu diesem Aspekt Gert ROBEL, Die Sibirienexpeditionen und das deutsche Rußlandbild im 18. Jahrhundert. Bemerkungen zur Rezeption von Forschungsergebnissen, in: Erik AMBUR- GER (Hrsg.), Wissenschaftspolitik in Mittel- und Osteuropa, Berlin 1976, S. 271–294, hier S. 275, sowie Martin STUBER, Forschungsreisen im Studierzimmer. Zur Rezeption der großen Nordischen Expedition 1733–1743 bei Albrecht von Haller und Samuel Engel, in: Gesnerus 57 (2000), S. 168–181. 329 Siehe Robert K. MERTON, Prioritätsstreitigkeiten in der Wissenschaft, in: Ders., Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen. Aufsätze zur Wissenschaftssoziologie, mit einer Einleitung von Nico Stehr, Frankfurt a. M. 1985, S. 258–300, hier S. 265 f. 330 Siehe dazu den Tagebucheintrag John Evelyns vom 8. August 1667: »Visited Mr. Olden- burg, a close prisoner in the Tower, being suspected of writing intelligence«. The Diary of John Evelyn, hrsg. von William Bray, Bde. 1–2, London 1952, Bd. 2, S. 29. 106 Gemeinschaft Aber ebenso waren die Wissenschaftler daran interessiert, neue Entdeckungen für sich selbst zu verwerten. Akademien mit ihrer meist beschränkten Anzahl von Mitgliedern entwickelten in dieser Hinsicht zuweilen einen nach außen iso- lierenden nationalen Separatismus, der im Widerspruch zu der mehr offenen Struktur der Sozietäten und kleineren Gesellschaften stand. Diese restriktive Strategie hatte der Forschungsreisende Daniel Gottlieb Messerschmidt nach der Rückkehr von seiner Sibirienreise am eigenen Leib erfahren müssen. Er wurde nicht nur gezwungen, sein gesammeltes Material der Akademie zu übergeben, sondern auch verpflichtet, die kommenden Jahre nichts über seine Reise nach außen dringen zu lassen.331 Ironischerweise gehörte gerade Amman als Akademie- mitglied zu denjenigen, die von dieser Politik später profitierten: Einige Jahre nach Messerschmidts Tod wurde das Reisejournal von ihm ausgewertet. Amman plante, das Material in Form von Aufsätzen in der Akademiezeitschrift, den Com- mentarii, zu veröffentlichen.332 Aus dieser Erwartung heraus hielt es Amman nicht für nötig, Stellen aus dem Tagebuch, wie von Sloane gewünscht, zu kopieren: »I think it not be worth while to have them copied for You, since I have begun to draw out of them ye most remarquables observations, in order to publish them by degrees.«333 Im Interesse eigener wissenschaftlicher Profilierung vertraute er hier lieber auf den offiziellen Weg über die Akademiezeitschrift. Natürlich handelte es sich im Falle der botanischen Erträge der Sibirienreisen nicht um Material, das unter politischen und militärischen Aspekten als besonders heikel gelten konnte. Die Geheimniskrämerei der russischen Zensoren zielte vor allem auf neue geographische Erkenntnisse und Informationen über noch zu er- schließende Bodenschätze. Aber die Verbreitung allgemein naturkundlichen Wis- sens wurde durch die Haltung der Akademie empfindlich behindert. Dies wirft ein Licht auf die interne Organisation der Akademien, die mit ihren Archiven, Bi- bliotheken und Sammlungen durchaus als durchrationalisierte Betriebe erschei- nen, die das in ihnen akkumulierte Wissen nicht nur verteilten und zugänglich machten, sondern eben auch kontrollierten. Das gilt sogar schon für die gegen- über Petersburg weit transparenter organisierte Royal Society, deren Schriftverkehr in umfangreichen sogenannten Letter Books in Abschriften aufbewahrt wurde. Eingehende Aufsätze und Briefe fanden hier ebenso ihren Platz wie Anfragen und Informationen allgemeiner Art. Auch die wöchentlichen Meetings mit ihren Dis- kussionen wurden in Journal Books dokumentiert. Beide Reihen wurden schon un- mittelbar nach der Gründung 1662 in Auftrag gegeben.334 Die Petersburger Aka- demie verfügte ebenfalls über ein Archiv, in dem unter anderem die eingehenden Briefe für die Mitglieder einsehbar waren. So wurde etwa Georg Wilhelm Steller, der 1738 der Kamčatka-Expedition nachreiste, für diese Aufgabe durch das Stu-

331 Siehe das Vorwort von Eduard WINTER und N. A. FIGUROVSKIJ, in: MESSERSCHMIDT, Forschungsreise, Bd. 1, S. 13. 332 Siehe Amman an Sloane, Petersburg, 3. Juni 1738, BL, Sloane 4055, fol. 339r. 333 Amman an Sloane, Petersburg, 20. Januar 1739, BL, Sloane 4056, fol. 28r. 334 Siehe Marie BOAS-HALL, The Library and Archives of the Royal Society 1660–1990, Lon- don 1992. Gaben und Gegengaben 107 dium der sogenannten Acta Kamtschatkinensium, der im Archiv niedergelegten Be- richte vorausgegangener Reisen, regelrecht geschult.335 Die Forscher waren in eine Verwaltung eingebunden, die den Zugriff auf das Wissen reglementierte: »Hr. Bibl. Schumacher erinnert, dass die Catalogi von den Sachen, welche die Pro- fessores auf der Reise nach Kamtschatka theils an Mineralien theils anderen Cu- riositäten colligiret und hergeschickt, ex Actis extrahiret und ihm zugestellet wer- den möchten«.336 Mit diesem formalisierten Zugriff auf die ›Datenbanken‹ kontrastierte die offene und zuweilen subversive Form persönlicher Briefwechsel, bei denen es auf das gegenseitige Vertrauen der Forscher ankam, das hier mitgeteilte Wissen nicht an Dritte weiterzuleiten. Dies mußte etwa der Petersburger Mathematikprofessor Leonhard Euler erfahren, als er 1746 seinem Korrespondenten Wettstein in London unvorsichtigerweise Auskunft über einige Ergebnisse einer Kamčatka- Expedition gab, von denen er über Akademiekollegen erfahren hatte. Eulers Infor- mationen erschienen kurz darauf in den Philosophical Transactions und erregten im Westen großes Aufsehen. Es war nur der Nachlässigkeit der Akademieleitung zu verdanken, daß dieser Vorfall für Euler kein Nachspiel hatte.337

›A great many anecdotes‹: gedruckte Korrespondenzen Der Briefwechsel verlieh dem einzelnen Gelehrten eine unmittelbar vernehmbare Stimme innerhalb der Gelehrtenrepublik.338 Das traf auch für die Briefe zu, die sich in den Nachlässen längst verstorbener Naturforscher fanden und als Dokumente von einigem Wert aufgehoben oder gelegentlich veröffentlicht wur- den. Von der Lektüre der gedruckten Korrespondenz von John Ray schlug Men- des da Costa vom 17. Jahrhundert die Brücke zu seiner eigenen Situation als Naturforscher: »Litterary Corrrespondences are what I think most promote the sciences and I look on the Octavo volume of our Celebrated Mr. Ray’s Philosophical Letters (publish’d by Mr. Derham) to be a proof how valuable such establish’d phil- osophical Correspondences are. I have ever made it my Maxim to obtain them and now with Ecstasy. I inform you I have a correspondence with numbers of the Learned in the various Countries of Europe and receive the greatest improvement & pleasure from them as well as the choicest specimens.«339 So war schon für die Zeitgenossen der historische und dokumentarische Wert die- ser Briefe evident. Aber nicht nur die jeweiligen wissenschaftlichen Entdeckun- gen spielten hier eine Rolle – wie etwa im erwähnten Falle Rays Beitrag zur Pflan-

335 Siehe Procès-Verbaux, S. 162 (Eintrag vom 2. September 1737). 336 Ebenda, S. 363 (Eintrag vom 1. März 1737). 337 Siehe WENDLAND, Expedition, S. 370. 338 Siehe Georg STEINHAUSEN, Geschichte des deutschen Briefes, Bde. 1–2, Berlin 1889– 1891, hier Bd. 1, S. 175, und AMMERMANN, Gelehrten-Briefe, S. 85. 339 Mendes da Costa an John Green, London, 8. Dezember 1748, BL, Add. 28.537, fol. 323r. 108 Gemeinschaft zensystematik und seine physikotheologischen Überlegungen zur Erdgeschich- te –, sondern auch die durch sie vermittelte Persönlichkeit des Naturforschers. Briefsammlungen wirkten auf diese Weise als Vorbild für die nachfolgenden Ge- nerationen von Forschern und trugen so nicht unerheblich dazu bei, eine ihnen gemeinsame Identität zu vermitteln. Der weitere Umgang Mendes da Costas mit der Ray-Korrespondenz macht dies einmal mehr deutlich. Dreizehn Jahre nach dem Tod des Naturforschers hatte William Derham 1718 eine Auswahl seiner Briefe herausgegeben, in der der Wis- senschaftler Ray, und nicht persönliche Informationen über ihn, im Vordergrund stand. Nach dem Tode Derhams kamen die Briefe und Papiere 1735 in den Besitz von George Scott, der 1760 in seinem Buch Select Remains of John Ray weitere Fa- cetten zur dessen Biographie liefern sollte.340 Gleichzeitig interessierte sich Men- des da Costa für die Korrespondenz Rays. So hatte er 1757 von dem Botaniker Thomas Knowlton ein dreibändiges Konvolut mit Briefen englischer Naturfor- scher, die zur vorhergehenden Generation gehört hatten, erhalten. Knowlton, der mit vielen der älteren Mitglieder der Royal Society noch persönlich bekannt gewesen war, hatte die Papiere sorgfältig aufbewahrt und zusammengebunden. Edward Wright, Arzt und Naturforscher in Edinburgh, schlug nun Mendes da Costa vor, auf der Basis dieser Sammlung ein Supplement zur Derhamschen Ausgabe herauszugeben. Er bat ihn, die Briefe sorgfältig durchzusehen und nicht nur Briefe von Ray selbst auszuwählen, sondern auch auf die Stellen zu achten, wo der Forscher von anderen erwähnt worden sei. Ziel war, die Tätigkeit und Persönlichkeit Rays den zeitgenössischen Lesern so umfassend wie möglich vor Augen zu führen.341 Weiterhin regte er an, nach weiteren Briefen im Besitz Lon- doner Sammler und Naturforscher zu fahnden, um auf diese Weise Ray in den Kontext naturhistorischer Aktivitäten im 17. Jahrhundert zu stellen. Das Projekt scheint jedoch im Sande verlaufen zu sein, nicht zuletzt wohl deshalb, weil noch im gleichen Jahr die schon erwähnte Ausgabe Scotts erschien. Dennoch war allein die Lektüre dieser Briefe aus dem vergangenen Jahrhundert für Mendes da Costa höchst interessant. An Wright schreibt er, daß ihm längst vergangene For- schungskontroversen wieder lebendig vor Augen gestanden hätten und in vielen Briefen Informationen – »a great many anecdotes« – über die Welt der alten Sammler und Virtuosi zu finden gewesen wären.342 Die Vervollständigung der Ray-Korrespondenz diente somit nicht allein dazu, im engeren biographischen Sinn ein möglichst umfassendes Bild des berühmten Naturforschers zu vermit- teln, sondern auch im weiteren historischen Blick auf die eigene Disziplin ›Na- turforschung‹ deren Geschichte deutlich werden zu lassen.

340 Siehe zu den Ausgaben RAVEN, Ray, S. xiii. Raven bemerkt, daß Derhams Ausgabe auf je- de Art biographischer Details verzichtet. 341 Siehe Wright an Mendes da Costa, Kersy, 9. August 1760, BL, Add. 28.544, fol. 291r. 342 »I have been employed for some time in the perusal of your volume of Letters, wherein I find a great many anecdotes relating to the virtuosi of the last century, and a great deal against poor Woodward.« Mendes da Costa an Wright, London, 18. Oktober 1757, BL, Add. 28.544, fol. 231v. Gaben und Gegengaben 109 In diesen Briefsammlungen und ihrer Bearbeitung zum Druck zeigt sich dar- über hinaus das Bedürfnis, Briefe nicht allein als Medium der Kommunikation von Informationen zum Wissensfortschritt zu sehen. Sie wurden gleichzeitig – aus der historischen Distanz – als Spiegel zeitgenössischer wissenschaftlicher Kontroversen begriffen. Eine in diesem Sinne engere Bedeutung erlangte Mendes da Costas Briefsammlung, als in den 1740er Jahren der neue Kurator des Ash- molean Museums in Oxford, William Huddesford, damit begann, die Sammlungen seines Vorgängers Edward Lhwyd neu zu ordnen und in diesem Zusammenhang eine Neuausgabe von dessen 1699 in kleiner Auflage erschienener Fossilienkunde mit dem Titel Lithophylacii Britannici Ichnographia zu veranstalten.343 In einem Anhang zu dieser Neuauflage wollte er eine Reihe von Briefen und Anekdoten aus dem Leben Lhwyds abdrucken, womit er das längst vergriffene und einen überholten Stand der Forschung repräsentierende Buch aufzuwerten versuchte. Mendes da Costa nahm von Beginn an starken Anteil an diesem Buchprojekt, das ihn nicht zuletzt in seiner Eigenschaft als Fossilienforscher interessierte. Seit langem schon, schreibt er an Huddesford, sei die geringe Auflage des Buches von 120 Exemplaren verkauft und in den Bibliotheken kaum noch präsent.344 Ein Jahr vor Erscheinen der Neuauflage im Jahr 1760 erhielt Mendes da Costa dann eine Anfrage aus Oxford wegen des Knowlton-Konvoluts und möglicherweise darin enthaltener Hinweise auf Lhwyd.345 Es gelang Mendes da Costa, die geforderten Briefe von und über Lhwyd über seinen Kontakt zu Knowlton recht schnell zu beschaffen. Zudem konnte er aus eigenem Besitz einige Briefe und Anekdoten des großen Fossilienforschers beisteuern.346 In dieser historisierenden Perspektive und im Zusammenhang naturgeschicht- licher Publikationen wurden Briefe nun endgültig einer weiteren wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Praxis des Umgangs mit Briefen zu Lebzeiten ging über einen privaten Rahmen des Austauschs hinaus. Sie zirkulierten nicht nur zwischen Adressat und Absender, sondern auch in wei- teren Kreisen. Parallel zu einer primär privaten Zirkulation findet sich ein Bereich sekundärer Zirkulation und Verwertung. Ein weiterer Hinweis darauf ist etwa der Umgang mit den Adressen. So erhielt Mendes da Costa von dem mit ihm befreundeten Naturaliensammler Isaac Romilly ein Verzeichnis seiner Korre- spondenten, das er kopierte, offenbar um sich auf diese Weise einen Bestand wichtiger Adressen anzulegen. Im Gegenzug schickte Mendes da Costa seine

343 Siehe MACGREGOR/TURNER, Ashmolean, S. 653 f. 344 Siehe Mendes da Costa an Huddesford, London, 20. Juli 1758, Bodl., Ashmole 1822, fol. 93r. 345 Siehe Huddesford an Mendes da Costa, Oxford, 28. Juli 1759, BL, Add. 28.538, fol. 200r. 346 Siehe Mendes da Costa an Huddesford, London, 20. Dezember 1759, Bodl., Ashmole 1822, fol. 51r. Über ein zweibändiges Konvolut mit ca. 500 Briefen englischer Naturforscher im Besitz Mendes da Costas berichtet WHITEHEAD, Da Costa, S. 9 f. Diese Briefe wurden 1767 zur Begleichung umfangreicher Schulden an John Fothergill verkauft, der sie wiederum zwei Jahre später an Huddesford und das Ashmolean verkaufte. Siehe MACGREGOR/TURNER, Ashmolean, S. 654 (Anm. 3). 110 Gemeinschaft eigenen Korrespondenzbücher an Romilly.347 Auch Johann Philipp Breyne in Danzig fragte bei seinem Nachbarn Jacob Theodor Klein an, ob er sich einen Brief des Botanikers Dillenius aus London ausleihen dürfe, um daraus »nur den tag und ahrt des todes Hgel: Heern Scherands notiren [zu] können«.348 Für den korrespondierenden Naturforscher galt es, die Übersicht zu bewahren: Einge- hende und ausgehende Briefe wurden sorgfältig aufbewahrt, Register angelegt und Abschriften angefertigt. Die Aufarbeitung und Archivierung vergangener Wissensbestände im Medium Brief trug insgesamt zu einer jeweils eigenen Identität als Naturforscher bei. Man wußte etwa um die Bedeutung Rays und der mit seinem Namen verbundenen Forschungsdebatten, wenngleich sie aus der Rückschau durch das in der Zwi- schenzeit angesammelte Wissen überholt erscheinen mochten. Die Disziplin Naturgeschichte hatte ihre eigenen Traditionen und ›Helden‹, auf die bei Bedarf immer wieder zurückgegriffen werden konnte. Sie dienten auf diese Weise einer Positionierung des eigenen Forschens innerhalb einer Fortschrittsgeschichte der Wissenschaften.

1.5 Gaben und Gegengaben

Die Gestaltung wissenschaftlicher Kommunikation innerhalb der Sphären pri- märer und sekundärer Zirkulation von Briefen sowie im Rahmen privater und institutioneller Interessen findet sich besonders in den für die Gelehrtenrepublik typischen Praktiken von Gabe und Gegengabe. So verglich Mendes da Costa die Bedeutung von Geschenken unter Gelehrten mit denjenigen von Fürsten und Botschaftern in der Welt der großen Politik seiner Zeit.349 Aus der Sicht des Anthropologen versucht Marcel Mauss das Phänomen der Gabe als wesentlichen Bestandteil zur Reproduktion und Verstärkung sozialer Bindungen zu deuten.350 Für ihn sind Gaben damit aus den ökonomischen Kreisläufen herausgehoben und Bestandteil vorindustrieller, archaischer Gesellschaften. Von Pierre Bourdieu

347 »Inclosed I return you with many thanks your lists of Correspondents I have copied it & noted it in my correspondence Books; I too comply with some part of my promise herwith send you three of my manuscript books to peruse […] or make what use you please of any thing contained therein.« Mendes da Costa an Romilly, London, 24. Dezember 1756, BL, Add. 28.542, fol. 6v. Über die ›Techniken‹ dieser privaten Briefverwaltung erfahren wir einiges aus der Überschrift, unter der Mendes da Costa seine Korrespondenz ordnete: »Philosphical Correspondence of Letters I recieved & wrote on Litterary Subjects in a Chronological Order beginning 1745 till the present time in 11 large folio volumes of Strong blue papers on which the originals are pin’d (not pasted) & uniformly bound«. Mendes Da Costa: Catalogue of the Library 1781, BL, Add. 9389, fol. 28r. 348 Klein an Breyne, Danzig, o. D., Gotha, Chart. B 789, fol. 70r. 349 Siehe Mendes da Costa an Cromwell Mortimer, Venlo, 1. Mai 1748, BL, Add. 28.540, fol. 31r. 350 Dazu Marcel MAUSS, The Gift. Forms and Functions of Exchange in Archaic Societies, London 1954 (frz. 1950). Gaben und Gegengaben 111 wurden diese Überlegungen dann weitergeführt, wobei er im Gegensatz zu Mauss besonders darauf hinweist, daß die Rationalität ökonomischer Austauschprozesse in erheblichem Maße in der Verschleierung eben dieser Rationalität besteht.351 Materielle Güter sind in symbolische Bedeutungen eingebunden. Das Spiel des gegenseitigen Nehmens und Gebens ist immer auch das einer Verwandlung materieller in symbolische Güter. Objekte sind somit nicht allein von ihrem Gebrauchswert bestimmt, sondern an sie knüpfen sich Begriffe wie etwa Ehre, Prestige oder der persönliche Ruf des Gebenden und des Empfangenden. Daß Gaben jedoch nicht in jedem Fall durch die Rationalität gegenseitiger Aus- tauschprozesse bestimmt sind, führt Jean Starobinski im Hinblick auf eine von ihm näher untersuchte Psychologie der Gabe aus: »Aber die ökonomische Per- spektive bliebe unzureichend, wenn sie nicht um eine Betrachtung der in jedem Augenblick durch die Gabe implizierten Gefühlszustände und Glaubenshaltun- gen ergänzt würde.«352 In der frühneuzeitlichen Praxis des Austauschs wechselt der Modus der Gabe zudem ständig mit dem Modus des Kaufens, wie Natalie Zemon Davis an Beispielen aus dem Frankreich des 16. Jahrhunderts ausführt.353 Ob nun aus Affekt oder wohlbedachter Strategie resultierend: Die Gabe liegt immer an der Grenze zu den Kreisläufen des Geld- und Warenverkehrs, die sie jedoch gleichzeitig, im Sinne eines Gegenmodells des Austauschs, zu negieren versucht. Dieses Spiel gegenseitigen Nehmens und Gebens spielte besonders im Kontext naturgeschichtlicher Sammlungen eine wichtige Rolle. Nicht immer waren die vom Sammler begehrten Objekte durch eigene Exkursionen oder in seinem un- mittelbaren Umfeld durch befreundete Sammler zu beschaffen. Betrachtet man die Gelehrtenrepublik aus der Perspektive naturgeschichtlicher Sammlungen, so waren es vor allem die naturgeschichtlichen Objekte, deren Verfügbarkeit im all- täglichen Austausch den Zusammenhalt verstärkte.354 Grundsätzlich hat Paula Findlen auf die Rolle von Gaben in den frühneuzeitlichen Kommunikationspro- zessen hingewiesen: »Gift giving was one of the primary forms of communication in early modern Europe.«355 Die Objekte haben ihre eigene Sprache, ihre höchst vielfältige Semantik, die über ihre wissenschaftliche Bedeutung weit hinausgeht. Kommunikation auf der Basis von Objekten trägt somit nicht nur zu einer Öff- nung des geschlossenen Sammlungsraums bei, sondern ist im Zusammenhang des Sammelns als soziale Praxis zu begreifen. Wie Krzysztof Pomian in seinen grund-

351 Siehe Pierre BOURDIEU, Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grund- lage der kabylischen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1976 (frz. 1966), S. 343. 352 Jean STAROBINSKI, Gute Gaben, schlimme Gaben. Die Ambivalenz sozialer Gesten, Frankfurt a. M. 1994 (frz. 1994), S. 10. 353 Siehe Natalie Zemon DAVIS, The Gift in Sixteenth-Century France, Oxford 2000, S. 74. 354 Siehe zum Begriff der ›Verfügbarkeit‹ im Hinblick auf die Praxis des Sammelns JAHN, Sammlungen, die darunter die Verfügbarkeit der Objekte vornehmlich zu pädagogischen Zwek- ken versteht, ohne jedoch auf die hiermit verbundenen kommunikativen Prozesse näher einzu- gehen. 355 Paula FINDLEN, The Economy of Scientific Exchange in Early Modern Italy, in: Bruce MORAN (Hrsg.), Patronage and Institutions, Woodbridge 1991, S. 5–24, hier S. 7. 112 Gemeinschaft sätzlichen Überlegungen zum Sammeln zu Recht feststellt, werden Sammlungs- gegenstände aus dem Zusammenhang ihrer hergebrachten Bedeutungen heraus- gehoben und mit neuen versehen. Sie sind, so Pomian, »Semiophoren« und »Repräsentanten des Unsichtbaren« jenseits des ihnen traditionell zugewiesenen Gebrauchswerts.356 Auf diese Weise stellt Pomian im Kontext der Sammlungen erneut die schon aus anthropologischer Perspektive formulierte Frage nach dem symbolischen Mehrwert von Objekten und ihrer Rolle im Hinblick auf den Zu- sammenhalt und die Kommunikationsformen innerhalb einer Gesellschaft. Dieser Zuwachs an Bedeutungen prägte auch die vielfältigen kommunikativen Praktiken innerhalb der Gelehrtenrepublik. Naturgeschichtliche Objekte waren als Gabe Teil eines durch Regelmäßigkeit und Gegenseitigkeit gekennzeichneten Sy- stems von Verpflichtungen. Darüber hinaus behielten sie jedoch ihre im engeren Sinne wissenschaftliche Bedeutung. Als Gabe und wissenschaftliche Objekte zu- gleich traten sie über die Grenzen des geschlossenen Sammlungsraums hinaus. Das Ideal der Gelehrtenrepublik – Informationen allgemein verfügbar zu halten – führte zu einer weitreichenden Zirkulation wissenschaftlicher Sammlungsobjekte auf verschiedenen Bedeutungsebenen.

Naturalien Die wissenschaftliche Bedeutung von Sammlungsgegenständen war mit ihrer Rolle als Geschenk und Gabe untrennbar verbunden. Als David Krieg sich 1699 in Riga als Garnisonsarzt niederließ, setzte er in der neuen Umgebung seine wissenschaftlichen Aktivitäten fort. Es war für seine Existenz als Forscher und Sammler dabei von entscheidender Bedeutung, den Kontakt zu den Freunden in London nicht abreißen zu lassen. In einem Brief an Sloane bedauerte er es, we- gen Geldmangels nicht mehr als ein paar neue Bücher deutscher Naturforscher und einige Mineralien nach London schicken zu können. An James Petiver, der wie Sloane ebenfalls zum Kreis der mit ihm bekannten Londoner Naturforscher gehörte, schrieb er, daß er vor längerer Zeit eine Kiste mit Naturalien abgeschickt habe und nun dabei sei, Zeichnungen von Vögeln zu versenden, die er während seines Studiums in Holland angefertigt habe.357 Mit diesen bescheidenen Mitteln versuchte Krieg so gut es eben ging, den Kontakt zu seinen Londoner Freunden aufrecht zu erhalten. Auch für Johann Amman in Petersburg bot der Austausch von Naturalien eine Möglichkeit, die Bindungen zu seinen englischen Kollegen zu festigen. Obwohl er selbst über keine eigene Sammlung verfügte, war es ihm als Botaniker wichtig, Sloane und andere in London lebende Sammler mit Neuigkeiten und vor allem Naturalien aus dem noch weithin unerforschten Rußland zu versorgen. Erste

356 »Was auch immer der ursprüngliche Status dieser Gegenstände gewesen sein mag, in Europa werden sie zu Semiophoren, denn man nahm sie nicht aufgrund ihres Gebrauchswerts mit, sondern ihrer Bedeutung wegen, als Repäsentanten des Unsichtbaren – exotischer Länder, anderer Gesellschaften und fremder Klimazonen.« Krzysztof POMIAN, Der Ursprung des Mu- seums. Vom Sammeln, Berlin 1988, S. 58. 357 Siehe Krieg an Petiver, Riga, 28. August 1701, BL, Sloane 4063, fol. 112r. Gaben und Gegengaben 113 Sendungen erreichten Sloane 1734. Sie enthielten Fossilen, Schwefelproben und getrocknete Pflanzen aus der Umgebung Petersburgs. Zu den Pflanzen bemerkte Amman, daß sie häufig die gleichen seien, die man im Norden Großbritanniens finden könne.358 Die Sibirienexpeditionen erweiterten dann allerdings den Ge- sichtskreis des Petersburger Botanikers bedeutend. Sendungen, die von den Rei- senden regelmäßig an die Akademie geschickt wurden, gelangten teilweise in die Hände Ammans, und er vergaß dabei nicht, seine Londoner Kollegen davon zu unterrichten.359 Zuweilen nahmen Ammans Londoner Sendungen geradezu den Charakter einer eigenen kleinen Kuriositätensammlung an. So etwa 1739, als Sloane von ihm ein Paket mit Natur- und Kunstprodukten aus China erhielt, darunter Bleierze, roter Sand, Tee, Tabak, Hartkäse, ein Miniaturschloß und medi- zinische Präparate.360 Sloane revanchierte sich im Gegenzug mit Pflanzen aus Nordamerika, die ihm und der Royal Society von Forschungsreisenden zuge- schickt worden waren. Zu Beginn der 1730er Jahre waren es vor allem William Houstoun und Robert Millar, aus deren Sammlungen Stücke nach Petersburg ge- langten.361

358 Siehe Amman an Sloane, Petersburg, 12. Juni 1734, BL, Sloane 4053, fol. 232v. 359 Siehe Amman an Sloane, Petersburg, 4. September 1735, BL, Sloane 4054, fol. 99v; Peters- burg, 6. Oktober 1736, BL, Sloane 4054, fol. 298r; und Petersburg, 1. August 1740, BL, Sloane, 4056, fol. 268r. Zuweilen kam auch der Vorsteher des botanischen Gartens in Chelsea, Philipp Miller, den Amman aus gemeinsamen Londoner Tagen gut kannte, in den Genuß von Sendun- gen aus Petersburg: »Per eandem occasionem scripsi quoque ad Dr. Miller & Semina aliquot Si- birica et Orientalia transmisi, de quibus an ad manus cuijus pervenerint, dubius adhuc sum; nul- lum enim responsum habui«. Amman an Sloane, Petersburg, 12. April 1735, BL, Sloane 4054, fol. 32r. 360 Der Inhalt dieser Sendung sei hier vollständig mitgeteilt: »No. 1. A curious Lead oar from China, resembling Talck./ No. 3. The powder of ye. Alcanna wth. wch. ye. Turks & Persians colour their hairs & nails. It is described by Rauwolf/ No. 2. A sort of very curious reddish sand from ye. Lake Baikal./ No. 4. A fucus wth. wch. ye. Chinese Weemen paint themselves. This lays in Comment. p. 64./ No. 5. Oel tschai, or an extract of Thee, wch. the Chinese use in their journeys & voyages instead of ye leaves./ No. 6. Pur tschai or another extract of Thee, wch. they use after dinner./ No. 7. Caschunde. This ye. Chinese chew as you do in England Tobaco./ No. 8. Ngai tse or Moxa./ No. 9. Ho Mom. A preparation of ye. leaves of ye. Artemisia mixt wth. old cotton & Nitre. This the Chinese use to light their pipes./ No. 10. A very small lock made at Casan by a peasant./ No. 11. A Calluck cheese. This is for ye. most part ye. provision of ye. Callmuck in their journeys through ye. Steps, or when they go to war. They disolve it in mares milk, of wch. it is likewise made & drink it like Chocolate./ No. 12. Mercurius dulcis as it is prepared in one of ye. Southern provinces of china by a single family. They do not use it inwardly, but only externally for the cure of uliers [Geschwüre, St. S.]./ No. 13. A very fine piece of native brimstone from Samara on ye. wolga.« Amman an Sloane, Petersburg, 22. Juli 1739, BL, Sloane 4056, fol. 109r. 361 Die Originalbriefe Sloanes an Amman liegen heute in Moskauer Archiven. Eine russische Übersetzung findet sich bei M. I. RADOVSKIJ, U istokov anglo-russkich naučnych svjazej, in: Istoričeskij Archiv 1956/3, S. 139–155. Ein Verzeichnis findet sich bei THOMAS, Sloane, S. 33– 35. Siehe zu den Naturaliensendungen Sloane an Amman, London, 23. Juli 1734, RADOVSKIJ, U istokov, Nr. 7; London, 26. August 1735, ebenda, Nr. 9; London, 6. Mai 1736, ebenda, Nr. 11; und London, 26. Juli 1738, ebenda, Nr. 15. 114 Gemeinschaft Für Johann Philipp Breyne in Danzig spielte der Austausch von Naturalien ebenfalls eine wichtige Rolle. So wollte er von John Woodward erfahren, was er ihm aus der Umgegend von Danzig speziell schicken solle.362 Woodward zeigte sich an dem für die Gegend typischen Bernstein interessiert, vor allem an Stük- ken, die Einschlüsse verschiedener kleiner Tiere zeigten.363 Das gleiche gilt auch für Sloane. Sein Brief an Breyne ist zudem ein Appell an die Freundschaft zwi- schen Sammlern und Gelehrten, in dem das Sprechen über die Objekte und der Wunsch nach ihrem Besitz Hand in Hand gehen: »I should very glad to have the fossils of Yr. neighbourhood and would be very willing to pay for them and return the money for any such to you with great satisfaction & many thanks […] I am extreamly pleasd to hear from a person of Yor. learning & one for whom I have really a very great value & esteem as a friend as well as a person of merit.«364 Obgleich Sloane bereit war, für die Sendungen zu zahlen, steht doch vor allem die gegenseitige Wertschätzung der Sammler im Vordergrund, wobei die Zusen- dung von Naturalien im Sinne einer Gabe oder einer damit verbundenen freund- schaftlichen Dienstleistung zu verstehen ist. Dies gilt um so mehr, als sich Breynes Sammlung zu dieser Zeit gerade im Aufbau befand und er daher eigentlich mehr auf Sendungen aus London hätte drängen müssen als selbst welche zu verschik- ken. Wenngleich keiner der beiden Sammler den Nutzen solcher Sendungen für seine eigene Sammlung aus dem Auge verlor, galt es dennoch, das Gleichgewicht von Geben und Nehmen zu wahren. Womit jedoch eine Gabe dieser Art beant- wortet wurde, war jeweils höchst unterschiedlich. So erhielt Breyne von William Sherard eine umfangreiche Sendung von Gesteinen, Fossilien und Pflanzen aus Smyrna in Anatolien, wo letzterer sich zwischen 1703 und 1717 als englischer Konsul aufhielt.365 Beide kannten sich von Breynes Londonaufenthalt im Jahr 1703 her, und nach Sherards Rückehr nach London schickten sie sich regelmäßig Naturalien und Bücher zu. Auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens in die Verläßlichkeit des anderen richteten sich dann die Sendungen zunehmend nach den jeweiligen wissenschaftlichen Bedürfnissen und Forschungsschwerpunkten. Naturalien als Gabe lassen sich somit nicht klar von Dienstleistungen allgemeiner Art trennen. Sie sind Teil eines gegenseitigen Tauschs von Informationen und Büchern. Während Breyne bei Sherard immer wieder nach Naturalien aus

362 Siehe Breyne an Woodward, Danzig, 19. September 1711 (Abschrift), Gotha, Chart. B 857b, fol. 42v. Eine Kiste mit britischen Fossilien erhielt Breyne 1714. Siehe Breyne an Wood- ward, Danzig, 31. August 1714 (Abschrift), Gotha, Chart. B 857b, fol. 101v. 363 Siehe Woodward an Breyne, London, 12. Februar 1715, Gotha, Chart. B 788, fol. 762r. 364 Sloane an Breyne, London, 15. März 1715, Gotha, Chart. B. 788, fol. 613r. 365 »The dry’d Plants and Seeds You sent me, I expect every day with great Impatience from Holland; for which I return you many thanks. All specimens of rare and new Plants, You can spare, I’ll receave with pleasur; as also rare Stones, Earths […] and other fossils from Anatolia and there about for I collect every natural Thing I can get for a Museum, to which I made good Progress.« Breyne an Sherard, Danzig, 10. März 1717, RS, Sherard Correspondence 252, Nr. 85. Gaben und Gegengaben 115 Nordamerika fragte, erhielt dieser im Gegenzug häufig Informationen über neue naturhistorische Publikationen auf dem deutschen Buchmarkt.366 Zuweilen kam es jedoch zu Konflikten, wie etwa bei einer Sendung von Bern- stein an Sloane, die auf dem Weg nach England verlorengegangen war. Sloane hatte vergeblich beim englischen Zoll nach dem Paket gefahndet und hoffte dar- auf, von Breyne eine weitere Sendung zu erhalten.367 Ein Jahr später, inzwischen hatte Breyne bereits eine Ersatzsendung nach London geschickt, entdeckte Woodward das Paket auf dem Zoll.368 Zwar versicherte er gegenüber Sloane, das Paket nicht angerührt zu haben, doch aus einem Brief an Breyne geht das genaue Gegenteil hervor. Er habe, so Woodward, die Stücke genau unter die Lupe ge- nommen, wobei er jedoch nichts Bemerkenswertes habe entdecken können; überhaupt sammle er nichts, das nicht lehrreich (»instructive«) und vollkommen (»perfect in it’s kind«) sei.369 Woodwards Urteil über die Bernsteinsendung ist jedoch weniger als Affront gegenüber Breyne und vielmehr als eine Spitze ge- genüber seinem Konkurrenten und Intimfeind Sloane zu begreifen, der auf diese Weise als Sammler von Trivialitäten in ein schlechtes Licht gerückt werden sollte. Dabei bestand die Feindschaft zwischen Sloane und Woodward schon seit dem Jahr 1700. Damals hatte das Erscheinen einer anonymen Satire über Sloane als Naturforscher und Herausgeber der Philosophical Transactions Woodward in den Verdacht der Verfasserschaft gebracht, und der Streit, der daraufhin zwischen beiden entbrannte, hatte in einem der Meetings der Royal Society nur mit Mühe beigelegt werden können.370 Obwohl Sendungen dieser Art als Gaben Ausdruck der persönlichen Wert- schätzung des jeweiligen Korrespondenten und in erster Linie für ihn selbst be- stimmt waren, bestand doch gleichzeitig der Anspruch auf Verfügbarkeit für alle an der naturgeschichtlichen Forschung beteiligten Gelehrten. Diese Konkurrenz um den bestmöglichen Zugriff auf die interessantesten Naturalien, wie sie im Falle der Sammler Sloane, Breyne und Woodward latent zu spüren ist, wird an einem anderen Fall deutlich ablesbar. In ihm spielt, kaum überraschend, wieder Woodward eine Hauptrolle. In einem Brief an Sloane berichtete Richard Ri- chardson davon, wie verärgert Woodward gewesen sei, als er erfuhr, daß Richard- son einige neue Fossilienfunde nicht zuerst ihm, sondern Sloane gezeigt habe. Besonders habe es Woodward getroffen, daß Richardsons Funde von Sloane in

366 Siehe Breyne an Sherard, Danzig, 9. Juli 1723, RS, Sherard Correspondence 252, Nr. 98, und Breyne an Sherard, Danzig, 22. April 1724, RS, Sherard Correspondence 252, Nr. 99. 367 »I was obliged to give to one of the Comissioners of the customs who endeavoured all he could to gett me the box of ambers & books & yet could not & lost me my letters. Therefore may lett me know what you want from hence & write to me by the part & lett me know where I shall send the books that they may come safe to you. I should be glad of the Saxonia sub- terranea & some of those things were lost.« Sloane an Breyne, London, 31. Dezember 1717, Gotha, Chart. B 788, fol. 615r. 368 Siehe Woodward an Sloane, London, 5. August 1718, BL, Sloane 4045, fol. 139v. 369 Woodward an Breyne, London, 17. August 1719, Gotha, Chart. B 788, fol. 764r. 370 Zur Geschichte dieser Intrigen unter der Präsidentschaft Isaac Newtons siehe WESTFALL, Newton, S. 671 f. 116 Gemeinschaft der Royal Society vorgestellt worden seien, was seinem Konkurrenten eine Mög- lichkeit geboten habe, sich vor diesem erlauchten Gremium mit fremden Federn zu schmücken. Doch hat dies offenbar den im fernen Yorkshire lebenden Ri- chardson weit weniger gestört als Woodward.371 Es ist zu vermuten, daß Ri- chardson überhaupt froh war, seine Entdeckungen über den Mittelsmann Sloane vor das öffentliche Forum der Wissenschaft bringen zu können. Hinzu kommt, daß es dem leicht aufbrausenden Woodward offenbar schwerer als Sloane fiel, sich innerhalb der Scientific Community Freunde zu machen. Als notorischer Streithahn, besonders wenn es darum ging, seine wissenschaftlichen Theorien durchzusetzen, war sein Ruf nicht gerade der beste. Aber auf diesen Ruf kam es hier gerade an, wie spätere Bemerkungen Richardsons an seinen Freund Ralph Thoresby zeigen. Zwar hatte Woodward wenige Jahre nach diesem Vorfall Ri- chardson während eines Besuches in London mit allem Entgegenkommen seine Sammlung gezeigt, jedoch konnte dies den Eindruck, den Sloane auf ihn gemacht hatte, nicht auslöschen, den er, nachdem er seine Jamaika-Sammlung besichtigt hatte, als die Höflichkeit selbst bezeichnete.372 Aber selbst Sloanes Umgänglichkeit hatte Grenzen. Der Botaniker William She- rard benötigte 1720 für seine Arbeit an einem neuen Pflanzenkatalog, einer Über- arbeitung des alten Pinax Theatri Botanici, den Caspar Bauhin fast hundert Jahre zu- vor veröffentlicht hatte, Pflanzen aus den Sammlungen von Leonard Plukenet und James Petiver.373 Beide Sammlungen befanden sich seit kurzer Zeit in Sloanes Besitz. Besonders die Petiver-Sammlung, die er 1718 nach dessen Tod für 4 000 Pfund erworben hatte, war eine wichtige Ergänzung seiner bisherigen Bestände gewesen. Jedoch war ihr Zustand nahe am Verfall und es bedurfte einiger Anstren- gungen, sie in eine vorläufige Ordnung zu bringen.374 Sloane, der zudem mit den

371 »I was with Mr. Thoresby yesterday[.] He gives you his service & showed me a letter from Dr. Woodward wherein he highly resents the prejudice I have done him by giving you the designes of those Coaleplants I had observed, which you was pleased to showe your Society. At the 2nd request I left them with him severall times which was long enough to make his observations upon them. I am sorry I should give any occasion of displeasure either to him or any other ingeniouse person, but I thinke tis noe injurey to him to dispose of my own as I thinke convenient. I am much obliged to him for his great civility in showing me his collection which is very fine though at the same time could not forbeare reflecting upon severall of my friends which I have a great esteeme.« Richardson an Sloane, North Bierley, 23. Mai 1702, BL, Sloane 4038, fol. 348r. 372 Siehe Richardson an Ralph Thoresby, North Bierley, 11. Mai 1707, in: Richard RICHARDSON, Extracts from the Literary and Scientific Correspondence of Richard Richardson, hrsg. von Dawson Turner, Yarmouth 1835, S. 46 f. Zu Woodwards Streitsucht siehe auch LEVINE, Woodward, S. 17. 373 Sherard hatte zuvor über seine gegenwärtige Arbeit Richardson berichtet: »He tould me he still bound at it and had advanced pretty for towards it but that without the assistance of one of his Freinds he should scarce be able to compleat it and that he was assumed no foreigner could ever pretend to do it. I imediatly asked him who it was, he told me without the perusall of Dr. Pluquenets and Petivers Collections of plants which were now in your hands he could not be able to go through with it.« Richardson an Sloane, North Bierley, 3. März 1720, BL, Sloane 4046, fol. 70v. 374 Siehe MACGREGOR, Sloane, S. 23. Gaben und Gegengaben 117

Arbeiten am zweiten Band seiner Naturgeschichte Jamaikas beschäftigt war, sah sich deshalb nicht in der Lage, Sherard den freien Zugriff auf seine Neuerwerbung zu gewähren. Er schlug stattdessen vor, die Bände mit den getrockneten Pflanzen, sobald sie neu beschriftet und in eine Ordnung gebracht worden seien, an Sherard zu schicken. Aber diese Zusendung auf Raten fand nicht das Einverständnis seines Kollegen, der daraufhin lieber sein gegenwärtiges Projekt zugunsten anderer Arbeiten verschob.375 Sloane mußte diese Absage um so mehr getroffen haben, als er, wie er an Richardson schrieb, sich nach Sherards Rückkehr aus Smyrna 1717 besonders um ihn bemüht und ihn mit Duplikaten aus seiner Sammlung versorgt habe und dies, obwohl Sherard während seines Aufenthalts in Kleinasien gegen- über Londoner Sammlern alles andere als großzügig gewesen sei.376 Sloanes Verär- gerung über das Verhalten Sherards war sicher berechtigt. Aber über persönliche Differenzen hinaus zeigt beider Verhältnis zu diesem Zeitpunkt die grundsätzliche Problematik zwischen öffentlicher Verfügbarkeit des gesammelten Materials für den einzelnen Forscher und dem privaten Anspruch eines einzelnen Sammlers, der seine Sammlung zu Recht als sein Eigentum betrachtete. Verschärfend kam bei Sloane hinzu, daß er nach und nach zum Sammlungsmonopolisten wurde, womit er viele der Naturalien dem direkten Zugriff der beschreibenden Botaniker entzog. Doch waren Auseinandersetzungen dieser Art oft nichts weiter als ein Sturm im Wasserglas des Londoner Sammler-Networks. Mangelnde Generosität und Unregelmäßigkeit gehörten meist zu den alltäglichen Störungen in der Gelehrten- republik. So beklagte sich Breyne gegenüber dem Göttinger Arzt und Naturfor- scher Albrecht von Haller über den in Oxford lehrenden Botaniker Johann Jakob Dillenius: »Der Herr Dillenius ist wohl ein großer und fleißiger Botanicus, aber dabey hat er gar kein generöses Gemüthe, sondern ist überaus intereßiert. Ich habe auch mit ihm correspondiert und weiß davon zu sagen.«377 Auch Carl von Linnés Ruf als Korrespondent war unter Sammlern nicht der beste. Schlechte Erfahrungen machte etwa Peter Collinson, der ein Jahr, nachdem er ein Paket mit Pflanzensamen nach Uppsala geschickt hatte, noch immer auf eine Antwort

375 »Abt. 6 months ago I told him that at his desire I had laid aside my other affairs that one of the first volume of Dr. Plukenets was ready for him to carry home, that before he wanted a 2d it should be ready & so on till he should have all & now he tells me on my minding him two days since that he is not ready ’till he hath done some tribes for Mr. Vaillants book & that he hath sent for a young [German] physitian to help him. Now you may judge by this account what I can do more, for I shall be allways ready to assist him.« Sloane an Richardson, London, 9. März 1720, in: RICHARDSON, Correspondence, S. 163. 376 »It is many years past that Mr. Petiver took notice to me that Dr. Sherard who was so well qualified and situated to please the curiosity of his English friends had quite left of any kind of communications with any but those of other Countrys which I attributed to his value for them & contempt of others.« Ebenda, S. 162. Zu diesen bevorzugten ›Ausländern‹ gehörte vor allem Breyne in Danzig. 377 Breyne an Haller, Danzig, 15. Juli 1744, in: Albrecht von HALLER, Einiger gelehrter Freun- de deutsche Briefe an den Herrn von Haller, 1. Hundert: 1725–1751, Bern 1777, S. 83. 118 Gemeinschaft wartete. Es sei eine allgemeine Klage, so Collinson an Linné, daß letzterer alles entgegennehme, doch nichts zurückgebe.378 Weitaus gravierender war ein Streit, der zwischen Mendes da Costa und Peter Simon Pallas 1764 ausbrach. Beide kannten sich von einem kurzen Besuch Pallas’ 1762 in London und standen seitdem in regelmäßigem Kontakt. Zwei Jahre später fühlte Mendes da Costa sich jedoch gegenüber einem anderen Londoner Korre- spondenten, Andrew Peter Dupont, zurückgesetzt. Die von Pallas erhaltenen Fos- silien seien, so klagte Mendes da Costa, weit schlechter als diejenigen, die Dupont erhalten habe. Dies habe ihn umso mehr getroffen, weil gerade er es gewesen sei, der Pallas während seines Londonaufenthalts mit offenen Armen empfangen und ihn mit vielen seiner Sammlerkollegen bekannt gemacht habe.379 In seinem Ant- wortbrief verwies Pallas jedoch darauf, daß Mendes da Costa sich seit mehr als einem Jahr nicht mehr bei ihm gemeldet habe und er deshalb annehmen mußte, daß er an einer weiteren Korrespondenz nicht mehr interessiert sei.380 Darüber hinaus rechtfertigte er seine Sendung an Dupont mit dem Hinweis, daß dieser eine weit schlechtere Sammlung als Mendes da Costa besäße und daher die Stük- ke notwendiger gebraucht habe. Auch sei er Dupont wegen eines Geschenkes zu Dank verpflichtet gewesen. Aber der wesentliche Punkt war für ihn, daß Mendes da Costa mit seinem langen Schweigen den Bruch selbst herbeigeführt habe. Überhaupt, so Pallas, sei sein Ruf als verläßlicher Korrespondent überall sehr schlecht. Dieser Vorwurf sei ihm von Dupont bestätigt worden: »But he told me he had, by obliging you when here, endeavoured to obtain Your correspondence, but in vain, and that besides he did not like irregular Corre- spondents; for, give me leave to tell You, this is the Character, You generall bear abroad.«381 Nach diesem Schlagabtausch war eine weitere Korrespondenz nicht mehr zu ret- ten. In einem nachfolgenden letzten Brief an Pallas verwahrte sich Mendes da Costa noch einmal vehement gegen den Vorwurf der Unzuverlässigkeit; über- haupt höre er zum ersten Male davon.382 Von wissenschaftlichen Inhalten konn- te zu diesem Zeitpunkt ohnedies nicht mehr die Rede sein. Was nun zählte, war allein der Appell an Freundschaft oder zumindest loyales Verhalten im Umgang der Korrespondenten untereinander. Der Fall zeigt, wie fragil ein solches auf Austausch und Vertrauen beruhendes System von Verpflichtungen sein konnte. Aber im Regelfall stabilisierten die gegenseitigen Gaben das Geflecht persön- licher Kontakte. Als Gabe im eigentlichen Sinne erscheinen Naturalien so in einer

378 Siehe James Edward SMITH (Hrsg.), A Selection of the Correspondence of Linnaeus and other naturalists. From the original manuscripts, Bd. 1, London 1821, S. 18. 379 »I received him with open arms on account of his own merit also never failed to introduce him every where and make his stay in England as agreable as possible to him. He then knew none in England but me whereas now he knows everyone in England except me.« Mendes da Costa an Pallas, Den Haag, 22. Juni 1764, SBB, Sammlung Darmstaedter Lc 1757 (1). 380 Siehe Pallas an Mendes da Costa, [Den Haag,] 10. November 1764, BL, Add. 28.540, fol. 73r. 381 Ebenda, fol. 74v. 382 Ebenda. Gaben und Gegengaben 119 Sendung des Hannoveraner Arztes Johann August Hugo an Sloane. Hugo hatte den Londoner Sammler 1734 über seinen Hannoveraner Arztkollegen Johann Georg Steigerthal mit der Absicht kennengelernt, über ihn seine Wahl zum Mit- glied der Royal Society voranzutreiben. Als Dank für Sloanes Unterstützung in dieser Angelegenheit und nach vollzogener Wahl schickte Hugo eine Kiste mit kostbaren Mineralien, Silbererzen und weiteren Metallen. Hugo vergaß überdies nicht, den gängigen Marktwert der Sendung von 144 Goldmark mitzuteilen, ein Beispiel dafür, daß die Grenzlinie zwischen den Modi des Gebens und des Kau- fens in der Praxis niemals scharf gezogen wurden.383 Aber weit wichtiger als der Geldwert der Sendung war für Sloane vermutlich die schlichte Tatsache, daß der berühmte John Woodward vor Jahren sich vergeblich bei Hugo um einige dieser Stücke bemüht hatte.384 Der Prestige- und Symbolwert der Stücke steht so für den Empfänger eindeutig im Vordergrund. Das gilt auch für das Versprechen Sloanes, diesen Naturalien einen Ehrenplatz in seiner Sammlung einzuräumen.385 Weniger erfolgreich in seinen Bemühungen, durch Gaben auf sich aufmerksam zu machen, war dagegen der Frankfurter Arzt und Sammler Georg Kisner. Als er um das Jahr 1702 einige Naturalien an Sloane schickte, tat er dies offenbar in der Hoffnung, seine Briefwechsel bis nach England hin auszudehnen. Er hatte die Stücke vor den Toren seiner Heimatstadt selbst gesammelt und sie mit näheren Erläuterungen zu ihrer Herkunft versehen.386 Ob es nun an einem grundsätzli- chem Desinteresse an der von Kisner zusammengestellten Sammlung lag oder an der für Sloane notorischen Arbeitsüberlastung: Jedenfalls gelang es jenem in den folgenden Jahren nicht, einen direkten Kontakt herzustellen. Zwei der über- lieferten Briefe wurden in den 1720er Jahren an den damaligen Sekretär Sloanes, Johann Kaspar Scheuchzer, gerichtet, mit dessen Vater Kisner gut bekannt war.387 »Doch ist mir die zusage lieb«, schreibt er 1721, »das sie meines Cabinets bey allen occasionen belieben wollen eingedenck zu seyn. Nur wünsche so glücklich zu seyn, die vertröstete sachen aus H. D. Sloane reichem Cabinet zu seiner zeit zu erhalten, dero ihn bey vorfallender gelegenheit ersuche in meinem nahmen zu

383 Hugo an Sloane, Hannover, 22. Oktober 1735, BL, Sloane 4054, fol. 125v. 384 Ebenda, fol. 126r. 385 Sloane an Hugo, London, 5. Dezember 1735 (Abschrift), BL, Sloane 4068, fol. 278r. 386 Siehe Kisner an Sloane, Frankfurt, [ca. 1702,] BL, Sloane 4038, fol. 205r. Über die Brief- wechsel hinaus sind mir so gut wie keine weiteren biographischen Informationen zu Kisner be- kannt. Einigermaßen gesichert ist, daß er 1699 in Leiden promoviert worden ist und 1735 als Arzt in Frankfurt starb. Siehe Wilhelm STRICKER, Die Geschichte der Heilkunde und der ver- wandten Wissenschaften in der Stadt Frankfurt am Main, Frankfurt a. M. 1847. Im Frankfurter Senckenberg-Archiv finden sich zudem 6 Briefe Kisners an Konrad Zacharias Uffenbach aus den Jahren 1717 bis 1726. 387 Siehe ebenda. Bei STEIGER, Scheuchzer, S. 60, sind insgesamt 66 Briefe Kisners an Scheuchzer in Zürich aus den Jahren 1701 bis 1730 verzeichnet. Es scheint, als habe Kisner in einigen Fällen Bücher- und Naturaliensendungen aus Zürich weiter nach England vermittelt. So erwähnt ihn Woodward in einem Brief an Sloane: »If there be, in the inclosed, any Books that you want, I shall write myself tomorrow to Dr. Kisner there, who will be forward to serve You«. Woodward an Sloane, London (o. D.), BL, Sloane 4062, fol. 32r. 120 Gemeinschaft erinnern.«388 Die mangelnde Aufmerksamkeit Sloanes scheint ihn nicht entmutigt zu haben. Im Jahr 1728 unternahm er einen erneuten Anlauf, indem er drei Kupfer mit Abbildungen einer in Frankfurt zwei Jahre zuvor »verblüheten großen Aloe« nach London schickte und den jungen Scheuchzer darum bat, einen davon Sloane zu überreichen.389 Kisners Wunsch nach Neuigkeiten aus London wurde besonders durch die Gründung einer privaten Gesellschaft von Naturforschern in Frankfurt angeregt, in deren Namen er Scheuchzer um Unterstützung ersuchte: »Hochgel. sind dabey an einem posten, dabey Sie mir einige gefällig- keiten beliebig erweisen können, weilen so hier vor 2 jahren sich eine engere gesellschafft von 6 personen zusammen gethan, darunter einige gelehrte nebst mir und zwey Kaufleute sind«.390 Auf der Wunschliste standen »kleine aber gute pieces von physicalischen dingen aus Engelland«, vermutlich Instrumente zur Durchführung wissenschaftlicher Experimente. In diesem Zusammenhang sei an die Nürnberger Gesellschaft um Christoph Trew erinnert, der es gerade zu dieser Zeit gelungen war, mit der Royal Society und Sloane in einen dauerhaften Kontakt zu treten.391 Jedoch konnten die Nürnberger im Unterschied zu den Frankfurtern auf eine eigene Zeitschrift – das Commercium Litterarium ad Rei Medi- cae et Scientiae – als Forum ihrer Forschungen verweisen, womit sie das Interesse der Londoner Sozietät auf sich zu lenken vermochten. Die kleine Frankfurter Sozietät verfügte dagegen nur über eine schwache Stimme innerhalb der Gelehr- tenrepublik. Da Kisner weder, wie Breyne in Danzig, auf eine persönliche Bekanntschaft mit Londoner Mitgliedern der Royal Society, noch, wie Trew in Nürnberg, über eine gewichtige Institution und eine Zeitschrift im Rücken verfügte, waren seine Chancen, in London dauerhaft Gehör zu finden, also sehr gering. Noch 1731, gegen Ende seines Lebens, versuchte Kisner erneut, Sloane auf sich aufmerksam zu machen, indem er einen Katalog der englischen Fossilien aus seiner Sammlung nach London schickte. Doch hat diese Sendung nicht mehr als einen kurzen Eintrag in den Papieren Sloanes hinterlassen.392 Mit ein Grund für diesen mangelnden Erfolg, mittels eigener Gaben eine sta- bile Korrespondenz aufzubauen, mag auch das geringe Selbstbewußtsein Kisners als Sammler gewesen sein. Es verdankte sich gewiß nicht allein der gängigen ge- lehrten Bescheidenheitsrhetorik, wenn Kisner einmal gegenüber dem Londoner Sammler Petiver bemerkte, daß er seine eigenen Stücke nur sehr gering einschät- ze und sie kaum als adäquate Gegenleistung für die von Petiver erhaltenen Sen-

388 Kisner an J. K. Scheuchzer, Frankfurt, 14. Mai 1723, BL, Sloane 4065, fol. 299r. 389 Siehe Kisner an J. K. Scheuchzer, Frankfurt, 8. September 1728, BL, Sloane 4050, fol. 3v. 390 Ebenda, fol. 4r. 391 Siehe unten, S. 134. 392 Kisner an Sloane, Frankfurt, 26. Januar 1731, BL, Sloane 4051, fol. 178r. Die Liste trägt den Titel: ›Figurata fossilia Anglicana, qua collegit Georgius Kisner. D. Medicus & Physicus Primarius Moeno Francofurtensis, Anno 1731‹, BL, Sloane 1968, 162r–165v. Gaben und Gegengaben 121 dungen ansehen könne.393 Die erwähnte Sendung eines Katalogs englischer Fos- silien an Sloane war überdies kaum dazu geeignet, in London Begeisterung hervorzurufen. Das geringe Potential seiner Sammlung zeigt sich auch darin, daß er Breyne darum bat, ihm einige zuvor zugesandte Stücke bei Gelegenheit wieder zurückzuschicken, »weil mein Cabinet derer kein ander specimen hat«.394 Je grö- ßer eine Sammlung war, desto größer war das Reservoir an Duplikaten, mit Hilfe derer sich das Ansehen der Besitzer vermehren ließ.

Büchersendungen Bisher war immer wieder von Büchern und Zeitschriften die Rede, die den Aus- tausch von Naturalien begleiteten. Sie unter dem Blickwinkel der Gabe zu be- trachten, steht damit im Zusammenhang mit sozialgeschichtlich bedeutsamen Praktiken des Umgangs mit Büchern, wie etwa dem Leseverhalten, der Ge- schichte einzelner Bibliotheken oder der Produktion und Distribution von Bü- chern.395 Innerhalb der Gelehrtenrepublik wurden Bücher vor allem aufgrund ih- res wissenschaftlichen Wertes als ›Arbeitsinstrumente‹ ausgetauscht. Der Besitz von Büchern, der Aufbau einer wissenschaftlichen Bibliothek, war die Grund- voraussetzung zum Erwerb und zur Verbreitung von Wissen.396 Als periodisch erscheinende Sammlung gelehrten Wissens waren die Philosophical Transactions von besonderer Bedeutung und unter Sammlern und Naturforschern heiß begehrt. So versuchte etwa Breyne, alle vor 1700 erschienenen Bände über Sloane in London zu erwerben, und erklärte bei dieser Gelegenheit, daß es sich bei dieser Zeitschrift um eines der nützlichsten Werke in seiner Bibliothek hand- le.397 Wie ein roter Faden durchziehen daher die Anfragen nach den Transactions nicht nur die Korrespondenz Breynes, sondern auch die anderer Korrespon- denten. Der Hannoveraner Arzt Georg Steigerthal, als Leibarzt des englischen Königs durch regelmäßige Reisen nach London mit Sloane bekannt, hielt sich durch die Zusendung der Transactions über das auf dem laufenden, was während

393 Siehe Kisner an Petiver, Frankfurt, 12. Dezember 1704, BL, Sloane 4064, fol. 29v. 394 Kisner an Breyne, Frankfurt, 20. Oktober 1728, Gotha, Chart. B 787, fol. 49r. 395 Es geht im Rahmen dieser Arbeit weder um eine Sozial- noch um eine Lesergeschichte des naturhistorischen Buches. Herausgestellt werden soll allein die spezifische Rolle, die Bücher in- nerhalb einer Gelehrtenkommunikation spielen. Siehe dazu Adrian JOHNS, The Nature of the Book, London 1999; William EAMON, Science and the secrets of nature. Books of secrets in medieval and early modern culture, Princeton 1994, und G. S. ROUSSEAU, Science books and their readers in the eighteenth century, in: Isabel RIVERS (Hrsg.), Books and their Readers in 18th Century England, Leicester 1982, S. 197–237. 396 Siehe Natalie Zemon DAVIS, ›Beyond the market‹. Books as gifts in sixteenth-century France, in: Transactions of the Royal Historical Society 33 (1983), S. 69–88. 397 »The Philosophical Transactions, is one of ye best Books of My Libery […] Therfor I beseech You Sir to let me know ye Price of ye Transactions, from ye beginning till 1699 inclusive, but not bounded, so I’ll order to pay You ye money, and pray You humbly to send me them.« Breyne an Sloane, Danzig, 22. Dezember 1725 (Entwurf), Gotha, Chart. A 877, fol. 17r. Siehe auch Sloane an Breyne, London, 9. November 1711, Gotha, Chart. B 788, fol. 611r und Sloane an Breyne, London, 15. März 1715, Gotha, Chart. B 788, fol. 613v. 122 Gemeinschaft seiner Abwesenheit die Londoner Naturforscher beschäftigte.398 Über Steigerthal erfuhr Sloane im Gegenzug von dem schon erwähnten Nürnberger Commercium des Mediziners und Anatomen Christoph Jacob Trew. Nachdem Sloane vorab einen ersten Band aus Hannover erhalten hatte, wurde der Austausch dann durch ein Schreiben von Trew im März 1734 offiziell begonnen, wobei Steigerthal weiterhin seine Rolle als Mittelsmann zwischen London und Nürnberg spielte.399 Auch für den Petersburger Akademieprofessor Johann Amman waren die Transactions eine Möglichkeit, sich über neue Forschungen im fernen England auf dem laufenden zu halten, wenngleich diese Büchersendungen über den Tisch des Akademiepräsidenten von Korff gingen, der auf diese Weise eine Kontroll- funktion ausübte.400 Im Gegenzug schickte Amman neue Ausgaben der Abhand- lungen der Akademie, die Commentarii, nach London.401 Aber es waren nicht nur die Zeitschriften, die einen wichtigen Platz in der Zir- kulation gedruckter Literatur einnahmen. Richard Richardson bekannte gegen- über Sloane, daß er gerade dabei sei, sich eine Bibliothek mit naturhistorischen Werken zusammenzustellen. Abgesehen von botanischen Schriften, die er im größeren Umfang besäße, sei er besonders an Neuerscheinungen auf allen übri- gen Gebieten der Naturgeschichte interessiert. Zudem wisse er nicht, ob be- stimmte für ihn wichtige Autoren noch im Buchhandel erhältlich seien. So bat er Sloane um nähere Hinweise, verbunden mit dem Wunsch, ihm gegebenenfalls Bücher in London zu beschaffen.402 Informationen dieser Art waren auch für den in Yorkshire lebenden William Constable wichtig. Sein Interesse für die Na- turgeschichte suchte er durch die Lektüre einschlägiger Bücher auf eine solide Grundlage zu stellen, wobei ihm die von seinem Vater ererbte Bibliothek einen Ausgangspunkt bot. Anders als Richardson bedurfte Constable wohl in vielen Fällen nur der Hinweise auf interessante Bücher, da viele schon in seiner Biblio- thek vorhanden waren:

398 »Mon petit Cabinet me fait encore souvenir de vostre Generosite, par la quelle j’ay recu un bon nombre des cettes Transactions, qui me sont encore bien cheris et instructives«. Steigerthal an Sloane, Hannover, 14. August 1725, BL, Sloane 4048, fol. 39r. 399 Siehe Steigerthal an Sloane, Hannover, 8. Januar 1734, BL, Sloane 4053, fol. 129r; Trew an Sloane, Nürnberg, 8. Februar 1734, BL, Sloane 4053, fol. 161r; Sloane an Trew, London, 21. Sep- tember 1734 (Entwurf), BL, Sloane 4068, fol. 242r. Zu Trew, der Zeitschrift und dem Nürnberger Gelehrtenkreis siehe Thomas SCHNALKE (Hrsg.), Natur im Bild. Anatomie und Botanik in der Sammlung des Nürnberger Arztes Christoph Jacob Trew, Ausstellungskatalog, Erlangen 1995, S. 9–19, und David A. KRONICK, Scientific and Technical Periodicals of the Seventeenth and Eighteenth Centuries. A Guide, Metuhen/N. J. 1991, Nr. 57. 400 »I send you herewith two transactions one for Yor. selfe & another for Yor. President Kar- fe [Korff] wch. I desire you to deliver him together wh. my letter by which you will hear what is transacting here.« Sloane an Amman, London, 20. Mai 1738, SBB, Sammlung Darmstaedter: Amerika 1707. Zur Kontrolle der Korrespondenz siehe oben, S. 105 f. 401 Siehe Amman an Sloane, Petersburg, 22. Juli 1739, BL, Sloane 4056, fol. 109r; 22. April 1739, BL, Sloane 4055, fol. 315r, und 20. Januar 1739, BL, Sloane 4056, fol. 28r. 402 Siehe Richardson an Sloane, North Bierley, 8. Juli 1702, BL, Sloane 4039, fol. 4r. Gaben und Gegengaben 123

»As to my Library, it is too Extensive for me to be able to give you a distinct answer, consisting of more than 18,000 volumes, mostly collected by my father, for many years & by myself for the last 13 years. Lister’s book that you rec- ommended in one of your last, I found in my library, & Whatever books you please to recommend to me, if I have them not, I will apply for them to Mr. Needham.«403 David Krieg in Riga stellte zur Beschaffung notwendiger Bücher eine bestimmte Summe Geldes zur Verfügung. Seine Absicht war, von Zeit zu Zeit James Petiver in London Geld zu schicken, damit dieser dann nach eigenem Ermessen wichtige Neuerscheinungen auf dem naturhistorischen Buchmarkt erwerben könne.404 Ob dieser Plan Krieg zu den gewünschten Büchern verhalf, ist weiter nicht bekannt. Sein Beispiel macht aber umso mehr deutlich, wie schwierig es für Forscher sein konnte, sich jenseits wissenschaftlicher Zentren mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Darüber hinaus zeigt der Fall des Rigaer Arztes, daß Geld allein nicht ausreichte, die gewünschten Bücher zu beschaffen. Ebenso wichtig war, sich auf ein funktionierendes Netzwerk persönlicher Kontakte berufen zu können. Zuweilen erfahren wir auch von konkreten Bücherwünschen. Für Danzig be- stimmt waren Sendungen der Natural History of Carolina von Mark Catesby, die ab 1724 erschienen und dem ungeduldig wartenden Naturforscher Jacob Theodor Klein nach und nach in mehreren Teilen zugeschickt wurden.405 Johann Amman nutzte von Petersburg aus seine alten Kontakte zu Sloane, als er sich um ein Exemplar von Martin Listers Historia Conchyliorum (1685–1689) für die dortige Bi- bliothek bemühte, wobei in diesem Falle, darauf weist er ausdrücklich hin, der Preis keine Rolle spielen sollte.406 Im Gegenzug zeigte sich Sloane an Büchern aus Danzig interessiert. Nachdem er von Breyne über einen erst kurz zurücklie- genden Pestausbruch in der Stadt erfahren hatte, bat er ihn, sich unter seinen Arztkollegen in der Stadt nach Augenzeugenberichten und neuerschienenen Bü- chern zu diesem Thema umzuhören.407 Auf diese Weise fügten sich Bücher in ein umfassendes Netz gegenseitiger Information und persönlicher Dienstleistung ein. Zum einen ermöglichte dieser Austausch die Beschaffung von Werken abseits des lokal begrenzten Buchhandels, zum anderen wurden Bücher auf diese Weise vorab rezensiert, indem die jeweiligen Korrespondenten auf interessante Neuerscheinungen hinwiesen. Der in Derbyshire lebende Walter Synnot suchte nach Werken mit Abbildungen von Fossilien und bat daher Mendes da Costa, ihm die besten Bücher dieser Art zu empfehlen.408 Der Austausch von Büchern bewegte sich

403 William Constable an Mendes da Costa, Burton Constable (Yorkshire), 24. August 1760, BL, Add. 28.536, fol. 79r. 404 Siehe Krieg an Petiver, Riga, 29. April 1708, BL, Sloane 4064, fol. 163r. 405 Siehe Klein an Breyne, Danzig, (o. D.), Gotha, Chart. B 787, fol. 78r. 406 Siehe Amman an Sloane, Petersburg, 22. Juli 1739, BL, Sloane, 4056, fol. 109v. 407 Siehe Sloane an Breyne, London, 9. November 1711, Gotha, Chart. B 788, fol. 611r. 408 Siehe Walter Synnot an Mendes da Costa, Derby, 18. Mai 1778, BL, Add. 28.543, fol. 9r. 124 Gemeinschaft damit sowohl im Bereich der Gaben – Bücher als Geschenke – als auch in dem der Ökonomie – Beschaffung durch den lokalen Buchhandel. Doch sind hier Trennlinien nicht einfach zu ziehen: Die Beschaffung von Büchern sowie die Erstattung der Auslagen galt ohne Frage als Dienstleistung im Sinne von Freundschaft und gegenseitiger Verpflichtung, was damit in die Sphäre der Ga- ben zurückweist. Hinzu kamen Hinweise auf Neuerscheinungen, besonders in Zeitschriften: »Now we are upon the subject of books I must inform you that I am a great lover and Collector of all the Bibliotheques & Actae publish’d abroad by which I gain full notice of all foreign books[.] I now take in the Bibliotheque des Arts des Sciences publish’d at the Hague and the Nova Acta Eruditorum Lipsiae (these latter I have begun with 1750) and I find them both very good books & worthy a place in any library[.] I would advise you to take them in and begin the Acta with 1750 as I have done and I do not doubt you will find my advice good.«409

So bildete sich ein Netzwerk von zirkulierenden Büchern und gegenseitigen Hin- weisen, das es dem einzelnen Sammler und Forscher ermöglichte, über die ihn jeweils interessierenden Neuerscheinungen und deren Bewertungen schon im vor- aus auf dem laufenden zu sein. Für das Buch als eine auf Gegenseitigkeit beruhende Gabe im Wechselspiel von symbolischem ›Mehrwert‹ und ›Kaufwert‹ findet sich darüber hinaus ein Beispiel im Briefwechsel zwischen Johann Philipp Breyne und dem mit ihm befreundeten Albrecht von Haller. Breyne hatte von einem botanischen Werk – der Enumeratio stirpium Helvetiae indigenarum – aus der Feder Hallers erfahren: »Weil nun dergleichen Bücher erst späte zu uns kommen, wo man sie sich nicht expreß verschreibet, so wollte mir von Euer Hochedelgeb. ein Exemplar davon auf die Ostermeß ausgebeten haben, wollten Euer Hochedelgeb. die Güte haben, von derer Prodromorum parentis mei &c einige Exemplaria davor anzunehmen, so würde mir ein besonderer Gefallen geschehen; ich verkaufe sie sonst das Stück für einen Ducaten.«410 Das Buch, das Breyne anbot, war der Prodromi fasciculi rariorum plantarum, ein Pflanzenbuch, das er 1739 aus den nachgelassenen Papieren seines Vaters her- ausgegeben hatte.411 Sollte ein Tausch, so fährt Breyne fort, Haller nicht genehm sein, so wäre er auch bereit, ihm das Geld in Danzig anzuweisen. In jedem Fall würde er ihm aber ein Exemplar seines Werkes zum Geschenk machen. Ging es Breyne so zum einen darum, möglichst einfach an ein für ihn interessantes Werk zu gelangen, erweiterte er zum anderen in der Praxis des Tauschs seine Mög- lichkeiten. Denn der Vorteil des Tauschs lag darin, daß mit ihm zugleich die An- erkennung seines Buches durch einen bedeutenden Gelehrten verbunden war. Das Kaufen rangiert demnach nach dem Schenken und dem Tauschen an letzter

409 Mendes da Costa an Eward Wright, London, 11. Dezember 1759, BL, Add. 28.544, fol. 288r. 410 Breyne an Haller, Danzig, 22. März 1744, in: HALLER, Freunde, S. 77 f. 411 Siehe ROOB, Breyne, S. 32. Gaben und Gegengaben 125 Stelle. Dies vor allem deshalb, weil, wie Breyne betont, der Buchhandel das ab- gelegene Danzig oft nur mit Verspätung erreicht. Der gegenseitige Tausch der Bücher stellt somit für Breyne die beste Lösung dar, da dieses Vorgehen ihn selbst und seine wissenschaftliche Leistung mit ins Spiel bringt. Vor allem aber trug ein Vorgehen dieser Art dazu bei, die persönlichen Bindungen der Gelehrten untereinander zu festigen und im Vorfeld den Wert wissenschaftlicher Lei- stungen und das eigene Ansehen innerhalb der Gelehrtenrepublik zu ermitteln. Im Falle des Schenkens war es dann Dankbarkeit, die gewissermaßen als ›Wäh- rung‹ erwartet und akzeptiert wurde. Der französische Naturforscher Georges Louis Leclerc de Buffon hatte während mehrerer Jahre die jeweils neu erschiene- nen Bände seiner umfangreichen der Royal Society als Geschenk zugesandt. Im Jahr 1766 stellte Mendes da Costa als damaliger Bibliothekar der Gesellschaft jedoch fest, daß in den letzten Jahren keine weiteren Exemplare des inzwischen auf vierzehn Bände angewachsenen Werkes mehr eingegangen waren. Über den Verlauf seiner Nachforschungen berichtete er an den in Paris lebenden John Turberville Needham. Needham hatte nach mehrmaligen Anfragen in Paris von Buffon erfahren müssen, daß diesem niemals für seine Geschenke gedankt worden war. Darin habe der Autor eine Geringschätzung seines Werkes gesehen und daher von weiteren Sendungen abgesehen.412 Buffon gab sich schließlich mit der im Namen der Royal Society von Mendes da Costa übermittelten Entschuldigung zufrieden; die fehlenden Bände trafen kurz darauf in London ein.413 Wie auch die Veröffentlichung von Johann Jakob Scheuchzers Itinera Alpina 1708 zeigt, war das Verhältnis der Londoner Gesellschaft zu ihren Mit- gliedern und Autoren eher von Sachlichkeit geprägt.414 Besondere Danksagun- gen, zusätzliche Aufmerksamkeiten oder gar Geldzahlungen waren verpönt. Ein Hinweis auf einen Wandel dieser Einstellung gibt jedoch die abschließende Be- merkung Mendes da Costas zur ›Buffon-Affäre‹. An Needham schreibt er: »There are now (since given) standing orders for the secretaries to write Letters of thanks in the name of the society for all future presents so that such an uncivility can never happen again.«415 So gilt im Falle des Buchgeschenks das Prinzip der Gegenseitigkeit. Denn für Buffon war die mangelnde Anerkennung seines Ge- schenkes und damit implizit die seiner wissenschaftlichen Leistung durch die Royal Society gewiß ebenso schmerzlich wie für diese die durch Nachlässigkeit entstandenen Lücken in der Bibliothek. Ähnlich wie Naturalien fügen sich Bücher und Periodika als Gabe in das Ko- ordinatensystem von symbolischer Bedeutung und Kaufwert ein. Auf diese Wei-

412 Mendes da Costa an Turberville Needham, London, 9. Dezember 1766, BL, Add. 28.540, fol. 97r. Inzwischen waren der Bibliothek überdies drei Bände des Werkes durch Diebstahl abhanden gekommen. 413 Turberville Needham an Mendes da Costa, Paris, 12. Februar 1767, BL, Add. 28.540, fol. 101r. 414 Siehe oben, S. 27 f. 415 Mendes da Costa an Turberville Needham, London, 9. Dezember 1766, BL, Add. 28.540, fol. 97v. 126 Gemeinschaft se relativiert sich deren Bedeutung als Informationsmedien und ›Arbeitsinstru- mente‹ innerhalb des gelehrten Austauschs. Über das Zusammenspiel von symbolischer Bedeutung, Kaufwert und Information figuriert sich so der Zusam- menhalt einzelner Forscher innerhalb der kommunikativen Netzwerke der Ge- lehrtenrepublik immer wieder auf neue Weise.

Widmungen Ein weiteres Beispiel für das Zusammenwirken von symbolischer Bedeutung, Ökonomie und Information ist die seit Beginn des Buchdrucks bekannte Praxis der Widmung.416 Die besondere Nennung von Auftraggebern, Mäzenen, Institu- tionen oder besonders geschätzter Forscherkollegen trug nicht nur zu deren hö- herem Ansehen bei. Ebenso konnte der Autor als Initiator einer solchen Wid- mung vom Ansehen der Widmungsträger profitieren. Zeigen läßt sich dies an den wissenschaftlichen Gesellschaften, die sich als Widmungsträger unter den Naturforschern des 18. Jahrhunderts besonderer Be- liebtheit erfreuten. So erfuhr etwa Breyne von Amman aus London Neuigkeiten über ein kurz zuvor von ihm veröffentlichtes Werk: »Die Dedication von Ew Hochgel. Tractat an die Königliche Societet ist ohn allen Zweifel sehr wohl auf- genommen worden. Von dem Tractat selbsten wirdt von denen die in derglei- chen sachen erfahren sind, nicht anders als wohl und rühmlich gesprochen.«417 Dieser Erfolg hielt Breyne jedoch nicht davon ab, sich auch nach verkauften Exemplaren zu erkundigen. Er hatte zuvor schon eine Anzahl Traktate an den Botaniker Johann Jakob Dillenius geschickt mit dem Auftrag, sie zu verkaufen. Da Breyne als wohlhabender Danziger Bürger nur wenig Interesse an einem fi- nanziellen Erfolg seines Traktats haben konnte, ist zu vermuten, daß der Verkauf für ihn vor allem eine Meßlatte für sein Ansehen innerhalb der gelehrten Welt war. Auch der schottische Arzt Patrick Blair wurde mit der Notwendigkeit kon- frontiert, sich und anderen über Erfolg und Mißerfolg seiner Schriften Rechen- schaft zu geben. Blair hatte sich als einer der ersten mit der Anatomie des Elefanten beschäftigt. Seine Osteographia Elephantina erschien 1710 mit finanzieller Unterstützung Sloanes in den Transactions. Kurz darauf schrieb er an Sloane: »Some time agoe, yet since the printing of the Treatise has cost you a great deall of money, and since the Royal Society has been pleased to allow my weak Endeavours to appear in publick, I shall rest satisfyed with the Honour done me by both, being fully convinced of both yr. and their good Inclinations towards me, and being hopefull they’ll be ready to forward the publication of the other Tracts you have from me in yr. hands. I wish yo wou’d be pleased to let me know first at what Rate these Copies are sold with.«418

416 Siehe DAVIS, Books. 417 Amman an Breyne, London, 20. Oktober 1732, Gotha, Chart. B 785, fol. 7r. 418 Blair an Sloane, Cowpar, (o. D.), BL, Sloane 4043, fol. 64r. Gaben und Gegengaben 127 Wenngleich Blairs Osteographia einerseits keinen finanziellen Gewinn brachte – er beklagte selbst das geringe Interesse an anspruchsvollen Büchern dieser Art –, war andererseits die Veröffentlichung innerhalb der angesehenen Transactions durchaus als Erfolg zu werten, da dies ihn mit den Londoner Fellows in Kontakt gebracht hatte. Überdies hatte er Sloane als einen Gönner gewonnen, der ihn auch späterhin großzügig unterstützen sollte.419 Eine finanzielle Hilfe ähnlicher Art erfuhr der Züricher Gelehrte Johann Jakob Scheuchzer. Das Manuskript seiner Naturgeschichte der Schweizer Alpen unter dem Titel Itinera Alpina war zwar nicht das erste gewesen, das er der Royal So- ciety geschickt hatte, doch wegen seines Umfangs und außerhalb einer Veröf- fentlichung in den Transactions bedurfte es hier besonderer Vorbereitungen. Dank der Vermittlung des in Zürich ansässigen englischen Arztes Charles Kinnaird war es Scheuchzer gelungen, den Kontakt zum einflußreichen Sloane, damals erster Sekretär der Gesellschaft, zu knüpfen: »He told me he designed quickly to publish an account of his last journey to the mountains in August 1705 and that he intended to send it to the Society, as he had done three others upon former occaisions; in hopes that the Society will not only look upon his labour and pains as tribute which is due to that illustrious body from one of its own members, but also by some authentique approbation of his pains, either by a letter to him from the Society, or by publishing an account of his discoveries in their Transactions encourage him to finish his intended Hi- stoire.«420 Im Jahr 1708 konnte das Buch dann, durch die Royal Society gefördert und mit einer Widmung an sie versehen, erscheinen. Das Manuskript Scheuchzers ver- blieb in der Bibliothek der Gesellschaft und der Autor selbst erhielt 25 Druck- exemplare. Damit hatten die Londoner ihre Pflicht erfüllt und Scheuchzer konnte mit dem Verlauf dieser Aktion mehr als zufrieden sein. Dennoch hatte anscheinend John Woodward noch während der Drucklegung des Werkes ge- genüber Sloane darauf gedrungen, Scheuchzer ein besonderes Zeichen der Aner- kennung zukommen zu lassen. Aber Sloane stand ganz im Sinne der Politik der Royal Society auf dem Standpunkt, daß die Londoner allein im Dienste der Wissenschaft für die Verbreitung des Werkes zuständig seien und ein vor- dergründig materieller Gewinn für den Autor ausgeschlossen sein sollte.421 Die Royal Society bürgte gewissermaßen mit ihrem guten Namen für die Qualität des Werkes, ohne diese jedoch im Sinne eines Autorenhonorars weiter zu

419 Noch während der Drucklegung hatte er seinem Pessimismus in Bezug auf den Erfolg seines Buches beim Publikum freien Lauf gelassen: »Being now taught by experience that books on any particular science do not pass so well as those that have some kind of a variety to engage the buyers.« Blair an Sloane, Dundee, 15. März 1709, BL, Sloane 4041, fol. 304r. 420 Charles Kinnaird an Sloane, Zürich, 10. Oktober 1705, BL, Sloane 4040, fol. 77r. 421 »Since they [die Royal Society, St. S.] have no other design, but that those, & all such pa- pers should be Published for the General Good; and they, and Dr Thorpe, & all Persons con- cerned, will not only aquire in any thing that shall be For your Benefit, but will be glad to hear of any thing that may be for your Advantage.« Sloane an Scheuchzer, London, 6. März 1706, ZBZ, H 296, S. 53. 128 Gemeinschaft berücksichtigen. Allein die Ehre, unter dem Dach dieser Institution veröf- fentlichen zu dürfen, mußte dem Autor genügen. Seinen Dank dafür drückte Scheuchzer dann durch eine Widmung an die Gesellschaft aus, die sich dafür immer empfänglich zeigte. Dies war gängige Praxis: So empfahl auch Mendes da Costa einem seiner Korrespondenten, der nach einer Möglichkeit zur Publikation eines Sammlungskataloges suchte, sich an die Royal Society zu wenden, und dabei seine deutliche Absicht zu erklären, das Werk dieser zu widmen.422 Ein weiteres Beispiel für den Umgang mit Widmungen ist der Amsterdamer Apotheker Albert Seba. Er stand mit Sloane seit 1724 in Verbindung und hatte sich ihm durch die Zusendung seltener Naturalien und Hinweise auf deren Prä- paration empfohlen. Auch wurde er in den folgenden Jahren unentbehrlich durch seine Rolle als Vermittler von Naturalien und Büchersendungen, die aus Deutsch- land über Amsterdam nach London geschickt wurden.423 Sloane hatte sich nicht nur in seinem Einsatz für eine Mitgliedschaft Sebas in der Royal Society er- kenntlich gezeigt, sondern auch dafür gesorgt, daß ein Aufsatz von ihm in den Transactions erscheinen konnte. Doch ab ca. 1727 plante Seba mit einer ausführlichen Beschreibung seiner Naturaliensammlung weit Größeres.424 Der Locupletissimi Rerum Naturalium The- saurus gehörte mit zu den umfangreichsten Unternehmungen dieser Art im 18. Jahrhundert. Die Abbildungen samt Texten erschienen ab 1734 in insgesamt vier großen Foliobänden, von denen Seba jedoch nur den ersten noch im Druck er- lebte (Abb. 8, 9).425 Er plante von Beginn an, jeden der Bände einer der wissenschaftlichen Gesell- schaften, die ihn zum Mitglied gewählt hatten – der Royal Society, der Accademia delle Scienze in Bologna und der deutschen Leopoldina – zu widmen. Auf dem aufwendigen Titelporträt des Autors im ersten Band des Thesaurus sind diese Mitgliedschaften selbstbewußt vermerkt (Abb. 10). Daher schreibt Seba 1728 an Sloane: »So hoff ich solches [werk] ins künfftige jahr durch die hülfe und beystand gottes complet zu haben und mich die Ehre geben werde eß an die drey

422 »Le premier Livre je presenterai en Votre nom a notre ditte Societe Royale de laquelle comme de tous les scavants de l’Europe je ne doute vous en recevez les applaudissements que je reconnois etre due a votre merite en Literature.« Mendes da Costa an Johann Jakob Ritter, Bois le Duc, 6. Dezember 1748, BL, Add. 28.541, fol. 257v. Der Plan wurde letztlich nicht realisiert. 423 Siehe Seba an Sloane, Amsterdam, 20. September 1726, BL, Sloane 4048, fol. 200r; Seba an Sloane, Amsterdam, 20. Juni 1727, BL, Sloane 4066, fol. 11r, und Seba an Johann Kaspar Scheuchzer, Amsterdam, 7. Februar 1728, BL, Sloane 1968, fol. 22r. 424 »Je n’ay a present entre mes mains la Histoire naturelle des Serpents et des autres rares betes de touts les costé, pour laisser exprimer avec les Print’s«. Seba an Sloane, Amsterdam, 10. Januar 1727, BL, Sloane 4048, fol. 242r. 425 Locupletissimi Rerum Naturalium Thesaurus, Bde. 1–4, Amsterdam 1734–1765. Zu dessen Druckgeschichte siehe SMIDT, List, S. 249 f., und Erhard AHLRICHS, Albertus Seba. Zu seinem 250. Todestag 1986, Oldenburg 1986. Zu Sebas Sammlungen siehe Roelof van GELDER (Hrsg.), De wereld binnen handbereik. Nederlandse kunst- en rariteitenverzamelingen 1585– 1735, Ausstellungskatalog, Amsterdam 1992, S. 328. Gaben und Gegengaben 129 Societates wovon ein mitglit gemacht bin, auf zu Tragen.«426 Im Falle der Royal Society wollte er sich zuvor die Zustimmung des seit einem Jahr amtierenden Präsidenten Sloane einholen, der naturgemäß nichts dagegen einzuwenden hatte.427 Eine solche Anfrage geschah jedoch nicht nur aus Höflichkeit. Die Widmung ehrte den Widmungsträger ebenso wie denjenigen, der die Widmung vornahm. Ein erwünschter Nebeneffekt war auch, daß Sloane nach Erscheinen des ersten Bandes 1734 ein besonders kostbares, handkoloriertes Exemplar er- hielt. Im selben Jahr folgte dann das offizielle Widmungsexemplar für die Biblio- thek der Royal Society samt einigen Kupfern aus den im Entstehen begriffenen Folgebänden, Geschenke, die während einer Sitzung der Gesellschaft von den anwesenden Mitgliedern mit großem Beifall aufgenommen wurden.428

Holländische Pfahlwürmer Auf welche Weise die Karriere eines Gelehrten mit der Präsenz und der Zirkulation eines von ihm publizierten Buches zusammenhing, läßt sich beispielhaft an Gottfried Sellius und seiner Arbeit über die holländischen Pfahlwürmer zeigen, die 1733 unter dem Titel Historia Naturalis Teredinis in Utrecht erschien.429 Auf Empfehlung Breynes hatte Sellius 1724 mit dem Studium der Rechte in Leiden begonnen und in diesem Fach dort 1730 promoviert. Während eines Kurzaufenthalts 1729 in London lernte er, wiederum auf Empfehlung Breynes, Sloane und dessen Sammlung kennen. Vermutlich war es dieser Besuch, der ihn dazu anregte, sich neben seinen juristischen Studien mit der Naturgeschichte zu beschäftigen. Im Jahr 1732 erhielt Breyne nach drei Jahren erstmals wieder einen Brief von Sellius zusammen mit dem

426 Seba an J. K. Scheuchzer, Amsterdam, 17. Dezember 1728, BL, Sloane 4066, fol. 65v. 427 »Quelle ne sera pas disagreable a notre Societé, d’autant plus tous le monde est persuade de vos merites.« Sloane an Seba, London, 1. August 1730 (Abschrift), BL, Sloane 4068, fol. 171r. 428 Siehe Seba an Sloane, Amsterdam, 7. Mai 1731, BL, Sloane 4053, fol. 211r, und Seba an Sloane, Amsterdam, [ca. 1734,] BL, Sloane 4060, fol. 258r. Die Sitzung fand am 21. November 1734 statt. In der Mitschrift heißt es: »This magnificent Work is to consist of four large folio vol- ums. The ingenious curious and most diligent Collector takes in all parts of natural History, and gives us descriptions and figures of things which were scarce ever seen or hearde of before in Europe, which he has collected from all parts of the World with vast Charges as well as Indus- try.« RS, Journal Book (Copy), Bd. 19, S. 27. 429 Gottfried SELLIUS, Historia Naturalis Teredinis, seu Xylophagi marini, tubolo- conchoidis speciatim Belgico. Cum tabulis ad vivum delineatis, Utrecht 1733. Zur Biographie des Autors siehe Johann Georg MEUSEL, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. 13, Leipzig 1816, S. 85–88, und SMIDT, List, S. 251. 130 Gemeinschaft

Abb. 8: Leonurus (Löwenohr), afrikanische Eidechsen, Schmetterlinge und Schlange aus Albert Sebas Locupletissimi Rerum Naturalium Thesauri Accurata Descriptio (1734). Kupferstich. Gaben und Gegengaben 131

Abb. 9: Blätterskelette exotischer Pflanzen aus Albert Sebas Locupletissimi Rerum Naturalium Thesauri Accurata Descriptio (1734). Kupferstich. 132 Gemeinschaft

Abb. 10: Albert Seba in seiner Sammlung. Frontispiz aus Locupletissimi Rerum Naturalium Thesauri Accurata Descriptio (1734). Kupferstich.

Gaben und Gegengaben 133 fertiggestellten Manuskript der Historia.430 Über Breyne gelangte der Text dann kurz darauf zu Sloane in London, mitsamt der Bitte, das Buch der Royal Society vorzustellen und auf Sellius’ Mitgliedschaft hinzuwirken.431 Aber erst nach einer erneuten Intervention von Breyne kam es Ende 1732 zu einer Besprechung in einem der Meetings, woraufhin im März 1733 Sellius zum Mitglied der Royal Society gewählt wurde.432 Über Sloane setzte nach der Veröffentlichung des Buches in Utrecht 1733 der weitere Distributionsprozeß innerhalb der Scientific Community ein: Albert Seba schickte ein Exemplar an Sloane, Sloane sandte weitere Exemplare an Johann Amman in Petersburg und Richard Richardson in North Bierley.433 Interessant ist in diesem Zusammenhang nicht nur, daß Sellius zur Veröffent- lichung seines Buches die gelehrten Netzwerke aktivierte, sondern daß dessen Rezeption innerhalb der Gelehrtenrepublik bereits vor dem Druck stattfand. Schon als Manuskript war die Studie nicht nur in London und Danzig präsent, sondern auch dem Nürnberger Gelehrtenkreis um Christoph Jacob Trew be- kannt. So hatte Sellius 1732 von Utrecht aus die Nürnberger über seine Arbeiten informiert und gleichzeitig das für das kommende Jahr geplante Buch annonciert. Prompt berichtete Trew noch im Dezember diesen Jahres im Commercium litterarium ad rei medicae et scientiae, der Zeitschrift dieses Kreises, ausführlich über die holländischen Pfahlwürmer.434 Zur gleichen Zeit erwähnt der Hannoveraner Johann Georg Steigerthal in einem Brief an Sloane diese Würmer, von denen er ein Exemplar zusammen mit einem Stück angenagten Holzes schon mehrmals in Sloanes Sammlung gesehen habe.435 Ob Steigerthal schon zu diesem Zeitpunkt die Arbeit von Sellius bekannt war, bleibt jedoch unklar. Wahrscheinlich ist, daß ihn Trew zuvor über diese Arbeit informiert hatte, denn es war Trew, der seit 1732 regelmäßig das Nürnberger Commercium über Hannover nach London schickte.436

430 Breyne hatte sich schon einige Jahre zuvor bei Sloane nach Sellius erkundigt, von dem er nichts weiteres wußte, als daß er nach Leiden zurückgekehrt war. Siehe Breyne an Sloane, Dan- zig, 10. Mai 1730, BL, Sloane 4051, fol. 26r. 431 Siehe Breyne an Sloane, 20. April 1732, Gotha Chart. A 877, fol. 73v (Abschrift), und Breyne an Sloane, Danzig, 20. August 1732, BL, Sloane 4052, fol. 166r. 432 Breyne an Sloane, 29. November 1732, BL, Sloane 3984, fol. 301r; Sloane an Breyne, 5. Dezember 1732, Gotha, Chart. B 789, fol. 641r. Sellius wurde am 5. März 1733 zum F.R.S. gewählt. 433 Siehe Seba an Sloane, Amsterdam, [Anfang 1734,] BL, Sloane 4060, fol. 258r; Sloane an Amann, London, 23. Juli 1734, in: RADOVSKIJ, U istokov, Nr. 7, und Sloane an Richardson, London, 13. August 1734, Bodl., Radcliffe Trust, c 9, fol. 17r. 434 »Cuius rei diligentissimam descriptionem Clar. D. D. Godofredi Sellii, qui solertissime hinc institutam observationem nobis Traiecto ad Rhenum transmiserat, benevolentiae debitam acceptamque referimus«. Commercium litterarium ad rei medicae et scientiae …, Bd. 2, Nürnberg 1732, S. 409–414 (24. Dezember 1732), hier S. 409. 435 Siehe Steigerthal an Sloane, Hannover, 21. November 1732, BL, Sloane 4052, fol. 229v. 436 Zu Steigerthal siehe oben, S. 122. 134 Gemeinschaft Als Sellius’ Buch dann im Jahr 1733 endlich erschien, war dessen Inhalt inner- halb der Gelehrtenrepublik schon weitgehend bekannt. Sellius hatte im Vorfeld gewissermaßen Werbung in eigener Sache betrieben: Über das Manuskript brachte er seinen Namen bei seinen ehemaligen Gönnern Sloane und Breyne er- neut ins Spiel und nutzte gleichzeitig über Trew in Nürnberg eine Zeitschrift, um seine Arbeit in weiteren Kreisen der Gelehrtenrepublik zur Diskussion zu stellen. Bemerkenswert ist zudem, daß kurz nach Erscheinen des Buches zwei anony- me deutschsprachige Schriften aus Nürnberg und Frankfurt sich mit dem Thema ›Pfahlwürmer‹ beschäftigten.437 Beide nehmen ausdrücklich Bezug auf die For- schungsergebnisse von Sellius, wodurch Rückschlüsse auf den Verfasser von zu- mindest einer dieser Schriften möglich ist. Bei der Nürnberger Veröffentlichung unter dem Titel Neue Gründlich-Historisch- und Physicalische Beschreibung kann nicht nur wegen des Verlagsorts eine Beteilung von Trew vermutet werden. Darauf deuten auch weitere Indizien hin. Denn der Verfasser erwähnt ein Rundschreiben, welches Sellius im Juli 1732 an »einige hochgeneigte Gönner von uns« abge- schickt habe. Es ist möglicherweise mit dem Schreiben von Sellius identisch, das Trew im Commercium erwähnt. Zudem beschreibt der Autor einen in der Samm- lung Sloanes vorhandenen ähnlichen Wurm, von dem sich eine Abbildung in der »Historia naturalis von Jamaica« befinde.438 Das Buch, Sloanes 1725 vollständig erschienene Voyage to Jamaica, stand dem Verfasser jedoch nicht zur Verfü- gung.439 Auffällig ist, daß Trew seit Februar 1734 direkt bei Sloane wegen eines Exemplars dieses Werkes anfragte, nachdem er zuvor vergeblich bei Nürnberger Buchhändlern danach gesucht hatte. Aber erst im September desselben Jahres erhielt er ein Exemplar dieses Buches aus London.440 Für Trew, wenn er der Verfasser war, mag die Lektüre der Historia Naturalis Teredinis und die Arbeit an der Beschreibung ein Auslöser dafür gewesen sein, sich kurz darauf um ein Exem- plar der Voyage zu bemühen. Sellius hatte es somit verstanden, seit seinem ersten Besuch in London ein tragfähiges eigenes Netzwerk innerhalb der Gelehrtenrepublik aufzubauen. Dies war ihm besonders von Nutzen, als er sich 1734 um den juristischen Lehrstuhl der neugegründeten Göttinger Universität bewarb. So nahm er abermals Kontakt zu Sloane auf, diesmal mit der Bitte, sich für ihn am englischen Hof in dieser Angelegenheit zu verwenden, und zwar sowohl beim englischen König Georg II., der gleichzeitig Kurfürst von Hannover war, als auch bei seinem einflußreichen Berater Gerlach Adolf von Münchhausen. Besonders von letzterem wurde seit

437 Siehe Neue Gründlich-Historisch- und Physicalische Beschreibung des bey einer zeit her zu übelberüchtigten Holländischen See-oder Pfahl-Wurms …, Nürnberg 1733, und Ausführli- cher Bericht von der Großen Plage derer See-Würmer, welche die stärcksten Pfähle an denen Teichen und Dämmen in Holland und Seeland durchbohren und zernagen …, Frankfurt a. M. 1733. 438 Neue Gründlich-Historisch- und Physicalische Beschreibung, S. 16. 439 Siehe ebenda. 440 Siehe Trew an Sloane, Nürnberg, 8. Februar 1734, BL, Sloane 4053, fol. 161r, und Sloane an Trew, London, 21. September 1734 (Abschrift), BL, Sloane 4068, fol. 242v. Gaben und Gegengaben 135 Anfang der dreißiger Jahre die Gründung dieser neuen Universität im Kurfürstentum Hannover tatkräftig betrieben.441 Sloanes Einfluß war sicherlich nicht zu unterschätzen. Er war einer der Leib- ärzte des Königs und auch als Naturforscher bei Hofe wohlbekannt, wie der Be- such Queen Carolines in seiner Sammlung im Jahr 1727 belegt.442 Zudem ver- fügte Sloane über beste Kontakte zu der sich seit 1714 in London etablierenden ›German Community‹ im Umfeld Georgs II. Zu ihr zählten etwa der Hofapothe- ker Jäger, der schon mehrfach erwähnte Hannoveraner Leibarzt Johann Georg Steigerthal und der aus Sachsen stammende Philipp Henry Zollmann.443 Insbe- sondere Zollmann kann als einer ihrer typischen Vertreter gelten. In Sachsen ge- boren, kam er 1714 über eine Hofmeisterstelle nach London, wo er sich bald im Verlauf des Prioritätsstreites zwischen Newton und Leibniz um die Erfindung der Differentialrechnung einen Namen machte, indem er die Interessen Leibniz’ in London vertrat.444 Seit 1723 war er dann als Secretary of Foreign Corre- spondence im Dienste der Royal Society tätig und gleichzeitig an diplomatischen Missionen beteiligt, die ihn nach Paris, Hannover und Stockholm führten. Ob- wohl Zollmann, nach Einschätzung seiner Zeitgenossen, als Naturforscher kaum Begabung besaß, war er, an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik sowie durch seine ausgedehnte Reisetätigkeit, für die Londoner Wissenschaftler wert- voll. So ist es kein Wunder, daß Sloane Sellius’ Bitte gerade an ihn, der damals als Hauslehrer für den Herzog von Cumberland arbeitete, weiterleitete. Gegenüber Sellius begründete Sloane sein Vorgehen damit, daß Zollmann über gute Kon- takte zu den Hannoveraner Gesandten in London, Hattorff und Reick, verfü- ge.445 Auf welche Weise sich Zollmann konkret für Sellius einsetzte, ist nicht näher bekannt. Überliefert ist jedoch, daß der Bewerber die Stelle schließlich erhielt.446 Im März 1736 konnte Paul Gottlieb Werlhoff, Mitglied des medizinischen Kolle- giums in Hannover, an Sloane berichten, daß der Verfasser der Historia Teredinis Professor Extraordinarius der Rechte in Göttingen geworden sei, wobei er be- zeichnenderweise in diesem Zusammenhang Sellius’ Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturgeschichte hervorhebt.447 Zu erwähnen ist auch, daß sich diese Ernen-

441 Siehe zur Gründung einer juristischen Fakultät in Göttingen Wolfgang SELLERT, Die Juri- stische Fakultät der Georgia Augusta in historischer Perspektive, in: Hans-Günther SCHLOTTER (Hrsg.), Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der Georg-August- Universität zu Göttingen, Göttingen 1994, S. 55–65. 442 Siehe oben, S. 25. 443 Siehe DAVIS, German Thought, S. 76 f. 444 Siehe MASSARELLA, Zollmann, S. 221 f. 445 Siehe Sloane an Sellius, London, 13. Februar 1734, BL, Sloane 4068, fol. 261r. 446 Auch seine ansehnliche Privatbibliothek hat bei der Zusage eine Rolle gespielt. Siehe SEL- LERT, Fakultät, S. 58. 447 »Godofredus Sellius professor iuris extraordinarius, qui historiam teredinis scripsit, et quae regiam societatem et ipse cooptatus est, museum naturae et artis curiositatibus nitide instructum habet«. Werlhoff an Sloane, Hannover, 9. März 1736, BL, Sloane 4054, fol. 194r. 136 Gemeinschaft nung bald darauf als ein Fehlgriff erwies. Schon seine erste Vorlesung geriet »wegen stimmlicher Probleme zum Fiasko«, die Zuhörer scheinen, wie ein Kol- lege später anmerkte, »unter Hohngelächter« fluchtartig den Raum verlassen zu haben.448 Spätere Stationen dieser unruhigen Gelehrtenexistenz waren dann Hal- le, wo Sellius eine weitere kurze Professur bekleidete, Amsterdam und Paris.449 Die Zirkulation der Historia Naturalis Teredinis innerhalb der gelehrten Welt noch vor ihrer Veröffentlichung 1733 zeigt, wie ein einzelner Gelehrter am System gegenseitiger Verpflichtungen und gelehrter Empfehlungen partizipieren konnte. Das Buch über die Pfahlwürmer hatte Sellius dann, nach Erscheinen, als Türöff- ner zu jenen Kreisen gedient, die in Hannover und London unmittelbaren Ein- fluß auf die Stellenpolitik in Göttingen hatten. Die Besetzung eines juristischen Lehrstuhls unter tätiger Mithilfe von Naturforschern und Sammlern zeigt die Of- fenheit eines Systems, in dem es weniger auf professionell-gelehrtes Profil als auf eine geschickte Nutzung der Netzwerke der Gelehrsamkeit ankam.

Subskriptionen Einen weiteren Beitrag zur Zirkulation gedruckter Literatur innerhalb dieser Netz- werke leisteten Subskriptionen naturhistorischer Bücher. Subskription hatte schon eine Rolle bei der Veröffentlichung von Scheuchzers Itinera Alpina und Blairs Osteographia durch die Royal Society gespielt. Ein weiteres Beispiel ist die Natural History of Carolina von Mark Catesby. Sie wurde zwar nicht wie Scheuchzers Itinera direkt durch die Londoner Gesellschaft gefördert, doch auch diese Publikation basierte im wesentlichen auf dem öffentlichen Zusammenspiel von interessierten Sammlern und gelehrten Naturforschern.450 Catesby war 1712 von seiner ersten Reise nach Virginia mit einer großen Sammlung von Naturalien nach London zurückgekehrt und zog damit fast über Nacht die Aufmerksamkeit der Royal Society auf sich. Petiver, Sloane und She- rard waren sich des Wertes der dort gesammelten und bis dahin unbekannten Pflanzen bewußt, und es war ihrem Einfluß zu verdanken, daß Catesby eine wei- tere Reise finanziert werden konnte. Schon bald nach seiner erneuten Abreise Richtung Nordamerika, sein Ziel war diesmal Carolina, setzte die Konkurrenz der Sammler um die von ihm nach England geschickten Pflanzen und Naturalien ein. Sie hofften auf neues Material für ihre Sammlungen. Aber Catesby verfolgte demgegenüber eigene Interessen. Er hatte schon während seiner ersten Reise Be- schreibungen, Verzeichnisse und vor allem Bilder angefertigt, mit der Absicht, sie künftig in Form eines Buches der Öffentlichkeit vorzustellen. Auch in diesem Fall konnte er auf die Unterstützung der wohlhabenden Sammler im Umkreis der Royal Society rechnen. Kurz nach seiner Rückkehr machte er sich 1726 daran, die

448 Siehe SELLERT, Fakultät, S. 59. 449 Es wäre sicher wert, diese wechselhafte Karriere zwischen Jurisprudenz und Naturge- schichte näher nachzuzeichnen. Sellius war u. a. 1766 an der ersten Übersetzung von Winckel- manns Kunstgeschichte ins Französische beteiligt. Siehe MEUSEL, Schriftsteller, Bd. 13, S. 88. 450 Zu Catesby siehe oben, S. 83. Gaben und Gegengaben 137 Abbildungen für einen Druck vorzubereiten. Der erste Band wurde 1729 vorgestellt. Als 1743 der letzte Teil dieser Arbeit erschien, umfaßte die Liste der Subskribenten insgesamt 166 Personen.451 Ein ähnlicher Erfolg wäre nicht denk- bar gewesen, wenn Catesby nicht schon vorher bei seinen Exkursionen öffentlich unterstützt worden wäre. Entstehungsgeschichte und späterer Erfolg hingen somit unmittelbar zusammen. Aber nicht nur die Akzeptanz beim Publikum, sondern die Möglichkeit, seine langjährigen Bemühungen in einem Werk vereint zu sehen, hatten Catesby bei seiner Arbeit angetrieben. So schrieb er an Sloane: »My design was to keep my Drawing intire […] in order to give a gen’ll History of the Birds and other animals, which to distribute seperately would wholly frustrate that designe, and be of little value to those who would have so small fragments of the whole.«452

Subskription bedeutete in diesem Fall nichts anderes als eine Art kollektiver Pa- tronage. Indem sie das Buch von den Zwängen des freien Marktes bewahrte – die seine Entstehung unmöglich gemacht hätten –, konnte es als eine Gabe an die Gemeinschaft der Naturforscher begriffen werden.453 Es ist jedoch ein Irrtum, in der Subskription, die erstmals im 18. Jahrhundert auf dem Buchmarkt in Erscheinung trat, die alleinige Voraussetzung für die Entstehung des freien Autors zu sehen, der sich auf diese Weise sicher finanzieren konnte. Denn ebenso si- cherte die Subskription, indem sie den Charakter der Gabe besaß, ein direktes Verhältnis zwischen Autor und Rezipienten, womit sie wesentlich zu dessen Iden- tität als ›Künstler‹ oder in diesem Falle als Wissenschaftler beitrug. Bei Subskrip- tionen ist so über das Ökonomische hinaus der symbolische ›Mehrwert‹ zu be- rücksichtigen. Subskriptionen waren besonders dann nötig, wenn es sich um Bücher mit Ab- bildungen handelte, deren Herstellung aufwendig und kostenintensiv war. Das gilt besonders für die Natural History of English Insects von Eleazar Albin, in der jede Tafel einem anderen seiner Gönner gewidmet ist.454 Einer dieser Subskri- benten und damit Widmungsträger war Breyne in Danzig, der 1719 ungeduldig die erste Lieferung über Sherard erwartete. Er sehe es als große Ehre an, schrieb er, von Albin an so prominenter Stelle gewürdigt zu werden.455 Übrigens hoffte Breyne noch mehrere Jahre später auf eine Neuauflage, da unter seinen Bekann- ten die Nachfrage nach diesem Werk immer noch sehr groß sei.456 Auch in dieser Hinsicht – als Anreiz zu weiterer Werbung – konnte sich eine Widmung bezahlt machen.

451 CATESBY, Carolina, S. 320. 452 Catesby an Sloane, Charles Town (Virginia), 15. August 1724, BL, Sloane 4047, fol. 212r. 453 Siehe zu diesem Thema allgemein Reinhard WITTMANN, Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Überblick, München 1991, S. 143–170. 454 Siehe Eleazar ALBIN, A Natural History of English Insects. Illustrated with A Hundred Copper Plates, Curiously Engraven from the Life …, London 1720. 455 Siehe Breyne an Sherard, Danzig, 23. August 1719, RS, Sherard Correspondence 252, S. 92. 456 Siehe Breyne an Sherard, Danzig, 15. September 1722, RS, Sherard Correspondence 252, S. 96. 138 Gemeinschaft Mendes da Costa blieben ebenfalls die Mühen einer naturgeschichtlichen Pu- blikation und die damit verbundene Suche nach Subskribenten nicht erspart. So wandte er sich etwa an den Londoner Anatomen William Hunter mit der Bitte, ihm die ersten Abzüge von Illustrationen zu einem neuen Buch zusenden zu dürfen. Die kolorierten kosteten fünf, die unkolorierten nur drei Schilling.457 Bei dem Buch handelte es sich um die Conchology, or Natural History of Shells, die Men- des da Costa zusammen mit seinem Kollegen George Humphrey erarbeitet hatte, und deren sechs, hauptsächlich aus Abbildungen bestehende Teile, im Verlauf des Jahres 1771 anonym erschienen. Fünf Jahre später kamen als weitere Werke die Elements of Conchology und im Jahr 1778 die Historia naturalis Testaceorum Bri- tanniae heraus, für die Mendes da Costa diesmal als Autor allein verantwortlich zeichnete. Für ihn, der von 1767 bis 1772 als Schuldgefangener im King’s Bench Prison einsaß, waren diese Veröffentlichungen nicht nur eine Möglichkeit, als Wissenschaftler hervorzutreten, sondern auch ein Testfall im Hinblick auf seine soziale Reputation, und damit in gewisser Hinsicht als ›Rehabilitationsmaßnahme‹ zu begreifen. Im Falle der Conchology meldeten sich insgesamt 111 Subskribenten, darunter 22 Mitglieder der Royal Society, was um so bemerkenswerter ist, als Mendes da Costa ja nur wenige Jahre zuvor gerade die Gesellschaft um erhebliche Summen betrogen hatte.458 Am Beispiel von Naturalien, Büchern, Widmungen und Subskriptionen läßt sich somit ein gemeinsames Muster aufzeigen. Deutlich wird hier die Praxis von Gabe und Gegengabe als Voraussetzung für den Zusammenhalt innerhalb einer Gemeinschaft von Sammlern und Naturforschern. Überdies ist erkennbar, daß das System gegenseitiger Verpflichtungen zuweilen äußerst fragil war. Konkur- renzdenken und übersteigerte Erwartungen stellten die Stabilität der Beziehungen immer wieder in Frage. So sind kommunikative Praktiken dieser Art ein Indikator für die Einbindung des einzelnen Gelehrten und Sammlers in die Netzwerke der Gelehrtenrepublik. Im folgenden Teil wird es darum gehen, die Knotenpunkte dieser Netzwerke, die Sammlungen selbst, näher in den Blick zu nehmen, als die Orte, an denen sich der Sammler ordnend und betrachtend in unmittelbarer Nähe zu seinen Objekten befand.

457 »I presume to trouble you with the present Letter on the following account. I am a party concerned in a new publication of a Natural History of Shells with Engravings which are col- oured for the Curious who desire it & to be published Monthly. As I have a fair [share?] on all I sell I have presumed to send you the 1st number coloured which hope you will take from me […] the couloured are 5d [Schilling] each the uncoloured only 3d [Schilling].« Mendes da Costa an William Hunter, London, 7. Januar 1771, BL, Add. 28.538, fol. 236r. Zur Datierung und den Verfassern des Buches siehe WHITEHEAD, Da Costa, S. 16–21. 458 Siehe WHITEHEAD, Da Costa, S. 22. Zum ›Fall‹ Mendes da Costa siehe unten, S. 243 f.

2. SAMMLUNGSRÄUME

»Of great riches there is no real use, except it be in the distribution, the rest is but conceit.«1 Die ersten Naturaliensammlungen entstanden im Umkreis der Kunst- und Rari- tätenkabinette des 16. Jahrhunderts, die zu dem Zweck errichtet wurden, die Wun- der der Natur in all ihrer Vielfalt dem Betrachter vor Augen zu führen.2 Sie ver- einigten sowohl Kunst- als auch Naturgegenstände, die, anders als in der für uns heute gewohnten Weise, nicht streng voneinander geschieden wurden und damit dem Bedürfnis entsprachen, die Vielgestaltigkeit der Welt unter dem Aspekt der Rarität, des Kostbaren und Außerordentlichen im Sammlungsraum zu vereinen. Ziel war es, eine Art inszenierte Gesamtschau sowohl von artificialia, den Kunst- gegenständen, als auch den naturalia, den Naturgegenständen, zu bieten.3 Kostbare Steine, Muscheln und anatomische Präparate fanden sich in unmittelbarer Nach- barschaft von Automaten, Maschinen, wissenschaftlichen Instrumenten und Bil- dern, also all desjenigen, was nicht von der Natur, sondern von Menschenhand geschaffen worden war. Doch innerhalb dieser universalistischen Schauräume, die als eine Art Mikro- kosmos die große Welt im Kleinen abbildeten, entstanden erstmals kritische Ar- beiten auf dem Gebiet der Naturgeschichte. Die Beschreibung der seit der Antike verbürgten drei Reiche der Natur – mineralia, vegetabilia und animalia – gab den Rahmen vor, innerhalb dessen die Objekte der Natur neu beschrieben und syste- matisiert wurden.4 Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam dann das von Bacon pro-

1 BACON, Essays, S. 165 (Of Riches). 2 Siehe allgemein neben den in der Einleitung (S. 4, Anm. 11) aufgeführten Ausstellungskatalogen zum Thema auch: van GELDER, Wereld, und Claudia RÜTSCHE, Die Kunstkammer in der Züricher Wasserkirche. Öffentliche Sammeltätigkeit einer gelehrten Bürgerschaft im 17. und 18. Jahrhundert aus museumsgeschichtlicher Sicht, Bern 1997. Aus der älteren Literatur seien hier genannt: David MURRAY, Museums, their History and their Use, Bde. 1–3, Glasgow 1904, und Julius von SCHLOSSER, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance. Ein Beitrag zur Geschichte des Sammelns, Leipzig 1908. 3 Siehe dazu BREDEKAMP, Antikensehnsucht, und Silvio A. BEDINI, The evolution of Science Museums, in: Technology and Culture 6 (1965), S. 1–29. 4 Zur naturgeschichtlichen Sammlung vor 1700 und deren ideengeschichtlichen Hintergrün- den siehe Paula FINDLEN, Francis Bacon and the Reform of Natural History in the Seventeenth Century, in: Donald R. KELLEY (Hrsg.), History and the Disciplines. The Reclassification of Knowledge in Early Modern Europe, Rochester 1997, S. 239–260, und Katharine PARK/Lor- raine J. DASTON, Unnatural Conceptions. The Study of Monsters in Sixteenth- and Seventeenth- Century France and England, in: Past & Present 92 (1981), S. 20–54. Der Situation in England Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 141 pagierte Programm eines traditionskritischen Empirismus hinzu, als einer weiteren Rechtfertigung naturgeschichtlichen Sammelns. Die Wunder der Natur, ihre Monstrositäten und Abweichungen sollten in gleicher Weise wie das Normale und Regelmäßige katalogisiert und beschrieben werden. Unter dem Dach der Wunderkammern bildete sich somit ein Bereich empirisch fundierter Natur- geschichte heraus, deren Gegenstände weniger dem Vergnügen des neugierigen Besuchers dienten als vielmehr der wissenschaftlichen Beschreibung. Die Natu- raliensammlung wurde auf diese Weise zum Arbeitsinstrument einer sich an kriti- schen Maßstäben orientierenden Wissenschaft. Nicht mehr die Sammlung selbst stand im Vordergrund, sondern die in ihrem Umfeld erbrachten Fortschritte auf dem Gebiet der Naturgeschichte. Zumal aus der Perspektive einer spezialisierten Naturgeschichte verlor die Sammlung damit ihren Charakter als persönliche Lei- stung eines einzelnen Sammlers. Spektakuläre Einzelobjekte wichen Objekten, die in ihrer systematischen Beschreibung zum Allgemeinbesitz der Wissenschaft und des mit ihr verbundenen Erkenntnisfortschritts wurden. Spezialisierung, Profes- sionalisierung und Öffentlichkeit sind die Stichworte, unter denen die Sammlung vor allem zu Beginn des 18. Jahrhunderts ihren Charakter als Ort des Wunder- baren und Außerordentlichen immer mehr verlor. Unter dem Druck der Empirie vermehrten sich die Bestände der Sammlungen, oder vielmehr dessen, was zu sammeln für wert befunden wurde, gewaltig. Die sy- stematisch-empirische Arbeit des Katalogisierens und Beschreibens schuf daher, wie Wolf Lepenies bemerkt, eine Art ›Entlastung‹, indem sie die von außen ein- dringende Fülle neuen Materials intern ordnete.5 Doch eine Sammlung stand nicht mehr allein für sich selbst, sondern bedurfte vermittelnder Medien wie Briefe, Bücher und Zeitschriften, um diese Arbeit als Gemeinschaftsanstrengung vieler Sammler zu organisieren. Diese quantifizierende Erfassung der Bestände und das Bedürfnis, sie in schriftlicher Form zu fixieren, läßt sich etwa an der Liste ablesen, die Sloane 1725 im Vorwort zum zweiten Band seiner Voyage abdruckte. Dort finden sich die im Laufe seines Lebens in den unterschiedlichsten Bereichen gesammelten Naturalien verzeichnet, darunter 8 226 verschiedene Pflanzen, 3 824 Insekten, 3 752 Schalentiere, 1 394 unterschiedliche Metalle und Mineralien sowie 3 753 Muscheln und Fossilien. Doch damit sind nur die umfangreichsten Teile dieser wahrhaft mon- strösen Sammlung aufgeführt. Kleinere Abteilungen enthielten etwa Bernstein, Vogeleier, Seesterne oder Nierensteine.6 Obgleich Sloane von seiner Ausbildung her Naturforscher war, erstreckte sich seine Sammlung auf alle damals gängigen Sammlungsgebiete. Neben den Naturalien im engeren Sinne finden sich daher

widmet sich die Arbeit von Ken ARNOLD, Cabinets for the Curious. Practicing Science in Early- Modern English Museums, Diss. Princeton 1991 (Ms.). 5 Siehe Wolf LEPENIES, Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, München 1976, S. 22. 6 Siehe MACGREGOR, Sloane, S. 29. 142 Sammlungsräume auch in großer Zahl Kunstgegenstände wie Münzen und Medaillen, deren Bestand im Laufe der Zeit auf 23 000 Stück anwuchs.7 Doch trotz dieser im weitesten Sinne enzyklopädischen Ausrichtung der Samm- lung waren deren Bestände intern nach einzelnen Gebieten streng voneinander getrennt. So knüpfte die Sloane-Sammlung in ihrer Grundtendenz an die universa- listischen Sammlungsmodelle der vorhergehenden Jahrhunderte an, schuf aber zugleich Raum für eine spezialisierte Beschäftigung mit einzelnen, voneinander systematisch unterschiedenen Sammlungsgebieten.8 Im Falle Sloanes verbindet sich somit traditionell-virtuose Sammelleidenschaft auf dem Gebiet der artificialia mit dem Anspruch einer systematisch-spezialisierten Beschäftigung im Bereich der naturalia. Wie umfangreich Sloanes Sammlung war, zeigt sich besonders bei ihrem Um- zug vom Bloomsbury Square nach Chelsea im Jahr 1742. Der daran beteiligte Umzugsunternehmer berichtet anschaulich und detailliert von den Mühen dieser Aktion, bei der neben der eigentlichen Sammlung die 42 000 Bücher in offenen Wagen vor die Fenster des Hauses gefahren wurden, um dann wie ›Ziegel‹ von einem im ersten Stock stehenden Angestellten aufgefangen zu werden.9 Dieser eminent praktische Umgang mit dem Sammlungsmaterial kontrastiert dann mit den Problemen, die eine sammlungsinterne Organisation der Bestände aufwarf. Eine von Sloane geplante und von seinen Kollegen immer wieder angemahnte Veröffentlichung seiner Sammlungskataloge kam wegen der schieren Menge des Materials niemals zustande. Zur Zeit des erwähnten Umzugs war die Zahl dieser handschriftlich geführten Bände auf insgesamt vierzig angewachsen (Abb. 16).10 Erst eine neben und nach Sloane einsetzende Arbeitsteilung der Sammler, die ihre Bestände im Medium gedruckter Kataloge und handschriftlicher Verzeichnisse untereinander abstimmten, sollte die planvolle wie genaue Erfassung von großen Beständen dieser Art möglich machen. Vor diesem Hintergrund der Sammlung im Dienst einer methodisch gesicher- ter Naturgeschichte ist jedoch nach alternativen Praktiken und Wahrnehmungs- weisen zu fragen, die eine Gestaltung des Sammlungsraums zu Beginn des 18. Jahrhunderts prägten. Gerade die Sloane-Sammlung macht deutlich, daß tra- ditionelle Sichtweisen oft neben innovativen Tendenzen standen. Zu nennen ist hier zunächst die ältere Tradition der Kunst- und Wunderkammer, in der die Sammlung als Schauraum erschien und der Betrachter stellvertretend in den Ob- jekten die Wunder der Welt erfahren konnte. Vereinfacht gesagt: Es kam hier nicht auf die Vollzähligkeit der Objekte an, sondern auf die Ideen, die der Be- trachter mit ihnen verband und die auf diese Weise eine Einheit der Sammlung garantierten. Des weiteren ist die Anbindung der Sammlung an die Sphäre der Konsum- und Warenwelt zu nennen. Mit einem Markt für Naturalien im 18.

7 Siehe ebenda, S. 28 f. 8 Siehe FINDLEN, Nature, S. 394. 9 Siehe MACGREGOR, Sloane, S. 28. 10 Siehe ebenda, und unten, S. 235. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 143 Jahrhundert erweiterte sich zunächst der Kreis derjenigen, die Sammlungen an- legten und bereit waren, hohe Summen für den Erwerb neuer Objekte auszu- geben. Es war eben dieser Druck des Marktes, unter dem die Einheit einer durch lange Jahre stetig gewachsenen Sammlung zunehmend in Frage gestellt wurde. Insgesamt kennzeichnet die Situation im 18. Jahrhundert, daß das Vordringen des privaten Sammlers und das damit verbundene Beharren auf den persönlichen Vorlieben und Leidenschaften gleichzeitig immer wieder durch den Anspruch auf das richtige, methodische Sammeln von Seiten professionell betriebener Naturgeschichte unterlaufen wurde. Der Sammlungsraum mit seinen Objekten als Teil privater Lebensgestaltung steht so im Widerspruch zum entindividuali- sierten Betrieb wissenschaftlicher Forschung. Um Gegensätze dieser Art soll es im folgenden gehen.

2.1 Die naturgeschichtliche Sammlung zwischen Wissenschaft und Lebensstil

Zu den Legitimationsstrategien der frühmodernen Wissenschaften gehörte seit jeher die Verständigung über ein gemeinsames Inventar an Methoden und Prak- tiken der Forschung und eine damit verbundene Abgrenzung gegenüber bisheri- gen Traditionsbeständen. In dieser Hinsicht bedeutete die Beschäftigung mit der Naturgeschichte jedoch nicht nur eine kritische Überprüfung des überlieferten Wissensbestandes, sondern führte zugleich zu einer Vergesellschaftung der an ihr beteiligten Forscher, die sich im Verlauf des 17. Jahrhunderts erstmals als eine homogene Gruppe begriffen.11 Um Naturforschung durchführen zu können, be- durfte es der Organisation entweder im Rahmen der überkommenen Institutio- nen oder der Herausbildung neuer Formen gemeinschaftlichen Forschens. Der Zusammenhalt und die Identität des neuen Typus Naturforscher rührte somit nicht allein von einem neuen, methodengeleiteten Blick auf die Natur her, sondern auch von einer gemeinsamen, spezifischen Interessenlage. Aus dem Blick- winkel des 20. Jahrhunderts hat Max Weber die Vorgeschichte der modernen Wissenschaften unter dem Stichwort der Professionalisierung zu deuten versucht: »Naturwissenschaften wie etwa die Physik, Chemie, Astronomie setzen als selbst- verständlich voraus, daß die – soweit die Wissenschaft reicht, konstruierbaren – letzten Gesetze des kosmischen Geschehens wert sind, gekannt zu werden. Nicht nur, weil man mit diesen Kenntnissen technische Erfolge erzielen kann, sondern, wenn sie ›Beruf‹ sein sollen, ›um ihrer selbst willen‹.«12 Die Folge einer solchen auf methodisch-professionellem Fortschritt beruhenden Haltung war, daß der Forscher als Individuum zunehmend aus dem Blick geriet. Es setzte damit eine Entwicklung ein, die das mit den Wissenschaften und deren

11 Siehe FERRONE, Wissenschaftler. 12 Max WEBER, Wissenschaft als Beruf, in: Ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Johannes Winckelmann, 7. Aufl. Tübingen 1988, S. 582–619, hier S. 599. Die Rede stammt aus dem Jahr 1919. 144 Sammlungsräume Fortschritt verbundene Glücksversprechen zunehmend weniger auf die Gegen- wart des einzelnen Forschers als auf die Zukunft bezog. Worin besteht der Ge- winn der Wissenschaft für den Einzelnen? Unter dem Aspekt einer »Beschleu- nigung des theoretischen Prozesses« hat Hans Blumenberg – dessen Sicht der kri- tischen Diagnose Webers durchaus verwandt ist – die Konsequenzen dieses Be- rufes für den Einzelnen auf den Punkt gebracht: »Das Mißverhältnis zwischen dem, was an theoretischen Einsichten in die Realität gewonnen ist, und dem, was davon dem einzelnen zur Orientierung in seiner Welt vermittelt werden kann, ist von bestürzender Unabwendbarkeit.«13 Was einerseits an neuer Welterfahrung ge- wonnen wurde, führte andererseits zu einem Identitätsverlust des erkennenden Individuums, das nun nicht mehr über die Gegenstände der Erkenntnis frei ver- fügte, sondern sich von ihnen auf methodischer Grundlage distanzierte. Vor diesem Hintergrund zeigt sich die naturgeschichtliche Sammlung und der Umgang mit ihr als Teil dieses Erfahrungsprozesses zwischen wissenschaftlicher Distanzierung und der Gestaltung einer Lebenswelt, die es ermöglichte, diese Distanz zu überwinden und sich der Welt in den Objekten wieder zu nähern. Doch blieb das Verhältnis des Besitzers und Sammlers zu seinen Objekten auf Dauer problematisch. Im weiteren Sinne gehört Walter Benjamins Archäologie der Warenwelt ebenso hierher wie Georg Simmels Nachdenken über das Ver- hältnis persönlicher und sachlicher Kultur. Letzterer spricht rückblickend auf das frühe 19. Jahrhundert von »jene[m] ›Verwachsen‹ der Persönlichkeiten mit Ge- genständen ihrer Umgebung, das schon der mittleren Generation heute als eine Wunderlichkeit der Großeltern erscheint«.14 Es geht dabei letztlich um die Grundhaltung des Menschen zu seinen Objekten und um das Verhältnis persön- licher Kultur zur Kultur der Dinge. Wie weit dies von Einfluß auf die Identitäts- bildung des Sammlers ist, soll im folgenden näher betrachtet werden.

Virtuosi und Pedanten In einem Tagebucheintrag vom November 1665 berichtet Samuel Pepys über einen Besuch bei John Evelyn in Deptford nahe London, bei welcher Gelegen- heit ihm der Gastgeber Teile seiner Sammlung vorstellte und ihn mit seinen gegen- wärtigen literarischen Projekten bekanntmachte: »He read to me very much also of his discourse he hath been many years and now is about, about Guardenage [Gartenbau, St. S.]; which will be a most noble and pleasant piece. He read me part of a play or two of his making, very good, but not as he conceits them, I think, to be. He showed me his Hortus hyemalis; leaves laid up in a book of several plants, kept dry, which preserve Colour however, and

13 Hans BLUMENBERG, Die Legitimität der Neuzeit, erneuerte Ausgabe Frankfurt a. M. 1996, S. 273. 14 Georg SIMMEL, Persönliche und sachliche Kultur, in: Ders., Aufsätze und Abhandlungen 1894–1900, hrsg. von Heinz-Jürgen Dahme und David P. Frisby, Frankfurt a. M. 1992, S. 560– 582, hier S. 573. Ausführungen Benjamins zur Wohnkultur des 19. Jahrhunderts finden sich in: Walter BENJAMIN, Das Passagen-Werk, hrsg. von Rolf Tiedemann, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1983, S. 52 und 291 f. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 145

look very finely, better than any herball. I find, a most excellent person he is, and must be allowed a little for a little conceitedness; but he may well be so, being a man so much above others.«15 Der Eindruck, den Evelyn auf seinen Besucher Pepys machte, beruhte im we- sentlichen auf der Wirkung der von ihm gesammelten Objekte und des sich in ihrem Zusammenhang ergebenden Gesprächs. Es war nicht allein die soziale Stellung Evelyns – als reicher Landbesitzer und Günstling Charles’ II. –, sondern gerade die Präsenz von Bildung und Geschmack, für die der Sammlungsraum die angemessene Umgebung bot und die den von Pepys gleichfalls wahrgenommenen Standesdünkel (conceitedness) in den Hintergrund treten ließ. Wie selbstverständlich ging das Gespräch vom Traktat über Gärtnerei hin zu seinen dramatischen Versuchen und von dort zum mit Winterpflanzen, das einer genaueren Untersuchung unterzogen wurde. Pierre Bourdieu hat dieses Zusammenspiel von sozialer Praxis und den daraus resultierenden Repräsentationen und symbolischen Ordnungen unter dem Begriff der Lebensstile zu beschreiben versucht. Der Begriff des Geschmacks liefert hier ein primäres Ordnungs- und Wahrnehmungsschema, das die Vielfalt kultureller Erscheinungen als klassifizierbare Praktiken und mithin als Lebensstile deutlich werden läßt.16 Sammlungen und überhaupt die Welt materieller Objekte lassen sich demnach als Manifestation eben jenes Lebensstils begreifen, indem sie nicht allein als passives Ornament der Lebenswelt erscheinen, sondern im Gegenteil ge- rade in ein enges Verhältnis zu ihrem Besitzer treten. Ständische Repräsentation und differenzierender Geschmack gehen hier Hand in Hand. Jedoch darf Ge- schmack im Falle Evelyns nicht allein im Sinne eines verfeinerten Ästhetentums und weltabgewandter Kennerschaft verstanden werden. In einer nachfolgenden Passage berichtet Pepys über den Auftritt eines anderen Gastes – des sturzbe- trunkenen Captain Cocke –, mit dem das Gespräch eine andere Wendung nahm.17 Auch hatte Evelyn schon zuvor die Unterhaltung auf einige Gedichte eher anzüglichen Inhalts gebracht – »some little poems of his own, that were not trancendent«18 –, so daß die Unterbrechung vor diesem Hintergrund eher will- kommen erscheinen mußte. Dieser auf Kommunikation und persönlichem Austausch beruhende Lebens- stil, der sich mit Hilfe der von Pepys beschriebenen Szene en détail beobachten läßt, wurde von den Zeitgenossen des 17. Jahrhunderts mit dem Begriff des Vir- tuoso in Verbindung gebracht.19 Er trat zum erstenmal im Umkreis italienischer

15 Samuel PEPYS, The Shorter Pepys, ausgewählt und hrsg. von Robert Latham, London 1985, S. 551. 16 Siehe dazu Pierre BOURDIEU, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteils- kraft, 11. Aufl. Frankfurt a. M. 1999 (frz. 1979), S. 277 f. 17 »Here comes in the middle of our discourse, Capt. Cocke, as drunk as a dog, but could stand and talk and laugh.« PEPYS, Pepys, S. 551. 18 Ebenda. 19 Siehe den klassischen Aufsatz von Walter E. HOUGHTON, The English Virtuoso in the Seventeenth Century, in: Journal of the History of Ideas 3 (1942), S. 51–73, 190–219, ferner auch 146 Sammlungsräume Adelshöfe und Akademien im vorhergehenden Jahrhundert auf und setzte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts auf dem ganzen Kontinent durch. Das für Gene- rationen prägende Modell war hierbei Baldassare Castigliones Il libro del Cortegiano – das Buch vom Hofmann – von 1528. Bildende Kunst, Literatur, Musik und Naturgeschichte wurden hier eingebunden in ein System richtiger Lebensführung und allseitiger Bildung als Hintergrund weltzugewandter Geselligkeit und Kon- versation. Die Entstehung eines neuen Raumtyps – des ›Studiolo‹ – datiert eben- falls aus dieser Zeit. Hier konnte sich der Besitzer von den Geschäften des Alltags zurückziehen, Freunde empfangen und der Beschäftigung mit Kunst und Natur nachgehen.20 Folgerichtig mußte das Aufkommen der neuen Wissenschaften im 17. Jahr- hundert in Konkurrenz zu diesem umfassenden Bildungskonzept treten. Nütz- lichkeit und Empirie und die auf dieser Grundlage entstehenden Spezialsamm- lungen ließen keinen Platz mehr für individuell geprägte Sammlungsräume, in denen Kunstwerke einträchtig neben Objekten der Natur zu finden waren und die Welt der artificialia nicht deutlich von der der naturalia getrennt wurde.21 Denn es war gerade diese Vermischung beider Bereiche, wie etwa in den Gesprächen John Evelyns, die den Boden für die Herausbildung eines persönlichen Lebens- stils bereiteten. Die neue Wissenschaft mit ihren Techniken der Taxonomie und Systematik ließ hierfür jedoch nur wenig Raum. Im Gegenteil: Das System der Wissenschaft war gerade auf die Nivellierung individueller Erfahrungsräume aus- gerichtet und fand seine Erfüllung in einem für alle verbindlichen Bezugssystem einheitlicher Beschreibung zusammen mit den damit verbundenen Techniken der Kommunikation. Abweichungen von diesem Schema mußten den in den Wissen- schaften versierten Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts verdächtig erscheinen. So bemerkte Caspar Friederich Neickel in seiner 1727 veröffentlichten Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum oder Raritäten- Kammern, daß viele der Sammler aufgrund ihrer mangelnden Kenntnisse auf dem Gebiet der Wissenschaften überhaupt nicht in der Lage seien, richtige Sammlun- gen anzulegen, wobei er auf Erfahrungen in seiner unmittelbaren Umgebung zurückgreifen konnte: »Ich habe bey den unsrigen in Hamburg unterschiedliche sowol nur aparte Ca- binetter, als auch gantze dazu angelegte Kammern besehen: Ich kan aber nicht sa- gen, daß ich bey einem einzigen die geringste Ordnung, sondern alles in richtiger confusion gefunden, ja nach einiger Meynung haben sie es noch schön inventio- nieret, und ihre Raritäten besonders wohl aufgezieret.«22

Barbara SHAPIRO/Robert G. FRANK, The English Scientific Virtuoso in the 16th and 17th Centuries. Papers read at a Clark Library Seminar 5. February 1977, Los Angeles 1979, und Katie WHITAKER, The culture of curiosity, in: Nicolas JARDINE/James A. SECORD/Emma C. SPARY (Hrsg.), Cultures of Natural History, Cambridge 1996, S. 75–90. 20 Siehe dazu Wolfgang LIEBENWEIN, Studiolo. Die Entstehung eines Raumtyps und seine Entwicklung bis um 1600, Berlin 1977. 21 Siehe BREDEKAMP, Antikensehnsucht, S. 17. 22 NEICKEL, Museographia, S. 424. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 147 Der Brite Richard Pulteney, um ein weiteres Beispiel für die Kritik an unwissen- schaftlichen Privatsammlungen anzuführen, unterteilte die Sammler noch 1790 in zwei verschiedene Klassen, von denen die einen mit ihren dilettantischen Vor- stellungen von Wissenschaft den Fortschritt auf dem Gebiet der Botanik in ernst- haften Verruf gebracht hätten, die anderen jedoch als Männer von Talent und Gelehrsamkeit Gefahr liefen, mit ihnen auf eine Stufe gestellt zu werden.23 Um 1700 richtete sich die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf das Normale und Regelmäßige in der Natur. Noch Bacon und seine Nachfolger hatten in den Mittelpunkt ihrer Forschungen dagegen das Außerordentliche und Ungewöhnli- che, die Betrachtung von Mißbildungen, Monstren und anderen Abweichungen vom normalen und gewohnten Gang der Natur gestellt.24 Die Vernetzung der Sammlungen untereinander, die Sammlung des Faktenwissens, trug zudem dazu bei, daß der geschlossene Charakter des Sammlungsraums, wie er noch bei Eve- lyn als Ausdruck von Geschmack und Lebensstil eine wichtige Rolle spielte, im- mer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde. In den Bereichen von Mineralo- gie, Fossilienkunde, Botanik und Zoologie erwies sich die Sammlung als Labor und Forschungsstätte, in der neue Erkenntnisse über die Entstehung der Erde oder das menschliche Leben gewonnen wurden. Überhaupt wurde erst durch die Sammlungen eine spezielle Klasse von Objekten geschaffen, die, so Ken Arnold, unmittelbar im Dienst wissenschaftlicher Erkenntnis standen und von denen aus Explorationen in die Welt der Theorie unternommen werden konnten.25 Auf diese Weise waren Sammlungen eingebunden in das System naturwissen- schaftlicher Ausbildung, so etwa im Rahmen von Akademien, gelehrten Gesell- schaften oder Universitäten. Sie wurden so zu Produktionsstätten des Wissens, eines Wissens, das hier am Objekt demonstriert und visualisiert werden konnte. Besonders deutlich wird dies auf dem Gebiet der Medizin. So war etwa der Besuch des anatomischen Theaters der Universität Leiden ein unverzichtbarer Bestandteil der dortigen medizinischen Ausbildung und trug, zusammen mit den dort wirkenden Professoren, wesentlich zur Anziehungskraft der Universität bei (Abb. 11). Albrecht von Haller berichtet: »Daß Theatrum ist in einer Kirche aufgerichtet und hat in runden, stufenweise erhöhten Bänken Raum genug vor vierhundert Zuschauer. Im Sommer ist es über- all mit Gerippen von Menschen und Thieren und allerhand Merkwürdigkeiten be- deckt, wie es dann auch die Bauernmägde nie unbesehen lassen.«26

23 »Men of the first learning and talents in this branch of knowledge, have frequently levelled with the most superficial enquirers and the most ignorant pretenders.« Richard PULTENEY, Historical and Biographical Sketches of the Progress of Botany in England from its Origin to the introduction of the Linnean System, London 1790, S. ix. 24 Siehe dazu ausführlich DASTON/PARK, Wonders, S. 291 f. 25 Ken Arnold nennt dies treffend »Calling up ideas in front of visible objects«. ARNOLD, Cabinets, S. 1. 26 HALLER, Dagboek, S. 42. 148 Sammlungsräume

Abb. 11: Das Leidener anatomische Theater. Kupferstich von Willem Swanenburgh (1610).

Dieses Theater, das die Funktion eines Vorlesungsraums mit dem einer Samm- lung von Naturalien und anatomischen Präparaten verband, war nicht allein den Studenten vorbehalten, sondern übte auch eine erhebliche Anziehungskraft auf das gewöhnliche Volk aus. War das auf Schrift und Wort basierende gelehrte Stu- dium den meisten damaligen Menschen verschlossen, so konnte doch das Ver- gnügen am Sichtbaren, an den vielfältigen dort ausgestellten Objekten der Natur eine Brücke vom populären Interesse Vieler hin zu einer spezialisierten Gelehr- samkeit der Wenigen schlagen. Erweist sich hier der Sammlungsraum als nach außen hin durchlässig, so definierte er zuweilen auch eine Grenze zwischen der Welt der Wissenschaft und der Welt populärer Schaulust. Der in Amsterdam leh- rende Arzt Frederik Ruysch nutzte seine private Sammlung nicht nur zu eigenen anatomischen Studien, sondern auch zu anatomischen Demonstrationen im Bei- sein seiner Studenten. Von täglich zwölf bis halb zwei Uhr fanden in seiner Sammlung medizinische Vorlesungen statt. Er war sich überdies wohl bewußt, Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 149 daß die von ihm entwickelten Präparationsmethoden denen seiner Kollegen weit überlegen waren.27 Doch blieb diese Art des Umgangs mit der Natur im Bezugssystem von Em- pirie, Klassifizierung und Professionalisierung nicht unwidersprochen. Schrift- steller wie Joseph Addison, Alexander Pope oder Jonathan Swift entwarfen den Typus des lebensfremden Pedanten, dessen Gelehrsamkeit in scharfem Kontrast zur Haltung der Men of Letters gesehen wurde.28 Der wissenschaftliche Sammler hatte sich in seinem Tun im Hinblick auf ein übergreifendes Bildungs- und Erfahrungskonzept zu rechtfertigen; es genügte nicht, sich allein auf einen in der Zukunft liegenden Erkenntnisgewinn einer vollständigen Beschreibung der Natur zu berufen. Immer bestand der Verdacht, daß sich das von ihm angehäufte Material in einem bloßen Selbstzweck und im unwichtigen Detail erschöpfte. Das läßt sich etwa an zwei 1750 in der Zeitschrift Rambler erschienenen Essays von Samuel Johnson ablesen, in denen dieser sich mit dem Phänomen des Sam- melns von Naturalien auseinandersetzte.29 In einem fiktiven Brief eines manischen Sammlers, der im Laufe seines Lebens das von seinem Vater ererbte Vermögen zum Ankauf von Kuriositäten durchbringt, entwirft Johnson das Porträt eines Mannes, dessen brennende Neugier (ardour of curiosity) sich auf alle bekannten Wis- sensbereiche erstreckt, ohne daß er sich wie viele seiner Zeitgenossen auf ein be- stimmtes Interessengebiet geworfen hätte.30 In einem folgenden, erläuternden Essay unterzog Johnson diese Haltung, die auf den ersten Blick jeder wissenschaftlichen Pedanterie zu widersprechen scheint, jedoch einer scharfen Kritik, in deren Mittelpunkt der Vorwurf einer mangelnden philosophischen Durchdringung der Sammlung steht. Denn der Sammler bedürfe eines erkenntnistheoretischen Bezugssystems als eines Leitfadens, ohne den er in der Fülle des Materials Gefahr liefe, verloren zu gehen: »He will not easily be brought to undergo again the toil of thinking, or leave his toys and trinkets for arguments and principles.«31 Auf diese Weise stellt Johnson das Sammeln in den Dienst eines individuellen Bildungspro-

27 »Zo is myn voornemen private Collegien te mynen Huyse daar over te houden, en dat’t gehele jaar door, sonder ophouden, van twaalf tot een of half twee uuren. In dit Collegie sal ik alle partyen, ja ook alle de kleenste deeltjens van ’s menschen Lighaam aanwysen, en sijn dese voor ’t grootste gedeelte, in een seer heldere voght gehangen, waar door veele zaken klaarder kunnen werden gezien, als buyten de Voght, gedrooghtt en hard gemaakt zynde.« Frederik RUYSCH, Thesaurus anatomicus primus decumus en Het anatomische cabinet, Amsterdam 1701–1715 (Het sesde anatomisch Cabinet, Vorrede). 28 Siehe Aleida ASSMANN, Der Sammler als Pedant, in: Aleida ASSMANN/Monika GOMILLE/ Gabriele RIPPL (Hrsg.), Sammler – Bibliophile – Exzentriker, Tübingen 1998, S. 261–273; Joseph M. LEVINE, Strife in the republic of letters, in: Hans BOTS/Françoise WAQUET (Hrsg.), Com- mercium Litterarium. Forms of Communication in the Republic of Letters 1600–1750. Lectures Held at the Colloquia Paris 1992 and Nijmegen 1993, Amsterdam 1994, S. 301–319, und Roger D. LUND, »More Strange than True«: Sir Hans Sloane, King’s Transactioneer, and the Deformation of English Prose, in: Studies in 18th Century Culture 14 (1985), S. 213–230. 29 Siehe Samuel JOHNSON, The Rambler. A periodical paper, published in 1750, 1751, 1752, London 1824, S. 140–144 (Nr. 82; 83). 30 Siehe ebenda, S. 141. 31 Ebenda, S. 143. 150 Sammlungsräume zesses. Nur so sei es möglich, die Praxis naturgeschichtlichen Sammelns zu recht- fertigen. Johnson sieht im Sammeln eine Technik der Wissensaneignung, die sich von ihrem Wesen her auf alle Bereiche erstreckt und in dieser prinzipiell extensiven Haltung einer intensivierenden Natur- und Welterfahrung im Wege stehen muß. In Johnsons grundsätzlicher Kritik an den, wie er sich ausdrückte, »petty spec- ulations«32 der Naturforscher findet sich erneut die grundsätzliche Problemlage naturgeschichtlichen Sammelns im 18. Jahrhundert zwischen distanziert-empiri- scher Betrachtung in den Wissenschaften und dem lebensweltlichen Nutzen für den Einzelnen. Denn anders als die nützlichen Naturwissenschaften – man denke etwa an die ins Praktische umsetzbaren theoretischen Einsichten in der Physik – hat es die naturgeschichtliche Sammlung schwer, sich über das Kuriose hinaus zu rechtfertigen. Bestenfalls dient sie als Materialkammer, als Ort weiterführender analytischer und systematischer Studien.

Physikotheologie und Wunderkammer Der für die neuzeitliche Wissenschaft so entscheidende Deutungswandel vom Wunderbaren in Form von Rarität und Kuriosum hin zum Normalen und Geord- neten im systematisierten Objekt vollzog sich vor dem Hintergrund des Samm- lungsraumes. Dessen Erfahrung war noch im 18. Jahrhundert bestimmt von einer Einheitlichkeit und Geschlossenheit, die eine wissenschaftliche Distanzierung zu den dort versammelten Objekten immer wieder unterlief. Angesichts dieses Be- fundes stellt sich jedoch die Frage, auf welche Weise die Wissenschaft auf den Vorwurf des mangelnden Lebensbezugs reagierte und wie der Sammlungsraum als persönlicher Erfahrungsraum bewahrt werden konnte, ohne daß damit der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit aufgegeben wurde. Die um 1700 aufkommende Physikotheologie läßt sich als Versuch einer Ant- wort auf diese Problemstellung begreifen: Als theologisch fundiertes Bezugssy- stem verbindet sie wissenschaftlich-empirische Forschung mit der Frage nach dem eigentlichen Nutzen dieser Tätigkeit. Ihren Ausgang nahm diese Betrachtungs- weise mit den 1691/92 veröffentlichten Three Physico-Theological Discourses von John Ray sowie mit William Derhams Physico-Theology von 1713, die beide eine Fülle weiterer Schriften in der ersten Hälfte des Jahrhunderts nach sich zogen.33 Im Zentrum der Physikotheologie stand die Auffassung »einer sinnvollen Einrich- tung der natürlichen Welt«34 und damit insgesamt die Wende zu einer positiven Bewertung der Natur, die nicht mehr im Sinne traditioneller Theologie als Ver- fallsgeschichte, sondern im Gegenteil im optimistischen Sinne als vernünftig ge- ordnet betrachtet wurde. Es entstanden vor allem in den protestantischen Län-

32 Ebenda. 33 Siehe dazu Udo KROLZIK, Physikotheologie, in: Gerhard KRAUSE/Gerhard MÜLLER (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie, Bd. 26, Berlin/New York 1996, S. 590–596; KONDYLIS, Aufklä- rung, S. 242–247, und Wolfgang PHILIPP, Physicotheology in the : appear- ance and history, in: Studies on Voltaire and the Eighteenth Century 57 (1967), S. 1233–1267. 34 Siehe KROLZIK, Physikotheologie, S. 592. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 151 dern eine Fülle sogenannter ›Bindestrich-Theologien‹, die sich unterschiedlichster Themen aus dem Bereich der Naturgeschichte zuwandten.35 Um nur ein Beispiel unter vielen zu nennen: An der Stelle, wo Derham in seiner Physico-Theology die Wirkungen atmosphärischer Erscheinungen beschreibt, heißt es: »The Atmosphere, or Mass of Air, Vapours and Clouds, which surrounds our Globe, will appear to be a matter of Design, and the infintely wise Creator’s Work, if we consider its Nature and Make, and its Use to the World.«36 In einer Art Zirkelschluß entsteht auf diese Weise ein positives Bild des Schöp- fergottes, indem im Gegenzug die in ihrem Aufbau als sinnvoll und nützlich er- kannte Natur wiederum auf ihren Schöpfer verweist. Aus dieser Perspektive er- fuhren dann die naturgeschichtliche Sammlung und die mit ihr verbundenen Praktiken der Untersuchung eine Aufwertung. Die Sammlung war der Ort, an dem das Material dem kritischen Blick des Betrachters zur Verfügung stand: »Let us cast our Eyes here and there, let us ransack all the globe, […] let us exam- ine them with all our Gauges, measure them with our nicest Rules, pry into them with our Microscopes, and most exquisite Instruments.«37 Die verschiedenen Objekte der Natur werden hier Teil eines umfassenden, theo- logisch motivierten Deutungszusammenhangs und, das ist ebenso wichtig, mittels optischer Instrumente einer genauen Untersuchung unterzogen. Im Kontext dieses physikotheologischen Deutungsmusters erscheint die Samm- lung als in sich geschlossener Betrachtungsraum, in dem die Natur den Kriterien von Ordnung und Vernunft unterworfen wird. Das Sammeln aus physikotheo- logischer Perspektive förderte zudem – oft durch das Mikroskop hindurch – den Blick auf das partikulare Sammlungsobjekt und dessen Details.38 Dem entsprach eine allgemeine Neugier auf die Welt jenseits der Studierstube und damit verbun- den der Wunsch, die Natur in ihrem schier unerschöpflichen Reichtum neu zu entdecken und unvoreingenommen zu beschreiben.39 Dieser sich um 1700 voll- ziehende Wandel hin zu einem dezidiert optimistischen Naturverständnis ist je- doch nur mit Blick auf die Tradition der Kunst- und Wunderkammer ganz zu verstehen. Gemeinsam war beiden das theologisch fundierte Bezugssystem, in des-

35 Für das 18. Jahrhundert wurden etwa 800 dieser Werke gezählt. Siehe ebenda. 36 William DERHAM, Physico-Theology or, a Demonstation of the Being and Attributes of God, from his Works of Creation, London 1713, S. 4. 37 Ebenda, S. 38. 38 Siehe allgemein zum Sehen im Kontext der Frühaufklärung Majorie NICOLSON, Science and Imagination, Ithaca 1956. Zum Thema Nah- und Fernblick siehe auch die Arbeit von Anne STENDER, Die Kunst, vernünftig sehen zu lernen. Optische Instrumente und literarische Wahrnehmung bei Barthold Hinrich Brockes, Staatsarbeit Hamburg 1998 (Ms.). Auf Brockes (1680–1747), dessen umfangreiches Werk ›Irdisches Vergnügen in Gott‹ im Zusammenhang physikotheologischen Denkens eine wichtige Rolle spielt, kann an dieser Stelle allerdings nicht näher eingegangen werden. 39 Siehe Sara STEBBINS, Maxima in Minimis. Zum Empirie- und Autoritätsverständnis in der physikotheologischen Literatur der Frühaufklärung, Frankfurt a. M. 1980, S. 45. 152 Sammlungsräume sen Perspektive der Sammlungsraum als ein einheitlicher, die Schöpfung wider- spiegelnder Betrachtungsraum erschien. Als ein Beleg hierfür können eine Reihe von Gelegenheitsgedichten gelten, in denen sich auf unterschiedliche Weise die Erfahrung des Sammlungsraums und seiner Objekte niederschlägt. Ihr Anliegen war es, die Sammlung als Repräsentation der von Gott geschaffenen Welt darzu- stellen. Sie geben auf diese Weise – gewissermaßen vortheoretisch – ein Erfah- rungsmodell von Welt wieder, das sowohl auf die barocke Kunst- und Wunder- kammer wie auch auf die systematisch-wissenschaftlichen Sammlungen des 18. Jahrhunderts verweist. Die Physikotheologie läßt sich somit als eine Art Brücke zwischen beiden Sammlungskonzepten begreifen – eine Brücke jedoch, die, um beim Bild zu bleiben, sich auf Dauer nicht als tragfähig erwies.40 Der Kieler Universitätsprofessor und Sammler Johann Daniel Major hat den Besuch einer Sammlung – es handelt sich um die Kunstkammer des Herzogs Friedrich III. in Gottorf bei Schleswig – in einem umfangreichen Preisgedicht von 1682 festgehalten. Schon der Titel Himmlische Beschauung der Göttlichen allergröst- und herrlichen Kunst-Kammer der gantzen Welt rückt das Museum zunächst in die Perspektive einer barocken Weltfahrt und damit in einen kosmologischen Zusammenhang: »Hier ist das rechte Hauß der grössten Raritäten; Hier ist die höchste Pracht/ die Ordnung und die Zier/ (Trotz aller ird’schen Kunst!) in einen Bund getreten: Kein Winckel ist/ da GOTT nicht leuchte klar herfür. Ein jeder Stern erheischt wol sieben Ewigkeiten/ Bloß ihn alleine nur genungsam durch zu seh’n: Wer nennet uns den Tag und letzten Punct der Zeiten/ Da allen übrigen auch würd ihr Recht gescheh’n?«41 Diesen kosmologischen Verweischarakter der Sammlung hat der Verfasser auch an einer anderen Stelle kenntlich gemacht, wo er ausdrücklich die Verwendung wissenschaftlicher Instrumente ablehnt. Die Sammlung ist hier jedoch sowohl ba- rocker Schauraum als auch ein Ort, an dem, ganz im physikotheologischen Sinne, die Werke Gottes einer genaueren Betrachtung zur Verfügung stehen: »Dann schau’/ O schau mir doch den Wunderhalt der Sterne: Schau die Planeten-Welt/ schau doch das Wunder an: Nicht durch Sehgläser mehr/ nicht zweiffelnd’/ und von ferne; Nein/ sondern in der Näh. Schau doch/ was GOTT gethan. Wie/ solte wol die Pracht so grosser Meisterstücke/

40 Über dieses letztlich gescheiterte Konzept schreibt poinitiert KONDYLIS, Aufklärung, S. 243 f. 41 Das Gedicht ist abgedruckt in: Michael Bernhard VALENTINI, Museum Museorum oder vollständige Schau-Bühne aller Materialien und Specereyen nebst deren Natürlichen Beschrei- bung, Election, Nutzen und Gebrauch …, Teile 1–3, Frankfurt a. M. 1706–1714, hier Teil 2, S. 110–112. Zum Hintergrund dieses Gedichtes und der Person des Sammlers Major siehe Corne- lis STRECKER, Das Museum Cimbricum von 1688 und die cartesianische ›Perfection des Gemü- thes‹. Zur Museumswissenschaft des Kieler Universitätsprofessors Johann Daniel Major, in: An- dreas GROTE (Hrsg.), Macrocosmos in Microcosmo: Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450–1800, Opladen 1994, S. 603–628. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 153

Wie solte so ein Schatz von überwerthem Werth/ Eh’ er noch recht erkant/ in einem Augenblicke/ So bald’ und unverhofft zerflatern mit der Erd?«42 Es ist der Mensch als Betrachter, der Gottes ›Meisterwerk‹ der Schöpfung hier im Rahmen einer Sammlung aus der Nähe anblickt. Er tut dies nicht im distan- zierenden Blick aus der Ferne, unterstützt durch das ›Sehglas‹ des Fernrohrs, son- dern überläßt sich ganz der ›Nahwirkung‹ der versammelten Objekte. Die Samm- lung selbst ist hier das Instrument, mit Hilfe dessen die Schöpfung Gottes auf eine dem Menschen begreifbare Weise aufbereitet wird. Auch das barock-pessimisti- sche Motiv der Vergänglichkeit aller Naturwerke wird an dieser Stelle aufgegeben: Die Sammlung dient nicht allein genauerer Betrachtung der Objekte, sondern auch dazu, sie auf Dauer vor dem Verfall zu bewahren. So ist dieses Preisgedicht, ganz im Sinne physikotheologischen Denkens, letztlich ein Plädoyer dafür, sich dem Detailreichtum der von Gott geschaffenen Natur zuzuwenden. Das die ba- rocke Wunderkammer kennzeichnende Gleichgewicht von Nah- und Fernper- spektive, der miteinander korrespondierenden Bereiche von Mikrokosmos und Makrokosmos, wird hier jedoch im genau betrachtenden Nahblick unterlaufen. Es ist dieser Nahblick, der als Blick auf das Detail der Objekte die Einheit des barocken Sammlungsraums sprengt. Auf andere Weise findet sich dieses Verhältnis von Einheit und Vielfalt im Detail in einem Gedicht aus dem Jahr 1712, das wohl unmittelbar nach einem Besuch der Sammlung Sloanes niedergeschrieben wurde. Der anonyme Verfasser schlägt hier zunächst den Bogen von der Erschaffung der Welt und den ersten Menschen im Paradies bis hin zur Sammlung selbst: »When the first man in Paradise had plac’d He look’d around and view’d all natures face The world had gather’d to its ma[s]ters view Its severall kind each wondrous creature know.«43 Aus dieser Perspektive wird die Einheit des Sammlungsraums durch den direkten Bezug auf die biblische Schöpfungsgeschichte sichergestellt. Die Sammlung wird hier als Paradies imaginiert, als bewußte Inszenierung einer theologisch als ideal verbürgten Natur. Folgerichtig sind es hier in gleichem Maße artificialia wie natu- ralia die, sich gegenseitig ergänzend, die Bewunderung des Besuchers hervorru- fen: »Nor natures works have fill’d thy draughts alone The Arts and customs of the world are shown«.44

42 VALENTINI, Museum, Teil 2, S. 110 (Hervorhebung St. S.). 43 ›A poem occasion’d by the viewing Dr. Sloans Musaeum London Dec: 1712‹, BL, Sloane 1968, fol. 192r. Siehe zu diesem Gedicht auch WHITAKER, Curiosity, S. 89. 44 ›A poem occasion’d by the viewing Dr. Sloans Musaeum London Dec: 1712‹, BL, Sloane 1968, fol. 192v. 154 Sammlungsräume Aber die Vergegenwärtigung der Sammlung im Rückgriff auf die Schöpfungs- geschichte hindert den Besucher der Sloane-Sammlung nicht, die dort versammel- ten naturalia genauer zu benennen. Die Aufzählung hält hier die Mittelstellung zwischen einer Vergegenwärtigung der Einheit der Natur im Paradies und einer fragmentarisch-enzyklopädischen Sicht auf das Einzelobjekt.45 Dieser Blick auf die Natur als Schöpfung Gottes und als vielfältig-disparates Ensemble stellt die Sammlung damit in den Kontext der Physikotheologie: »Here Quadrupeds in all their shaps surround Obsequious fishes pross to launch the shoare And all its birds the Aery Region lose Its vegetable world the Earth sustain’d And various minerals its womb contain’d The admiring Lord ye wide Creation knew And gave to ev’ry part it’s name anew. Thy crowded world thus do I now survey Wishing with wondring Eyes for longer day«.46 Der Sammlungsraum als ›Haus‹, in dem sich die Schätze der Welt sammeln, ist das Thema eines Gedichts von Daniel Wilhelm Triller aus der Mitte des 18. Jahr- hunderts, in dem er die Aktivitäten Johann Heuchers als Vorsteher des Dresde- ner Naturalienkabinetts preist.47 Im Unterschied zu den bisher zitierten Texten ist hier jedoch eine Akzentverlagerung in Richtung auf eine offene, in das Netz- werk eines umfassenden Naturalientauschs eingebundene Sammlung spürbar. Die Sammlung ist in ihrer Pracht nicht einfach nur Stätte der Bewunderung der Schöpfung Gottes, sondern sie ist auch ein Ort mühsamer Arbeit, eben der Ar- beit des Sammelns und Zusammentragens: »Allhier hat die Natur ihr Schatzhaus angelegt, Was Asien gezeugt, und was Europa trägt, Was in Amerika und Afrika zu finden, Das will hier Kunst und Fleiß versammlen und verbinden.«48 Hier erscheint, wie schon in der Tradition der Wunderkammer vorgezeichnet, die Sammlung als Repräsentation der Welt, wobei sie freilich den Sammlungsraum als prinzipiell offenes System vorführt, der ebenso durch gegenwärtiges wie durch zukünftiges Material gekennzeichnet ist. Da es sich jedoch um ein Preisge-

45 Siehe zum Paradies-Motiv John PREST, The Garden of Eden. The Botanic Garden and the Re-Creation of Paradise, New Haven/London 1981, S. 39. 46 ›A poem occasion’d by the viewing Dr. Sloans Musaeum London Dec: 1712‹, BL, Sloane 1968, fol. 192r. 47 Siehe Daniel Wilhelm TRILLER, Zufällige Gedanken über das unvergleichliche Königl. und Kurfürstl. Naturalienkabinett in dem prächtigen Zwingergarten zu Dresden (1766), in: Hansjörg KÜSTER/Ulf KÜSTER (Hrsg.), Garten und Wildnis. Landschaft im 18. Jahrhundert, München 1997, S. 74–76. Das Dresdener Kabinett wurde seit 1718 im Hinblick auf die Einrichtung eines Naturalienkabinetts einer Neugestaltung unterzogen, wobei Heucher als Leibarzt des Kurfürsten eine wichtige Rolle spielte. Siehe dazu BECKER, Raritäten-Kabinett, S. 58. 48 TRILLER, Gedanken, S. 74. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 155 dicht auf den Sammler Heucher handelt, der qua Amt für den sächsischen Kur- fürsten tätig ist, ist es vor allem Heucher in seiner Funktion als Sammler oder vielmehr Organisator, auf dessen Person alle Fäden des Naturalien-Commerciums hin zulaufen: »Du hast dies große Werk erst glücklich unternommen, Und durch dich ist es auch zu solcher Höh gekommen: Wo lebt der Meister nun, dem es so weit gelingt, Daß er dir nahe kommt, und dises noch vollbringt«.49

Da die Sammlung innerhalb eines geschlossenen Raumes inszeniert wurde und in diesem Rahmen die Möglichkeit einer Vergegenwärtigung der göttlichen Schöp- fung bot, war sie auch immer ein visuelles Ereignis. Die Sammlungen des 18. Jahrhunderts – darauf hat Barbara Maria Stafford zu Recht hingewiesen – erwiesen sich in der Bewertung des visuellen Elements, der Schaulust, als ambivalent: »Hence the cabinet of curiosities, too, existed ambiguously in between entertain- ment, performance, and practical instruction.«50 Für dieses Zusammenwirken von visuellen und utilitären Faktoren innerhalb einer Sammlung findet sich ein weiterer Beleg bei Michael Bernhard Valentini, der in seinem Museum Museorum von 1714 bemerkt: »Und ob ich zwar weder diese noch andere Chymische Zubereitungen gäntzlich verwerffe […] so soll und muß man die vorige und einfache Artzneyen deswegen nicht geringer halten […] zumahlen sie nicht allein dem Nutzen nach/ sondern auch in Ansehen derjenigen Ergetzung/ so curiose Gemüther aus deren An- schauen empfinden/ den letzteren weit vorzuziehen sind. Man setze einmahl alle Salia, Spiritus, Olitäten und dergleichen bey einander und sehe/ ob dieselbige so wohl lassen/ als die in so vielen Kunst- und Naturalien Kammern spielende Sim- plicia so in allerhand gläntzenden Ertzen/ schön bebildeten Steinen/ Muscheln/ Wurzteln/ Blumen/ fremden Thieren/ Vögeln/ Fischen und dergleichen beste- hen.«51 Trotz ihres wissenschaftlichen Gebrauchswerts bewahren, so könnte man über- spitzt formulieren, die Sammlungen ihren visuellen Eigensinn auch dann, wenn es, wie in diesem Fall, um eindeutig praktische Belange auf dem Gebiet der Phar- mazie geht. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist der Sammlungsraum teilweise noch von dem Prinzip der Wunderkammer des vorhergehenden Jahrhunderts geprägt. Der durch die Physikotheologie motivierte Nahblick auf die Objekte kündigt schon jene Sichtweise an, in der die Sammlung als ›Vorratskammer‹ rein wissen- schaftlich-systematischen Zwecken dient. Doch wie gehen die sammelnden Zeitgenossen im 18. Jahrhundert mit diesen Widersprüchen um? Mit dem Blick auf die alltägliche Praxis des Sammelns lassen sich die bis hierhin dargelegten Problemlagen weiter differenzieren.

49 Ebenda, S. 76. 50 STAFFORD, Science, S. 218. 51 VALENTINI, Museum, Teil 1 (Vorrede). 156 Sammlungsräume »Employment for the mind«: Die Sammlung als Privatraum

Wie schon der Besuch Samuel Pepys bei John Evelyn gezeigt hat, konnte die Sammlung den Rahmen eines vertrauten Colloquiums abgeben, für das die dort versammelten Objekte gleicherweise Anlaß zu freundschaftlichem Austausch wie persönlicher Selbstdarstellung waren. Sammlung, Objekte, Besitzer und Besucher bildeten somit eine untrennbare Einheit, in der sich nicht zuletzt die Praktiken früh- neuzeitlicher Geselligkeit manifestierten. Auf diese Weise holte die Sammlung nicht nur die Welt in die geschlossene Stube hinein, sie war auch im umgekehrten Sinne als Privatraum zu verstehen, in dem die Bezugssysteme von Professionali- sierung, Systematik und Physikotheologie nur eine beschränkte Geltung hatten. Der Sammlungsraum war eines jener im Verlauf des 18. Jahrhunderts entstehenden »Refugien der Intimität«, die zunehmend das bürgerliche Leben bestimmten.52 Möglich wurde dies unter anderem dadurch, daß sich das Verhältnis von Arbeits- zeit und Freizeit wandelte. Das Private bot den Rückzugsraum, in dem sich, ohne unmittelbare Bindung an die Sorge um das tägliche Brot, individuell geprägte Akti- vitäten ungestört entfalten konnten.53 Das Spektrum reichte hier von populären Unterhaltungsangeboten bis hin zur Lektüre von Büchern oder der Beschäftigung mit den Wissenschaften, wobei letzteres eben oft das Zusammentragen einer na- turgeschichtlichen Sammlung mit einschloß. Beispiele für diese Haltung lassen sich in jener vor allem in der englischen Pro- vinz angesiedelten Sammlerkultur finden, bei der sich kurioses Interesse, wissen- schaftlicher Ehrgeiz und soziales Standesbewußtsein miteinander verbanden. Be- sonders das Sammeln von Mineralien und Fossilien war hier populär.54 Dies hing zum einen mit dem von den Physikotheologen geweckten Interesse an der Erd- geschichte zusammen, die eine theologisch fundierte Schöpfungsgeschichte in einem neuen Licht erscheinen ließ, zum anderen aber auch damit, daß dieses The- ma zunehmend im Medium des Buches popularisiert wurde. Vor allem im prote- stantisch geprägten England fiel diese Art der Beschäftigung mit der Natur- geschichte auf fruchtbaren Boden. Gedruckte Bücher zu diesem Thema stießen sowohl bei Männern wie Frauen auf reges Interesse.55 Hinzu kam, daß gerade die wissenschaftlichen Debatten um eine richtige Bewertung und Klassifizierung von

52 Siehe Orest RANUM, Refugien der Intimität, in: Philippe ARIÈS/Georges DUBY (Hrsg.), Geschichte des privaten Lebens, Bd. 3: Von der Renaissance zur Aufklärung, Frankfurt a. M. 1991, S. 213–267. 53 Siehe Wolfgang NAHRSTEDT, Die Entstehung der Freizeit. Dargestellt am Beispiel Ham- burgs. Ein Beitrag zur Strukturgeschichte und zur strukturgeschichtlichen Grundlegung der Frei- zeitpädagogik, Göttingen 1972. 54 Siehe V. A. EYLES, The Extent of Geological Knowledge in the Eighteenth Century, and the Methods by which it was Diffused, in: Cecil J. SCHNEER (Hrsg.), Towards a History of Ge- ology, Cambridge/Mass. 1969, S. 159–183, und Roy S. PORTER, Gentlemen and Geology: the emergence of a scientific career, 1660–1920, in: The Historical Journal 21 (1978), S. 809–836. 55 »By approximately 1740 any literate woman, of low or high class, could select from a very large number of printed works – almanacs, broadsheets, weeklies, magazines, manuals, books – to quench her thirst for science, a trend that continued throughout the century.« G. S. ROUSSEAU, Science books, S. 213. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 157 Fossilien in der ersten Hälfte des Jahrhunderts intensiv geführt und besonders über chemische, physikalische und traditionell deskriptive Ordnungsmethoden hef- tig gestritten wurde. So hatte beispielsweise Carl von Linné 1735 die Mineralien in seiner neu systematisiert und damit gleichzeitig Anlaß zu vielfälti- ger Kritik seitens seiner Fachkollegen und einer weiteren Öffentlichkeit gebo- ten.56 Vorgänge dieser Art spiegeln sich auf alltäglicher Ebene immer wieder in den zeitgenössischen Korrespondenzen unter Sammlern und Naturforschern. Im Jahr 1757 zog Elisabeth Thomas zusammen mit ihrem Mann nach Northleach, einem kleinen Landsitz in der Nähe von Gloucester.57 Aus der erhaltenen Korrespon- denz mit Mendes da Costa erfahren wir über ihr starkes Interesse an allen Fragen zur Naturgeschichte, besonders aber an Mineralien und Fossilien. Schon bald nach ihrer Ankunft erwähnt sie eine kleine im Haus befindliche Mineraliensammlung aus dem Besitz einer Vorbewohnerin – einer gewissen Mrs. Massey –, die sie zu katalogisieren plant.58 Es blieb somit nicht aus, daß sich im Laufe der Zeit ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturgeschichte bedeutend erweiterten. An Men- des da Costa schreibt sie: »I find, Sir, that by reading your work, my notions of Fossils will be much inlarged, & reduced to some method; I have hitherto considered my Love of Fossils as a sort of wild passion, without any manner of use; but you have convinc’d me of its being a very delightful science«.59 Die Leidenschaft für Fossilien wurde von ihr im Laufe der Zeit zu einer ›ange- nehmen Wissenschaft‹ diszipliniert. Auch die Bewunderung für den Schöpfergott – einer Art physikotheologischer Legitimation des Forschers, wie er in kaum einer Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts fehlt – wird an dieser Stelle beiläufig aus- gesprochen.60 Zugleich war sie von dem Bedürfnis beseelt, ihre ständig wachsen- den Bestände in eine systematische Ordnung zu bringen und dabei zeitgenössische Erklärungsmodelle zur Fossilienentstehung mit zu berücksichti- gen: »I took great pleasure in amassing all such I could meet with that had any thing remarkable or curious in them; and in imagining from their present appearance

56 Siehe dazu Martin J. S. RUDWICK, The Meaning of Fossils. Episodes in the History of Palaeontology, 2. Aufl. London 1976; Rachel LAUDAN, From Mineralogy to Geology. The foundations of a Science (1650–1830), Chicago 1987, und Martin GUNTAU, The natural history of the earth, in: Nicolas JARDINE/James A. SECORD/Emma C. SPARY (Hrsg.), Cultures of Natural History, Cambridge 1996, S. 211–229. 57 Sie war die Frau des »Reverend Mr. Thomas, rector of Notgrove, Gloucestershire« und Verfasserin eines ›Dramatic Pastoral‹ aus dem Jahr 1762. Siehe David E. BAKER, Biographia dra- matica: or a companion to the playhouse containing historical and critical Memoirs, Bde. 1–3, London 1812. 58 Siehe Elisabeth Thomas an Mendes da Costa, Northleach, 8. August 1757, BL, Add. 28.543, fol. 176v. 59 Thomas an Mendes da Costa, Northleach, 30. November 1757, BL, Add. 28.543, fol. 185r. 60 Siehe ebenda. 158 Sammlungsräume

what they could have been in their original state, some people who judge merely by appearances, you know mistake grossly, I end in my conjectures but one satisfaction occurr’d always, I considered every petrified shell found in our inland Country as a little faithful witness of the universal deluge«.61 Worauf Elisabeth Thomas an dieser Stelle anspielt, ist die unter den Gelehrten um 1700 heiß diskutierte Diluvialtheorie, die die Entstehung der Fossilien auf die Wirkung der biblisch verbürgten Sintflut zurückführte. Doch wurde diese Theo- rie um die Mitte des 18. Jahrhunderts nur noch von wenigen Forschern in ihrer ursprünglichen Form vertreten, da eine physikotheologische Verbindung von Wis- senschaft und Theologie immer fragwürdiger zu werden begann. Die Ansichten der Elisabeth Thomas machen zudem deutlich, daß neue Erkenntnisse dieser Art sich nicht über Nacht durchsetzten und ihrer Verbreitung über bestimmte Dis- kussionszirkel hinaus enge Grenzen gesetzt waren. Zudem gilt gerade hier, daß ein physikotheologisch ausgerichtetes Naturverständnis im theologisch geprägten Milieu – Mrs. Thomas war die Frau eines anglikanischen Pfarrers – auf fruchtbaren Boden fiel. Bis weit ins 19. Jahrhundert war besonders in England das spannungsreiche Verhältnis von Naturwissenschaft und Theologie in den Dis- kussionen um die Entstehung der Fossilien und der Erde präsent.62 Darüber hinaus werden wir Zeugen, wie sich ein kleiner Kreis von Natur- freunden herausbildete, die sich gegenseitig bei der Anlage von Sammlungen und der Bestimmung einzelner Objekte unterstützten. Schon 1757 hatte Elisabeth Thomas Mendes da Costas gerade erschienene Natural History of English Fossils er- worben, die sie umgehend ihren Bekannten zur Lektüre empfahl.63 Zur weiteren Untersuchung ihrer häuslichen Sammlung zog sie einen anderen Adepten der Fossilienkunde, den in Oxford lebenden Steuereinnehmer Joshua Platt, heran, den sie zusammen mit ihrem Mann besuchte: »Mr. Thomas and I arriv’d here last Thursday having call’d upon Mr. Platt at Oxford; but we had so few moments to spare that I only saw one drawer of his Fossils. I send you enclosed, a catalogue which he took of Miss Massey’s Fossils, I mean an exact copy of it, as well as we can read the Terms of Art (or rather Nature) ignorant as we are in the names of the Fossils we live amongst.«64

61 Thomas an Mendes da Costa, Southleach, 18. Januar 1758 (Abschrift), BL, Add. 28.543, fol. 190r. 62 So bei . Siehe Geof BOWKER, Die Ursprünge von Lyells Uniformitaris- mus. Für eine neue Geologie, in: Michel SERRES (Hrsg.), Elemente einer Geschichte der Wis- senschaften, Frankfurt a. M. 1998 (frz. 1989), S. 687–719, hier S. 706. Zur Diluvialtheorie siehe unten, S. 309–318. 63 »A few Ladies of my acquaintance & friends are great readers, and can distinguish real merit in an author, & I hope to see their names amongst your future subscribers to the credit of our sex.« Thomas an Mendes da Costa, Southleach, 18. Januar 1758 (Abschrift), BL, Add. 28.543, fol. 190v. 64 Thomas an Mendes da Costa, Northleach, 20. März 1758, BL, Add. 28.543, fol. 198r. In einem Empfehlungsbrief, den Mendes da Costa für den deutschen Arzt Johann Albert Schlosser nach Oxford ausstellte, wird Platt als »Supervisor of the Excise at Oxford« bezeichnet. Siehe Mendes da Costa an Schlosser, London, 4. August 1755, BL, Add. 28.536, fol. 138v. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 159 So war es nicht allein der in London lebende Mendes da Costa, von dem sie die Grundbegriffe der Fossilienkunde lernte, vielmehr entfaltete sie ihre Aktivitäten zugleich auch in einem Zirkel von Interessierten in der näheren Umgebung ihres Wohnortes. Einen Einblick in ihre häuslichen Verhältnisse gewährt sie 1759 in einem län- geren Brief an Mendes da Costa. Hier berichtet sie detailliert über die Aufteilung der Räume in ihrem Haus und welchen Stellenwert darin ihre Sammlung ein- nimmt. Es lohnt sich daher, aus diesem Brief ausführlicher zu zitieren: »I have been extreamly busy fitting up a little closet for my self and my shells and chinaware &c. Miss Massey & I, with the help of a servant, have prepared it very neatly and my largest shells and other shiney ornaments are laid on shelves, and there I have Boxes of Drawers with the smaller shells, and one with coins, Roman &c. I have never yet (since I came out of Kent and left a closet full of such Furniture) ever had time or else I wanted resolutions to go about filling up another [closet] to my mind, but now I have got one just to my fancy and have Room for me with a Table and 3 chairs, which with a window seat, makes tolerable sitting for 5 people, and 6 may possibly admitted. Mr. Thomas is also a Gainer by my taking a fancy to this closet; it was his study and I bribed him with a larger Room to surrender it to me and have dedicated to Learning a Dining Room which is fill’d with cases of Books where Tea Tables use’d to stand, and he is as happy with his spacious [room] as I can be with my little closet. And now for the [second] time in my life I am gathering all my collections of what I esteme curious into a ne[w] place, they having been ever since I came to Northleach, scatter’d about in every Room and cupboard in the House. But as no Human enjoyment wants its allay, I look upon this Castle of Mine as of no long continuance, nay Ihope to leave it ee’r long, when Mr. Thomas has the better preferment he deserves.«65

Was sich in diesem Brief anschaulich vor den Augen des Lesers abspielt, ist die Schaffung von Privaträumen – »this Castle of Mine« – innerhalb eines Haushalts. Elisabeth Thomas bevorzugte den kleinen Raum, das closet, im Gegensatz zum großen Studierzimmer ihres Mannes.66 Aber ihres war nicht allein zum Studium der gesammelten Fossilien vorgesehen. Es war zugleich ein eingerichtetes, auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtetes Zimmer, in dem sich ganz in der virtuosen Tradition Kunst- und Naturgegenstände beieinander finden. Der Sammlungsraum ist hier gestalteter Raum: Die Objekte der Natur sind um des Raumes willen da und nicht der Raum zur systematischen, zweckgebundenen Anordnung der Natur. Zwar ist die Sammlung der Elisabeth Thomas durchaus Teil eines sozialen Netzwerks lokaler Besucher, jedoch unterscheidet sie sich durch ihren weitgehend privaten Charakter wesentlich von den wissenschaftlichen Sammlungen, die als Knotenpunkte gelehrten Austauschs fungieren und ihre Bestände zum Nutzen der Wissenschaft bereitstellen. Immer drängt sich der Bezug zur privaten Lebenswelt der Besitzerin in den Vordergrund, die in ihrer Beschäftigung mit der Naturgeschichte

65 Thomas an Mendes da Costa, Northleach, 20. Mai 1759, BL, Add. 28.543, fol. 211r. 66 Zum Begriff ›closet‹ siehe RANUM, Refugien, S. 233. 160 Sammlungsräume zwar wissenschaftlichen Standards zu genügen versucht, gleichzeitig jedoch diese immer dem Ziel der Lebensgestaltung – ihrem eigenen Lebensstil – unterordnet. Der in Dorking (Surrey) lebende John Smith Budgen verkörpert ebenfalls diesen Typus des virtuosen und zugleich wissenschaftlich orientierten Sammlers. Die Lektüre von Samuel Johnsons Erzählung Rasselas von 1759 und der Erhalt einer Sendung Fossilien von Mendes da Costa waren ihm Anlaß, sich näher über grundlegende Motive seines Sammelns zu äußern: »They [die Fossilien, St. S.] will serve to amuse a leisure hour or two in a place where no entertainment is afforded, excepting that of contemplating the works of nature, an entertainment indeed elegant in itself, as well as amusing, but however I cannot entirely agree with the author of Rasselas, who affirms, that deviation from nature is deviation from happiness«.67 Wie schon an anderer Stelle ausgeführt, hatte der hier zitierte Johnson sich kri- tisch mit den Sammlern seiner Zeit auseinandergesetzt, in denen er die Verkör- perung oberflächlicher Bildung und pedantischen Wissenserwerbs sah. Der ex- tensiven Naturerfahrung des Sammlers mit seinen Objekten setzt er eine intensive Bildungserfahrung entgegen.68 Im Rasselas bedeutet für ihn der Begriff der Natur – im Sinne einer anthropologischen Bestimmung – die Besinnung des Menschen auf seine ihm von Natur aus zukommenden Fähigkeiten als einer Bildungserfah- rung. Der Mensch, so könnte man diese Haltung zusammenfassen, hat sich mit seiner Natur in Übereinstimmung zu bringen, sie zu erkennen und nicht etwa im äußerlichen Sinne sammelnd anzueignen: Die Abweichung (deviation) von der Natur steht dem Glücksverlangen des Menschen entgegen.69 Die Betrachtung der in einer Naturaliensammlung versammelten Objekte muß, an diesem Ziel gemessen, ablenkend, ja letztlich schädlich wirken. Budgen kann aus seiner Perspektive heraus diesem hohen Anspruch des Kriti- kers nicht ganz zustimmen. Jenseits aller philosophischen Rezepte ist für ihn, so- weit wir dies diesem kurzen Brief entnehmen können, die gesammelte Natur und nicht die Philosophie Ausgangspunkt der Betrachtung. Nicht die Einsicht in sich selbst, sondern das Vergnügen (amusement) an den schönen Objekten steht für einen Sammler wie Budgen im Vordergrund. Dieser höchst eigene ›Materialismus‹ kennzeichnet jedoch erneut die Problemlage eines privaten Sammlers, der sein In- teresse an persönlicher Lebensgestaltung mit einer wissenschaftlichen Distanzie-

67 Budgen an Mendes da Costa, Dorking, 8. August 1760, BL, Add. 28.535, fol. 287r. 68 Siehe oben, S. 150. 69 Das Zitat stammt aus dem 22. Kapitel seiner Erzählung, wo es weiter heißt: »Let us there- fore, at length, cease to dispute, and learn to live. Throw away the encumbrance of precepts, which they who utter them with so much pride and pomp do not understand, and carry with us this simple and intelligible maxim: that deviation from nature is deviation from happpyness.« Samuel JOHNSON, The History of Rasselas, in: Shorter Novels of the Eighteenth Century, hrsg. von Philipp Henderson, London 1930, S. 3–95, hier S. 44 (Hervorhebung St. S.). Im gleichen Sinne äußert sich etwa auch Pope in seiner Definition von ›Happiness‹: »Take Nature’s path, and mad Opinion’s leave;/ All states can reach it, and all heads conceive;/ Obvious her goods, in no extreme they dwell«. Alexander POPE, The Poetical Works of Alexander Pope, hrsg. von Adolphus William Ward, London 1956, S. 217 (Essay on Man, Epistle IV, Z. 29–31). Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 161 rung von den Objekten zu vereinen sucht. Denn erst die Sammlung als ›Mate- rialkammer‹ zum Zweck wissenschaftlicher Forschung verhindert sowohl das Vergnügen wie die Selbsterkenntnis. Das legt im weiteren Sinne die Vermutung nahe, daß der Privatraum des 18. Jahrhunderts weniger der einer Begegnung mit sich selbst – im Sinne einer contemplatio – ist als vielmehr ein Raum, in dem sich der Betrachter inmitten vieler Dinge – der Einrichtungsgegenstände, der Sammlung – aufs neue verliert.70 Auch für Walter Synnot stellt sich das Problem einer Legitimation privaten Sammelns zwischen Vergnügen, Bildungserfahrung und wissenschaftlich-distan- zierendem Anspruch. Für ihn ist das Vergnügen an den versammelten Objekten zunächst einmal unmittelbar visuell bestimmt. Er habe niemals, so schreibt er an Mendes da Costa, Fossilien nach ihrem Gewicht oder nach ihrer Größe gesam- melt. Vielmehr sei für ihn entscheidend gewesen, sie bequem und ohne Hilfe eines Mikroskops betrachten zu können.71 Bei den Büchern, um die er Mendes da Costa bittet, handelt es sich um Werke mit Abbildungen, die es ihm besser als die für ihn schwer zu verstehenden wissenschaftlichen Beschreibungen ermöglichen, die einzelnen Funde näher zu bestimmen. Seine Frau ist ihm dabei behilflich, Zeich- nungen von Mineralien und Fossilien anzufertigen.72 Letztlich ist seine Haltung von der grundlegenden Unterscheidung von scientific und beautiful bestimmt: »I have been very busy ever since I wrote to you last on collecting Fossils and I have had very good success, I have my room filled with all sorts of stones & minerals, & I flatter myself that you will be pleased with the next parcel I send you, as many of the specimens I have got are truly scientific as well as beau- tiful.«73 Die Schönheit der Stücke und das Vergnügen, sie näher betrachten zu können, sind hier die entscheidenden Motive; Johnsons Ermahnung, sich mit der Natur selbst in Einklang zu bringen, verhallt ungehört. Es ist im Gegenteil einfacher, von diesem Bedürfnis nach Schönheit und Vergnügen die Brücke zu einer wis- senschaftlich distanzierenden Betrachtungsweise zu schlagen, als von hier aus den schwierigen Weg philosophischer Selbsterkenntnis zu gehen. Das zeigt sich immer wieder in dem Bestreben vieler Sammler, sich über das gesammelte Mate- rial mit Hilfe von Büchern und Experten zu informieren.

70 So ist für Blaise Pascal (1623–1662) der geschlossene Raum die Metapher, mit Hilfe derer er die Selbstbesinnung des Menschen gegenüber den – objektbezogenen – Verlockungen der Welt außerhalb zu verdeutlichen versucht. Das ›Zimmer‹ der Pascalschen contemplatio ist ein lee- rer Raum, in dem die Besinnung des Menschen auf sich selbst und seine Stellung zu Gott erst ermöglicht wird, und in dem er nicht durch die in den Objekten repräsentierte Welt abgelenkt wird. Erinnert sei etwa an die berühmte Stelle in den Pensées, an der es heißt, daß alles Unglück der Menschen damit zusammenhänge, daß sie es nicht verstünden, sich allein in einem Raum aufzuhalten. 71 »I neither study Fossils by the Ton weight, nor value them by their magnitude, but I never desire to have a fossil so small as to require a Microscope to admire it«. Walter Synnot an Mendes da Costa, Derby, 30. Oktober 1779, BL, Add. 28.543, fol. 65r. 72 Siehe Synnot an Mendes da Costa, Derby, 17. September 1778, BL, Add. 28.543, fol. 18v. 73 Synnot an Mendes da Costa, Derby, 10. Dezember 1778, BL, Add. 28.543, fol. 37r. 162 Sammlungsräume Zuweilen kommen noch weitere Motive hinzu. Denn dieses immer wieder her- vorbrechende Bedürfnis nach einer wissenschaftlich-systematischen Betrachtung von Mineralien und Fossilien konnte durch den Wunsch, besonders seltene und teure Stücke zu erwerben, unterlaufen werden. So beklagte sich ein anderer Samm- ler, William Constable, bei Mendes da Costa über die hohen Preise, die den Samm- lern auf dem Markt abverlangt würden, betonte jedoch gleichzeitig seinen festen Willen, wissenschaftlich (scientifically) und nicht nach der Mode (fashionably) zu sammeln.74 Einen ihm angebotenen Stein für den hohen Preis von 45 Guineen ha- be er mit der Begründung abgelehnt, daß der Glanz der Neuheit und Rarität sol- cher Stücke mit der Zeit verblasse. »Conveying with it no instruction, furnishing no employment for the mind, & useless to me in every particular, in a weeks time it woud have lost all charme of novelty, and the [pleasure] of having what no body else had, woud have been all that I shoud have acquird for 45 Guineas.«75 Doch kaufte er immer wieder von Mendes da Costa ganze Kollektionen von Mi- neralien, Gesteinen und Fossilien, ohne daß darin ein besonderes System oder eine Vorliebe für einen bestimmten Bereich erkennbar wäre.76 Die Ordnung der Sammlung erscheint hier wie ein Wunschbild, ein Ideal, das der Sammler zuwei- len nur mit tatkräftiger Unterstützung durch den Experten annähernd realisieren konnte: »In the first place, I wish you woud let me know in what manner you arrange the differnt classes in your own Cabinet. […] Do you beginning with lands, & proceed to earths, ores, sparrs &c or do you place the earths before the lands &c, if you have a regular method of succession in placing them please to give me an account of it.«77 Für den heutigen Betrachter stellen sich so die Motivlagen, nach denen der ein- zelne Sammler seine Sammlungen anlegte, als verwirrend dar. Es gab viele Leit- bilder und Theorien, an denen man sich orientieren konnte. Zwischen dem von Johnson formulierten Anspruch, die Betrachtung der Natur als Anreiz zur Selbst-

74 Siehe William Constable an Mendes da Costa, Burton Constable (Yorkshire), 3. Januar 1761, BL, Add. 28.536, fol. 111r. Von Constable wird gesagt, daß er 1749 die Nachfolge seines Vaters auf dem Landsitz in B. C. angetreten habe. Die Bemerkung »Though the son of most virtuous parents, he followed not their good example«, steht jedoch in eindeutigem Widerspruch zu sei- nen in den Briefen an Mendes da Costa dokumentierten naturhistorischen Interessen. Siehe John KIRK, Biographies of English catholics in the eighteenth century, hrsg. von John Hungerford Pollen und Edwin Burton, London 1909, S. 164. 75 Constable an Mendes da Costa, Burton Constable (Yorkshire), 3. Januar 1761, BL, Add. 28.536, fol. 111r. 76 So kaufte er ›corals‹ und ›polish’d stones‹ im Wert von mehr als 34 Pfund (siehe Constable an Mendes da Costa, 24. August 1760, BL, Add. 28.536, fol. 79), und eine Sammlung von »300 fossils all curious & well chosen each one is pack’t up in papers apart mark’t with the Nos. on the outside«. Mendes da Costa an Constable, 1. Juli 1760, BL, Add. 28.536, fol. 81r. 77 Constable an Mendes da Costa, 8. November 1760, BL, Add. 28.536, fol. 104. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 163 erkenntnis zu nehmen, und den Vorgaben einer systematisch-methodischen Wis- senschaft lag ein weites Spektrum an Möglichkeiten. Eine Konstante jedoch war sicherlich das Vergnügen (amusement, pleasure) an den Objekten in seinen vielfälti- gen Ausprägungen, das sich gewissermaßen als eine eigenständige Form der Na- turwahrnehmung etablierte und zwischen den beiden Polen der Naturerkenntnis – Selbsterkenntnis und Wissenschaft – vermittelte.

Der Sammlungsraum Der Sammlungsraum selbst, der bisher in Bezug zu den Praktiken des Gebrauchs und der Wahrnehmung gleichsam umkreist wurde, ist in seiner Materialität als Einrichtungsraum auf konkrete Weise beschreibbar. Abbildungen, Frontispize, gedruckte Sammlungsbeschreibungen sowie Nachlaßverzeichnisse geben einen Eindruck von der räumlichen Disposition der Objekte. Auch können wir hier näheres über die Möblierung dieser Räume erfahren, in denen Naturalienschrän- ke, Repositorien und Tische in allen ihren Variationen die Anordnung wie Prä- sentation der Naturalien bestimmen. Diese Möbel sind, darauf hat Anke te Hee- sen zu recht hingewiesen, eng mit der jeweiligen Ordnung und Klassifikation der Naturalien verbunden.78 Darüber hinaus spiegelt sich in ihnen jenes Spiel des Öffnens und Schließens, des Ver- und Entbergens, das die Interaktion zwischen dem Sammler, den Sammlungsobjekten und den Besuchern wesentlich bestimm- te.79 Ein Blick auf den Sammlungsraum aus dieser Perspektive macht zudem deutlich, daß sich Sammlungen keineswegs allein als ein statisches, einer einmal festgesetzten Ordnung verpflichtetes Gebilde begreifen lassen, sondern in ihrem alltäglichen Gebrauch als ein sich ständig wandelndes, dynamisches Ensemble erscheinen. Trotz des umfangreichen schriftlichen Materials, das der Sammler und For- scher Sloane hinterlassen hat, wissen wir leider nur wenig über die konkrete Ge- stalt seiner Sammlung. Abbildungen oder Skizzen, die einen bildlichen Eindruck seiner Sammlung geben könnten, fehlen ganz. Die vielen Besucher, die im Laufe der Jahre die Sammlung am Bloomsbury Square und in Chelsea besuchten, be- schränkten sich in ihren Beschreibungen weitgehend darauf, besonders auffällige Objekte hervorzuheben oder die eines bestimmten Gebietes nacheinander aufzu- zählen, ohne dabei jedoch auf die Form und Art ihrer Aufbewahrung näher ein- zugehen. Sauveur Morand, ein Franzose, der Sloane im Jahr 1729 besuchte, be- richtet von elf großen Räumen, in denen die Sammlung einschließlich der Bi-

78 Siehe Anke te HEESEN, Das Naturalienkabinett und sein Behältnis. Überlegungen zu einem Möbel im 18. Jahrhundert, in: Sammeln in der frühen Neuzeit, Berlin 1996, S. 29–56, hier S. 31 f. 79 Siehe ebenda, S. 44; 49. Te Heesen unterscheidet hier zwischen dem nicht spezialisierten of- fen-geschlossenen Kabinett, für das die Wunderkammer stehen kann, und dem transparent-spe- zialisierten Kabinett, das einer fortgeschrittenen Systematik verpflichtet ist und dem Betrachter die Objekte durchweg offen präsentiert. Doch sind die Übergange zwischen beiden Typen fließend; siehe ebenda, S. 50. 164 Sammlungsräume bliothek in Bloomsbury untergebracht sei.80 In diesen Räumen befanden sich wiederum die Schränke mit ihren jeweiligen Einzelsammlungen. So spricht er von zahlreichen Glaskästen mit Schmetterlingen, von Schränken mit 7 000 verschie- denen Früchten, von Fossilien und Vogelnestern sowie einem großen Kabinett- schrank mit Muscheln. Ein weiterer Besucher, es handelt sich um den schon mehrfach erwähnten Kon- rad Zacharias Uffenbach, hatte schon zwanzig Jahre zuvor die Sammlung in Bloomsbury besucht. Uffenbach beschreibt in seinen Aufzeichnungen weniger die konkreten Behältnisse der Naturalien, als vielmehr kursorisch deren Inhalt: »Ein ander Cabinet war voll von marinis, worunter insonderheit der Vorrath von Corallen zu bewundern, so er nicht nur von ungemeiner Grösse sondern auch Qualität hatte. […] Hierauf sahen wir ein Cabinet voll von allerhand Papillons, so jedoch Vincent in Amsterdam schöner hat.«81 Unter Anleitung von Sloane dringt der Besucher dann von einem Kabinett- schrank zum nächsten vor, man öffnet Türen, nimmt Kästen in die Hand oder zieht Schubladen hervor. Es ist nur schwer vorstellbar, daß Uffenbach bei dieser gedrängten Abfolge von Eindrücken – sein Besuch dauerte nach eigenen Anga- ben insgesamt viereinhalb Stunden – zu irgendeinem Zeitpunkt Gelegenheit hat- te, länger verweilend zurückzutreten, um sich einen Gesamtüberblick zu ver- schaffen. Der endgültige Umzug der Sammlung nach Chelsea im Jahr 1742 scheint einer notorischen Raumnot Abhilfe verschafft zu haben. Die großzügige Anlage des dortigen Manor-House bot genügend Platz, um die inzwischen bedeutend ge- wachsenen Sammlungsbestände allgemein zugänglich zu präsentieren (Abb. 4). Über die dortigen Verhältnisse werden wir umfassend durch den Schweden Per Kalm, einen Linné-Schüler, informiert, der im Jahr 1748 nach London reiste und Sloane einen Besuch abstattete. Unter anderem wurde er in eine lange, schmale Galerie geführt, in der Sloane besonders wertvolle naturgeschichtliche Exponate aufbewahrte: »It is […] 110 English feet long. Along the sides the bottom-most cabinets con- tain all sorts of natural curiosities with other exhibits lying on them or hanging from the wall; but about six feet up from the floor and above the exhibits, the walls are covered with books.«82 Neben acht Räumen, die den größten Teil der Bibliothek enthielten, erwähnt Kalm insgesamt neun weitere verschieden große Räume, in denen die Sammlung selbst untergebracht war. Als ein wesentliches Charakteristikum einer Sammlung dieser Art kann die Allgegenwart der Kabinette, d. h. der Kabinettschränke angesehen werden. Wenngleich diese Möbel oft nicht erhalten sind, so existieren im Falle Sloanes dennoch einige ihrer Schubladen samt Inhalt. Die Objekte waren hier in

80 Zit. MACGREGOR, Sloane, S. 31. 81 UFFENBACH, Reisen, Bd. 3, S. 249. 82 Zit. MACGREGOR, Sloane, S. 33. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 165 kleinen, beschrifteten Kästchen verschiedener Größe untergebracht, die an der Oberseite teilweise mit einer Glasscheibe versehen waren (Abb. 12). Das erlaubte eine freie Anordnung innerhalb der Schublade und im Bedarfsfall einen Wechsel ihres Inhalts in eine andere. Auf diese Weise wurden die aufbewahrten Objekte nicht nur besonders gut geschützt, sondern sie ließen sich auch dem Betrachter günstig präsentieren, der sie etwa einzeln ans Licht halten oder mit einem an Stelle der Glasscheibe eingesetzten Vergrößerungsglas betrachten konnte. Es handelt sich also um eine Art von Miniaturvitrine, die sich sowohl den Bedürfnissen des Sammlers wie auch denen des Betrachters und Besuchers der Sammlung anpassen ließ. Möglich war dies jedoch nur im Falle kleinerer Objekte, wie etwa von Samen- körnern, Insekten oder getrockneten Pflanzenteilen. Diesen Miniaturvitrinen ent- sprachen dann die großen Sammlungsschränke, von denen Kalm berichtet, daß sie alle mit Glastüren versehen seien.83 Das Spiel des Öffnens und Verbergens ließ sich also in den Räumen der Sloane-Sammlung auf höchst wirkungsvolle Weise durchführen. In einem weiteren Raum bewahrte Sloane seine in Gläsern mit Alkohol kon- servierten Fische, Vögel, Insekten, Eidechsen, Schlangen und humana auf. Diese

Abb. 12: Eine Schublade mit Pflanzen und Pflanzenpräparaten aus der Sammlung Hans Sloanes.

83 Siehe ebenda, S. 34. 166 Sammlungsräume für viele Sammlungen typischen, zylinderartigen Behältnisse finden sich auch auf dem Frontispiz zum Thesaurus des Albert Seba, das diesen inmitten seiner Samm- lung zeigt (Abb. 10). Obwohl sich einerseits in diesen Glaszylindern die leicht ver- derblichen Präparate gut erhalten ließen, war es anderseits schwierig, sie näher zu betrachten. Kalm beschreibt dies sehr anschaulich: Er war von seinem Mentor Linné damit beauftragt worden, eine bestimmte Kobraschlange in der Sammlung zu suchen und die für diese Art typischen Platten am Schwanzende sowie deren Schuppen zu zählen. Pflichtbewußt unterzog sich Kalm dieser mühseligen Auf- gabe: »So while the others went around and looked at everything, I had to spend my time trying to count them up, which was very difficult, since the snake was in a flask which was sealed at the top so that the alcohol should not become contaminated.«84 In diesem Zusammenhang ist eine gewisse Mrs. Greg erwähnenswert, die 1702 Sloane von ihren Erlebnissen in dänischen Sammlungen berichtete. In einem dieser Kabinette bewunderte sie die dort in Gläsern aufbewahrten humana, darunter ein Embryo: »I laughed at one thing there which was one of the Children that the Dutch Lady had which bore so many score [Menge] at a time (as the story goes) they say this is one of them, which they keep in spirits, if it be naturall its wonderfull, if artificiall its finely done«. Daß sie, gerade als Frau, über das hier ausgestellte Präparat zu lachen vermochte, muß den heutigen Leser befremden. Aber die Bemerkung macht überdies deut- lich, welchen besonderen Stellenwert die Gläser in den Sammlungen der damali- gen Zeit hatten. Der durch die Flüssigkeit und das Glas hervorgerufene Verzer- rungseffekt und überhaupt die Fremdheit dieser Objekte trug wesentlich zu der Faszination bei, die sie auf den Betrachter ausübten.85 Doch Mrs. Gregs Blick war, anders als der Kalms, noch ganz von der Tradition der Wunderkammer ge- prägt. Ihre Wahrnehmung schwankte zwischen den beiden Welten von naturalia und der artificialia, der Welt des Natürlichen und der Welt des künstlich Herge- stellten. Neben diesen spezialisierten Räumen und Behältnissen der Sloane-Sammlung finden sich viele Objekte – wie unter anderem aus einem von Cromwell Morti- mer verfaßten Bericht über den Besuch des Prinzen und der Prinzessin von Wales im Jahr 1748 hervorgeht – über das ganze Haus verteilt. Die meisten der

84 Zit. MACGREGOR, Sloane, S. 34. 85 »Die Körper des Menschen können auf drey Arten gesammlet und aufgehoben werden, in- dem von einigen nur die Knochen vorhanden seyn dürfen, daß sie in eben solcher Ordnung zu- sammen gesetzet, wie sie zuvor in dem lebendigen Leibe gestanden; einige aber können in spi- ritibus durch Hülfe großer und wohl verschlossenen Gläser ganz aufbehalten werden; endlich einige trocken balsamirt seyn, daß sie noch wie lebendig vor Augen stehen.« Johann Georg WALCH, Philosophisches Lexicon, Jena 1726, Sp. 216 (Hervorhebung St. S.). Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 167 Zimmer waren so mit Geweihen und Hörnern verschiedener Tiere geschmückt, unter denen etwa diejenigen eines Nashorns und eines irischen Riesenhirsches zu sehen waren.86 Auf Schritt und Tritt begegnete man auch ganzen, ausgestopften Tieren. So weiß Kalm von einem Kamel und einem Zebra zu berichten.87 Im Garten des Hauses war zudem ein Gebäude errichtet, in dem Sloane den Schä- delknochen eines 90 Fuß langen Wals aufgestellt hatte.88 Wenden wir weiter den Blick nach Danzig. Aus einem Brief von Jacob Theo- dor Klein an Sloane von 1734 erfahren wir näheres über die Bestände seiner Sammlung, die er nach den einzelnen Behältnissen auflistet.89 Obwohl mehr eine tabellarische Übersicht über das gesammelte Material als eine Beschreibung der Räumlichkeiten, lassen sich dennoch aus den verwendeten Bezeichnungen einige Informationen über den Sammlungsraum entnehmen. Die Aufzählung beginnt mit den in Alkohol konservierten Präparaten von Embryonen, Vierfüßern und Pflanzen. Hier wie auch in den weiteren vier Abteilungen der Sammlung – Klein belegt sie mit der Bezeichnung conspectus I–V – finden sich sowohl geschlossene Schränke (scrinia) wie offene Schauschränke (repositoria). In welchen von beiden Möbeln sich die Objekte genau befinden, teilt er nicht mit. Doch in conspectus II und IV, die Skelette, Tierpräparate, fossile Schädelknochen, Zähne, Seeigel und verschiedene Muschelarten enthalten, sind beide Arten von Schränken, scrinia und repositoria, vertreten. Die Anordnung zeigt, daß der Sammler einen Kompromiß finden mußte zwischen seinem Anspruch auf Systematik und den praktischen Notwendigkeiten, die es erforderten, größere Sammlungsobjekte neben und auf den Schränken zu plazieren. Ihr Schauwert, wie etwa im Falle eines wohlpräpa- rierten Skeletts oder eines ausgestopften Tieres, mag bei dieser Aufstellung eine Rolle gespielt haben. Bemerkenswert bleibt jedoch, daß der Sammler Klein sich in seinem Brief an Sloane nicht allein auf die bloße Aufzählung der Naturalien beschränkt, sondern auch auf deren Behältnisse eingeht. Die Systematik der Na- turalien ist selbst in der ›abstrakten‹ Form einer brieflichen Liste immer an die materiellen Gegebenheiten der Sammlung rückgebunden. In welcher Art Schränken und Schubladen Emmanuel Mendes da Costa seine umfangreiche Fossiliensammlung untergebracht hat, ist dagegen nicht bekannt. Doch seine Tätigkeit als Nachlaßverwalter für den mit ihm eng befreundeten Sammler Isaac Romilly ermöglicht uns, einen genaueren Blick auf eine Sammlung in seinem näheren Umfeld zu werfen. Die Sammlung, deren Verzeichnis Mendes da Costa 1760 angefertigt hat, bestand aus 12 Schränken (cabinets), auf die sich insgesamt 148 mit verschiedenen Naturalien versehene Schubladen verteilten.90

86 Siehe MACGREGOR, Sloane, S. 35. 87 Siehe ebenda, S. 33. 88 Siehe ebenda, S. 34. 89 Siehe Klein an Sloane, Danzig, 10. November 1734, BL, Sloane 4053, fol. 311r–311v. 90 Siehe das Inventory with its avaluation [sic!] of the Collections of Natural Curiosities of the late Mr. Isaac Romilly F.R.S. taken the 17th January 1760, BL, Add. 28.542, fol. 69r–73r. Über die Person Romillys finden sich außerhalb der Korrespondenz nur wenig biographische Hin- weise. Er und sein Bruder Peter, der als Juwelenhändler in der Londoner City arbeitete, ent- 168 Sammlungsräume Teilweise waren diese Schränke verglast, um besondere Stücke hervorzuheben. So spricht Mendes da Costa von einem solchen mit einzelnen Fächern ausgestatteten Behältnis – alcove or buffet –, in dem Schwämme, Korallen und ver- steinerte Seepflanzen waren. Die Verwendung von Glas, das die Objekte sowohl schützt wie auch hervorhebt, scheint bei Romilly jedoch eher selten gewesen zu sein. Einzig an einer weiteren Stelle der Sammlung wird es verwendet, nämlich im Falle einer besonderen Art von Hinterglasbildern, auf denen verschiedene Moose und Seetang in Form von Bildern angeordnet waren. Innerhalb der Schubladen selbst wurde diese Art pittoresker Präsentation (picturesque manner) in Einzelfällen auf Insekten, Fische und Vögel ausgedehnt, dies jedoch immer ohne die Verwen- dung von Glasscheiben.91 Offen auf einer Art Tisch92 wurden dagegen große Stükke versteinerten Holzes und fossiler Knochen sowie schwere Erzstufen präsentiert. Zudem finden sich über den Raum verteilt einzelne Naturalien und Kunst- gegenstände, wie das Skelett eines Hais, verschiedene Seepferde, sperrigere Ko- rallen, fliegende Fische und ein ausgestopftes Gürteltier. Doch ist die Sammlung Romillys damit keineswegs ein pittoreskes Sammelsurium verschiedenster Samm- lungsgegenstände. Der größte Teil seiner Sammlung wurde nach systematischen Gesichtspunkten über die vielen Schubladen verteilt, und beispielsweise die Fos- silien streng von den Mineralien, Gesteinen und Erzen getrennt. Im Kabinett Johann Philipp Breynes finden sich, ähnlich wie bei Sloane und Romilly, über den Sammlungsraum hin verstreut einige besondere Stücke, die ent- weder aufgrund ihrer Größe oder überhaupt wegen ihrer Rarität nicht in die Schränke selbst aufgenommen wurden. Über die Anordnung seiner Sammlung er- fahren wir näheres aus einem Verzeichnis, das kurz nach seinem Tode die Nach- laßverwalter erstellten und das als Grundlage zur Verauktionierung der Samm- lung diente. Johann Gottfried Barthelsen, der Herausgeber dieser Schrift, konnte dabei auf ein ausführliches handschriftliches Verzeichnis Breynes zurückgreifen, das dieser vermutlich in seinen letzten Lebensjahren angelegt hatte.93 Breyne ver- teilt seine Sammlung auf insgesamt zehn Schränke (scrinia), die jeweils wieder in

stammten einer hugenottischen Familie. Siehe Samuel SMILES, The Huguenots, their settlements, churches & industries in England and Ireland, London 1867, S. 13. 91 »Pictures with Glasses large & small containing Mosses sea Weeds &c[,] laid in a pictur- esque manner Insects fish & other marine animals[,] parts of Birds &c[,] some trifling others elegant«. BL, Add. 28.542, fol. 73r. Der Begriff ›picturesque‹ taucht, aus dem Italienischen her- geleitet, in England erstmals 1703 auf und meint die Anordnung der Gegenstände wie auf einem Bild. Siehe The Oxford English Dictionary, Bd. XI, 2. Aufl. Oxford 1989, S. 787. 92 Mendes da Costa gibt hier nur pars pro toto die Materialbezeichnung »mahogany«. Doch legt der Zusammenhang eine Art größeren Tisches oder Anrichte nahe. Interessant ist der Hinweis bei te HEESEN, Naturalienkabinett, S. 32, daß für Sammlungsmöbel häufig exotische Materialen gewählt wurden, die damit wiederum auf den Inhalt verwiesen. 93 Siehe Johann Gottfried BARTHELSEN, Verzeichniß des von seel. Herrn Doct. Johann Philipp Brayne nachgelassenen berühmten naturalien Cabinets …, Danzig 1765, und ›Sciagraphia Musei Breinani Rerum Naturalium ex triplici naturae regno petitum‹, Gotha, Chart. A 871, fol. 5r–6v. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 169 eine Anzahl von Schubladen unterteilt waren. Auch ein in der Mitte des Raumes befindlicher Tisch enthielt Schubladen und Fächer. Außerhalb dieser definierten

Abb. 13: Frontispiz zu Caspar Friedrich Neickels Museographia (1727). Kupferstich.

Aufbewahrungsorte befinden sich etwa »ein Paternoster, eins von Bornstein und eins von Saamenkörnern«, sowie »eine Tatarische Pfeife«.94 Auf einem Eckrepositorium waren eine Lampe, ein Kinderskelett und ein Hygrometer plaziert.95 Objekte dieser Art hatten innerhalb der Sammlung sicherlich einen

94 BARTHELSEN, Verzeichniß, S. 27 f. 95 Siehe ebenda, S. 49. 170 Sammlungsräume Sonderstatus, sei es weil sie sich jeder Systematik entzogen, sei es weil der Besitzer ihnen einen besonderen Wert beimaß und sie den Besuchern augenfällig präsentieren wollte. In jedem Fall machen diese besonderen Sammlungsgegenstände deutlich, daß selbst eine dezidiert systematische Sammlung auf ein gewisses Maß an Inszenierung nicht verzichten konnte. Das, was sich auf den Schränken befand, weckte die Neugier des Besuchers auf das, was in den geschlossenen Schubladen aufbewahrt wurde. Doch letztlich läßt sich die Frage, warum die außerhalb der Schränke präsentierten Objekte gerade an diesen und nicht an einen anderen Platz gesetzt wurden, nicht hinreichend beantworten. Eine Sammlung befand sich in ständiger Bewegung, zuweilen geradezu in Unordnung. Nicht alle Objekte hatten ihren festen Platz. Eines der wichtigsten Möbel einer Sammlung, das eben diese ›Beweglichkeit‹ vie- ler Objekte verdeutlicht, war der Tisch, auf dem das Material ausgebreitet und näher betrachtet werden konnte. Schon der Tisch in der Mitte des Breyneschen Kabinetts läßt darauf schließen, daß die systematisierten Objekte zum Zweck der Anschauung hervorgeholt und jeweils nach den Vorstellungen des Besitzers neu gruppiert werden konnten. Auch bei Ole Worm (Abb. 6) und Caspar Friedrich Neickel (Abb. 13) wird der Tisch in den Mittelpunkt der Sammlung gerückt. Bei Neickel findet er sich in der genauen Mitte zwischen den Naturalien- und den Bücherschränken, zusammen mit dem Besitzer, der hier mit dem Material seiner Sammlung arbeitet. Ähnliches gilt, wenn auch in anderem Zusammenhang, für das Bild, das Albert Seba inmitten seiner Sammlung porträtiert (Abb. 10). Der Sammler steht hier, mit dem Zeigegestus des stolzen Besitzers, hinter einem Tisch, auf dem sich einzelne Objekte aus seiner Sammlung, Bücher und Abbildungen befinden. Anders als der mit sich selbst und seinen Objekten beschäftigte Sammler bei Neickel tritt der Sammler Seba hier als Demonstrator auf: Die eine Hand weist auf den Tisch und die dort befindlichen Objekte, die andere hält ein Glas mit einer in Alkohol eingelegten Schlange, das aus dem im Hintergrund be- findlichen Repositorium stammt. Der Tisch, als Zentrum der Sammlung, diente somit gleichermaßen als Arbeitsinstrument den wissenschaftlichen Erkenntnisin- teressen wie der Repräsentation der Sammlung nach außen, zum Betrachter hin. Zu den besonderen Objekten, die sich nur schwer in Schubladen oder Schrän- ken präsentieren ließen, gehörten Tierpräparate. An ihnen wird, als entfernte Vor- läufer der gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Naturkundemuseen populär werdenden Dioramen, einmal mehr der inszenatorische Charakter von Sammlun- gen deutlich.96 Ein Beispiel hierfür kann man einem Brief Patrick Blairs an seinen in London lebenden Freund John Martyn entnehmen, in dem er beschreibt, wie er die Vögel in seiner Bostoner Sammlung präsentierte. Nachdem er sie in einem genügend großen Kasten untergebracht und befestigt hatte, wurde der Behälter auf einer Seite durch ein Netz und zusätzlich eine Klappe verschlossen. Blair schreibt weiter:

96 Siehe zu den Dioramen: Karen WONDERS, Habitat Dioramas. Illusions of Wilderness in Museums of Natural History, Uppsala 1993. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 171

»If you please to cover each chest with thin Lawn or Gaze strechd on a frame to open and shut at pleasure make two Holes in the forepart of the Chest and put a pretty big magnifying glass. Like these in the cases of a Clock which if the spectator look through[,] the Birds will be very beautiful to behold[.] You may have another lid or cover about that of the Lawn which you may open and shut and lock up when you please. If the Box is kept open the lawn will admit the light and keep out the dust and other injurys and let in the air to keep them from corrupting«.97 Dieser Guckkasten erinnert entfernt an die von Sloane verwendete Technik, klei- nere Objekte in Kästchen mit Glasdeckeln, an deren Stelle Vergrößerungsgläser gesetzt werden konnten, unterzubringen. Hier wurde die Notwendigkeit der Kon- servierung mit einer effektvollen Präsentation für den Betrachter kombiniert. Vö- gel gehörten überhaupt zu den ersten Tieren, die in Sammlungen präpariert wur- den. In einigen, wie derjenigen des Holländers Levinus Vincent, wurden sie zusam- men mit getrockneten Pflanzen und anderen Objekten in Glaskästen arrangiert, die Bildern ähnlich in den Sammlungsschränken aufgestellt werden konnten.98 Doch Blairs Kasten unterscheidet sich von diesen Kästen dadurch, daß hier der Blick des neugierigen Betrachters im Sinne einer optischen Vorrichtung – das Binokular und die Klappe – bewußt gelenkt wird. Durch diese Besonderheit wird zudem deutlich, daß es selbst für ernsthafte Naturforscher wie Blair keineswegs immer darum ging, die gesammelten Objekte in den Dienst einer distanzierten Wissenschaft zu stellen. Zuweilen dienten sie ganz der Schaulust, dem Vergnügen, ja geradezu der Verblüffung des Besuchers. Problematisch blieb jedoch die Konservierung der Tiere. Nach einem Dutzend Jahren fielen die meisten von ihnen dem Insektenfraß zum Opfer. Erst 1740 entwickelte der Franzose Jean-Baptiste Béçoeur eine Arsenbehandlung, durch die sie dauerhaft erhalten werden konnten.99 Zuletzt soll an dieser Stelle noch ein Sammlungsraum besonderer Art vorge- stellt werden. Es handelt sich um das Museum Anatomicum des Danziger Arztes, Sammlers und Kupferstechers Christoph Gottwaldt, das dieser auf einem Kupfer seiner Sammlungsbeschreibung, dem Museum Gottwaldt, vorangestellt hat (Abb. 14).100

97 Patrick Blair an John Martyn, Boston, 14. November 1725, NHMB, Banks Collection Nr. 35, S. 249 (Hervorhebung St. S.). 98 Siehe die Abbildung in WONDERS, Dioramas, S. 26. Weiteres zu diesem Sammlungsaspekt aus dem Blickwinkel der Rekonstruktion unten, S. 346. 99 Siehe WONDERS, Dioramas, S. 25. 100 Siehe Christoph GOTTWALDT, Museum Gottwaldt, [Danzig 1714]. Bei dem hier zitierten Werk handelt es sich um eine Sammlung von Kupfern, die Christoph Gottwaldt (1636–1700) für den Druck vorgesehen hatte, der jedoch zu seinen Lebzeiten nicht zustande kam. Sie gelang- ten nach seinem Tod, ohne die vorgesehen Erläuterungen, in den Besitz Sloanes. Das hier zitierte Exemplar findet sich unter der Signatur BM 459.c.8 in der British Library. Es ist in zwei Teile mit insgesamt 91 einseitig bedruckten Seiten unterteilt und von Hand paginiert. Nach Sloanes Tod kam es, wie ein Besitzervermerk zeigt, in die Hände von , des langjährigen Präsidenten der Royal Society. Erst 1782 wurden einige der Tafeln veröffentlicht. Siehe Christoph GOTTWALDT, Musei Gottwaldiani Testaceorum, Stellarum Marinarum et 172 Sammlungsräume

Abb. 14: Anatomisches Kabinett aus der Sammlungsbeschreibung von Christoph Gottwaldt (1714). Kupferstich.

Es handelt sich, als anatomisches Kabinett, also um einen höchst spezialisierten Raum, der weniger der Aufbewahrung von Objekten diente, sondern diese viel- mehr zu einer genaueren anatomischen Untersuchung bereithielt. Darauf weist unmißverständlich der in der Mitte plazierte anatomische Tisch, der als drehbar gelagerte Platte sich inmitten einer kreisrunden Reling bewegt. Tische dieser Art dienten im Rahmen des Medizinstudiums der anatomischen demonstratio, während derer eigens angestellte Bader oder Chirurgen nach den Anweisungen des Profes- sors sezierten.101 Statt der Überfülle an Naturalien, wie sie sich etwa auf dem Frontispiz zum Museum Wormianum (Abb. 6) finden, kennzeichnet diesen Raum funktionale Aufgeräumtheit. Durch eine große Fensterfront beleuchtet ist er als eine Art Hängeboden konstruiert. Darauf verweisen die unterschiedlich hohen Türöffnungen und die beiden rechts und links im Boden befindlichen rechtecki- gen Öffnungen, deren Funktion jedoch nicht ganz einleuchtet. Sie könnten mög- licherweise als Abflußöffnungen zur leichteren Reinigung des Bodens gedient ha- ben. An der linken Wand sind verschiedene Zähne und Hörner aufgestellt – dar- unter der Stoßzahn eines Narwals und der eines Schwertfischs – sowie ein menschliches Skelett. Auf den Regalen der rechten Wand finden sich die schon bekannten Flaschen mit in Alkohol eingelegten Tieren, zudem einige Steine, ein weiteres Horn und einige Objekte, bei denen es sich vermutlich um Zähne han- delt. Über den Regalen sind mehrere Vogelbälger und ein Hummer befestigt; anatomische Zeichnungen, die den Verlauf von Blutgefäßen darstellen, sind an

Corralliorum que supersunt tabulae, hrsg. von Johann Samuel Schröter, Nürnberg 1782. Siehe darin auch die kurze biographische Skizze Gottwaldts von Schröter (Vorrede). 101 Ein ähnlicher Tisch befand sich im Leidener anatomischen Theater (Abb. 11). Der Tisch in Gottwaldts anatomischem Kabinett ist ein Hinweis darauf, daß die aus dem Umfeld des Me- dizinstudiums bekannten Anatomiepraktiken auch Eingang in Privatsammlungen fanden. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 173 allen drei Wänden zu erkennen. Ein weiteres Bord, mit verschiedenen Gefäßen versehen, befindet sich aufgehängt unter der Decke, direkt über dem Anatomie- tisch, wobei zu vermuten ist, daß es je nach Gebrauch von dort heruntergelassen werden konnte. All dies zeigt, daß es sich bei dem Gottwaldtschen Museum Ana- tomicum mehr um einen Arbeits- denn um einen Schauraum handelte. Die ver- sammelten wenigen Naturalien stehen hier, offen und leicht zugänglich, der praktischen wissenschaftlichen Arbeit zur Verfügung und nicht der Betrachtung durch den Besucher. Über die übrigen Teile von Gottwaldts Sammlung sind je- doch nur Vermutungen anzustellen. Es ist möglich, daß die beiden Türen seines Museum Anatomicum zu den eigentlichen Sammlungsräumen mit den entspre- chenden Aufbewahrungsmöbeln führten. Daß Gottwaldt eine große Sammlung besaß, wird durch die übrigen Tafeln des Museum Gottwaldt belegt, auf denen die Objekte der Sammlung ausführlich dokumentiert sind.102 So unterschiedlich die Techniken von Aufbereitung und Präsentation der Ob- jekte in den Sammlungen immer sein mochten, gemeinsam war ihnen, daß sie den Betrachter in den Prozeß von Erfahrung und Erkenntnis der Natur unmit- telbar miteinbezogen. Die Sammlung des 18. Jahrhunderts war keine statische Sammlung, in der die Objekte auf berechnete Weise präsentiert wurden, sondern voller Interaktion zwischen der Sammlung und dem Betrachter einerseits und dem Betrachter und dem instruierenden Sammler andererseits. Das Herausziehen der Schubladen, das Umgruppieren der Materialien und die Begegnung mit den Objekten, die sich nicht mehr von den Möbeln einfangen ließen, all dies verweist auf eine Sammlung in Bewegung, ja geradezu in ›Unordnung‹, die den prak- tischen Forschungsinteressen der Naturforscher und der Schaulust der Besucher gleichermaßen dienlich war. Abbildungen, Kataloge und Nachlaßverzeichnisse geben zwangläufig ein geschöntes Bild einer jeden Sammlung. Doch ist dem- gegenüber gerade der transitorische und vorläufige Charakter einer Sammlung zu betonen, die als ›Arbeitsinstrument‹ sich entweder in den Dienst der Forschung stellte oder als inszenierte Wunderkammer sich den jeweiligen Bedürfnissen der Besucher anpaßte.

2.2 Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung

Keine der bisher beschriebenen Sammlungen – ob nun Ausdruck virtuoser Sam- melleidenschaft oder naturhistorisch-wissenschaftlichen Interesses – ist denkbar ohne eine dazugehörige Bibliothek. Ihren sinnfälligen Ausdruck findet diese Ver- bindung auf dem erwähnten Sammlungsbild von Caspar Friedrich Neickel, wo sich der Sammler zwischen seinen Objekten und Büchern befindet (Abb. 13). Bü- cher bildeten die Referenzinstanz zu dem in den Objekten repräsentierten Wissen

102 Siehe dazu unten, S. 292–298. Die Vermutung, es könnte sich bei Gottwaldts anatomi- schem Museum um ein ›ideales‹ Museum ohne jedes reale Vorbild handeln, ist aufgrund man- gelnder biographischer Daten an dieser Stelle nicht eindeutig zu widerlegen. Jedoch spricht die dokumentierende Intention des Gesamtwerkes meiner Meinung nach gegen eine solche An- sicht. 174 Sammlungsräume und erweiterten als Kataloge, Naturgeschichten und Nachschlagewerke den Gesichtskreis des Sammlers. Zudem waren sie natürlich selbst Sammlungsgegen- stände: Zwar war eine Büchersammlung ohne Naturalien- oder Kuriositätenkabi- nett gängige Praxis, doch war der umgekehrte Fall eines Kabinetts ohne Bücher kaum vorstellbar. Gerade in England ist der Buchbesitz mit illustren Namen ver- bunden: Sammler wie Thomas Bodley (1545–1613), Robert und Edward Harley (um 1700) und Thomas Rawlinson (1681–1725) waren allesamt Vertreter jener älteren virtuosen Sammeltradition, in der sich Standesbewußtsein und Ambitio- nen auf dem Gebiet der Literatur miteinander verbanden.103 Beispiele für Bibliotheken im Umkreis naturhistorischer Sammlungen finden sich vor allem in der Korrespondenz Mendes da Costas. So berichtet John Green, Mitglied der naturforschenden Gesellschaft in Spalding, über eine mehr als 10 000 Bände umfassende Bibliothek im Besitz eines gewissen Mr. Jennys in Gopsal (Leicestershire). Der Bibliotheksraum und seine Gestaltung wird von ihm de- tailliert beschrieben: Er wird von drei Seiten durch große Fenster erhellt und an den Wänden, mit Gesimsen in antiker Manier verziert, sind die aufwendig gestal- teten Mahagonischränke zur Aufnahme der Bücher aufgereiht.104 Der schon mehrfach erwähnte William Constable erzählt Mendes da Costa von seiner Bi- bliothek, die sein Vater im Laufe von dreizehn Jahren zu einem stattlichen Be- stand von 18 000 Büchern ausgeweitet hatte.105 Bemerkungen dieser Art erhellen schlaglichtartig nicht nur den großen Umfang einiger Büchersammlungen im 18. Jahrhundert, sondern auch die mit ihnen verbundene Kultur des Sammelns und der Inszenierung des privaten Buchbesitzes. Über den Inhalt von Bibliotheken im Zusammenhang naturhistorischer Samm- lungen erfahren wir zumeist aus handschriftlichen Katalogen oder Nachlaßver- zeichnissen, in denen die Bestände inventarisiert sind.106 Sloane, der ein leiden-

103 Siehe Seymour DE RICCI, English Collectors of books and manuscripts (1530–1930) and their marks of ownership. Sanders Lectures, Cambridge 1930, S. 35. 104 »We had following account of Mr. Jennys’s Library of Gopsal in Leicestershire which he has lately added to his House. It is the south end of the east wing & is supposed to hold Ten Thousand Books being 53 feet long 25 wide & 18 high 4 windows on the sides & a grand venetian window att the end, the Book cases which are 10 and the Room are about 12 feet high to the Bottom of the Cornish which an ionick full Entabulature of Stoics painted & veined as ma- hogany to match the cases which are of that wood glaiz’d with brown Glass from the base to the Cornish, between each case is an jonick flinted Pilaster with Capitals the front of which opens to Receive Books as does the Base in Each Case are two sash doors below the surbase & two above in which lower part are all the large folio Volums & the smaller atop.« Green an Mendes da Costa, Spalding, 23. Juni 1752, BL, Add. 28.537, fol. 368v. 105 »As to my Library, it is too Extensive for me to be able to give you a distinct answer, consisting of more than 18,000 volumes, mostly collected by my father, for many years & by myself for the last 13 years.« Constable an Mendes da Costa, Burton Constable, 24. August 1760, BL, Add. 28.536, fol. 80r. 106 Siehe Ursula FABIAN, Deutsche Reisende in englischen Bibliotheken im achtzehnten Jahr- hundert, in: Paul RAABE (Hrsg.), Öffentliche und private Bibliotheken im 17. und 18. Jahrhun- dert. Raritätenkammern, Forschungsinstrumente oder Bildungsstätten, Wolfenbüttel 1977, S. 91–117. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 175 schaftlicher Katalogisierer nicht nur auf dem Gebiet der Naturgeschichte war, hat auch seinen Bucherwerb in umfangreichen Katalogen genau dokumentiert. In ih- nen ist das langsame Anwachsen seiner umfangreichen Buchbestände über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg zu einer Zahl von schließlich 42 000 Bänden ablesbar. Insgesamt acht Räume beanspruchte seine Bibliothek auf seinem Land- sitz in Chelsea.107 Aber dies war eher eine Ausnahme. Die Regel bildeten mittlere und kleinere Bibliotheken wie etwa die von John Woodward, über deren Bestand von 4 755 Büchern wir aus einem Auktionskatalog näheres erfahren. Es wurde zu Recht bemerkt, daß eine Bibliothek dieser Art, jenseits aller repräsentativen Funktionen, eine zur wissenschaftlichen Arbeit bestimmte »working library« war.108 Diese Bezeichnung trifft ebenfalls für die Bibliothek Mendes da Costas zu, deren Bestände von annähernd 250 Büchern er selbst in einem Katalog sorgfältig handschriftlich erfaßt hat; ihr relativ kleiner Bestand war fast ausschließlich auf seine mineralogischen Interessen hin zugeschnitten.109 Die Bibliothek ist Rückzugsort zum Studium der Naturgeschichte, besonders dann, wenn man, wie im Falle des Arztes und Sammlers Patrick Blair, zeitweise nicht die Möglichkeit hat, sich auf botanische Exkursionen zu begeben: »Since I am depriv’d of viewing the plants in the fields I have again get a good opportunity of Studying the Botany in my Closet for a prosperous gale has favoured me with the use of my books from Scotland which are safely arriv’d here and I only want a few books to make up a handsome small tho’ usefull sett of Botanick Authors.«110 Weniger Glück mit seiner Lektüre hatte dagegen zeitweise Mendes da Costa, der nach einem Unfall während einer Exkursion ans Bett gefesselt war und sich mit den mageren Beständen der fachfremden Bibliothek seines Freundes Joseph Sal- vador begnügen mußte: »My confinement keeps me from searching after fossils, and as Mr. Salvador is no true dilettante in Natural History, His Library consisting cheifly of belles Lettres, it is the more tedious to me«.111 Unterdessen hatte ihn die dringende Bitte eines befreundeten Londoner Samm- lers, Isaac Romilly, erreicht, der in der Royal Society einen Vortrag über ein Stück seiner Sammlung halten wollte und dazu Literatur in der Bibliothek Mendes da Costas suchte. Von Surrey aus beauftragte dieser dann seinen Bekannten Edward Wright mit der Beschaffung geeigneter Literatur aus seiner Bibliothek. Er solle

107 Siehe M. A. E. NICKSON, Books and Manuscripts, in: Arthur MACGREGOR (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Collector, Scientist, Antiquary, Founding Father of the British Museum, London 1994, S. 263–277. 108 Siehe EYLES, Woodward, S. 416 f. 109 Siehe Mendes da Costa: ›Catalogue of the Library 1781‹, BL, Add. 9389. 110 Patrick Blair an John Martyn, London, [1720], NHMB, Banks Collection 35, S. 97. 111 Mendes da Costa an Edward Wright, Tooting (Surrey), 12. Dezember 1757, RS, Misc. Manuscr. 14, Nr. 141. 176 Sammlungsräume nach zwei bestimmten Büchern sehen und nach einem Aufsatz in den Transactions, wobei er deren Format und Umfang genau beschreibt.112 Hier zeigt sich, daß die Bibliotheken in vielen Fällen keineswegs Orte eifer- süchtig gehüteten Buchbesitzes waren. Zwar befanden sich, von Ausnahmen wie der Bodleian in Oxford oder der British Library in London abgesehen, die mei- sten Bibliotheken in privaten Händen, doch dies bedeutete keineswegs, daß der Zugang zu ihnen dem interessierten Naturforscher verschlossen war. Im Rahmen der Netzwerke der Gelehrsamkeit wurden sie in den Dienst der Gelehrten- republik gestellt. Das zeigen etwa die Berichte des bibliophilen Englandreisenden Konrad Zacharias Uffenbach, der trotz seiner oft harschen Kritik meist pro- blemlos Zugang zu Sammlern und deren Bibliotheken fand.113 Besonders große Bibliotheken, wie etwa die Sloanes, hatten dementsprechend einen halböffentli- chen Charakter, was in seinem Falle nicht nur mit der besonderen Stellung eines Großsammlers zusammenhing, sondern auch damit, daß der Betrieb einer Samm- lung dieser Größe durch die Anstellung von Sekretären gewissermaßen durch- rationalisiert war. Von 1701 bis 1703 wurden die Ankäufe von Büchern für die Sloane-Sammlung von Humphrey Wanley mitorganisiert, der ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet von Handschriften und alten Büchern war.114 Später ka- men junge Wissenschaftler wie Cromwell Mortimer, der zugleich als Sekretär inner- halb der Royal Society Karriere machte, Johann Kaspar Scheuchzer und Johann Amman hinzu. Sie organisierten die Bestände nicht nur intern in Katalogen, son- dern bearbeiteten auch die vielen Anfragen und Wünsche, die extern aus aller Welt an Sloane herangetragen wurden. Sie lieferten bibliographische Informatio- nen, organisierten Buchkäufe und katalogisierten nicht zuletzt die stetig wach- senden Neuzugänge seiner Bibliothek. Eine ähnliche Tendenz zur rationalen Organisation ist schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Zusammenhang adligen Buchbesitzes feststellbar, als sich Bi- bliothekare wie Gabriel Naudé in Paris oder Antonio Magliabechi in Florenz Gedanken darüber machten, auf welche Weise privater Bücherbesitz für die Ge- lehrtenrepublik nutzbar zu machen sei.115 Bibliotheken wurden zunehmend trans- parenter und in Form von Katalogen und gelehrter Reisen vor Ort für den inter- essierten Naturforscher verfügbar. Ein Blick auf die Bibliothek der Royal Society in der ersten Hälfte des Jahrhunderts zeigt zudem, daß eine Bibliothek unter nichtprivater Regie sich paradoxerweise dem Zugang durch die Gelehrten voll-

112 Siehe ebenda. 113 Siehe FABIAN, Reisende, S. 97 f. 114 Siehe Humphrey WANLEY, The Letters of Humphrey Wanley. Palaeographer, Anglo- Saxonist, Librarian 1672–1726, hrsg. von P. L. Heyworth, Oxford 1989. 115 Dies, obwohl sie oft noch als Bewacher der ›arcana‹ ihrer adligen Besitzer auftraten. Sie- he Mario ROSA, Un ›médiateur‹ dans la République des Lettres: Le bibliothécaire, in: Hans BOTS/ Françoise WAQUET (Hrsg.), Commercium Litterarium. Forms of Communication in the Re- public of Letters 1600–1750. Lectures Held at the Colloquia Paris 1992 and Nijmegen 1993, Am- sterdam 1994, S. 81–99. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 177 kommen verschließen konnte. Mangelnde Ordnung, Verfall der Bestände und feh- lende Kataloge hatten sie im Laufe der Zeit zu großen Teilen unbenutzbar wer- den lassen.116 In Ergänzung dazu erfüllte die Bibliothek Sloanes, die zudem über erheblich größere Bestände verfügte, eine Art Ersatzfunktion für die Mitglieder der Gesellschaft. Die große Anzahl an Manuskripten und auch sonst schwer zu- gänglicher Bücher ließen den Wunsch laut werden, den Bestand in Form eines gedruckten Kataloges zu veröffentlichen. Erstaunlicherweise war es John Wood- ward – im allgemeinen wenig geneigt, seinen Konkurrenten lobend zu erwäh- nen –, der dies für besonders wünschenswert hielt und sogar von seiner Seite aus bereit war, dazu beizutragen.117 Bücher wie Naturalien waren somit in ein Netzwerk vielfältiger Austauschpro- zesse eingebunden, deren oberstes Ziel als eine durchrationalisierte Wissensver- waltung bezeichnet werden kann. Gewissermaßen als Illustration dieser Haltung fin- det sich in der Bibliothek Sloanes eines jener Leseräder, die um 1600 in Europa aufkamen und die es ermöglichten, mehrere Bücher gleichzeitig zu lesen: Einem Mühlrad ähnlich, wurden auf den ›Schaufeln‹ Bücher bereitgehalten, die sich über einen Drehmechanismus in eine Leseposition bringen ließen.118 Es ist zwar wahr- scheinlich, daß Sloane diese unhandliche Vorrichtung mehr um der Kuriosität, denn des praktischen Nutzens willen erworben hat, dennoch kennzeichnet dieses Rad die Kontinuität, die zwischen den Bemühungen zur Wissensorganisation im 17. Jahrhundert mit der des darauffolgenden bestand. Das enge räumliche Nebeneinander von Büchern und Naturalien veränderte teilweise die Bücher selbst. Mappen mit Zeichnungen, Herbarien und nicht zuletzt die unvermeidlichen Kataloge stellten eine zwischen dem traditionellen gedruckten Buch und dem Manuskript gelegene Mischform dar. Die umfangreichen, aus allen Teilen der Welt zusammengekauften Herbarien Sloanes wurden als Bücher einheitlich gebunden und von ihm und seinen Mitarbeitern durch handschriftliche Beschreibungen nach dem botanischen System seines Freundes John Ray ergänzt. Allein dieser Bestand wuchs im Laufe der Jahre, wie der Besucher Per Kalm mit- teilt, auf insgesamt 336 Bände an.119 Sie können als eine zwischen Buchdeckel ›ge- preßte‹ Kleinstsammlung angesehen werden und spiegeln in den handschriftlichen Bemerkungen und Ergänzungen die Arbeitsprozesse in der großen Sammlung, mit

116 Siehe BOAS-HALL, Library, S. 11. 117 »What you call a Bibliotheca Naturalium would be a Thing of very great Use: & I treat you to set it forth. I’m satisfy’d there is no where together, so great a Collection of Physick Books as you have: and, if I have any that you want, you may freely command them towards compleating so noble a Collection.« Woodward an Sloane, London, 13. April 1722, BL, Sloane 4046, fol. 229r. Leider fehlen nähere Hinweise auf die erwähnte ›Bibliotheca Naturalium‹. Es ist zu vermuten, daß es sich um eines der laufenden und leider nie vollendeten Katalogisierungsprojekte Sloanes handelt. 118 Darüber berichtet der schwedische Reisende Per Kalm, der Sloane 1748 besuchte. Zit. MACGREGOR, Sloane, S. 32. 119 Siehe ebenda, S. 33. 178 Sammlungsräume der sie aufs engste verbunden waren.120 Von Unikaten dieser Art war der Weg nicht weit zu den allgegenwärtigen Zeichnungen und Bildern von Sammlungs- gegenständen. Sie dokumentierten die Objekte, koloriert oder einfarbig, einerseits in ihren charakteristischen Merkmalen und sorgten andererseits dafür, daß sie, versehen mit den notwendigen Beschreibungen, eine leichtere Verbreitung in der gelehrten Welt finden konnten. Zudem ermöglichten sie, daß die trotz bester Konservierung oft vom Verfall bedrohten Objekte in dieser Form auf lange Sicht der Nachwelt erhalten blieben. Im Kontext des Austauschs und der engen Nach- barschaft zu den gesammelten Objekten waren die Formen des Buches und seine Funktionen so äußerst vielfältig.121 Einen weiteren Mosaikstein in diesem vielfarbigen Bild privaten Buchbesitzes stellt das schon einmal erwähnte Inventar der Sammlung von Isaac Romilly dar, das im folgenden genauer untersucht werden soll.122 Die Liste führt insgesamt 85 Titel nach Autoren und Erscheinungsjahr auf, die für einen Preis von fast 70 Pfund ihren Besitzer wechselten; die Naturaliensammlung wurde dagegen auf insgesamt 350 Pfund taxiert.123 Romilly war vor allem Mineralien- und Fossilien- sammler und zudem, wie der Hinweis auf eine Sammlung von materia medica – also pharmazeutischen Präparaten – zeigt, ebenfalls an Medizin interessiert. Ins- gesamt 33 Titel der Bibliothek haben im weitesten Sinne mit Naturgeschichte, Medizin oder Naturphilosophie zu tun, was über ein Drittel des gesamten Be- standes ausmacht. Damit zeigt sich eine enge Verflechtung zwischen dem Bücher- besitz und den Sammlungsschwerpunkten. Doch um welche Bücher handelte es sich genau? Der weitverbreitete Katalog des Muschelsammlers Georg Everhard Rumph [45]124 findet sich hier ebenso wie eine Kurzfassung von Edward Edwards Natural History of Birds [47], eine Naturgeschichte der West Indies [17], eine Natur- geschichte der Schlangen [51] und die Natural History of Fossils [50] seines Freun- des Mendes da Costa. Daneben machen Texte und Nachschlagewerke zur Medi- zin einen wichtigen Teil des Bestandes aus. Die Werke des bekannten Arztes Thomas Sydenham sind gleich zweimal [2; 58] vertreten; es finden sich aber auch

120 Siehe James E. DANDY (Hrsg.), The Sloane Herbarium. An Annotated List of the Horti Sicci with Biographical Accounts of the Principal contributors. Based on Records compiled by James Britten, London 1958. 121 Die Problematik einer von der Praxis des Lesens, Tauschens und Produzierens absehen- den Untersuchung der Buchproduktion des 18. Jahrhunderts zeigt die Studie von KNIGHT, Science Books. Knight beschränkt sich allein auf das gedruckte Buch: »We shall […] looking at original scientific books, whether important, interesting, or curious; at philosophical writings which have interested scientists; and at books written by scientists which illuminate their scien- tific work.« Ebenda, S. 1 f. 122 Siehe das ›Inventory with its avaluation [sic] of the Collections of Natural Curiosities of the late Mr. Isaac Romilly F.R.S. taken the 17th January 1760‹. BL, Add. 28.542, fol. 72r–73r. Zu Romilly und seiner Sammlung siehe oben, S. 168. 123 Siehe ebenda, fol. 73r. 124 Die folgenden Zahlen beziehen sich auf den im Anhang wiedergegebenen Bibliotheks- katalog Romillys. Siehe unten, S. 356–358. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 179 insgesamt vier Nachschlagewerke [20; 33; 35; 43] zur Medizin, wobei unter dem Dispensatory ein praktisches Handbuch zur Bereitung verschiedener pharmazeu- tischer Präparate zu verstehen ist.125 Den weiteren Rahmen der Naturgeschichte stecken Werke über die Experimentalwissenschaften [18; 31; 57; 84], zur Mathe- matik [28], Geographie [13] und Chemie [64] ab. Bemerkenswert ist, daß sich diese wissenschaftlichen Interessen nahtlos in den belletristischen Lektürekanon des Jahrhunderts einfügen. So scheint Romilly eine besondere Vorliebe für die Werke Swifts besessen zu haben: Sie sind einmal als neunbändige Gesamtausgabe [68] und in Einzelausgaben vertreten [22; 69]. Hin- zu kommen die antiken Klassiker: Ovid [25; 42], Cicero [29], Horaz [41], Aesop [56], Homer [79] und Plutarch [82]. Die Tatsache, daß sich auch einige Werke der zeitgenössischen Literatur- und Kunstkritik, wie du Bois [71], Addison [70; 73] und Lockes Essay concerning human Understanding [60] in seinem Besitz befanden, weist darauf hin, daß er sich mit seinen Lektüren auch auf theoretischer Ebene zu beschäftigen wußte. Sieht man von dem auffälligen Fehlen der physikotheologischen Literatur ein- mal ab – Werke von Derham, Ray oder Burnet sind nicht vertreten –, hat man trotz des geringen äußeren Umfangs eine Bibliothek vor sich, in der sich Bücher aus fast allen Bereichen der damaligen Wissenschaften finden. Obwohl Romilly vor allem Mineralien und Fossilien in seinem Kabinett aufbewahrte, weist ihn seine Büchersammlung als typischen Virtuoso im Sinne eines umfassend gebil- deten Menschen aus. Das Romillysche Kabinett war kein Forschungslabor zur analytischen und experimentellen Betrachtung der dort versammelten Gegen- stände. Das Kabinett zeigt sich in Verbindung mit der Bibliothek als ein Ort um- fassender Bildung, sowohl der Betrachtung von Objekten als auch der zurückge- zogenen Lektüre.

2.3 Wissenschaft und Konsum: Sammlungen in der Warenwelt

Die Betrachtung von Sammlungen unter so unterschiedlichen Aspekten wie Kommunikation, Lebensstil, Visualisierung und Wissenschaft verweist auf die un- terschiedlichen Bezugssysteme, in denen sich das Sammeln von Objekten voll- zog. Grundsätzlich betrachtet, handelt es sich bei Sammlungen um Orte, in de- nen gewöhnliche Objekte mit neuen Bedeutungen versehen werden, wobei die Art der Präsentation und die durch den Sammler gestifteten Ordnungszusammen- hänge eine entscheidende Rolle spielen. Im folgenden soll deshalb der Blick für die Sammlungsobjekte und deren Beschaffung geschärft werden. Doch anders als im Kapitel über Naturalien als Gaben und Geschenke, liegt der Schwerpunkt hier auf ihrem Charakter als Ware und als Handelsgut, wobei jedoch an dieser Stelle betont werden muß, daß Gaben- und Warencharakter gleichermaßen zum ›Spiel‹ der Objektbedeutungen, mithin zum symbolischen Mehrwert gehören.

125 ›Dispensatory‹: »A book listing the composition, preparation, and application of various drugs«, COLLINS, Dictionary of the English Language, 2. Aufl., London 1986. 180 Sammlungsräume Einen Hintergrund für jede Bemühung, eine Sammlung zusammenzustellen, bildete, sieht man einmal von der Beschaffung durch Expeditionen, Reisen oder kürzere Exkursionen ab, im weitesten Sinne die Ökonomie der Warenwelt. Als Waren und Konsumgüter sind die Objekte dabei zunächst Gegenstände eines unmittelbaren Verbrauchs, höchstens einer kurzfristigen Lagerhaltung. Diesem Sammeln aus ökonomisch-lebenserhaltenden Gründen – für das archetypisch das Bild vom Jäger und Sammler stehen kann – läßt sich grundsätzlich das Sammeln aus ästhetischen Gründen gegenüberstellen, wo den Objekten neue Bedeutungen zugewiesen werden, die keinerlei Verbindung zu ihrem ursprünglichen Bedeutungszusammenhang aufweisen.126 Mit dem Begriff der Semiophore hat Krzysztof Pomian diese Haltung Objekten gegenüber in ihrer Grundstruktur zu beschreiben versucht. Objekte dieser Art sind das genaue Gegenteil aller nützli- chen Gegenstände, für die gelte: »Mit all diesen Gegenständen hantiert man, durch sie alle werden physische, sichtbare Veränderungen vorgenommen oder sie erlei- den sie auch: sie nutzen sich ab.« Die Semiophoren seien demgegenüber »Gegen- stände ohne Nützlichkeit […], die das Unsichtbare repräsentieren, das heißt die mit einer Bedeutung versehen sind«.127 Die Rückführung von Sammlungen – besser wäre es in dieser Hinsicht, vom Prozeß des Sammelns zu sprechen – auf das Gegensatzpaar von Nützlichkeit und Bedeutung, widerspricht jedoch keines- wegs dem Befund, daß Sammlungen auf vielfältige Weise selbst mit der Sphäre des Konsums und der Ökonomie verbunden sind und dort gleichsam ihre Wur- zeln finden. So wurden die Bedeutungen der Objekte im Zusammenspiel von Besitz, Ge- schmack und Lebensstil immer wieder neu ermittelt.128 Historisch betrachtet hängt dies mit einer Entwicklung hin zu einer Art Bedeutungspluralismus der Ob- jekte zusammen. Mit dem Ende des 14. Jahrhunderts verloren die gesammelten Objekte ihren theologisch begründeten kultischen Charakter, etwa als Reliquien oder im liturgischen Zusammenhang verwendete Bildwerke.129 Die Entstehung von Privatsammlungen im Italien des 16. Jahrhunderts läßt sich daher mit einer zunehmenden Individualisierung der Lebensstile, vor allem im adligen Milieu und dessen Umfeld, in Verbindung bringen.130 Sammlungen von Kunstwerken und die damit verbundene adlige Patronage fanden sich allerorten im Europa des

126 Siehe SOMMER, Sammeln, S. 94. 127 Krzysztof POMIAN, Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln, Berlin 1988, S. 49 f. 128 Siehe BOURDIEU, Unterschiede, S. 104 f. 129 Siehe POMIAN, Ursprung, S. 30, und Stephen BANN, Shrines, curiosities, and the rhetoric of display, in: Lynne COOKE/Peter WOLLEN (Hrsg.), Visual display. Culture beyond appearances, Seattle 1995, S. 15–29. 130 Statt diesen Aspekt der ›Entstehung des modernen Menschen‹ aus dem Blickwinkel der Sammlungen bei Gefahr der Simplifizierung weiter auszuführen, sei an dieser Stelle auf Über- legungen Baudrillards verwiesen. Er begreift Sammeln als grundsätzlich subjektiv, vom persön- lichen Geschmack bestimmt, letzlich als ›asoziale‹ Tätigkeit. Siehe Jean BAUDRILLARD, The Sys- tem of Collecting, in: John ELSNER/Roger CARDINAL (Hrsg.), The Cultures of Collecting, London 1994, S. 7–24. Jedoch ist diese einsame Tätigkeit des Sammelns eben auch aus den vielfältigen sozialen Bezügen des Austauschs und der Ökonomie beschreibbar. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 181 17. Jahrhunderts. Sie waren damit gleichermaßen Ausdruck ästhetischer Kenner- schaft wie gesellschaftlicher Selbstdarstellung. Doch handelte es sich nicht um öffentlich zugängliche Sammlungen. Sie waren – darauf wurde schon verwiesen – eingebunden in das System der Lebensstile und nur im Zusammenhang privater Zirkel und der Herausbildung informeller Formen von Geselligkeit erfahrbar. Im Extremfall wurden sie – eifersüchtig bewacht – völlig unzugänglich.131 Damit unterscheiden sie sich von den ihrer visuellen Qualität nach wesensverwandten Ereignissen wie etwa Festen, Umzügen, Theater oder Feuerwerk, bei denen alles – im Gegensatz zur bewahrenden und akkumulierenden Sammlung – auf den Augenblick hin angelegt ist. Doch kann sich die Sammlung nicht gänzlich der Außenwelt verschließen. Wie schon im Hinblick auf ihren Ort innerhalb der Ge- lehrtenrepublik zu zeigen versucht wurde, vollzieht sich das Sammeln innerhalb sozialer Bezüge. Gerade in der Gegenüberstellung privaten und öffentlichen Sammelns zeigt sich dieses komplizierte Spannungsfeld zwischen individuellem Sammeln einerseits und der Sphäre gesellschaftlich bedingten Konsums anderer- seits. Im England des 18. Jahrhunderts finden sich, zu Beginn der europäischen In- dustrialisierung, erste Ansätze zu einer Ausweitung einer marktorientierten Pro- duktion kultureller Güter. John Brewer hat diese Verhältnisse unter den Begriffen des kulturellen Konsums (cultural consumption) und der kulturellen Güter (cultural commodities) näher zu beschreiben versucht.132 So wurde beispielsweise in England das gedruckte Buch, wenn auch nicht zur Massenware nach heutigen Maßstäben, so doch zu einem weitverbreiteten Medium im Sinne einer cultural commodity, das weite Gesellschaftsschichten zu erreichen vermochte.133 Ähnliches gilt für Bilder, die in zunehmenden Maße, durch ein umfangreiches Angebot auf dem Markt gefördert, Eingang in private Haushalte fanden.134 Dieser Befund im Hinblick auf eine zunehmende Verbreitung von vormals weitgehend dem Adel vorbehaltenen Bereichen der Lebensgestaltung trifft zunächst auf Gebiete zu, die anders als die an einen Ort gebundenen Sammlungen zu den Kernbereichen po-

131 Das Spektrum reicht hier bis an den äußersten Rand einer manischen Sammlerexistenz, deren Archetypus Cousin Pons in der gleichnamigen Erzählung Balzacs Werner Münsterberger ein Kapitel in seiner Studie gewidmet hat: Werner MÜNSTERBERGER, Sammeln. Eine unbändige Leidenschaft. Psychologische Perspektiven, Berlin 1995. 132 Siehe John BREWER, ›The most polite and the most vicious‹. Attitudes towards culture as a commodity, 1660–1800, in: John BREWER/Roy PORTER (Hrsg.), Consumption and the world of goods, London 1994, S. 341–362; John BREWER, Was können wir aus der Geschichte der frü- hen Neuzeit für die moderne Konsumgeschichte lernen?, in: Hannes SIEGRIST/Hartmut KAELBLE/Jürgen KOCKA (Hrsg.), Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kultur- geschichte des Konsums (18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt a. M. 1997, S. 51–74. Den Aspekt der Sammlung betont Chandra MUKERJI, Reading and writing with nature. A materialist approach to French formal gardens, in: Ann BEMINGHAM/John BREWER (Hrsg.), The Consumption of Culture 1600–1800, London 1995, S. 439–461. Von John Brewer stammt darüber hinaus eine umfangreiche Kulturgeschichte Englands im 18. Jahrhundert aus der Perspektive der cultural commodities. Siehe John BREWER, Pleasures. 133 Siehe ebenda, S. 167–197. 134 Siehe ebenda, S. 202. 182 Sammlungsräume pulärer Kultur gezählt werden können. Beispielhaft sind hier etwa Theater und Kunstausstellungen, beides Erscheinungen, deren Erfolg oder Mißerfolg weitest- gehend von einer geschickten Vermarktung und damit von einer Publikumswirk- samkeit abhing. Theaterzettel, Eintrittskarten, Lotteriebillets, Mode, Karikaturen, Rezensionen – die Liste der mit der Erscheinung des kulturellen Konsums zu- sammenhängenden Kommunikationsmedien ließe sich beliebig lang fortsetzen. Entscheidend hierbei ist jedoch, daß mit dem erstmaligen Erscheinen der Mas- senkultur, oder vorsichtiger ausgedrückt: der Popularisierung von Kultur, gleich- zeitig ein Prozeß der Individualisierung fortschreitet, der den Geschmack nicht mehr in den Kontext einer allgemeinverbindlichen Lebensorientierung einbindet. Bildung, Geschmack und Konsum teilen das Feld der den Objekten zugewiese- nen Bedeutungen in verschiedenste, sozial bestimmte Einzelräume auf und tra- gen damit gleichzeitig zu einer Individualisierung der Lebensstile bei. Vor allem in England brachten die Schwierigkeiten, den kulturellen Konsum auf einen allgemeinverbindlichen Nenner zu bringen, eine Fülle von Schriften und Traktaten hervor, deren Anliegen es war, innerhalb dieser nivellierenden Ten- denzen eine Orientierung zu bieten.135 In Mittelpunkt stand dabei, schon ganz im Sinne einer beginnenden Aufklärung, der Gedanke der Erziehung zum richtigen Konsum. Unter dem von Addison geprägten Schlagwort der Pleasures of the Imagination wurden unter anderem die rezeptiven Leistungen der neuen Kon- sumenten von Kultur genauer unter die Lupe genommen. Als Gegenbegriff und Gegenstand der Kritik bot sich dabei der der Mode (fashion) an. Den reinen Augen- blicksreizen der Oberfläche verpflichtet und ohne von wirklicher Dauer zu sein, wurde die Mode zum Inbegriff distanzloser, zweckfreier Konsumption.136 Eine Stimme im vielfältigen Konzert der Kritiker vorbehaltlosen Konsums stammte von Alexander Pope. Unter dem Aspekt des Reichtums beleuchtet er kri- tisch die Schattenseiten einer wahllosen Aufhäufung von Kulturgütern und berührt damit auch die Rolle von Sammlungen. Obwohl in seiner Epistle on Riches von 1733 Sammlungen selbst nur am Rande eine Rolle spielen, deutet sich in den Stich- worten von taste und nature und deren erkenntnisleitender Funktion eine Denk- richtung an, die für das kommende Jahrhundert bestimmend werden sollte. Die Anhäufung von Reichtümern, worunter er vor allem Kunstwerke und Bücher ver- stand, war nur dann zu rechtfertigen, wenn sie subjektbezogen als Beitrag zu einer umfassenden Lebensgestaltung verstanden wurde. Nicht die Zirkulation von Waren im Wechselspiel von Kaufen und Konsum stand im Vordergrund, sondern der direkte, vortheoretische Bezug der einzelnen Objekte zu ihrem Betrachter: »Something there is more needful than Expense, And something previous ev’n to Taste – ’tis Sense: Good Sense, which only is the gift of Heav’n, And tho’ no Science, fairly worth the seven:

135 Siehe ebenda, S. 56–122. 136 Siehe ebenda, S. 74. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 183

A Light, which in yourself you must perceive«.137 Die Welt kulturellen Konsums verändert die Bedingungen, unter denen die Ob- jekte des Alltags und vor allem die der Kunstproduktion wahrgenommen werden. Innerhalb des allzeit verfügbaren Angebots an kulturellen Gütern müssen sich die Objekte als Träger von Wissen, Bildung und Geschmack behaupten – eine Hal- tung, die sich auf ähnliche Weise bei Popes Kritikerkollegen Samuel Johnson wiederfindet.138 Das trifft gleicherweise für den Bereich der naturhistorischen Sammlungen zu, die als Orte der Wissenschaft und des von ihr propagierten distanzierten und ordnenden Blicks zwar einerseits das Bedürfnis nach Wissen und Bildung befrie- digten, andererseits zu Medien der Popularisierung von Wissenschaft wurden und damit eine Anbindung an die Welt des Konsums vollzogen. In seinem Vorwort zu der von ihm herausgegebenen Naturgeschichte unter dem Titel The British konnte der Naturforscher Thomas Pennant 1766 zu Recht bemerken, daß die Naturgeschichte in einem engen Zusammenhang mit den schönen Künsten, den polite arts, stehe: »The depths of the seas, the internal caverns of the earth, and the planetary system are out of the painters reach; but can supply the poet with the sublimest con- ceptions; nor is the knowledge of animals and vegetabels less requisite, while his creative pen adds life and motion to every object«.139 Naturgeschichte erscheint hier als ein Beitrag zur Gestaltung des Lebens, als Vergnügen an schönen Abbildungen und Tafelwerken. Auf diese Weise verwisch- ten sich die Grenzen zwischen den Wissenschaften und einer durch den kulturel- len Konsum ermöglichten Lebensgestaltung. Doch stieß eine Vermittlung dieser Art dort an ihre Grenzen, wo es um die Frage des Besitzes ging. Konsum ermöglichte nicht nur eine umfassende Partizi- pation an einer bis dahin für die meisten unzugänglichen Welt von Bildung, Kul- tur und Wissenschaft, sondern er war zugleich, durch den Kauf, besitzorientiert. Dieser Aspekt stand im Widerspruch zu einer Naturgeschichte, die sich als ein gemeinschaftliches Projekt zur Erkenntnisgewinnung begriff. Sammlungen waren in die gelehrten Netzwerke des Austauschs von Objekten eingebunden und boten jedem Interessierten die Möglichkeit, an ihren Beständen, sei es in gedruckten Be- schreibungen, sei es als Besuch vor Ort, zu partizipieren. Dagegen ist eine durch Kauf erworbene Sammlung von den Austauschprozessen der Wissenschaft ten- denziell abgeschnitten. Die wissenschaftliche Sammlung ist eine im Prinzip offen zugängliche Sammlung, während diejenige im Kontext kulturellen Konsums prin- zipiell als geschlossen betrachtet werden kann. Einen recht frühen Einblick in die Welt des Handels mit Naturalien vermittelt ein Tagebucheintrag von John Evelyn, der 1644 in Paris einen Laden mit dem be- zeichnenden Namen Noah’s Ark besuchte:

137 POPE, Works, S. 258 (Essay on Man, Epistle IV, Z. 41–45). 138 Siehe oben, S. 149 f. 139 Thomas PENNANT, The British Zoology, London 1766 (Preface). 184 Sammlungsräume

»Here is a shop called Noah’s Ark where are sold all curiosities, natural or artificial, Indian or European, for luxury or use, as cabinets, shells, ivory, porcelain, dried fishes, insects, birds, pictures, and a thousand exotic extravagances.«140 Waren hier die Naturobjekte aus aller Welt spezifisch auf die Bedürfnisse des Virtuoso und Sammlers zugeschnitten, so verweist ihre Anordnung und Dispo- sition als Ware zugleich auf die weit ältere Form des Lagers oder der Material- kammer, in der die Waren für den Händler zur Verfügung gehalten wurden, be- vor sie dann endgültig Eingang in die Kreisläufe der Konsumption fanden. Georg Nicolaus Schurz’ Warenkunde aus dem Jahr 1672 befaßt sich allein mit den Ob- jekten aus der Perspektive von Bewahrung, richtiger Beurteilung und Konservie- rung. Aber die hier verzeichneten Heilkräuter, Früchte, Samen und Metalle sind genauso in einem Kabinett vorstellbar. Einzig die zufällig-alphabetische Anord- nung der Einträge erschließt die Objekte, ähnlich naturhistorischen Sammlungs- katalogen, dem interessierten Besucher, sei er nun Kaufmann, Apotheker oder Naturforscher.141 Dieser enge Zusammenhang von Konsum und Sammeln spiegelt sich beson- ders deutlich in den kritischen Bemerkungen Mary Astells von 1696 wider, in de- nen sie im Zusammenhang eines Character of a Virtuoso ihr Unbehagen gegenüber der Vermischung beider Bereiche zum Ausdruck bringt: »He Trafficks to all places, and has his Correspondents in every part of the World; yet his Merchandizes serve not to promote our Luxury, nor encrease our Trade, and neither enrich the Nation, nor himself. A Box of two of Pebbles or Shells, and a dozen of Wasps, Spiders and Caterpillers are his Cargoe. He values a Camelion, or Salamander’s Egg, above all the Sugars and Spices of the West and East Indies.«142 Doch eine genaue Trennung zwischen den Warenlagern der Kaufleute und den Interessen der Sammler ließ sich schon zu dieser Zeit nicht aufrechterhalten. Denn schon während des 17. Jahrhunderts hatte sich ein Bereich von Waren herausgebildet, der nicht mehr allein der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung diente; der Begriff des Konsums wird hier äußerst vielschichtig. Zwar ist zu ver- muten, daß viele Zeitgenossen immer noch lieber Zucker und Gewürze in ihrem Haushalt konsumierten, statt sich an einer Sammlung von Wespen, Spinnen und Tausendfüßlern zu erfreuen, doch nahm die Zahl derer zu, für die das Sammeln von Naturalien ein wichtiger Bestandteil der Gestaltung des Lebens wurde. Ein Vorläufer dieser Vermischung von Sammler- und merkantilen Interessen war die sogenannte Tulipomania, ein Phänomen, das in den Niederlanden und in England in den 1630er Jahren um sich griff. Für eine einzige Zwiebel wurde 1637

140 The Diary of John Evelyn, Bd. 1, S. 50. 141 Georg Nicolaus SCHURZ, Neu eingerichtete Material-Kammer: Das ist Gründliche Be- schreibung aller fürnehmsten Materialien und Specereyen …, Nürnberg 1672. Zu Recht weist HEESEN, Naturalienkabinett, darauf hin, daß dieses Verhältnis von Warenlager und Waren- tausch im Hinblick auf die Sammlungen zu wenig beachtet worden ist. Siehe ebenda, S. 40, Anm. 17. 142 Zit. HOUGHTON, Virtuoso, S. 53. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 185 die ungeheure Summe von 10 000 Gulden bezahlt.143 Das Vergnügen an beson- ders exotischen Arten von Tulpenzwiebeln steigerte sich, durch Händler und Spe- kulanten angeheizt, zu einer wahren Besessenheit unter Sammlern, die bald dazu bereit waren, ein Vermögen für bestimmte, besonders auffällige und schön gera- tene Tulpenarten zu zahlen. Die aus dieser Zeit überlieferte Anekdote – ob sie nun auf tatsächlichen Begebenheiten beruhte, sei dahingestellt – von einem See- mann, der zufällig an eine dieser Zwiebeln gelangte und sie ganz selbstverständ- lich zur Bereicherung seines kargen Mittagessens verwendete, führt die Spann- weite zwischen der Banalität des Objekts und seiner merkantilen Bewertung deut- lich vor Augen.144

Auktionen und Verkäufe Dieses Spiel unterschiedlichster Bedeutungen vor dem Hintergrund kulturellen Konsums läßt sich für das 18. Jahrhundert exemplarisch an der Korrespondenz Mendes da Costas beobachten. Als Händler und Wissenschaftler kannte sich Men- des da Costa wie kaum ein anderer in der Welt der Versteigerungen, des Natu- ralienhandels und den damit verbundenen richtigen Verkaufsstrategien aus. Da- bei werden immer wieder Widersprüche und Berührungspunkte zwischen der Wissenschaft und den Bedingungen und Interessen des Marktes deutlich. Seine ersten Erfahrungen auf diesem Gebiet machte er 1747/48 in den Nieder- landen.145 An den mit ihm befreundeten Johann Jakob Ritter, damals Professor der Medizin in Franeker, schrieb er über seine Erfahrungen mit Naturalienhänd- lern in Amsterdam: Die Stadt quelle förmlich über von Kuriositäten aus aller Welt, und für den Interessierten gäbe es mehr als genug Gelegenheiten, sich in dafür spezialisierten Geschäften mit Naturalien einzudecken.146 Die aus den nieder- ländischen Kolonien in Ostasien eingehenden Handelsgüter waren auch für die von exotischer Ware und Raritäten besessenen Naturalienhändler von Interesse. Schon um 1720 schlossen sich in Dordrecht auf Muscheln spezialisierte Händler und Sammler zu einer Gesellschaft zusammen, was nicht zuletzt einen Eindruck von der allgemeinen Popularität dieser Beschäftigung in den damaligen Nieder- landen vermittelt.147 Zudem zeigt sich speziell am Amsterdamer Naturalienhan-

143 Siehe Mike DASH, Tulpenwahn. Die verrückteste Spekulation der Geschichte, München 1999 (engl. 1999), S. 137. 144 Siehe ebenda, S. 138 f. 145 Er hielt sich damals in den Niederlanden auf, um mit den dort im Zusammenhang des österreichischen Erbfolgekriegs stationierten englischen Truppen Handel zu treiben. Siehe Mendes da Costa an John Green, Bois le Duc 10. Oktober 1748, BL, Add. 28.537, fol. 319r. 146 »Mais permettez moi Monsr de vous marquer, que vous etes mieux en etant de vous fournir en cet curiosites journellement en Hollande, que en aucun autre pais du monde a des collections de ces curiosites abondent en ce pais, et des ventes se font continuellement a amsterdam.« Mendes da Costa an Johann Jakob Ritter, Bois le Duc, 4. September 1747, BL, Add. 28.541, fol. 223r. 147 Siehe Henry E. COOMANS, Conchology before Linnaeus, in: Oliver IMPEY/Arthur MAC- GREGOR (Hrsg.), The Origins of Museums. The Cabinet of Curiosities in Sixteenth- and Seven- teenth-Century Europe, Oxford 1985, S. 188–192, hier S. 192. Über die Niederlande als Zen- 186 Sammlungsräume del die Tendenz zur Internationalisierung von Sammlungen, die durch An- und Verkäufe in ein Netzwerk nicht nur persönlicher, sondern auch kommerzieller Beziehungen eingebunden waren. Hinzu kamen die Auktionen.148 Der Tod eines Sammlers und das mangelnde Interesse der Erben an einem Erhalt der Sammlung oder der Wunsch des Samm- lers selbst, aus seiner mühsam zusammengetragenen Sammlung Gewinn zu schla- gen, machten es immer wieder notwendig, ganze Sammlungen auf dem Markt zu präsentieren. Niederländische Sammler wie etwa Frederik Ruysch oder Albert Seba konnten mit ihren Sammlungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts hohe Preise er- zielen.149 Einen Eindruck von einer solchen Auktion vermittelt ein Bericht James Petivers, der 1711 im Auftrag Sloanes nach Leiden reiste, um dort an der Verstei- gerung der Sammlung von Paul Hermann teilzunehmen. Hermanns Witwe Anna hatte die Sammlung nach dem Tod ihres Ehemanns 1695 fortgeführt, jedoch be- reits 1703 damit begonnen, Stücke daraus auf dem Markt anzubieten.150 Gerade zu dieser Zeit besichtigte William Sherard während eines Besuchs in Amsterdam den Bestand und wies vor allem auf Sloane als potentiellen Käufer dieser Samm- lung hin. In diesem Zusammenhang zog Anna Hermann eine vollständige Auf- lösung des Haushalts und eine Übersiedlung nach London in Erwägung.151 Aber ein Verkauf der gesamten Sammlung erwies sich anscheinend als unmöglich, so daß es erst im Juni 1711 zu einer vollständigen Verauktionierung der Bestände auf der Grundlage eines kurz zuvor publizierten Kataloges kam.152 Petiver er- warb insgesamt 104 Stücke, wobei das teuerste ein weißgefiederter Paradiesvogel war, für den er den enormen Preis von einem Pfund bezahlte.153 Öffentliche Auktionen von Naturalien begannen in England, einer Bemerkung Mendes da Costas zufolge, erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts üblich zu wer- den. Hierbei tauchen immer wieder eine Reihe von Auktionshäusern wie etwa trum des Warenverkehrs und der Informationsströme sowie deren Bedeutung für die Welt der Sammler siehe GELDER, Wereld, S. 15–38. 148 Siehe J. M. CHALMERS-HUNT (Hrsg.), Natural History Auctions 1700–1972. A Register of Sales in the British Isles, Exeter 1976, und: Frits LUGT, Répertoire des Catalogues de Ventes Publiques intéressant l’art ou la curiosité. Première Période vers 1600–1825, Den Haag 1938, S. 27–35. 149 Beide verkauften ihre Sammlungen 1717 an den russischen Zaren Peter I., der sie dann der von ihm gegründeten Petersburger Akademie zur Verfügung stellte. Siehe SMIDT, List, S. 235; 249. 150 Zu Hermann siehe ebenda, S. 118. 151 Anna Hermann an Sloane, Leiden, Oktober 1703, BL, Sloane 4039, fol. 200r. Sloane hatte schon zuvor Teile aus der Hermann-Sammlung erworben. Siehe DANDY, Herbarium, S. 137 (›Plants gathered by Dr. Hermann at the Cape of Good Hope in 1672‹). 152 Siehe Catalogus Musei indici Continens varia Exotica, tum Animalia, tum Vegetabilia, Nati- vam Figuram servantia, Singula in Liquore Balsamico asservata …, Leiden 1711. 153 »The White or Pied Bird of Paradyso No 184 is a very great Rarity [even amongst them] in all Holland, so that I was unwilling to let it go and this was the highest prized thing that was sold this day yet it cost but about a Guinea, which I hope you will not think too much for so scarce a Bird and which I would gladly have given for my selfe, since I may never meet with it again.« Petiver an Sloane, Amsterdam, 18. Juni 1711, BL, Sloane 4042, fol. 305r. Dem Brief ist eine ausführliche Aufstellung der Objekte samt Preisen beigefügt. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 187 Langfords, Leighs, Patersons oder Hutchinsons auf, die sich offenbar auf Samm- lungsverkäufe spezialisiert hatten.154 So im Falle des Sammlers William Pond, des- sen Naturalien zusammen mit seiner Sammlung an Zeichnungen und Bildern – »of eminent masters« – 1758/59 bei Langfords versteigert wurden.155 Da Costa kannte Pond und dessen Mitarbeiter Jacob Neilson von den wöchentlichen soge- nannten Monday-Meetings her, bei denen sich eine Reihe Londoner Virtuosi re- gelmäßig trafen. Versteigert wurden nicht nur Naturalien, sondern auch eine An- zahl Drucke, Bilder und Zeichnungen, wobei zu bemerken ist, daß im Vergleich zu den Naturalien der Ertrag aus den Kunstwerken weitaus höher war. Die Samm- lung von Drucken war zuvor schon für 1 700 Guineen privat verkauft worden und die Zeichnungen erzielten noch einmal 1 400 Guineen. Für die Naturalien hat- te Mendes da Costa im Auftrag des Sammlers Thomas Fluyder vor der Auktion 800 Guineen geboten, dieses private Angebot wurde jedoch abgelehnt, da die Ver- steigerung schon angekündigt war. Die Erben hatten es anscheinend eilig zu ver- kaufen und einen möglichst hohen Preis zu erzielen, eine Strategie, die die Kritik Mendes da Costas hervorrief, der sich darüber beklagte, daß die Sammlung seit dem Tode Ponds in Dreck und Unordnung versunken sei. Überhaupt handle es sich bei diesem Personenkreis, so Mendes da Costa, um eine Horde geldgieriger Aasgeier, die für die Kunst und die Wissenschaften vollständig verloren seien.156 Sein Korrespondent Wright schloß sich dieser harschen Kritik an, indem er ebenfalls bemängelte, daß die Sammlung durch die von den Erben verfolgte Ver- dunkelungsstrategie den Interessen des Fachpublikums in keiner Weise gerecht werde.157 Im Jahr 1767 erfuhr Mendes da Costa dann von der Auktion der Sammlung des in Paris lebenden Peruaners Pedro Francesco Dávila, über die kurz zuvor ein umfangreicher dreibändiger Katalog erschienen war.158 Da er selbst nicht dorthin reisen konnte, bat er den mit ihm befreundeten John Turberville Needham, ihm näheres über den Verkauf mitzuteilen.159 Ihn interessierte, ob die Auktionen in Paris auf ähnliche Weise wie in England abgehalten wurden und ob die im Katalog beschriebenen Stücke mit denen vor Ort übereinstimmten. Ungefähr zwei

154 »Later Memoirs are, that Mr. Jones’s collection of shells and other curiosities were sold by Public Auction in 1749 or 1750, it was the first public sale in London meerly of Natural History, I know of. Mr. Kennon’s collection was sold in 1756, and Mr. Sadlers in 1757.« Mendes da Costa an Edward Wright, Tooting (Surrey), 13. Dezember 1757, RS, Misc. Manuscr. 14, Nr. 141. Siehe auch MENDES DA COSTA, Anecdotes, Nr. 83. 155 Siehe die Berichte hierüber in den Briefen Mendes da Costas an Wright, 21. Oktober 1758, 3. Juli 1759 und 17. Juli 1759, BL, Add. 28.544, fol. 252r, 278v und 280r. 156 »Never humanized by arts & sciences they took possession of everything used«. Ebenda, fol. 278v. 157 Siehe ebenda, fol. 280r. 158 Siehe Catalogue systématique et raisonné des curiosités de la nature et de l’art qui com- posent le cabinet de M. Dávila …, Paris 1767. Siehe dazu auch Peter S. DANCE, Shell Collec- ting. An Illustrated History, London 1966, S. 86. 159 Siehe Mendes da Costa an Needham, London, 23. Oktober 1767, BL, Add. 28.540, fol. 105v. 188 Sammlungsräume Wochen später konnte ihm Needham genauere Auskunft über diese Sammlung geben, die, wie er schrieb, in jeder Weise seinen Erwartungen entsprechen würde: »The specimens of every class are choice, and of the utmost elegance.«160 Doch ist es zweifelhaft, ob Mendes da Costa zu diesem Zeitpunkt ernsthaft an den Kauf von Stücken aus der Sammlung gedacht hat. Seit Juni 1767 bestand ge- gen ihn als Clerk of the Royal Society der Verdacht der Veruntreuung von Mit- gliedsbeiträgen, der sich zum Ende des Jahres hin bestätigte und zum Verkauf seiner Sammlung wie Teilen seines Haushalts führte.161 Sämtlicher finanzieller Mittel beraubt und vom Schuldgefängnis bedroht, erwecken seine Anfragen an Needham den Eindruck, er wolle den schönen Schein eines erfolgreichen Natu- ralienhändlers noch eine Weile aufrechterhalten. Möglich ist aber auch, daß sich Mendes da Costa von einem Einkauf in Paris und einem Weiterverkauf an Kun- den in London eine letzte Chance auf einen Gewinn versprach; jedenfalls findet sich kein Hinweis auf den Erwerb von Stücken aus dem Besitz Dávilas. Dabei hätte schon Dávila Mendes da Costa als warnendes Beispiel vor Augen stehen können. In einem Brief seines Berliner Korrespondenten Peter Simon Pallas von 1763 wurde ihm detailliert über das ruinöse Kaufverhalten einiger fran- zösischer Sammler berichtet, wobei auch Dávila eine gewisse Rolle spielte, da dieser schon damals gezwungen gewesen war, Teile seiner Sammlung zu ver- kaufen. Denn dieser Virtuoso habe, zur nicht geringen Freude der Händler, sein Vermögen sämtlich durch den Ankauf von Sammlungsgegenständen durchge- bracht.162 Aber erst sechs Jahre später war er dann endgültig ruiniert und ge- zwungen, seine gesamte Sammlung zu verkaufen und das Land zu verlassen. Dennoch hatte Dávila keineswegs zu denjenigen gehört, die unter dem Diktat der Mode wahllos alles Teure und Ungewöhnliche, das der Markt zu bieten hatte, zusammenkauften. Wie Mendes da Costa entwickelte er gleichzeitig gelehrte Ambitionen, jedenfalls machte die Veröffentlichung des dreibändigen Kataloges nicht nur Eindruck auf das kaufwillige Publikum, sondern auch auf die wissen- schaftliche Welt. Die Royal Society und die Akademien in Berlin und Petersburg waren an Dávila, wie Needham zu berichten wußte, als Mitglied interessiert. Die gelehrten Institutionen versprachen sich nach seiner Rückkehr in sein Heimat- land Peru Informationen aus erster Hand.163 Hierin zeigt sich, daß wissenschaft- liche Kompetenz nicht immer mit solidem Kaufverhalten einherging. Das sollte sich später bei Mendes da Costa auf fatale Weise bestätigen. Welche weite Verbreitung Auktionskataloge finden konnten, geht aus einer An- zeige über eine Versteigerung in Den Haag im Jahr 1748 hervor, die sich in einem der Briefe des Buchhändlers Benjamin Gisbert an Mendes da Costa findet.164 Erwähnt sind hier alle die Buchhändler, die den Versteigerungskatalog verkauften.

160 Needham an Mendes da Costa, Paris, 10. November 1767, BL, Add. 28.540, fol. 108r. 161 Siehe zu diesem Skandal unten, S. 244. 162 Siehe Pallas an Mendes da Costa, Berlin, 12. Februar 1763, BL, Add. 28.540, fol. 156v. 163 Siehe Needham an Mendes da Costa, Paris, 7. Dezember 1767, BL, Add. 28.540, fol. 110v. 164 Die Ankündigung in der Gazette de la Haye datiert vom 13. September 1748. Siehe Men- des da Costa an Benjamin Gisbert, Bois le Duc, 16. September 1748, BL, Add. 28.537, fol. 245r. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 189 Beteiligt waren Händler in Paris, Rouen, London, Hannover, Dresden, Hamburg, Berlin, Leipzig, Mainz, Rotterdam, Delft und den Haag. So ergibt sich ein recht dichtes Netzwerk, das es dem interessierten Sammler ermöglichte, Informationen über Versteigerungen zu erhalten, wobei die Schwerpunkte in Nordfrankreich, den Niederlanden und dem Norden und Osten Deutschlands lagen. Die Mundpropaganda unter den Sammlern dürfte zudem ein übriges getan haben, Informationen über Dritte schnellstmöglichst zu verbreiten. Bei Mendes da Costas Interesse an Auktionen und Verkäufen spielten wissen- schaftliche und merkantile Interessen gleichermaßen eine Rolle. Sein guter Ruf als Experte auf dem Gebiet der Mineralien- und Fossilenkunde ging Hand in Hand mit seiner Tätigkeit als Händler, die ihm einen oft erheblichen Nebenver- dienst ermöglichte. Gegenüber seinem dänischen Korrespondenten Peter Asca- nius hob er hervor, daß er aufgrund seiner vielen Duplikate in der Lage sei, »compleat assortments of English fossils« von jeweils 300 Stücken zusammenzu- stellen, für die er jeweils 25 Guineen verlange. Eine dieser Sammlungen habe er sogar an einen gewissen Baron Demidoff in Petersburg verkauft.165 Auch agierte er zuweilen im Auftrag auswärtiger Sammler, die hofften, besondere Stücke auf dem Londoner Markt zu finden. Dies war bei dem Hamburger Sammler Joachim Friedrich Bolten der Fall, der sich 1776 mit umfangreichen Listen an Mendes da Costa wandte, in denen er die gesuchten Objekte genau beschrieb.166 Bolten scheint zudem ein eifriger Leser wissenschaftlicher Katalogwerke gewesen zu sein: Die Belegstellen in seiner Liste verweisen auf Werke von Lister, Valentini, Rumph, Seba und des schon bekannten Dávila. Wissenschaftliche Beschreibung und Ver- kauf bedingten sich gegenseitig, und Mendes da Costa war unter diesen Voraus- setzungen um so mehr bereit, auf die Wünsche seines Kunden einzugehen.167 Besonders profitierte er aber von seinen Kontakten innerhalb der Londoner Sammlerszene. Wie ein Börsenmakler, der es gelernt hat, aus der genauen Beob- achtung der Stimmungen auf dem Markt einen Vorteil für seine Wertpapiere zu ziehen, beschrieb Mendes da Costa die Konjunkturen des Sammlermarktes. Er war dabei durchaus nicht allein auf Naturalien fixiert: »There are now in town many collectors tho but few Capital Collections[.] Natural History is much in Vogue & raises its head & I hope this winter will flourish very much Antiquities especially the Coin or Medallic Science is very much the present taste of Collections«.168

165 Mendes da Costa an Peter Ascanius, London, 26. September 1760, BL, Add. 28.534, fol. 132v. Siehe auch: ›Catalogue des fossiles anglois que Messrs. Les Baron Demidoff de la Russie [in St. Petersburg, St. S.] ont achette de moi Emanuel Mendes da Costa a Londres ce janvier 1760‹. Er enthält: »Fossiles figurés ou petrefacta, mineraux et metaux, crystallisations, drusen &c. &c., asbestos de l’isle de Scarbro en Ecosse«. BL, Add. 28.536, fol. 191r. 166 Zu Bolten siehe DANCE, Shell Collecting, S. 93. 167 Siehe Joachim Friedrich Bolten an Mendes da Costa, Hamburg, 20. August 1776, BL, Add. 28.534, fol. 328r. 168 Mendes da Costa an Thomas Knowlton, London, 4. September 1773, BL, Add. 28.539, fol. 86r. 190 Sammlungsräume In dem Maße, in dem Naturalien zu einem Gegenstand des Marktes und damit als Objekte kulturellen Konsums bewertet wurden, stellt sich die Frage, welche Rolle in diesem Zusammenhang naturgeschichtlich-wissenschaftliche Kriterien spielten. Sammler wie Sloane oder Mendes da Costa beschafften sich die von ihnen ge- wünschten Objekte sowohl im persönlichen Austausch im Rahmen der Korre- spondentennetzwerke als auch auf dem freien Markt der Auktionen und Verkäu- fe. Die wissenschaftliche Disziplin der Naturgeschichte partizipierte vom Rande her an der freien Zirkulation der Objekte innerhalb des Marktes. Doch stand für die Naturgeschichte der Erkenntniswert der gesammelten Objekte im Gegensatz zu ihrem ästhetischen Schauwert; weniger der Besitz war hier entscheidend als vielmehr der Austausch der mit ihnen verbundenen Informationen. Zudem wur- de durch sie der den Markt bestimmende Begriff der Rarität zunehmend in Frage gestellt. Was auf dem Kunstmarkt zu Recht als einzigartig gelten konnte – etwa Zeichnungen und Bilder berühmter Meister – verdankte sich im Bereich der Na- turalien vornehmlich – als exotische Objekte – den Schwierigkeiten ihrer Be- schaffung und vor allem ihrer Seltenheit. Je mehr die Naturalien Gegenstand sy- stematischer Bemühungen wurden, je mehr sie Reihen einander ähnlicher und verwandter Objekte eingeordnet wurden, desto mehr verloren sie den Stellenwert von Rarität und Seltenheit. Zugleich gilt jedoch auch, daß die zunehmende Klassifizierung von Naturalien gerade die Möglichkeit bot, dasjenige, was rar und selten war, genauer in Blick zu nehmen. Denn für den Sammler war das Bezugs- system der Vollständigkeit, der Serie und der Reihe von großer Bedeutung. Das Fehlen bestimmter Stücke wurde in dieser Hinsicht als besonders schmerzvoll erfahren. Der Begriff der Rarität und der Seltenheit ist jeweils nur im Bezugssy- stem von Wissenschaft oder Konsum ganz zu verstehen, ein Gegensatzpaar, das schon an anderer Stelle unter den Bezeichnungen von fashionable und scientific zur Sprache kam.169 Beide Bereiche lassen sich niemals ganz zur Deckung bringen. Die Sphären des kulturellen Konsums und der Wissenschaft berühren sich nur an den Rändern. Doch sind es gerade deren Wahrnehmung und die daran anschließenden Ver- mittlungsversuche durch die Zeitgenossen, die die Konturen der Sammlungspraxis im 18. Jahrhundert umso schärfer hervortreten lassen. Dies zeigt sich etwa in dem Briefwechsel zwischen Peter Simon Pallas und Mendes da Costa, in dem es um die seltsamen Gepflogenheiten Pariser Naturaliensammler geht. Pallas schreibt: »Mr. Volkmann tells me much of the folly of the French virtuoses at Paris. Col- lecting natural Curiosities is now in vogue to that degree, that no body is thought du bon ton, who has no Collection. The decorations of some cabinets are more expensive than the Curiosities themselves, and taste so much of that gout manqué

169 Siehe oben, S. 162. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 191

(or outré) [is] now so general in France, that the Collections seem more like Rari- ty-Shows, than like any thing of a scientific nature.«170 Für den Berliner Gelehrten sind zudem solche Passagen, die er einem Bericht seines Freundes Peter Dietrich Volkmann aus Paris entnahm, besonders erwäh- nenswert, wo von der Installation aufwendiger Vergrößerungsgläser in den Re- positorien die Rede ist oder von den Bäumen in der Sammlung des Marquis D’Argenville, deren Blätter aus Eisenblech gefertigt, die Äste mit ausgestopften Vögeln besetzt und die Wurzeln von Kröten und Echsen belebt waren.171 Für Pallas mußten solche auf den visuellen Effekt ausgerichtete Sammlungen wie ein Zerrspiegel einer wissenschaftlich-systematischen Sammlung erscheinen, und dies nicht zuletzt aus dem Grund, daß die dafür aufgewendeten Geldsummen allein auf die Machenschaften gewiefter Händler zurückzuführen waren, die die Preise absichtlich in die Höhe trieben: »Terebratulae are now very common, and to be had at all Shell merchant’s at Paris, since the fishermen on the coast of the Mediterranean and chiefly those of Minorca, exited by being well payed for them have taken some pains in collecting them.«172 Die Reaktion des Händlers Mendes da Costa auf diese Bemerkungen fiel recht zwiespältig aus. Einerseits stimmte er den Ansichten seines Berliner Korrespon- denten durchaus zu, daß die Art der französischen Sammler, ihre Kabinette aus- zustatten, in höchstem Maße lächerlich und verrückt sei, andererseits schien er es jedoch zu bedauern, daß in England im Vergleich zu Frankreich nur geringe Preise auf dem Naturalienmarkt zu erzielen waren.173 Der Markt wurde für ihn damit zu einem Indikator, an dem sich das allgemeine Interesse an der Naturgeschichte – und sei es auch durch die Verrücktheiten einiger französischer Sammler bestimmt – ablesen ließ. Denn zu den Förderern der Naturgeschichte hatten immer wieder Angehörige von gentry und nobility gehört, die sich, wie William Constable, aufgrund ihrer Finanzkraft oft große Sammlungen leisten konnten, von denen dann wiederum die Wissenschaft profitierte. Im Blick hatte Mendes da Costa eben diesen gebildeten und gleichzeitig finanzkräftigen Sammler, über dessen Einstellung er bedauernd bemerkt, daß er sich durch keine interessanten Themen mehr anregen ließe und in seinen Reihen Faulheit und Luxus an die Stelle der

170 Pallas an Mendes da Costa, Berlin, 12. Februar 1763, BL, Add. 28.540, fol. 156v. (Hervorhebung St. S.). Zu Pallas siehe Folkwart WENDLAND, Peter Simon Pallas (1741–1811). Materialien einer Biographie, Berlin/New York 1991. 171 Siehe Pallas an Mendes da Costa, Berlin, 12. Februar 1763, BL, Add. 28.540, fol. 157r. Es handelt sich hierbei um Antoine N. Dézallier D’ARGENVILLE, der diese Praxis in: La conchyliologie ou histoire naturelle des coquilles de mer, d’eau douce, terrestres et fossiles …, Bde. 1–3, Paris 1780, beschreibt. Siehe dazu auch WONDERS, Dioramas, S. 25. 172 Pallas an Mendes da Costa, Berlin, 12. Februar 1763, BL, Add. 28.540, fol. 157r. 173 Siehe Mendes da Costa an Pallas, London, 3. Juni 1763, BL, Add. 28.540, fol. 161r. 192 Sammlungsräume Wissenschaft getreten sei.174 Er stimmt damit letztlich in den Chor derjenigen ein, die vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einen Niedergang der Moral und der Bildung in England beklagten und diesem Zustand durch Publikationen und Einrichtung von Clubs Abhilfe verschaffen wollten.175

Der Händler als Erzieher

Die wissenschaftlich-systematische Beschäftigung mit den Naturalien führte zu- nehmend zu einer Disziplinierung der modischen, durch den Markt bestimmten Sammlerpraktiken. Wie sich am Beispiel Mendes da Costas jedoch zeigen läßt, wa- ren es gerade die Fachgelehrten, die von den oft umfangreichen Sammlungsbe- ständen in den Händen der Virtuosi, Dilettanten und Amateure profitierten. Eine Trennlinie zwischen diesen beiden Welten, zwischen Fachgelehrten und Dilet- tanten, ist, wie allein schon die Vielfalt der unterschiedlichen Bezeichnungen zeigt, vor diesem Hintergrund nicht einfach zu ziehen. Beschreiben läßt sich dennoch ein Prozeß, den Krzysztof Pomian unter dem Begriff einer ›taming of curiosity‹ zusammengefaßt hat und der im wesentlichen auf eine im späten 15. Jahrhundert einsetzende Konkurrenz zwischen Neugier und Wissenschaft zurückgeht.176 Der Markt für Naturalien, auf dem Fachgelehrte wie Amateure gleichermaßer neue Sammlungsstücke erwarben, wirkte dann im 18. Jahrhundert wie eine Art Kata- lysator, der den Austausch zwischen diesen beiden Welten förderte und sie näher aneinanderrückte. Mit der Zirkulation von Sammlungsstücken nahm das Wissen über deren wissenschaftliche Bedeutung zu. Diese unterschiedlichen Kulturen des Sammelns waren das Thema eines Brie- fes, den Mendes da Costa 1748 von Leiden aus an Cromwell Mortimer, Sekretär der Royal Society und früherer Mitarbeiter Sloanes, schrieb. Der Besuch der Ka- binette der Leidener Professoren Johann Friederich Gronovius und David Jé- rome Gaubius kontrastiert darin mit einem nachfolgenden Besuch in der zu An- fang des 17. Jahrhunderts gegründeten Leidener Raryteitkamer, die für ein geringes Entgelt interessierten Besuchern offenstand: »I waited on Dr. J. F. Gronovius & great part see his Cabinet (mostly the fossils) but the Fossils were in such a Confusion & so oddly class’d that tho complaisance

174 »The nobility, gentry &c want no encouragement[,] and idleness & luxury take the lead of the sciences«. Mendes da Costa an Edward Wright, London, 29. März 1762, BL, Add. 28.542, fol. 137r. 175 Siehe BREWER, Pleasures, S. 510 f. Zu den Gesellschaften und Clubs siehe CLARK, Clubs, S. 196–198. 176 Siehe POMIAN, Collectors, S. 64, und Stefan SIEMER, ›A very delightful science‹. Emma- nuel Mendes da Costa und das naturgeschichtliche Sammeln im England des 18. Jahrhunderts, in: Cardanus. Wissenschaftshistorisches Jahrbuch der Universität Heidelberg, Bd. 2: Die ›exak- ten‹ Wissenschaften zwischen Dilettantismus und Professionalität. Studien zur Herausbildung eines modernen Wissenschaftsbetriebs im Europa des 18. Jahrhunderts, hrsg. von Robert Sei- del, Heidelberg 2001, S. 101–122. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 193

forbade me yet love of order made me boldly take notice of it to him. His answer was Linnaeus had classd them thus & made his systems«.177 So fühlte sich Mendes da Costa, der aus seiner Ablehnung des zu dieser Zeit unter Gelehrten heiß diskutierten Linnéschen Systems nie einen Hehl machte, dement- sprechend in der Sammlung des David Jérome Gaubius weit wohler. Gaubius, so Mendes da Costa, sei ein großer Forscher und seine Sammlung ein Muster- beispiel für Ordnung nach wissenschaftlichen Kriterien (ad scientiam).178 Es ver- steht sich fast von selbst, daß auch Gaubius ein Gegner Linnés war. Noch unter dem Eindruck dieser Ordnung ›ad scientiam‹ absolvierte Mendes da Costa den nächsten Leidener Programmpunkt, die Raryteitkamer, und es überrascht nicht, daß der Besucher aus England hier seine schlimmsten Befürch- tungen im Hinblick auf die Ordnung von Naturalienkabinetten bestätigt fand. War man bei den beiden vorhergehenden Besuchen noch als Wissenschaftler un- ter sich, wobei die Kritik an der richtigen Art der Anordnung und Systemati- sierung die gegenseitige Wertschätzung nicht in Frage stellte – man befand sich sozusagen auf dem sicheren Boden der Gelehrtenrepublik –, so hatte er für die Raryteitkamer nur Verachtung und Spott übrig. Es war für ihn unbegreiflich, für wen ein solches Sammelsurium von Interesse sein könne: »I […] should prefer Saltero’s Coffeehouse to it. I used to think curious collec- tions were only disregarded in England by their being commonly shewn by People who are meer scum or vulgar, & know nothing of Nat: History and therefore give but half the satisfaction to the curious, who would be glad to be informed of the particulars.«179 Der Zustand dieser Sammlung war in den Augen Mendes da Costas um so skan- dalöser, als sie sich im Besitz der Universität befand. Zumindest ein verständli- cher und wissenschaftlichen Ansprüchen genügender Katalog wäre zu erwarten gewesen: »The Eng: Cat. I bought but is that such scandalous Ignorance in it, that I cannot but think it caste some odium on the University to suffer its being sold. Some young student of Nat: Hist: might be orderd to correct it for the benefit of curious strangers, who see it, and who can have no satisfaction from the ignorant people who shew what the University fosters as its own Museum.«180 Mendes da Costas vehemente Ablehnung dieser Sammlung hing nicht zuletzt damit zusammen, daß sich darin einige für ihn interessante Stücke fanden, darunter ein Sägefisch und ein Delphin, die hier in seltener Vollständigkeit zu finden waren. Hinzu kamen noch Stücke von Asbest, seltene Mineralien und Schlangenhäute. Besonders hob er die ausgestellte Haut einer wunderbar gemusterten Eidechse hervor, die jedoch in der kuriosen Systematik des Museums als die einer Meer-

177 Mendes da Costa an Mortimer, Venlo, 1. Mai 1748, BL, Add. 28.540, fol. 31v. 178 Siehe ebenda. 179 Ebenda, fol. 32r. Zu James Salters Coffehouse siehe oben, S. 27. 180 Ebenda, fol. 32v. 194 Sammlungsräume jungfrau präsentiert wurde. Vor diesem Hintergrund war eine Vermittlung wissen- schaftlicher Systematik und Methodik im Umgang mit Naturalien um so notwen- diger, wenngleich eine Aufklärung – »for the mere vulgar« – im vorhinein wohl als hoffnungslos betrachtet werden mußte.181 Die Zielgruppe, bei der Mendes da Costa mit seiner ›Pädagogik‹ jedoch anset- zen konnte, war eine im weiteren Sinne natur- und kunstinteressierte Öffentlich- keit. Er tat dies durch die schon erwähnten ›compleat assortments‹182, die gewis- sermaßen systematische Kabinette im kleinen darstellten. Auf diese Weise konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen sicherte er sich einen An- teil am lukrativen Markt für Naturalien, zum anderen konnte er sein Wissen als Mineralien- und Fossilienforscher an eine interessierte Klientel weitergeben. Die ›compleat assortments‹ stellten sowohl die Keimzelle für den weiteren Ausbau einer Sammlung dar als auch eine Möglichkeit, in ein Gespräch über Wissen- schaft einzutreten, von dem beide Seiten – Wissenschaftler und lernwilliger Sammler – profitieren konnten. Man könnte ebenfalls sagen: Der passive Kon- sum kultureller Güter mündete, ganz im Sinne einer Popularisierung, ein in eine aktive Teilnahme an den Wissenschaften. Dies zeigt ein erneuter Blick auf den Sammler William Constable und seine Be- ziehung zu Mendes da Costa. Seine gerade im Aufbau befindliche Mineralien- sammlung bedurfte der systematischen Anleitung. Als Neuling auf diesem Gebiet war er sich über die genaue Vorgehensweise noch im unklaren. Je mehr Stükke er von Mendes da Costa erwarb – und zum Teil während seiner Exkursionen zusammentrug –, desto mehr geriet er in Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Er fragt den Londoner Sammler, auf welche Weise er seine Gesteine, Mineralien, Erze und Fossilien systematisiert und anordnet.183 Fragen dieser Art waren insgesamt Ausdruck seines Wunsches, mehr wissenschaftlich (scientifically) als nach der Mode ( fashionably) zu sammeln. Er orientierte sich in diesem Zusammenhang weniger an den Angeboten des Naturalienmarktes als vielmehr an Objekten, die zwar ge- ringeren Marktwert hatten, aber dafür unter wissenschaftlichen Aspekten umso interessanter waren.184 Es sei falsch, so Constable, sich ausschließlich auf die teuren Raritäten zu konzentrieren und ebenso schöne und nützliche Stücke zu ge- ringeren Preisen zu vernachlässigen: »A Gentleman sensible of such fluctuations in natural curiositys, woud, I shoud imagine, Endeavour to collect all that was curious at reasonable prices first before he woud give the highest prices; lest the sum he intended to lay out, shoud be too early expected, & the purchase of a few very rare & deer curiosities, woud hardly be adequated to the deficiencys of many beautiyful, useful, & tho not so rare very valuable curiositys.«185

181 Siehe ebenda. 182 Siehe oben, S. 190. 183 Siehe Constable an Mendes da Costa, Burton Constable, 8. November 1760, BL, Add. 28.536, fol. 104r. 184 Siehe Constable an Mendes da Costa, Burton Constable, 3. Januar 1761, BL, Add. 28.536, fol. 111r. 185 Ebenda (Hervorhebung St. S.). Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 195 Aus diesem Grunde, so führt er weiter aus, habe er sich bei einem ihm kürzlich gemachten verlockenden Angebot eines ungewöhnlichen Minerals zurück- gehalten. Der enorme Preis von 45 Guineen hätte in keinem Verhältnis zu dessen wissenschaftlichem Wert gestanden. Nicht der einsame Besitz eines Einzelstücks, das ihn vor vielen anderen Sammlern auszeichnen würde, sondern die mit gewöhnlicheren Stücken verbundene Instruktion (employment for the mind) und das daraus folgende Vergnügen (pleasure) seien für ihn entscheidend gewesen.186 Die Anwort Mendes da Costas versucht die Widersprüche, die sich für einen wissenschaftlich ambitionierten Sammler inmitten eines von Angebot und Nach- frage dominierten Naturalienhandels ergaben, miteinander zu versöhnen. Es gäbe aus der Sicht eines wissenschaftlichen Sammlers keinen Grund, besonders teure Stücke aus der Sammlung auszuschließen, solange sie sich der Sammler leisten könne. Denn letztlich stehe immer die Bedeutung für die Wissenschaft im Vor- dergrund: »For the variableness of the prices of shells & other curiosities does not consist in the fashion or being most beautifull or prevailing but absolutely on scientific grounds.«187 Der Preis für Naturalien – er führt als Beispiel eine damals berühmte und sehr gesuchte Muschel an, von der in ganz England nur sechs Exemplare zu finden waren188 – ergebe sich ganz einfach aus dem Zusammenspiel von Seltenheit und Nachfrage und sei ein Wert, der von dem Objekt selbst zu trennen sei. Es zeichne, so Mendes da Costa, den unwissenschaftlichen Sammler aus, daß er einzig auf den Preis fixiert sei. Doch sei es gerade der wissenschaftlich gebildete Kenner, der sich auf dem schmalen Grat zwischen der richtigen Beurteilung des Objekts und der richtigen Einschätzung des Preises bewege. Es bedürfe einer ausgeprägten Kennerschaft, um sich auf diesem Feld richtig zu verhalten: »It required Genius to distinguish by the consumption & scarcity of the commodities when they were dear or when they were cheap.«189 Die Bemerkungen Mendes da Costas zeigen, daß für eine Orientierung auf dem Markt der wissenschaftlich-distanzierende Blick entscheidend war, durch den sich die Naturalie als distinktes Objekt gegenüber einem nivellierenden Kon- sum behaupten konnte. Die Seltenheit eines Objekts auf dem Markt war nur ein Kriterium. Es bedurfte darüber hinaus des geschärften wissenschaftlichen Blicks, um zu beurteilen, ob ein solches Objekt für eine Sammlung taugte. Zwar ver- hinderte der enorme Preis einiger wissenschaftlicher Sammlungsstücke zuweilen deren Erwerb, doch gleichzeitig wurden aus dem Blickwinkel wissenschaftlichen Interesses auch die Stücke interessant, die zuvor nur ein geringes Interesse der-

186 Siehe ebenda, fol. 112r. Zu diesem Gegensatz siehe auch oben, S. 162 f. 187 Mendes da Costa an Constable, London, 27. Januar 1761, BL, Add. 28.536, fol. 113r. 188 Es handelte sich um eine sogenannte Wentletrap (Wendeltreppe) mit der wissenschaftlichen Bezeichnung epitomium scalare L., die erstmals im 17. Jahrhundert von Rumph beschrieben und im 18. Jahrhundert zu hohen Preisen gehandelt wurde. Siehe DANCE, Shell Collecting, S. 227 f. 189 Mendes da Costa an Constable, London, 27. Januar 1761, BL, Add. 28.536, fol. 112v. 196 Sammlungsräume jenigen hervorgerufen hatten, die sich am Marktwert orientierten. Der wissen- schaftliche Blick auf die Sammlungsbestände wirkte somit einer Tendenz entge- gen, den Wert der Naturalien allein von einer Preisentwicklung am Markt her zu beurteilen.

2.4 »Publick Cabinets of Fossils«: Die Sammlung als öffentliche Institution

Wie im ersten Teil der Arbeit darzulegen versucht wurde, waren Sammlungen im allgemeinen eingebunden in die Netzwerke wissenschaftlicher Kommunikation. Zugleich hatten sie im Rahmen kulturellen Konsums Anteil an der Zirkulation innerhalb der Warenwelt und waren damit sowohl Orte der Wissensproduktion, an denen die Natur für den Forscher und Beobachter in geordneter Weise er- fahrbar wurde, wie auch visuelle Ereignisse, die als gestaltete Räume Ausdruck der jeweiligen Persönlichkeit ihrer Besitzer waren. Sie standen damit auf der Grenze zwischen öffentlicher Wissensverwaltung und privater Lebensgestaltung. Dabei er- möglichte die Einbindung von Sammlungen in Institutionen wie etwa Akademien und Universitäten schon recht früh den Zugang einer Öffentlichkeit, die über den enggesteckten Rahmen eines wissenschaftlichen oder virtuosen Fach- publikums hinausging. Auf dieses Wechselspiel zwischen privatem und institu- tionalisiertem Sammeln wird im folgenden näher einzugehen sein. Historisch gesehen spannt sich hier der Bogen von den fürstlichen Raritäten- kammern bis hin zu den großen öffentlichen und nationalen Museen des 19. Jahrhunderts. Erst mit der französischen Revolution schlug die Geburtsstun- de des modernen, öffentlichen Museums unter staatlicher Regie und damit die goldene Zeit der Museen im Jahrhundert des Bürgers.190 Der zuvor von den En- zyklopädisten angeregte Gedanke eines französischen Nationalmuseums wurde erst 1793 mit der Neueröffnung des Louvre realisiert. Im gleichen Jahr öffnete der königliche Jardin des Plantes mit der dazugehörigen naturhistorischen Sammlung unter dem Namen Musée Nationale d’Histoire Naturelle seine Pforten einer brei- teren Öffentlichkeit. Dem folgten in der nachfolgenden Zeit allerorten der Kunst- oder Naturgeschichte gewidmete Museumsneubauten, die nach und nach die gro- ßen Privatsammlungen verdrängten.191 Doch schon um 1700 finden sich eine Reihe von Sammlungen als Teil gelehrter Institutionen. Das 1686 eröffnete Ash- molean Museum der Universität Oxford, das Theatrum Anatomicum in Leiden und die umfangreichen Sammlungen der Royal Society, der Académie des Sciences wie der Petersburger Akademie sind Beispiele für diese schon im 17. Jahrhundert

190 Siehe Jørgen JENSEN, Das goldene Zeitalter der Museen, in: Wunderkammer des Abend- landes. Museum und Sammlung im Spiegel der Zeit, Ausstellungskatalog hrsg. von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1995, S. 160–169, hier S. 160, und OUTRAM, Spaces. 191 Siehe Arthur MACGREGOR, Collectors, Connoisseurs and Curators in the Victorian Age, in: Marjorie CAYGILL/John CHERRY (Hrsg.), A.W. Franks. Nineteenth-Century Collecting and the British Museum, London 1997, S. 6–33. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 197 einsetzende Entwicklung. Gleich den allgegenwärtigen Privatsammlungen, bilde- ten sie Knotenpunkte innerhalb eines auf Korrespondenzen, Besuchen und Stu- dienaufenthalten beruhenden gelehrten Netzwerks. Sie waren damit Teil einer gelehrten Öffentlichkeit, eben jener vielberufenen Gelehrtenrepublik, die im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einer erweiterten bürgerlichen Öffentlichkeit wurde.192 Trotz dieser Tendenzen zur Institutionalisierung und internen Wissenschafts- organisation ist das Konzept der Privatsammlung im 18. Jahrhundert keineswegs obsolet. Handelte es sich bei den institutionellen Sammlungen in erster Linie um Stätten elitärer Forschung, die den Zugang einer weiteren Öffentlichkeit zu be- schränken suchten, so waren die Privatsammlungen immer Teil jener informellen Geselligkeit, zu der auch der Forschung Fernstehende einen Zugang finden konn- ten. Schon 1664 bemerkte der Sammler Robert Hubert im Vorwort des Kata- loges seiner Sammlung:

»The Gentlemen of these rarities […] can show thousands of other rarities of nature besides the things aformentioned, to those that are more curious, and will be at some more charge: On Mondays and Thursdayes things of the sea; Tuesdays and Fridays things of the land; Wednesdays and Saturdays things of sea land and air.«193 Doch zeichnet sich hier schon jene Formalisierung und Reglementierung des Zugangs ab, die später eines der hervorstechendsten Merkmale öffentlicher Sammlungen werden sollte. Die Schwäche der Privatsammlungen gegenüber ihrem institutionalisierten Gegenstück bestand vor allem in ihrem oft mangelnden Be- zug zu einer methodisch abgesicherten Naturgeschichte, wie sie von Akademien und Gesellschaften vertreten wurde. Sammlungen wie das Repository of the Royal Society dienten, wenngleich sich dieser Anspruch nicht immer einlösen ließ, einer »systematic reform of knowledge«.194 Sie waren damit auf eine ganz andere Art exklusiv als etwa die Privatsammlung Sloanes, die in vieler Hinsicht als Anlauf- punkt für die gelehrte Welt und allgemein Interessierte diente. Zugleich waren die institutionellen Sammlungen eingebunden in eine Art öffentlicher Rhetorik, die die Leistungen der neuen Wissenschaften nach außen hin vermitteln sollte.195 So ist die Öffnung einer institutionalisierten Wissenschaft hin zu einer erweiterten Öffentlichkeit paradoxerweise eng in einer zunehmenden Spezialisierung und Professionalisierung der Forschungs- und Sammlungspraxis begründet.

192 Siehe Jürgen HABERMAS, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Ka- tegorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2. Aufl. 1991, und den Versuch von Heinrich BOSSE, Die gelehrte Republik, in: Hans-Wolf JÄGER (Hrsg.), Öffentlichkeit im 18. Jahr- hundert, Göttingen 1997, S. 52–76, die Gelehrtenrepublik als Vorform eines umfassenden Kon- zepts von Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert zur Geltung zu bringen. 193 Zit. MACGREGOR, Cabinet, S. 153. 194 Siehe Michael HUNTER, The cabinet institutionalized. The Royal Society’s ›Repository‹ and its background, in: Oliver IMPEY/Arthur MACGREGOR (Hrsg.), The Origins of Museums. The Cabinet of Curiosities in Sixteenth- and Seventeenth-Century Europe, Oxford 1985, S. 159– 168, hier S. 165. 195 Siehe Peter DEAR, ›Totius in Verba‹. Rhetoric and Authority in the Early Royal Society, in: Isis 76 (1985), S. 145–161, und SHAPIN, Experiment. 198 Sammlungsräume Denn im Gefolge einer zunehmenden ›Empirisierung‹ der Naturgeschichte be- gann das große Aufräumen in den Raritätenkammern des 16. und 17. Jahrhun- derts. Die Trennung von naturalia und artificialia war ein erster Schritt in Richtung auf eine Spezialisierung, die im Bereich der Naturgeschichte der Herausbildung neuer, professionell betreuter Wissensbereiche führte: Mineralogie, Botanik, Fos- silienkunde, Anatomie und Zoologie erforderten je für sich getrennte Sammlungs- räume. Diversifizierungen dieser Art brachten jedoch den Wunsch nach einer Zu- sammenführung der verschiedenen Bereiche des Wissens unter einem gemein- samen Dach hervor. Damit zeigt sich eine für das Zeitalter typische Tendenz der Wissenschaftsorganisation, nämlich der Entwicklung hin zu dem, was Solla Price mit dem zutreffenden Begriff des »Big Science« bezeichnet hat und deren Cha- rakteristikum das dichte Geflecht der in den Zeitschriften veröffentlichten und aufeinander verweisenden Aufsätze ist.196 An den Enzyklopädien, Kompendien und Wörterbüchern des Jahrhunderts – von Bayle über Chambers bis hin zu Di- derot und d’Alembert – läßt sich eine Tendenz ablesen, den Gesamtbestand des Wissens zu ordnen und es damit – sei es auch nur in der zufällig-alphabetischen Reihenfolge der Stichworte – im umfassenden Sinne einer lesenden Öffentlich- keit verfügbar zu halten. Zudem waren private Sammlungen keineswegs auf Dauer hin angelegt. Auk- tionen und Verkäufe zerstreuten eine Sammlung oft in alle Winde, so daß ihr In- halt schließlich nur noch in Form von wenig aussagekräftigen Verkaufs- und Sammlungskatalogen verfügbar war. Das auf persönlichen Kontakten beruhende Sammlernetzwerk zeigte dort seine Schwächen, wo es darum ging, die Objekte dauerhaft für die Wissenschaft und die Öffentlichkeit verfügbar zu halten. Die Eingliederung privater Sammlungen in wissenschaftliche Institutionen erklärt sich gerade aus dieser Schwäche heraus.197 Es galt damit, eine im weiteren Sinne per- sönlich motivierte Sammelleidenschaft in eine zunehmend nach professionellen Kriterien agierende Forschung zu integrieren. Somit verbirgt sich hinter dem Begriffspaar öffentliche und private Sammlung im 18. Jahrhundert eine Vielzahl von sich widersprechenden Interessenlagen. Die Professionalisierung und Spezialisierung der Naturgeschichte, der Wunsch nach dem Erhalt von Privatsammlungen und die sich wandelnde Rolle gelehrter Netz- werke werden somit in unterschiedlicher Gewichtung als Faktoren einer länger- fristigen Veränderung wirksam. Mit dem Ashmolean Museum in Oxford, der Woodward-Collection in Cam- bridge, dem Repository of the Royal Society und dem British Museum sind wichtige Orte institutionellen und öffentlichen Sammelns im England des 18. Jahrhunderts benannt. Wie läßt sich deren Profil gegenüber den vielen privaten Sammlungen beschreiben?

196 Derek J. de SOLLA PRICE, Little Science, Big Science. Von der Studierstube zur Großfor- schung, Frankfurt a. M. 1974 (engl. 1963). 197 Siehe HOOPER-GREENHILL, Museums, S. 165. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 199 Das Ashmolean Museum in Oxford Die Gründung des Ashmolean Museum in Oxford geschah 1683 durch eine Stiftung von Elias Ashmole, der seinerseits kurz zuvor die Sammlung von John Tradescant zum Geschenk erhalten hatte.198 Die Entstehung dieser Gründungs- sammlung geht damit bis auf das Jahr 1630 zurück, als der Kaufmann Tradescant sich dazu entschlossen hatte, die während seiner Reisen gesammelten Kuriosa in einer Sammlung zusammenzufassen. Ihr Name The Ark, unter dem sie bald über die Grenzen Englands hinaus berühmt werden sollte, war dabei Programm, re- präsentierte sie doch mit ihren Kunst- und Naturgegenständen, Waffen und Eth- nographica noch ganz die ältere Tradition der Wunderkammer. Dennoch wurde diese Sammlung – im südlichen Londoner Stadtteil Lambeth gelegen – von Ge- lehrten zu Forschungszwecken häufig besucht, und die Überführung in einen fe- sten, institutionellen Rahmen bedeutete in dieser Hinsicht die endgültige Aner- kennung durch die Scientific Community. In einem eigens errichteten Gebäude bildete die neue Sammlung bald den Mittelpunkt der Oxforder Aktivitäten auf dem Gebiet der Naturgeschichte; später kamen ein Vorlesungssaal und ein Laborato- rium hinzu. Der Erfolg dieser Einrichtung ist auch an den Aktivitäten der für sie eigens bestellten Kuratoren abzulesen. Schon nach Eröffnung des Museums gin- gen der neubestallte Keeper Robert Plot und sein Gehilfe Edward Lhwyd daran, die Bestände Tradescants wissenschaftlich zu katalogisieren. Neben dieser Tätig- keit waren sie für die Betreuung des bald einsetzenden Besucherstroms zustän- dig: Es wurden Öffnungszeiten festgesetzt und Eintrittsgelder erhoben.199 Doch scheint der anfängliche Enthusiasmus zu Beginn des 18. Jahrhunderts nachgelassen zu haben. Zwar behielt die Einrichtung nach dem Tode Edward Lhwyds ihre große Anziehungskraft auf Besucher bei, dennoch beklagte sich der Englandreisende Konrad Zacharias Uffenbach während einer Besichtigung 1711 darüber, daß die Objekte der Sammlung sich in einigem Durcheinander befänden und eine solide wissenschaftliche Beschreibung durch einen Katalog fehle. Sogar die Tatsache, daß Frauen als Besucher zugelassen waren, rief sein Mißfallen hervor: »Jedoch ist sich zu verwundern, daß die Sachen allhier noch so wohl behalten seyn können, indem die Leute nach Englischer Manier alles mit Ungestüm betasten, und jedermann, wie ich oben erwehnet, auch Weibsleute vor sechs Pence hinauf gelassen werden, die hin und her lauffen, alles angreifen und sich von dem Sub-Custode nicht abwehren lassen.«200 Das allgemeine Ansehen der Sammlung stieg jedoch, als mit George und William Huddesford nacheinander zwei Kuratoren ernannt wurden, die von 1731 bis 1779 die Geschicke der Sammlung bestimmten.

198 Zur Geschichte dieser Sammlung siehe MACGREGOR, Cabinet; OVENELL, Ashmolean, und MACGREGOR/TURNER, Ashmolean. 199 Siehe MACGREGOR/TURNER, Ashmolean, S. 642. 200 UFFENBACH, Reisen, Bd. 3, S. 129. Siehe dazu auch MACGREGOR/TURNER, Ashmolean, S. 642. 200 Sammlungsräume Es war vor allem William Huddesford, der als Nachfolger seines Vaters ab 1757 am Museum tätig war, mit dem Mendes da Costa in nähere Beziehung trat. Huddesford hatte sich vorgenommen, die Sammlung seines berühmten Vorgän- gers Edward Lhwyd neu zu ordnen und im Zusammenhang dieser Arbeit eine Neuausgabe von dessen Buch Lithophylacii Britannici Ichnographia von 1699, das damals in nur wenigen Exemplaren gedruckt worden war, geplant. Weil Mendes da Costa im Besitz von Briefen Lhwyds war, die Huddesford im Anhang seiner Ausgabe abdrucken wollte, war ein Kontakt schnell hergestellt.201 Wie viele andere Museen, hatte die Oxforder Sammlung durch Schenkungen und den Erwerb weiterer Sammlungen bedeutende Erweiterungen erfahren. Schon unter dem ersten Leiter des Museums, Robert Plot, waren laufend neue Stücke hinzugekommen.202 Mendes da Costa war sich der Bedeutung der Sammlung durchaus bewußt. In einem Brief an seinen Edinburgher Korrespondenten Ed- ward Wright gibt er einen Überblick über die derzeit in England existierenden größeren Sammlungen, wobei er im Falle des Ashmolean besonders die privaten Gründungssammlungen hervorhebt. Damals wie heute standen am Beginn öf- fentlichen Sammelns die Aktivitäten privater Sammler und Forscher.203 Es war jedoch vor allem die Sammlung Lhwyds, die ihn als passionierten Fos- siliensammler besonders interessierte. In seinen Bemerkungen gegenüber Hud- desford ging es um die Frage, ob die Sammlung in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten oder im Zuge einer Neubearbeitung der Lithophylacii Britannici Ichnographia, der im wesentlichen ein Katalog der Fossiliensammlung Lhwyds war, ergänzt und umgruppiert werden sollte. Denn die Sammlung selbst hatte im Laufe der Zeit sehr gelitten. Verantwortlich hierfür war die bereits bemerkte Vernachlässigung durch die früheren Kuratoren, von denen einer – »a man much given to the Bottle« – sogar einzelne Stücke gestohlen und als Geschenke für seine Freunde verwendet hatte.204 Deshalb riet Mendes da Costa, fehlende Stücke vorsichtig zu ergänzen, dies jedoch immer kenntlich zu machen: »I would take some few drawers of the Cabinet, and noting that they were for my replacing, I would (apart from the genuine Collection), replace therin the specimens lost which I could aquire, and those I could not acquire, I would place a label in them informing future students I could not replace them.«205 Für Mendes da Costa war klar, daß dies die einzige Möglichkeit war, den vom Sammler begründeten engen Zusammenhang von Katalog und Sammlung zu be- wahren. Lhwyds Lithophylacii sei für ihn so etwas wie eine »Grammar of English

201 Siehe ebenda, S. 655. Siehe dazu auch oben, S. 109 f. 202 Siehe OVENELL, Ashmolean, S. 56. 203 »In the Ashmolean Museum at Oxford the following Collections are absorbed viz. Tra- descants, Plotts, Lhuyd’s [Lhwyd], Leighs and some of Lister’s.« Mendes da Costa an Edward Wright, Tooting (Surrey), 13. Dezember 1757, RS, Misc. Manuscripts 14, Nr. 141. 204 Siehe Huddesford an Mendes da Costa, Oxford, 27. Oktober 1758, BL, Add. 28.538, fol. 193r. 205 Mendes da Costa an Huddesford, London, 10. Oktober 1758, Bodl., Ms. Ashmole 1822, fol. 91r. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 201 Fossils«, die ohne die zugehörigen Objekte ihren Sinn verlöre. Ergänzungen, die über das dort Beschriebene hinausgingen, sollten getrennt vom Haupttext in Fußnoten vermerkt werden.206 Auch der mit Huddesford und Mendes da Costa gleichermaßen befreundete Smart Lethieullier schlug vor, die Lhwyd-Sammlung durch fremde Stücke behutsam aufzufüllen.207 Im Gegensatz dazu sprach sich je- doch William Borlase für eine radikale Umgruppierung der Sammlung aus. Er empfahl eine Orientierung an dem System, das der Kurator der Sammlung der Royal Society, Nehemiah Grew, in seinem Katalog des Repository von 1699 ent- worfen hatte, oder aber eine moderne Neuordnung im Sinne des Systems von Linné.208 Daß die Sammlung Lhwyds dringend einer Revision bedurfte, stand außer Frage. Die Tatsache, daß sich die Sammlung im Besitz der Universität Oxford befand, verpflichtete um so mehr, sie zum Nutzen der Forschung wieder zu- gänglich zu machen. In diesem Sinne hatte Mendes da Costa schon mehrere Jahre zuvor angeregt, öffentliche Sammlungen dieser Art zu ordnen. In einem Brief an den Viceprincipal der St. Mary’s Hall in Oxford schrieb er 1750: »It is a pity and what will always be regretted by all Lovers of Nat Hist that the publick Bodies which possess the Cabinets or MSS [manuscripts, St. S.] of learned & eminent men do never revise or digest those works which have been left imperfect by their authors & which are generally found to be important.«209 Nur in einer Abgleichung der Bestände – und er hatte hier neben der Sammlung Lhwyds auch diejenige von Martin Lister im Auge – könne sichergestellt werden, daß Sammlungen dieser Art auch noch künftig zum Nutzen der Forscher erhal- ten blieben. Kurz nach dem Briefwechsel mit Huddesford über die richtige Gestaltung des Lhwyd-Nachlasses reiste Mendes da Costa im Sommer 1750 nach Oxford, um die dortigen Sammlungen persönlich in Augenschein zu nehmen. Über die dabei gesammelten Eindrücke schreibt er viele Jahre später an seinen Edinburgher Kollegen Edward Wright. Er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und spricht davon, daß sich die Sammlung damals in völliger Unordnung befunden habe.210 Er hatte anscheinend während seines Besuchs tatkräftig dabei mitgeholfen, die Ordnung innerhalb der einzelnen Schubläden der Sammlung so gut es ging wieder- herzustellen. Überdies sparte er nicht mit Kritik, wenn er feststellte, daß Lhwyds Katalog nur selten mit den Originalen genau übereinstimme. Edward Lhwyd selbst schien daran nicht ganz unschuldig zu sein, denn er habe, so Mendes da Costa,

206 Siehe ebenda. 207 Siehe Lethieullier an Huddesford, Alderbrook (Essex), 12. März 1756, Bodl., Ms. Ashmole 1822, fol. 13v. 208 Siehe MACGREGOR/TURNER, Ashmolean, S. 654. 209 Mendes da Costa an Revd. Mr. R. Watkins, London, 15. Februar 1750, BL, Add. 28.544, fol. 184v. 210 Siehe Mendes da Costa an Wright, London, 24. März 1759, BL, Add. 28.538, fol. 198r. 202 Sammlungsräume weder die Beschreibungen noch die Abbildungen in seinem Buch korrigieren las- sen.211 Gegenüber diesen grundsätzlichen Problemen des Erhalts der Sammlung waren die Probleme der Ordnung im einzelnen zunächst zweitrangig. Dennoch liegt Mendes da Costas missionarischem Eifer, vernachlässigte Sammlungen der For- schung wieder zugänglich zu machen, auch eine höchst eigene Auffassung über die Funktionen von Sammlungen überhaupt zu Grunde. Die Position Mendes da Costas war – vor allem gegenüber Versuchen, Sammlungen auf die Linie der neuen Linnéschen Ordnung zu bringen – im Kern antiquarisch. Sein Anliegen war es, den historischen Zusammenhang von Katalog und Sammlung, von Beschreibung und Objekt zu wahren und damit den Intentionen des Sammlers Lhwyd Rech- nung zu tragen, selbst wenn dessen wissenschaftliche Leistung durch neue Er- kenntnisse im Bereich der Fossilienkunde überholt erschien. Damit wurde im Kern die Tradition der Privatsammlung gegenüber einem öffentlichen und wissenschaft- lich ausgerichteten Museum gewahrt. Zudem konnte der nicht mit den neuesten Systematiken vertraute Besucher mit Hilfe des Kataloges einen einfachen Zugang zur Sammlung finden. Für Mendes da Costa waren, so scheint es, Sammlungen ebenso Ausdruck einer Sammlerpersönlichkeit, deren Leistung man anerkennen mußte, wie zugleich eine Möglichkeit systematischer Wissensbildung. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde damit die Frage aufgeworfen, in wel- chem Umfang eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende öffentliche Samm- lung die individuellen Leistungen früherer Sammler im Sammlungsraum präsent halten konnte. Von Sloane ist bekannt, daß in seiner Sammlung ein Ölporträt seines Mentors John Ray hing.212 Johann Beckmann, der 1765/66 Schweden be- reiste, berichtet von dem Raritäten-Kabinett des schwedischen Königs: »Die Brust-Bildnisse des Linnaei und Wallerii waren von Gips en bas relief ge- macht und solten im Kabinet hier nächst nebst den Bildnissen anderer Gelehrten aufgehangen werden.«213 Diesen Wunsch, die Vorbilder der Wissenschaft zu vergegenwärtigen, beschreibt Beckmann im Falle Linnés, den er auf seinem in der Nähe Uppsalas gelegenen Landgut Hammarby besucht, auf besonders eindrückliche Weise: »Er hat auf diesem Guthe, wozu einige nahe bey liegende Bauerhöfe gehören, sei- ne Zimmern mit Kupfer von Pflanzen aus den kostbarsten Bücher [!] als Sloane, Ehrets &c. dergestalt ausgeklebt, dass es völlig den Tapeten gleicht. Einige darun-

211 Siehe ebenda. 212 Darüber berichtet Per Kalm anläßlich seines Besuchs in Chelsea 1748: »In another room we saw a number of representations of kings, learned men and others. Among them was a por- trait of Mr. John Ray which must be the only one of him to be found in England.« Zit MAC- GREGOR, Sloane, S. 33. 213 Johann BECKMANN, Schwedische Reise nach dem Tagebuch der Jahre 1765–1766, hrsg. von Thore Magnus Fries, Uppsala 1911 (ND 1995), S. 17. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 203

ter sind auch von Herman in Ostindien mit Tusche gezeichnet, die hernach im Horto Malabarico abgedruckt.«214 So sind bei Linné die Kollegen seines weitverzweigten Korrespondentennetzwerks in den aus den Abbildungswerken herausgelösten Kupfern im unmittelbaren, pri- vaten Arbeitsumfeld präsent. Ganz in diesem Sinne konnte dann Smart Lethieullier für die öffentliche Samm- lung des Ashmolean vorschlagen, Gipsbüsten von Donatoren in der Sammlung aufzustellen, mit dem Hintergedanken, daß mit dieser Auszeichnung zugleich ein Anreiz für weitere großzügige Spenden geschaffen würde.215 Auch Huddesfords Intentionen gingen zum Teil schon in diese Richtung, indem er mit der Samm- lung von Briefen und Anekdoten Lhwyd betreffend dessen Persönlichkeit als Sammler und Wissenschaftler einer weiteren Öffentlichkeit vergegenwärtigen wollte.216 Die Sammlung erfüllte somit die Funktion, das Gedächtnis an vergan- gene wissenschaftliche Errungenschaften und die mit ihnen verbundenen Namen wachzuhalten. Dieses personale Gedächtnis der Sammlungen kann als eine Art Umwertung des im 16. und 17. Jahrhunderts allgegenwärtigen memento mori-Motivs verstanden werden. Im Museumsraum mahnten die dort versammelten Objekte – neben ih- rer wissenschaftlich motivierten Erkenntnisfunktion – in Verbindung mit einer dementsprechenden Emblematik an die Vergänglichkeit der irdischen Natur.217 Dagegen verlieh ein Museum wie das Ashmolean um die Mitte des 18. Jahrhun- derts unter Verweis auf seine eigene Sammlungs- und Forschungstradition den Objekten sowohl eine historische wie auch eine zukunftsweisende Bedeutung. Der Name des Forschers in Verbindung mit seiner Sammlung dokumentiert den Erkenntnisfortschritt in den Wissenschaften als einer gemeinschaftlichen wie individuellen Anstrengung. Nicht nur Objekte werden in der Sammlung bewahrt, sondern auch die Erinnerung an die Namen der Sammler.

Die Woodward-Sammlung in Cambridge Anders als Oxford verfügte die Universität Cambridge lange Zeit nicht über eine eigene Sammlung an Gesteinen, Mineralien und Fossilien. Das änderte sich, als nach dem Tod des Fossiliensammlers und -forschers John Woodward, dessen Sammlung 1729 von der Universität für eine Summe von 1 000 Pfund erworben wurde.218 Da Woodward testamentarisch die Einsetzung eines Dozenten für Mi- neralien- und Fossilienkunde in Cambridge bestimmt hatte, war damit gleichzeitig

214 Ebenda, S. 77. 215 Lethieullier an Huddesford, Aderbrook (Essex), 12. März 1756, Bodl., Ms. Ashmole 1822, fol. 13r. 216 Siehe oben, S. 109 f. 217 Siehe FINDLEN, Nature, S. 331 f. 218 Zur Geschichte dieser Sammlung in Cambridge siehe David PRICE, John Woodward and a surviving british geological collection from the early eighteenth century, in: Journal of the His- tory of Collections 1 (1989), S. 79–95. 204 Sammlungsräume die Betreuung der Sammlung gesichert. Zugleich wurde sie – drei Tage in der Woche – einem allgemein interessierten Publikum offengehalten. Der erste und lange Zeit einzige, der sich um eine Bewahrung der Sammlung bemühte, war Charles Mason, Woodwardian Professor von 1734 bis 1762. Er befaßte sich nicht nur mit einer aufwendigen Neubeschreibung der einzelnen Stücke, sondern gab auch die Unterbringung einiger Sammlungsteile in neuangefertigten Schränken in Auftrag. Erst unter seinem Nachfolger wurde die Neuordnung 1767 abge- schlossen. Im 19. Jahrhundert wurde die Sammlung dann in das neuerrichtete Gebäude des Sedgwick Museums überführt, wo sie heute noch im Originalzu- stand zu besichtigen ist. Im Sommer 1750, also im gleichen Jahr seines Aufenthalts in Oxford, hielt sich Mendes da Costa erstmals für drei Wochen bei Mason in Cambridge auf, um mit dem dort gesammelten Material zu arbeiten. Mason unterstützte ihn bei seinen Bemühungen, die Sammlung für seine eigenen Forschungen zu nutzen und einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.219 Im Frühjahr des nächsten Jahres er- folgte, wie er an William Borlase berichtet, dann ein weiterer Besuch, während dessen er sich mit der Überarbeitung des Woodward-Kataloges beschäftigte.220 Schon zu Lebzeiten hatte sich Woodward intensiv um die Publikation seiner Sammlungsbeschreibung bemüht. Aber erst kurz vor seinem Tod, 1729, erschien ein erster Band dieses umfänglichen Kataloges, der dann in den folgenden Jahren in insgesamt zwölf Teilen fortgesetzt wurde, von denen jeder sich einem spe- zifischen Sammlungsgebiet widmete.221 Mendes da Costa war – wie sein Biblio- thekskatalog ausweist – neben vielen anderen Werken Woodwards auch im Besitz dieser Kataloge.222 Er hatte es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, die von Woodward begonnene Arbeit auf dem Gebiet der Fossilien fortzusetzen. Obwohl er Woodwards Leistungen durchaus zu würdigen wußte, sah er dessen Beschrei- bungen in vieler Hinsicht als defizient an. Gegenüber dem Kopenhagener Bota- niker Peter Ascanius bemängelte er die zufällige und unzusammenhängende Art, in der Woodward seine Fossilien aufgelistet und beschrieben hatte. Tatsächlich hatte dieser seinen Katalog nach lokalen Fundgebieten – England, Europa, Asien, Amerika usw. – gegliedert. Was fehle, so Mendes da Costa, sei eine zusammen- hängende Art der Darstellung, wie sie etwa von dem schwedischen Forscher Jo- han Gotschalk Wallerius in seiner Fossilienkunde – gemeint war die Mineralogia von 1747 – unternommen worden sei. Es gebe zwar eine Fülle von speziellen

219 »My learned freind Dr. C. Mason the Woodwardian Professor having given me free leave of inspecting the Woodwardian Cabinet at my leisure & make what necessary remarks«. Mendes da Costa an John Green, London, 4. Dezember 1750, BL, Add. 28.537, fol. 355v. 220 Mendes da Costa an Borlase, London, 26. März 1751, BL, Add. 28.535, fol. 60r. 221 Die Kataloge stellen die gedruckte Fassung seines zusammen mit der Sammlung in Cam- bridge aufbewahrten handschriftlichen Kataloges dar. Die ersten beiden Teile A und B erschie- nen unter dem Titel ›An Attempt towards a natural history of the fossils of England in the col- lection of J. Woodward‹ 1728 und 1729. Die nachfolgenden Ausgaben C bis M sind undatiert. Siehe PRICE, Woodward, S. 93. 222 Siehe Mendes da Costa, ›Catalogue of the Library 1781‹, BL, Add. 9389, fol. 13r; 15r. Insge- samt sind hier sieben Werke Woodwards verzeichnet. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 205 Sammlungskatalogen, doch sei Wallerius der erste gewesen, der das Material un- ter systematischen Gesichtspunkten im Sinne einer ›Grammar of Fossils‹ behan- delt habe.223 Mendes da Costa ging es, ganz im Sinne von Wallerius, bei seinen Arbeiten in Cambridge um einen genauen Blick auf die einzelnen Fossilien, ihre Textur, Größe, Farbe und chemische Zusammensetzung. An die Stelle einer Auflistung unterschiedlichster Objekte sollten genaue Unterscheidungen treten, die es ermöglichten, künftige Funde einfach zu systematisieren. Unter Bezug auf Woodward und Wallerius stellte er in seiner History of Fossils von 1756 program- matisch fest: »I have attentively examined the Woodwardian and Wallerian systems, and, finding them defective, have presumed to form a new one from the principles of both. I have endeavoured to arrange Fossils, not only according to their growth, texture, and structure, but also their principles and qualities, as discovered by the aid of fire, and acid menstrua. And in this way I am confident that all the known Fossils may be accurately distinguished.«224 Die Arbeiten Mendes da Costas an der Woodward-Sammlung in Cambridge kön- nen somit als Vorarbeiten seiner History angesehen werden. Auch später noch hat Mendes da Costa die Kataloge Woodwards als Arbeitsgrundlage benutzt. Im Laufe der Zeit, so bemerkt er in einem Brief von 1774, sei durch seine vielen handschriftlichen Anmerkungen geradezu eine zweite Auflage des Woodward- Katalogs entstanden.225 Der so erweiterte Katalog diente damit als eine Art Refe- renzinstanz bei den vielen Anfragen, die ihn von außerhalb erreichten. So etwa anläßlich seiner Instructions for Mr. William Wood, in denen er Anweisungen zum Sammeln indischer Fossilien gab.226 Der Erhalt der Woodward-Sammlung in ihrem ursprünglichen Zustand erwies sich für Mendes da Costa als Vorteil. Aus der historischen Distanz zu seinem Vorgänger konnte er in der Auseinandersetzung mit dem Material die Anregun- gen erfahren, die zur Herausbildung seiner eigenen Systematik und Methodik nö- tig waren. Hier, wie schon im Falle der Ashmolean-Sammlung, ging es um die Integrität einer ehemaligen Privatsammlung, deren Charakter notwendig bewahrt werden sollte. Aber anders als Huddesford in Oxford trug sich Mason nicht mit dem Gedanken, Woodwards Vermächtnis auf neue Weise zu ordnen. Der Grund für diese Zurückhaltung ist wohl darin zu suchen, daß mit Errichtung eines Wood- ward-Lehrstuhles in Cambridge die Verpflichtung verbunden war, den Namen Woodwards im Erhalt seiner Sammlung weiterleben zu lassen. Für Mendes da

223 Siehe Mendes da Costa an Peter Ascanius, London, 26. September 1760, BL, Add. 28.534, fol. 131r. 224 Emmanuel MENDES DA COSTA, A Natural History of Fossils, London 1756, Bd. 1, Teil 2 (Preface). 225 Siehe Mendes da Costa an Richard Hill Waring, Leeswood (Flintshire), 15. November 1774, BL, Add. 28.543, fol. 312r. 226 Siehe Mendes da Costa an William Wood, London, 9. Januar 1785, BL, Add. 28.544, fol. 226r. 206 Sammlungsräume Costa als Bearbeiter der Woodward-Sammlung konnte diese eigentlich antiquari- sche Haltung nur von Vorteil sein.

Das Repository der Royal Society Neben diesen beiden universitären Sammlungen existierte im 18. Jahrhundert mit dem Repository der Royal Society eine dritte institutionell abgesicherte Stätte naturgeschichtlicher Forschung in England.227 Noch in der Gründungsphase der Royal Society entstand 1663 der Gedanke einer der Gesellschaft angegliederten Sammlung, die bald durch den Erwerb der Sammlung von Robert Hubbard kon- krete Gestalt annahm. Ihren Platz fand sie innerhalb der Mauern des Gresham College, wo die Royal Society bis 1711 ihren Sitz hatte. Mit der Einbindung in eine wissenschaftliche Institution wandelte sich die Funktion dieser Sammlung. Sie diente nun nicht mehr allein virtuos-privaten Interessen, sondern war eingebun- den in den Prozeß wissenschaftlicher Forschung und Systematisierung. Diese Auffassung vertrat jedenfalls , ihr erster Kurator, in aller Deutlich- keit: »The use of such a Collection is not for Divertisement, and Wonder, and Gazing, as ’tis for the most part thought and esteemed, and like Pictures for Children to admire and be pleased with, but for the most serious and diligent study of the most able Proficient in Natural Philosophy.«228 In den 1670er Jahren begann Nehemiah Grew mit der wissenschaftlichen Kata- logisierung und Beschreibung der Bestände.229 Doch scheint Grew in seinem Ka- talog ein eher ideales Bild der Sammlung gezeichnet zu haben, denn zu Beginn des 18. Jahrhunderts befand sie sich in einem Zustand des Verfalls und der Un- ordnung. Anfang der 1730er Jahre – inzwischen war die Royal Society zusammen mit der Sammlung in ein neues Domizil in Crane Court umgezogen – begann man damit, die Bestände erneut zu erfassen. Unter dem damaligen Sekretär Cromwell Mortimer wurden Kataloge angelegt und ein Verzeichnis der Donato- ren zusammengestellt.230 Aber diese neue Ordnung währte nur kurze Zeit; bald darauf versank die Sammlung wieder in Unordnung.

227 Siehe zur Geschichte dieser Institution Michael HUNTER, Between cabinet of curiosities and research collection: The History of the Royal Society’s ›Repository‹, in: Ders., Establishing the New Science. The Experience of the early Royal Society, Woodbridge 1989, S. 189–216. 228 Zit. HUNTER, Repository, S. 194. 229 »In the Descriptions, I have taken care; first, to rectifie the mistakes of such as are given us by other Hands. Secondly, not to Transcribe any; as is too commonly done; but having noted some- thing more especial therein, to refer to the Author. Thirdly, where there is no Description at all, or that is too short, or the faults therein many, to give one at large.« Nehemiah GREW, Musaeum Regalis Societatis, or a Catalogue & Description of the Natural and Artificial Rarities belonging to the Royal Society and preserved at Gresham Colledge, London 1681 (Preface). 230 Siehe dazu BOAS-HALL, Library, und A. D. C. SIMPSON, Newton’s Telescope and the cata- loguing of the Royal Society’s Repository, in: Notes and Records of the Royal Society of Lon- don 38 (1984), S. 187–214. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 207 Für die Arbeit Mendes da Costas spielte das Repository seit seinen ersten Schritten als Naturforscher eine wichtige Rolle. Noch vor seinen beiden Reisen nach Oxford und Cambridge hatte er Nehemiah Grews alten Katalog des Mu- seums gelesen und sich dabei vor allem mit den dort verzeichneten Fossilien be- schäftigt. Diese Arbeit wolle er, wie er an John Green Anfang 1750 berichtete, in weiteren Sammlungen fortsetzen: »I have now leave to review at my leisure the fossils we have in our museum & if God grants me life I hope next summer to do the like by Lhwyds Lith. Brit. Ichnog. & the Cabinets of Plot in the Ashmolean Museum & these are the only three publick Cabinets of fossils I know of in the kingdom«.231 Am Rande sei hier vermerkt, daß seine Begeisterung für das Repository im Freun- deskreis nicht auf ungeteilte Resonnanz stieß. So unternahm er zusammen mit der Schwester des mit ihm befreundeten Naturforschers John Turberville Need- ham sowie einigen ihrer Freundinnen einen Ausflug dorthin. Doch das Laien- publikum schenkte weder den dortigen Fossilien noch den Tieren und Pflanzen besondere Beachtung. Einzig die ausgestellten großen Tierhörner riefen die Be- wunderung der Besucherinnen hervor.232 Im Jahr 1763 übernahm er den Posten eines Keeper of the Repository und war damit als wissenschaftlicher Mitarbeiter verantwortlich für die Ordnung von Bi- bliothek, Sammlung und Archiv. Seine Arbeit wurde durch die Tatsache erleich- tert, daß er mit seiner Frau zusammen eine Wohnung in Crane Court bezog und so in enger Nachbarschaft zu Sammlung und Bibliothek des Repository lebte.233 Wie sehr er darüber hinaus diese Stellung als Chance begriff, seine wissenschaft- lichen Ambitionen weiter zu verfolgen, stellte er gegenüber seinem Berliner Kor- respondenten Pallas nicht ohne eine gewisse Übertreibung deutlich heraus: »Can I desire more than to have an exquisite Library & a good Musaeum the manuscripts writings & letters of the most famous men all under my command & ex officis I know of what things will appear at the Society before a common member can know them«.234 Die hier anklingende Tendenz, die Sammlung der Royal Society mit seiner eige- nen zu verwechseln, wirft schon ein Licht auf die Ereignisse des Jahres 1767, als Mendes da Costa wegen Unterschlagung von Mitgliedsbeiträgen in beträchtlicher Höhe aus dem Dienst entlassen wurde und für mehrere Jahre ins Schuldgefäng- nis wanderte.235

231 Mendes da Costa an John Green, London, 4. Dezember 1750, BL, Add. 28.537, fol. 355v. 232 »I carried them this day to see the Museum of our Roy: Soc: but the fossils did not delight them nor were they pleased with the Vegetable & of the Animal Curiosities they only admired the large Horns«. Mendes da Costa an John Turberville Needham, London, 18. Oktober 1749, BL, Add. 28.540, fol. 76r. 233 Siehe WHITEHEAD, Da Costa, S. 8. 234 Mendes da Costa an Peter Simon Pallas, London, 3. Juni 1763, BL, Add. 28.540, fol. 163r. 235 Siehe unten, S. 244. 208 Sammlungsräume Doch zu Anfang der 1760er Jahre war er noch voller Optimismus und leistete der Gesellschaft gute Dienste. Denn zum Zeitpunkt seiner Anstellung befanden sich Bibliothek und Sammlung in einem nahezu desaströsen Zustand: Nachdem Cromwell Mortimer zu Beginn der 1730er Jahre erste Versuche einer neuen Kata- logisierung und Ordnung unternommen hatte, wollte man nun zu Anfang der sechziger Jahre das Übel an der Wurzel anpacken. Die Räumlichkeiten sollten – trotz der hohen Kosten von knapp 400 Pfund – renoviert und neu gestrichen wer- den; man dachte sogar daran, ein angrenzendes Stück Land zu erwerben, um darauf ein weiteres Gebäude zu errichten, Pläne, aus denen wegen der notorischen Geldknappheit der Gesellschaft allerdings nichts wurde.236 Unter der Aufsicht von James Parsons, Henry Baker und Peter Collinson – alles verdienten Mit- gliedern der Royal Society – begannen im Sommer 1763 die Arbeiten am Repo- sitory und der Bibliothek. Für Mendes da Costa gab es also schon gleich zu Be- ginn seiner Anstellung genug zu tun. Er berichtet darüber: »On my first appointment to these places I found every thing so diametrically opposite to a Dutch promtkamer that nastiness dust rubbish rotten books & rotten & broken curiosities was all the place – the first thing (which lasted me some months) was to take off the upper stratum only of Nastiness[.] Then we proceeded […] to the museum which we cleaned arranged and took a rough Cat.[,] all the winter was employed in making Catalogues of the Libraries & with the affairs of the Society now we are repairing & building & when that is com- pleated the Libraries & Museum will be again reviewd cleand & put in perfect or- der[.] I count the whole summer will pass ere all this can be accomplished.«237 Mendes da Costa befand sich also genau an dem Platz, an dem er seine eigenen Forschungen mit seinem allgemeinen Interesse an einer Restaurierung von Samm- lungen verbinden konnte. Er setzte nun die Arbeiten fort, die er schon in Oxford und Cambridge mehrere Jahre zuvor begonnen hatte. Neben vielem unrettbar Verlorenem fanden sich hier im Laufe der Arbeiten einige wichtige Stücke, die bisher der allgemeinen Aufmerksamkeit entgangen oder gar im Laufe der Jahre teilweise zerstört oder verrottet waren. Obwohl viele dieser Stücke weggeworfen werden mußten, waren die übrigen noch zahlreich genug, um, wie Mendes da Costa meinte, den Grundstock einer höchst bedeutenden Sammlung zu bilden.238 Während der Arbeit orientierte man sich an dem gedruckten Verzeichnis von Grew, wobei es nicht überraschend gewesen sein dürfte, daß viele der dort beschriebenen Objekte mehr als achtzig Jahre danach nicht mehr vorhanden waren:

236 »It appeard that the repairs would amount to £ 391 – this being a considerable sum and the Society having some thoughts of buying a peice of Ground adjoining to the house & of en- larging the Libraries & Meeting room &c thereby it was resolved to postpone all repairs &c till the next year.« Mendes da Costa an James West, London, 13. September 1763, BL, Add. 28.544, fol. 193v. 237 Mendes da Costa an Johann Albert Schlosser, London, 10. Juli 1764, BL, Add. 28.542, fol. 148r. 238 Siehe ebenda. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 209

»The tender Insects & the fleshy ones all rotted[,] the Brids & some quadrupeds quite eat away by the moths[,] the anatomical preparations corrupted & numbers of the animals in spirits quite decayed[;] for want of due care these all were totally lost[.] The crustaceae all Shelly & Scaley animals rid out the storm and by im- mense pains are now restored however[.] Of the shells there is but a bad collec- tion or indeed meer trash[;] fish we are very well in.«239 Die im Zusammenhang dieser Arbeit entstandenen Inventare und Kataloge ver- merken aber nicht nur verlorengegangene oder neuentdeckte Objekte, sie rekon- struieren zudem die im Laufe der Jahre eingegangenen Geschenke von Fellows und Korrespondenten aus aller Welt. Ein noch bis in das 17. Jahrhundert zu- rückreichendes Verzeichnis Of several Donations wurde bis 1736 fortgesetzt, und die unter Mortimer, Mendes da Costa und seinem Nachfolger entstandenen In- ventare und Listen vermerken die jeweiligen Spender von Naturalien.240 Mit ihrer Erfassung ergab sich im Zuge der Arbeiten ein weiteres, alternatives Kriterium der Ordnung, das auf die schon im Zusammenhang mit dem Ashmolean in Oxford genannte antiquarisch-bewahrende Tradition der Museumsgestaltung ver- weist. In einem Brief an Johann Albert Schlosser dankt Mendes da Costa für einen zuvor übersandten präparierten Fisch, von dem er sagt, daß er zu den her- ausragenden Stücken zähle. Er hoffe, daß Schlosser, wenn die Arbeiten an der Sammlung abgeschlossen seien, weitere Stücke zusenden werde. Ebenso wie für die privaten galt für die öffentlich zugänglichen Sammlungen das Gebot, sich um potentielle Spender und deren Geschenke zu kümmern.241

Das British Museum Die Geschichte dieser singulären Institution ist aufs engste verbunden mit den Sammlungen Sloanes.242 Sloanes Testament hatte bestimmt, dem englischen Staat eine Art Vorkaufsrecht für seine Sammlung einzuräumen, wobei der festgesetzte Preis sich auf die Summe von 20 000 Pfund belief. Fast unmittelbar nach Sloanes

239 Mendes da Costa an Johann Albert Schlosser, London, 15. Oktober 1767, BL, Add. 28.542, fol. 155r. 240 Siehe ›A Complete Catalogue of the several Donations of Manuscripts, printed Books, Naturall Curiosites, Machines & Antiquities, which have been presented to the Royal Society ex- tracted from the Journal Books with the dates when given & the Donors names annexed‹, RS, MS 416; ›Inventory of Objects of Natural History May 26th 1763. Began the Inspection and Regulation of the Repository present Mr. Baker. Dr. Parson‹, RS, MS 415/1, und ›Donations to the Repository‹ [1744 bis 1769], RS, MS 415/2. 241 Mendes da Costa an Johann Albert Schlosser, London, 10. Juli 1764, BL, Add. 28.542, fol. 148v. Siehe auch: An Account of a Fish from Batavia, called jaculator: In a Letter to Mr. Pe- ter Collinson, F.R.S. from John Albert Schlosser, in: Philosophical Transactions 54 (1764), S. 89–91. 242 Siehe dazu Edward MILLER, That Noble Cabinet. A History of the British Museum, Ohio 1974; A. E. GUNTHER, The founders of Science at the British Museum 1753–1900, London 1980, und Majorie CAYGILL, Sloane’s Will and the Establishment of the British Museum, in: Arthur MACGREGOR (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Collector, Scientist, Antiquary, Founding Father of the British Museum, London 1994, S. 45–68. 210 Sammlungsräume Tod 1753 befaßte sich das englische Parlament mit diesem Angebot, wobei man schnell zu dem Schluß kam, daß der Wert der Sammlung die geforderte Summe bei weitem überstieg. Um den Erwerb und den Unterhalt in einem geeigneten Gebäude dennoch zu ermöglichen, wurde im British Museum Act noch im selben Jahr die Ausschreibung einer Lotterie beschlossen, die – abzüglich der im Zuge einer solchen Aktion fast zwangsläufigen Betrügereien und Unterschlagungen – am Ende die Summe von fast 100 000 Pfund erbrachte. Nach dem Ankauf des Montagu House am Bloomsbury Square – unweit des ersten Wohnsitzes von Sloane – und dem Erwerb zweier umfangreicher Bibliotheken öffnete das Mu- seum im Januar 1759 seine Pforten. Als Gründung des englischen Staates wurde das Museum durch ein Board of Trustees, dem Männer des Parlaments, der Kirche und der Wissenschaften ange- hörten, verwaltet. Die Institution, der sie vorstanden, war von Anfang an als eine universale und enzyklopädische Sammlung geplant, die alle Bereiche des Wissens – »all Arts and Sciences« – möglichst umfassend repräsentieren sollte.243 Zudem war geplant, diese Sammlung für ein möglichst breites Publikum zugänglich zu machen. Schon zwei Jahre nach der Eröffnung erschien ein erster Museums- führer zum Nutzen derer, die das Museum besuchen wollten. Die Besucher wur- den in Gruppen zu jeweils 15 Personen durch die Sammlung geführt, wobei die dazu vorgesehene Zeit auf zwei Stunden begrenzt war.244 Im Mittelpunkt stand zunächst jedoch die wissenschaftliche Erfassung der Be- stände, wobei gelehrte Arbeit und populäre Schaulust oft unvermittelt aufeinan- derprallten. So beklagte sich etwa der junge Botaniker und Linné-Schüler Daniel Solander, der von 1763 bis 1768 mit der Katalogisierung der Bestände beauftragt war, über Besuchergruppen, die dreimal am Tag lärmend durch die Räume zogen, und bat deshalb bei dem Board of Trustees um einen separaten Raum für seine Arbeit.245 Auf welche Weise die Sammlungen von diesen Besuchergruppen wahrgenommen wurden, darüber gibt wieder eine Stelle aus dem erwähnten Mu- seumsführer Auskunft, der unter dem Eintrag Collectio Sloaniana bemerkt: »The Room we are now about to make our Remarks on contains a fine Collection of fossil Shells, figured Fossils, recent Shells, and some other Articles. This is not the least curious Part of the Museum; and the recent Shells here preserved par- ticularly claim the Attention of the Ladies: Many of them are very scarce and valuable, others remarkably beautiful.«246

243 »The British Museum was not at birth fettered as an ›art‹ museum or a closed collection. There was scope for a truly universal museum to develop, illustrating the sum of human knowledge, collecting both the natural and artificial products of the whole world.« CAYGILL, Establishment, S. 50. 244 Siehe: The General Contents of the British Museum: With Remarks Serving as a Directory in viewing that Noble Cabinet, London 1761, S. ix. 245 Siehe Daniel SOLANDER, Collected Correspondence 1753–1782, hrsg. und übersetzt von Edward Duyker und Per Tingbrand, Melbourne 1995, S. 261 f. (Nr. 83). 246 General Contents, S. 53 f. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 211 Diesem Konflikt zwischen zurückgezogen arbeitenden Wissenschaftlern und neu- gierigem Publikum entsprach, daß die Abfassung des Museumsführers in den Hän- den eines Fachfremden lag: Keiner der Angestellten des Museums, so bemerkt der Verfasser der General Contents, wollte sich zu einer solchen Arbeit bereiterklä- ren, da sich in diesem enggesteckten Rahmen keine wissenschaftlichen Ansprü- chen genügende vollständige Beschreibung realisieren ließe.247 Mendes da Costas Haltung gegenüber dem British Museum schwankte zwi- schen Kritik und vorsichtiger Bewunderung. Eine wichtige Rolle spielte hierbei zunächst seine enge Verbundenheit mit der Welt der Privatsammler und die die er- ste Jahrhunderthälfte bestimmende Leitfigur Sloane, den er vermutlich selbst noch kurz vor seinem Tod kennengelernt hatte. Einem Brief an John Green hatte er sowohl eine Aufstellung seiner eigenen Sammlung als auch der Sloanes bei- gefügt, den er in diesem Zusammenhang bewundernd als einen »maecenas of learning« bezeichnete.248 Für ihn als Fossiliensammler diente die Sammlung Slo- anes als Referenzinstanz, wenn es darum ging, seltene Stücke zu benennen. So er- warb er während seines Aufenthalts in den Niederlanden seltene Muscheln, die er sich erinnerte zuvor schon einmal in der Sammlung Sloanes gesehen zu haben.249 Jedoch war es gerade diese Wertschätzung des privaten Sammlers Sloane, die in der Anfangsphase des British Museum die Kritik Mendes da Costas an dieser Institution herausforderte. Er zeigte sich skeptisch, ob eine solche Sammlung, die mehr als fünfzig Jahre in den Händen eines einzelnen gelegen hatte, in öf- fentlicher Regie erhalten werden könne. Im Jahr der offiziellen Eröffnung, 1759, trug er Bedenken dieser Art in einem Brief an William Borlase vor, die zudem noch durch Reflexionen über den kurz zuvor erfolgten Verkauf der Privat- sammlung William Ponds verstärkt wurden. Denn Borlase hatte den Wunsch ge- äußert, das British Museum möge durch den vorherigen Ankauf solcher Sammlungen eine völlige Auflösung der Bestände durch die Erben verhindern.250 Mendes da Costa stand jedoch auf der anderen Seite das Schicksal vieler solcher

247 Ich gebe an dieser Stelle die deutsche Übersetzung der General Contents, die nur drei Jahre später unter dem Titel erschien: Brittisches Museum, nebst der Beschreibung des berühmten Naturalien u. Antiquitäten-Cabinets des Hrn. Ritters Hans Sloane, zum Unterricht derer welche solches mit Nutzen besehen wollen. Aus dem Englischen nach der neuesten Ausgabe, Berlin 1764. Dort heißt es: »Die Beamten bewiesen zwar zu aller Zeit eine ungemeine Aufmerksamkeit; allein es blieb ihnen gleichwohl noch immer unmöglich, die Neubegierde einer jeden Person besonders zu befriedigen. Als ich gegen einige meiner vertrautesten Freunde dieses Umstandes erwähnte, so fand ich, daß die Klage allgemein war; daher man mich ersuchte, etwas aufzusetzen, das dazu dienen könnte, um diese Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. Ich lehnte diese Arbeit zwar von mir ab, indem ich anführte, daß solches von den Beamten des Hauses selbst mit besserer Art gewiß geschehn würde. Allein dieser Einwurf hatte bey ihnen kein Gewicht, da, wie sie sagten, ein dergleichen Verlangen von diesen herren nicht zu erwarten stünde, weil alles, was von Seiten ihrer herrühren sollte, wenigstens vollständig seyn müßte.« S. 18 f. 248 Mendes da Costa an John Green, London, 4. Dezember 1750, BL, Add. 28.537, fol. 360v. 249 Siehe Mendes da Costa an Johann Friedrich Gronovius, Leiden, 25. Juni 1749, BL, Add. 28.537, fol. 380r. 250 Siehe William Borlase an Mendes da Costa, Ludgvan (Cornwall), 4. November 1759, BL, Add. 28.535, fol. 106r. 212 Sammlungsräume Sammlungen in öffentlichem Besitz vor Augen, die dort später dem langsamen Verfall preisgegeben waren. Er konnte sich hier durchaus glaubhaft auf seine Erfahrungen in Oxford, Cambridge und als Besucher des Repository berufen: »The Royal Society & Ashmolean Museum tho gone to decay are not of a Cen- turys standing and consider that as they were fashionable at their foundation so perhaps this new fashionable Museum will flourish the 1st half century & then decay as those have done before it further. I really beleive in 50 years hence no Museum will not make so fine a figure or be of such Utility as a public foundation as did the last 50 years […] while in the private hands of Sr. Hans Sloane«.251 Ein weiterer Grund für Mendes da Costas Zweifel an der Nützlichkeit öffentli- cher Museen war der streng reglementierte Zugang für Besucher. Die Trustees hätten diesen durch überflüssige und ermüdende Formalitäten so schwierig ge- staltet, daß ein darauf folgender, zeitlich eng begrenzter Aufenthalt in der Samm- lung kaum lohne.252 Wenige Monate zuvor hatte er anscheinend vergeblich ver- sucht, sich einen Zugang zu den Sammlungen zu verschaffen: »I know not how things are arranged there what I design to do is when I am seriously prosecuting my history of fossils to get a Quarterly ticket of admittance which enables me to study the Books & specimina there kept with leisure.«253 Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen wundert es dann nicht, daß er 1765 – inzwischen hatte er sich selbst ein Bild von der neuen Sammlung machen können – das aus der Asche neu emporgestiegene Repository gegenüber dem großen Bruder British Museum auffällig positiv hervorhebt. Jenes erfülle die Anforde- rungen des systematischen Forschers weit mehr, als jener weitberühmte Palast des British Museum.254 Vorherige persönliche Enttäuschungen mögen hierbei eine Rolle gespielt ha- ben. Anfang 1757 war die Stelle eines Unterbibliothekars am Museum neu zu be- setzen, und Mendes da Costa war – trotz mehrfacher Bewerbung – für diese Stelle abgelehnt worden. Gegenüber Thomas Knowlton machte er aus seiner Enttäu- schung über die zuvor erfolgte Ablehnung keinen Hehl: »But alas not being of the establish’d Religion of the country it was concluded I could not have a place so the Librarians are all elected and undoubtedly you will have seen in the common newspapers who they are[.] But what chargrines me most is that tho they are all clever learned Gentn. yet there is not one of them who professdly studies natural History neither Botany Fossils or Animals so I much fear whether the Natural Curiosities will be kept for orderd as they ought to

251 Mendes da Costa an Borlase, London, 3. Januar 1760, BL, Add. 28.535, fol. 107v. 252 »The Trustees have so clogg’d the access to it with such superabundant ceremonies & fatigues that it is in reality a folly to desire to view it & then only for an hour the time granted for each division.« Mendes da Costa an Borlase, London, 14. Juli 1759, BL, Add. 28.535, fol. 99r. 253 Mendes da Costa an Edward Wright, London, 5. April 1759, BL, Add. 28.544, fol. 271v. 254 Siehe Mendes da Costa an Borlase, London, 12. Oktober 1765, BL, Add. 28.535, fol. 165r. Exkurs: Die Bibliothek in der Sammlung 213

be and I can inform you that early the next spring the said museum will be opend for Public View.«255 Zwar war Mendes da Costa als Jude, wie auch Angehörige anderer von der ang- likanischen Hochkirche abweichender Konfessionen, von einem regulären Stu- dium ausgeschlossen gewesen, jedoch hatte ihn dies im allgemeinen nicht behin- dert, sich in den wissenschaftlichen Zirkeln Londons zu etablieren. In der welt- offenen Metropole des 18. Jahrhunderts spielten religiöse Vorurteile in der Regel keine wichtige Rolle mehr.256 Doch anders als bei den privaten Zirkeln und wissen- schaftlichen Gesellschaften handelte es sich bei dem British Museum um eine staatliche Institution, und es steht zu vermuten, daß die Trustees bei der Beset- zung neuer Stellen ebenso verfuhren wie die Universitäten Oxford und Cam- bridge. Wie jedoch aus dem Brief deutlich wird, war es vor allem der mangelnde Respekt vor seinen wissenschaftlichen Leistungen und überhaupt die Mißachtung dezidiert naturhistorischer Qualifikationen, die wesentlich zu seiner Enttäuschung beitrug. Welch unglücklichen Verlauf eine Bewerbung im Angesicht des mächtigen Board of Trustees nehmen konnte, erfahren wir aus einem Brief Mendes da Co- stas an Edward Wright, in dem er über eine Bewerbung Jacob Neilsons auf eine freigewordene Stelle am Museum berichtet. Neilson hatte lange Zeit im Dienst des Privatsammlers William Pond gestanden und war von diesem noch zu Leb- zeiten auf eine dortige Stelle hin vorgeschlagen worden. Daß er letztlich doch abgelehnt wurde, hing – so berichtet Mendes da Costa – mit seiner mangelnden Vertrautheit mit der Systematik Linnés zusammen. Über den Untergang Neilsons vor der Auswahlkommission berichtet Mendes da Costa höchst anschaulich. Es war Sir William Watson, als Arzt und Wissenschaftler von Sloane höchstselbst noch für das Board of Trustees vorgeschlagen, der Neilsons Qualifikationen grundsätzlich in Frage stellte: »Nelson replied he was well acquainted with several parts of Nat. Hist. by being conversant with Ponds Bakers my Cabinets &c &c and that he know Rumphius Lister d’Argenville &c[;] all that says Watson are trifles[;] do you know Linnaeus can you consider him here[;] explain me these terms and shows him some of Linnaeus’s fine fangled ones which Nelson not immediately rendring[.] Watson

255 Mendes da Costa an Thomas Knowlton, London, 8. Januar 1757, BL, Add. 28.539, fol. 49r. Siehe auch seine Bittschreiben an den Archbishop of Canterbury, London, 14. Januar 1757, BL, Add. 28.538, fol. 126r, und an Dr. George Lavington, Lordbishop of Exeter, London, o. D., BL, Add. 28.539, fol. 110v. 256 Siehe Todd M. ENDELMAN, The Jews of Georgian England 1714–1830. Tradition and Change in a Liberal Society, Philadelphia 1979. Über das Ansehen, das der sprachbegabte Mendes da Costa als Philologe innerhalb der Londoner Scientific Community besaß, berichtet David S. KATZ, The Chinese Jews and the Problem of Biblical Authority in Eighteenth- and Nineteenth-Century England, in: English Historical Review 1990, S. 893–919, hier S. 894 f. An dieser Stelle möchte ich besonders Prof. Dr. David B. Ruderman, Philadelphia, für Hinweise zur Stellung von Juden in der Wissenschaft des 18. Jahrhunderts danken. 214 Sammlungsräume

snatchd the book again told Nelson he was not fit for the place & returned the report of Non Compos to the Trustees«.257 Doch ist diesem Bericht aus der Feder Mendes da Costas nicht in allen Ein- zelheiten zu trauen. Denn der Verfasser hat Zeit seines Lebens aus seiner Abnei- gung gegenüber dem System Linnés keinen Hehl gemacht. Er kennzeichnete es immer wieder in starken Worten als unvollkommen, fehlerhaft und höchst lä- cherlich.258 Der Ablehnung Neilsons als Repräsentanten der alten Tradition der Privatsammlungen durch die neue Institution British Museum liegt auf einer an- deren Ebene deshalb auch der Konflikt zwischen den alten Ordnungssystemen und der neuen Systematik Linnés zugrunde. Diese Vorherrschaft Linnés im British Museum fand ihre Bestätigung letzlich durch die Anstellung des Linné-Schülers Daniel Solander im Jahr 1763 – bezeichnenderweise auf der gleichen Stelle, für die sich Mendes da Costa sechs Jahre zuvor beworben hatte. In Gestalt des British Museum und der Bevorzugung einer einheitlichen und fortschrittlichen Methode der Klassifizierung wandelte sich die ehemalige Privat- sammlung Sloanes hin zu einer ›Großforschungseinrichtung‹. Die Vielfalt der Privatsammlungen und ihrer Besitzer konnte hier keine Berücksichtigung finden, ja erschien geradezu als veraltet und rückschrittlich. Mit der Öffnung gegenüber einem weiteren Publikum, dessen Zugang jedoch Reglementierungen unterwor- fen war, verbanden sich neuerliche Abgrenzungen innerhalb der Scientific Com- munity. Die Schauräume der alten Privatsammlungen wurden hier von denjeni- gen getrennt, in denen sich eine kleine Schar höchstqualifizierter Forscher mit den gesammelten Objekten beschäftigen konnte. Mit dem British Museum war damit ein in vieler Hinsicht zukunftsweisendes Modell entworfen worden, bei dem es nicht allein um den Erhalt vormals privater Sammlungsbestände ging, sondern vor allem um deren Integration in eine systematische Wissenschaft. Die eine private Sammlung prägende Einheit von Betrachtungsraum und For- schungsraum ließ sich so in den neuen öffentlichen Sammlungen nicht aufrecht- erhalten. Daß Mendes da Costa als Fürsprecher dieser privaten Tradition des Sammelns auftrat, begründet seine Stellung als Außenseiter – und zugleich als die eines ernstzunehmenden Kritikers.

257 Mendes da Costa an Edward Wright, London, 7. Dezember 1758, BL, Add. 28.545, fol. 257r. Zur Person Watsons siehe CAYGILL, Establishment, S. 63. 258 »I could find strong arguments to prove it imperfect erroneous & ridiculous System filled with quaint names & rompish terms«. Ebenda. Die vehemente Ablehnung Linnés führt WHITEHEAD, Da Costa, S. 8, auf die persönliche Enttäuschung Mendes da Costas zurück, als er mit seinem Wunsch, in die schwedische Akademie der Wissenschaften aufgenommen zu werden, von Linné abgelehnt wurde.

3. FORSCHUNG

»Erst wenn man die Oberfläche der Dinge kennengelernt hat – schließt er –, kann man sich aufmachen, um herauszufinden, was darunter sein mag. Doch die Oberfläche der Dinge ist unendlich.«1

Naturgeschichtliche Sammlungen waren nicht allein Orte der Begegnung, der Kommunikation, des Konsums oder des Austauschs: Sie waren gleichermaßen Stätten der Forschung wie der wissenschaftlichen Erkenntnis. In ihnen wurden traditionelle Wissensbestände auf der Grundlage klassifizierender und detaillierter Untersuchungen einer Revision unterzogen. Es ist daher kein Zufall, daß das 17. Jahrhundert die Rolle der Sammlungen vor allem im Kontext einer neuen, von Francis Bacon hergeleiteten kritischen Empirie neu definierte: Zu den Schauräumen der Wunderkammern kamen die wissenschaftlichen Laboratorien hinzu.2 Die Sammlungen machten das Buch der Natur lesbar, und dies geschah vor allem vor dem Hintergrund kommunikativer und theoretischer Bezugssysteme, von dem aus der Blick auf die versammelten Objekte immer wieder neu unter- nommen wurde.3 Das gilt in besonderem Maße für das 18. Jahrhundert, das die zuvor gewonnene, theoretisch fundierte Distanz zur Natur im Rahmen enzyklo- pädischer und systematischer Geschäftigkeit in einen gut funktionierenden wis- senschaftlichen Betrieb überführte. So bewegten sich die von den Sammlungen ausgehenden Forschungen zwischen einer empirisch fundierten Enzyklopädie und dem Blick auf die Details der einzelnen Objekte. Die Methoden der Betrachtung verfeinerten sich: Nicht nur die äußeren Merkmale wurden berücksichtigt, sondern auch die innere Struktur der einzelnen Objekte gewann zunehmend an Bedeutung. Der schöne Schein der Oberflächen, das Spiel der durch die Außen- ansicht der Objekte vermittelten Bezüge von Kunst und Natur wich einem kriti- scheren Blick auf die innere Beschaffenheit des gesammelten Materials. Fixpunk- te dieser Bemühungen waren etwa die Kataloge, in denen die Gegenstände der Sammlung aus einer räumlichen in eine schriftliche Disposition übersetzt und aus

1 Italo CALVINO, Herr Palomar, München 1985 (ital. 1983), S. 68. 2 Siehe BEDINI, Evolution, S. 29, LATOUR, Science, S. 152–244, und SHAPIN, Truth, S. 355– 407. 3 »The experiments and medicines produced in the museum transformed it into a laboratory in which collectors gradually came to see the testing, dissection, and distillation of nature as one of their primary goals, as important to the reconstitution of natural history as their textual emendations and classifying projects.« FINDLEN, Nature, S. 154. 218 Forschung dem inszenatorischen Rahmen der Sammlung herausgehoben wurden. Auch Anweisungen und Fragebögen zur Beschaffung des Sammlungsmaterials zeugen, zwischen der Präsenz vor Ort und der Verfügbarkeit in Texten und Abbildungen, von einer durchgreifenden Neuorganisation und Systematisierung der mit den Sammlungen verbundenen Forschungen. Allgemein läßt sich sagen, daß zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht nur die tradierten Wissensbestände einer kritischen Revision unterzogen werden, sondern auch für die auf ihnen basierenden und bisher bestehenden Sammlungsräume nach Alternativen gesucht wird. Diesem Sammlungsraum und den mit ihm ver- bundenen wissenschaftlichen Praktiken gelten die folgenden Überlegungen.

3.1 Katalogisieren

Unter dem Titel Musaeum Clausum, or Bibliotheca Abscondita (1683) findet sich aus der Feder des englischen Arztes Sir Thomas Browne ein Sammlungskatalog mit so seltsamen Stücken wie ein vom römischen Arzt Scribonius Largus verfaßtes altenglisches Kräuterbuch, ein Bild mit einem auf einem Seil tanzenden Elefanten oder von Linschoten beschriebene Hörner, die wie Pflanzen aus dem Boden wachsen.4 Obwohl eine fiktive Zusammenstellung, ist der Katalog nicht weit ent- fernt von vielen zeitgenössischen Sammlungsbeschreibungen, die er, die Parodie auf die Spitze treibend, im Vorwort zitiert.5 Doch verdankt sich bei näherem Hinsehen diese Wirkung auch der Art und Weise, in der die verschiedenen Ob- jekte verzeichnet werden. Unterschieden nach den Bereichen Bücher, Bilder und kuriose Objekte stehen die einzelnen Einträge ohne tiefergehende Systematisie- rung nur in sehr oberflächlichem Zusammenhang zueinander. Brownes satiri- scher Katalog lotet auf diese Weise den Begriff der Kuriosität im Hinblick auf Fälschung, Erfindung und Einmaligkeit aus. Die Objekte bewegen sich damit auf der Grenze zwischen literarischer Erfindung und realem Bezug und stehen als Vexierbilder zwischen der Welt der artificialia und naturalia: »Stones of strange and illegible Inscriptions, found about the great ruines which Vincent le Blanc describeth about Cephala in Africa, where he opinion’d that the Hebrews raised some Buildings of old, and that Solomon brought from there- about a good part of his Gold.«6

Daß hier die Sammlungen und ihre Kataloge zum Gegenstand einer Parodie werden, verweist nicht nur darauf, daß die Raritäten- und Wunderkammern gegen Ende des Jahrhunderts zunehmend fragwürdig erscheinen, sondern auch

4 Siehe Thomas BROWNE, The Miscellaneous Writings of Sir Thomas Browne, hrsg. von Geoffrey Keynes, London 1931, S. 131, 136, 141. 5 »There are many Collections of this kind in Europe. And, besides the printed accounts of the Musaeum Aldrovandi, Calceolarianum, Moscardi, Wormianum […] and many more are of sin- gular note.« Ebenda, S. 131. 6 Ebenda, S. 140. auf eine grundsätzliche Trennung von Beschreibung und Objekt, von Text und Sammlung. Denn da, wo die Beschreibungen nicht mehr auf ihren Gegenstand in Form gesammelter Objekte rekurrieren konnten, wurden sie Teil fiktiver Text- welten und damit in gewisser Weise Teil jener Gerüchteküche, die, noch wenige Jahrhunderte zuvor, Berichte von Kopffüßern und kopflosen Menschen – etwa in den fiktiven Reisen John Mandevilles – durchaus glaubhaft erscheinen ließ.7 Losgelöst von den wirklichen Objekten tritt im Zerrbild des Musaeum Clausum die anthropologische Dimension der Sammlung als Ort von Neugier, Erfahrung und Geschichten nur um so deutlicher hervor. Überdies ist die Zielrichtung der Brownschen Schrift durchaus erkenntniskri- tisch zu verstehen und liegt im weiteren Sinne ganz auf der Linie seiner enzy- klopädischen Schrift mit dem Titel Pseudodoxia Epidemica, in der er sich mit den seit der Antike tradierten fehlerhaften Urteilen in der Naturgeschichte auseinan- dersetzt.8 Das Musaeum Clausum wie die Pseudodoxia Epidemica zeigen die Gefahren auf, die sowohl vom unkritischen Glauben an die Objekte als auch von einem leichtfertigen Übernehmen tradierter Meinungen ausgehen. Der Naturforscher muß sich daher immer aufs neue darum bemühen, dieses fragile Gleichgewicht zwischen der Autorität der Objekte und der Autorität der ›Schrift‹ herzustellen. Zu den Paradoxien der Naturforschung gehört, daß sie sich des Mediums von Schrift und Beschreibung bedient, um ihre Botschaften zu vermitteln. Auch der Schriftsteller und Experimentalphysiker Georg Christoph Lichtenberg nutzte knapp hundert Jahre später das aufklärerische Potential eines Katalogs der Irrtümer. Dies sowohl im Sinne der Satire, wie im Verzeichnis einer Sammlung von Gerätschaften, als auch im Geist Thomas Brownes, dessen Pseudodoxia Epidemica ihm möglicherweise die Anregung dazu gab, im Göttinger Taschenkalender eine Rubrik unter dem Titel »gemeine Irrtümer« einzurichten.9 Ging es Browne und Lichtenberg im wesentlichen darum, mit dem Blick auf das Verhältnis von Beschreibung und Objekt einer neuen und kritischen Natur- geschichte den Weg zu bahnen, so waren die Überlegungen, die der Schriftsteller und Pädagoge Karl Philipp Moritz etwa zeitgleich mit Lichtenberg anstellte, grundsätzlicherer Natur. Das Naturalienkabinett steht bei ihm metaphorisch für

7 Zu Mandeville und seinen fiktiven Welten siehe Stephen GREENBLATT, Marvellous Pos- sessions. The Wonder of the New World, Oxford 1991, S. 26–51. Greenblatt verfolgt hier jene Wechselwirkungen, die zwischen dem historischen Objekt und dessen Repräsentationen in un- terschiedlichen Textzusammenhängen bestehen. Auf ähnliche Weise betrachtet auch ARNOLD, Cabinets, S. 235, unter dem Begriff ›narrative webs‹ die Einbindung von Sammlungsobjekten, in Text und Erzählung. 8 Siehe Thomas BROWNE, Pseudodoxia Epidemica: or, Enquiries into Very many Received Tenents, and commonly Presumed Truths, in: The Works of Sir Thomas Browne, hrsg. von Charles Sayle, Bd. 1, London 1904, S. 133. Das Werk erschien erstmals 1646 und erlebte bis 1672 insgesamt fünf Auflagen. 9 Siehe Georg Christoph LICHTENBERG, Verzeichnis einer Sammlung von Gerätschaften, welche in dem Hause des Sir H. S. künftige Woche öffentlich verauktioniert werden soll, in: Ders., Schriften und Briefe, hrsg. von Wolfgang Promies, Bd. 3, S. 451–457. Der Hinweis auf den Taschenkalender findet sich im Kommentar des Herausgebers zu dieser Stelle. 220 Forschung eine Tendenz, den Fragen nach dem eigentlichen Ziel des menschlichen Daseins geschäftig-objektivistisch aus dem Wege zu gehen. Das eigentliche Ziel dieses Ordnens und Sammelns ist der Mensch, der hier – ganz im Sinne aufgeklärter Erziehung – umfassend gebildet werden soll:

»Der Mensch hat sich […] in den Objekten verloren, und die Betrachtung seines eignen subjektivistischen Daseins vernachlässigt. – Er hat sich dadurch gewöhnt, die Wissenschaften ebenfalls nur objektivisch zu betrachten, und durch diese ob- jektivische Betrachtung ist denn endlich aus der ganzen Literatur ein Naturalien- kabinett geworden, wo immer geordnet und gesammelt wird, ohne daß man je dem eigentlichen Ziele dieses immerwährenden Ordnens und Sammelns näher käme.«10 Für Moritz steht gerade die durch die Praxis des Sammelns vermittelte Objekt- lastigkeit der Erkenntnis im Vordergrund. Mehr noch als die Naturforscher Browne und Lichtenberg stellt er die Frage nach den Möglichkeiten, die Welt der Objekte mit den Bedürfnissen des Menschen zueinander in Bezug zu setzen. Beider Beziehung deutet er im Bild der Literatur als eines Naturalienkabinetts. Die Dominanz der Objekte und deren genaue Beschreibungen gehen auf Kosten ihrer Narrativität, ihrer Metaphorik und ihrer Geschichte, die allein einen Lebensbezug verbürgen könnten. Vor diesem Hintergrund verweist schon der imaginäre Katalog Brownes auf die Problematik eines jeden Sammlungskatalogs: Die in der Sammlung vorhandenen Objekte werden in ein neues Medium, das des Buches und der schriftlichen Auf- zeichnung, überführt, wobei die Aufgabe darin besteht, die Referenz zwischen Objekt und Beschreibung möglichst deutlich werden zu lassen. Der Gebrauchs- wert eines Katalogs für den Sammler hing davon ab, in welchem Maße er eine Identität zwischen den materiellen Objekten und deren Beschreibung deutlich zu machen vermochte. In diesem Sinne diente er als ein Arbeitsinstrument zur Iden- tifizierung und Ordnung der im Sammlungsraum verstreuten Objekte. Diese ›Übersetzungsleistung‹ konnte auch darin bestehen, bestimmte Aspekte der Sammlungsobjekte in den Vordergrund treten zu lassen. Das Aufzeigen von Zu- sammenhängen zwischen den Gegenständen der Sammlung, ihre Interpretation im Kontext der Naturgeschichte und die Dokumentation der Nebenumstände von Erwerb und Auffindung präsentierten den Sammlungsgegenstand in seiner ganzen Mehrdeutigkeit.11 Die Gegenstände der Sammlung konnten nicht nur vermessen und beschrieben, sondern in letzter Konsequenz auch erzählt werden. Die Möglichkeiten eines Katalogs lagen somit auf einer Linie, die zwischen den beiden

10 Karl Philipp MORITZ, Werke, hrsg. von Horst Günther, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1981, S. 227. Der Text erschien zwischen 1786 und 1788 in der von ihm herausgegeben Zeitschrift Denkwür- digkeiten zur Beförderung des Edlen und Schönen unter dem Titel Die Bibliotheken. 11 »Die Beschreibung vermittelt aber nicht allein intern zwischen der Sache und ihren Na- men, sondern auch extern zwischen ihr und ihren möglichen Benutzern oder Betrachtern. Denn für deren Vorkenntnisse oder Erfahrungen, für deren Neugierde und Schaulust bietet sie zahl- reiche Anknüpfungspunkte durch die Weise, wie sie die Sache darstellt, durch die Züge, die sie hervorhebt, durch Erwähnung dessen, was die Sache sehenswert macht.« SOMMER, Sammeln, S. 227.

Polen Deskription und Narration gezogen werden kann. Als Sammler und Naturforscher war sich Browne gerade dieser narrativen Elemente eines Samm- lungskataloges bewußt und lotete dessen Möglichkeiten mit den Mitteln der Paro- die weiter aus. Sammlungsgegenstände mußten demnach in schriftlicher Form aufbereitet wer- den, um sie in einen Kontext der Wissensverwaltung und der naturhistorischen Erkenntnis zu stellen. Dies geschah in unterschiedlichen Formen und Textgattun- gen: Journale standen neben Notizbüchern, Fragebögen neben auf Zettel gekrit- zelten Notizen, speziellen Gebieten gewidmete Naturgeschichten neben biogra- phischen Aufzeichnungen und Reiseberichten. Die Transformation der Objekte in den Zusammenhang eines fortlaufenden Textes ist allgegenwärtig. Hinzu kamen die Bilder. Auch sie hielten als Medien die Bestände einer Sammlung für einen weiteren Kreis an Interessenten verfügbar und konnten darüber hinaus be- anspruchen, noch über den Zerfall der Objekte hinweg diese für die Nachwelt festzuhalten. Eine weitere Leistung der Kataloge bestand darin, die Objekte im Medium des gedruckten Buches oder handschriftlicher Aufzeichnungen inner- halb der gelehrten Netzwerke verfügbar zu halten. Kataloge boten nicht nur eine Referenzinstanz innerhalb der Sammlung, sondern wiesen auch über diese hin- aus, indem sie als Kommunikationsmedium den direkten Vergleich zwischen weit entfernt liegenden Sammlungsbeständen erlaubten. Der Blick auf die Kataloge ermöglicht indirekt auch einen Blick auf die Praxis des Sammelns selbst. Die Anordnung der Objekte in den Regalen, Schränken und Schubläden ist einem ständigen Wandel unterworfen: Objekte werden zum Vergleich in Reihen zusammengestellt und hervorgeholt oder aber – als Einzel- stücke oder Duplikate – für den Austausch mit befreundeten Sammlern bereitge- halten. In dieser sich verändernden Welt der Objekte war der Katalog eine Art Fixpunkt, der sowohl beschreibend auf die Objekte verwies als auch systema- tisierend von ihnen abstrahierte. John Evelyn weist anläßlich eines Besuches bei Sloane im Jahr 1691 auf die enge Nachbarschaft von Naturalien und die sie wei- ter dokumentierenden Schriften hin: »The Jamaica pepper in branch, leaves, flowers, fruits &c: [which] with his Journal, & other Philosophical & naturall discourses & observations is indeede very extraordinary and Copious, sufficient to furnish an excellent History of that Island«.12 Kataloge sind dann später oft das einzige Zeugnis einer im Laufe der Zeit unter- gegangenen Sammlung, doch wäre es eine Täuschung zu glauben, daß sie ein ori- ginales Bild des historischen Bestandes und dessen Anordnung vermitteln könn- ten. Sie waren das Ergebnis eines längeren Arbeitsprozesses, in dem die Sammlungsobjekte und deren Beschreibung ständig wechselseitig aufeinander bezogen wurden. Im Nachfolgenden soll die ›Textgattung‹ Katalog im Hinblick auf Objektrefe- renz, Narrativität und Medialität näher untersucht werden. Dabei wird deutlich,

12 John EVELYN, Diaries, hrsg. von Gavin de Beer, Bd. 1, Oxford 1959, S. 936 f. 222 Forschung daß eine eindeutige Bestimmung dieser Gattung nicht möglich ist. Listen, in de- nen die Sammlungsgegenstände einzeln verzeichnet wurden, finden sich ebenso, wie etwa bestimmten Themen gewidmete Naturgeschichten, die auf verschiedene Weise auf die Sammlungen naturhistorischer Objekte rekurrierten. Kataloge – zumal handschriftliche – waren damit ebenso Arbeitsinstrumente inmitten der von ihnen beschriebenen Gegenstände wie eigenständige, nach außen wirkende Repräsentanten der Sammlungen. Ihr Ziel war es daher letztlich, die Sammlung in einen kommunikativen Zusammenhang zu bringen: sei es für ein wissenschaft- liches Fachpublikum oder erzählend als Medium populären naturgeschichtlichen Interesses.

Naturgeschichte im Katalog Die Naturgeschichte des frühen 18. Jahrhunderts war ihrem Wesen nach de- skriptiv. Die seit der Antike bestehenden Muster dieses Faches – etwa die Be- schreibungen eines Aristoteles, Plinius oder Dioscorides – widmeten sich der äußeren Erscheinung der Natur in all ihren Formen und versuchten auf ihrer Basis Zusammenhänge im Sinne einer Systematik herzustellen.13 Diese im Kern empirische Grundhaltung erfuhr mit den theoretischen Überlegungen Bacons zu Beginn des 17. Jahrhunderts einen erneuten Anstoß in Richtung auf eine kritische Bestandsaufnahme des bisher beobachteten und in der Literatur dargelegten Wissens. Unter dem Stichwort ›false judgment of things‹ hatte auch Thomas Browne in seiner schon erwähnten Pseudodoxia Epidemica – ganz in der Nachfolge Bacons stehend – sich einer Aufarbeitung dieser Traditionsbestände gewidmet.14 Die Sammlung ist dabei der komplementäre Bezugspunkt und die Referenzin- stanz einer jeden Naturgeschichte. An ihren Objekten – den Naturalien – lassen sich immer wieder erneut Beobachtungen anstellen und Zusammenhänge im äußeren Erscheinungsbild aufzeigen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Text- gattung Naturgeschichte als fortlaufender Kommentar zur Naturaliensammlung, indem deren Objekte durch die Einordnung in die Tradition bisheriger Beschrei- bungen und durch Hinzufügung neuer Beobachtungen Teil eines auf Wissens- erweiterung ausgerichteten Forschungsprozesses werden. Das übergeordnete Strukturprinzip ist dabei der Katalog, der die am Objekt vorgenommenen Einzelbeobachtungen systematisch zusammenfügt. In seiner einfachen Form dient er als Register oder Index zur Orientierung in der Samm- lung selbst. In komplexeren Formen findet sich in ihm das ganze Geflecht von Literaturverweisen, Einzelbeobachtungen und Forschungen, in denen die Objek- te kontextualisiert werden. Hinzu kommt als weiteres wesentliches Merkmal, daß

13 Siehe Phillip R. SLOAN, Natural History 1670–1802, in: R. C. OLBY/G. N. CANTOR/J. R. R. CHRISTIE/M. J. S. HODGE (Hrsg.), Companion to the history of modern science, London 1990, S. 295–313, und Thomas L. HANKINS, Science and the Enlightenment, Cambridge 1985, S. 145–157. 14 Siehe BROWNE, Works, Bd. 1, S. 133. ein Katalog niemals abgeschlossen ist; er ist durch neues Material erweiterbar und in seinen Beständen beliebig in spezielleren Kontexten – so etwa einzelnen Themen gewidmeten Naturgeschichten – verwendbar. In dieser Hinsicht er- scheinen die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts publizierten Naturgeschich- ten bzw. Natural Histories als erweiterte Kataloge naturgeschichtlicher Sammlun- gen. Zum einen tragen sie das in den Sammlungen vorhandene Material vor das Forum einer wissenschaftlichen oder populären Öffentlichkeit, zum anderen zeigt sich in ihnen aber der originäre Wunsch ihrer Verfasser, über die Dokumentation des in ihren Sammlungen vorhandenen Materials hinauszugehen und zu einer spezialisierten Darstellung zu gelangen. Die beschriebenen Gegenstände le- gitimieren sich nicht allein im Rekurs auf die Sammlungen, sondern werden über die Naturgeschichten als ein originärer Beitrag zur Forschung begriffen, der sich von der ursprünglichen Technik der aneinanderreihenden Katalogisierung immer weiter entfernt. So kann Robert Plots Natural History of Oxfordshire aus dem Jahr 1676 als eines der ersten Beispiele einer systematischen Lokalgeschichte auf der Basis eines Ka- talogs gewertet werden.15 Bevor Plot in späteren Jahren in der Zusammenarbeit mit Edward Lhwyd die Leitung des neugegründeten Ashmolean Museum in Oxford übernahm, lieferte er in diesem Werk eine genaue Beschreibung der Graf- schaft Oxford. Dabei beschränkte er sich keineswegs allein auf die Naturgeschich- te im engeren Sinne. Im Gegenteil: Sein Ziel war es, die Merkwürdigkeiten dieses Landstriches möglichst umfassend zu dokumentieren. So gab er sich im Vorwort Rechenschaft über diese Unternehmung: »And therefore I shall consider, first, Natural Things, such as either she [nature, St. S.] hath retained the same from the beginning, or freely produces in her ordinary course; as Animals, Plants, and the universal furniture of the World. Secondly, her extravagancies and defects, occasioned either by the exuberancy of matter, or obstinancy of impediments, as in Monsters. And then lastly, as she is restrained, forced, fashioned, or determined, by Artificial Operations. All which, without absurdity, may fall under the general notation of a Natural History, things of Art (as the Lord Bacon well observeth) not differing from those of Nature in form and essence, but in the efficient only.«16 Dieses Baconsche Programm einer Erfassung der Natur in ihren regelmäßigen und abweichenden Formen sowie die Einbeziehung von Kunst und Architektur stellt das Unternehmen in den Zusammenhang der aufs Seltene und Merkwürdi- ge ausgerichteten Naturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Freilich wurde das Ku- riose hier in den Rahmen einer Unterscheidung zwischen dem Wunderbaren, das außerhalb der Gesetzmäßigkeiten einer schaffenden Natur stand, und dem Geordneten, dessen Bauprinzipien sich dem menschlichen Verstand erschließen

15 Siehe Robert PLOT, Natural History of Oxfordshire, London 1676. Weiteres zu diesem Autor bei Robert S. MENDYK, Robert Plot: Britain’s ›Genial Father of County Natural Histories‹, in: Notes and Records of the Royal Society London 39 (1984/85), S. 159–177. 16 PLOT, Oxfordshire, S. [3]. 224 Forschung konnten, gesetzt.17 Der Katalog bildet das übergreifende Modell zur Beschrei- bung einer ganzen Grafschaft, mit ihren natürlichen und von Menschenhand geschaffenen Merkwürdigkeiten. Dieser weite Begriff von ›Natural Things‹ sollte sich erst im 18. Jahrhundert weiter verengen. Hier bildete er noch die Grundlage zu einer weitgespannten Bestandsaufnahme und Dokumentation im Rahmen einer Naturgeschichte. Dennoch handelt es sich keineswegs um eine ungeordnete, unsystematische Ansammlung von Kuriositäten. Das Leitprinzip dieser Art von Naturgeschichte ist der Katalog, genauer: die Katalogisierung. Wie die Karte ein zweidimensiona- les Modell eines bestimmten Landschaftsabschnitts zeichnet und es dem Betrachter ermöglicht, sich im Raum zu orientieren, so vermittelt die Natur- geschichte in ihrer Zusammenschau unterschiedlichster Objekte und Be- schreibungen eine Art kartographische Aufnahme eines lokal begrenzten Rau- mes. Die hier vorherrschende Methode ist die der Addition. Das Buch ist in einzelne Abschnitte gegliedert, von denen jeder für sich ein bestimmtes Thema aus der Naturgeschichte der Gegend vorstellt: Einem Kapitel über Himmel und Luft folgen solche über Wasser, Erden, Steine, Fossilien, Pflanzen, Monstren (brutes), Männer, Frauen, Kunstwerke, Maschinen (arts) und Altertümer. Ein ganzer Landstrich wird hier nach Schubladen geordnet und damit gewissermaßen als Schatzkästlein dem naturhistorisch interessierten Leser vor Augen gestellt. Die Einzelbeobachtungen sind ebenfalls eingebettet in eine Vielzahl von Di- gressionen, die nicht nur die einzelnen Objekte beschreibend vorstellen, sondern von ihnen ausgehend weitere Geschichten erzählen, wie etwa die ihrer Entdek- kung oder mit ihnen verbundener genauerer Untersuchungen. Am Beispiel der Beschreibung von Erdarten läßt sich dies zeigen: »Of colour it is extreamly white, of little taft, and less smell; lying in veins in a yellowish clay, like a medulla about the bigness of ones wrist: taken out with a knife, it falls into a fine powder, somwhat gritty, but of so very great a weight, that its double at least to any other earth of its bulk«.18 Aber Plot bleibt nicht bei Beschreibungen dieser Art stehen. Die Erdarten hatte er auf dem Landsitz eines gewissen Sir Thomas Pennyston entdeckt. Er berichtet von Versuchen, die er gemeinsam mit ihm in dessen Labor angestellt hat, um die genaue Beschaffenheit und das Gewicht dieser Substanz zu ermitteln.19 Viele der Beobachtungen, die Plot in Oxfordshire zusammengetragen hatte, waren so an einen bestimmten Ort gebunden und nicht herauszulösen aus einem Erfahrungszusammenhang, der dem Leser seines Buches glaubwürdig vermittelt werden mußte. Auch hatte Plot viele seiner Funde in einer eigenen Sammlung

17 Siehe DASTON/PARK, Wonders, und Lorraine DASTON, Baconian Facts, Academic Civil- ity, and the Prehistory of Objectivity, in: Allan MEGILL (Hrsg.), Rethinking objectivity, Durham 1994, S. 37–63, und WHITAKER, Curiosity, S. 82 f. 18 PLOT, Oxfordshire, S. 67. 19 »We tryed it also at Conwell, in Sir Thomas Pennyston’s Laboratory, because of its weight with divers fluxing salts, in hopes of some kind of metalline substance, but all, as before, to little purpose. So that I cannot tell what to divine it should be.« Ebenda. untergebracht oder, wo dies nicht möglich war, Abbildungen von ihnen zusam- mengetragen. Im Vorwort seiner Natural History of Oxfordshire thematisiert er des- halb die enge Verbindung zwischen lokalem Bezug der Objekte und der Zeugen- schaft des Forschers: »But for such things as are inseparable from their places, they remain to be seen as in the History directed, there being nothing here mention’d, but what either the Autor has seen himself, or has reiceived unquestionable testimony for it, which for the most part, if not alwayes, the Reader will find cited.«20 Für einen Teil der von ihm beschriebenen Objekte galt nicht jene unmittelbare Präsenz im Sammlungsraum, die den kritischen Besucher zu einem direkten Ver- gleich zwischen ihnen und einer Beschreibung herausforderte. Die Glaubwürdig- keit dieser Objekte und ihre ›Autorität‹ vor dem Forum wissenschaftlicher Kritik mußte deshalb auf andere Weise ermöglicht werden. Es war nötig, alternative Strategien der Autoritätsbildung zu entwerfen, um die Glaubwürdigkeit des Be- obachteten sicherzustellen.21 Der Katalog von Funden erscheint hier in weiteren Zusammenhängen, bei denen es nicht allein auf die Beschreibung ihrer Beschaf- fenheit ankommt, sondern auch auf die Umstände, unter denen sie untersucht wurden, und die Personen, die jeweils daran beteiligt waren. Aus einer Aufzeich- nung wird ein Erlebnisbericht, der aus individueller Perspektive von der Begeg- nung mit bemerkenswerten Dingen berichtet und damit zugleich Hinweise für den Leser bereithält, die Orte selbst aufzusuchen. Die Naturgeschichte Plots nimmt ihren Ausgangspunkt von einer Einteilung der Objekte und interessanten Vorkommnisse – Menschen, Klima, Geschichte – und erweitert die Aufzählung hin zu einer Vielzahl von Geschichten. Um dem umfassenden Anspruch einer Lokalgeschichte Oxfordshires zu genügen, müssen auch die Objekte berücksich- tigt werden, die nicht im Rahmen einer Sammlung aufbewahrt und katalogisiert werden können. Plots Naturgeschichte geht damit über die Eindimensionalität des Katalogs im Sinne einer wechselseitigen Referenz auf die Objekte der Sammlung hinaus und bedient sich einer im Kern rhetorischen und narrativen Über- zeugungsstrategie. Ganz nach dem Vorbild Plots unternahm noch 35 Jahre später John Morton den Versuch einer Lokalgeschichte von Northamptonshire.22 Doch die aus dem narrativen Prinzip Plots resultierende ›Disziplinlosigkeit‹, das Unterlaufen der Sy- stematik durch Digression, weicht hier einer zunehmenden Systematisierung. So beruft Morton sich auf die systematischen Bemühungen seines Vorgängers John Ray und rechtfertigt seine Unternehmung mit dem Hinweis, die in dessen Kata- logen nicht zu findenden Pflanzenarten ergänzen zu wollen.23 Das gilt auch für die unter der Rubrik ›Monstra‹ zusammengefaßten Objekte. Es handelt sich bei

20 PLOT, Oxfordshire (To the Reader). 21 Zum Thema Zeugenschaft und den damit verbundenen Legitimationsstrategien in der Früh- phase der Royal Society siehe SHAPIN, Truth, S. 193–242. 22 Siehe John MORTON, The Natural History of Northamptonshire …, London 1712. 23 Siehe ebenda, S. 360. 226 Forschung ihnen weniger um staunenerregende Abweichungen vom gewohnten Anblick der Natur, sondern vielmehr um nicht beschriebene, merkwürdige und in der Literatur nicht erfaßte Vorkommnisse und Objekte.24 Demnach wird die von Plot vorgeprägte Form einer katalogisierenden Einteilung eines lokal beschränk- ten Feldes beibehalten. Die insgesamt zehn Kapitel weichen nur unwesentlich von der Gliederung seines Vorgängers ab.25 Eine Naturgeschichte in katalogisierter Form stellt die Natural History von Thomas Pope Blount aus dem Jahr 1693 dar.26 Doch anders als Plot und Morton hat er die Objekte weder selbst gesammelt noch beschrieben. Blount trug statt dessen Stellen aus verschiedenen naturgeschichtlichen Autoren unter jeweils verschiedenen Stichworten zusammen. So finden sich Einträge zu Zukker, Tee und Tabak ebenso wie Ausführungen zu bemerkenswerten Bäumen, Vulkanismus, Erdbeben und Stürmen. Der Autor spekulierte dabei, wie er im Vorwort zugab, gezielt auf das Interesse derjenigen, die nicht in der Lage waren, sich teure Natural Histories anzuschaffen und nur wenig Zeit hatten, sie in Gänze zu lesen.27 Was diese populäre Form einer kompilierten Naturgeschichte bemerkenswert macht, ist die Technik, naturgeschichtliche Beobachtungen und Beschreibungen ohne jeden systematischen Anspruch zu präsentieren. Die Einträge sind kleine Monographien zu bestimmten Themen, ohne daß der Kompilator sich dabei der Mühe unterzogen hätte, die von ihm zitierte Literatur kritisch zu hinterfragen. Zum Stichwort ›Bernstein‹ zitiert er aus der Cosmographia des Peter Heylin: »Peter Heylin affirms, that AMBER ist the juice of a stone, which grows like a coral in Poland, in the mountain of the North-Sea […] He likewise affirms, that being taken out of the water it hardens like Coral: And that […] it is good for stopping the Blood, all kind of Agues, Falling-Sickness, dropsies, Stone, Collick, Weakness of Stomach, Head Ach, and the Yellow Jaundice.«28

Die Referenz dieses Katalogs sind nicht die in der Sammlung präsenten Objekte, sondern das traditionelle Wissen über sie, das dem neugierigen Leser einen Zugang zu ihnen ermöglicht. Auf diese Weise werden die Überschriften zu unspezifischen Gattungsnamen, die erläuternden Texte zu einem Kompendium verschiedener Objekte und Materialien. Nicht von ungefähr nehmen Verzeichnisse dieser Art das Thema einer Sammlung als ›Materialkammer‹ auf.29 Naturgeschichten wie die von Blount stehen am Ende eines Prozesses der Aufbereitung und Textualisierung –

24 Siehe ebenda, S. 408. 25 Es handelt sich um: »Earths«, »Stones«, »Sea Shells«, »Waters«, »Air and Heavens«, »Plants«, »Brute Animals«, »Humane Bodies«, »Arts« und »Antiquities«. 26 Siehe Thomas Pope BLOUNT, A Natural History: Containing Many not Common Obser- vations: Extracted out of the best Modern Writers, London 1693. 27 »So that my chief Design is, that by the help of such a Vade Mecum, Gentlemen may en- tertain themselves upon these following Subjects, without too great an Expence either of Time, or Money.« Ebenda, (Preface). 28 Ebenda, S. 10 f. 29 Siehe oben, S. 185.

Resonanzen im Sinne von Greenblatt30 – in deren Verlauf die individuellen Sammlungsobjekte zu einem allgemeinen Wissen sedimentieren. Dazu gehört auch, daß jeder Rest einer wie immer gearteten Systematisierung und Ordnung unter Hinweis auf eine real vorhandene Sammlung verschwunden ist; die Referenz auf bestimmte Sammlungsobjekte fehlt hier völlig. Der Leser sucht im Alphabet der Stichworte die Objekte seines Interesses gezielt aus. So waren die Grenzen zwischen beschreibendem Katalog und beschreibender Naturgeschichte fließend. Natural Histories wiesen immer wieder auf die Samm- lungen zurück, wie diese immer wieder die Grundlage für erweiterte Beschreibung boten. Doch bestand die Möglichkeit, naturgeschichtliche Kataloge in direkter Anbindung an eine Sammlung zu veröffentlichen. Ab 1695 gab James Petiver in einzelnen Lieferungen das Museum Petiverianum heraus, dem ab 1702 eine weitere Sammlungsbeschreibung, das Gazophylacium Naturae et Artis, folgte (Abb. 15).31 John Woodward hatte noch kurz vor seinem Tod das umfangreiche Material seiner Sammlungen in einem ersten Band, dem nach seinem Tod weitere folgen sollten, herausgebracht und damit eine solide Materialgrundlage für das Studium englischer Fossilien geliefert. Auf ähnliche Weise stellt der Thesaurus von Albert Seba in seiner Kombination von Text und Bild eine Übersicht über die Bestände seiner Amsterdamer Sammlung dar. Kataloge dieser Art sind ganz auf den sie definierenden Rahmen der Sammlung beschränkt und beanspruchen nicht, wei- teres Material im Sinne einer größeren Vollständigkeit heranzuziehen oder die Objekte in allgemeiner Form in den Kontext naturgeschichtlichen Wissens ein- zuordnen: Sammlungsbestand und Beschreibung sind hier weitgehend kongruent. Sie dokumentieren deshalb im Kern die individuelle Sammlerleistung des Besitzers und tragen auf diese Weise zu dessen Ansehen innerhalb der Scientific Community bei. So bemerkte Seba 1731 im Vorwort zum ersten Band seines Thesaurus, daß er nur in Ausnahmefällen auf die Objekte in anderen Sammlungen zurückgegriffen habe: Der Verweis auf fremde Sammlungsbestände mochte im Dienst wissenschaftlicher Vollständigkeit angemessen sein, stellte aber zugleich den eigenen Sammlungsbestand in seiner Integrität und Individualität in Frage.32 Dieser alleinige Bezug auf die Bestände der eigenen Sammlung spielte in den älteren Natural Histories von Plot und Morton eine weit weniger wichtige Rolle. Gewandelt hat sich der Bezug auf die Sammlung und die Rolle des Kataloges.

30 Siehe oben, S. 13. 31 Siehe John PETIVER, Musei Petiveriani centuria prima, London 1695, und ders., Gazo- phylacii Naturae & Artis in qua animalia, Quadrupeda, Aves, Pisces, Reptilia, Insecta. Descrip- tionibus brevibus & Iconibus illustrantur …, London 1702. 32 »L’Ouvrage dont je publie maintenant le premier Tome, est un échantillon de ce que j’ai dit, car je ne veux pas qu’ on le regarde autrement que comme un échatillon. Les Curieux ne ver- ront dans cet Ouvrage que les Raretés que je possede en propre, à l’exeption d’un trés-petit nombre empruntées d’ailleurs, et dont je parle toujours de telle maniere, que j’indique en même tems les Cabinets d’ou je les ai prises.« Albert SEBA, Locupletissimi Rerum Naturalium Thesauri Accurata De- scriptio, et Iconibus Artificiosissimis Expressio, per Universam Physices Historiam Opus, Bd. 1, Amsterdam 1731, S. 4 (Hervorhebung St. S.). 228 Forschung

Abb. 15: Seeigel, Pflanzen, Echse, Korallen aus James Petivers Musei Petiveriani centuria prima (1695). Kupferstich.

Die Kataloge von Petiver, Woodward und Seba beanspruchen nicht, ein voll- ständiges Bild der Naturgeschichte einer bestimmten Region zu geben. Sie refe- rieren auf ihre Sammlungen selbst und geben auf diese Weise einen begrenzten Ausschnitt aus einer allgemeinen Naturgeschichte wieder. Trotz dieser Abgrenzung einzelner Sammlungsbestände diente deren Präsenta- tion im Katalog dazu, die Sammlungen untereinander abzugleichen und damit verbundene Forschungsergebnisse zu kommunizieren. Petivers Praxis, Teilkatalo- ge in kurzen Abständen zu veröffentlichen, war eben nicht nur dem Geltungs- bedürfnis des Sammlers geschuldet, sondern auch dem Wunsch, vor dem Forum der Wissenschaft Neues zu präsentieren. Es drängt sich hier das Bild einer Lose- blattsammlung auf, die, in regelmäßigen Abständen aktualisiert, es dem Benutzer ermöglicht, sich immer über den neuesten Stand der Forschung zu orientieren.

Vernetzte Kataloge Diente der Katalog in seiner ursprünglichen Form dazu, Sammlungen intern zu organisieren, so wird dieses Prinzip im Medium der naturgeschichtlichen Pu- blikationen in umfassendem Maße kontextualisiert. Der Katalog weist über die Sammlung hinaus, indem er sie in den Gesamtzusammenhang umfassender For- schungsbemühungen auf dem Gebiet der Naturgeschichte stellt. Über den Kata- log wird die jeweilige Sammlung mit anderen Sammlungen vernetzt. Sloanes zweibändige, zwischen 1707 und 1725 erschienene Voyage to Jamaica ist eng verwoben mit seiner lebenslangen Tätigkeit als Sammler und Naturforscher und weist zugleich zurück auf seine Erfahrungen während einer Reise nach West- indien in den Jahren 1687 bis 1689. Nach seiner Rückkehr nach London begann er damit, das dort gesammelte Material auszuwerten: Zunächst erschienen einige Aufsätze in den Transactions und 1696 dann der Catalogus Plantarum, in dem er erst- mals Beschreibungen neuer, bislang unbekannter Pflanzen im Zusammenhang veröffentlichte. Seine damalige Praxis als Arzt und nebenher die anspruchsvolle Tätigkeit als Sekretär und Herausgeber der Transactions ließen jedoch nur wenig Zeit für eine ausführlichere Beschäftigung mit dem Material. Doch wuchsen nebenher seine eigenen Bestände durch den Zukauf weiterer Sammlungen – so etwa die von William Courten 1702 und die seines Freundes James Petiver 1718 – weiter an, was schließlich eine Aufarbeitung des Materials in Form umfangreicher Kataloge notwendig machte.33 Obwohl immer wieder Freunde und Korrespondenten ihn dazu drängten, endlich eine Beschreibung seiner Sammlung vorzulegen, waren deren Bestände zu groß, als daß ein solches Unternehmen realistisch gewesen wäre. Wie umfassend diese Bestände tatsächlich waren, spiegelt sich in dem auf insgesamt 31 Bände sich erstreckenden handschriftlichen Katalog, der jedes der erworbenen Stücke einzeln erfaßt.34 Die in ihm enthaltenen Informationen stellen einen wahren Steinbruch zur Naturgeschichte dar und es hätte erheblicher Anstrengungen bedurft, diese Fülle an Material für einen Druck vorzubereiten. So

33 Siehe DANDY, Herbarium. 34 Siehe: Sir Hans Sloane’s Catalogues, in: Arthur MACGREGOR (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Col- lector, Scientist, Antiquary, Founding Father of the British Museum, London 1994, S. 291– 294. 230 Forschung ist die als einziges größeres Werk von Sloane publizierte Voyage ein Teil dieses letztlich nicht verwirklichten Gesamtunternehmens. Sie geht zudem in ihrer Ver- bindung von Reisebericht, präziser Beschreibung und naturgeschichtlichem Kom- mentar weit über das Grundgerüst eines bloßen Kataloges hinaus. Auch der Catalogus von 1696 hatte, indem er sich ausschließlich auf die Pflan- zen konzentrierte, nur einen Teil des damals vorhandenen Materials präsentiert. Er stellt in vieler Hinsicht so etwas wie eine Vorstufe und Abbreviatur der spä- teren Naturgeschichte Jamaikas dar. Im Vorwort zum ersten Band der Voyage be- zeichnete Sloane den Catalogus als eine Art Index, der es dem Benutzer ermög- liche, Informationen über die bisher erschienene Literatur über die Pflanzen zu erhalten: »If […] any Person desires to know who has written of such or such a Plant in Jamaica, let him look into the Catalogue, and under the first Title of the Plant, he will find Citations to direct him to the Pages of most of the Books werein it is spoken of.«35 Sloane hatte in diesem Katalog die verschiedenen Namen der jamaikanischen Pflanzen durch Verweis auf andere Autoren umfassend dokumentiert. Von die- sem hohen wissenschaftlichen Anspruch weicht er jedoch in seiner Voyage ab, wo er im Vorwort bemerkt, daß die genaue Erfassung der wissenschaftlichen Li- teratur bei der Fülle des neu hinzugekommenen Materials zu aufwendig gewesen wäre. Er habe hier nur die seit Erscheinen des Catalogus neu erschienenen Autoren eingearbeitet.36 Daß er hier jedoch nicht unkritisch vorging, zeigt ein Hinweis im zweiten Band der Voyage, in dem er konstatiert, daß die aus der klas- sisch-lateinischen Tradition stammenden Namen oft genug ein Hindernis bei der Unterscheidung der verschiedenen Pflanzenarten seien. Er habe von den neueren spanischen Naturforschern und deren volkssprachlichen Bezeichnungen mehr profitiert als von den gewundenen Phrasen der auf Latein schreibenden Autoren.37 In der kritischen Auseinandersetzung mit den traditionell verbürgten Namen und deren Anwendung auf neue Arten waren der Catalogus und die später entstandene Voyage systematisch aufeinander bezogen. Es entsteht so jenes ›Netz‹ wissenschaftlicher Nomenklaturen, das das Sammlungsmaterial an die Be- schreibungen einer weit zurückreichenden wissenschaftlichen Forschung anbin- det. Ein weiteres Thema, das sich für Sloane während der Arbeit am Sammlungs- material ergab, waren Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Pflan- zen der alten und der neuen Welt. Trotz der großen räumlichen Distanz beider Regionen zueinander, so schrieb er im Vorwort zur Voyage, seien die in Jamaika

35 SLOANE, Voyage, Bd. 1, S. [7]. 36 »I have not reprinted in this Book [der Voyage, St. S.] those Names or Titles because ’twas great Labour, and is done there already, but have only added the Synonymous Names I found in such Books as are since Publish’d or come to my Hands.« Ebenda. 37 Siehe ebenda, Bd. 2, S. xiii. gefundenen Pflanzen denen in Europa in vieler Hinsicht ähnlich.38 Doch wie lassen sich die Unterschiede genau beschreiben? Handelt es sich um neue Arten oder um die altbekannten der heimischen Flora? Bei einer Antwort auf diese Frage genügte es nicht allein, sich auf seine eigenen Erfahrungen auf dem Gebiet der Botanik zu verlassen, sondern es war ebenso notwendig, die bisher erschienene Forschungsliteratur zu konsultieren: »Wenn meine Beobachtungen weniger genau wären, gäbe es Grund zur Klage. Deshalb wurden solche Zweifelsfälle [synonyma] genau geprüft, damit der Leser nicht von mir im unklaren gelassen werde, ob es sich beim einen oder anderen von mir Beobachteten mehr um Varietäten oder einfach um lusus naturae handelt.«39

Die lusus naturae, also die nicht systematisierbaren, scheinbar zufälligen Hervor- bringungen einer ›spielenden Natur‹, stellten somit den Grenzfall einer Beschrei- bung dar, die auf Ähnlichkeiten und weniger auf Unterschieden basierte.40 Abwei- chungen waren möglichst auszuschließen oder zumindest kritisch zu hinterfragen. War in diesem Fall der Bezug von Katalog und Sammlung offensichtlich – die Pflanzensammlung aus Jamaika wurde einer interessierten Öffentlichkeit in wis- senschaftlich-kritischer Form zugänglich gemacht –, lagen die Verhältnisse wäh- rend der Abfassung der Voyage anders. Die Abbreviatur des zusammenfassenden Kataloges wurde hier durch eine ausführliche Darstellung im Hinblick auf die seit dem Catalogus erschienene Literatur und eine genaue Beschreibung der Objekte er- setzt. Neben den Pflanzen wurden alle drei Reiche der Natur – Mineralien ein- schließlich Fossilien und Tiere jeder Art – berücksichtigt. Zudem widmete Sloane sich im ersten Teil des Werkes der Landeskunde, berichtete über Krankheitsfälle, Ernährungsgewohnheiten und über das Klima in den West Indies. Bei den Pflan- zenbeschreibungen ist Sloane zudem der Methode seines Freundes John Ray ver- pflichtet, mit dem Sloane bis zu dessen Tod 1705 in engem Kontakt gestanden hatte.41 Die Objekte werden hier nicht präzise taxonomisch, mit Blick auf bestimmte, standardisierte Merkmale, beschrieben, sondern vielmehr innerhalb eines narrati- ven Bezugssystems, das ihren Gebrauch, Vergleichsmaterial aus anderen Samm- lungen und die allgegenwärtigen Bibliothekserfahrungen mit einschließt. Dies läßt sich etwa am Beispiel eines Korallenfundes verdeutlichen, bei dem Sloane sich

38 »Brevi temporis spatio in hisce regionibus novis & magno intervallo ab Europa nostra diffitis, vegetabilia, mineralia, & animalia nonnulla inveni prorsus eadem quae in Europa saepissime videram & tractâram.« SLOANE, Catalogus, (Praefatio). 39 »Vel denique si meae observationes sint minus accuratae, re ira se habente, talia synonyma nota interogationis sequitur, ut sciat Lector me dubium esse, an una & eadem sit haec cum illâ à me observatâ, an verò potius ejusdem varietas, vel naturae lusus«. Ebenda. 40 Siehe unten, S. 304. 41 »I thought the greatest Judge I could advise with, in these Circumstances, was Mr. Ray, who for his Probity, Learning, Language, &c. seem’d to me the properest to advise with: I therfore waited on him, shew’d him some of the Plants, and transmitted to him my Observations on them. I desired him to correct them and add his Emendations.« SLOANE, Voyage, Bd. 1, S. [4]. 232 Forschung unter anderem auf die von ihm 1702 erworbenen Sammlungen von William Courten bezieht. In ihnen fand er Material aus Ostindien, das ihn zu dem Schluß verleitete, es handle sich trotz der großen räumlichen Distanz um die gleichen Arten. Auf dieser Grundlage mißtraute er dann auch den zahlreichen Beschrei- bungen scheinbar neuer Arten bei anderen Autoren.42 Da Sloane der Zusam- menhang zwischen den Korallentieren und den von ihnen herrührenden Kalk- ablagerungen noch nicht bekannt war, ordnete er sie unter die Gesteine ein. Die in ihnen häufig zu findenden fossilen Überreste sind dann der Ausgangspunkt, um einen vergleichenden Brückenschlag in seine englische Heimat zu wagen: »This kind of Coral is very frequently found in Quarries, and near the Surface of the Earth in several places of Europe and England. There are many varieties of it to be found growing under Water, and cast upon the Shores of the Seas adjoining to Jamaica, and the Caribe Islands. There is no difference between those to be found in Jamaica and England, excepting what may be easily accounted for, from that Fossil in England, its having lain long in the Earth whereby some of its Substance is sometimes lost, and at other times its pores and cavities are filled with earth, sparry, or flinty Matter.«43

Ausgehend von diesem Vergleich stellt er Vermutungen über die Entstehung die- ser Funde vor dem Hintergrund eines ähnlichen Klimas in beiden Regionen an. Die Funde in Europa und in den tropischen Klimazonen deuteten darauf hin, daß vor langer Zeit die Wachstumsbedingungen in beiden Gegenden ähnlich ge- wesen sein mußten, also beispielsweise in England weit höhere Temperaturen als heute geherrscht hätten.44 Auch bei der Beschreibung von Farnen geht Sloane von einheimischen Arten aus, wobei er sich zunächst einmal auf die Untersuchungen seines Freundes John Ray bezieht, um dann auf eigene Beobachtungen in Jamaika zurückzugreifen. Doch trotz aller Unterschiede sei es sehr wohl möglich, sie auf der Grundlage der seit langem vertrauten heimischen Arten einzuteilen.45 Die Vorarbeit einer Differenzierung in verschiedene Namen hatte er bereits in seinem Catalogus ge- leistet. Nun kam es darauf an, über die bloße Nomenklatur hinaus ausführlichere Beschreibungen zu liefern. Das vermeintlich sichere Netz traditionell verbürgter Artbestimmungen bekommt so unter dem Druck neuer Entdeckungen an vielen Stellen größere Löcher:

42 Siehe ebenda, S. 52. 43 Ebenda, S. 55. 44 »It is very strange that so much of this, which is only now naturally to be found growing in hot Climates, should be met with in such plenty dug up in other places of Europe and Eng- land, and that under the Surface of the arable Earth, in such plenty and manner, as if it had sometimes in former Ages naturally grown there, which must have then been not only warmer, but covered with Sea-water.« Ebenda, S. 56. 45 Siehe ebenda, S. 70.

»It is no great wonder that in so great a number of new and strange Ferns as are mentioned in my Catalogue, and described herafter, I was put to it to find words, to describe some of them.«46 Aber dort, wo die Worte fehlten, konnte der Leser der Voyage auf die zahlreichen Abbildungen zurückgreifen. Sie waren meist in natürlicher Größe angefertigt und ihre Herstellung war mit ein Grund dafür gewesen, daß sich das Erscheinen des Werks immer wieder verzögerte.47 Als Vorlage dieser aufwendigen und detaillier- ten Kupferstiche dienten Zeichnungen, die Sloane schon während seines Auf- enthalts in Jamaika hatte anfertigen lassen. So erwähnt er einen gewissen Mr. Moore, der ihn auf seinen Exkursionen begleitet und auf seine Anweisung hin mit dem Bleistift Fische, Vögel und Insekten im Bild festgehalten habe.48 Auf der Basis dieses Materials und der nach London gebrachten Vorlagen entstand dann im Laufe der Jahre der umfangreiche Korpus an Abbildungen. Ein Teil der in Jamaika gesammelten Pflanzen hielt nach der Rückkehr Sloanes Einzug in die botanischen Gärten und stand dort zu einer weiteren Untersu- chung zur Verfügung: sowohl in der näheren Umgebung Londons – bei befreun- deten Botanikern in Enfield, Fulham und Chelsea – als auch in Irland, in Leiden, in Amsterdam und in Leipzig.49 Damit war Sloanes Pflanzensammlung und de- ren Beschreibung in seiner Naturgeschichte nur ein Teil umfassender Aktivitäten auf dem Gebiet der Botanik in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sein En- gagement beim Ausbau des botanischen Gartens in Chelsea, den er zusammen mit einem benachbarten Landhaus 1725 erworben hatte und zielstrebig zu einem botanischen Forschungszentrum erweiterte, war das Gegenstück zu seiner Arbeit an der Voyage. Im Garten ließen sich die von ihm in Jamaika gesammelten Daten überprüfen und im Sinne einer fortschreitenden Forschung erweitern. Die Arbeit am Katalog war somit nur ein Teil umfassenderer Praktiken auf dem Gebiet der Naturgeschichte. Als Mediziner interessierte sich Sloane vor allem für die Wirkung einzelner, in Europa bisher unbekannter Pflanzen. Während seiner Exkursionen in Jamaika hatte er deshalb immer wieder die Einheimischen auf ihre Erfahrungen mit be- stimmten Pflanzen hin befragt. Sie konnten nicht nur Auskunft über die Namen der Pflanzen geben, sondern auch über deren medizinische Anwendung. Daher stand für ihn außer Frage, daß die Voyage das Interesse von Medizinern und Apothekern verdiente: »It may be objected, that ’tis to no purpose to any in these Parts of the World, to look after such Herbs, &c. because we never see them; I answer, that many of

46 Ebenda. 47 Einen detaillierten Einblick in die Geschichte der Herstellung eines naturgeschichtlichen Abbildungswerkes am Beispiel der Physica Sacra Johann Jacob Scheuchzers gibt Irmgard MÜSCH, Geheiligte Naturwissenschaft. Die Kupfer-Bibel des Johann Jakob Scheuchzer, Göttingen 2000, S. 37–89. Müsch weist nach, wie Scheuchzer durch Vorzeichnungen, sogenannte ›Delineatio- nen‹, am Herstellungsprozeß der Kupfertafeln unmittelbar beteiligt war. Siehe ebenda, S. 59. 48 Siehe SLOANE, Voyage, Bd. 1, S. [3]. 49 Siehe ebenda. 234 Forschung

them and their several Parts have been brought over, and are used in Medicines every day, and more may, to the great Advantage of Physicians and Patients, were People inquisitive enough to look after them.«50 Im Auge hatte er dabei nicht nur seine europäischen Fachkollegen, sondern auch all diejenigen, die diese fremden Landstriche bereisten oder sich dort – etwa als Siedler und Kolonisten – niederließen:

»The principal Design of them was, that the Inhabitants of those Places, might un- derstand what Uses the Plants they have growing Sponte or in Gardens with them, are put to in any of the Countries werever they grow, that so they may have recourse to them in Cases that require them.«51 In einem eigenen Kapitel widmet er sich den Krankheiten, denen die dortigen Siedler im tropischen Klima ausgesetzt waren.52 Auch alltägliche Gefahren, die aus der Unkenntnis der dortigen Pflanzenwelt entstehen konnten, schildert er an- schaulich. So berichtet er von einem Fall, bei dem drei Personen nach dem Ge- nuß von Rum starben. Eine Untersuchung ergab, daß das leckende Faß mit den Blättern einer unbekannten und hochgiftigen Pflanze verstopft worden war, die dann nach einiger Zeit ihre tödliche Wirkung entfalteten.53 Der Nutzen dieser Naturgeschichte ging damit weit über ein speziell wissen- schaftliches Interesse hinaus. Denn im Falle Jamaikas handelte es sich um eines der wichtigsten kolonialen Besitztümer Englands um 1700. Die englische Besied- lung begann im Jahr 1673 – also nur wenige Jahre bevor Sloane 1687 seine Reise dorthin antrat – und wurde in den folgenden Jahren durch die Einführung afri- kanischer Sklaven intensiv bewirtschaftet. Hinweise auf neue Medikamente, die Verbesserung der Anbaumethoden und neue Pflanzen konnten vor diesem Hin- tergrund von großem Nutzen sein. Erkenntnisse auf dem Gebiet der Naturge- schichte waren auf diese Weise zudem in wirtschaftlichen Gewinn umsetzbar. So war Sloane am Handel mit Fieberrinde, einer in Jamaika vorkommenden chinin- haltigen Pflanze, beteiligt und importierte zwischen 1719 und 1724 Schiffsladun- gen mit Rohrzucker.54 Auch die während des Aufenthalts in Jamaika geknüpften persönlichen Kontakte waren nicht zu unterschätzen. Viele der dort zu Reichtum gekommenen Landbesitzer spielten in der englischen Politik eine bedeutende Rolle.55 So lag eine der Wurzeln für Sloanes Aufstieg in der Londoner Gesell- schaft in den West Indies. Doch war die Publikation der Voyage nur die eine Seite seiner rastlosen Bemü- hungen um die Ordnung seiner Sammlung. Parallel hierzu lief seine Arbeit an den schon erwähnten handschriftlichen Katalogen. Spätestens um 1685 begann

50 Ebenda, S. [11]. 51 Ebenda, S. [4]. 52 Siehe ebenda, S. 91–154. 53 Siehe ebenda, Bd. 2, S. ix. 54 Siehe ALEXANDER, Sloane, S. 23. 55 Siehe Michael DUFFY, Jamaica, in: Jeremy BLACK/Roy PORTER (Hrsg.), The Penguin Dictionary of Eighteenth-Century History, London 1996, S. 367 f. er damit, Beobachtungen und später einzelne Sammlungsgegenstände in dieser Form zu verzeichnen.56 Als 1725 endlich nach achtzehn Jahren der zweite Band der Voyage erschien, faßte Sloane in seiner Einleitung die Bestände der Sammlung in einer Tabelle zusammen. Er stellte damit seine Naturgeschichte nicht nur in den Zusammenhang seiner bisherigen erfolgreichen Sammeltätigkeit, sondern lieferte mit dieser Übersicht zugleich – als Erfolgsnachweis – eine Art Entschul- digung für die lange Dauer der Niederschrift.57 Doch gleichzeitig mit dieser Sam- meltätigkeit waren in den Jahren die handschriftlichen Aufzeichnungen in den Katalogen angeschwollen. Zusammen mit den zahllosen verstreuten Notizen und kurzen Listen – dabei sei auf den umfangreichen Bibliothekskatalog nur am Ran- de verwiesen – bildeten sie das Rückgrat der Sammlung.58 In seinen handschriftlichen Notizen ging Sloane ähnlich vor wie in den ausge- arbeiteten Beschreibungen der Voyage. Doch anders als in der gedruckten End- fassung finden sich in den überlieferten Manuskripten zahllose kurze und kürze- ste Einträge, deren Funktion weniger in einer systematischen Gliederung von Beobachtungen und Materialien, als vielmehr in einer vorläufigen, enzyklopädi- schen Aufbereitung zu suchen ist. In ihnen spiegelt sich die Grundfunktion eines jeden Kataloges: der schriftliche Verweis auf die Stelle in der Sammlung als ein versichernder Beleg für die Existenz des Objektes. Aber die eigentliche Leistung des Katalogs besteht über die Referenzfunktion hinaus in den naturgeschichtli- chen Notizen, die entweder unmittelbar nach Erwerb der Naturalie oder an- schließend bei der Durcharbeitung der Sammlungsbestände niedergeschrieben wurden. Kataloge dieser Art geben daher, ähnlich wie die Briefwechsel der Samm- ler, Auskunft über die Praktiken des Erwerbs und des Umgangs mit Sammlungs- objekten wie über die damit verbundenen Transformationen von Beschreibung und Beobachtung in naturgeschichtliches Wissen. Eine Vorform der im Katalog angelegten Verzeichnisse findet sich auf über den gesamten Nachlaß hin verstreuten Notizzetteln, in denen Sloane Bemerkun- gen zu Objekten seiner Sammlung notierte. So erwähnt er etwa, daß das Fleisch einer bestimmten exotischen Vogelart bei der Behandlung epileptischer Anfälle sehr wirksam sei. Auch schreibt er über die blutstillende Wirkung der ›Wolle‹ einer unter der Bezeichnung ›Tartarian Lamb‹ bekannten Pflanze.59

56 Siehe MACGREGOR, Sloane, S. 26. 57 Siehe SLOANE, Voyage, Bd. 2. S. xii. 58 »Taken as a whole, the catalogues will not only enable us to reconstruct Sloane’s activities as a collector in the virtuoso tradition, but also to recognize him as a pioneer cataloguer who per- ceived the need to document his collections in a systematic way, and as a citizen of enlighten- ment who saw them as a type of universal Baconian natural history in museum form«. Peter Murray JONES, A preliminary check-list of Sir Hans Sloanes’s catalogues, in: British Library Jour- nal 14 (1988), S. 38–51, hier S. 38. 59 »Danus bird head from Malabar. Flesh is used for epilepsis. It is a small bird […] Wool of the Tartarian Lamb […] from Fort St. George. used to stop haemophages. Mr. Buckley used it in amputations. Stops bleeding but not with that success am pretended.« BL, Sloane 3984, fol. 272r. Zum ›Tartarian Lamb‹ als Fälschung siehe unten, S. 328–331. 236 Forschung In Sloanes großem Katalog findet sich ebenfalls dieses Neben- und Miteinan- der von kurzen Notizen, Bemerkungen und Beschreibungen, für die der Begriff der naturhistorischen Miniatur angemessen erscheint. Obwohl hier häufig Preise, Verkäufe, Erwerbsdaten und vormalige Besitzer vermerkt sind, ist er im Grunde ein Arbeitsjournal, in dem er den Fortgang seiner naturhistorischer Forschung umfassend dokumentiert. Zeigt sich schon in seiner Voyage die Tendenz zur natur- geschichtlichen Miniatur, gebändigt durch den systematischen Anspruch einer zusammenhängenden Landeskunde, so mußte sich der Verfasser in seinem Ka- talog weit weniger dieser Art von Disziplinierung unterwerfen. In einem dieser Kataloge mit dem Titel Fishes, Birds and Quadrupeds sammelte er innerhalb eines längeren Eintrags Informationen über fossile Mammutfunde in Sibirien (Abb. 16): » – 1185. A fossil elephants tooth given by the Governors Lady of Siberia to Mr. Bell a surgeon & curious traveller there. Mammiotovoi Kost. Henr. Wilh. Ludolf. gramm. Russ. p. 92. where we are told that they are Elephants teeth the relics of the deluge tho some of the Russians believe it to be the teeth of the largest animal of the earth yt. it lives underground[.] Mamano A strange sort of bone like ivory found near Jenijeiska & Mangasea of Lange travels to China. state of Russ. vol. 2. p. 15. a sort of cornu fossile Behemoth. Job. cap. 40. found in the hollows occasioned by the fall of the earth & banke of the river. The Horns jawbones & ribs of it have some hairs fresh blood & flesh sticking to them. a wohle skeleton to be gathered Mamaut of Muller. descr. Ostiacks. State of Russ. p. 50. vol. 2. ebur fossile thought to be, by some others an animal – living upon mud in the morasses, when they come to sand in wch. they lye[,] it roules so fast upon them that they cannot turn being unwilling to perish[.] said by some to have seen the animal in Beresowa find molar teeth of 20. or 24. Pounds wought. Elephants teeth of Mr. Le brun on the river Don twelve versts from Veronitz p. 411. Sd. [Said] by the Czar to come from Elephants brought by Alexander the great when he passed the Tanais to Kostinja. An unknown sort of huge bones dugg out of the earth in siberia of which the swedish prisoners turn snuff boxes. State of Russ. p. 12. part. 1.«60 Am Beginn des Eintrags vermerkt Sloane unter einer laufenden Nummer den Sammlungsgegenstand, um dann mit Notizen aus verschiedenen Reiseberichten fortzufahren. Es ist wahrscheinlich, daß diese Nummern auf Objekte vor Ort verwiesen. So sind etwa die schon erwähnten Sammlungskästen für kleinere Naturalien mit einer Vielzahl von Verweisnummern versehen (Abb. 12). Es ent- steht so ein dichtes Netz von Referenzen und kurzen Inhaltsangaben, die dann die Grundlage weiterer Arbeiten bildeten. So arbeitete er im vorliegenden Fall dieses und anderes Material aus dem Katalog in seinen 1728 in den Philosophical

60 Siehe Hans Sloane, Catalogue of Fossils, Bd. 5: ›Fishes, Birds, Quadrupeds‹, NHMP, fol. 364, Nr. 1185. Die Einteilung des Katalogs und die Bindung stammen aus neuerer Zeit. Siehe John THACKRAY, Mineral and Fossil Collections, in: Arthur MACGREGOR (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Collector, Scientist, Antiquary, Founding Father of the British Museum, London 1994, S. 123–135.

Transactions veröffentlichten Aufsatz über Elephants Teeth and Bones found under Ground ein.61 Weitere Einträge, im lockeren Verbund einer durch die Sammlungsschwer- punkte vorgegebenen oberflächlichen Systematik, sind ganz ähnlich strukturiert. Einer von ihnen dokumentiert Sloanes Interesse an einer Anatomie der Fische und ihres Hörvermögens. Er bezieht sich in diesem Fall auf Vorarbeiten von Sir Thomas Browne, dessen nachgelassene Papiere zur Naturgeschichte sich zu die-

Abb. 16: Handschriftlicher Eintrag über fossile Mammutfunde aus Hans Sloanes Catalogue of Fossils.

61 Siehe Hans SLOANE, An Account of Elephants Teeth and Bones found under Ground, in: Philosophical Transactions 35 (1728), S. 457–471, hier S. 461–466. 238 Forschung sem Zeitpunkt in seinem Besitz befanden.62 Sloane zitiert zumeist nur kurz aus der naturhistorischen Literatur, was darauf hinweist, daß viele der erwähnten Bü- cher und Schriften sich in seinem Besitz befanden. Der Katalog läßt sich damit auch als ein Arbeitsinstrument an der Schnittstelle zwischen Sammlung und Bi- bliothek begreifen. Doch nicht in allen Einträgen referiert Sloane die von ihm ausgewertete Lite- ratur. In einem Eintrag berichtet er aus eigener Erfahrung über das Verhalten einer Eidechse, die ihm von Mexiko aus zugeschickt worden war: »A large lizard said to come from Mexico. It was mostly gray wth. severall trans- verse fasciae of a brown colour with white spotts on them. It had on its tail many rings of probably protuberances. It was brought by the Elizabeth man of war from Vera Cruz, fed by the way on cockroches, come alive to England where it lived, till killed by the cold in January […] It appeared dead & stiff severall times but on being warm’d before the fire would revive & walk about.«63

Sloane verfügte sowohl an seinem ersten Wohnsitz in Bloomsbury wie später in Chelsea über einen Garten, in dem er Tiere dieser Art halten konnte. Im Gegensatz zur mexikanischen Eidechse dürfte sich ein heimischer Igel in dieser Umgebung zunächst wohlgefühlt haben. Es kennzeichnet den Naturbeobachter von hohen Graden, daß er sich diesem für ihn gewöhnlichen Tier mit der gleichen Aufmerksamkeit näherte wie den mehr exotischen Exemplaren seiner Menagerie: »A common hedge hogg brought to me from Chelsea. It fed upon milk sett out for it in the night at which time it would run about very fast it made its selfe a small hole behind a tree in wch. it lay most part of the day. It was killd by a great gray gull which took it up sevll. times by one of its prickles hold it in its bill & lett it fall wh. violence to the ground I suppose after the manner of its breaking the orchinus marinus [Seeigel, St. S.].«64 In einem anderen Katalog mit dem Titel Vegetables and vegetable Substances ver- zeichnete Sloane seine Bestände an Pflanzen, die zu dem bei weiten umfang- reichsten Teil seiner Sammlung zählten.65 Hier spielte häufig die Heilwirkung be- stimmter Pflanzen und aus ihnen gewonnener Präparate eine wichtige Rolle. So konnten die Früchte einer exotischen Baumart bei Kopfschmerzen und Rheu- matismus äußerlich wie innerlich angewandt werden.66 Die aufwendig präparier- ten Früchte, die er von Albert Seba aus Amsterdam zum Geschenk erhalten hat- te, waren ihm ebenfalls einen längeren Eintrag wert.67

62 Siehe Hans Sloane, Catalogue of Fossils, Bd. 5: ›Fishes, Birds, Quadrupeds‹, fol. 50, Nr. 528, und ›An answer to certain queries relating to fishes, birds, insects‹, in: BROWNE, Writings, S. 67– 70. 63 Hans Sloane, Catalogue of Fossils, Bd. 5: ›Fishes, Birds, Quadrupeds‹, fol. 333r, Nr. 850. 64 Ebenda, fol. 338r, Nr. 338. 65 Siehe Hans Sloane, ›Vegetables and vegetable Substances‹, NHMB, Banks Collection. 66 Ebenda, fol. 961r, Nr. 8139. 67 Ebenda, fol. 994r, Nr. 8666.

Die Struktur dieser Aufarbeitung der Sammlungsbestände ist horizontal orien- tiert. Indem die naturhistorischen Miniaturen Beschreibung und Beobachtung miteinander kombinieren, stellen sie das Material in den Kontext einer weiterfüh- renden Forschung. Ein Katalog dieser Art ist grundsätzlich offen für Erweite- rungen jedweder Art, sei es nun durch zufällige Erwerbungen oder eine wieder- holte kritische Abgleichung mit den Beobachtungen anderer Sammlerkollegen. Daher kann in diesem Fall auch nicht einfach von Vorstufen zum Hauptwerk, der Voyage, oder zu diversen anderen Publikationen gesprochen werden. Hand- schriftliche Notizen und Kataloge stehen gleichberechtigt neben der gedruckten Veröffentlichung, als Manifestation der Forschungspraxis innerhalb der Samm- lung Sloanes. Die Naturgeschichte läßt den aus der Literaturgeschichte so ge- wohnten ›Werkbegriff‹ nicht zu, ja steht ihm diametral gegenüber, was jedoch, wie gezeigt, Narrativität im Sinne ausführlicher Beschreibungen nicht ausschließt. Die naturgeschichtliche Forschung ist netzwerkartig orientiert: An die Stelle der Vorstufen tritt die Arbeit im Rahmen von Belegen und Verweisen aus der Sammlung und aus der Literatur. Sloanes Kataloge sind damit ein Beleg für jene kaum noch zu bewältigende Fülle an empirischer Beobachtung, unter deren Druck im Verlauf des 18. Jahrhunderts erste Anstrengungen zu einer systemati- schen Beschreibung der Natur unternommen wurden.

›Museum Absconditum‹: Leerstellen im Katalog Auch die Kataloge Mendes da Costas sind geprägt von der Bemühung um eine möglichst vollständige Erfassung der Sammlungsbestände und gleichzeitig von dem Versuch, die individuelle Beschränkung des Einzelsammlers durch den Hin- weis auf Sammlungen und Verdienste anderer aufzubrechen. Doch anders als Sloane läßt seine Technik des Katalogisierens eine Tendenz zur Systematisierung erkennen, die das für Sloane charakteristische horizontale Prinzip der Addition, des Nebeneinanders in sich geschlossener Einzelbeobachtungen in Frage stellt. Ist der Katalog seines Vorgängers im Kern eine ausführliche Dokumentation der Sammlungsbestände, so weist Mendes da Costas Katalog Leerstellen auf, freie Seiten, auf denen er hofft, künftige Erwerbungen eintragen zu können. Aber nicht nur dies. Auch Stücke befreundeter Sammler finden dort Erwähnung, wo- mit die Kongruenz zwischen individuellem Sammlungsbestand und allgemeiner Naturgeschichte aufgelöst wird. Spätestens hier zeigt sich die im Laufe des 18. Jahrhunderts sich durchsetzende Erkenntnis, daß die Fülle der Natur in ihrer Gesamtheit nicht durch eine einzige Sammlung erfaßt werden kann. Der An- spruch, möglichst umfassend zu sammeln oder die Natur zumindest in vermeint- lich typischen Hervorbringungen repräsentativ zu vereinen, weicht zunehmender Spezialisierung. Sloanes fast hybrid zu nennende Haltung, ›alles‹ zu sammeln, er- fährt mit Blick auf Mendes da Costa eine Absage. Dessen Sammlungen sind bei weit geringerem Umfang nur umso spezialisierter. Ein näherer Blick auf seine Kataloge und deren Leerstellen soll dies erläutern. Mendes da Costas naturgeschichtliche Bemühungen fanden ihren Niederschlag vor allem in zwei Werken, von denen das eine, die Natural History of Fossils von 240 Forschung 1756, noch in die frühen Jahre des Sammlers fällt, das andere, die British Concho- logy, dagegen erst kurz vor seinem Tode 1778 veröffentlicht wurde.68 Beide Wer- ke basieren auf seinen Erfahrungen als Sammler und Spezialist auf dem Gebiet der Fossilien, wobei es sein Ziel war, die Fülle des Materials im Hinblick auf eini- ge wichtige Merkmale wesentlich zu reduzieren. Er habe sich bemüht, so schreibt er im Vorwort seiner Natural History of Fossils von 1756, die Fossilienkunde methodisch zu untermauern und die Zahl der Arten nicht unnötig zu vermeh- ren.69 Vor diesem Hintergrund findet nicht nur jedes der Stücke seiner Samm- lung Berücksichtigung, sondern sie werden im Sinne einer abstrakten Beschrei- bung und in ihren Merkmalen als Gruppen zusammengefaßt. So kann man etwa als Überschrift der zweiten Serie, der Gesteinsarten, lesen: »Alkaline and Sand stones. Stones harsh and rough, composed of a visible grit, of a laminated structure and splitting only horizontally or into plates.«70 Schon in der ersten Serie, der Erdarten, werden deren verschiedene Erscheinun- gen – Boles [roter Ton], Clays [Ton], Marles [Mergel], Chalks [Kreide], Ochres [Ocker], Loams [Lehm], Moulds [Humus] – in einen systematischen Zusammen- hang gebracht und separat behandelt.71 Ein solches Unternehmen stand im Zu- sammenhang seiner Versuche, ein allgemein anwendbares und einfaches Be- schreibungssystem der Fossilien zu schaffen.72 Auch in seiner British Conchology bringt er dieses Vorhaben zum Ausdruck: Traditionelle Bezeichnungen sollen durch neue und präzisere ergänzt oder ersetzt werden. Diese seien jedoch im Kern zufällig und stünden in keiner direkten Beziehung zu Form, Zusammen- setzung oder Farbe der einzelnen Stücke. Namen dienten, so fährt er bei dieser Gelegenheit fort, im wesentlichen zur Unterscheidung der einzelnen Arten in- nerhalb eines Systems und nicht zur genaueren Einzelbeschreibung.73 Um ein solches System erstellen zu können, bedurfte es umfangreicher Vorar- beiten, die in Form einiger handschriftlicher Kataloge überliefert sind. Sein Index vel Pinax Fossilium, den er 1772 begonnen hatte, ist eine materialreiche Sammlung von Notizen zu unterschiedlichsten Fossilien und Mineralien.74 Wie schon im

68 Siehe MENDES DA COSTA, A Natural History of Fossils, Bd. 1, Teil 1 (mehr nicht erschie- nen), London 1756. Die Ausgabe ist unpaginiert und nur durch die einzelnen Abschnitte zu er- schließen. Siehe weiterhin Emmanuel MENDES DA COSTA, Historia Naturalis Testaceorum Bri- tanniae, or, The British Conchology …, London 1778. 69 Siehe MENDES DA COSTA, Fossils (Preface). 70 Ebenda. 71 Siehe ebenda. 72 Siehe dazu unten, S. 274–279. 73 »As it is necessary to give shells some trivial names for distinction sake I have, in doing it, always endeavour’d to form the denomination on some idea arising from the shape, texture, or colour, &c., but when no such correspondent circumstances suggested a name, the choice of one necessarily became arbitrary.« MENDES DA COSTA, Conchology, S. x. 74 Siehe Emmanuel Mendes da Costa, Index vel Pinax fossilium begun 1st January 1772 in which as in an Index all the Species of Extraneous fossils or petrifications known are arranged

Titel angegeben, wird in diesem Katalog immer wieder, neben anderer Literatur, auf eigene Schriften verwiesen, vor allem seine aus den späten Jahren stammen- den Vorlesungen zur Fossilienkunde. Es handelt sich hier im weiteren Sinne um eine Art Arbeitsjournal. Ähnliches gilt für einen schon aus den sechziger Jahren stammenden Vorläufer, den sechsbändigen Katalog unter dem Titel Catalogue of The Extraneous fossils or remains of animals & vegetables.75 In beiden Katalogen sind die Einträge mit durchlaufenden Nummern versehen und auf zwei Spalten verteilt, in denen Mendes da Costa jeweils die Art des Fun- des (species) und die Varietäten (varieties) eintrug. Zudem ließen die großformatigen Bücher – es handelt sich um eine Art Rechnungsbuch mit englinierten Seiten – noch genügend Platz für weitere Bemerkungen über Fundorte, Literatur oder Besonderheiten. In manchen Fällen hielt er die Gestalt seiner Funde in Form kleiner Skizzen fest. In Bezug auf seine Sammlung boten diese Einträge eine ge- nügende Orientierung über den Fortgang seiner wissenschaftlichen Arbeiten und zugleich, durch Literaturhinweise, über die Fortschritte seiner Kollegen. Dies gilt vor allem für den Katalog aus den sechziger Jahren, der 1759 und damit kurz nach der Natural History of Fossils begonnen wurde. Als Beispiel seien einige Einträge aus dem ersten Band unter dem Titel Vegetables digg’d up out of the Bowels of the Earth vorgestellt, genauer: über diejenigen fossilen Pflanzen, die Mendes da Co- sta aus dem Ausland zugeschickt bekommen hatte. Denn damit zeigt sich schon ein wichtiger Unterschied zu seiner zusammenfassenden Naturgeschichte: Werden in ihr Mineralien und Fossilien abstrakt nach ihrer Konsistenz und ihrer äußeren Erscheinung aufgeführt, so bezieht der handschriftliche Katalog unter prag- matischen Gesichtspunkten auch das Kriterium der lokalen Herkunft mit ein, ohne jedoch dabei näher auf geographische Unterschiede einzugehen: »Petrified wood unknown but beleive foreign if not I pickt it up under harwich Cliff. a rough rude peice whitish and black & resembles Wood in appearance it is Jasper & strikes fire freely«.76 Die einzelnen Stücke werden hier weniger einer konsequenten Systematik unter- zogen als vielmehr in Form einzelner Objekt-Monographien zu einer weiteren Bearbeitung bereitgehalten. Hierbei waren auch die von den Absendern hinzuge- fügten genaueren Notizen von Interesse. So stammten einige Stücke fossilen Hol- zes aus dem Museum des um 1748 verstorbenen Albrecht Ritter aus Ilefeld im Harz, die Mendes da Costa nebst einem Verzeichnis durch die Vermittlung des Sammlers Paul Gottlieb Werlhoff 1750 erhalten hatte.77 Der Einfachheit halber fügt Mendes da Costa in seiner Beschreibung die Bemerkungen Ritters mit ein: into their respective Zoological & Botanical Classes with proper references to the Authors where described …, RCS, 275.e.9, Bd. 2. 75 Der vollständige Titel lautet: Emmanuel Mendes da Costa, Catalogue of The Extraneous fossils or remains of animals & vegetables digg’d up out of the Bowels of the Earth in the Collection of Emanuel Mendes da Costa FRS, Bde. 1–6, RCS, 275.d.18–23. 76 Ebenda, Bd. 1, S. 84. 77 Siehe Mendes da Costa an Werlhoff, London, 13. Februar 1750, BL, Add. 28.545, fol. 236r. Die Liste der Stücke findet sich auf fol. 237r. 242 Forschung

»Lignum fossile ex Franconia ex Museo Ritteriano Gegrabene Holtz von Nord- heim in Franken ›Holtz Kohlen, wie solche genennet werden: ist aber nichts an- deres wie ich davor halte als ein Erdsaft, der die art einer steinkohlen an sich hat. Denn er wird aus einem gantzen Strato hervorgegraben by Henichen (nicht weit von Hagenburg) so jetzo dem Prinz von Oranien gehöret: Es ist ein gantzer stra- tum da. Die Bauren Kochen damit. Herr Ober Hoff Prediger Rexrath hat es her- gebracht und mir gegeben d. 27 Septs. 1740 Homburg von d. Hohe‹ «.78 In Katalogeinträgen erscheinen auf diese Weise ganze Filiationen oder besser Objektbiographien, an denen sich der Weg eines Stückes vom ersten Fund bis in die Sammlung des gegenwärtigen Besitzers und dessen Notizen verfolgen läßt. Aber woher auch immer die Beschreibungen im einzelnen – aus eigener Be- obachtung, Einträgen in Katalogen anderer oder aus Briefen – stammen mochten: Mehr noch als in den starren Systematiken der Naturgeschichten oder gedruckten Kataloge erscheinen die Objekte in den handschriftlichen Einträgen eingebunden in den alltäglichen Prozeß der Forschung. Dieser verläuft jedoch nicht eingleisig in Richtung auf eine ausgearbeitete, zusammenfassende Naturgeschichte. Rückverweise auf seine Natural History of Fossils sind ebenso möglich: »Impressions of Vegetables of the fern kind on a fat colourd Clay from Silesia ex Museo Supervilliano No 16 infra are in this same kind of clay which is fully described in my MSS Hist. of fossils Vol. 1. p 159. No 2.2. of these I presented 25 March. 1757 to Th. Pennant Esqr.«79 In diesem Geflecht der Bezüge finden sich Objekte, die aus dem epistemischen Zusammenhang des Kataloges herausfallen. Sie fristen gewissermaßen als arme Verwandte der präzise vermessenen Objekte ein Schattendasein, immer der Ge- fahr ausgesetzt, bei näherem Hinschauen aus Sammlung wie Katalog entfernt zu werden und auf dem Müll zu landen.80 Ähnliches trifft auf diejenigen Stücke zu, von denen Mendes da Costa nicht mehr genau weiß, woher sie stammen. Hier einige Beispiele: »German Petrified Wood how or whence exactly now forgot«, »Petrified Wood – it is like a knot or root whence or how unknown«, »petrified wood a thin lath like peice whence or how unknown«, »A very large peice or main branch of petrified wood now broke into 2 peices Mr. Crane whence or how unknown«.81 Anders als der Katalog der Extraneous fossils mit seiner Vielzahl an Notizen ist sein Nachfolger, der 1772 begonnene Katalog unter dem Titel Pinax fossilium weit einheitlicher und systematischer. Der Grund hierfür liegt zunächst in der Biogra- phie seines Verfassers. Der Katalog stammt im Unterschied zu seinem Vorgänger aus einer Zeit, in der Mendes da Costa nicht mehr im Besitz seiner Sammlung war. Sie war nach der skandalösen Unterschlagung von Mitgliedsbeiträgen der Royal

78 Mendes da Costa, Catalogue of The Extraneous fossils, Bd. 1, S. 82. 79 Ebenda. 80 Ebenda, S. 90. 81 Ebenda, S. 85, 88, 91.

Society 1767 beschlagnahmt worden, und er selbst mußte für mehrere Jahre eine Strafe im Schuldgefängnis absitzen. Kurz nach seiner Entlassung begann er jedoch 1772, sich wieder mit Forschungen auf dem Gebiet der Fossilienkunde zu beschäftigen und hielt mit einigem Erfolg öffentliche Vorlesungen in London und in Oxford.82 Der Katalog ist damit nicht mehr Spiegel und Ergänzung einer Sammlung, sondern vielmehr eine Art Exzerptensammlung zur Naturgeschichte der Fossilien, aus der er Material für seine Vorlesungen schöpfte. Die zunächst leeren Seiten des Kataloges wurden in insgesamt 12 Klassen unterteilt und diese dann im Laufe der Zeit mit den entsprechenden Bemerkungen und Hinweisen gefüllt. Er war damit als eine Art systematisches Nachschlagewerk nutzbar. In Analogie zu Thomas Browne könnte man hier mit einigem Recht von einem Museum Absconditum sprechen: Der Katalog hat sich von der engen Bindung an das Material einer eigenen Sammlung emanzipiert, wobei der Bezug auf die in anderen Sammlungen verstreuten Objekte erhalten bleibt. Die leeren Seiten sind damit letztlich Ausdruck der Hoffnung Mendes da Costas, seine verlorene Sammlung wiederzugewinnen und die Seiten mit Einträgen zu füllen. Ein Blick in die zunächst seltsam erscheinende Abteilung unter der Überschrift Remains of the human species kann dies deutlich machen. Die insgesamt sehr spärlichen Einträge verdanken sich der Tatsache, daß in einer vollständigen Ge- schichte der Fossilien die menschlichen Überreste nicht fehlen durften. Die ›Hu- mana‹ waren eine systematische Leerstelle, die in der Hoffnung auf weitere Fun- de offengehalten wurde. Dieser Vorstellung lag ein aufsehenerregender Fund Johann Jakob Scheuchzers zugrunde, der im Jahr 1725 vermeinte, das Skelett eines in der Sintflut ertrunkenen Menschen gefunden zu haben. Auch wenn Scheuch- zers Deutung des Fundes sich bald als Irrtum herausstellte: Mendes da Costas Katalog zeigt, daß das Interesse an diesen Funden am Ende des 18. Jahrhunderts keineswegs nachgelassen hatte. Erst 1800 gelang der Nachweis, daß es sich bei den meisten dieser Funde nicht um menschliche Überreste han- delte und der Ursprung des Menschen weit jüngeren Datums war, als bis dahin angenommen.83 Mendes da Costa machte dieses Thema zum Gegenstand einer seiner Vorle- sungen und stellte dabei ein ganz besonderes Fundstück in den Mittelpunkt. Er hatte es erstmals 1780 in der Sammlung eines mit ihm befreundeten Sammlers in Chelmford gesehen und in seinen Katalog mit der Bezeichnung »Human bones in the rock of Gibraltar« eingetragen.84 Von diesem Gesteinsbrocken existiert

82 Siehe WHITEHEAD, Conchology, S. 13 f. Ein Band mit Vorlesungsmitschriften ›On Fos- sils‹ von unbekannter Hand findet sich in RCS, Tracts B. 247(2), S. 13–29; 128–137. 83 Siehe John C. GREENE, The Death of Adam. Evolution and its Impact on Western Thought, Iowa 1959, S. 235 f. 84 Siehe Mendes da Costa, Index vel Pinax fossilium begun 1st January 1772 in which as in an Index all the Species of Extraneous fossils or petrifications known are arranged into their respective Zoological & Botanical Classes with proper references to the Authors where described …, Bd. 2, S. 425. 244 Forschung

Abb. 17: Gesteinsbrocken mit dem Abdruck eines Kieferknochens. Federzeichnung von Emmanuel Mendes da Costa (ca. 1780).

überdies eine Federzeichnung aus der Hand Mendes da Costas, die vermutlich als Beilage zu einem inzwischen verloren gegangenen Brief gedient hat (Abb. 17). Katalogeintrag und Bildunterschrift widersprechen sich jedoch. In letzterer werden die Zähne und Knochen einem Tier zugeordnet: »Gibraltar Rock with a jaw bone and teeth (probably) of the Deer kind«. Vermutlich hatte Mendes da Costa in Vorbereitung zu einer seiner Vorlesungen das Gestein einer weiteren Untersuchung unterzogen. Deren Ergebnis könnte diese Zeichnung gewesen sein, wozu die Feststellung in der Bildunterschrift paßt, sie sei mit besonderer Genauigkeit angefertigt worden. Den Eintrag im Katalog hat er jedoch nicht korrigiert. Unter den wenigen Einträgen der Rubrik Remains of the human species ist der Hinweis auf den »Putrefied man of Fallun« bemerkenswert. Auf diesen Fund sei er, so Mendes da Costa, bei der Lektüre von David Büttners Corallographia subter- ranea (1714) aufmerksam geworden.85 Eine weitere und ausführliche Erwähnung findet der Mann von Falun in Axel F. Cronstedts Versuch einer neuen Mineralogie (1758). Dort heißt es unter der Überschrift Eingesalzene, oder durch mineralische Salze durchdrungene fremde Körper: »Menschenkörper. Dergleichen sind zweymahl in der fahlunischen Grube gefunden worden. Der letztere wurde sehr lange in einem gläsernen Kasten aufbehalten, fing aber endlich an, zu verwittern, und zu zerfal- len.«86 Mendes da Costa dürfte dieser Fall nicht zuletzt aus seiner Arbeit an der Übersetzung von Cronstedts Buch ins Englische im Jahr 1770 vertraut gewesen sein.87 Wie schon eingangs bemerkt, veränderte sich um die Mitte des Jahrhunderts die Technik wissenschaftlichen Katalogisierens. Anders als in den Katalogen des enzyklopädischen Großsammlers Sloane wurden bei Mendes da Costa die Be- stände im Hinblick auf eine vorformulierte Systematik gegliedert. Zwar unterlief hier wie dort die digressive Beschreibung der Einzelobjekte immer wieder den eigentlichen systematischen Zusammenhang, doch bei Mendes da Costa war durch die Leerstellen, also die leeren, künftig auszufüllenden Seiten des Katalogs, ein übergreifendes Ordnungsprinzip garantiert. Damit kehrte sich das Verhältnis von Sammlung und Beschreibung um. Der Katalog war nicht nur Arbeitsjournal und Findbuch, mit dessen Hilfe die Orte der Objekte in der Sammlung zugänglich wurden, sondern er konkurrierte mit den Objekten der Sammlung und bean- spruchte Eigenständigkeit. Nicht im Anblick der Sammlung, sondern schriftlich fixiert und geordnet erschlossen sich die Zusammenhänge. In anderem Sinne als noch bei den erfundenen und imaginierten Objekten des Browneschen Museum Clausum wurde hier mit den Objekten umgegangen: Zwar waren die Sammlungs- objekte noch außerhalb der Reichweite des begehrlichen Sammlers und Natur- forschers, doch sie waren durch die Leerstellen im Katalog in greifbare Nähe ge- rückt, ihre Gestalt ist in den Grundzügen erkannt. Es ist ein Charakteristikum der Naturforschung des 18. Jahrhunderts, daß sich mit dem Begriff der ›Abwe- senheit‹ nicht mehr das Imaginierte jenseits des Möglichen, sondern das Konkre- te und in dieser Welt Aufzufindende verbindet.

3.2 Informationsnetzwerke

85 Siehe Mendes da Costa, Index vel Pinax fossilium, Bd. 2, S. 428. 86 Siehe Axel F. CRONSTEDT, Versuch einer neuen Mineralogie. Aus dem Schwedischen über- setzt von G. Wiedemann, Kopenhagen 1760 (schwed. 1758), S. 256. Zur literarischen Rezep- tion dieses Falles von E. T. A. Hoffmann bis Hugo von Hofmannsthal siehe die Textsammlung von Thomas EICHER, Das Bergwerk von Falun: Varianten eines literarischen Stoffes, Münster 1996. 87 Siehe Axel F. CRONSTEDT, An Essay towards a System of Mineralogy … The whole Re- vised and Corrected, with some Additional Notes by Emmanuel Mendes da Costa, London 1770. 246 Forschung

Das ständige Bedürfnis des sammelnden Naturforschers nach Informationen und Objekten zur Vermehrung seiner Sammlung machte es notwendig, auch diejeni- gen mit in sein Unternehmen einzubeziehen, die über keinerlei oder nur wenig Erfahrung auf dem Gebiet der Naturforschung verfügten. Kein Sammler konnte alle die Orte persönlich aufsuchen, an denen interessantes Material zu vermuten war. Zudem waren Exkursionen über die nähere Umgebung hinaus kostspielig, zeitaufwendig und gefährlich. Es galt somit, aus eigener Sachkenntnis andere mit der Aufgabe zu betrauen, sich sammelnd und suchend in ferne Länder zu bege- ben, oder sie soweit zu instruieren, daß sie während einer Reise oder in ihrer nä- heren Umgebung auf die für einen Naturforscher interessanten Dinge aufmerk- sam wurden. Dies geschah durch Fragebögen und Anleitungen zum richtigen Sammeln, die sich an den neugierigen Reisenden, den curious traveller, wandten.88 Sie wurden in Druckschriften einzeln verteilt, den Naturgeschichten und Katalogen als Anhang beigegeben oder in Form persönlicher Unterweisung als Briefe verschickt. In erster Linie dienten sie natürlich dazu, den Sammler mit neuen Objekten zu versorgen. Darüber hinaus bestand ihre Aufgabe darin, die Distanz zwischen dem professionellen, wissenschaftlich gebildeten Sammler und den weniger gebildeten ›Laien‹ zu überwinden. Im Hinblick auf Fragebögen bemerkte schon John Woodward in seinem Vorwort zum Katalog englischer Fossilien von 1729: »Tis not well that Gentlemen, that have not duly inform’d themselves of Things the most obvious and common, should take upon them to write of those that are the most abstruse and difficult. This is what has laid the foundation of Amusements in Natural History, and Errors without end«.89 Naturgeschichte, so Woodward, sei nicht allein zum Vergnügen da, sondern die- ne der Erkenntnis der Natur in ihrer Vielfalt. Aber Voraussetzung zur Erkenntnis sei der geschulte und die Natur schon im Vorfeld einer Sammlung ordnende Blick. Es bedürfe der Unterweisung durch den ›Experten‹ auf dem Gebiet der Naturforschung, um den ungeschulten Laien mit Kriterien der Auswahl zu ver- sehen, die es ihm ermöglichten, sich selbst und der ›scientific community‹ mit dem im Feld gesammelten Material nützlich zu sein. Aber nicht allein der pragmatische Aspekt einer disziplinierten und durchra- tionalisierten Sammlungstätigkeit war hier von Bedeutung. Die aus der Praxis des Sammelns entstandenen Fragen und Anweisungen hatten eine Art ›Brückenfunk- tion‹ zwischen den Praktiken der geschlossenen Sammlung und der Arbeit drau- ßen, im offenen naturhistorischen Feld. Die systematische Arbeit innerhalb der Sammlung gab den Erkenntnisrahmen vor, innerhalb dessen das weite Feld der

88 Der Begriff des ›curious traveller‹ bezieht sich eben auf jenen interessengeleiteten Reisen- den, der mit seiner Neugier und seinen Informationen der naturgeschichtlichen Forschung zu- arbeitet. Siehe Justin STAGL, A History of Curiosity. The Theory of Travel 1550–1800, Chur 1995. 89 John Woodward, An attempt towards a natural history of the fossils of England: in a catalogure of the English fossils in the collection of J. Woodward, M.D. …, Bd. 1, S. 42. Zit. PRICE, Woodward, S. 80.

Natur erschlossen wurde.90 Unter den Bezeichnungen ›Fragebögen‹ und ›Anwei- sungen‹ lassen sich somit Texte allgemein appellativen Charakters zusammenfas- sen, die entweder in gedruckter oder handschriftlicher Form dazu aufriefen, be- stimmte Mineralien, Pflanzen oder Tiere systematisch zu sammeln. Dies geschah entweder in Form konkret formulierter Wunschlisten, allgemeiner Fragen oder als Unterweisung in grundsätzlichen Techniken des Sammelns und Ordnens. Anders als Kataloge, die innerhalb der Sammlung das gesammelte Material im Nachhinein aufbereiteten und abschließend systematisierten, beschäftigten sich die Fragebögen und Anweisungen mit der Praxis des Sammelns im Vorfeld. In ihnen dominierte die Technik der Aneignung und Aufbereitung des Materials.91 Wie die Kataloge der Sammlungen stehen auch Fragebögen und Unterweisun- gen zum Sammeln grundsätzlich im Zusammenhang der frühneuzeitlichen Stati- stik und Informationsverwaltung. Schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts bilde- ten sich im Zusammenhang von Museen, Bibliotheken, Archiven und Akademien Formen der Dokumentation und Organisation des Wissens heraus. Enzyklopä- disten wie etwa Sebastian Münster, Theodor Zwinger oder Petrus Ramus mach- ten sich Gedanken über die zweckmäßigste Ordnung eines künftig zu erwerben- den oder schon erworbenen Wissens. Wissen war auf diese Weise nicht ein gesicherter und zu verteidigender Besitz, sondern im Gegenteil auf Erweiterung hin angelegt. In diesem Zusammenhang wurde auch das Reisen als ursprüngliche Form der Welterfahrung in den Dienst einer so begriffenen Wissenserweiterung gestellt. Die Reiseliteratur gehörte im 17. und 18. Jahrhundert zu den beliebtesten Literaturgattungen und die Praxis des Reisens selbst vollzog sich immer mehr in geregelten Bahnen. Anweisungen darüber, wie und auf welche Weise das Reisen möglichst effektiv zu gestalten sei, gehörten zum festen Bestandteil damaliger Reiseplanung.92 Fragebögen und Anweisungen machen zudem die zunehmende Disziplinierung naturwissenschaftlichen Arbeitens sinnfällig. Sie optimierten und rationalisierten den Vorgang des Sammelns und der anschließenden Aufbereitung des Ge- sammelten im Sinne einer durchlaufenden Arbeitsteilung. Mochten die einzelnen Interessen und wissenschaftlichen Meinungen noch so weit auseinander liegen: Mit den Fragebögen und Anweisungen gelang es, sich über einen Grundbestand an naturgeschichtlicher Methodik und Beschreibung zu verständigen. Im Zuge dieser Verständigungsbemühungen gelangte naturgeschichtliches Wissen zudem aus der Sphäre der nur wenigen Eingeweihten bekannten ›arcana‹ an das Licht einer allgemein interessierten Öffentlichkeit. Bei den häufig im Druck vervielfältigten und verbreiteten Fragebögen läßt sich die grundsätzliche Bedeutung des

90 Siehe WHITE, Nature, S. 880 f., und Henrika KUKLICK/Robert E. KOHLER, Science in the Field, in: Osiris 11 (1996), S. 3–15. 91 Wenngleich beides, wie noch zu zeigen sein wird, aufeinander bezogen bleibt: Die Arbeit im Feld ist oft eine provisorische Anwendung von Techniken, die, etwa als instrumentelle Messungen, erst unter den Bedingungen von Sammlung und Labor voll entfaltet werden können. Siehe LATOUR, Hoffnung, S. 57. 92 Siehe STAGL, Curiosity, S. 199 f. 248 Forschung Buchdrucks im Hinblick auf eine weitgehende Auflösung von Fachgrenzen und eine breitere Verfügbarkeit von Wissensbeständen beobachten.93

Fragebögen Im Sommer 1682 verschickte der irische Antiquar und Naturforscher William Molyneux eine kurze Liste mit Fragen zu Geschichte, Handel und Naturgeschichte seiner Heimat. Ziel war es, lokales Material für den von Moses Pitt in London geplanten English Atlas zu sammeln, der im darauffolgenden Jahr erscheinen soll- te.94 Molyneux, der sechs Jahre später Mitbegründer und Präsident der kurzlebi- gen Dublin Philosophical Society (1688–1708) werden sollte, war aufgrund seiner vielseitigen geschichtlichen und naturhistorischen Interessen hierfür der geeignete Mann. Die Vorbereitungen zu diesem Werk gehören damit unmittelbar zur Vorgeschichte der Dubliner Gesellschaft, die sich am großen Londoner Vorbild orientierte. Schon während der Vorarbeiten an seinem Fragebogen bemühte sich Molyneux um einen Briefwechsel mit seinen Londoner Forscherkollegen.95 Diesen Wunsch, ein funktionierendes Netzwerk naturgeschichtlicher Forschung in Irland zu etablieren, bringt er in der Einleitung zu seinem Fragebogen klar zum Ausdruck:

»Whereas there is an accurate Account and Description of Ireland designed to be made Publick in the English Atlas undertaken by Moses Pitt of London, and in Order thereto, some Gentlemen in Dublin have agreed to meet weekly for reviewing such an Account […] This is earnestly to entreat all Persons that they would be pleased freely to communicate their Answers to these following Quaeries, or any of them Directing them to Mr William Molyneux nigh Ormonds Gate in Dublin«.96 Um möglichst viele der potentiellen Informanten zu erreichen, wurde der Fra- gebogen bei einem der Dubliner Buchhändler kostenlos ausgelegt.97 Die Be- schaffung des für die Veröffentlichung notwendigen Materials beruhte auf diese Weise nicht mehr allein auf der Auswertung persönlicher oder in der Literatur

93 Siehe zur Wissenschaft als ›arcanum‹ EAMON, Science. Zur Popularisierung der Wissen- schaften im 18. Jahrhundert siehe Larry STEWART, The Rise of Public Science, Rhetoric, Tech- nology, and Natural Philosophy in Newtonian Britain, 1660–1750, Cambridge 1992, und Jan GOLINSKI, Science as Public Culture. Chemistry and Enlightenment in Britain, 1760–1820, Cam- bridge 1992. Grundsätzliche Überlegungen zu diesem Thema finden sich auch bei Elisabeth L. EISENSTEIN, The Printing Revolution in Early Modern Europe, Cambridge 1983, S. 187–254. 94 The Queries for William Molyneux’s Projected Contribution to Moses Pitt’s English Atlas. Zit. Theodore K. HOPPEN, The common scientist in the eighteenth century, Charlottesville 1970, S. 200 f. 95 Siehe HOPPEN, Scientist, S. 195. 96 The Queries for William Molyneux’s Projected Contribution to Moses Pitt’s English Atlas. Zit. HOPPEN, Scientist, S. 200. 97 »This Paper may be had Gratis at the Shop of Mr Dudley Davis Bookseller over against the Rose Tavern in Castle Street, Dublin«. Ebenda, S. 201. niedergelegter Erfahrungen, sondern bezog anonyme Informanten mit ein. Darin liegt ein Unterschied zu den etwa zeitgleich entstandenen lokalen Beschreibungen eines John Aubrey oder Robert Plot, die die von ihnen später beschriebenen Orte und Objekte meist selbst zuvor in Augenschein genommen hatten. Hervorzuheben ist auch das gewissermaßen normiert-mechanische des Vorge- hens. Darin ist die Arbeit mit Fragebögen den lange schon bekannten enzyklo- pädisch-sammelnden Verfahren, deren Wurzeln bis in die Spätantike zurückrei- chen und sich bis ins 17. Jahrhundert immer mehr verfeinern, durchaus verwandt. Es handelt sich hierbei um die Techniken der Literaturauswertung und des Ex- zerpts. Beispiele hierfür sind etwa William Camdens Britannica (1627), die als ein Urmodell der englischen antiquarischen Tradition gelten kann, oder Pierre Bayles berühmtes Dictionnaire Historique et Critique (1693). Einen Molyneux verwandten Fragebogen publizierte der Amsterdamer Samm- ler Levinus Vincent als Beilage zu seinem 1706 veröffentlichten Sammlungskata- log. In ihm rief er dazu auf, ihm Naturalien aus aller Welt zuzuschicken, wobei er zugleich über die Techniken, die der Sammler beim Erwerb seiner Objekte anzu- wenden habe, reflektiert: Vor allem Reisende und Seeleute seien auf besondere Ereignisse, Merkwürdigkeiten und Objekte während ihrer langen Fahrten hin zu befragen, und dies könne am besten durch den Gebrauch vorher ausgearbeiteter Fragebögen geschehen.98 Wie Molyneux argumentiert Vincent aus der ›egoisti- schen‹ Perspektive des Sammlers, dessen alleiniges Ziel es ist, seine Sammlung zu vermehren. Doch anders als Vincent hat Molyneux die Gemeinschaft der Samm- ler und Naturforscher im Blick. Ein wichtiges Ziel seines Fragebogens ist der Aufbau eines naturhistorischen Informationsnetzwerks als Basis einer neuzu- gründenden naturforschenden Gesellschaft. Dieser Appell an eine naturhistorisch interessierte Öffentlichkeit liegt auch dem Einladungsbrief zur Erforschung natürlicher Wunderen, so sich im Schweizerland befin- den (1699) des Züricher Gelehrten Johann Jakob Scheuchzer zugrunde. Diese Schrift steht im Zusammenhang seiner lebenslangen Forschungen zu einer Natur- geschichte der Schweiz und der Alpenwelt.99 Die Größe einer solchen Aufgabe überstieg jedoch die Möglichkeiten eines einzelnen Forschers bei weitem. So kon-

98 »Men kan zulken aanzienlyk wonderschat niet in top voeren, op de onzekere toevallen, van kleine, qualyk gekoorene, en meest by toeval of voordagt, meêgebrachte zeldzaamheden, die door ruwe ongeoeffende Varentsgasten, en Zeeluiden ons in de handen vallen, noch op de versolde vreemdigheden, die de Landreizigers herom sleepen, en slecht gestelt overbrengen«. Levinus VINCENT, Wondertooneel der Nature, Geopent in eene korte Beschryvinge der Hoofddeelen van de Byzondere Zeldsaamheden daar in Begrepen …, Bd. 1, Amsterdam 1706 (Einleitung). 99 Der Brief erschien 1699 bei D. Gessner in Zürich im Druck. Eine weitere Fassung findet sich im Archiv der ZBZ unter dem Titel ›Epistola Invitatoria‹, wobei die lateinische und deut- sche Fassung auf die jeweiligen Zielgruppen ›Fachgelehrte‹ und ›Laien‹ verweist (für den Hinweis danke ich Michael Kempe, Frankfurt a. M.). Im folgenden wird nach dem leicht zugänglichen Abdruck der deutschen Fassung in Hansjörg KÜSTER/Ulf KÜSTER (Hrsg.), Garten und Wild- nis. Landschaft im 18. Jahrhundert, München 1997, S. 14–31, zitiert. Die zahllosen Arbeiten Scheuchzers zur Schweizer Naturgeschichte sind bibliographisch erfaßt in STEIGER, Verzeich- nis. 250 Forschung trastiert Scheuchzer – rhetorisch durchaus geschickt – den ›kleinen Blick‹ seiner Adressaten mit der Größe der Alpen: »Wann wir nur ansehen die erstaunliche Größe unserer Alpen und einen kleinen Blick hinwerfen auf diejenigen verschiedenen Sachen, so dorten sich befinden und einem Gottsgelehrten, Arzet, Politico, Haushalter, Künstler und Handwerksmann zu wüssen notwendig sind, so wird sichs bald erzeigen, daß zu deren grundlichen Erforschung notwendig seie Mitarbeit und Beihülf Gelehrter, curioser und erfahrner Männeren des ganzen Schweizerlands.«100 Der Einladungsbrief wollte jedoch, anders als bei Molyneux, kein transparentes Programm zur Erstellung einer Landesgeschichte darlegen, sondern präsentierte sich als umfangreiche Liste von insgesamt 189 Fragen. Der schon im Titel zu findende Appell an die Neugier, sich mit der »Erforschung natürlicher Wunde- ren« zu beschäftigen, wird in ein festes Geflecht von Bezügen, einen Rahmen des Wissenswerten, eingebaut. Hier wie in allen anderen Anweisungen und Fragebögen ist die Tendenz zur Rationalisierung und ›Zähmung‹ der Neugier charakteristisch. So ist Scheuchzers Hinweis in seiner Einleitung auf das Pro- gramm der Royal Society und deren Ahnherrn Francis Bacon nicht zufällig: »Ruhmwürdig und glücklich war das Unternehmen der weit berühmten König- lichen Gesellschaft in Engelland, da sie nach Anleitung des vornehmen und ge- lehrten Franscisci Baconis Baronis de Verulamio so wohl Frömden als Heimschen […] beliebet und eingeschärpft, daß sie auf alles, was ihnen zu Wasser und Land, im Luft, Himmel, Erden und Gewächsen, Mineralien und Tieren möchte vorkommen, genaue Achtung geben.«101 Nicht nur geht es um die Absicht des einzelnen Forschers, Informationen und Naturalien zu erhalten, sondern auch um die Propagierung des naturgeschicht- lichen Blicks bei denjenigen, die bisher kaum etwas über Naturgeschichte wuß- ten. Scheuchzer argumentiert von den Grundlagen der Naturforschung her und versucht von hier aus seine potentiellen Mitarbeiter für das Unternehmen Natur- geschichte zu begeistern. In dieser Hinsicht erweitert sich das pragmatische Ziel, Materialien für seine eigene Naturgeschichte zu erhalten, hin zu einer Propädeu- tik der Naturgeschichte. Neu ist hier die explizite Nennung der Adressaten, die sich keineswegs nur auf die Liebhaber und ›Fachgelehrten‹ beschränkt. Erwähnung finden in Scheuchzers Vorrede auch »gemeinste Leut, so mit der Natur viel umgehen«102, also etwa Bauern oder Fischer, die durch den alltäglichen Umgang mit der Natur genauere Kenntnisse haben. Überdies sichert er explizit zu, daß die Korrespondenten und Beiträger seines Unternehmens nicht anonym bleiben sollen: »So verspriche ich, alles dasjenige, welches namhaft und von anderen mir zugesendt oder relatiert

100 Johann Jakob SCHEUCHZER, Einladungsbrief zu Erforschung natürlicher Wunderen, so sich im Schweizerland befinden (1699), in: Hansjörg KÜSTER/Ulf KÜSTER (Hrsg.), Garten und Wildnis. Landschaft im 18. Jahrhundert, München 1997, S. 14–31, hier S. 15. 101 Ebenda, S. 14. 102 Ebenda, S. 15. worden, nicht unter meinen sondern der Autorum Namen, ja auch nach Gestalt- same der Dinge ihre eigne Wort meinen Schriften einzuverleiben«.103 Indem die Befragten so aus ihrer Anonymität heraustreten, erhält der curious traveller durch seine namentliche Erwähnung für den heutigen Leser eine konkre- te, zuweilen sogar sozial faßbare Gestalt. Aber darüber hinaus erfüllt diese Benen- nung der Zuträger eine für die Argumentation des Naturforschers Scheuchzer andere wichtige Funktion. Die Glaubwürdigkeit seiner wissenschaftlichen Arbeit erhöhte sich nicht nur durch die jeweils eigene Forschungsleistung im Hinblick etwa auf die Menge der verwendeten Objekte, der ›Sauberkeit‹ der Argumenta- tion, sondern auch durch die Vielzahl weiterer Beobachter, die hier gewisserma- ßen als Zeugen auftreten. Die Linie verläuft nicht geradewegs von der Befragung und Beschaffung des wissenschaftlichen Materials hinein in das Endergebnis ›wis- senschaftlicher Katalog‹ oder ›Naturgeschichte‹, sondern von diesen ebenso zu- rück in die Praktiken des Erwerbs und der Aneignung. Es sind besonders Frage- bögen, die damit den Prozeßcharakter der Naturgeschichte in Hinblick auf eine ständige Überprüfung des Materials und der Revision von Forschungsergebnis- sen verdeutlichen können.104 Werfen wir im folgenden einen näheren Blick auf den Inhalt des Fragebogens. Eine Gruppe von Fragen bezieht sich auf Beobachtungen, die sich mittels einfa- cher Meßmethoden quantifizieren lassen: »Wie weit, lang, breit, tief seien die Flüss, ob sie grad oder krumm, sanft oder ungestüm daher laufen?« »In was vor Höhe die Wasser sich von den Felsen oder Bergen herabstürzen, oder wie hoch seien die Wasserfäll?« »Welches die Abweichung der Magnetnadel in verschiedenen Orten?«105 Einzig der hier angemahnte Gebrauch des Kompasses dürfte einige der in sol- chen Dingen weniger geübten Adressaten in Verlegenheit gesetzt haben. Scheuch- zer, der in der Verwendung wissenschaftlicher Instrumente sehr versiert war – er galt als einer der Pioniere barometrischer Höhenmessung –, verließ sich daher in seinen Umfragen meist auf die Methoden einfacher Quantifizierung. Eine Über- forderung durch komplizierte Meßmethoden hätte den Einzugsbereich seiner Umfrage wesentlich eingeschränkt. Den weitaus größten Teil machen daher jene Fragen aus, die sich mit Hilfe des Augenscheins relativ einfach beantworten las- sen und sich damit im Unterschied zu den mit Meßinstrumenten und Fachlite- ratur vertrauten Personen, auf Neugier, scharfe Augen und (bäuerliche) Lokal- kenntnis verlassen. So fragt Scheuchzer etwa nach der Fruchtbarkeit des Landes, den verschiedenen Arten des Korns, nach der örtlichen Vegetation oder nach

103 Ebenda, S. 16. 104 Es wäre durchaus lohnend, diesen Weg vom Konzept des Fragebogens über die Befra- gung selbst und schließlich zur Einarbeitung der Ergebnisse in eine naturhistorische Publikation näher zu untersuchen. 105 SCHEUCHZER, Einladungsbrief, Nr. 46; 59; 115. 252 Forschung den Besonderheiten von Haustieren.106 Fische, Vögel, Insekten und Vierfüßer benennt er mit ihren volkstümlichen Namen und sucht näheres über ihre beson- deren Lebensgewohnheiten zu erfahren.107 Zugleich spielt die Überprüfung des vom Hörensagen her Bekannten eine wichtige Rolle. So wünscht er Näheres über Brunnen zu erfahren, von denen berichtet worden sei, daß sie zuweilen trüb würden und überliefen.108 Die Fragen erstrecken sich dabei bis ins offenkundig Wunderbare. So etwa im Hinblick auf bestimmte in Weihern gefundene Fische, die »eine gewüsse Sympathie haben mit ihren Besitzeren, gleich dann von dem Weiher des Klosters St. Moritz im Walliser Land dies bezeuget haben«.109 Aber Anweisungen für die Arbeit des Sammlers im Feld gingen nicht nur von Privatleuten aus. Schon der Fragebogen von Molyneux entstand in enger Ver- bindung mit der neuzugründenden Dubliner Philosophical Society, und auch der Londoner Muttergesellschaft waren solche Techniken der Befragung nicht un- bekannt. Im Jahr 1713 bemühte die Royal Society sich, naturgeschichtliche In- formationen über das noch weitgehend unbekannte Rußland zu erhalten. Zu Be- ginn dieses Jahres wurde ein neugegründetes Komitee mit der Ausarbeitung eines Fragebogens betraut.110 Im Vorfeld einer genaueren Befragung war es zunächst notwendig, sich allgemein über den Stand der Gelehrsamkeit in Rußland und über mögliche Ansprechpartner zu informieren. Dem Komitee lag ein Brief des englischen Gesandten in Moskau, Charles Whitworth, vor, in dem dieser Hin- weise auf Informanten in Rußland gab. Whitworth resümiert: »You’ll find very few Learned men in that Country from whom you can gett any Information«.111 Bei Fragen zur Kartographie des Landes verweist er auf in Moskau ansässige deutsche Offiziere, bei denjenigen zur Meteorologie und Astronomie auf den Ma- thematiker Ferguson, im Falle antiker Münzen auf den Hofarzt Peters des Gro- ßen, Robert Erskine. In einigen Fällen konnte der Gesandte sogar aus eigenen Beobachtungen heraus vorläufige Auskunft geben, so etwa bei Fragen zum Nord- licht, zu den Salpeterquellen, zur Überwinterung von Schwalben, zur Herkunft des Rhabarbers oder zur Herstellung von Leder. Aber nach Whitworths Ansicht war Erskine der weitaus wichtigste Informant sowohl was seine wissenschaftli- chen Fähigkeiten als auch seine Stellung bei Hofe anging: »He is the Cheife Physician to the Czar and Master of the Czar’s Apothecaryes shop, which is an Employment there of very great Consideration and Power«.112 Erskine war im übrigen in Londoner Gelehrtenkreisen kein Unbekannter: Bevor er 1704 nach Moskau ging, hatte er häufig im Temple Coffee House Club verkehrt, dem Treffpunkt der Naturforscher im Umkreis der Royal Society.

106 Siehe ebenda, Nr. 130; 140–149. 107 Siehe ebenda, Nr. 135; 150; 158; 162. 108 Siehe ebenda, Nr. 64. 109 Ebenda, Nr. 58. 110 Siehe APPLEBY, Erskine, S. 378–381. 111 Charles Whitworth an John Chamberlayne, London, 7. März 1713, RS, Letter Book (Copy) 15, S. 25. 112 Ebenda.

Erskine war also der gegebene Mann für die geplanten Rußlandforschungen. Nach einigen weiteren Beratungen arbeitete das Komitee Anfang März 1713 einen Fragebogen aus, der ihm und Lord Bolingbroke, dem damaligen britischen Außenminister, zugeschickt werden sollte. Diesen Queries hinzugefügt wurden die Directions for Travellers aus der Feder von James Petiver.113 Die Fragen betrafen das Vorkommen von Mineralien und Metallen, die Erstellung von Karten, Be- obachtungen des Nordlichts und Knochenfunde in Sibirien. Bei der Auswahl spielten natürlich die vorläufigen Informationen von Whitworth eine wichtige Rolle, aber einzelne Mitglieder meldeten sich mit eigenen Anregungen und Hin- weisen zu Wort: »As to the Map of Russia Dr. Sloan said there was a very good and large Map made about 50 Years ago of the Ukrain by Boanplan who wrote a Book of it printed at Roan and graved the Map, which was printed at Stockholm.«114

Auf Anregung Woodwards sollte darüber hinaus fossilen Knochenfunden nach- gegangen werden, von denen er sich Vergleichsmaterial für seine Sammlung versprach: »Dr Woodward said he had some of those Bones which he judged were Fishes Bones, they being of a spongy and looser Texture than those of Land Animals, the same said that Elephant teeth were found in England.«115 Trotz dieser Bemühungen war dem Versuch der Royal Society, ihre Forschungen auf Rußland auszudehnen, am Ende kein Erfolg beschieden. Auf die Queries folgte keine Antwort von Seiten Erskines. Dies ist um so verwunderlicher, als er zur gleichen Zeit mit der Errichtung eines botanischen Gartens im neugegründe- ten St. Petersburg beschäftigt war und zweifellos als einer der vorrangigen Ver- treter der wissenschaftlichen Bemühungen Peters I. gelten konnte, Anschluß an die wissenschaftliche Welt des Westens zu finden.116 Erst die Neugründung der Petersburger Akademie im Jahr 1724 schuf dann die Grundlage, Anfragen dieser Art auf institutioneller Ebene begegnen zu können. Schon im Vorfeld dieser Gründung hatte ein reger Wissenstransfer vom Westen in den Osten stattgefun- den: Man orientierte sich an den Akademien westlicher Prägung und versuchte

113 Siehe Meeting vom 12. März 1713, RS, Journal Book (Original), Bd. 10, S. 461 f. Der bei APPLEBY, Erskine, S. 381, erwähnte ausführliche Fragebogen ist im Archiv der RS nicht auf- findbar. Mir lag nur das erste der beiden Sitzungsprotokolle des Komitees (Meeting vom 9. Fe- bruar 1713, RS, Journal Book (Original), Bd. 10, S. 454) vor, in dem in groben Zügen auf die Fragen eingegangen wird. Eine Quellenangabe für die ›Russian Queries‹ findet sich bei Appleby. Auch sind Petivers ›Directions for Travellers‹ unter diesem Titel bibliographisch nicht nach- weisbar; es handelt sich vermutlich um eigens für diesen Zweck verfaßte handschriftliche An- weisungen oder um James PETIVER, Brief Directions for easie making and preserving Collections of all natural curiosities, London o. J. 114 Meeting vom 12. März 1713, RS, Journal Book (Original), Bd. 10, S. 462. 115 Meeting vom 9. Februar 1713, RS, Journal Book (Original), Bd. 10, S. 455. 116 Siehe APPLEBY, Erskine, S. 380. 254 Forschung zudem, angesehene Wissenschaftler nach Rußland abzuwerben.117 Der Mißerfolg der Londoner Queries hing jedoch paradoxerweise gerade mit dieser neuen Wissenschaftspolitik zusammen. Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts war man in Rußland verständlicherweise mehr daran interessiert, Informationen aus dem Westen zu erhalten als diese in umgekehrter Richtung preiszugeben. Wie der schon an anderer Stelle beschriebene Fall Messerschmidts gezeigt hat, wurde die Informationspolitik von russischer Seite im Umfeld der Akademiegründung eher restriktiv gehandhabt.118

Anleitungen zum richtigen Sammeln Im Jahr 1692 veröffentlichte Robert Boyle, eines der angesehensten Mitglieder der Royal Society und Pionier experimenteller Forschung, eine Schrift mit dem Titel General Heads for the Natural History of a Country.119 In Form einer Unter- weisung für den curious traveller unternahm er es darin, auf bestimmte be- merkenswerte Vorkommnisse in der Natur aufmerksam zu machen und für Beiträge zu einer allgemeinen Naturgeschichte zu werben. Die Bemerkungen fielen zum Teil sehr speziell aus. So schreibt er über die künstliche Ausbrütung von Eiern: »To enqire particulary into the manner of hatching Eggs in Egypt; how the Camels Dung is prepar’d, wherein they are laid; how often the Eggs are turned; how covered; whether they hatch in one and twenty Days, as they do with us under a Hen; whether the Chickens be as perfect as ours.«120 Im weiteren ging es aber auch um die Überprüfung bisher bekannten Wissens. So gründeten etwa Kenntnisse über die Heilkraft bestimmter exotischer Präparate nur zu oft auf unvollständigen Berichten früherer Reisender. Dieses Halbwissen wurde aus der Perspektive des Naturforschers und Empirikers einer Revision unterzogen und er bediente sich dabei konkret formulierter Fragen. So fragt Boyle unter anderem nach einer Stachelschweinart, in deren Magen sich ein Stein finde, der in seinen medizinischen Wirkungen dem im Westen schon lange bekannten Bezoar überlegen sei.121 Durch Unterweisungen dieser Art konnte der Reisende die Merkwürdigkeiten einordnen und im Idealfall eine genaue Be- schreibung, wenn nicht das Objekt selbst, der Naturforschung zur Verfügung stellen. Daß sich, wie im letzteren Beispiel, im Magen einer bestimmten Spezies zuweilen merkwürdige Steine befanden, war schon bemerkenswert genug. Jedoch wurde dieser Fund erst dann zum naturgeschichtlichen Wissen, wenn man ihn auf seine Heilkräfte hin befragte und zudem wußte, daß es Steine wie den

117 Siehe Michael D. GORDIN, The Importation of Being Earnest. The Early St. Petersburg Academy of Sciences, in: Isis 91 (2000), S. 1–31. 118 Siehe oben, S. 89. 119 Robert BOYLE, General Heads for the Natural History of a Country, Great or Small; Drawn out for the Use of Travellers and Navigators, London 1692. 120 Ebenda, S. 69. 121 Siehe ebenda, S. 99. bekannten Bezoar gab, der möglicherweise ähnliche Heilwirkungen aufwies. An- weisungen wie die Boyles arbeiteten das bisherige Wissen auf dem Gebiet der Naturgeschichte vergleichend auf und formulierten aus diesem Material heraus neue Fragestellungen. Der Fossiliensammler und -forscher John Woodward legte ebenfalls seine Ge- danken über die richtigen Methoden des Sammelns in seinen Brief Instructions (1696) und den Brief Directions (1728) in allgemeinverständlicher Form der Öffentlichkeit vor.122 Woodward hatte 1695 mit seiner Schrift Natural History of the Earth in die gegen Ende des Jahrhunderts heiß geführte Debatte über die Herkunft und Entstehung von Fossilien eingegriffen und die Position vertreten, daß Fossilien Zeugen der in der Sintflut untergegangenen Tier- und Pflanzenwelt seien. Wie seine Zeitgenossen Lhwyd und Scheuchzer war er damit einer der ersten, der sich systematisch diesen Überresten vergangener Tier- und Pflanzenwelten widmete und herauszufinden versuchte, worin deren spezifische Stellung innerhalb der Erdgeschichte bestand.123 Den Betrachtungsraum seiner Brief Instructions gliederte er, wie zuvor schon Boyle, nach den Bereichen See, Land und Küste. Der Blick ist damit zunächst auf das gesamte Feld der Naturgeschichte gerichtet, doch sind gerade die Stellen, in denen er sich seinem Spezialgebiet Fossilien und Mineralien zuwendet, besonders ausführlich. Auch erspart er dem Leser nicht immer eine Konfrontation mit der wissenschaftlichen Terminologie: »To begin with Fossils; Let there be sent Samples of all the several Varieties of Marble, Ores of Metals, Native Minerals of all kinds, e.g. of Antimony, Sulphur, Nitre, Alum, Talck, Sparr, &c. of the Metallick, Sparry, Vitriolick, Nitrous, Alumnious, and other Iceycles that are found hanging down in Grottoes, and the Tissures of Rocks, the Crystallized Sparrs, Salts and Ores: common Pebbles, Flints, Marchasites, &c.« Doch dienten Begriffe dieser Art ihm nur als eine Art grober Matrix, vor deren Hintergrund sich die Varietäten der einzelnen Fundstücke um so deutlicher ab- heben sollten. Die Auffindung von Varietäten und die damit verbundenen Möglichkeiten der Entdeckung neuer Mineralien und Gesteinsarten erforderte jedoch eine große Aufmerksamkeit von Seiten des Betrachters und Forschers im Feld: »I call a Variety wherein there is any difference as to Colour or outward Appear- ance, or in Weight, in the Quantity of the Metallick or Mineral matter, or in the manner of its mixture.«124

122 Siehe John WOODWARD, Brief Directions for making Observations and Collections and for composing a travelling Register of all sorts of Fossils, in: John WOODWARD, Fossils of all Kinds, digested into a method, suitable to their mutual Relation and Affinity, London 1728, und Ders., Brief Instructions for Making Observations in all Parts of the World: as also For Collec- ting, Preserving, and Sending over Natural Things …, London 1696. 123 Siehe Roy S. PORTER, The making of Geology. Earth Science in Britain 1660–1815, Cambridge 1977. 124 WOODWARD, Instructions, S. 11. 256 Forschung Der instruierte Beobachter im Feld konnte nicht bei Null anfangen: Ein Vor- wissen, ein bestimmtes Maß an Erfahrung war also notwendig, um Beobachtun- gen zu machen und Sammlungen anzulegen. Von der genauen Untersuchung durch Auge und Hand lag die Verwendung wissenschaftlicher Instrumente nicht allzu weit entfernt. Sie konnten nicht nur stationär, im wissenschaftlichen ›Laboratorium‹, von Nutzen sein, sondern auch der quantifizierenden Erfassung natürlicher Phänomene im Feld dienen. So pro- pagierte Woodward den großen Nutzen von Messungen mittels Thermometer und Hygrobaroskop. Um die Vergleichbarkeit und Verläßlichkeit der Meßwerte sicherzustellen, empfahl Woodward unerfahrenen Benutzern, sich von erfahre- nen Professoren und Instruktoren des Gresham College schulen zu lassen.125 Er sah sich damit vor ein ähnliches Problem gestellt wie sein Züricher Kollege Scheuchzer, der zwar auf möglichst genaue Beobachtungen und Daten Wert leg- te, aber dabei die Anforderungen an Ausstattung und Vorwissen seiner Adressa- ten möglichst gering halten mußte. Doch nicht allein das Sammeln der Naturalien stand für Woodward im Mittel- punkt. Besonders wichtig waren ihm zusätzliche Informationen, wie etwa histo- rische und nach heutigen Begriffen ethnographische Daten, besonders dann, wenn sie mit dem Projekt einer umfassenden Erdgeschichte in engem Zusammenhang standen. Unter diesem Vorzeichen empfiehlt er etwa die Befragung und Beobachtung der örtlichen Bevölkerung: »Observe their Tempers, Genius’s, Inclinations, Virtues, and Vices […] Enqueire into their Traditions concerning the Creation of the World, the Universal Deluge, the People from whom they are descended, and the Country from which they Originally came.«126 Zusatzinformationen dieser Art konnten auch für den Botaniker von Nutzen sein. Schon Boyle hatte darauf hingewiesen, daß die Pflanzenwelt nicht isoliert zu betrachten sei: Ihren medizinischen Wirkungen, den länderspezifischen Methoden des Anbaus von Pflanzen und überhaupt jeder Art und Weise des Um- gangs mit ihnen gehöre die Aufmerksamkeit eines jeden Reisenden.127 Naturge- schichte wird so unversehens zur Anthropologie, indem sie die Reaktionen des Menschen auf seine natürliche Umwelt mit in Rechnung stellt und daraus wie- derum Rückschlüsse auf die Natur selbst zieht. Dieses durchaus modern anmu- tende Projekt einer umfassenden Beschreibung der Natur in seinen anthropogen bestimmten Wechselwirkungen weist jedoch nicht allein in die Zukunft.128 Es greift zugleich, unter neuen, systematischen Vorzeichen, die alte Tradition der

125 Zit. EYLES, Woodward, S. 404. Bei dem ›Hygrobaroskop‹ handelt es sich um eine Vor- richtung zur Gewichtsbestimmung von Wasser. 126 WOODWARD, Instructions, S. 9. 127 »To send over Specimen of all Medicinal Herbs, together with their respective Vertues, as they are reputed there«. BOYLE, Heads, S. 114. 128 So etwa auch in neueren Ausstellungsprojekten. Siehe Ulrike STOTTROP (Hrsg.), Unten und Oben. Die Naturkultur des Ruhrgebiets, Ausstellungskatalog, Essen 2000.

Wunder- und Raritätenkammern und ihrer Verschränkung von artificialia und na- turalia wieder auf. Anders als in den Instructions steht in den von Woodward später verfaßten Di- rections von 1728 ausschließlich das Fossiliensammeln im Mittelpunkt. In ihnen geht Woodward noch einmal genauer auf die Techniken der Aufbereitung des gesammelten Materials ein. Wichtig ist hierbei die präzise numerische Registrie- rung: »By means of Paste, Starch, or some fit Gum ought to be fix’d on each Sample collected, a bit of Paper with a Number upon it, beginning with No.1 and pro- ceeding to 2, 3, and so on, in a continual arithmetical series.«129 Hinzu kommen die Notizen zu jedem der gesammelten ›Samples‹, bei denen er wieder besonderen Wert auf Zusatzinformationen wie die Beschaffenheit der Erdoberfläche, die Tiefe des Fundortes oder die Ausdehnung der Gesteinsfor- mation legt. Praktische Hinweise dieser Art waren auch das Anliegen des in London leben- den Apothekers, Sammlers und Naturforschers James Petiver in seinen beiden kurzen Anweisungen unter dem Titel James Petiver his Book, being Directions for gathering Plants und Brief Directions for the easie making and preserving collections of all natural curiosities (Abb. 18).130 Als erfahrener Praktiker ist er vor allem an der Konservierung und Präpa- rierung der Objekte interessiert: »All large pulpy moist Fruit, that are apt to decay or rot, as Apples, Cherries, Cowcumbers, Oranges, and such like, must be sent in Spirits or Pickle, as Mangoes &c. and to each Fruit, its desired you will pin or tye a sprig of its Leaves and Flowers.«131 Auch empfiehlt er bei Tieren, vor allem Vögeln, deren provisorisches Ausstopfen kurz nach ihrem Fang. Der Sammler müsse im Feld bestrebt sein, die ver- schiedenen Arten so vollständig wie möglich zu bewahren und gegebenenfalls auf die Veränderung ihrer Farben achtzugeben. So gelte es, vor allem die fragilen Insekten vor Beschädigungen zu schützen: Schmetterlinge und Motten müßten, ähnlich wie Pflanzen, vorläufig zwischen Buchseiten konserviert werden, damit die Farben ihrer Flügel nicht versehentlich abgerieben würden.132 Darüber hin

129 WOODWARD, Directions, S. 93. 130 Beide Anweisungen, die jeweils nur einen Bogen umfassen, lassen sich auf ca. 1700 datieren. 131 PETIVER, Directions. 132 »But all Butterflies and Moths, as have maely Wings, whose Colours may be rubb’d off with the Fingers, these must be put into any small Printed Book, as soon as cought, after the same manner you do ye Plants.« Ebenda. 258 Forschung

Abb. 18: James Petivers Brief Directions for the Easie Making, and Preserving Collections of all Natural Curiosities (ca. 1700). aus empfiehlt er die Führung eines Journals, in das alle wichtigen den Fund be- treffenden Beobachtungen wie Ort und Zeit eingetragen werden.133 Die vorläufige Unterteilung der Pflanzen nahm Petiver mittels des von Ray vorgeschlagenen Schemas nach Bäumen, Sträuchern und Kräutern vor. Hinzu kamen die in der Botanik zur damaligen Zeit üblichen, die Teilmerkmale der Pflanzen betreffenden klassifikatorischen ›essentials‹:

133 Ebenda.

»Observe to gather that part of each Plant which hath either Flower, Seed, or Fruit on it, but if none gather it as it is, and if the Leaves which grow near the Root of the Plant, differ in Shape from those which grow at the top, (which frequently happens in Herbs) be pleased to add two or three of those lower Leaves to compleat the Specimen.«134 Anweisungen dieser Art waren universell ausgerichtet und auf jeden Platz der belebten Welt anwendbar. Das naturgeschichtliche Sammeln wurde so zu einer nach rationalen Kriterien durchgeführten Tätigkeit.

Unterweisung durch Briefwechsel War bisher vor allem von gedruckten Fragebögen und Anleitungen zum Sam- meln die Rede, so soll abschließend ein Blick auf die naturgeschichtlichen Kor- respondenzen geworfen werden. Dieses Medium persönlichen Austauschs zwi- schen Sammlern und Forschern stand zuweilen im Dienst einer Unterweisung zum richtigen Sammeln und Forschen. Der Vorteil eines Briefes gegenüber ge- druckten Anweisungen lag darin, daß der Verfasser hier weit mehr Interessen und Vorwissen des Empfängers berücksichtigen konnte. Nach mehrjährigen Reisen auf dem Kontinent begann William Courten ab 1685 damit, sich eine eigene Sammlung in seiner Wohnung am Middle Temple in London einzurichten. Er hatte mit Sloane zusammen in Montpellier und Paris botanische Studien betrieben und schon während dieser Zeit kleinere Sammlun- gen von Mineralien und Pflanzen angelegt. Diese Aktivitäten sind in einem Konvolut mit verschiedenen Notizen, Registern und Exzerpten dokumentiert, das Sloane zusammen mit Courtens Sammlung und anderen Papieren nach des- sen Tod 1703 erwarb.135 In ihm finden sich unter anderem die Directions, die er 1686 für seinen Cousin Posthumus Galwey zusammenstellte und in denen er ihn damit beauftragte, während einer Reise nach Kleinasien nach bestimmten Natu- ralien Ausschau zu halten. Verzeichnet sind hier etwa Insekten, kleinere Vögel, Seesterne, Fische, Schalentiere, Korallen und Wasserpflanzen.136 Drei Jahre spä- ter wandte er sich an James Reed, Gärtner im Dienst des englischen Königs, mit der Bitte, ihm während einer Exkursion Vögel und Insekten zu beschaffen. Ob- wohl Reed über genügend Sachkenntnis im Umgang mit Naturalien verfügt ha- ben dürfte, lag dem Sammler Courten die Konservierung und Präparierung von Insekten besonders am Herzen: »Insects that is to say Butterflys, Grashoppers, Beetles, and Spiders of which I have seen some as large as the palm of a Manes Hand of all which I would have but 2 of a sort without they litter in their collours or magnitude, the Beetles of all kinds of Insects are the easiest to preserve and being dead need only to be put in

134 Ebenda. 135 Siehe BL, Sloane 3961. 136 Siehe William Courten, ›Directions for Cousin Posthumus Galwey […] who went for the streight in the smirna yacht. 1686‹, ebenda, fol. 186r. 260 Forschung

boxes with Cotton over them the Butterflys must be stuck with pinns in Boxes, and the spiders put into spirit of wine.«137 Den Hintergrund für diese Anfrage bildete die Subskription mehrerer Londoner Sammler, darunter Sloane, die eine Exkursion unter Reeds Leitung nach Barba- dos finanzieren sollte. Ein weiteres Motiv für Courtens Interesse ist vermutlich in der Rückkehr Sloanes 1689 aus Jamaika zu suchen: Seine Erzählungen und der Anblick seiner Sammlungen dürften den Appetit Londoner Sammler auf neue Naturalien von den West-Indies erheblich angeregt haben.138 Auch in James Petivers umfangreicher Korrespondenz, von der gesagt worden ist, sie sei seit den Zeiten des Erasmus eines der größten Ein-Mann-Unterneh- men auf dem Feld des Wissenstransfers gewesen, finden sich häufig pädagogisch- instruktive Miszellen.139 Im Falle des in Lissabon lebenden Kaufmanns Joseph Gulston stammen sie jedoch nicht von ihm selbst. In Petivers Auftrag wandte sich ein gewisser James White an Gulston mit der Bitte, Naturalien aus Portugal und anderen von ihm bereisten Ländern nach London zu schicken. Zu sammeln seien auffällige Insekten, Heuschrecken, Schmetterlinge und seltene Schlangen, wobei White nicht versäumte, in diesem Zusammenhang auf jahrtausendealte Jagdtechniken zu verweisen: »When you or your brother are diverting your selves in walking, this you may do and kill the birds with one stone«.140 Emmanuel Mendes da Costa hat sich ebenfalls im Rahmen seiner Korrespon- denz um Instruktionen und Anweisungen zum Sammeln von Mineralien bemüht. So lieh er dem befreundeten Sammler Isaac Romilly 1756 drei Bände mit Manu- skripten aus eigener und von fremder Hand. Bei einem Teil von ihnen handelte es sich um länderspezifische Instruktionen für Sammler, in denen Frankreich und England behandelt und neben den allgemeinen Anweisungen auf lokale Be- sonderheiten eingegangen wurde. In diesen Manuskripten hatte Mendes da Costa sowohl eigene Beobachtungen als auch diejenigen seiner weitverstreuten Korrespondenten gesammelt.141 Auf Anfrage eines in Cornwall lebenden Samm- lers beschrieb er die Orte, an denen bestimmte Arten von Steinen, Mineralien und Fossilien zu finden seien. Steinbrüche und alte Minen seien für Funde dieser Art besonders geeignet; in bestimmten Kiesgruben fänden sich Stücke mit fossi-

137 William Courten, Directions for Mr. James Reed september 1689, ebenda, fol. 188r. Reed taucht noch an anderer Stelle in Courtens Papieren auf, nämlich in einem ›Names of seeds gathered at Barbadoes for the Kings use by James Reed‹ betitelten Verzeichnis. Siehe ebenda, fol. 81r. 138 Siehe SAINT JOHN BROOKS, Sloane, S. 132. 139 Siehe Raymond Phineas STEARNS, James Petiver. Promoter of Natural Science, Worcester/ Mass. 1953, S. 267. 140 James White an Joseph Gulston, London, 15. Oktober 1711, BL, Sloane 3337, fol. 152r. 141 »They are Instructions for collecting natural Curiosities. Among others you will find Instructions for all France in general & for Marseilles in particular, for Copenhagen, for Yorkshire, Cumberland & Norfolk in general, for Bristol, Portsmouth, Oxford, Scarborough, Cambridge & Penzance in particular«. Mendes da Costa an Romilly, London, 24. Dezember 1756, BL, Add. 28.542, fol. 6v. Abgesehen von Marseille unterhielt Mendes da Costa zu jedem dieser Orte eine Verbindung durch Korrespondenzen oder kannte sie von eigenen Exkursionen her. len Abdrücken von Muscheln wie auch versteinerte Knochenreste.142 Anweisun- gen dieser Art ließen sich bis hin zu lokalen Besonderheiten und Fundorten end- los variieren. Die so angeleiteten Beobachtungen vor Ort wurden anschließend zusammenhängend aufbereitet und der Gemeinschaft der Sammler wieder zur Verfügung gestellt. Wie John Woodward war Mendes da Costa vor allem Kenner von Mineralien und Fossilien und hatte bis dahin schon zwei Aufsätze zu diesem Thema in den Transactions veröffentlicht.143 Gelegentliche Ausführungen zu diesem Thema könnten Woodwards Instructions entnommen sein: »An exact diary should regularly be kept of all the mines &c visited with all particulars of nat. his. at their site extent, depth, their strata course & thickness of the veins, richness of the ore. The frequency or rareness of the various fossils found &c., for without such elucidations nat. hist. cannot be improved.«144 Ähnliche Anweisungen finden sich sieben Jahre später in einem Brief an Mur- doch Mackenzie, in dem noch einmal ausdrücklich die Führung eines Register- buches empfohlen wird.145 An ihn schrieb Mendes da Costa ein weiteres Mal, als er erfuhr, daß er eine Reise nach Ostasien plante. Schwierig sei es natürlich, so führt Mendes da Costa aus, größere Tiere beschreibend und sammelnd zu erfas- sen: Nur Teile von ihnen, wie etwa Zähne oder Hörner, seien dem Sammeleifer zugänglich. Auch die Farben der einzelnen Objekte gingen während der Konser- vierung leicht verloren, es sei deshalb ratsam, sich Notizen hierüber anzulegen. Von einer Aufbewahrung der Präparate in Alkohol rät er jedoch ab, da dieser die Farben vieler Tiere im Laufe der Zeit verändere.146 Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Anweisungen und Fragen in den Korrespondenzen und denen in gedruckter Form besteht, abgesehen von ihrem weniger systematischen Charakter, nicht. Jedoch zeigen Korrespondenzen mehr noch als Druckschriften das weitverbreitete Bedürfnis, sich über die Methoden des richtigen Sammelns zu informieren, und gleichzeitig den Wunsch, mittels Anfragen die Beschaffung neuer Sammlungsobjekte zu fördern.

142 Siehe Mendes da Costa an James Bernhard, London, 17. Dezember 1750, BL, Add. 28.534, fol. 250r. 143 Siehe A Dissertation on those fossil figured Stone called Belemnites …, in: Philosophical Transactions 47 (1747), S. 397–407, und A Letter from Mr. Emanuel Mendes da Costa F.R.S. to the President, concerning two beautiful Echinites, in: Philosophical Transactions 49 (1749), S. 143–148. 144 Mendes da Costa an James Bernhard, London, 17. Dezember 1750, BL, Add. 28.534, fol. 250v. 145 Siehe Mendes da Costa an Murdoch Mackenzie, London, 3. März 1757, BL, Add. 28.539, fol. 206v. 146 Siehe Mendes da Costa an Murdoch Mackenzie, London, 11. Dezember 1772, BL, Add. 28.539, fol. 267r. 262 Forschung Mineralogie für alle Fragebögen und Unterweisungen sind letztlich ein wichtiger Indikator für die Popularisierung wissenschaftlich-methodischen Sammelns im 18. Jahrhundert. Doch diese Popularisierung stieß gegen Ende des Jahrhunderts an ihre Grenzen. Das Wissen um die richtige Methode des Sammelns, den Erwerb der Objekte und deren Bewertung wurde immer komplizierter. Gegen Ende des Jahrhundert ver- mochten Fragebögen und Anweisungen die Kluft zwischen Laien und wissen- schaftlichen Sammlern nicht mehr ganz zu überbrücken. Dies zeigt abschließend ein Blick in D. L. Meyers Method of making useful mineral collections von 1775. Schon im Titel verweist die Schrift auf die Zielgruppe: Es handelt sich um Mineralien- sammler, die eine methodische Anleitung auf dem Gebiet der Fossilienkunde suchten.147 Meyers Bemühungen gingen ähnlich wie diejenigen Woodwards in Richtung auf eine systematische und sinnvoll-zusammenhängende Sammlung von Minera- lien. Wie schon sein Vorgänger beklagt sich der Autor, daß die meisten Minera- liensammler nur zu ihrem Vergnügen und weniger mit wissenschaftlicher Methodik arbeiteten. Diesem Mißstand versuchte er mit seiner Schrift abzuhel- fen.

»It is impossible to see, without astonishment, the lower class of collectors, or such as collect only to employ their leisure hours, procure themselves specimens in public auctions and other places, on which they are incapable of making any useful reflections, or of discovering any oeconomical advantage, and to which they can give names only by guess. The effect of their labour is not profitable either to them- selves or the publick, and their collections serve only to betray their ignorance. As soon as they turn their eyes from such specimens, to attain a knowledge of which Mineralogy is hardly necessary, they are involved in a labyrinth, and cannot extricate themselves, for want of those necessary guides in Chymistry and Metallurgy. An experienced Mineralist considers collectors of this kind with the same disregard as the public look upon those persons, who save money for no other consideration, than to idolize it as a Mammon, and to deny its use either for private or public utility.«148 Trotz der vielfältigen Bemühungen seit Ende des 17. Jahrhunderts, die einfachen Sammler zu einer besseren Systematik zu erziehen, hat sich also Meyer zufolge am Ende des darauffolgenden Jahrhunderts an ihrer Unkenntnis nicht viel ge- ändert. Aber der Hinweis auf den allgemeinen Nutzen von Sammlungen und der an ihnen interessierten Öffentlichkeit läßt doch aufhorchen. Popularisierung und Öffentlichkeit der Wissenschaften wandelten sich im Laufe des 18. Jahrhunderts, ein Vorgang, der nicht ohne Folgen für Unterweisungen und Fragen auf dem Feld der Naturgeschichte blieb. Das hing vor allem mit einer deutlichen Zunahme des Fachwissens, selbst in einem so spezialisierten Bereich, wie sie die Mineralien- und Fossilienkunde dar-

147 Siehe D. L. MEYER, A method of making useful mineral collections. To which are added, some experiments on a deliquescent calcarious earth or native fixed sal ammoniac, London 1775. 148 Ebenda, S. 3 f. stellt, zusammen. Mit einer fortschreitenden Professionalisierung verschwand die kleine Gemeinschaft der Sammler, die sich untereinander mit wenigen prakti- schen Hinweisen verständigten. Konnten Sammler und Forscher wie John Woodward und Edward Lhwyd ihren Analysen noch so einfache Kriterien wie Form, Farbe und Gestalt zugrunde legen, so hatte sich die Situation mit der Ein- führung chemischer Analysen entscheidend gewandelt. Mineralogen wie Axel Cronstedt, Tobern Bergmann und Abraham Gottlob Werner ergänzten die bis dahin gültigen Betrachtungen der Außenstruktur durch die Betrachtung der ›in- neren‹ chemischen und physikalischen Beschaffenheit.149 Die Situation für den nichtwissenschaftlichen Sammler und Liebhaber wurde damit komplizierter, und es entstand, nach den eher hausbackenen Erläuterungen früherer Zeiten, erneuter Erklärungsbedarf. Meyer schreibt: »The minerals are to be laid up or placed according to a mineral system, with re- spect to their genera and species, or according to geographical order, with respect to the places from whence they were taken. The former method contributes most towards obtaining a knowledge of the mineral kingdom, and the latter is more useful for miners, who study the relative difference between different tracts of mountains. Mr. Cronstedts mineralogy hath gained such a general approbation, and is built upon such rational principles, that it deserves to be used by the mine- ralists in laying up their miners collections«.150 Der Sammler hat sich also in einer Vielfalt unterschiedlicher Methoden, geo- graphischer, systematischer und in der von Cronstedt propagierten chemischen, zurechtzufinden. Der Laiensammler muß sich, will er den Anspruch wissen- schaftlichen Sammelns nicht aufgeben, mit den Methoden der Wissenschaft auseinandersetzen. Schriften wie die Meyers verweisen zugleich auf die sich unter dem Druck der Professionalisierung auflösende Gemeinschaft der Sammler. Nicht mehr durch Fragebögen ermittelte Informationen und Objekte, die eine unmittelbare Teilnahme des Sammlers und aller naturhistorisch Interessierten am Prozeß der Forschung ermöglichten, stehen hier im Mittelpunkt, sondern die richtige Methode des Forschens.

3.3 Systematisieren und Klassifizieren

In der Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts war die Auseinandersetzung mit Sy- stemen und Methoden der Klassifizierung allgegenwärtig. Die einfache Frage lau- tete, auf welche Weise die Vielfalt der Erscheinungen der natürlichen Welt in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht und geordnet werden konnte. Die Antworten hierauf waren jedoch keineswegs eindeutig und hingen jeweils davon ab, wie die ungeteilte Präsenz einzelner Erscheinungen auf wichtige Merkmale

149 Siehe LAUDAN, Mineralogy, S. 79. 150 MEYER, Method, S. 19. 264 Forschung hin reduziert und diese selbst wiederum, je nach Wichtigkeit, zueinander in Be- zug gesetzt werden konnten.151 In einem Artikel für die große Enzyklopädie (1751–1772) hat einer ihrer Her- ausgeber, Jean Le Rond d’Alembert, die jedem System zugrundeliegenden Prin- zipien zu benennen versucht und dabei zwischen abstrakten Grundsätzen, Hy- pothesen und auf Tatsachen beruhenden Beobachtungen unterschieden. Einzig letztere könnten die Überzeugungskraft eines jeden Systems verbürgen, jedoch mit dem bedeutenden Nachteil, daß die Zahl der Erscheinungen zu groß sei, »als daß man damit die Verknüpfung der Erscheinungen erfassen könnte.«152 Ande- rerseits, so d’Alembert, müßten sich die Hypothesen immer wieder an der Viel- gestalt der Erscheinungen messen lassen und nur allzu oft gerieten beide in Wi- derspruch zueinander. Es galt, so könnte man hieraus folgern, den empirischen Befund in ein theoriegeleitetes, auf Erkenntnis ausgerichtetes System zu über- führen. Erst innerhalb eines Systems wurden die Beobachtungen natürlicher Phänomene als Wissen aufbereitet und der Forschung zur Verfügung gestellt. Hinzu kommt, daß durch die Systematisierungsleistung Erkenntnisse innerhalb der Gemeinschaft der Forscher leichter kommuniziert werden konnten. Das Be- zugssystem einer gemeinsamen Systematik bildete die Grundlage, um etwa Ein- zelbeobachtungen miteinander abzugleichen und damit Doppelbenennungen zu vermeiden. Ihren Ausgangspunkt fanden Arbeiten dieser Art in der Sammlung. In ihr wur- den die Bestände katalogisiert, klassifiziert und damit einer bestimmten Ordnung unterworfen, die jedoch nicht immer mit den theoretischen Einsichten überein- stimmen mußte. Mit anderen Worten: Die Ordnung der Sammlung, so wie sie der Betrachter vor Ort wiederfand, war in den wenigsten Fällen mit der Ordnung in den Katalogen und den klassifizierenden Entwürfen auf dem Papier kongruent. Die in den Beschreibungen der Kunst- und Wunderkammern nieder- gelegten Ordnungsschemata sind daher nur mit Vorsicht auf die wirklichen Ver- hältnisse in den Sammlungen zu beziehen. Sammlungskataloge und Ordnungs- schemata geben eher Auskunft über das Wunschdenken der Sammler, als daß sie Einblicke in den wirklichen Zustand der Sammlungen geben könnten.153 Ein Grund hierfür liegt in der zeitgenössischen Forschungspraxis, dem Um- gang mit den Sammlungsobjekten selbst: Sie wurden ausgetauscht, umgruppiert und für den laufenden Prozeß der Arbeit zur Verfügung gehalten. Auch die Dis- position der Räume und die mit ihnen verbundenen Aufbewahrungsmöglichkei- ten legten dem Sammler Beschränkungen auf, die nicht immer mit seiner theore- tisch vorgenommenen Systematisierung übereinstimmten. Die Epistemologie des

151 Dazu Anette DIEKMANN, Klassifikation, System, ›scala naturae‹. Das Ordnen der Objek- te in Naturwissenschaft und Pharmazie zwischen 1700 und 1850, Stuttgart 1992. 152 Jean Le Rond D’ALEMBERT, System, in: Artikel aus der von Diderot und D’Alembert her- ausgegebenen Enzyklopädie, hrsg. von Manfred Naumann, Leipzig 1984, S. 751–753, hier S. 752. 153 Vgl. Barbara J. BALSINGER, The Kunst and Wunderkammern. A catalogue raisonée, Diss. Pittsburgh 1970 (Ms.).

Sammlungsraums, die des wissenschaftlich bereinigten Katalogs und der natur- geschichtlichen Publikation konnten durchaus verschieden sein. Aus dem Mate- rial der Sammlungen wurden Daten zur Beschreibung gewonnen, und je mehr diese Beschreibungen miteinander in Beziehung gesetzt, je mehr sie auf der Basis eines Merkmalskatalogs systematisiert wurden, desto mehr entfernten sie sich von der Präsenz der Einzelobjekte in den Sammlungen. Dieser Prozeß der Übersetzung einer Sammlung ins System soll im folgenden näher untersucht werden.

Natürliche und künstliche Systeme Der Verfasser des Artikels Naturgeschichte in Zedlers Universal-Lexicon monierte im Jahre 1740 das Fehlen eines zusammenhängenden naturgeschichtlichen Systems, um das weite »Theatrum der Natur« in einen Zusammenhang zu brin- gen: »Inzwischen wäre es doch eine gantz unvergleichliche Sache, wenn ein oder mehrere zusammen sich die Mühe gäben, und dasjenige in ein Systema brächten, was in Stückwercken und zerstreuet, häuffig anzutreffen. […] Von dem 15. und 16. Jahrhundert an hingegen hat man den Nutzen der natürlichen Historie ange- fangen recht einzusehen: von welcher Zeit an sodann alles geleistet worden, was wir gegenwärtig wissen und besitzen.«154 In diesem Sinne galt es im 18. Jahrhundert, auf den naturgeschichtlichen Wis- sensbeständen der vorausgegangenen Zeit aufzubauen und sie in einem systema- tischen Zusammenhang verfügbar zu machen. Ansätze zu einer Systematik dieser Art finden sich bereits im 16. Jahrhundert. So befaßte sich der Italiener (1519–1603) als einer der ersten mit vergleichenden Untersuchungen über den Bau der Pflanzen, wobei er sich nicht an allgemeinen Ähnlichkeiten orientierte, sondern sein System auf be- stimmten ausgewählten Merkmalen wie etwa Wurzel, Stamm oder Blüten aufbaute. Dabei stand er zugleich noch ganz im Bann der antiken Naturforschung, bei der die von Aristoteles begründete Richtung von einer grundsätzlichen Ana- logie des Pflanzenbaus mit dem der Tiere und des Menschen ausging. Pflanzen mit ihren Organen wurden als unvollkommene Entfaltung des vom Tierreich her bekannten Körperbaues aufgefaßt; dies war mit ein Grund, warum lange Zeit die Sexualität der Pflanzen aus dem Mangel entsprechend geformter Organe für nicht möglich gehalten wurde.155 In der Regel galt jedoch das Interesse einer möglichst detaillierten Beschreibung einzelner Tier- und Pflanzenarten, die je- weils für sich in den Bestand der Sammlungen und später in den der Kataloge aufgenommen wurden. Prägend war hier vor allem das klassische Vorbild des Plinius, der in seiner Naturgeschichte den Bestand der natürlichen Welt mög- lichst umfassend zu dokumentieren suchte. An diese Tradition anknüpfend sah man das Ziel der Naturgeschichte in der Entdeckung des Neuen und bisher Un-

154 Natur-Geschichte, in: ZEDLER, Lexicon, Bd. 23, Sp. 1063–1086, hier Sp. 1064, 1066. 155 Siehe SACHS, Botanik, S. 45 f. 266 Forschung bekannten, oft auch dessen, was aus der Sicht des 18. Jahrhunderts unter dem Vorwurf des Wunderbaren aus dem Reich der Natur verbannt wurde. Es entwik- kelte sich eine umfassende Enzyklopädik der Natur, die unter der groben Eintei- lung der drei Reiche von mineralia, vegetabilia und animalia umfangreiches Material an Beschreibungen und Informationen lieferte. Erkenntnisleitend waren hierbei vor allem die Übergänge zwischen den einzelnen Reichen: Berichte von Meer- jungfrauen wurden als Übergang vom Fisch zum Mensch oder Polypen als Über- gang von der Pflanze zum Tier angesehen. Hinzu kam, daß das hier gesammelte Material immer Ausgangspunkt weiterführender Überlegungen war: So reflektier- te Cesalpino über die Pflanzenseele und der Italiener Ulisse Aldrovandi betrach- tete seine Sammlungsobjekte im Bezugssystem von Symbolik und Hermetik. Doch schlossen, wie Paula Findlen am Beispiel Aldrovandis aufzeigen kann, symbolische Deutungen und Empirie im Sinne genauer Beschreibung einander keineswegs aus.156 In den Sammlungen des frühen 17. Jahrhunderts wurden die Objekte innerhalb eines vielgestaltigen »semantischen Rasters« gedeutet. Die Naturgeschichte wurde so Teil eines umfassenden weltanschaulichen Bezugs- systems.157 Das Modell der enzyklopädischen Sammlung, in der viele Sammler davon träumten, den von Plinius vorgegebenen Bestand zu vermehren und zu übertref- fen, wurde für das 17. Jahrhundert prägend.158 Die Fülle des Materials und der Wunsch, es in einen systematischen Zusammenhang zu bringen, führte manch- mal zu absonderlichen Entwicklungen. So schrieb Aldrovandi seine Einzelbeob- achtungen auf Papierbögen, die er später zerschnitt, um diese Papierschnipsel dann in einen Hauptkatalog einzukleben.159 Zuvor hatte er es mit Säckchen zur losen Aufbewahrung der Zettel versucht, was sich jedoch auf Dauer als unprak- tisch erwies. Die »Verzettelung des Wissens« wurde auch von anderen Gelehrten wie etwa Joachim Jungius in Hamburg praktiziert und führte in Konsequenz zu einem Distanzverlust, der jede sinnvolle Naturgeschichte unmöglich machte.160 Man sah – und hier ist dieses Sprichwort wirklich angebracht – den Wald vor lauter Bäumen nicht.

156 Siehe FINDLEN, Nature, S. 57 f. 157 Michel Foucault hat diese Haltung als »Beschreibung innerhalb semantischer Raster« be- zeichnet, in die die gesamte Bedeutungsvielfalt eines Objektes miteinbezogen wurde. Siehe FOU- CAULT, Ordnung, S. 169. 158 An dieser Stelle eine Randbeobachtung: Die Orientierung an der antiken Enzyklopädik drückt sich auch in den Pseudonymen aus, die den Mitgliedern der deutschen naturforschen- den Gesellschaft Leopoldina noch bis ins 18. Jahrhundert gegeben wurden; Mendes da Costa wurde 1748 unter dem Namen ›Plinius IV‹ aufgenommen. Siehe Andreas Elias BÜCHNER, Aca- demiae Sacri Romani Imperii Leopoldino-Carolinae Naturae Curiosorum Historia, Halle 1760. 159 Siehe Christa RIEDL-DORN, Wissenschaft und Fabelwesen. Ein kritischer Versuch über und Ulisse Aldrovandi, Wien 1989, S. 61 f. 160 Siehe Christoph MEINL, Enzyklopädie der Welt und Verzettelung des Wissens. Aporien der Empirie bei Joachim Jungius, in: Franz M. EYBL/Wolfgang HARMS (Hrsg.), Enzyklopädien der Frühen Neuzeit. Beiträge zu ihrer Erforschung, Tübingen 1995, S. 162–187.

Für die Eingliederung einzelner Arten in ein übergreifendes System kam es zu- dem darauf an, den Begriff ›Merkmal‹ auf den Prüfstand zu stellen. Denn unter dem Einfluß der aristotelischen Philosophie hatte man lange Zeit geglaubt, daß sich die einzelnen Arten durch ein einziges, in ihrem Wesen begründetes Merk- mal unterscheiden ließen. Diese vermutete Grundsubstanz erwies sich jedoch mit den alltäglichen Beobachtungen als nur schwer vereinbar. In einer Neuauflage seines Methodus Plantarum von 1703 plädierte der englische Botaniker John Ray unter dem Einfluß des Lockeschen Sensualismus dafür, solche Überlegungen bei einer Unterscheidung der Pflanzenarten grundsätzlich auszuschließen und statt dessen sich auf einen möglichst umfangreichen Merkmalskatalog zu stützen. Damit war zwar noch keine Entscheidung darüber getroffen, welche Merkmale als wichtig angesehen werden konnten, jedoch wurde der Merkmalsbegriff selbst auf eine strenge Empirie festgelegt, in deren Mittelpunkt meß- und sichtbare Qualitäten wie etwa Farbe, Größe oder Form standen.161 Auf diese Weise wurde die Beschreibung und Systematisierung der Natur zum Sprachproblem. Die Bezeichnungen in der Naturgeschichte entwickelten sich aus den Beobachtungen heraus und mußten, möglichst unabhängig von der überlieferten Sprache der Naturgeschichte und dem Wildwuchs der Bezeichnun- gen, auf den empirischen Befund zugeschnitten sein. Zugleich sollten sie flexibel genug sein, um Vergleiche und Bezüge der einzelnen Arten untereinander herzu- stellen. Im Bereich empirischer Beobachtungen bildete sich letztlich ein Nomi- nalismus heraus, der den Startpunkt für die vielfältigen systematischen Bemü- hungen des 18. Jahrhunderts bilden sollte.162 Um 1700 entstanden vor diesem Hintergrund eine Vielzahl von Systematiken, die je nach dem Standpunkt des Beobachters einen bestimmten Merkmalskatalog zugrunde legten. John Ray teilte in seinem Methodus Plantarum von 1682 das Pflanzenreich in die drei Bereiche Bäume, Sträucher und Kräuter ein und be- stimmte von dieser Unterteilung ausgehend die einzelnen Arten aufgrund weite- rer Merkmale wie Blütenzahl, Blütenform und Fortpflanzungsorgane.163 Alterna- tive Systeme wurden kurz darauf von August Quirin Bachmann und Joseph Pit- ton de Tournefort entwickelt.164 Keines dieser Systeme konnte jedoch einen alleinigen Anspruch auf Verbindlichkeit beanspruchen, im Gegenteil: Die An- hänger der jeweils unterschiedlichen Systeme lieferten sich untereinander erbit- terte Gefechte. Die Publikation von Carl von Linnés Systema Naturae 1735 bedeutete vor dem Hintergrund dieser Vielzahl künstlicher Systeme zunächst nichts anderes als

161 Siehe Phillip R. SLOAN, John Locke, John Ray, and the Problem of the Natural System, in: Journal of the History of Biology 5 (1972), S. 1–53, und HANKINS, Science, S. 150 f. 162 Siehe M. M. SLAUGHTER, Universal languages and scientific taxonomy in the seventeenth century, London 1982. 163 Siehe RAVEN, Ray, S. 196. 164 Dazu SACHS, Botanik, S. 82 f, der die einzelnen miteinander in Konkurrenz stehenden Sy- steme beschreibt. 268 Forschung einen weiteren Vorschlag zur Einteilung und Beschreibung der Natur.165 Aber indem er die Fortpflanzungsorgane der Pflanzen zur Grundlage seines Systems machte, vereinfachte er die bisherigen Kriterien zur Systematisierung. In großar- tiger Einfachheit liefert er hier in Form einer Tabelle ein hierarchisches System, das von den drei Reichen der Mineralien, Pflanzen und Tiere bis zu einzelnen Arten hinabsteigt.166 Eine binominale Artbezeichnung, die zwischen Gattung und Art unterschied, stellte er dann später in der Philosophia Botanica von 1753 vor.167 Damit war dem Naturforscher ein Hilfsmittel an die Hand gegeben, das es er- möglichte, auf einfache Weise neue Pflanzen zu bestimmen. Je mehr dieses Sy- stem anwandten, desto einfacher war die Verständigung der Gelehrten unter- einander. Aber die Form, in der Linné sein neues System präsentierte, wich vom bisher Gewohnten ab. Die Tabellen des Systema Naturae gleichen eher Karten, die einen Weg in noch unerschlossene Gebiete der Natur bahnten, denn den gewohnten, oft langatmigen Beschreibungen in Büchern.168 Daß er in späteren Jahren die Ver- wendung von Abbildungen in der Naturgeschichte vehement ablehnte, gehört mit zu dieser ganz aufs Praktische und Pragmatische ausgerichteten Grundhal- tung.169 Dieses auf künstlicher Trennung beruhende System fand trotz des Erfolgs bald seine Kritiker. Es war der französische Naturforscher Georges-Louis Leclerc de Buffon, der sich im ersten Band seiner Histoire Naturelle von 1749 vehement gegen die Aufstellung künstlicher Systeme in der Naturgeschichte wandte.170 Er vertrat die Ansicht, daß der Artbegriff sich nicht aus einer beschränkten Anzahl von Merkmalen – und schon gar nicht, wie von Linné vertreten, einem einzigen Merkmal – herleiten lasse. Vielmehr gebe es keine definitiven Abgrenzungen zu anderen Arten, es sei nur möglich, die Arten in ihrer jeweiligen Individualität innerhalb fließender Grenzen zu beschreiben. An vielen Stellen seiner vielbändigen Naturgeschichte, deren fünfzehnter Band 1767 erschien, wurde er nicht müde, dieses natürliche System der Arten zu propagieren. In einem dem Esel und seiner Abgrenzung vom Pferd gewidmeten Kapitel beruft Buffon sich auf

165 Zu Linné allgemein siehe Heinz GOERKE, Carl v. Linné 1707–1778. Arzt, Naturforscher, Systematiker, 2. Aufl. Stuttgart 1989. Zu Linnés Systematik aus neuerer Sicht siehe Staffan MÜL- LER-WILLE, Botanik und weltweiter Handel. Zur Begründung eines Natürlichen Systems der Pflanzen durch Carl von Linné (1707–78), Berlin 1999. 166 Carl von LINNÉ, Systema Naturae sive Regna tria naturae Systematice Proposita per Classes, Ordines, Genera, & Species, Leiden 1735. 167 Siehe Lisbet KOERNER, in his time and place, in: Nicolas JARDINE/James A. SECORD/Emma C. SPARY (Hrsg.), Cultures of Natural History, Cambridge 1996, S. 145–162, und HANKINS, Science, S. 147. 168 Siehe KOERNER, Linnaeus, S. 146. 169 Siehe LEPENIES, Naturgeschichte, S. 54. 170 Zur Buffon-Linné-Kontroverse siehe HANKINS, Science, S. 149; Giulio BARSANTI, Linné et Buffon: Deux visions différentes de la nature et de l’histoire naturelle, in: Revue de Synthèse 113/114 (1984), S. 83–111, und Jaques ROGER, Buffon, in: Charles Coulston GILLISPIE (Hrsg.), Dictionary of Scientific Biography, New York 1970, Bd. 2, S. 576–582.

das Kriterium der Fortpflanzungsgemeinschaft: »L’éspèce n’étant donc autre chose qu’une sucession constante d’individus semblables et qui se reprodui- sent«.171 In der Nachfolge Buffons begann damit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun- derts ein Deutungswandel auf dem Gebiet der Naturgeschichte, bei dem die Na- tur als lebendiger Zusammenhang in einer Vielfalt von Bezügen gesehen wurde. Das in vieler Hinsicht mechanistische und künstliche Verfahren der Naturbe- schreibung Linnés wurde zwar nicht aufgegeben, dennoch erweiterten sich die zur Verfügung stehenden Methoden zur Beschreibung lebendiger Formen. Die Naturforscher begnügten sich nicht mehr allein mit der Beschreibung und Taxo- nomie verschiedener Arten, sondern interessierten sich zunehmend für deren Entstehung in komplexen Zusammenhängen: Die Zeit um 1760 stellte, wie James Larson betont hat, einen Wendepunkt im wissenschaftlichen Verständnis der Na- tur dar.172

Das Prinzip der Enzyklopädie Auf Empfehlung Herman Boerhaaves besuchte im Jahr 1736 der gerade neun- undzwanzigjährige Linné den alten Sloane in seiner Sammlung. Der Altersunter- schied und die Sprachprobleme trugen wohl mit dazu bei, daß dieser Besuch für den jungen Botaniker eher enttäuschend verlief. Linné, der kurz zuvor sein Syste- ma Naturae veröffentlicht hatte, konnte offenbar mit dem englischen Sammler und Naturforscher nur wenig anfangen, und Sloane war wohl im Gegenzug nicht bereit, sich auf die neuen Ideen des jungen Schweden einzulassen. Während diese Begegnung auf Seiten Sloanes keine Spuren hinterlassen hat, erinnerte sich Linné später sehr wohl daran: Gegenüber seinem Landsmann Olaus Celsius berichtete er knapp, daß er die Sammlung in völliger Unordnung vorgefunden habe.173 Sein Urteil konnte wohl kaum anders ausfallen. Vor dem Hintergrund einer schlüssi- gen, modernen Systematik mußte die Sammlung Sloanes als zufällig und hoff- nungslos rückständig erscheinen. Tatsächlich hat sich Sloane zeitlebens nur wenig mit den Problemen einer aus- gefeilten Systematik der Natur beschäftigt. Seine Naturgeschichte Jamaikas stützt sich in der Einteilung auf das von seinem Freund John Ray um 1700 entwickelte System, der zuvor erschienene Katalog jamaikanischer Pflanzen war wenig mehr als eine alphabetische Liste des von dort mitgebrachten Materials. Auch in seinen handschriftlichen Katalogen findet sich wenig Zusammenhängend-Systema- tisches: Sie gehorchen eher dem Prinzip der Addition, als dem der Hierarchie einer Einteilung in Klassen, Gattungen und Arten. Ihre Titel lauten etwa: »Coralls, Sponges, & some other submarines«, »Fishes, Birds, Quadrupeds«, »Vegetables

171 Georges-Louis Leclerc Comte de BUFFON, Histoire Naturelle. Textes choisis présentés par Jean Varloot, Paris 1984, S. 197. 172 James K. LARSON, Interpreting Nature. The Science of Living from Linnaeus to Kant, Bal- timore 1994, S. 21. 173 Siehe MACGREGOR, Sloane, S. 28. 270 Forschung and vegetable substances« oder »Catalogus marmorum«.174 Sie dokumentieren die einzelnen Naturalien nach der Reihenfolge des Erwerbs; ausführliche Indizes erschließen diese Kataloge dann für eine zielgerichtete Benutzung. Damit wurde der Zugriff auf die einzelnen Objekte nur mittels separater Register möglich, die die Sammlung nach praktisch-pragmatischen Grundsätzen und nicht nach einem übergreifenden, theoretisch fundierten System zugänglich machten. Dieser Zugang zur Natur, dieses Erfassen einer Fülle interessanter Merkmale ohne die Basis eines differenzierten Merkmalskatalogs stellt Sloane als Naturfor- scher in eine Reihe mit den Enzyklopädisten des frühen 18. Jahrhunderts. Es ist eine Haltung, die beispielhaft Fontenelle in seiner Akademierede über den Fort- schritt der Wissenschaften aus dem Jahr 1699 vertritt: »Sammeln wir immer wei- ter mathematische und naturwissenschaftliche Wahrheiten und überlassen wir es dem Zufall, was mit ihnen geschehen wird: das bedeutet, nicht viel aufs Spiel zu setzen.«175 Im England der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren es John Harris mit seinem Lexicon Technicum (1704) und Ephraim Chambers Cyclopedia (1728), die das technisch-naturkundliche Wissen der Zeit in Form alphabetischer Nachschlagewerke für ein breiteres Publikum aufbereiteten und leicht zugänglich zusammenfaßten. Dabei hielten Werke dieser Art mit ihrem ausgeklügelten Querverweissystem die Mitte zwischen einer additiven, beliebig erweiterbaren An- ordnung des Materials und dem Anspruch, dieses Material in einen systemati- schen Zusammenhang zu bringen.176 Höhepunkt dieser Versuche, ordnende Sy- stematik und ausufernde Enzyklopädik auf einen Nenner zu bringen, ist die berühmte Tafel unter dem Titel Système figurée des connoissances humaines, die sich im ersten Band der Encyclopédie (1751–1765) von Diderot und D’Alembert findet.177 Im Kern dieser spezifisch-enzyklopädischen Auffassung lag eine grundsätzlich traditionskritische Haltung: Die Wahrheiten sollten von den Legenden, das rich- tige vom falschen Wissen unterschieden werden. Die Grundhaltung, die sich da- hinter verbirgt, ist die eines kritischen Rationalismus – »La Raison agressive«, wie Paul Hazard bemerkt178 –, der es ermöglicht, den Gesamtbestand des Wissens zu hinterfragen und aufzubereiten. Doch im Bezugssystem zeitgenössischer Enzyklopädik hatte für Sloane die sammelnd-zufällige Anordnung des Materials immer den Vorrang vor einer durchgearbeiteten Systematik. Er stand dabei zeitlebens in der Tradition des eng-

174 Siehe Sir Hans Sloane’s Catalogues, in: MACGREGOR, Sloane, S. 291–294, hier S. 293. 175 FONTENELLE, Nutzen, S. 281 f. 176 Zum Prinzip ›Enzyklopädie‹ siehe Richard YEO, Encyclopaedic knowledge, in: Mariana FRASCA-SPADA/Nick JARDINE (Hrsg.), Books and the Sciences in History, Cambridge 2000, S. 207–227. 177 Siehe Barbara HOLLÄNDER, Die enzyklopädische Ordnung des Wissens in bildlichen Dar- stellungen, in: Hans HOLLÄNDER (Hrsg.), Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Studien zur Bildgeschichte von Naturwissenschaften und Technik vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Berlin 2000, S. 163–179. 178 Paul HAZARD, La crise de la conscience européenne 1680–1715, Paris 1961, S. 117. lischen Empirismus, was er im Vorwort seiner Voyage unmißverständlich klar macht: »It may be asked me to what purposes serve such Accounts, I answer, that the knowledge of natural History, being Observation of Matters of Fact, is more cer- tain than most Others, and in my slender Opinion, less subject to mistakes than Reasonings, Hypotheses, and Reductions are […] These are Things we are sure of, so far as our senses are not fallible«.179 Dieses Plädoyer für einen im wesentlichen theoriefreien und pragmatischen Zu- gang zur Naturgeschichte hindert ihn jedoch nicht, auf die Defizite in der Be- schreibung und Benennung der verschiedenen Arten hinzuweisen. Denn die bis- her gängige Praxis der Verwendung klassischer, d. h. noch von den antiken Autoren her vertrauter Namen stünde dem Fortschritt der Naturgeschichte im Wege: Dies zum einen wegen ihrer Ungenauigkeit, zum anderen aber auch, weil die Beschreibung der ständig wachsenden Arten ständig neue, nicht durch die klassische Literatur verbürgte Namen erfordere.180 Mit der Sammlung Sloanes und der ihr zugrundeliegenden Haltung entfesselter Empirie scheint die Naturgeschichte an einen Punkt angelangt zu sein, von dem ab die Ordnung, Erfassung und letztlich Systematisierung kaum noch zu bewälti- gen war. Der Ankauf ganzer Sammlungen, wie etwa derjenigen William Courtens 1702 und James Petivers 1718, ließ den ursprünglichen Bestand der eigenen Sammlung um ein Vielfaches anwachsen, so daß Sloane kaum mit einer nur ober- flächlichen Erfassung der Bestände nachkam.181 Einige besonders bemerkens- werte Stücke seiner Sammlung machte er jedoch zum Thema einiger Aufsätze in den Transactions, wobei er hier seine Gabe zur genauen naturhistorischen Beob- achtung unter Beweis stellte. Dies etwa im Falle des Jamaica Pepper-Tree, von dem er nicht nur vor dem Hintergrund bisheriger Nachrichten eine genauere Be- schreibung geben konnte, sondern darüber hinaus dessen medizinische Anwen- dungsmöglichkeiten zur Diskussion stellte.182 Im Falle des Peruanischen Kondors und eines Kaffeestrauchs kam er seiner Rolle als naturhistorischer Berichterstat- ter nach, wobei er sich bei der Zusammenstellung dieser ›Neuigkeiten‹ allein von dem Prinzip empirisch gesicherter Beschreibung leiten ließ.183 Die Größe seiner Sammlungsbestände und die mit ihnen wachsende deskrip- tive Erfahrung ermöglichte Sloane den Vergleich von Pflanzen aus ganz unter- schiedlichen Erdteilen. Sein Account of Four sorts of strange Beans, frequently cast on Shoar on the Orkney Isles berichtet über seltsame ›Bohnen‹, die häufig an der schottischen Küste gefunden wurden und über deren Herkunft man sich im Unklaren war.

179 SLOANE, Voyage, Bd. 1 (Preface). 180 Siehe SLOANE, Voyage, Bd. 2, S. xiii. 181 Siehe MACGREGOR, Sloane, S. 22 f. 182 Siehe Hans SLOANE, A Description of the Pimienta or Jamaica Pepper-Tree, and of the Tree that bears the Cortex Winteranus, in: Philosophical Transactions 16 (1690), S. 462–468. 183 Siehe Hans SLOANE, An Acccount of a prodigiously large Feather of the Bird Cuntur, brought from Chili, and supposed to be a kind of Vultur: and of the Coffee-Shrub, in: Philoso- phical Transactions 18 (1693), S. 60–64. 272 Forschung

Sloane weist durch einen genauen Vergleich nach, daß sie mit von ihm schon beschriebenen jamaikanischen Arten übereinstimmen.184 Er vermutet darüber hinaus, daß sie durch Wind und Strömung von Westindien über den Atlantik nach Europa gelangt seien. Dafür spräche, so Sloane, daß sie in der Nähe des Wassers wüchsen und sich, wie er in Westindien beobachtet habe, zwischen den Inseln verteilten. Diese Ansätze zu einer frühen Geobotanik führte er jedoch nicht weiter. Die damals gängige Vorstellung, daß alle Arten nach der Sintflut sich von einem einzigen Punkt aus über die Erde verteilt hätten, ließ keinen Raum für den Gedanken einer jeweils separaten Anpassung an bestimmte klimatische Verhältnisse. In seiner Voyage verwies Sloane daher immer wieder ausdrücklich auf die vielfältigen Ähnlichkeiten zwischen europäischen und amerikanischen Arten. Mark Catesby brachte wenig später ähnliche Gedanken in seiner Naturgeschichte Carolinas zum Ausdruck, indem er feststellte, daß es vor allem die aus Europa vertrauten Wasservögel seien, die sich in der Neuen Welt wiederfänden. Dies hänge damit zusammen, daß sie zu den wenigen Vögeln zählten, die die weite Strecke über den Atlantik problemlos bewältigen könn- ten.185 Die Techniken der Ausbreitung und Verteilung der Arten sind das Thema eines weiteren Sloane-Aufsatzes. In ihm unternimmt er es, anhand mehrerer Pflanzen- arten und ihres Vorkommens auf Jamaika und in Europa die Mechanismen zu beschreiben, derer sich Pflanzen zur Arterhaltung bedienen. Dabei unterscheidet er zwischen dem einzelnen Pflanzenindividuum und der Art: »These Instances, and many more, very obvious and wonderful, thô not taken notice of, might be given, to shew the great endeavours of Nature to perfect the Individuum, and propagate the Kind, which for that reason, I am apt to believe, are (without the loss of one Species) Preserved to us from the Creation to this day.«186 Hier erscheint schon die später von Buffon vertretene Vorstellung einer Fort- pflanzungsgemeinschaft als Grundkriterium der Art, jedoch eng verbunden mit dem innerhalb der Physikotheologie geläufigen Argument der wohlgeordneten Schöpfung Gottes. Es ist gerade diese physikotheologische Grundhaltung gegen- über den ›Wundern der Schöpfung‹, die Sloane den Blick für eine genaue Beob- achtung der Individuen schärft – und dies jenseits aller Merkmalsreduktionen und Systemüberlegungen. Was ihn bei seinen naturhistorischen Studien interes-

184 Siehe Hans SLOANE, An Account of Four sorts of strange Beans, frequently cast on Shoar on the Orkney Isles, with some Conjectures about the way of their being brought thither from Jamaica, where Three sorts of them grow, in: Philosophical Transactions 19 (1696), S. 298–309. 185 Siehe CATESBY, Carolina, Bd. 2, S. xxv. Zum Thema der geographischen Verteilung der Arten siehe BROWNE, Secular Ark, S. 10 f. 186 Siehe Hans SLOANE, Some Observations made at a Meeting of the Royal Society, con- cerning some Wonderful Contrivances of Nature in a Family of Plants in Jamaica, to perfect the Individuum, and propagate the Species, with several Instances analogous to them in European Vegetables, in: Philosophical Transactions 21 (1699), S. 113–120. siert, ist das Individuum und nicht die Art.187 Auch für Buffon stand das Indivi- duum im Mittelpunkt seiner Betrachtungen, doch im Gegensatz zu Sloane inter- essierten den französischen Naturforscher die Übergänge und Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Arten.

Die Grammatik der Fossilien Mineralogie und Fossilienkunde waren im 18. Jahrhundert Schauplatz vielfältiger Bemühungen um eine Systematisierung. Hatte man noch im vorhergehenden Jahrhundert unter Fossilien der eigentlichen Wortbedeutung entsprechend alles das verstanden, was aus der Erde ans Tageslicht befördert wurde, so erkannte man bald darauf, daß es sich bei den sogenannten Figurensteinen, also den Fos- silien im heutigen Sinne, um Zeugnisse einst lebender Tiere und Pflanzen han- delte. Seit etwa 1700 wurde die Entstehung fossiler Überreste im Rahmen von Erdkatastrophen gedeutet, wobei viele Forscher die biblisch verbürgte Sintflut zunächst als das überzeugendste Erklärungsmodell ansahen. Aber nicht nur die besonders spektakulären Versteinerungen, von denen der Fossilienforscher John Woodward als »Medals of Creation« sprach, sondern auch die alltäglichen und vielfältigen Gesteins-, Mineralien- und Erdbildungen selbst, das Trägermaterial der Abdrücke also, erregten das Interesse der Naturforscher.188 Die zeitgenössi- sche Terminologie bezeichnete diese als native fossils, jene als extraneous fossils und unterschied damit zwischen natürlichen Bildungen und von außen induzierten Formen. Waren die ersten Fossilienforscher in gewisser Hinsicht noch Generali- sten – sie mußten zur Identifikation der Gesteinsabdrücke über umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet von Botanik und Zoologie verfügen –, so schlug im 18. Jahrhundert die große Stunde der Spezialisten, die sich dem Reich der minera- lia auf neuer Grundlage widmeten.189 Doch welche klassifikatorischen Heraus- forderungen hielt das Trägermaterial, die native fossils, für den Forscher bereit? Im Laufe des 18. Jahrhunderts verfeinerten sich die Forschungsmethoden und damit die Möglichkeiten zu einer genaueren Differenzierung der Erscheinungen im Reich der mineralia. John Woodward, einer der Gründerväter der neueren Fossilienkunde, gliederte 1728 die native fossils in Erden, Steine, Salze, Bitumen, Mineralien und Metalle.190 In seinem System der Natur von 1735 widmete auch Carl von Linné dem Mineralienreich einen Abschnitt: Dort unterschied er grund-

187 »The many Contrivances of Nature, or rather the Supreme Being, who Created, and or- derly disposed all things, to bring to Perfection several Vegetables and Animals; and after the un- avoidable dissolution of the Individuum, to keep the Species from being lost, notwithstanding many adverse Contingencies and Necessary Ends they are design’d to serve, seems on many Ac- counts to Deserve, if not Require our Regard and Attention.« Ebenda, S. 113. 188 Siehe Joseph M. LEVINE, Dr. Woodwards Shield. History, Science and Satire in Augus- tan England, London 1977, S. 3. 189 Zur Professionalisierung der Geologie siehe PORTER, Gentlemen, und EYLES, Extent. 190 Siehe John WOODWARD, Fossils of all Kinds, digested into a method, suitable to their mu- tual Relation and Affinity, London 1728, S. 22. 274 Forschung sätzlich zwischen Steinen, Mineralien und Versteinerungen (Fossilien).191 Linnés Ausgangspunkt seiner Beschäftigung mit der Mineralogie war dabei der Blick auf eine begrenzte Anzahl äußerer Merkmale, eine Vorgehensweise, wie sie ihm von seinen botanischen Studien her vertraut war. Dagegen stützte sich sein schwedi- scher Landsmann Johan Gotschalk Wallerius (1709–1785) in seinem Buch Mine- ralogia, eller mineralriket von 1747 auf die Untersuchung der inneren Struktur der Mineralien, wobei er bereits chemische Analysemethoden anwandte. Überhaupt stellte zu dieser Zeit die Mineralogie einen höchst fruchtbaren Bo- den für Systeme unterschiedlichster Art dar: Johann Friedrich Gmelin, der Sohn des Sibirienreisenden, listete 1777 mehr als fünfundzwanzig von ihnen aus der Zeit von 1650 bis 1775 auf.192 Inmitten dieser verwirrenden Vielfalt bezog um die Mitte des Jahrhunderts der Fossilien- und Mineralienforscher Mendes da Co- sta pointiert Stellung: »Systems now are like Hydra’s heads: if one is lopt off two sprout up in its stead.«193 An seinem Beispiel lassen sich die Schwierigkeiten, überzeugende und schlüssige Systematiken auf dem Gebiet der Naturgeschichte vorzulegen, gut illustrieren. Mendes da Costas Stellungnahmen zu diesem Thema sind zunächst geprägt von einer oft polemisch formulierten Ablehnung Linnés und seiner englischen Adepten. Es war die Zeit um 1750, als nach der Veröffentlichung der Philosophia Botanica die Rezeption des schwedischen Botanikers in England einen Höhepunkt erlebte. Mendes da Costas spezielle Kritik an Linnés Klassifizierung der Mineralien und Fossilien verbindet sich jedoch an vielen Stellen mit einer grund- sätzlichen Ablehnung des neuen Systems, wobei er den oft geäußerten Vorwurf, Linné erweise der Stellung des Menschen in der Natur nicht den nötigen Respekt, gerne aufgriff: »The Litterary news are that Linnaeus now governs the World with his Systems and not to be a Linnean (which I am not) is not to be a human Creature; a new System of animals the Quadrupeds are classd by their mammae […] so that men, monkeys & Bats &c are of one order«.194 Diese Kritik an Linnés Systematik prägte Mendes da Costas Blick auf die Samm- lungen seiner Forscherkollegen. Während eines Besuchs beim Leidener Botaniker Gronovius, erschien ihm die Anordnung der Fossilen in seiner Sammlung als schieres Durcheinander. Auf die Frage, warum er seine Sammlung so eingerichtet habe, antwortete sein Gastgeber, daß bei ihrer Ordnung Linné Pate gestanden habe. Überhaupt habe, so Gronovius, erst Linné während seines Aufenthalts in Leiden den dortigen Sammlern das richtige Studium der Fossilien gelehrt. Mendes da Costa bemerkt daraufhin, daß dies möglicherweise auf das Sammeln

191 Siehe GUNTAU, History, S. 212. 192 Siehe ebenda, S. 214. 193 Mendes da Costa an Edward Wright, Limestreet, 11. November 1757, BL, Add. 28.544, fol. 234v. 194 Mendes da Costa an John Hawkeens, London, 23. August 1759, BL, Add. 28.538, fol. 105v. selbst zutreffen könne, niemals jedoch auf das eigentliche wissenschaftliche Stu- dium, da Linné von einem richtigen Verständnis der Fossilien weit entfernt sei.195 Diese harsche Kritik mochte teilweise auf persönlichen Differenzen zwischen Mendes da Costa und Linné beruhen.196 Doch darüber hinaus lag ihr eine durchaus ernstzunehmende und grundsätzliche Skepsis gegenüber systematischen Bemühungen jedweder Art zugrunde. Mendes da Costa stand in gewisser Hinsicht ganz in der empirisch-enzyklopädischen Tradition englischer Naturfor- schung, die, wie das Beispiel Sloanes zeigt, sich einer differenzierten Betrachtung und Beschreibung der Außenseite der Natur widmete und deren Credo Merk- malsextension statt systematische Merkmalsreduktion war. Folgerichtig stand er dem verbreiteten Wunsch vieler Kollegen, die Herkunft, ja geradezu den Ur- sprung der Fossilien zu ergründen, ablehnend gegenüber: »Our forefathers discoverd animals Plants & Minerals[,] reviewed them[,] describ- ed them made their Experiments but never dreamt of Systems […and] had handed down to us the Magazines of knowledge we enjoy, but we on the contrary do not think of duely & usefully contemplating the objects given us for our use but nothing will content us but we must be witnesses to the very creation of those Objects & be quite acquainted (i. e. in our own Brains) with the very prima materia of all the subjects of this sublunary world.«197 Der Rekurs auf die Gründerväter der Naturgeschichte und ihre Sammlungen führte bei Mendes da Costa jedoch nicht zu einer grundsätzlichen Ablehnung jedweden Systems. Er plädiert vielmehr für den Vorrang sorgfältiger Beschrei- bung und der möglichst genauen Erfassung der Mineralien in all ihren Erschei- nungsformen. Als Beispiel führt er an, daß der Giants Causeway, eine Felsforma- tion im Norden Irlands, Anlaß zu vielen höchst spekulativen Systemen gegeben habe, bevor überhaupt die Zusammensetzung dieser Gesteine geklärt worden sei.198 Ein umfassendes Mineraliensystem berge daher immer die Gefahr, daß einmal eingeführte Fehlinterpretationen sich für alle Zukunft in ihm festschrie- ben. Andererseits war sich Mendes da Costa der Gefahren bloßer Deskription durchaus bewußt. Das zeigt seine Haltung gegenüber dem ansonsten von ihm hochgeschätzten John Woodward. An ihm kritisierte er seine zu große Nähe zum gesammelten Material. Im Mittelpunkt habe für Woodward seine Sammlung gestanden, deren Bestände er zwar in aller Ausführlichkeit beschreibe, es aber gleichzeitig versäume, allgemeine Aussagen über die Herkunft und Einordnung der Objekte zu treffen. Mendes das Costa formuliert hier sein Mißtrauen gegen- über dem schönen Schein der Sammlungsobjekte: »We have in many excellent

195 Siehe Mendes da Costa an Cromwell Mortimer, Venlo, 1. Mai 1748, BL Add. 28.540, fol. 31r. 196 WHITEHEAD, Da Costa, S. 8, führt als Hintergrund für Mendes da Costas Haltung Lin- nés Ablehnung seiner Bitte um Aufnahme in die schwedische Akademie der Wissenschaften an. 197 Mendes da Costa an Peter Ascanius, London, 26. September 1760, BL, Add. 28.534, fol. 132v. 198 Siehe ebenda. 276 Forschung Books petrefacts like shells [which] catch the eyes […] we have many descrip- tions & of Cabinets Numbers of Books but there are all detached peices.«199 Einzig Wallerius habe ein System entwickelt, das zu Recht den Namen einer »grammer of Fossils« trage.200 Mit dem Begriff ›Grammatik‹ sind hierbei, dem damaligen Sprachgebrauch folgend, im übertragenen Sinne die grundlegenden Prinzipen einer Wissenschaft gemeint.201 In einem Brief aus dem Jahr 1747 schildert der damals dreißigjährige Mendes da Costa seinen Plan zu einer Naturgeschichte der Fossilien. Er plante auf der Grundlage der bisherigen Fossilienforschung, einzelne Stücke erneut einer ge- nauen Untersuchung zu unterziehen. Dies sollte vor allem mit Hilfe chemischer Experimente geschehen, die seiner Meinung nach bisher kaum in den Prozeß der Beschreibung miteinbezogen worden seien. Auch möchte er die bisher geltende Vorstellung von den Fossilien als Resten der biblisch verbürgten Sintflut einer Kritik unterziehen.202 Im Vorwort zum ersten Band seiner Natural History of Fos- sils, die zehn Jahre später, 1756, im Druck erschien, hat er dieses Unternehmen weiter erläutert. Sein Ziel ist es, die Mängel in den Arbeiten seiner Vorgänger zu vermeiden und zu berichtigen: »I have attentively examined the Woodwardian and Wallerian systems, and, find- ing them defective, have presumed to form a new one from the principles of both. I have endeavoured to arrange Fossils, not only according to their growth, texture, and structure, but also their principles and qualities, as discovered by the aid of fire, and acid menstrua.«203 Woodwards Kriterien für die Ordnung der Fossilien basierten auf ihrer äußeren Erscheinung.204 Hingegen ermöglichte die Berücksichtigung der Wallerius’schen Chemie der Mineralien von 1747 eine Erweiterung und Verfeinerung des Merk- malskatalogs: Zusammensetzung und innere Struktur der Objekte konnten mit- einbezogen werden. Daß Woodward sich in seinen Arbeiten vor allem auf eine genauere äußere Beschreibung der Objekte konzentrierte, hing mit der spezifischen Fragestellung der Naturforscher um 1700 zusammen. Sie sahen ihre Aufgabe darin, durch einen Vergleich zwischen Fossilien und den lebenden Arten die Theorie zu untermauern, daß es sich bei den Fossilien um Zeugnisse einst lebender Arten handele. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts richtete sich das Interesse vieler Forscher dagegen weniger auf diese Vergleiche als vielmehr auf die komplizierte innere Be- schaffenheit der Mineralien und mehr auf ihre Zusammensetzung denn auf ihre

199 Ebenda. 200 Siehe ebenda. 201 Siehe The Oxford English Dictionary, Bd. IV, Oxford 1970, S. 345. 202 Siehe Mendes da Costa an Johann Albert Ritter, London, 1. Dezember 1747 (Alter Stil), BL, Add. 28.541, fol. 224v. 203 MENDES DA COSTA, Fossils, Bd. 1 (Preface). 204 Woodward hat die Kriterien seiner Arbeit folgendermaßen zusammengefaßt: »Gravity, Density, Solidity, the Grossess, or fineness of the Parts […] Texture, Constitution, Colours, Diaphaneity, Opakeness, Solution and Mixture with Water«. WOODWARD, Fossils, S. 22.

äußere Erscheinung.205 Dieser Haltung entspricht, daß Mendes da Costa etwa botanische Fragestellungen aus seinen Forschungen weitgehend ausklammerte.206 So knüpfte Mendes da Costa auf unterschiedliche und letztlich widersprüchli- che Weise an die Arbeiten von Vorgängern wie Woodward oder Zeitgenossen wie Wallerius an. Er profitierte dabei von ihren Beschreibungen von Fossilien, Mineralien und Gesteinen, stellte sie jedoch zugleich immer wieder in Frage. In einer Vorlesung aus dem Jahr 1770 bemerkt er: »Systems are best when formed from characters which are obvious to our senses. They ought not to be formed from the properties or constituant parts of bodies.«207 Systeme könnten, so Mendes da Costa, allein als »artificial memory« zur Erleichterung des Fossilien- studiums dienen, seien jedoch nutzlos im Hinblick auf eine Beschreibung natür- licher Eigenschaften.208 An dieser Stelle äußert er deshalb implizit Kritik am Stellenwert chemischer Analysen, die er mit Blick auf Wallerius noch 1747 als wichtiges Hilfsmittel bei der Untersuchung von Mineralien gelobt hatte. Die »properties or constituant parts«, worunter chemische Eigenschaften verstanden werden können, erweiterten den Merkmalskatalog. Doch je mehr Merkmale, de- sto schwieriger wird die Aufstellung eines durchschaubaren Systems. Auch gegenüber einem anderen ›Chemiker‹ unter den Mineralogen, dem Schwe- den Axel Cronstedt, war Mendes da Costa höchst kritisch eingestellt, obgleich er dessen 1758 erschienenes Buch 1770 erstmals ins Englische übersetzt hatte.209 Mendes da Costa schreibt: »Chymical Elements are not the offspring of Nature […] & tho Cronsted’s book is a learned & laborious work it is often as mystical as an Alchymist are as often grounded on Ideal data & wrong conclusions.«210 Die Bemerkung, daß eine chemische Analyse auf ›okkulten Qualitäten‹ basiere, ist hier sicherlich als Polemik zu werten.211 Weit wichtiger ist Mendes da Costas Einwand, daß auf diese Weise eine Fülle verschiedenster Merkmale – also eine Merkmalsextension – in die Beschreibungen Eingang findet und eine verbindli- che Systematik damit letztlich unmöglich wird. Die von Mendes da Costas 1747 unter Berufung auf Wallerius ins Auge gefaßte ›grammer of fossils‹ verliert sich, vor allem gegen Ende seines Lebens, in eine Viel- zahl unterschiedlicher und zuweilen widersprüchlicher Stellungnahmen im Hin-

205 Siehe LAUDAN, Mineralogy, S. 27. 206 »For my part, I am so very little skilled in botany, that I hardly presume to offer my opin- ion«. Emmanuel MENDES DA COSTA, An Account of the Impressions of Plants on the Slates of Coals. In a Letter to the Right Honourable George Earl of Macclesfield, in: Philosophical Transactions 50 (1757), S. 228–35, hier S. 228. 207 RCS, Tracts 13.247(2), S. 14. 208 Siehe ebenda. 209 Siehe CRONSTEDT, Essay, und oben, S. 246. 210 Mendes da Costa an John Anderson, London, 10. Februar 1776, BL, Add. 28.534, fol. 29r. 211 »We laught to scorn the Old Authors for discovering their ignorance by their occult qual- ities while we now […] only subsituting other terms as little to be comprehended or defined as their occult qualities were.« Ebenda. 278 Forschung blick auf einen tragfähigen Merkmalskatalog. Eine Grammatik der Fossilien im Sinne eines einheitlichen und verbindlichen Systems, das es ermöglichte, Gesteine, Mineralien und Fossilien überzeugend zu beschreiben, hat Mendes da Costa nicht vorgelegt. Statt dessen propagierte er den genauen Blick auf die Zusammenset- zungen der einzelnen Mineralien und Fossilien. An seinem Vorgehen läßt sich das grundlegende Dilemma eines jeden Systematikers im 18. Jahrhundert illustrieren. Er muß die Zahl der Merkmale seiner Forschungsobjekte zu reduzieren versuchen und sieht sich gleichzeitig vor die Notwendigkeit gestellt, in der Vielzahl unter- schiedlichster Erscheinungen diesen Merkmalskatalog ständig zu erweitern.

3.4 Der kritische Blick auf das Detail

Die Bestände einer naturhistorischen Sammlung bieten dem Betrachter ihre Außenseite dar. In den Reihen der Regale und in den Schubladen geordnet fin- den sich die wohlpräparierten Zeugnisse des Sammeleifers, die in ihrer Integrität nicht angetastet werden, handelt es sich nun um Fossilien, Tierknochen, Mu- scheln oder getrocknete Pflanzen. Die deskriptive Naturgeschichte nimmt in der Regel die Merkmale der Oberflächenstruktur zum Ausgangspunkt weiterführen- der Systematiken und Vergleiche. Die äußere Form, die Farben und standar- disierte Kriterien wie etwa Gewicht, Abmessungen oder die Zahl bestimmter Merkmale sind hier entscheidend. Hinzu kommen nicht näher quantifizierbare Eigenschaften wie bei Pflanzen deren medizinische Wirkung oder bei Tieren bestimmte Verhaltensmuster. Doch entstand mit dem Blick auf die Oberfläche der Dinge gleichzeitig das Bedürfnis, sie aus der Nähe zu betrachten und die dem Blick zunächst verborge- nen Strukturen zu ergründen und darzustellen. In der medizinischen Anatomie war dies schon seit langem gängige Praxis, wobei zu Beginn des 17. Jahrhunderts zum Seziermesser des Anatomen das optische Hilfsmittel des Mikroskops hinzu- kam. In diesem Zusammenhang zeigt sich die naturhistorische Sammlung als ein Ort, an dem die normalen Sehgewohnheiten des Betrachters auf die Probe ge- stellt werden. Querschnitte und präparierte Fragmente machen die Naturobjekte en détail sichtbar und tragen auf diese Weise zu einer Erweiterung des Blickfeldes bei. Aus der Sammlung wird ein Labor, in dem die Natur seziert, unters Mikroskop gelegt oder in anderen, experimentell bestimmten Zusammenhängen näher untersucht wird. Diese erweiterte Funktion der Sammlung stellt sie jedoch in ihrem ursprünglich konservierenden Gehalt in Frage. Gegenüber Johann Philipp Breyne bemerkte der Petersburger Botanikprofessor Johann Georg Gmelin über die richtige Methode der Untersuchung der äußeren und inneren Struktur von Muscheln: »Es kommt mir hart vor, methodum testaceam ab interna structura et externa zugleich zu nehmen. Wann man ihn könnte von der externa allein haben, so wäre es mir lieber. Der methodus a structura interna simul ist gut vor einen, der genug Muscheln zu verbrauchen hat damit er die internam structuram fleißig betrachten könne. Aber wer wird, der ein Muschel-Cabinet von lauter uniquen piecen durch

lange Zeit gesammelt hat, eine Muschel nach der andern verlangen, um die struc- turam internam zu folgen?«212 Trotz dieser Bedenken aus der Perspektive eines um den Bestand seiner Samm- lung besorgten Besitzers ist für Gmelin klar, daß die Neugier nur durch die ge- naue Inspektion der hinter den Schalen verborgenen inneren Strukturen befrie- digt werden kann (Abb. 19). Der Konflikt zwischen der Integrität der Objekte und dem Anspruch auf Er- kenntnis führt jedoch, so Gmelin, zu zwei verschiedenen Klassen von Sammlern – genauer: zu einer Unterscheidung zwischen Sammler und Forscher. Denn der Blick in das Innere der Sammlungsgegenstände sei nur »vor die Philosophos, de- nen es ein geringes ist, alles, was sie haben, den experimentis und observationibus zu widmen, und also auch wohl eine muschel auffzubrechen«.213 Diesen sammelnden ›Philosophen‹ standen diejenigen gegenüber, die auf die Pracht ihrer Objekte zugunsten genauerer Kenntnis nicht verzichten wollten. Überspitzt for- muliert könnte man hier von einer Transformation von Objekten in Wissen und Erkenntnis sprechen, wobei das eine dem anderen geopfert wird. Der genaue Blick auf das Detail versetzte den Forscher in die Lage, traditionelle Wissensbestände mit Hilfe neuer und genauerer Untersuchungsmethoden kritisch zu hinterfragen. Der Blick etwa durch das Mikroskop und auf die offen- gelegte innere Struktur ermöglichte vor dem Hintergrund der seit dem 17. Jahr- hundert gestellten Frage nach dem Verhältnis von Kunst- und Naturgegenstän- den, von naturalia und artificialia, naturgeschichtliche Phänomene genauer zu er- fassen und zu beschreiben. So verdankte sich etwa die Entlarvung bestimmter Sammlungsobjekte als Fälschung eben diesem genaueren, methodisch gesteuer- ten Hinsehen auf die Objekte. In diesen Zusammenhang gehört ebenfalls die kritische Haltung, die die Forscher gegenüber dem ›Unerklärbaren‹, dem ›Wun- der‹ einnahmen, das im Kontext einer regelhaften und geordneten Natur erklärt wurde. Schon die Arbeiten auf dem Gebiet der Systematik hatten dazu geführt, das Ungewöhnliche von dem Normalen zu sondern, um auf diese Weise ein allge- mein verbindliches System der Naturgeschichte zu erstellen. Die mit den For- schungen verbundenen Theorien zur Herkunft und Entstehung bestimmter Ob- jekte vollzogen sich ebenfalls im Rahmen allgemein anerkannter Standards als Grundlage weiterer Forschungen. So schöpften die beiden Danziger Naturfor- scher Johann Philipp Breyne und Jacob Theodor Klein ihre Themen zwar aus

212 Gmelin an Breyne, Petersburg, 19. August 1732, Gotha, Chart. B 786, fol. 267r. 213 Ebenda. 280 Forschung

Abb. 19: Abbildung einer aufgeschnittenen Nautilusmuschel aus dem Nachlaß Johann Philipp Breynes. Kupferstich von Johann August Corvinus.

den Gegebenheiten ihrer unmittelbaren Umgebung, der Fauna und Flora des Baltikums, formulierten sie aber gleichzeitig nach den Anforderungen der inter- nationalen Scientific Community. Die von ihnen betriebenen Forschungen inner- halb der beiden Danziger Sammlungen fanden ihren Niederschlag in einer Reihe von Veröffentlichungen in den Philosophical Transactions. Der Austausch von Mei- nung, Erfahrung und Beobachtung basierte so auf gemeinsamen Bezugssystemen und Techniken, die im folgenden näher beschrieben werden sollen.214

Der Blick durch das Mikroskop Mit dem Aufkommen des Mikroskops im Verlauf des 17. Jahrhunderts erweiterte sich der Bereich des für das menschliche Auge Sichtbaren und stellte damit die

214 Zur Funktion von Zeitschriften im wissenschaftlichen ›Großbetrieb‹ des 20. Jahrhunderts siehe SOLLA PRICE, Little Science, und LATOUR, Science, S. 69–161. bisherigen Seherfahrungen in Frage. Wie das Teleskop den Blick in bisher nicht wahrgenommene Fernen ermöglichte, so erlaubten die optischen Vorrichtungen des Mikroskops eine neue Sicht auf und gewissermaßen hinter die glatte Oberfläche der Dinge.215 Robert Hooke, Gründungsmitglied der Royal Society und einer ihrer aktivsten Naturforscher, verweist im Vorwort zu seiner Micro- graphia von 1665 explizit auf diese Erweiterung des menschlichen Blickfeldes in zwei Richtungen: »By the means of Telescopes, there is nothing so far distant but may be repre- sented to our view; and by the help of Microscopes, there is nothing so small, as to escape our inquiry: hence there is a new visible World discovered to the under- standig.«216 Bis 1700 erschienen dann zahlreiche weitere Werke, die sich mit der Technik und den Möglichkeiten mikroskopischer Beobachtung befaßten, darunter Filippo Bonannis Curiosa aus dem Jahr 1691.217 Bonanni (1638–1725) war zeitweise Kurator der Sammlungen des Collegium Romanum in Rom gewesen und hatte schon zuvor ein Buch über Schnecken unter dem Titel Ricreatione dell’occhio e della mente nell’ osservation’ delle chioccide veröffentlicht.218 Er hebt wie sein Vorgänger Hooke den Blick auf bisher unbekannte und noch zu entdeckende Welten hervor. Doch anders als bei dem trockenen Empiriker aus London verweist für ihn dieses Instrument besonders auf die Herrlichkeit der Schöpfung Gottes. Es sei, so Bonanni, nun die Möglichkeit gegeben, weitere Seiten im Buch der Natur zu lesen und den von Gott bisher verborgenen Geheimnissen auf die Spur zu kommen.219 Die Erweiterung des empirischen Horizonts brachte jedoch gleichfalls ein ge- wisses Unbehagen mit sich. Denn wo waren die Grenzen des Sichtbaren abzu- stecken? Der Mensch als Beobachter der Natur sah sich unversehens in die Mitte zwischen dem unendlich Großen und dem unendlich Kleinen gestellt. Zwar trug der Blick hinter das gewohnt Sichtbare einerseits im Sinne empirischer Forschung zu einer ›Demystifizierung‹ des Unsichtbaren bei, andererseits jedoch taten sich

215 Siehe zur Geschichte und Rezeption dieses Instruments Catherine WILSON, The invisible world. Early modern philosophy and the invention of the microscope, Princeton 1995, NICOLSON, Science, und Reginald S. CLAY/Thomas H. COURT, The history of the microscope, compiled from original instruments, up to the introduction of the achromatic microscope, London 1975 (EA 1932). 216 Robert HOOKE, Micrographia: or some Physiological Descriptions of Minute Bodies made by Magnifying Glasses. With Observations and Inquiries therupon, London 1665 (Pre- face). 217 Filippo BONANNI, Observationes circa Viventia, quae in Rebus non Viventibus Reperiun- tur. Cum Micrographia Curiosa sive Rerum minutissimarum Observationibus, quae ope Micro- scopii recognitae ad vivum exprimuntur …, Rom 1691. 218 Filippo BONANNI, Ricreatione dell’occhio e della mente nell’ osservation’ delle chioccide, Rom 1681. 219 »Deus enim hinc vastum Terrarum Orbem magni voluminis instar composuit, in quo suas dotes explicarentur, aliquae aureis notis, aliquae arcanis, aliae maximis aliae minimis characteri- bus, qui sine ope microscopij nunquam legi possunt.« BONANNI, Observationes, S. 34. 282 Forschung hinter den Grenzen des für das menschliche Auge Sichtbaren unerwartete Ab- gründe auf.220 Das Vertrauen auf die wohlgeordnete Schöpfung Gottes erfüllte deshalb die Aufgabe eines notwendigen Korrektivs. Denn die Betrachtung des Kleinen offenbarte nicht zuletzt die Perfektion der von Gott geschaffenen Dinge. Verglich man ein vom Menschen hergestelltes Leinengewebe in seiner Struktur mit den, so Hooke, »tiny works of nature«, so erwiesen sich letztere als weitaus vollkommener.221 Mit dem Blick durch das Mikroskop zeigt sich somit ein Grundproblem jeder erweiterten Empirie: der Verlust eines ordnenden Bezugs- punktes einerseits und andererseits die damit gleichzeitig verbundene Möglich- keit, die Feinstruktur der Natur als Ausdruck einer allweisen Schöpferkraft Got- tes zu sehen.222 Ohne weitergehende Spekulationen dieser Art waren Mikroskope aber immer rückgebunden an die in den Kabinetten der Zeit inszenierte Kultur des Sichtba- ren und erfüllten auf diese Art durchaus populäre Erwartungen. Weniger genaue Empirie als vielmehr das Interesse an der Darstellung des Wunders und des Ku- riosen bestimmten die Erläuterungen und Abbildungen der Micrographia Nova, die der Nürnberger Johann Frantz Griendel von Ach 1687 der Öffentlichkeit vor- stellte.223 In diesem Werk finden sich im Sinne eines kuriosen Panoptikums Bil- der von vergrößerten Läusen, Ameisen, Fliegen, Würmern und anderen kleinen Tieren. Unscheinbares und Gewöhnliches wird mit Hilfe optischer Vorrichtun- gen ins Monströse vergrößert und der Blick durchs Mikroskop damit zu einer Reise in ferne exotische Länder. Bei der Betrachtung von Läusen kommt ihm in den Sinn: »Es seynd zu den Zeiten der Römer auf ihren Amphitheatris und grossen Schau- Plätzen wunderliche und selzame Kämpffe mit Menschen und wilden Thiern vor- gestellet worden. Wan ich eine Luß und einen Floh gleichsam zweyer Wunderthiere Kampf unter mein Vergrösser-Glaß/ als auf einen curieusen Schau- Platz legte; hat sich zwischen diesen geharnischten und gestachelten Unthieren/ ein dermassen hefftiger Streit erhoben/ daß man es mit Verwunderung nicht genugsam beschreiben kan/ wie sie ihre stachlichte Füsse und Klauen einander in den Leib gesetzt/ mit ihren Rachen und Rüsseln einander im Augenblick angefasst und gebissen/ daß das Geblüt vor Zorn sich in ihren Leibern hefftig

220 Siehe WILSON, World, S. 62 f. Ein Unbehagen, das Philosophen bis in die Gegenwart beschäftigt. Siehe HACKING, Einführung, S. 309–347. 221 Siehe NICOLSON, Science, S. 209. 222 »Die Wirkung, welche diese sich eröffnende zweite Unendlichkeit der Natur auf die Ein- bildungskraft und das Weltgefühl des Menschen hatte, war zwiespältig. Auf der einen Seite hat- te sie etwas höchst Unheimliches an sich […] Auf der anderen Seite lieferte sie offenbar weitere eindrucksvolle Beweise für die unerschöpfliche Fruchtbarkeit der Natur und zugleich für ihre bewundernswerte Ökonomie.« Arthur O. LOVEJOY, Die große Kette der Wesen. Geschichte eines Gedankens, Frankfurt a. M. 1985 (engl. 1936), S. 286. 223 Siehe Johann Frantz GRIENDEL VON ACH, Micrographia Nova Oder Neu-Curieuse Be- schreibung Verschiedener kleiner Cörper Welche Vermittelst eines absonderlichen von dem Authore neuerfundenen Vergrösser-Glases Verwunderlich groß vorgestellet werden. Samt Bey- gefügten deroselben Abbildungen in vierzehen Kupfferplatten bestehend so nützlich als er- götzlich ans Licht gegeben, Nürnberg 1687.

bewegt/ eins über das andere gefallen und gekrochen und nicht anderst anzusehen ware/ als ob anstatt der Luß ein Crocodill/ und deß Flohes/ wie ein geharnischtes Rinoceros mit einander kämpfften/ und streiteten.«224 Der Objektträger des Mikroskops wurde so zum Theater, zu einer Art verklei- nertem Kabinett, in dem die Vorkommnisse der großen Welt sich wiederholten. Nicht die Entdeckung des Neuen im Sinne einer erweiterten Empirie lag diesen Beobachtungen zugrunde, sondern das Bezugssystem ist das Kuriose, das sich ebenso in der makroskopischen wie auch der mikroskopischen Welt fand. Grien- del von Achs Erfahrung der mikroskopischen Welt seiner Stubenfauna ist wie ein später Reflex auf die erzählten Welten des 16. Jahrhunderts. Die in seinen Ab- bildungen vorgestellte Welt gemahnt weit mehr an diejenige des François Rabe- lais und seiner gargantuesken Dimensionsverschiebungen als an die der moder- nen Baconschen Empirie oder die seines unmittelbaren Vorläufers Hooke, auf den er ja im Titel direkt Bezug nimmt.225 Die Erfahrung des Kuriosen ist immer auch eine erzählte Erfahrung. Eine Schwierigkeit bei Beobachtungen dieser Art war von Beginn an der Zwei- fel an der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse. Mikroskope waren keineswegs überall verfügbar und ihre Leistungsfähigkeit hing in vielen Fällen von dem Ge- schick des jeweiligen Beobachters ab, der zuweilen Naturforscher und Erfinder in einer Person war: So etwa im Falle des Tuchhändlers Antoni van Leeuwenhoek, einem der Pioniere mikroskopischer Untersuchung, der sich in seiner Freizeit mit der Herstellung von Mikroskopen beschäftigte. Als er ab 1674 in einer Reihe von Briefen an die Royal Society seine Beobachtungen über kleine Tiere in Wassertropfen mitteilte, stieß er auf Zweifel seitens der Forscherkollegen. Da ähnlich leistungsfähige Mikroskope in London zunächst nicht verfügbar waren, war niemand in der Lage, diese Beobachtungen zu überprüfen. Eine Reihe von Testaten von Augenzeugen sollte deshalb die Glaubwürdigkeit seiner Entdek- kungen sicherstellen.226 Hinzu kam, daß der Holländer aus der Herstellung seiner Mikroskope ein Geheimnis machte. Noch 1709 berichtete ein gewisser William Adam an Sloane über seine Bemühungen, ein leistungsstarkes Mikroskop herzustellen, und verwies dabei auf seinen Vorläufer Leeuwenhoek, dessen In- strumente er benutzen, aber offenbar nicht näher inspizieren konnte:

224 Ebenda, S. 16. 225 Diese Dimensionsverschiebungen im Sinne einer ›verkehrten Welt‹ sind bei dem franzö- sischen Erzähler allgegenwärtig. Aber die Welt auf dem Kopf ist immer auch die schon gewohn- te Welt des ›alles wie bei uns‹. Die von ihm erzählten Welten rekurrieren immer wieder auf dieses Verhältnis von Monstrosität und Gewöhnlichkeit, wie etwa Erich AUERBACH, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, 8. Aufl. Bern 1988, S. 256, dargelegt hat. 226 Siehe Philippe BOUTIBONNES, Antoni van Leeuwenhoek (1632–1723). L’exercice du re- gard, Paris 1994. 284 Forschung

»I had not an opportunity of examming Mr. Leuwenhoecks glasses particulary which is a favor he allows to no one for I am not capable at this distance to describe either their make or use«.227 Doch auch in England wurde die Leistungsfähigkeit von Mikroskopen seit den ersten Beobachtungen Hookes stetig verbessert. Um die Mitte des 18. Jahrhun- derts konnte George Adams die Entwicklung dieses Instruments im historischen Rückblick würdigen, wies gleichzeitig aber darauf hin, daß es noch nicht die Be- achtung gefunden habe, die es eigentlich verdiene. Im Auge hatte er neben den professionellen Naturforschern diejenigen, die sich in ihren Mußestunden mit der Betrachtung der Natur beschäftigten. Noch immer, so Adams, bereite der Umgang mit Mikroskopen Schwierigkeiten: »The Microscope is an Instrument so curious and entertaining, and so generally esteemed amongst the learned Part of the World, that one great Reason of its being so much disregarded by Men of Leisure and Fortune, must be owing to the Difficulty of using some of those, which have been hitherto invented.«228 Einer weiteren Verbreitung stand ebenfalls der hohe Preis im Wege. Von dem von Robert Hooke 1665 verwendeten Mikroskop wissen wir, daß es damals mehr als acht Pfund gekostet hat. Noch um 1700 konnten sich nur wenige Forscher ein solches Instrument leisten.229 Zu ihnen gehörten beispielsweise Sloane und Christoph Gottwaldt. Letzterer widmet einem Mikroskop sogar eine Abbildung innerhalb des von ihm zusammengestellten Sammlungskataloges (Abb. 20).230 Das Instrument ist recht aufwendig konstruiert: Der Tubus läßt sich mittels einer Stellschraube in der Vertikalen und einer speziellen, mehrgliedrigen Halte- rungsvorrichtung in der Horizontalen bewegen.231 Letztere weist darauf hin, daß dieses Mikroskop vor allem für anatomische Untersuchungen eingesetzt wurde, denn diese Vorrichtung ermöglicht es, den Tubus bei der Betrachtung von grö- ßeren Tierkörpern exakt in die gewünschte Position zu bringen. Zur Fixierung dieser größeren Objekte diente der rechts oben abgebildete Objektträger mit sei- nen verschiedenen Riemen und Ösen. Ein kleinerer Objektträger herkömmlicher Bauart ist dagegen rechts neben dem Tubus zu erkennen. Neben dem zusam- mengesetzten großen Mikroskop verwendete Gottwald auch einfache

227 William Adam an Sloane, Norwich, 2. August 1709, BL, Sloane 4042, fol. 32r. 228 George ADAMS, Micrographia Illustrata, or, The Knowledge of the Microscope ex- plain’d …, London 1747, S. 6. 229 Siehe CLAY/COURT, Microscope, S. 95. 230 Zu Sloane siehe J. C. H. KING, Ethnographic Collections. Collecting in the Context of Sloane’s Catalogue of ›Miscellanies‹, in: Arthur MACGREGOR (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Collec- tor, Scientist, Antiquary, Founding Father of the British Museum, London 1994, S. 228–244, hier S. 240, Anm. 31. Zu Gottwaldts Sammlungskatalog siehe unten, S. 294 f. 231 Für wichtige Hinweise möchte ich Herrn Dipl.-Ing. Max Seeberger herzlich danken.

Abb. 20: Mikroskop aus der Sammlungsbeschreibung von Christoph Gottwaldt (1714). Kupferstich.

286 Forschung Vergrößerungsinstrumente. So etwa eine Lupe – sie ist auf dem kleinen Objektträger plaziert – und ein sogenanntes Handmikroskop. Das Handmikroskop, dessen Handgriff vom Objektträger verdeckt ist, besteht aus einer einfachen Linse und einer beweglichen Nadel, mit deren Hilfe kleine Objekte fixiert werden können. Zusammengesetztes Mikroskop, Lupe und Handmikroskop erlaubten somit dem Beobachter, sich der Größe der zu untersuchenden Objekte der Sammlung anzupassen. Der spektakuläre Charakter der durch das Mikroskop erschlossenen Welten machte, vereinfacht gesagt, aus dem Gewöhnlichen etwas Ungewöhnliches. Der Blick auf das Detail schien zunächst wenig geeignet, die Wunder der Natur im Sinne einer strengen Empirie zu systematisieren und in ein Bezugssystem der Normalität zu stellen. So verwendete der bedeutende Botaniker John Ray bei seiner Untersuchung von Pflanzen nur ein einfaches Vergrößerungsglas und noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts warnte der Danziger Naturforscher Klein davor, sich bei der naturhistorischen Arbeit allein auf Mikroskope zu verlassen; eine allzugroße Neugier auf die verborgenen Details könne die Wahrheit verdecken.232 Aber schon um 1700 hatten Forscher wie der französische Botaniker Joseph Pitton de Tournefort oder Nehemiah Grew bei ihren Arbeiten dieses Instrument verwendet. Grew benutzte es bei seinen Forschungen zur Pflanzenphysiologie, und Tournefort konnte mit Hilfe von Vergrößerungen kleinste Blütenteile an Pflanzen entdecken, die er auf diese Weise neu systematisierte.233 Bekannt für seine mikroskopischen Untersuchungen war auch der Italiener (1628–1694), der hierdurch bahnbrechende Erkenntnisse über die Vorgänge von Befruchtung und Fortpflanzung gewann.234 Im Laufe des 18. Jahrhundert wurden das Mikroskop und sein einfacher Ver- wandter, das Vergrößerungsglas, zum unentbehrlichen Hilfsmittel in der Natur- forschung. Der Londoner Pflanzenmaler und Botaniker George Denis Ehret hat auf einem seiner Aquarelle den Prozeß mikroskopischer Untersuchung hand- schriftlich dokumentiert. Am unteren Rand eines Blattes einer amerikanischen Zierpflanze (calycathus floridus L., 1750) notierte er: »Die Zahl der Stamina [Staubblätter] ist etwas ungewiss, habe verschiedene exa- minieret aber nicht mehr biß 18 oder 20 darinnen gefunden: Daß Filamentum [Staubfaden] eines Jeglichen Stamen gehet über seinen Apex [Spitze] hinüber und hat einen runden weißen Knopf, so auch haben dergleichen die Pistilli [Blüten- stempel] (Die anzahl derer seynd ungewiss) ein rundes weißes Stygma [Zeichen], und waß daß besondere noch mehr ist, die Petala [Kronblätter] die sich gegen de-

232 Siehe RAVEN, Ray, S. 200. Klein schreibt: »Non vitra sunt in culpa, sed hominum vis ima- ginaria, quandoque nimia novitatis cupido veritati obfirmatae caligninem offundit.« Jacob Theo- dor KLEIN, Dubia circa plantarum marinarum fabricam vermiculosam cum tribus tabulis, Peters- burg 1760, S. 31. 233 Siehe SACHS, Botanik, S. 83. 234 Siehe HANKINS, Science, S. 121.

nen Staminibus hinein bügen haben auch dergleichen (an der Spitze deßelben) weiße Knöpfe.«235 Diesen Bemerkungen entsprechend hat Ehret der Gesamtansicht der Pflanze einige Detailzeichnungen beigefügt, die den Bau der Fortpflanzungsorgane und die Lage der Staubfäden im Schnitt verdeutlichen. Daß er seine Untersuchungen unter anderem mit Hilfe eines Mikroskops vorgenommen hat, wurde von ihm ebenfalls vermerkt. Neben einer dieser Zeichnungen findet sich der Hinweis: »cum microscopio«.236 Johann Philipp Breyne gebrauchte ebenfalls gelegentlich das Mikroskop für seine naturhistorischen Arbeiten. Seine kurze Abhandlung über die Metamorphose der Schildlaus (coccus radicum) wäre ohne diesen genauen Blick auf die Details nicht möglich gewesen. Die winzigen ›Körner‹, die sich auf bestimmten Pflanzen finden, offenbaren, durch das optische Instrument betrachtet, ein ganz eigenes Leben.237 Er verfolgt die Entwicklung dieses Insekts von den winzigen Eiern über die Verpuppung im coccus bis hin zum geflügelten Insekt, mit dem dann der Zyklus erneut beginnt.238 Die verschiedenen Stadien seiner Metamorphose hat er in einem Kupferstich festgehalten, der das Insekt sowohl in seiner natürlichen Größe zeigt als auch in einer durch mikroskopische Beobachtungen angefertigten Vergrößerung (Abb. 21). Beide sind in der Abbildung jeweils gegenübergestellt: so etwa in Nr. 19a/b das geflügelte Insekt oder in Nr. 11 bis 18 die Schildlaus in den Stadien der Verpuppung.239 Wenngleich das Mikroskop lange Zeit nicht zum selbstverständlichen Instru- mentarium in Sammlungen gehörte, so eroberten sich Werke mit mikroskopi- schen Abbildungen doch recht schnell ein an populärer Naturforschung inter- essiertes Publikum. Martin Frobenius Ledermüllers Buch Mikroskopische Gemüths- und Augen-Ergötzung von 1763 ist ein Beispiel für die dauernde Faszination, die von Beobachtungen der kleinen Welt ausgehen konnte. Ledermüller hat deshalb nicht den Spezialisten im Sinn, sondern den »Liebhaber der pracktischen Natur- kunde«, der anläßlich der Betrachtung der »Haut eines Birnblats« weiter über den Bau der Pflanze, ja über den Bau der Welt, reflektiert. Wie schon achtzig Jahre zu- vor bei Griendel von Ach, finden wir hier wieder das Spiel mit den mikroskopi- schen Dimensionsverschiebungen, wobei Ledermüller nicht zuletzt aus der

235 Zit. SCHNALKE, Natur, S. 312. Das Blatt gelangte in die Sammlung des Nürnberger Natur- forschers Trew, mit dem Ehret eng befreundet war. 236 Zit. ebenda. 237 Siehe Johann Philipp BREYNE, Historia naturalis cocci radicum tinctorii, quod polonicum vulgo audit, Danzig 1731. Ein Jahr später veröffentlichte Breyne in den Transactions einen kurzen Aufsatz mit weiteren Beobachtungen zur Metamorphose der Schildlaus. Siehe Johann Philipp BREYNE, Some Corrections and Amendments … concerning the Generation of the Insect called by him Coccus Radicum, in his Natural History thereof …, in: Philosophical Transactions 37 (1732), S. 444–447. 238 Siehe BREYNE, Corrections, S. 445 f. 239 Siehe BREYNE, Cocci Radicum (Explicatio Figurarum). 288 Forschung

Abb. 21: Die Metamorphose der Schildlaus aus Johann Philipp Breynes Historia naturalis cocci radicum tinctorii (1731). Kupferstich.

Perspektive physikotheologischen Denkens über besagtes ›Birnblat‹ schreibt: »Er siehet es aufmerksamer an; er erstaunet über den weisen Bau des Nezes und der Häutchen. Er über denket als dann die erstaunliche Menge derer Blätter auf dem ganzen Baum, welche allesamt mit gleicher Kunst gemacht sind. Und so kommt er endlich auf die grosse Hand, auf den Schöpfer, der alles dieß, und ihn und die ganze Natur und Welt, aus Nichts so herrlich hervorgebracht hat.«240

240 Martin Frobenius LEDERMÜLLER, Mikroskopische Gemüths- und Augen-Ergötzung. Be- stehend in Ein Hundert nach der Natur gezeichneten und mit Farben erleuchteten Kupferta- feln, sammt deren Erklärung, Nürnberg 1763, Tabula XLVI.

Die Wunder der Natur waren noch mitten im 18. Jahrhundert ein wichtiges Mo- vens mikroskopischer Beobachtung. Zu dieser Zeit hat das Mikroskop seinen fe- sten Platz sowohl in den Kabinetten der Liebhaber der Naturkunde als auch bei den gelehrten Naturforschern gefunden. Der mikroskopische Blick auf die Natur en détail ergänzte die Betrachtung der in den Kabinetten versammelten makro- skopischen Naturobjekte.

Anatomie Ähnlich wie die Verwendung von Mikroskopen eröffnete auch der von der Me- dizin her geläufige anatomische Schnitt durch die Objekte einen neuen Blick hinter deren Oberfläche.241 Andreas Vesalius hatte bereits im 16. Jahrhundert aufgrund eigener Beobachtungen Verbesserungen der bisher geltenden Galen- schen Schulanatomie vorgenommen und in seinen umfangreichen Tafelwerken entscheidende Anregungen für nachfolgende Forscher geliefert. Weitere Leistun- gen auf dem Gebiet der medizinischen Anatomie waren etwa die Erklärung der Blutzirkulation durch William Harvey (1578–1657) und die Beobachtungen von Marcello Malpighi auf dem Gebiet der Fortpflanzung. Mit Medizinern wie etwa Hermann Boerhaave in Leiden und Albrecht von Haller in Göttingen fanden die Pionierleistungen des 17. Jahrhunderts Eingang in eine Forschung, die in der nachfolgenden Zeit immer genauere Erkenntnisse über das Zusammenspiel und die Funktionsweise einzelner Organe zutage brachte. Daß vor diesem Hintergrund anatomische Präparate und Objekte aus dem In- neren des Körpers Eingang in die naturgeschichtlichen Sammlungen fanden, überrascht daher nicht. In Sloanes Katalogen finden sich unter dem Titel Humana insgesamt 760 Einträge, die in Alkohol konservierte Organe, Mißbildungen an Embryonen oder etwa in Körpern gefundene Steine dokumentieren.242 Viele dieser Objekte wurden entweder in Spiritus aufbewahrt oder durch die damals übliche Technik der Injizierung von Wachs konserviert, wobei bei letzterem dem genauen Verlauf der einzelnen Blutgefäße ein besonderes Interesse galt. Steine aus dem Inneren von Körpern bedurften dagegen einer weniger sorg- fältigen Konservierung, machten jedoch zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen bedeutenden Teil jeder medizinisch-naturhistorischen Sammlung aus. Das Stein- schneiden gehörte damals zu den Herausforderungen eines jeden Mediziners. Steine fanden sich – ob nun zu Lebzeiten oder post mortem herausoperiert – in den unterschiedlichsten Organen, jedoch vor allem in der Blase, den Nieren, dem

241 Siehe zur medizinischen Anatomie allgemein Roy S. PORTER, The Greatest Benefit to Mankind. A Medical History of Humanity from Antiquity to the Present, London 1997, S. 219–226; HANKINS, Science, S. 114 f., und Richard S. WESTFALL, The Construction of Modern Science. Mechanism and Mechanics, Cambridge 1977, S. 86 f. 242 Siehe Michael DAY, Humana. Anatomical, pathological and curious human specimens in Sloane’s museum, in: Arthur MACGREGOR (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Collector, Scientist, Anti- quary, Founding Father of the British Museum, London 1994, S. 69–76. 290 Forschung Magen oder der Galle.243 Sloane räumte diesen Objekten in seiner Sammlung einen bedeutenden Platz ein, nicht zuletzt deshalb, weil er in seiner medi- zinischen Praxis immer wieder mit Fällen von Steinleiden konfrontiert wurde und er mit Hilfe seiner Sammlung einzelne Krankheitsverläufe besser dokumentieren konnte.244 Zu dieser Gruppe von Steinen wurden auch die sogenannten Bezoare gezählt. Es handelte sich hierbei um Verdauungsrückstände, um Agglomerationen von Haaren oder Pflanzen, die sich vor allem in den Mägen bestimmter Tiere fanden und denen man lange Zeit magische oder heilende Wirkungen zuschrieb.245 Sie zählten zu den klassischen, exotischen Sammlungsobjekten, die in keiner größe- ren Sammlung fehlen durften. Doch für den Mediziner Sloane waren sie beson- ders im Zusammenhang mit der Entstehung von Steinen im Menschen von In- teresse: Er vergleicht Stücke aus seiner Sammlung mit denen, die ihm in seiner medizinischen Praxis begegneten.246 Zuweilen erreichten ihn sogar Berichte, in denen von Bezoaren beim Menschen die Rede war: »A ball of bezoar taken out of the gutts of a Schoolmaster in Lancashire who suffered seven years of the colic by it notwithstandig the attempts of Physicians. The center is a plumbstone stuck there with gathered [f]omentum about it wch was found in opening his body by his own direction after death to find out the cause of so great a Distemper.«247 Die sich hinter der glatten Oberfläche verbergenden Geheimnisse, die Innen- struktur belebter und unbelebter Körper, stellten eine naturhistorische Sammlung jedoch vor besondere Probleme. Wie schon im Hinblick auf die Beobachtungen durch das Mikroskop deutlich wurde, waren komplexe Strukturen meist nur durch bildliche Repräsentation zu vermitteln. Seit Vesalius stellten anatomische

243 Eine zeitgenössische Übersicht über Steine bei Menschen und Tieren sowie deren Be- ziehungen zum Mineralienreich gibt Nicolas VENETTE, Traité des Pierres qui s’engendrent dans les Terres & dans les animaux. Qù l’on parle exactement des causes qui les forment dans les Hommes, la Methode des les prevenir & les abus pour s’en garantir & pour les chasser même hors du Corps, Amsterdam 1701. 244 Siehe Hans SLOANE, Answer to the Marquis de Caumont’s Letter, concerning this Stone, in: Philosophical Transactions 40 (1738), S. 374–377, wo er auf einen Bericht Caumonts über eine Blasensteinoperation anwortet. Sloanes Sammlung von Blasensteinen ist im Katalog meist zusammen mit einer kurzen Schilderung des Patienten und seines Falles aufgeführt und stellt in diesem deskriptiven Zusammenhang von Sammlung und medizinischer Praxis eine eigene, interessante Quellengattung dar. 245 Dazu zählten auch die sogenannten Adlersteine. Ein gewisser John Percival bittet Sloane, ihm einen solchen zu medizinischen Zwecken aus dem Repository der Royal Society zu verschaffen: »My wife who is with child placed some confidence in it, and has engaged me to give you this trouble, which I hope you’l be so good to execute«. John Percival an Sloane, Charlton, 8. Juni 1721, BL, Sloane 4046, fol. 85r. Zur magischen und medizinischen Bedeutung dieser Steine siehe auch Antoine SCHNAPPER, Le géant, la licorne, la tulipe. Collections et collectionneurs dans la France du XVIIe siècle, Paris 1988, S. 27 f. 246 Siehe SLOANE, Stone, S. 375. 247 DAY, Humana, S. 71.

Tafeln, durch das Medium des Buchdrucks verbreitet, ein wichtiges Hilfsmittel eines jeden angehenden Mediziners dar. Der schon an anderer Stelle erwähnte schottische Arzt Patrick Blair veröffentlichte die Ergebnisse der von ihm vorgenommenen Sektion eines Elefanten in einer Reihe anatomischer Zeichnun- gen in den Transactions (Abb. 5). Erscheinen die Zeichnungen Blairs für den heu- tigen Betrachter noch ein wenig unbeholfen, so änderte sich dies im Laufe des 18. Jahrhunderts. Albrecht von Hallers Icones anatomicae von 1749 vermitteln dem Betrachter eine genaue räumliche Vorstellung der Lage von inneren Organen, Muskelsträngen und Blutgefäßen (Abb. 22). Das gilt ebenfalls für William Hunters Tafeln zur Anatomie des Uterus aus dem Jahr 1774, die in ihrer fast unwirklichen, veristischen Darstellungsweise die bisher erreichte Qualität anato- mischer Abbildungen weit in den Schatten stellen (Abb. 23). Die Arbeit des Anatomen innerhalb einer Privatsammlung läßt sich am Beispiel des Danziger Arztes und Sammlers Christoph Gottwaldt zeigen, dessen anatomisches Kabinett (Abb. 14) bereits vorgestellt wurde.248 Gottwaldt war nicht nur Mediziner und Besitzer einer anatomischen Sammlung, sondern zu- gleich Kupferstecher. So gehen bei ihm der neue wissenschaftliche Blick in das Innere belebter und unbelebter Körper und deren bildliche Repräsentation Hand in Hand. Seine handwerklichen Fähigkeiten spiegeln sich in den 60 Kupfertafeln, die erst- mals im Jahr 1713, dreizehn Jahre nach seinem Tod, von der Witwe seines Soh- nes Johann Christoph unter dem Titel »Catalogum Musei Gottwaldiani« in Dan- zig zum Verkauf ausgestellt wurden.249 Während die Sammlung selbst recht bald an Zar Peter I. verkauft werden konnte, befanden sich die Kupferplatten zu den Tafeln fast zehn Jahre später immer noch im Besitz der Witwe. Vermutlich von der Besitzerin beauftragt, versuchte Breyne immer wieder das Werk seinen eng- lischen Freunden schmackhaft zu machen.250 Schon 1714 hatte er Probeabzüge von den Tafeln zur Ansicht an Sloane nach London geschickt. Dieser zeigte sich zwar sehr interessiert, bedauerte jedoch zugleich, daß der Verkauf der dazuge- hörigen Sammlung schon abgeschlossen sei. Was den Katalog selbst betraf, so bemängelte er dessen unfertigen Zustand und sagte voraus, daß der Verkauf und Druck dieses Werkes schwierig werden würde.251 Tatsächlich hatte Gottwaldt die Tafeln ohne die dazugehörigen Erläuterungen seinen Erben hinterlassen. Doch sind die Abbildungen auch ohne die Kommentare Gottwaldts interes- sant genug. Sie dokumentieren die Sammlungsbestände in all ihrer Vielfalt: Es fin- den sich hier Abbildungen von Muscheln, Korallen, Tieren und Mißgeburten so- wie in diesem Zusammenhang häufig auch anatomische Detailzeichnungen. Im

248 Siehe oben, S. 172–174. 249 Siehe Breyne an Sloane, Danzig, 21. Oktober 1713, BL, Sloane 4043, fol. 197r. 250 So etwa gegenüber William Sherard: »Gottwalds Museum is not yet printed, but still in hands of his Widow. I doubt if I shall buy it, or not. If You have a Mind to it, I hope I’ll de- liver it to You for 50 Guineas«. Breyne an Willliam Sherand, Danzig, 15. September 1722, RS, Sherard Correspondence Ms. 252, S. 96. 251 Sloane an Breyne, 15. März 1714, Gotha, Chart. B 789, fol. 618r. 292 Forschung

Abb. 22: Anatomie des menschlichen Beckens in Albrecht von Hallers Icones anatomicae (1749). Kupferstich.

Abb. 23: Abbildung aus William Hunters Anatomia Uteri Humani Gravidi tabulus illustrata (1774). Kupferstich.

294 Forschung

Kontext anatomischer Forschungs- und Sammlungspraxis soll deshalb im fol- genden eine Reihe dieser Kupfer näher betrachtet werden. Zur Sektion und Präparation dienen verschiedene Instrumente: Spatel, Pinsel, Seziermesser mit Behälter, Bindfaden zum Nähen und eine Zange (Abb. 24). Auf demselben Blatt ist eine Truhe zur Aufnahme großformatiger Papierbögen zu sehen. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um die von Gottwaldt angefertigten anatomischen Zeichnungen und Kupferstiche, die an den Wänden des Museum Anatomicum zu sehen sind (Abb. 14). Tafeln mit Detaildarstellungen und anatomischen Schnitten finden sich natür- lich auch in seiner Sammlungsbeschreibung. So hat er beispielsweise einen Biber (castor) seziert (Abb. 25). Dargestellt ist hier der Schädelknochen, ergänzt unter anderem durch einen Schnitt, der die Nasenpartie und die oberen Schneidezähne aus der Vorderansicht darstellt. Bemerkenswert ist, daß die Tafel in ihrer unteren Hälfte den Biber inmitten seiner natürlichen Umgebung einer Flußlandschaft zeigt und damit die Außenansicht des Tiers mit der anatomischen Innenansicht kontrastiert.252 Verstärkt wird dieser Eindruck durch den barocken Augen- täuschereffekt (trompe l’oeil) des an die Landschaftszeichnung ›gehefteten‹ Anato- mieblatts, was die Technik der aufbereitenden und technischen Abbildungsweise gegenüber der natürlichen Landschaft hervorhebt. Die anatomische Sammlung bewahrt das Tier nicht in seiner Integrität, sondern kann nur Teile, präparierte Ausschnitte und Querschnitte, aufbewahren oder in Form von Zeichnungen erhalten. Wie wichtig Zeichnungen und besonders detaillierte Ansichten der Innenstruk- tur waren, zeigt unter anderem der Briefverkehr zwischen den beiden Danziger Nachbarn Johann Philipp Breyne und Jacob Theodor Klein. So informiert etwa Klein seinen Kollegen über laufende Untersuchungen an Seekühen (manati) und Walen (balaneae): »Versuche doch ihr Os Balaneae gegen beygehendes angegebenes Os Manati zu examinieren; ich werde meines erst wie es ist zeichnen lassen, [und] hernach drei Spuren die ich zum canali semicirculum und zur cochlea vermeyne vor mir zu ha- ben, mit gutten Feilen nachgehen, umb zu sehen wie es inwendig bewandt.«253 Spuren dieser anatomischen Tätigkeit finden sich immer wieder in den von

252 Naturhistorsche Darstellungen innerhalb einer Landschaft waren im 18. Jahrhundert durchaus üblich. Siehe dazu MÜSCH, Naturwissenschaft, S. 51, und STAFFORD, Science, S. 31. 253 Klein an Breyne, (ca. 1736), Gotha, Chart. B 787, fol. 78r.

Abb. 24: Truhe und anatomische Instrumente aus der Sammlungsbeschreibung von Christoph Gottwaldt (1714). Kupferstich.

296 Forschung

Abb. 25: Darstellung eines Bibers aus der Sammlungsbeschreibung von Christoph Gottwaldt (1714). Kupferstich.

Breyne aufbewahrten Zeichnungen, bei denen jedoch zu berücksichtigen ist, daß sie oft von professionellen Zeichnern und Kupferstechern für einen Druck um- gesetzt wurden (Abb. 19). Schon die Truhe Gottwaldts zeigt, daß bildlichen Darstellungen von Samm- lungsobjekten innerhalb der Sammlung ein besonderer Platz zugewiesen wurde. Bei Klein finden sie sich unter den rei artefactae.254 Neben Zeichnungen und Bildern von Naturalien (imagines) bewahrte er dort »sceleta foliorum et fructum« auf, bei denen es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um speziell präparierte Pflan- zen handelte. Die enge Nachbarschaft von Objekt und Zeichnung ist dabei nicht zufällig. Sowohl bei den Bildern als auch bei den Präparaten kann man von spe- ziellen Techniken der aufbereitenden Visualisierung der Sammlungsinhalte spre- chen. Von Johann Jakob Scheuchzer wissen wir, daß er für seine Publikationen systematisch Bildmaterial befreundeter Naturforscher heranzog. So bat er etwa 1732 Sloane, ihm Abbildungen für ein geplantes mehrsprachiges Tierlexikon zu überlassen.255 So entstanden regelrechte Bildarchive, aus denen die Forscher ge- eignete Abbildungen für ihre laufenden Arbeiten und Veröffentlichungen entneh- men konnten. Über das Medium des gesammelten und archivierten Bildes ver- schränkten sich so eigene und fremde Sammlungsobjekte, eine grundlegende Voraussetzung für die vergleichende Arbeit des Forschers und Sammlers an sei- nen Objekten. Bildlichen Darstellungen eng verwandt ist die anatomische Praxis der Injizie- rung von Wachs in die Hohlräume und Blutgefäße von Pflanzen und Tieren. Im Rahmen des Medizinstudiums war diese Technik der Präparation von Organen zentraler Teil der Ausbildung angehender Ärzte. Der Schweizer Student Johan- nes Geßner berichtet darüber in seinem Pariser Tagebuch: »Gegen Abend injizierten wir ein menschliches Herz mit einer wächsernen Materie. Obwohl wir mit aller Vorsicht zu Werk gingen, gelang die Sache nicht nach Wunsch, da sich die Spritze löste. So enthielten nur die wichtigeren Äste der Koronargefäße Wachs und waren aufs äußerste erweitert […] Die Masse, die wir verwendeten, war aus Wachs, Terpentin und Terpentinöl zusammengesetzt, sehr gut verflüssigt und von allem Schaum befreit.«256 Unumstrittener Meister auf diesem Gebiet der Präparation war zu damaliger Zeit der Amsterdamer Anatom Frederik Ruysch, auf den Geßner als Vorbild verweist.257 Ruysch hatte diese Technik, wie er schrieb, aus Unzufriedenheit mit den gängigen Anatomiebüchern entwickelt, deren Zeichnungen und Erläute-

254 Siehe die tabellarische Aufstellung seines Museums unter dem Titel Museo Kleiniano in einem Brief an Sloane, Danzig, 10. November 1734, BL, Sloane 4053, fol. 311r. Es handelt sich hier um den sog. conspectus V, in dem sich unter dem Stichwort Pictura der Eintrag findet: »Avium. Quadrupedum. Multipedum. Fossilium. Vegetabilium. Varia artificioses et imagines.« 255 Siehe MÜSCH, Naturwissenschaft, S. 57. 256 GESSNER, Tagebuch, S. 238 f. 257 Ebenda, S. 219. Zu Ruysch siehe Pieter SCHELTEMA, Het Leven van Frederik Ruijsch, Sliedrecht 1886, SMIDT, List, S. 235, und Meg SPILLETH, The Text in the Jar. Reading the Ana- tomical Kunstkammer, in: Eighteenth-Century Life 19 (1995), S. 28–35. 298 Forschung rungen ihm an vielen Stellen unklar waren.258 Seine umfangreiche anatomische Sammlung in Amsterdam, in der er medizinische Vorlesungen abhielt, war vor allem wegen dieser injizierten Präparate berühmt. Sein Bestreben war es, die kleinsten Einzelheiten des menschlichen Körpers klar aufzuzeigen, und er be- diente sich dabei zusätzlich bestimmter Flüssigkeiten, in die er seine Objekte einlegte. Auf diese Weise wurden die Objekte nicht nur konserviert, sondern, anders als im festen und trockenen Zustand, vor allem ihre Details sichtbar.259 Dabei hielt er jedoch sein Wissen geheim und wußte dieses Arcanum geschickt zu nutzen, als er 1717 und 1727 seine Sammlungen zum Verkauf anbot. Den Interessenten versprach er, sie bei einem Kauf zugleich in diese Technik einzu- weihen.260 Über diese Sammlung und ihren Besitzer erfahren wir näheres aus einem Be- richt des Sloane-Enkels Rose Fuller, der in Leiden Medizin studierte und Ruysch 1729 in Amsterdam besuchte: »But what are much the most curious in his collection, and indeed of any thing I have ever seen are his preparations of Vegetables and their parts, by which he endeavours to prove the analogie betwixt them and the bodies of animals, and believes that there is a circulation of juices as well in plants as in us; he shewed several preparations of Turnips Pears Apples and by which he confirms his opinion, and which had vessels branches out exactly like the arteries in the lungs, but in these we cou’d not see the returning veins: however in the Sceleton of a Leaf which he afterward shewed us, we saw plainly two distinct series of vessels which I think cou’d not be destin’d for any other use than circulation; he also shewed us some parts of fruit injected, and particularly the Skin of an Apricot, which I looked att with the greatest exactness.«261 Die Wirkung dieser präparierten Objekte war so groß, daß Fuller daran zweifelte, ob sie nicht bemalt seien, eine Technik, die andere Sammler zuweilen praktizier- ten.262 Deutlich wird jedoch vor allem, daß die Wirkung eines injizierten Präpa- rats derjenigen einer Zeichnung oder eines gemalten Bildes gleich sein konnte. Anatomen und Sammler bedienten sich dieser Technik sowohl dazu, um im wis- senschaftlichen Sinne Details sichtbar zu machen, als auch dazu, den unvorbe- reiteten Betrachter in Staunen zu versetzen. Fullers Erstaunen schlägt bald in Neugier um. Er fragt, auf welche Weise diese Präparate entstanden seien. Ruysch hält seine Technik jedoch geheim, obwohl er,

258 »In deselve veele duystere saken voorquamen«. Frederik RUYSCH, Het eerste anatomisch cabinet (Vorrede), in: RUYSCH, Thesaurus anatomicus. 259 »In dit Collegie sal ik alle partyen, ja ook alle de kleenste deeltjens van ’s menschen Lig- haam aanwysen, en sijn dese voor ’t grootste gedeelte, in een seer heldere voght [helle Flüssigkeit] gehangen, waar door veele zaken klaarder kunnen werden gezien, als buyten de Voght, gedrooghtt en hard gemaakt zynde.« Frederik RUYSCH, Het sesde anatomisch cabinet (Vorrede), in: RUYSCH, Thesaurus anatomicus. 260 Siehe SMIDT, List, S. 235. 261 Rose Fuller an Sloane, Leiden, 30. Juli 1729, BL, Sloane 4050, fol. 160r. 262 »I am very confident it was injected, and not painted as I have heard Mr. St Andre and some others have done in their preparations of this sort.« Ebenda. wie Fuller bemerkte, schon halb blind und taub am Rande des Grabes stand und Kenntnissse dieser Art für die gelehrte Welt von höchstem Nutzen seien.263 Der Grund für diese hartnäckige Verschwiegenheit lag, so ist zu vermuten, nicht nur in der Eitelkeit des Sammlers, sondern in dem inszenatorischen Charakter dieser Technik selbst. Sie diente einerseits, von anderen auf weniger perfekte Weise geübt, als Allgemeingut der medizinischen Forschung und Ausbildung, anderer- seits erhöhte gerade das Geheimnis um die Herstellung dieser Präparate ihre Wir- kung auf den Betrachter, indem sie den überraschenden Einblick in die verbor- genen Welten unter der Oberfläche der Haut als besondere, nichtalltägliche Erfahrung bestehen ließ. Diese Tradition der Wunderkammer spielte auch in an- derem Zusammenhang eine wichtige Rolle. So fügte Ruysch exotische Gewächse und anatomische Präparate zu barocken Allegorien zusammen und konfrontierte den Betrachter mit einer Welt der Vergänglichkeit und des Todes.264 Im Falle anatomischer Präparate gilt der für jede Naturaliensammlung grundsätzliche Wi- derspruch zwischen individueller Inszenierung und dem Anspruch auf wissen- schaftliche Transparenz. Ruysch läßt sich in dieser Hinsicht geradezu mit einem Alchemisten oder Magier vergleichen, der sein Wissen oder die Tricks vor dem Betrachter verbirgt, um die Wirkung, die Schaulust zu erhöhen. Im Gegensatz zu Ruysch war der Amsterdamer Apotheker und Sammler Al- bert Seba durchaus bereit, die Geheimnisse seiner Präparationstechniken mit- zuteilen. Unter explizitem Verweis auf die Geheimniskrämerei seines Amster- damer Kollegen sandte er 1728 ein Paket mit Pflanzenpräparaten an Sloane: »Nehme die freyheit an, Ihro Excellenz ein kleines present zu verehren, von ana- tomischen Früchten und Blättern; vielleicht wird diese praeparation schon be- kandt seyn, der Herr Profesor Rüysch alhier, hat auch davon gemacht, und hält eß sehr geheim wie eß prepariret wird, allein wen ich Ihro Excellenz damit dinen kann belibe zu befehlen, dieses ist mein eigen praeparation.«265 Es handelte sich um eine kleine Sammlung von Äpfeln, Birnen, Pflaumen und Pfirsichen mit den dazugehörigen Blättern, deren innere Struktur Seba durch sorg- fältiges Austrocknen sichtbar gemacht hatte, also eine Methode, die Ruyschs In- jizierung mit flüssigem Material genau entgegengesetzt war.266 In seinem Pflanzenkatalog hat Sloane später dieses Geschenk genau beschrie- ben. Besonders beeindruckt hatte ihn dabei offenbar einer der präparierten Pfir- siche:

263 »I wou’d have very willing have known from him how he made these sort of prepara- tions, but when I had with the greatest difficulty (for he is exceeding deaf and allmost blind) made him understand what I wanted, he laughed heartily shaking his head and saying non, non, att which indeed I was somewhat surprised, not imagining that a man of his years cou’d pay off any satisfaction by concealing a thing which cou’d be of no advantage to himself, but might be a very great one to other people«. Ebenda, fol. 161v. 264 »Many specimens in Ruysch’s museum were ›articulated‹ – given the ability to ›pronounce‹, to teach – through verbal proverbs and visual allegories.« SPILLETH, Text, S. 29. 265 Seba an Sloane, Amsterdam, 7. Februar 1728, BL, Sloane 4050, fol. 99r. 266 Seba an J. K. Scheuchzer, Amsterdam, 7. Februar 1728, BL, Sloane 1968, fol. 22r. 300 Forschung

»A peach with the outward coat taken off, on one side of this peach the flesh also hath been stript off, to shew how the arteries are interwove with each other, and after what manner the sap attracted from the roots must circulate through them, when upon the Tree: another peach almost wholly deprived of its flesh with the stone in its natural situation, enclosed with a particular sort of arteries or sapvessels, which have a communication with those above, the sap circulating through both, till the fruit is ripe.«267 Wie schon bei der Injizierung von Wachs konnte hier der Fluß der zur Lebens- erhaltung und Wachstum notwendigen Säfte sichtbar gemacht werden. Das er- leichterte nicht nur das Studium der betreffenden Pflanzen selbst, sondern konn- te auch im Vergleich mit anderen Organismen allgemeine Baugesetze deutlich machen. Schon gegenüber Rose Fuller hatte Ruysch sich in dieser Richtung ge- äußert: »He shewed several preparations of Turnips Pears Apples and by which he con- firms his opinion, and which had vessels branches out exactly like the arteries in the lungs«.268 Doch ließ es Seba nicht allein bei diesem Geschenk bewenden. Noch im gleichen Jahr schickte er einen Aufsatz an Sloane, in dem er seine Präparationstechnik genau erläuterte.269 Im wesentlichen ging es hierbei darum, die Haut vom Fruchtfleisch und den weichen Teilen der Blätter zu lösen, was Seba durch das Einlegen in Wasser und leichte Erhitzung bewerkstelligte. Die so gewonnenen Häute oder Membranen wurden dann weiter getrocknet, in der Hoffnung, daß auf diese Weise die einzelnen Gefäße und Adern sichtbar würden. Es scheint, als habe Seba im Gegensatz zu Ruysch die Technik der Injizierung nicht angewandt, denn anders als der Anatom dürfte der Apotheker mit den Injektionspraktiken der Mediziner weniger vertraut gewesen sein. In seinem Aufsatz schreibt Seba: »I have invented the abovesaid Preparation through my own Speculation, and with great Pains, without the Assistance of any Man living: I have made frequent Experiments of it, and do now communicate it very freely and readily.«270 Auf diese Art präparierte Blätter exotischer Pflanzen fanden dann Eingang in seinen großen Sammlungskatalog, den Thesaurus (Abb. 9). All diesen Techniken der anatomischen Präparation gemeinsam ist jedoch der Wunsch, die unter der Oberfläche verborgenen Details und Strukturen der Natur dem Betrachter sichtbar zu machen. Darüber hinaus verweisen diese Präparate

267 ›Vegetables and vegetable Substances‹, NHMB, Banks Collection, Nr. 8666. 268 Rose Fuller an Sloane, Leiden, 30. Juli 1729, BL, Sloane 4050, fol. 160r. 269 Siehe Albert SEBA, The Anatomical Preparation of Vegetables …, in: Philosophical Transactions 36 (1729), S. 441–444. Seba hatte den Aufsatz bereits 1728 an Sloane geschickt. An seinen Sekretär J. K. Scheuchzer schrieb er: »Habe itzund an dem Herrn Chevalier Sloane selbst geschrieben, und Ihm die description der Vegetabilischen Anatomie communiciret, da Mssr. ohnfehlbahr weil eß in hochteutsch geschrieben translateur von seyn wird.« Seba an J. K. Scheuchzer, Amsterdam, 14. September 1728, BL, Sloane 4066, fol. 54r. 270 SEBA, Preparation, S. 444. implizit auf die Vergänglichkeit alles Geschaffenen: Das Außergewöhnliche und Wunderbare hatte nur solange Bestand, wie es in der Sammlung aufbewahrt werden konnte. Seba bemerkt: »Hence one must acknowledge the inimitable Wonders of the almighty, how wonderfully he has created every thing, yet so that all Creatures in Nature tend to Corruption. Therefore God having done every thing well, we ought to honour, praise and thank him for his Mercy, Goodness and Kindness, which in his Love he has made Mankind Partakers of.«271 Im Falle der Anatomie ist die Legitimation der Forschung durch die Physiko- theologie, der Verweis auf die Wunder Gottes in der Natur, allgegenwärtig. Doch was bedeutet in diesem Zusammenhang der Begriff ›Wunder‹ für die Naturfor- scher des 18. Jahrhunderts?

Wunder der Natur Der Blick auf die Details der in den Sammlungsräumen ausgestellten Objekte mittels Mikroskopen und anatomischen Darstellungen vollzog sich vor dem Hintergrund eines grundsätzlichen Deutungswandels im Hinblick auf die Erschei- nungen der Natur. Schon im Zusammenhang mit der Tradition der Wunderkam- mern des 16. und 17. Jahrhunderts wurde darauf verwiesen, daß die Naturfor- scher lange Zeit keine klaren Trennungen zwischen der Welt der Natur, den naturalia, und der Welt der Kunstgegenstände, den artificialia, zogen. Daß beider Verhältnis im Laufe des 17. Jahrhunderts zunehmend problematisch wurde, hing eng mit einer kritischen Haltung der Naturforschung gegenüber dem vielfältigen Phänomen des Naturwunders zusammen.272 Schon Francis Bacon hatte zu Beginn des 17. Jahrhunderts seinen kritischen Blick auf die Rolle von Wundern und Anomalien im Reich der Natur gerichtet. Für viele seiner Zeitgenossen war die Natur immer noch ein Feld, dessen Erfor- schung unter dem Leitbegriff des Wunders vielfältige Interpretationsspielräume im Hinblick auf das Wirken und Eingreifen Gottes auf die Geschicke des Men- schen bot. So wurden Erscheinungen wie etwa Monstren oder Kometen vor dem theologischen Horizont göttlicher Zeichen, der sogenannten Prodigien, gedeutet und verwiesen damit nicht selten als düstere Vorzeichen auf kommende Katastrophen.273 Doch mit Bacon setzte vor diesem Hintergrund eine Entwick- lung ein, die Phänomene dieser Art zum Gegenstand der Naturgeschichte machte und sie, aus einer systematischen Bemühung um eine Bestandsaufnahme des Wissens heraus, in ihren verschiedenen Wirkungen zu erklären und zu deuten versuchte. Wunder verloren ihre autonome Stellung im Zusammenhang theolo-

271 Ebenda, S. 443. 272 Siehe DASTON/PARK, Wonders, S. 25, PARK/DASTON, Conceptions, und Heinrich SCHIPPERGES, Natur, in: Otto BRUNNER/Reinhard KOSELLECK (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 4, Stuttgart 1978, S. 215–244. 273 Siehe PARK/DASTON, Conceptions, S. 25. 302 Forschung gischer Deutungsmuster und wurden als Einzelphänomene in den Zusammen- hang vergleichender naturgeschichtlicher Studien gestellt. Bacon begriff die Monstren und Mißbildungen als eine Art Verbindung zwi- schen dem Natürlichen und dem Künstlichen und betrachtete sie vor dem Hin- tergrund regulärer, gewöhnlicher Naturphänomene. In seiner Schrift Advancement of Learning von 1605 bemerkt er: »History of Nature is of three sorts; of nature in course, of nature erring or varying, and of nature altered or wrought; that is, history of Creatures, history of Marvels, and history of Arts.«274 Das so begriffene Wunderbare konnte damit genaueren Aufschluß darüber geben, wie die Natur im einzelnen arbeitete. Wunder als merkwürdige Phä- nomene wichen zwar vom normalen Gang der Natur auf auffällige Weise ab, doch ließ sich aus diesen Abweichungen die normale Natur um so besser erklären. An die Stelle der Wunder supra naturam, der Wunder im außernatür- lichen Sinne, trat das Konzept der Wunder praeter naturam, also von Wundern, die zwar vom normalen Gang der Natur abwichen, aber dennoch ganz aus ihr selbst heraus erklärt werden konnten.275 Der alten, theologisch inspirierten Vorstellung von Monstren als Zeichen Gottes, als Prodigien, erteilte Bacon damit eine Absage. Hier waren seiner Meinung nach übernatürliche Kräfte supra naturam am Werke, die er aus seinem Entwurf einer Naturgeschichte auszuschließen suchte. Den Hintergrund für dieses neue Konzept bildete die Auffassung, daß die Natur ihrem Wesen nach selbst schaffend, ›kreativ‹ tätig sei. In dieser Hinsicht gingen die Bereiche der naturalia und artificialia ineinander über: Die Natur wie auch der Mensch brachten Dinge hervor, deren Bauprinzipien und Strukturen einander ähnelten. Das wird sinnfällig in den Kunst- und Naturalienkabinetten, deren Besitzer es darauf anlegten, Kunst- und Naturwerke in unmittelbare Nachbar- schaft zu stellen und sie damit in ein und dieselbe Kategorie einzuordnen: Kunstwerke, Maschinen und Automaten als Hervorbringungen des Menschen standen auf der gleichen Ebene wie die Naturgegenstände.276 In dieser Hinsicht ließen sich Monstren nicht nur unter negativem Vorzeichen als unheilverkün- dende Prodigien verstehen, sondern im Gegenteil als positiver Ausdruck der Schaffenskraft der Natur. Mit dem Rekurs auf eine von Gott geschaffene Natur bemerkte etwa der englische Arzt Sir Thomas Browne 1642: »Art is the perfection of Nature: were the World now as it was the sixth day, there were yet a Chaos: Nature hath made one World, and Art another. In brief, all things are artificial; for Nature is the Art of God.«277

274 Francis BACON, Works, hrsg. von James Spedding, Bd. 3, London 1857 (ND 1989), S. 330. 275 Siehe DASTON/PARK, Wonders, S. 221. 276 Siehe BREDEKAMP, Antikensehnsucht, S. 68 f. 277 BROWNE, Works, Bd. 1, S. 27 (Religio Medici). Siehe zur schaffenden Natur auch Hans BLUMENBERG, ›Nachahmung der Natur‹. Zur Vorgeschichte der Idee des schöpferischen Men- schen, in: Ders., Wirklichkeiten in denen wir leben, Stuttgart 1981, S. 55–103.

Erst durch das ordnende Wirken Gottes entsteht aus der chaotischen Natur nach dem sechsten Schöpfungstag die geordnete Welt. Doch greift er in dieser Hin- sicht nicht unmittelbar in die Natur ein. Als natura naturans ist sie nicht nur sein Kunstwerk, sondern sie ist selbst ›künstlerisch‹ tätig. Ein Beispiel hierfür ist etwa die im 17. Jahrhundert weitverbreitete Vorstellung einer spielenden Natur, des lusus naturae.278 So meinten viele Zeitgenossen in seltsamen Gesteinsbildungen Tiere, Pflanzen, Wolken oder Landschaften zu er- kennen. Objekte dieser Art hoben sich von den gewöhnlichen und normalen Dingen ab, behielten jedoch im Gegensatz zu den Wundern einen spielenden und damit eher harmlosen Charakter. Nehemiah Grew hatte Objekten dieser Art, wenn auch kritisch, in der Einleitung zu seinem Musaeum Regalis Societatis, einer Beschreibung der Bestände der Sammlung der Royal Society von 1681, noch einen wichtigen Platz eingeräumt. Die Natur könne zwar nicht die Kunst nachahmen, doch bestehe zwischen beider Produktionen eine gewisse Ähnlich- keit (likeness). Als Beispiel führt er sogenannte confetti de tivoli an, weiße Gesteine, die in ihrer perfekt runden Form Mandelkonfekt glichen und von diesem mit bloßem Auge nicht zu unterscheiden seien.279 Grew war von der Ähnlichkeit dieser Steine mit künstlichen Hervorbringungen verwirrt, erkannte jedoch bald, daß jene die Formen nur zufällig abbildeten und keineswegs mit diesen in direktem Zusammenhang stünden. Damit verband sich aber die Frage, warum Steine als Medium für diese Mimesis besser taugten als andere Objekte. Denn die Eisblumen auf den Fenstern im Winter oder eine zu Kristallen zusammenschießende Salzlösung seien gleichermaßen in der Lage, Bilder dieser Art zu erzeugen.280 Inmitten dieser verwirrenden Vielfalt von Er- scheinungen und schwankenden Zuordnungen bot sich die genaue empirische Beschreibung als Bezugspunkt an. Im Falle eines weiteren Gesteins schreibt Grew: »The Great petrify’d STONE of an exotick PLUM. As one would think, both form the figure of it, and the production of Fibers by the length, round about it, (as in many Indian Plum Stones) very apparent especially, near the top. The granulated part of it being turn’d to a soft opacous Stone; the Fibers into pellucid Flint.«281 Eine zunehmend kritische Haltung diesen Phänomenen gegenüber deutet sich schon in der von Grew entwickelten Systematik der Sammlung an. Im Repository

278 Siehe Paula FINDLEN, Jokes of Nature and Jokes of Knowledge. The Playfulness of Scien- tific Discourse in Early Modern Europe, in: Renaissance Quarterly 43 (1990), S. 292–331, hier S. 303. 279 Siehe GREW, Musaeum, S. 254. 280 »Or do we find in other Stones the resemblance of Plants? Why not naturally there, as well as in Frosty Weather, upon Glass Windows? Or as Salts sometimes figure into some likeness to the Plants whereof they are made. Nay, why not too, a Face, or other Animal Form? Since we see that there are divers Palm-Nuts which have the like. That the Volatile Salt of Harts-Horn, will shoot it self into the likeness of little branched Horns.« Ebenda. 281 Ebenda, S. 266. 304 Forschung werden diese Steine zwar unter den Mineralien geführt, doch ihnen unter der Überschrift stones irregular und stones regular eigene, separate Abteilungen zugewie- sen. Mit dem Begriff einer spielenden Natur war immer die Gefahr verbunden, den Anteil Gottes an der Erschaffung der Welt aus dem Auge zu verlieren. Denn im Hintergrund dieser Vorstellung lauerte immer ein Atomismus antiker Prägung, der die Entstehung der Welt als rein zufällig betrachtete und jedes zugrunde lie- gende schöpferische Prinzip in Frage stellte.282 Eine weitere Denkrichtung, die diesen Paganismus in die Schranken wies, bestand demnach darin, die Natur als sinnvoll geordnetes Ganzes zu begreifen, um auf diese Weise Gott den obersten Platz als Weltenschöpfer zuzuweisen. Dies schloß eine weitgehende Autonomie der Natur nicht aus, doch wurde sie in dieser Hinsicht nicht als spielende Natur begriffen, sondern gehorchte im Gegenteil genauen, von Gott vorgegebenen Gesetzmäßigkeiten. Die Natur war weniger Kunstwerk denn Maschine. Diese etwa von Descartes vertretene mechanistische Vorstellung sollte für das 18. Jahr- hundert von größter Bedeutung werden, indem sie die Grundlage dafür schuf, den Bereich natürlicher Phänomene weiter einzugrenzen und sie etwa von künstlich geschaffenen zu unterscheiden. Für die vom gleichmäßigen und ge- ordneten Gang der Natur abweichenden Wunder praeter naturam ist hier kein Platz mehr. Sie werden Teil des von Gott geschaffenen ›Gesamtkunstwerks‹ Erde. Die Physikotheologen brachten dieses System um 1700 zur Perfektion, indem sie das scheinbare Chaos und die Vielfalt der Natur zum einen mit dem sinnvol- len und planenden Handeln Gottes in Verbindung brachten, zum anderen jedoch gerade die Gesetzmäßigkeit der Naturphänomene betonten. Indem der Mensch die Ordnung der Natur erkannte, erkannte er zugleich Gott in seiner Macht als Schöpfer an. Im Gefolge solcher Überlegungen stellte sich immer wieder die Frage, wieviel Platz einem ordnenden Eingreifen Gottes in die Natur eingeräumt werden konnte. Auf dem Feld der Theologie kam es zu Auseinandersetzungen zwischen denjenigen, die im Sinne einer natürlichen Religion allgemeine Prinzipien aus der Betrachtung der Natur ableiten wollten, und denjenigen, die an der Offenbarungsreligion festhielten, um deren Aussagen mit der Natur in Einklang zu bringen. In letzter Konsequenz behauptete der Deismus die Natur als zwar von Gott geschaffen, jedoch gänzlich frei von dessen Einwirkungen.283 Blickt man von hier aus auf die Naturalienkammern des 18. Jahrhunderts, so fällt auf, daß den Wundern einer spielenden Natur hier kaum noch Platz einge- räumt wurde. Der Leiter der Dresdener kurfürstlichen Schatzkammer, Johann Heinrich Heucher, bemerkt in seiner Beschreibung von 1745: »Unter so vielen Dingen, die uns gebracht wurden, waren nicht wenige, die ent- weder ganz fremd waren, oder ohne irgendeine Bezeichnung daherkamen. Da wir sie nicht unterscheiden konnten, noch ihre Namen kannten und auch nichts von

282 Siehe FINDLEN, Jokes, S. 300. 283 Siehe KROLZIK, Physikotheologie, und Gotthard Victor LECHLER, Geschichte des engli- schen Deismus, Tübingen 1841 (ND 1965).

anderen in Erfahrung bringen konnten, wurde beschlossen, für sie ein sogenann- tes Museum des Unbekannten [museum ignorantiae] einzurichten.«284 Man kann sich diesen Raum als eine Art Limbus oder Quarantänestation vor- stellen, die all diejenigen Objekte durchlaufen mußten, die sich nicht systemati- sieren und in den Kontext des Erklärbaren einordnen ließen. Noch ungefähr hundert Jahre zuvor hätten sie einen Ehrenplatz in jeder Wunderkammer ein- genommen. Die Naturauffassung innerhalb der Naturgeschichte des 18. Jahrhunderts be- wegte sich also grundsätzlich um zwei Pole: die Vorstellung einer regelhaften Natur, in der kein Platz für Abweichungen – Wunder oder Monstren – bestand, und die Vorstellung, daß Gott selbst diese Ordnung in Kraft gesetzt hatte. Die Wunder der Natur waren regelhafte, natürliche Wunder und durch den Men- schen begreifbar.

Bezugssysteme: Sintflut und Artenkonstanz Auf welche Weise das Bezugssystem der Normalität gegenüber einer lange Zeit vorherrschenden Auffassung natürlicher Wunder sich zu Beginn des 18. Jahr- hunderts in der Naturgeschichte durchsetzte, zeigt ein Blick in die Fossilienkunde und die mit ihr verbundene Beschäftigung mit merkwürdigen Knochenfunden. Auch lassen sich an diesem Beispiel die bisher skizzierten Methoden genauer naturgeschichtlicher Detailstudien in der Praxis verfolgen. Im Jahr 1727 berichtete Sloane an den Abbé Jean Paul Bignon, erster Sekretär der Académie des Sciences in Paris, daß er sich gegenwärtig mit »os des géants«, fossilen Überresten einst lebender großer Tiere, beschäftige, bei denen er nach- zuweisen versuche, daß es sich um Elefanten oder Wale handle.285 Sein Aufsatz zu diesem Thema erschien noch im gleichen Jahr in zwei Teilen in den Transac-

284 »Inter tot tantasque res, quae nobis afferebantur, non paucae, vel alieno, vel nullo prorsus nomine insignitae occurrebant; quibus dignoscendis, suoque nomine appellandis cum nec nobis ipsi, nec alii nobis peritiores sufficerent, captum est consilium de instituendo quodam Museo Ignorantiae.« Johann Heinrich HEUCHER, De Thesauris Regiis Dresdensibus, et ordine in Ennarandis Rebus naturalibus. Peritissimo Soleritissimoque rerum naturalium indagatori Alberto Sebae, in: Ders., Opera partim edita partim nondum edita, Bd. 2, Leipzig 1745, S. 792– 798, hier S. 794. Zu Heucher in Dresden siehe BECKER, Raritäten-Kabinett, S. 50. 285 »Je suis aprez a preparer un autre memoire, sur dents & autres os d’Elephans, qui je trouvent fossiles sous terre, à l’occasion de quelques uns que j’ay dans ma collection & je tacheray a cette occasion de montrer que la pluspart des relations des os des géants trouvez sous terre qui sont dispersez par cy, par là dans les auteurs tant anciens que modernes doivent vraisem- blablement s’entendre des os de l’Elephants, de Baleines ou un de quelque autre grand animal soit de mer soit de terre.« Sloane an Abbé Bignon, London, 30. Juli 1727 (Abschrift), BL, Sloane 4068, fol. 133v. Kurz zuvor hatte er einen Aufsatz über die vermutliche Herkunft eines merk- würdig großen Geweihpaares in den Transactions veröffentlicht. Siehe Hans SLOANE, An Ac- count of a Pair of very extraordinary large Horns found in Wapping some Years since, with a probable Account, whence they came, and to what Animal they belonged, in: Philosophical Transactions 34 (1727), S. 222–229. 306 Forschung tions.286 Es handelte sich dabei im wesentlichen um eine genaue Bestandsaufnah- me derjenigen fossilen Knochen in seiner Sammlung, bei denen ein Bezug zum Elefanten wahrscheinlich war. Eines dieser Stücke war ein einige Jahre zuvor in London ausgegrabener Elefantenstoßzahn (dens exertus), dessen eigenartige Struk- tur, die sich aus der Bruchstelle leicht erschließen ließ, er genauer untersucht hatte: »To ascertain the Structure of these Teeth, and consequently of Ivory in general, to be Layer upon Layer, or Coat upon Coat, like the Skins in an Onion, or rather the annual Circles, or Rings in Trunks of Trees.«287 Diese Zwiebelstruktur fand er gleichfalls in den Stoßzähnen eines Narwals vor, die vom dänischen Arzt Thomas Bartholin im Katalog seiner Sammlung zuvor schon näher untersucht worden war (Abb. 26). Ein Vergleich legte die Vermutung nahe, daß es sich um das Relikt einer im heutigen Sinne rezenten Tierart handeln mußte. Der eigenartige Aufbau sei, so Sloane, nicht als Wirkung der Verwitterung zu betrachten, sondern dem Kno- chen selbst eigentümlich. Auch war in dieser Hinsicht die Wirkung dessen, was er als unterirdische Säfte (subterranean streams) bezeichnete, auszuschließen.288 Weiteres Vergleichsmaterial konnte er aus zahlreichen sibirischen Funden heran- ziehen: »The like Tusks, and other Bones of the same Animal, that is, of the Elephant, are found in sundry Parts of Siberia to a considerable Quantity, and the Tusks and Teeth in particular, when less corrupted, are used all over Russia for Ivory.«289 Besonders die Tatsache, daß sich an den Knochen häufig Fleisch- und Hautreste befanden, gab den Forschern Rätsel auf. Die Funde, die aus dem sibirischen Eis hervorgeholt wurden, waren, wie wir heute wissen, Teile von Mammutskeletten. Um die Herkunft dieser Funde rank- ten sich die seltsamsten Geschichten, die vor allem in Reiseberichten ausgiebig kolportiert wurden. Sloane versäumt es daher nicht, ausführlich aus ihnen zu zi- tieren. Einige Reisende überlieferten etwa Berichte von Einheimischen, die

286 Siehe SLOANE, Elephants Teeth, S. 459, und ders., Of Fossile Teethe and Bones of Ele- phants. Part the Second, in: Philosophical Transactions 35 (1728), S. 497–514. 287 SLOANE, Elephants Teeth, S. 459. 288 Siehe Ebenda, S. 460. Auch der Hannoveraner Arzt Steigerthal hatte ihm 1736 von einem in der Nähe Bremens an Land gespülten kleinen Narwal berichtet, dessen Sektion er beiwohnen konnte. Siehe Johann Georg STEIGERTHAL, Part of a Letter from Dr. Steigerthal, F.R.S. to Sir Hans Sloane, Bart. Pres. R.S. giving an Account of a Narhual or Unicorn Fish, lately taken in the River Ost, Dutchy of Bremen, in: Philosophical Transactions 40 (1738), S. 147–149. 289 SLOANE, Elephants Teeth, S. 460.

Abb. 26: Schnitt durch den Stoßzahn eines Mammuts aus Hans Sloanes An Account of Elephants Teeth and Bones found under Ground (1728). Kupferstich. versicherten, daß dieses Tier, den Maulwürfen gleich, im Erdboden lebe und dort Gänge grabe. Andere Interpreten waren der Überzeugung, daß es dem schon in der Bibel belegten Untier Behemoth gleichzusetzen sei, das seitdem in den Wei- ten Sibiriens überlebt habe.290 Selbst für diejenigen, die auf der großen Ähnlich- keit der Knochen mit denen von Elefanten beharrten, blieb die Frage unbeant- wortet, auf welche Weise diese in einem für sie ungewöhnlichen Klima überleben konnten. So wiesen beide Erklärungsmodelle – die von einer bisher unbekannten Tierart oder der Identität mit den bisher bekannten Elefanten ausgingen – Widersprüche auf. Noch Giambattista Vico hatte 1725 in seiner Sciencia Nuova die Ansicht vertreten, Bodenfunde dieser Art wiesen auf ein ehemals existierendes

290 Siehe Michel MERVAUD, Un monstre sibérien dans l’Encyclopédie, et ailleurs: Le Behe- moth, in: Recherches sur Diderot et sur l’Encyclopédie 17 (1994), S. 107–132. 308 Forschung Geschlecht von Giganten hin, und in ihnen damit einen wichtigen Beleg für seine geschichtsphilosophischen Überlegungen gesehen.291 Eine einheitliche Theoriebildung war somit schwierig. Aber im Unterschied zu seinen Vorgängern konnte Sloane auf einen relativ reichen Bestand an Fundstük- ken in seiner Sammlung zurückgreifen. Er besaß sowohl Knochen aus seiner englischen Heimat als auch Stücke, die er aus Rußland erhalten hatte. Erst der Vergleich dieses Materials unterschiedlicher Herkunft bildete den Hintergrund zu seiner Theorie, daß es sich um eine im heutigen Sinne rezente Elefantenart handeln müsse. Eine Erklärung für die ungewöhnlichen Funde sah er im biblisch verbürgten Ereignis der großen Sintflut. Nicht nur seien die Elefanten damals zugrundegegangen, sondern auch die Wirkung des Wassers hätte die toten Kör- per über weite Entfernungen in den Norden Rußlands verbracht. Als Bestätigung dieser Ansicht zitiert er unter anderen den Bericht des Russen Tatiščev, der als Minenaufseher über Erfahrungen vor Ort verfügte und feststellte, daß diese Knochen eindeutig Überreste von einst in der Sintflut ertrunkenen Elefanten seien.292 Die uns heute merkwürdig erscheinende Diluvialtheorie bot noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein gängiges Modell zur Erklärung fossiler Überreste.293 Der Engländer John Woodward hatte sie zum ersten Male in seinem Essay toward a natural history of the earth von 1695 im Zusammenhang seiner Forschungen an fossilen Überresten vorgestellt und damit vor allem in England eine Tradition fortgesetzt, die naturgeschichtliche Erkenntnis und biblische Überlieferung mit- einander zu vereinen suchte. Die Funde von versteinerten Meerestieren, weit ent- fernt von Meer und Küsten, konnten leicht durch den biblisch verbürgten Bericht von den den Erdball gleichmäßig bedeckenden Wassern erklärt werden, in denen die gesamte Flora und Fauna untergegangen sei. Er knüpfte damit an Forschungen seiner Vorgänger Robert Hooke und des Dänen Nils Stensen an, die ebenfalls auf die wichtige Rolle des Wassers bei der Fossilienentstehung hingewiesen hatten. Damit wurde zugleich die alte Vorstellung von den in der Erde ›wachsenden‹ Fossilien im Sinne eines lusus naturae zurückgewiesen. Die Knochen hatten ihren Ursprung in den natürlichen Arten und dokumentierten auf diese Weise die Ar- tenvielfalt der prädiluvialen Welt. Vor dem Hintergrund des Schöpfungsberichts wurde dabei von einer Identität der Arten vor und nach der Sintflut ausgegangen, die Vorstellung untergegangener Arten somit zurückgewiesen: Gott hatte die Welt unveränderbar in einer feststehenden Ordnung erschaffen, Pflanzen wie Tiere konnten sich unmöglich in der Zwischenzeit verändert haben. Ausdruck dieses statischen Naturverständnisses war die Vorstellung einer scala naturae, die

291 Siehe Giambattista VICO, The New Science, Unabridged Translation of the Third Edition (1744), hrsg. von Thomas Goddard Bergin und Max Harold Fisch, Ithaca 1994, S. 113, 121. 292 SLOANE, Elephants Teeth, S. 468. 293 Siehe RUDWICK, Fossils; GREENE, Death, S. 52. Eine neue, umfassende Untersuchung des Themenkomplexes ›Sintfluttheorie‹ findet sich bei Michael KEMPE, Wissenschaft, Theologie, Aufklärung. Johann Jakob Scheuchzer und die Sintfluttheorie, Epfendorf 2003. von der unbelebten Natur über Pflanzen und Tiere, den Menschen und die Engel bis hinauf zum Schöpfer selbst reichte. Die Entfernung eines der Glieder dieser feinabgestuften Leiter hätte die Schöpfung und damit ihren Schöpfer selbst in Frage gestellt.294 Um nach diesem Modell den Nachweis der Konstanz aller einmal geschaffenen Arten anzutreten, richteten sich die Bemühungen einiger Na- turforscher darauf, eine Identität zwischen den nach heutiger Vorstellung rezen- ten Arten und den fossilen Bodenfunden herzustellen. Vor diesem Hintergrund wird die Vorgehensweise Sloanes in der Deutung fos- siler Knochen großer Tiere verständlich. So genau er auch als erfahrener Empiri- ker bei der Untersuchung der Details vorging, die Unterschiede zwischen dem si- birischen Mammut und den heutigen Elefanten entgingen ihm. Man könnte in diesem Sinne von einer Art interessengeleiteter Empirie sprechen. Das Bezugs- system einer Artenkonstanz vereint mit der Diluvialtheorie reichte durchaus zur Zurückweisung legendarischer Überlieferungen und der damit propagierten Naturwunder aus. Dennoch wurde die letzte Konsequenz aus dem vorliegenden Material nicht gezogen. Es lohnt sich deshalb, den Untersuchungsgang Sloanes vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Elefantenforschung noch einmal nä- her in den Blick zu nehmen. Sloanes Aufsatz in den Transactions ist zu großen Teilen eine Auseinanderset- zung mit seinen Vorgängern, von deren Beschreibungen er beträchtlich profitiert. Zugleich wird hier versucht, das Dickicht der legendarischen Überlieferung einzugrenzen, um auf diese Weise ein klareres Bild der in Frage kommenden sibirischen Spezies zu erhalten: »And first, as many of those Bones and Teeth, which are kept and shewn about for Bones and Teeth of Giants, have been found, upon a more accurate Inspec- tion, to be only the Bones and Teeth of Elephants or Whales, it may from thence very probably be inferr’d, that others also, which for want of a sufficient De- scription cannot be accurately enough accounted for, must have belonged either to these, or else some other large Animal.«295 Zu denjenigen, die schon relativ früh auf die Identität der ausgegrabenen Ele- fanten mit rezenten Arten hingewiesen hatten, gehörte Wilhelm Ernst Tentzel. Er hatte nach einem Elefantenfund 1696 in der Nähe von Gotha einen ausführ- lichen Bericht darüber an die Royal Society geschickt, womit er zu einem wichti- gen Gewährsmann Sloanes wurde.296 Für Tentzel handelte es sich eindeutig um den Überrest eines Elefanten. Doch während sein Bericht von der Londoner Gesellschaft mit Beifall aufgenommen wurde – die Veröffentlichung seines Be- richtes schon im folgenden Jahr ist ein Indiz hierfür –, stieß er gleichzeitig bei

294 Siehe LOVEJOY, Kette, S. 279. 295 SLOANE, Fossile Teethe, S. 497. 296 Den Originalbrief hatte er zuvor an den italienischen Forscher Antonio Magliabechi ge- schickt. Siehe Wilhelm Ernst TENTZEL, Epistola de Sceleto Elephantino Tonnae nuper effos- so …, in: Philosophical Transactions 20 (1697), S. 757–776. Über die Arbeit Tentzels urteilt Sloane: »One of the most curious, and also the most compleat of its kind«. SLOANE, Fossile Teethe, S. 508. 310 Forschung seinen thüringischen Forscherkollegen auf Widerstand. Die in einer anläßlich des Fundes eingesetzten Untersuchungskommission tagenden Kollegen vertraten die Ansicht, es handele sich bei den Knochen um »plasmi naturae minerale«, also mineralische Bildungen, die auf zufällige Weise entstanden seien. Tentzel hatte sich überdies, um seiner Theorie Nachdruck zu verleihen, auf das Zeugnis der bei der Ausgrabung anwesenden Arbeiter bezogen. Doch beeindruckten die Aussagen von Laien die gelehrte Kommission in keiner Weise: »Den Beweiß den er von dem Sand-Graeber und Zuschauern hernimmt/ ist noch lange nicht zulaenglich/ daß man ihme glauben lesse/ was er in seiner Epistel schreibet: Dieselbe sind meistentheils gemeine einfaeltige Leute/ die in der Osteologia [Knochenkunde] so viel nicht wissen/ noch verstehen koennen. Haette er seinen Beweiß mit Consens de Collegii Medici, die ja auch alles mit angesehen/ bestaercket/ wuerde ihme wol niemand widersprechen: Weiln aber die verstaendigsten und curieusesten Leute/ die solche mineralische Stuecke theils selbsten gesehen/ theils an dieselben verschickt worden/ einmuethig aussagen/ daß dieselben keine Ossa animalia, sondern mineralia und fossilia seyn/ so glaubt man denenselben billig mehr/ als ihme.«297 Obwohl sich schon Tentzel auf Nils Stensen und seine Arbeiten berufen konnte, bestand eine der Schwierigkeiten dieser frühen Forschungen auf dem Gebiet fossiler Überreste darin, daß anatomisches Vergleichsmaterial um 1700 noch wei- testgehend fehlte.298 Erst Patrick Blairs 1713 veröffentlichte Studie mit dem Titel Osteographia Elephantina schuf auf diesem Gebiet Abhilfe.299 Das Buch war das Ergebnis der Sektion eines Elefantenkadavers, den eine durchreisende Zirkus- truppe im schottischen Dundee zurückgelassen hatte (Abb. 5). Sloane war an der Veröffentlichung Blairs unmittelbar beteiligt gewesen und hatte den im fernen Dundee lebenden Gelehrten unter anderem mit der notwendigen wissenschaft- lichen Literatur versorgt. Doch die Sektion des Tiers war allein Blairs Verdienst. Auf der Grundlage dieser neuen Ergebnisse wandte er sich, wie später Sloane, gegen die aus mangelnder anatomischer Erfahrung resultierende Legendenbil- dung in der älteren Forschungsliteratur: »Because the Names given to the Elephant in Holy Scripture have been much mistaken, tho’ perhaps it may seem forreign to my Business, yet I hope ’twill not be unpleasing, if from Authors I endeavour to clear them.«300

297 Epistel eines Medici ueber den zu Burg-Tonna ausgegrabenen Elephanten, o. O. 1696, S. 3. Eine weitere Schrift aus dem Umkreis dieses Streits ist die Vertheidigung des zu Tonna ausgegrabenen Einhorns/ wider ein Lateinisches Schreiben von dem daselbst ausgegrabenen Elephanten Coerper/ &c Welche das Collegium Medicum in Gotha zum Druck befoerdert, o. O. 1697. 298 TENTZEL, Epistola, S. 773. 299 Siehe BLAIR, Osteographia. Auch Blair lobt Tentzels Schrift: »I receiv’d the Treatises you were pleas’d to send to me Tentzelius his Letter gives a very Satisfactory Account of the Bones found in Germany. Molyneux his Treatise is very short & cursory, both in regard of the Softer Parts & Bones«. Blair an Sloane, Dundee, 16. Dezember 1706 (Fragment), BL, Sloane 4040, fol. 270r. 300 BLAIR, Osteographia, S. 57.

Daß anatomische Untersuchungen an Tieren solcher Größe zu dieser Zeit durch- aus ungewöhnlich waren, zeigt das zwei Jahre später erschienene Buch des Deut- schen Petri ab Hartenfelß mit dem Titel Elephantographia Curiosa, in dem er aus Mangel an eigener Erfahrung weitschweifig auf die wenigen anatomischen Be- richte von Vorgängern zurückgriff.301 Aber ebenso interessant ist, daß nicht nur mangelnde Werkzeuge zur Sektion, sondern auch eine gewisse Angst vor der Größe des Tieres für eine Zurückhaltung unter den Gelehrten verantwortlich war. Denn als Sloane 1720 selbst die Sektion eines Elefanten auf seinem Landgut in Chelsea vornahm, waren nicht alle eingeladenen Ärztekollegen bereit, daran teilzunehmen. Einer der Eingeladenen, James Douglas, schrieb an Sloane: »I have seen the Dead Elephant whose enourmous bulk quite frightens me from medling with its dissection. I am extreamly oblidg’d to you for your generous offer but I must desire to be excused for not accepting of it«.302 Man darf hier nicht vergessen, daß mit der Verwendung des Mikroskops unter den Naturforschern des 17. Jahrhunderts sich der Blick meist den kleinen Objek- ten in der Natur zuwandte. Dies bezeugt etwa Thomas Browne, wenn er be- merkt: »Ruder [gröbere] heads stand amazed at those prodigious pieces of Nature, Whales Elephants, Dromidaries and Camels, these, I confess, are the Colossus and Majestick pieces of her hand: but in these narrow Engines [Insekten, St. S.] there is more curious Mathematics; and the civility of these little Citizens, more neatly sets forth the Wisdom of their Maker«.303 Fast zeitgleich mit Sloane beschäftigte sich in den zwanziger Jahren der Danziger Johann Philipp Breyne mit fossilen Elefantenfunden. So hatte er Sloanes Aufsatz von 1727 mit großem Interesse gelesen, vor allem deshalb, weil er in ihm eine Bestätigung seiner eigenen Theorien fand: »I readed with great Satisfaction Your Observation and Remarques upon the large Bones of Animals found in the Earth in several Countries, which indeed belong to Elephants or some other large animals, and not, as some have fancied, to Giants.«304 Seine ersten Forschungen auf diesem Gebiet lassen sich auf das Jahr 1722 datie- ren. Damals erhielt er vom Sibirienreisenden Daniel Gottlieb Messerschmidt zwei Mammutzähne, über die er dann einige Jahre später einen Vortrag im Rahmen der kurzlebigen Danziger naturforschenden Sozietät hielt. Weitere Anregungen

301 Siehe Georg Christoph PETRI AB HARTENFELSS, Elephantographia Curiosa, seu Elephanti Descriptio, juxta Methodum et Leges Imperialis Academiae Leopoldino-Carolinae Naturae Curiosorum Adornata …, Erfurt 1715. 302 James Douglas an Sloane, (London, 1720), BL, Sloane 4058, S. 254r. Siehe auch Arthur MACGREGOR, Prehistoric and Romano-British Antiquities, in: Ders. (Hrsg.), Sir Hans Sloane. Collector, Scientist, Antiquary, Founding Father of the British Museum, London 1994, S. 180– 197, hier S. 195, Anm. 52. 303 BROWNE, Works, Bd. 1, S. 24 (Religio Medici). 304 Breyne an Sloane, Danzig, 10. Mai 1730, BL, Sloane 4051, fol. 25v. 312 Forschung bekam er, als Messerschmidt 1730 von seiner Expedition nach Danzig zurück- kehrte und Zeichnungen von Teilen eines 1724 in Sibiren entdeckten Mammuts im Gepäck hatte, von denen Breyne Kopien anfertigte. 1735 schickte er sein ge- samtes Material in Form eines mehrteiligen Aufsatzes nach London, wo es 1737 in den Transactions veröffentlicht wurde.305 Breyne kam auf der Grundlage anderen Materials und zeitgleich mit Sloane zu gleichen Schlußfolgerungen. Obwohl er über weit weniger Fundstücke verfügte und im Unterschied zu seinem Londoner Kollegen niemals an der Sektion eines Elefanten teilgenommen hatte, bestand für ihn aufgrund genauer eigener Mes- sungen und der bisherigen Literatur kein Zweifel, daß es sich bei den Knochen nur um diejenigen von Elefanten handeln könne.306 Das von Messerschmidt ge- lieferte Material aus Sibirien – das vor allem aus den Zeichnungen eines fast voll- ständigen Schädelknochens bestand – bestärkte Breyne zusätzlich darin, daß die Größe und Form der Funde der von Elefanten sehr ähnlich war (Abb. 7). So stellte er unter Hinweis auf die kursierenden Legenden über die Herkunft der Mammuts fest: »A Grinder [Backenzahn] fast in its Socket […] which is no small Argument that this Skeleton belongs to an Elephant, and not to the chimerical Behemoth of the Rabbins«.307 Die Frage, auf welche Weise diese Tiere in die nördlichen Regionen Sibiriens ge- langt waren, beantwortete er, wie schon zuvor Sloane, durch die von Woodward entwickelte Diluvialtheorie. Auch er war der Ansicht, daß die Kadaver dieser Tiere durch die Gewalt des Wassers aus ihren südlichen Lebensräumen in den Norden verbracht worden seien.308 Es waren nicht immer solche spektakulären Funde, an denen sich der For- schertrieb entzündete. Im Gegenteil: Zum normalen Geschäft des Fossilienfor- schers gehörte seit jeher die Beschäftigung mit fossilen Schalentieren, die in ihrer Fülle und Vielfalt gewissermaßen den wissenschaftlichen Normalfall darstellten. Sie waren fast überall zu finden und es bedurfte nicht erst langwieriger Expedi- tionen, um an aussagekräftige Stücke zu kommen. In den Schriften Martin Listers, John Woodwards, Edward Lhwyds oder Johann Jakob Scheuchzers nehmen dem- nach fossile Muscheln, Schnecken oder ähnlich ›gepanzerte Wesen‹ einen wich- tigen Platz ein. Noch der heutige Begriff der eine Erdepoche charakterisierenden Leitfossilien rekurriert auf dieses häufige Vorkommen und die leichte Verfügbar- keit für den Forscher und Sammler.

305 Siehe oben S. 94 f. 306 »To be convinced hereof, one needs but to compare these Teeth with the Figures of those which some Years ago were digged up in Ireland, and those which represent the very natural Teeth of Elephants, and consider the accurate Remarks made by Dr. Molineux and other curi- ous Fellows of the Royal Society theron.« BREYNE, Teeth, S. 126. 307 Ebenda, S. 132. 308 Ebenda, S. 137.

Besonders Breynes Danziger Sammlerkollege Jacob Theodor Klein profilierte sich auf dem Gebiet fossiler Schalentiere. Den Gegenstand seines Interesses bil- deten unter anderem Belemniten, eine in bestimmten Erdschichten (v. a. Jura und Kreidezeit) häufig vorkommende Kopffüßerart – entfernte Vorläufer unse- rer heutigen Tintenfische –, deren manchmal bis zu einem Meter lange längliche Schalen Pfeilen ähneln, weshalb man lange Zeit angenommen hatte, sie seien als ›Himmelsgeschosse‹ oder ›Donnerkeile‹ während heftiger Gewitter vom Himmel gefallen. Anfang der 1730er Jahre schickte Klein zwei Aufsätze nach London, die vergleichende Studien über diese Tiere enthielten.309 Er war jedoch keineswegs der erste, der sich mit diesen Funden beschäftigte. Bei dieser Arbeit konnte er sich auf eine illustre Reihe von Vorgängern stützen. Schon Edward Lhwyd und Johann Jakob Scheuchzer hatten Belemniten in ihren Katalogen beschrieben und dabei festgestellt, daß diese eigentlich aus zwei Teilen bestanden: Im Hohlraum der Schale steckte an einem Ende ein weiteres konisches Gebilde, das man als Alveolus bezeichnete.310 Doch war man sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht sicher, ob die äußere Schale des Belemniten vom Alveolus zu trennen sei, indem beide eine für sich selbständige Art repräsentierten, die sich erst in der fossilen Überlieferung miteinander vermischt hätten. Mit dieser Frage setzte sich als einer der ersten der schwäbische Arzt und Fos- silienforscher Balthasar Ehrhart in seiner 1727 erschienenen Dissertation unter dem Titel De belemnitis suevicis auseinander.311 Für ihn stand der Alveolus für eine selbstständige Art, da dessen gekammerte, regelmäßige Struktur Ähnlichkeiten mit den Schalen lebender Nautili aufwies. Deren Schale sei zwar spiralig gewun- den, doch wie beim Alveolus in einzelne Abschnitte unterteilt (Abb. 27).312 Ob die äußere Schale jedoch Hinweis auf eine eigenständige Lebensform sei, konnte Ehrhart nicht beantworten: Entweder handele es sich wirklich nur um eine, wie bei Schnecken, äußere Schale oder um eine eigene Art, zu der man bis- her aber noch keine lebenden Vergleichsformen gefunden habe. Für Klein, der auf diesen Befunden aufbauen konnte, stand vor allem die rich- tige Klassifizierung der Belemniten im System der Schalentiere im Vordergrund. So stellt er zunächst ganz allgemein fest, daß es sich bei den Belemniten eindeutig um Schalen ehemaliger Meeresbewohner handeln müsse: »Die Belemniten sind nicht nur die Gehäuse von am Strand zu findenden Meeresbewohnern, sondern es handelt sich überhaupt um einschalige Muscheln, deren richtige Klas- sifizierung, da sie während der Erdkatastrophe mit anderen Fossilen vermischt wurden, meiner Meinung nach noch aussteht.«313 Die alte Vorstellung der vom

309 Siehe ›De Belemnitis et Alvolis‹ (Februar 1728), BL, Add. 5310, fol. 1r–9v, und ›De Alveolis rite collocandis‹ (1729), BL, Add. 5310, fol. 12r–13v. 310 In heutiger Terminologie wird dieser Teil als Phragmakon bezeichnet, die Schale, der Be- lemnit, als Rostrum. Es handelt sich also um Teile einer, wie man heute weiß, einzigen Art. 311 Siehe WITTMANN, Ehrhart. 312 Siehe ebenda, S. 31 (§ 20). 313 »Belemnita non nisi domicitia piscis marini, et quidem pelagii esse, adeoque ad testacea univalvia, tempore Cataclysmi fossilibus intermixta, commodè referri posse, iamductum mihi 314 Forschung Himmel gefallenen ›Donnerkeile‹ oder die einer zufälligen Gesteinsbildung ver- wies er damit ins Reich wissenschaftlicher Märchen. Als guter Systematiker war Klein ähnlich wie seine Vorgänger auf Referenz- material angewiesen. Auch er bezieht sich in seinen Ausführungen auf die schon bekannten Nautili und deren spiralig gewundene Schale, die Ähnlichkeiten mit dem Alveolus aufweise. Er zieht daraus den Schluß, daß es sich beim Alveolus notwendigerweise um eine selbständige Lebensform handeln müsse, die er von der Schale, dem Gehäuse, unterscheidet.314 Wenn, so lautet der Analogieschluß, die innere Struktur der Alveolen denen der Nautili ähnlich ist, so spricht nichts dagegen, ihnen den Status einer eigenständigen Art im System der Schalentiere zuzubilligen. Bleibt nur noch die Schale übrig, deren Funktion Klein nicht ganz einleuchten wollte. Sie konnte sowohl, den Schnecken ähnlich, als Schutz für den Alveolus dienen, wie auch gänzlich anderer Herkunft sein. Für abwegig hält Klein jedoch die Vermutung des Franzosen Bourget, der behauptet hatte, bei den Scha- len handele es sich um versteinerte Zähne von Tieren.315 Die Forschungen Kleins brachten somit nichts wesentlich Neues. Er stand ganz auf den Schultern seiner Vorgänger, deren Ergebnisse er jedoch weiter dif- ferenzierte und verfeinerte. Doch wichtig ist hier zweierlei: Das vergleichende Vorgehen entsprach ganz der Art und Weise, in der schon die fossilen Elefan- tenfunde mit der Anatomie gegenwärtig lebender Arten in Bezug gesetzt wurden. Hier wie dort ging es um Rekonstruktion von Lebensformen und deren Einordnung in ein System verschiedenster Arten. Doch lagen die Verhältnisse je- weils umgekehrt. Bei den Elefanten hatte man vollständige Exemplare von le- benden Tieren beschreiben können und war, was die Bodenfunde anbetraf, auf Fragmente angewiesen. Anders dagegen bei den Belemniten und Alveolen, die man zwar in großer Menge aus dem Boden ausgrub, zu denen jedoch bisher kei- ne lebende Entsprechung passen wollte. Die Analogie zur Philologie und deren Konjekturen drängt sich hier geradezu auf. Aus den durch die Zeit entstellten Textzeugen sollte durch genaue Vergleiche ein lesbarer Text zusammengestellt werden, aus Fragmenten unterschiedlichster Herkunft ein Ganzes. Zum anderen schuf die Diluvialtheorie ein polares Bezugssystem von jetzt le- benden und fossilen Arten, wobei es die Aufgabe des Naturforschers war, beide Bereiche in Kongruenz zu bringen. Die Leerstellen in diesem System waren na- türlich gewaltig: Zu jeder fossilen Art mußte es eine lebende geben, zu jeder

persuasi, ad quam verò classem redigendi forent, dubius hasi.« ›De Belemnitis et Alveolis‹ (Fe- bruar 1728), BL, Add. 5310, fol. 1r. 314 »Alveolos nostros generi Nautilorum adscriberem«. ›De Alveolis rite collocandis‹ (1729), BL, Add. 5310, fol. 12r. Eine weitere Darstellung dieser Fragen findet sich im Anhang von Ja- cob Theodor KLEIN, Ordre naturel des Oursins de Mer et Fossiles avec des Observations sur les Piquans Des Oursins de Mer et Quelques Remarques sur les Bélemnites, Paris 1754. 315 ›De Alveolis rite collocandis‹ (1729), BL, Add. 5310, fol. 13r (§ 12).

Abb. 27: Belemniten (Fig. 1–2) und Alveolen (Fig. 3–5) aus Balthasar Ehrharts Dissertatio de belemnitis suevicis (1727). Kupferstich. lebenden irgendwo ein fossiler, sintflutlicher Rest zu finden sein. Klein setzte da- her seine Hoffnung in die Erforschung der unbekannten Weiten Sibiriens durch die Petersburger Akademieexpeditionen: »Es wird sich zeigen, ob Gmelin«, der schon erwähnte Petersburger Botanikprofessor und einer der Teilnehmer der Ex- pedition von 1733 bis 1743, »unter den Resten, die er auf seinem Weg nach Kam- čatka ausgräbt, auch davon [von den Belemniten] etwas finden wird«, und er fährt mit direktem Bezug auf die Wirkungen der Sintflut fort: »Aus hunderterlei Gründen bin ich fest davon überzeugt, daß einst die Sintflut die Oberfläche des gesamten Erdballs, bis auf den Berg Ararat und einige in der Schrift nicht genannte Orte, bedeckt hat.«316

316 »Utrum Gmelino inter spolia, quae in itinere Kamczatkanensi sectatur, sese obtulerint, tempus docebit. Ex illis sum, quos milla necessitas urget, ut sibi persuadere jubeantur, aquas 316 Forschung

Überhaupt scheint dieses Bild des allesbedeckenden Meeres auf die naturfor- schenden Zeitgenossen eine nicht unerhebliche Faszination ausgeübt zu haben. Obgleich es um die Mitte des 18. Jahrhunderts noch genug unbekannte Weltge- genden gab, drängte sich etwa Balthasar Ehrhart unmittelbar das Bild der Mee- restiefen auf: »Da die Meere den größten Teil der Erdoberfläche bedecken, reden wir nicht da- von, daß es unzählige Meeresbecken von bedeutenden Tiefen gibt und damit Ver- stecke für Reste von Meerestieren, die ewig verborgen bleiben.«317 Nicht nur war das Meer ein noch unerschöpftes Reservoir unbekannter Arten, es gemahnte zugleich an die einstige Katastrophe der Sintflut. Die Beispiele von Elefanten und Belemniten haben deutlich gemacht, daß bei der Bewertung von Fossilienfunden ein einheitliches theoretisches Bezugssystem bestand. Die Ergebnisse in Danzig unterschieden sich nur dem betrachteten Material nach, nicht aber in der Art und Weise von Theoriebildung und Methode. Forschungsleitend waren die theologisch vorgegeben Lehren von der Konstanz der Arten und die Diluvialtheorie. Zwar hatten Blair und Sloane direkte Erfahrungen anläßlich von Sektionen kürzlich verstorbener Elefanten sammeln können, jedoch war das ihnen zur Verfügung stehende fossile Vergleichsmaterial vom Umfang her immer noch sehr gering. Zudem handelte es sich meist um Stoß- oder Backenzähne, also Fragmente, aus denen sich die Eigenschaften des gesamten Tieres nur sehr schwer ableiten ließen. Die vollständige Rekonstruktion eines Skeletts stand in den zwanziger Jahren noch aus. Ob ein vollständiger Fund Sloane und Breyne zu einer Revision der Dilu- vialtheorie und der Vorstellung einer Konstanz der Arten gebracht hätte, ist allerdings fraglich. Der Franzose Jean Louis Marie Daubenton hatte 1762 Funde vom oberen Ohio mit denen aus Sibirien verglichen und trotz dieses um- fangreichen Materials ganz im alten Sinne vermutet, es handle sich um diejenigen von Elefanten.318 Erst als mit weiteren Funden in Nordamerika die gravierenden Unterschiede zur Anatomie des Elefanten nicht mehr übersehen werden konn- ten, kam die Vermutung auf, es könne sich um ausgestorbene Tierarten handeln. Dieser neuen Richtung in der Naturgeschichte gab der Naturforscher Buffon bereits 1761 mit Bezug auf ein halbes Jahrhundert Elefantenforschung zusam- menfassend Ausdruck, indem er eindeutig zwischen dem Mammut als selb- ständiger Art und dem Elefanten unterscheidet: »Le prodigieux mahamout, animal quadrupèd, dont nous avons souvent considéré les ossements énormes avec étonnement, et que nous avons jugé six fois au moins plus grand que le plus fort éléphants, n’existe plus nulle part; et cependant on a trouvé de ses dépouilles en plusieurs endroits éloignés les uns des autres, comme

Diluvianas uno eodemque tempore in superficie integri voluminis Globi terra qui tam altas fu- isse, prout ad montes Ararat reliquosque non nominatos in Sacra pagina omnes substiterunt.« Klein an Sloane, Danzig, 10. November 1734, BL, Sloane 4053, fol. 310v. 317 WITTMANN, Ehrhart, S. 32 (§ 23). 318 Siehe GREENE, Death, S. 94.

en Irlande, en Sibérie, à la Louisiane, etc. Cette espèce était certainement la pre- mière, la plus grande, la plus forte de tous les quadrupèdes: puisqu’elle a disparu, combien d’autres plus petites, plus faibles et moins remarquables ont dû périr aussi sans nous avoir laissé ni témoignages ni renseignements sur leur existence passée?«319

Das ›Krokodil‹ von Maastricht Wie stark das Bezugssystem der Diluvialtheorie das Denken und Forschen der Sammler im 18. Jahrhundert bestimmt hat, läßt sich nicht zuletzt an den Äuße- rungen Emmanuel Mendes da Costas ablesen. Noch kurz vor seinem Tod, 1784, schreibt er an einen seiner Korrespondenten: »Not any species of animals are become extinct since the Creation[.] Many indeed we do not know at we have yet discover’d them but certainly others even of those mention’d in Holy writ as e. g. the Unicorn reckon as allegorical or metaphysical & consequently fallible or else[;] the specific name becoming obsolete is not [re]ally[,] naturally & truely translated«.320

Doch ähnlich wie schon bei Sloane und Breyne bedeutete diese enge Anlehnung an die biblische Überlieferung keineswegs einen Mangel an wissenschaftlicher Me- thodik und Genauigkeit. Im Gegenteil: Es gilt, wie Mendes da Costa an dieser Stelle ausführt, gerade das Legendarische und Allegorische als Ausgangspunkt für eine genauere Untersuchung zu nehmen. Die Autorität der Heiligen Schrift konnte aus dieser Perspektive für die Forscher gewissermaßen einen konkreten Anreiz bedeu- ten, sich näher mit rätselhaften Phänomenen in der Natur zu beschäftigen. Der Rekurs auf die Schöpfungsgeschichte entlastete viele Forscher geradezu von der Notwendigkeit, sich mit grundsätzlichen und schwierigen Fragen über den Ursprung des Lebens und mögliche Veränderungen einzelner Lebewesen aus- einanderzusetzen. Die Diluvialtheorie und der Glaube an die Konstanz der Arten stellt damit ein anschauliches Beispiel für die von Thomas Kuhn postulierte ›nor- male Wissenschaft‹ dar, die sich als praktische Forschung im Rahmen einer allge- mein anerkannten Theorie vollzieht.321 Der Glaube, daß alle Arten in einer einzi- gen Flutkatastrophe innerhalb kurzer Zeit untergegangen waren, bedeutete zudem, daß fossile Überreste sich gleichmäßig über die gesamte Erde verteilt hatten und somit an allen Orten für den Sammler die Möglichkeit einer reichen Ausbeute bestand. So ermutigt Mendes da Costa den schottischen Sammler Murdoch Mackenzie, sich in seiner Heimat auf die Jagd nach Fossilien zu begeben: »In the agreable conversations I have enjoyed with you relating to the deluge had the pleasure to shew you some of the diluvians remains of animals & vegetables & I informed you that those diluvian vestiges are found scatter’d all over the known earth[.] Scotland therefore cannot be free of these fossils for which reason you are desired to collect all kinds of petrified or fossil animal & vegetable

319 BUFFON, Histoire Naturelle, S. 209 f. 320 Mendes da Costa an John Hale, 22. Juli 1784, BL, Add. 28.538, fol. 12r. 321 Siehe KUHN, Struktur, S. 25. 318 Forschung

remains such as petrified wood[,] impressions of plants in the coal pits or coal slats[,] fossil fruits […,] mosses[,] nuts cones &c of animals the bones[,] teeth impresssions &c of fish and lastly the fossil shells of all kind you meet with«.322

Noch am Anfang seiner Karriere als Sammler und Fossilienforscher stehend, hat Mendes da Costa die genaue, vergleichende Betrachtung der Fossilien im Sinne des Bezugssystems des Diluvianismus auf hohem Niveau betrieben. In einem Brief an John Green stellt er Überlegungen darüber an, welche von den Lebewesen als Abdrücke im Stein überdauert haben könnten. So sei dies etwa bei den harten Teilen von Tieren, wie etwa Schalen oder Knochen, möglich gewesen, wobei diese wiederum durch die Gewalt des Wassers in viele Teile zerbrochen worden seien. Er hielt es deshalb für wenig wahrscheinlich, daß so fragile Gebilde wie Insekten irgendwelche fossile Spuren hinterlassen haben könnten. So schreibt er über eine Verwechslung eines Tausendfüßers mit dem Wirbel eines Fisches im fossilen Schiefer: »Among the Slats I have I was sent a black one which a convex mould on it of a pointed or signed Body a little curved about 2 1/2 inches long & 1/2 over exactly resembling a caterpillar & which a Claw or hook proceeding from each ring on each side this Body was sent me for a petrified caterpillar […] plainly shows me it is nothing else then the Back Bone or vertebrae alone of some fish to such causes & to such impute the petrified or impressed Insects of authors in reason there can be none.«323 Auch macht er sich in diesem Zusammenhang Gedanken über die Wechsel- wirkung des Trägergesteins und der darin überlieferten organischen Reste. Der ge- wöhnliche Schiefer (slat) besitze gegenüber dem schwarzen Schiefer (black slat) keinerlei mineralische Bestandteile, die einen Erhalt der weichen Teile der Lebe- wesen möglich machten. Dies gelte besonders für fossile Fische mit ihren Schuppen und Flossen, weshalb ihm bisher noch keine solchen Fossilien (ichtyo- lithi) englischer Herkunft begegnet seien.324 Wenngleich für Mendes da Costa und viele andere seiner Forscherkollegen der Diluvianismus im Kern unstrittig blieb, so wurde dennoch die Möglichkeit an- derer, kleinerer Katastrophen im Gefolge der Sintflut erwogen. So hatte etwa der Italiener Anton-Lazzaro Moro in seinem Buch De’Crostacei e degli altri marini corpi che si truovano su’monti libri due (1740) Erdbeben und Vulkanismus als Alternativen zur Entstehung der Fossilien vorgestellt und vor diesem Hintergrund John Woodward scharf kritisiert.325 Zweifel an der Gültigkeit der Theorie tauchen

322 Mendes da Costa an Murdoch Mackenzie, 3. März 1757, BL, Add. 28.539, fol. 206v. 323 Mendes da Costa an John Green, 16. Januar 1749, BL, Add. 28.537, fol. 340v. 324 »The common slate hold no corroding mineral principles the black slat is greatly impreg- nated with strong corroding mineral & metallic principles how does it happen that the slats which are strongly impregnated with such mineral principles […] should all have the scales[,] skin[,] fins &c of the fish which are such strong & tenacious parts intire & perfect & not in the least corroded or/ destroyed […] I have never heard of any Ichtyolithi being found in England«. Ebenda. 325 Siehe Mendes da Costa an Peter Ascanius, 29. Januar 1750, BL, Add. 28.534, fol. 192v. etwa in einem Brief Johann Jakob Ritters auf, der Mendes da Costa auf Johann Gottlob Krügers Buch Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten (1746) hinweist, in dem dieser unter anderem mit dem Sinfluttheoretiker Scheuchzer scharf ins Gericht geht.326 Doch für Mendes da Costa waren Katastrophen dieser Art höchstens im unmittelbaren Gefolge der Sintflut als ›Hauptkatastrophe‹ vorstell- bar: »I hesitate not to reckon all these or most parts of these phenomena to the immediate succeeding centuries after the deluge when the earth after the the (sic) […] formation of the strata had not yet acquired the due solidity for I beleive few like Great Revolutions have happend of later date«.327 In den Zusammenhang dieser Diskussionen gehört ebenfalls der aufsehenerre- gende Fund eines fossilen ›Krokodiles‹ in den Kalksteinbrüchen von St. Pierre in der Nähe von Maastricht im Jahr 1770.328 Die weitläufigen Galerien dieses Stein- bruchs waren seit etwa 1766 als fossile Fundstätte überregional bekannt gewor- den. Ein gewisser Major Drouin hatte in jenem Jahr fossile Zähne und Fragmen- te größerer Wirbeltiere gefunden. Vier Jahre später gelang dem in der Garnison St. Pierre ansässigen Arzt Johann Leonhard Hoffmann die Entdeckung eines vier Fuß langen Kieferknochens, den er als Überrest eines riesigen Krokodils identifizierte (Abb. 28).329 Der spektakuläre Fund sprach sich schnell herum, so daß es bald zu Streitig- keiten um dessen Besitz kam. Die Kirche in Gestalt des örtlichen Dekans God- ding beanspruchte den Fund mit der Behauptung, er sei auf ihrem Boden ge- macht worden. Hoffmann verlor den Rechtsstreit und das Stück wechselte den Besitzer.

326 Siehe Ritter an Mendes da Costa, Ober-Peylau, 10. Dezember 1754, BL, Add. 28.541, fol. 312r. 327 Mendes da Costa an Ascanius, 26. September 1760, BL, Add. 28.534, fol. 130r. 328 Siehe zu diesem Fund ausführlich Nathalie BARDET/John W. M. JAGT, Mosasaurus hoffman- ni, le ›Grand Animal fossile des Carrières de Maestricht‹: deux siècles d’histoire, in: Bulletin du Muséum national d’Histoire naturelle, Paris, 4e série, 18 (1996), Section C, No 4, S. 569–593. 329 Hoffmann selbst hat seinen Fund nicht dokumentiert. Die ausführlichsten Nachrichten über die Entdeckung stammen von Bernard FAUJAS-SAINT-FOND, Histoire naturelle de la Montagne de Saint-Pierre de Maestricht, Paris 1799, der überdies den Fund in einer Reihe von Abbildungen festgehalten hat. 320 Forschung

Abb. 28: Eine höchst dramatische Szene: Die Auffindung des Maastrichter ›Krokodils‹ im Jahre 1770. Kupferstich.

Wann genau diese Auseinandersetzung stattfand, ist nicht bekannt.330 Doch im Jahr 1772 erhielt Mendes da Costa in London den Auftrag, dieses ›Krokodil‹ für 300 Gulden zu verkaufen. In einem ausführlichem Brief wandte er sich an den mit ihm befreundeten Sammler und Mäzen John Fothergill, dem er nicht nur Details über den Fund mitteilte, sondern ihm auch für einige Tage Zeichnungen des Stücks überließ: »I have a commission from Maestricht to sell a most singular capital & a fossil[:] a crocodiles head. The inclosed drawing and account of it will fully inform thee of the particulars. The proprietor only mentions that 300 Gilders or about 25 guineas has been offerd for it & leaves every thing else undetermined, till perchance a purchaser offers, when he will explain his terms agreable to his offers. Now I should be glad to know if in any wise suits thee to purchase it[.] As seemingly it is a most capital petrefaction & only disagreable on account of its unweildiness and weight. I therefore shall leave it with thee till friday morn[ing] next to review as a matter worthy thy knowledge tho thou chuseth not to purchase it.«331 Ob zu diesem Zeitpunkt Hoffmann noch im Besitz des Fossils war oder über- haupt als Verkäufer auftrat, geht aus dem Brief nicht hervor. Denkbar ist jedoch, daß er sich zuvor um einen Verkauf bemüht hatte und die angebotene Summe von 300 Gulden erst die Begehrlichkeit seines Sammlerkonkurrenten geweckt hatte, was die Ursache für den Prozeß um den rechtmäßigen Besitz war. Ein Hinweis auf Hoffmann als Anbieter ist jedoch die Bemerkung im Brief, daß nicht nur das Hauptstück, das ›Krokodil‹, angeboten wurde, sondern auch einige kleinere Funde aus den Steinbrüchen.332 Denn Hoffmann zählte neben Drouin zu den lokal bekannten Sammlern, die sich schon längere Zeit mit den Fossilien

330 BARDET/JAGT, Mosasaurus, S. 578, geben das Todesjahr Hoffmanns, 1782, als terminus ante quem an. 331 Mendes da Costa an John Fothergill, 11. Mai 1772, BL, Add. 28.537, fol. 157r. Der Brief gibt unter anderem auch ein genaues Funddatum, den 28. März 1770, an. Obwohl der Fund ins- gesamt sowohl in der älteren wie neueren Literatur gut dokumentiert wurde, fehlten bisher ein- deutige Hinweise auf den genauen Zeitpunkt. BARDET/JAGT, Mosasaurus, S. 575, geben einen Zeitraum zwischen 1770 und 1774 an. 332 »This rare & singular fossil with a choice & compleat collection of varieties of the fossils of St. Peters Mountain near Maestricht collected with great care for ten years is offerd for sale to the curious«. Men- des da Costa an Fothergill, 11. Mai 1772, BL, Add. 28.537. fol. 157v (Hervorhebung St. S.). der Umgegend beschäftigt hatten.333 Das Interesse scheint jedoch in England nur gering gewesen zu sein, ein Ankauf durch Fothergill oder einen anderen Sammler kam nicht zustande. Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß das Stück zuvor schon dem British Museum angeboten worden war. Das Board of Trustees hätte, so Mendes da Costa, Beschreibung wie Zeichnungen einen Monat lang begutachtet, sich aber dann gegen einen Kauf ausgesprochen. Daß es sich um einen wichtigen Fund handelte, dürfte Mendes da Costa sofort klar gewesen sein, unabhängig davon, daß er als Kommissionär daran interessiert war, das Besondere des Stückes herauszustreichen. Obwohl er die Maastrichter Fundstelle schon kannte – er schreibt, daß dort eine große Vielfalt an fossilen Muscheln (coralloid shells) und Seeigeln (echini) zu finden sei – entnahm er die wesentlichen Informationen dem beigefügten Bericht des Anbieters, aus dem er gegenüber Fothergill ausführlich zitiert. Die Ausführungen ließen, so Mendes da Costa, keinen Zweifel daran, daß es sich bei dem Fund um ein fossiles ›Krokodil‹ handeln müsse: »This fossil which is a considerable fragment of part of the Jaws and head of a very great crocodile is well preserved on a sandy stone a foot in thickness. The boney parts of the animal that are discoverd on the stone are near four feet long and about three feet over. The greater part of the teeth comprehending their roots fixed in the Jaws are from three to six inches long and as much in width. Several of them are accompanied by a second young or double tooth inclosed in their alveoli [Zahnwurzel, St. S.] which is a certain proof that this rare fossil is the remains of a real crocodile […] These double or surplus teeth are to two inches long. Many of the Teeth were loosened from the jaws thrown forth & displaced as well as several peices of vertebra ribs bones[,] of the feet and of the shoulder of the animal (which different peices are kept in a large drawer apart). The teeth are cylindrick being only slightly bent towards the top still preserve their enamel and are very heavy as well as the vertebrae [Wirbelknochen, St. S.].«334 Wie schon bei der Diskussion um die richtige Identifizierung der sibirischen ›Elefantenfunde‹ wird das Maastrichter Fossil letztlich in das Bezugssystem des Diluvianismus und der Konstanz der Arten gesetzt. Von Beginn an war man be- müht, die aus den Knochen und Zähnen rekonstruierbare Anatomie dieses Tieres mit der jetztlebender Krokodile zu vergleichen. Der Gedanke, es könne sich um eine gänzlich neue Art handeln, wurde beiseite gedrängt. Auch die monströsen Ausmaße des Tiers von geschätzten 40 Fuß Länge änderten nichts an dieser Ansicht. Knapp dreißig Jahre nach dem Fund des ›Krokodils‹ gerieten die Ansichten über dessen wahre Identität in Bewegung. Unmittelbar verantwortlich dafür wa- ren jedoch nicht neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern politische Um-

333 Siehe BARDET/JAGT, Mosasaurus, S. 572. 334 Mendes da Costa an Fothergill, 11. Mai 1772, BL, Add. 28.537, fol. 158r. Der Abschnitt des Briefes ist mit ›Explanation of this rare & singular petrefaction‹ überschrieben, stammt demnach nicht von Mendes da Costa selbst, sondern ist Teil der Beschreibung durch den Besitzer. Die erwähnte Zeichnung ist im Nachlaß Mendes da Costas nicht überliefert. 322 Forschung stände. Im Dezember 1794 belagerten französische Revolutionstruppen die Stadt Maastricht und nahmen sie kurz darauf ein. Das Fossil wurde aus dem Besitz Goddings konfisziert und auf Beschluß des französischen Nationalkonvents im Februar 1795 nach Paris überführt. Es wurde dort im kurz zuvor neugegründeten Muséum d’histoire naturelle ausgestellt, mit dem Hinweis, es sei dem fran- zösischen Staat durch den Dekan Godding geschenkt worden.335 Das berühmte Fossil teilte auf diese Weise das Schicksal vieler Kunstwerke, die im Zuge der französischen Eroberungen als Kriegsbeute aus den besetzten Ländern nach Pa- ris verbracht wurden.336 Daß das Fossil nach Paris kam und nicht etwa nach England verkauft worden war, erwies sich im nachhinein als Glücksfall. Denn es war kein geringerer als Georges Cuvier, der gerade im Jahr 1795 eine Stelle am Pariser naturhistorischen Museum antrat und als Mitglied der Gutachterkommission zu den ersten gehörte, die den Fund dort in Augenschein nehmen konnten. In einem wenige Jahre später gehaltenen Vortrag mit dem Titel Mémoire sur les espèces d’éléphans vivantes et fossiles (1798) unternahm es Cuvier, die bisher gängigen Ansichten über die Herkunft fossiler Wirbeltiere radikal in Frage zu stellen. Unter Bezug auf die Mammutfunde Messerschmidts in Sibirien und den Maastrichter Fund vertrat er die Ansicht, daß diese Lebewesen einer von der heutigen grundsätzlich verschie- denen und seit langem untergegangenen Welt angehörten.337 Als vergleichender Anatom waren für ihn die Unterschiede zwischen diesen Arten und den im heu- tigen Sinne rezenten Arten unübersehbar, die Vorstellung von einer Konstanz der Arten mithin nicht haltbar. Das vermeintliche ›Krokodil‹ von Maastricht er- wies sich im Gegenteil als eine riesige Meeresechse, zu der es unter den Cuvier bekannten, lebenden Arten keine Entsprechung gab. Folgerichtig bezeichnete er diesen Fund dann 1808 als »lézard gigantesque d’une espèce inconnue«.338 Im 19. Jahrhundert erhielt das ›Krokodil‹ dann seine bis heute gültige Artbezeichnung: Mosasaurus hoffmanni (Mosasaurus = ›Maas-Echse‹). Es ist mit geschätzten 17 Me- tern das größte bisher aufgefundene Meeresreptil aus dem Erdmittelalter. Die Untersuchung der sibirischen ›Elefanten‹ und des Maastrichter ›Krokodils‹ stellten um 1800 die bisher gängigen Vorstellungen von der Geschichte der Erde in Frage. Wurde die Vorstellung einer Konstanz der Arten auf diese Weise einer Revision unterzogen, so war auch die Diluvialtheorie als Matrix zur Erklärung der Fossilien nicht mehr länger haltbar, genauer: Man hielt zwar an der Vorstel- lung einer universalen Katastrophe fest, war sich jedoch über das konkrete Sze- nario nicht einig. Es herrschte zum Ende des Jahrhunderts hin geradezu ein Ka- tastrophenpluralismus, bei dem die Vertreter einer auf vulkanischer Wirkung be- ruhenden (zu ihnen gehörte unter anderen Cuvier) mit denen einer auf Wasser beruhenden Katastrophe im Streit lagen. Dem seit Ende des 17. Jahrhunderts die

335 Siehe BARDET/JAGT, Mosasaurus, S. 578 f. 336 Es wäre sicher lohnenswert, weitere Fälle staatlichen ›Fossilienraubs‹ – parallel zum Kunstraub – zu verfolgen. 337 Siehe GREENE, Death, S. 108 f. 338 Zit. BARDET/JAGT, Mosasaurus, S. 584.

Forschung beherrschenden Diluvianismus wurde damit der Todesstoß versetzt.339 Aber dies gehört nicht mehr im eigentlichen Sinne zur Geschichte der Elefanten und Riesenechsen, sondern zu den neueren Theorien der Erdentstehung und zum Umkreis der Forschungen Darwins im 19. Jahrhundert. Die Funde in Sibirien, in Maastricht und an vielen anderen Orten waren im 18. Jahrhundert erst der Anfang einer Reise gewesen, die in bis dahin nicht für möglich gehaltene Tiefen der Erdvergangenheit führte.

Die verfälschte Natur In der Revision naturgeschichtlichen Wissens und den damit verbundenen Klas- sifizierungen und Vergleichen wurde der Naturforscher zuweilen mit Objekten konfrontiert, die sich bei näherer Untersuchung als Fälschungen herausstellten.340 Die Objekte wurden, wie etwa im erwähnten Falle Heuchers und der Dresdener Sammlung, der Quarantäne genauer Untersuchung unterzogen, bevor sie Eingang in die eigentliche Sammlung fanden. Der Begriff Fälschung in Bezug auf Objekte der Natur war jedoch nur dann anwendbar, wenn man als Gegenbegriff die ›richtige‹, unverfälschte Natur ins Feld führen konnte, und hing auf diese Weise eng mit der sich im Laufe des 17. Jahrhunderts durchsetzenden Un- terscheidung von naturalia und artificialia zusammen. In der Zeit zuvor hatte je- doch die Vorstellung eines lusus naturae, einer spielenden Natur, einen günstigen Boden für Fälschungen bereitet341, vielmehr: Der Begriff der Fälschung war vor diesem Hintergrund nicht relevant. Da die Natur, ähnlich wie der schaffende Mensch, kreativ tätig war, gab es kein eindeutiges Kriterium, das eine Unter- scheidung zwischen einer richtigen und einer falschen Natur möglich machte. Erst das 18. Jahrhundert sollte Unterscheidungen dieser Art treffen. Dabei sind naturgeschichtliche Fälschungen keineswegs einfach auf einen Nenner zu bringen. Ihnen kann sowohl die Absicht zur Täuschung – als Vor- spiegelung einer falschen Natur – zugrunde liegen als auch ein Zusammenspiel kultureller und natürlicher Faktoren im Sinne einer falschen Beurteilung der Her- kunft von Naturalien. Fälschungen sind ein Testfall für das problematische Ver- hältnis von naturalia und artificialia, von Natur- zur Menschengeschichte. In jedem Falle diente der Begriff Fälschung aber dem Selbstverständnis einer kritischen, sich ihrer Methoden bewußten Naturgeschichte. Es galt hier die Oberfläche des schönen Scheins zu hinterfragen und zugleich das Verhältnis von Meinen und Wissen in Bezug auf natürliche Phänomene genauer in den Blick zu nehmen. Dies bezeugt das frühe Beispiel von Sir Thomas Brownes Pseudodoxia Epidemica: or, Enquiries into Very many Received Tenents, and commonly Presumed Truths von 1646, in der das überlieferte naturgeschichtliche Wissen in Form einer Enzyklopädie untersucht und aufgrund eigener Beobachtungen kritisch beurteilt wurde. Im

339 Siehe GUNTAU, Earth, S. 226. 340 Siehe M. JONES (Hrsg.), Fake? The Art of Deception, London 1990, und Peter DANCE, Animal Fakes and Frauds, Maidenhead 1976. 341 Findlen spricht treffend von der »ever-flexible category of lusus«. FINDLEN, Jokes, S. 302. 324 Forschung

Licht genauerer Untersuchungen bezeichnet Browne dieses Wissen abwertend als »false judgment of things«.342 Ähnlich wie der Begriff des ›falschen‹ Wissens, vor dessen Hintergrund die Naturgeschichte an der Wende zum 18. Jahrhundert ihr auf methodischer Einsicht und empirischer Forschung beruhendes ›richtiges‹ Wissen legitimierte, war die Fälschung aus Absicht und als Täuschung ein Phänomen, das die Fähigkeiten vieler Naturforscher auf eine harte Probe stellte. Das von der Norm Abweichende unterlag automatisch dem Verdacht der Fälschung, doch war in diesem Zusammenhang nicht immer auszuschließen, daß es sich um etwas wirklich Neues, auf natürliche Weise zu Erklärendes handelte. Im 18. Jahrhundert wird die Kategorie des lusus naturae durch die Kategorie der Fälschung ersetzt. Um Fälschungen dieser Art und deren Untersuchung vor dem Forum der Gelehrten im 18. Jahrhundert soll es hier gehen. Im Jahr 1747 bat Mendes da Costa den mit ihm befreundeten Schweizer Arzt Johann Jakob Ritter um Aufklärung über die sogenannten Badener Würfelsteine, die für ihn als Fossilienforscher von besonderem Interesse waren. Ritter berichtet daraufhin, daß diese Würfel schon seit langem das Interesse der Forschung erweckt hätten. Die einen führten sie, als antike Spielwürfel, auf den römischen Ursprung der Stadt Baden zurück, andere meinten, sie seien natürlichen Ur- sprungs, und wieder andere hielten sie schlichtweg für Fälschungen. Sicher war, daß sie aus einer Hornsubstanz bestanden, wobei aber ein vegetabilischer Ur- sprung nicht ausgeschlossen wurde.343 Diese Würfel hatte Johann Jakob Scheuchzer im Jahre 1706 erstmals genauer beschrieben: »Sie sein an Gestalt anderen Würfflen gleich/ aber um vil kleiner/ an Farb weiß/ oder gelb/ oder schwarzlecht/ und werden gefunden ausser der Statt Baden/ in dem Graben bey dem alten Schloß/ welches ein Römische Veste gewesen/ und daherum ligenden Wiesen/ sonderlich in der so genanten Würffelwiese.«344 Nach einer genaueren Untersuchung stand für Scheuchzer bald fest, daß es sich bei diesen Würfeln um Spielwürfel aus Hornsubstanz und nicht etwa um Fos- silien natürlichen Ursprungs handelte. Zwar fänden sich an anderen Stellen der Schweiz würfelförmige Körper mineralischer Herkunft, doch seien diese nicht mit regelmäßig angeordneten Augen oder Punkten versehen. Scheuchzer bemerkt: »Wann aber auß bisher eingeführten Gründen die Baderwürffel auß der Zahl der Figurierten/ oder von Natur gebildeten Steinen weggenommen/ und unter die Kunstsachen verleget werden/ so entstehet eine neue Frag/ woher sie dann kom- men?«345

342 BROWNE, Works, Bd. 1, S. 133. 343 Johann Jakob Ritter an Mendes da Costa, Franeker, 13. November 1747, BL, Add. 28.541, fol. 225v. 344 Johann Jakob SCHEUCHZER, Von denen Baderwürfflen, in: Ders., Beschreibung der Na- tur-Geschichten des Schweizerlands. Zweyter Theil, Zürich 1706, S. 153–159, hier S. 155, Nr. 39. 345 Ebenda, S. 156.

Er verweist überdies auf den englischen Naturforscher John Ray, dem schon 1663 auf der Durchreise durch Baden diese Steine aufgefallen seien und der ver- sicherte, die Einwohner selbst hätten sie vorher in die Erde gelegt. Scheuchzer maßt sich hier also kein abschließendes Urteil an. Obwohl im Falle der Badener Würfelsteine von Beginn an der Verdacht einer Fälschung bestand, war um die Mitte des 18. Jahrhunderts deren Herkunft immer noch Anlaß zu Diskussionen. Noch Ritter wollte in seinem Brief an Mendes da Costa den vegetabilischen Ursprung dieser Würfel nicht ganz ausschließen, wobei er resümiert: »L’origine de ces Dès occupent bien les savants.«346 Jedoch scheint für Mendes da Costa ihre Eigenschaft als Antiquität nicht zweifelhaft gewesen zu sein. An Ritter schreibt er kurz darauf, daß er Erkundigungen bei seinen Freunden in der Londoner Society of Antiquaries eingezogen habe, die ihm mitgeteilt hätten, daß es sich bei diesen Würfeln um solche aus römischen Zeiten handle.347 Das Bezugssystem zur richtigen Beurteilung der Funde ist hier das von artificialia und naturalia. Einem dieser Bereiche mußte dieses seltsame Phänomen letztlich zugeordnet werden. Ähnlich lag der Fall bei den Lügensteinen des Würzburger Fossilienforschers Johann Bartholomäus Beringer. In seinen 1726 publizierten Lithographiae Wirce- burgensis beschreibt er eine Vielzahl merkwürdiger Fossilen, darunter Spinnen in ihren Netzen, Kometen und Frösche. Kaum überraschend, daß sich diese Funde kurz darauf als Fälschung entpuppten. Sie waren von Studenten der Würzburger Universität hergestellt und dann vergraben worden, Beringer mithin Opfer eines üblen Streichs geworden.348 Doch noch mehr als zwanzig Jahre danach finden diese Ereignisse Erwähnung in einem Brief an Mendes da Costa. Smart Lethieul- lier zeigt sich erstaunt über die höchst seltsamen Funde Beringers: »The Dr. not only exhibits shells, fish & such like among his fossills but likewise almost the whole Tribe of Reptiles & Insects, such as no other author ever pretends to have seen, to which likewise many stones are produced with the name of the Almighty & other Words in Hebrew or Samaritan Letters naturally upon them.«349 Mendes da Costa konnte ihn schnell über den wahren Sachverhalt aufklären, nicht ohne hinzuzufügen, daß es sich bei Beringers Buch um eine der dreistesten Erfindungen und Betrügereien innerhalb der gelehrten Welt handle. Es war ihm

346 Ritter an Mendes da Costa, Franeker, 13. November 1747, BL, Add. 28.541, fol. 225v. 347 Mendes da Costa an Ritter, London, 1. Dezember 1747, BL, Add. 28.541, fol. 224r. 348 Siehe GUNTAU, Earth, S. 218. Siehe auch Johann Barthlomäus Adam BERINGER, Litho- graphiae Wirceburgensis, deutsche Übersetzung nach der von Melvin E. Jahn und Daniel J. Woolf veröffentlichten Übertragung ins Englische von Herbert und Heide Vossmerbäumer, in: Naturwissenschaftliches Jahrbuch Schweinfurt 7 (1989), S. 4–156. 349 Smart Lethieullier an Mendes da Costa, London, 18. Oktober 1748, BL, Add. 28.540, fol. 40r. 326 Forschung vermutlich unbekannt, daß Beringer das Opfer des Betrugs war und nicht dessen Urheber.350 Fälschungen wie die Würzburger Lügensteine, die aus heutiger Sicht nicht zu- letzt den Bereich des Komischen streifen – auf einem der Steine soll sich das Porträt Beringers befunden haben – , scheinen in nicht unerheblichem Maße zur Stabilisierung einer einheitlichen und ›richtigen‹ Methode des Forschens beige- tragen zu haben. Mendes da Costas Bemerkungen gegenüber Lethieullier lassen den Schluß zu, daß innerhalb der Scientific Community Vorfälle dieser Art als warnende Beispiele kolportiert wurden. Das gilt auch für ein Sammlungsobjekt, über dessen Herkunft seit Beginn des 17. Jahrhunderts viel spekuliert worden war. Es handelt sich um ein Schaf, von dem behauptet wurde, daß es – halb Pflanze, halb Tier – wie eine Pflanze im Boden wurzele. Es stellte damit als Zoophyt scheinbar einen Übergang zwischen der Welt der vegetabilia und der animalia dar. Rußlandreisende hatten als erste über diesen Fund berichtet. Er wurde als Borametz oder Agnus Scythicus vegetabilis be- zeichnet. Zwar hatte es seit jeher Zweifel an der Echtheit dieses Fundes gegeben, aber genauere Untersuchungen existierten erst seit kurzer Zeit (Abb. 29).351 Als erster hatte sich 1698 Sloane kritisch mit diesem Fund auseinandergesetzt, wobei er ein Exemplar näher untersuchte, das er von Edward Buckley, Arzt bei der East India Company, erhalten hatte.352 Als erfahrenem Botaniker war für Sloane der Nachweis einer Fälschung leicht, die Bestimmung des offenbar pflanz- lichen Materials, der das ›Lamm‹ bedeckenden ›Wolle‹, jedoch schon schwieriger. Nach seiner Meinung, und er stützte sich dabei auf Bemerkungen Buckleys, han- delte es sich um eine aus Ostasien bekannte Farnart, die dort seit längerem wegen ihrer blutstillenden Wirkung bekannt war.353 Auch Breyne in Danzig konnte seine Untersuchungen direkt an einem Stück vornehmen, das ihm Messerschmidt 1722 aus Rußland beschafft hatte.354 Seine Beobachtungen faßte Breyne in einem 1725 in den Transactions veröffentlichten Aufsatz zusammen.355 Dort ist zu lesen:

350 Mendes da Costa an Lethieullier, Bois le Duc, 8. Dezember 1748, BL, Add. 28.540, fol. 41r. 351 Siehe John H. APPLEBY, The Royal Society and the Tartar Lamb, in: Notes and Records of the Royal Society London 51 (1997) S. 23–34, und FINDLEN, Jokes, S. 303. 352 Siehe Hans SLOANE, A further Account of the Contents of the China Cabinet mentioned last Transactions, in: Philosophical Transactions 20 (1698), S. 461 f. 353 Ebenda, S. 461. Daß Sloane hier besonders an medizinischen Aspekten interessiert war, geht auch aus einem undatierten Eintrag in seinem Katalog hervor: »Wooll of the Tatarian Lamb. (Poco Sempie) from Fort St. George. Used to stop haemophages. Mr. Buckley used it in amputations. Stops bleeding but not with that success as pretended.« BL, Sloane 3984, fol. 272r. Tatsächlich handelt es sich, wie von dem französischen Forscher Claude Joseph Geoffroy 1712 durch mikroskopische Untersuchungen festgestellt worden war, bei der ›Wolle‹ um die Fasern einer Seemuschelart (pinna marina). In Sloanes Sammlung befindet sich zudem ein aus diesen seidenähnlichen Fasern verfertigter Handschuh. Siehe APPLEBY, Lamb, S. 30. 354 Siehe Messerschmidt an Breyne, Krasnojarsk, 20. Mai 1722, Gotha, Chart. B 787, fol. 407r. Vor seiner Abreise 1719 hatte Messerschmidt von Breyne eine Liste mit Desiderata erhalten: »In specie desiderantur […] 5. Querit. quid rei sit, cum Borametz s. famoso«. ›Quaestiones circa

»Aufgrund besagter Beobachtungen bin ich zu dem Schluß gekommen, daß es sich nicht um ein natürliches Tier noch um die Frucht einer Pflanze handeln kann, sondern nur um eine gewisse dicke, gebogene und haarige Wurzel mit den kräftig hervorstehenden Stengeln einer gewissen Pflanze«.356 Wie schon im Falle der Elefantenfunde hatten Sloane und Breyne hier unab- hängig voneinander die gleichen Schlüsse gezogen. Breyne scheint hierauf be- sonderen Wert gelegt zu haben. Er schreibt: »Diese meine Meinung wird dadurch bestätigt, was ich später in den Philosophical Transactions las, wo der berühmte Herr Sloane, Präsident des College of Physicians und Vizepräsident der Royal Society, ein ähnliches aus Westindien stammendes ›Agnus Scythicus‹ beschrieben und abgebildet hat, welches jedoch weit weniger einem Schaf ähnlich sieht als das von mir behandelte.«357 Zugleich gibt er jedoch zu, daß es gerade Sloanes Aufsatz gewesen war, der ihn dazu ermutigt habe, seine eigenen, zuvor in der Danziger Sozietät vorgestellten Beobachtungen, nach London zu senden.358 Aber letztlich entscheidend war, daß beide erstmals Untersuchungen am Objekt selbst vorgenommen hatten. Sie waren damit gegenüber denjenigen Autoren im Vorteil, die sich allein auf das Hörensagen verliessen.

tria Naturae Regnum in Imperio Russico D. Dn. Messerschmidt expositae a P. B.‹ Gotha, Chart. A 876, fol. 152r. 355 Siehe Johann Philipp BREYNE, Dissertatiuncula de Agna Vegetabili Scythico, Borametz vulgo dicto …, in: Philosophical Transactions 34 (1725), S. 353–360. 356 »Ad examen vocatum cognovi, non esse animalis naturae, neq. fructum alicujus plantae, sed radicem cujusdam vegetabilis crassam, reptantem & villosam, vel potius caulem scandentem plantae alicujus«. Ebenda, S. 358. 357 »Hanc meam sententiam confirmant, quae postmodum legi in Transactionibus Philosophicis Anglicanis ubi Illustris Ds. Hans Sloane, Collegii Med. Lond. nunc Praeses & Regiae Societatis vice-Praeses dignissimus similem Agnum Scythicum fictum ex India Orentali nactus, descripsit & delineavit, qui tamen longe minus Agni figuram refert, quàm meus memoratus.« BREYNE, Borametz, S. 359 f. 358 »Because my observation amends with Yours in ye Transactions without I saw them be- fore and confirms Your opinion, I thinck it not unworthy of Your sight, if You thinck it fit to insert it in ye Transactions«. Breyne an Sloane, Danzig, 22. Dezember 1725 (Abschrift), Gotha, Chart. A 877, fol. 17v. Breyne hatte den Vortrag im Oktober 1724 gehalten. Siehe ›Von mir aus- gearbeitete Piecen, so nach und nach unserer Societati Litterariae gecommunicieret‹. Gotha, Chart. A 875, fol. 79r. 328 Forschung

Abb. 29: Der Agnus Scythicus vegetabilis aus der Sammlung Johann Philipp Breynes. Kupferstich.

Einen Nachhall fanden diese Untersuchungen Jahre später, als Denis Diderot in einem Artikel der Encyclopédie (1751–1765) das Beispiel Borametz dazu nutzte, um allgemein auf das Verhältnis von Wunderglaube und Fälschungen hinzuwei- sen: »So führt aller Wunderglaube beim Agnus Scythicus zu nichts oder zumindest zu sehr wenig, nämlich zu einer behaarten Wurzel, der man ungefähr die Gestalt eines Lamms gibt, indem man sie entsprechend zurechtbiegt.«359 Zudem hänge der Glauben an Phänomene dieser Art, so Diderot, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen und deren Fähigkeit, die Objekte genau in Augenschein zu nehmen. Er fährt fort: »Man muß berücksichtigen, ob die Zeugen Augenzeugen sind oder nicht, was sie gewagt haben, um sich Glauben zu verschaffen, welche Befürchtung oder welche Hoffnungen sie gehegt hatten, als sie den anderen Tatsachen mitteilten, deren Augenzeugen sie angeblich gewesen wa- ren.«360 Wie schon im Falle Beringers dienen Fälschungen hier als eine Art Exemplum: Man zog im Rückblick seine Lehren aus dem mangelnden Urteils- vermögen der vorhergehenden Forschergenerationen und war zugleich stolz auf die Leistungen der zeitgenössischen Naturforschung, die sich eben nicht auf Fabelberichte stützte, sondern ihre Objekte einer kritisch-genauen Untersuchung unterzog. Um Fälschungen ging es auch bei der Betrachtung von Tieren und Pflanzen in Bernstein. Breyne veröffentlichte 1726 einen Aufsatz über ein in Bernstein ein- geschlossenes Pflanzenblatt in den Transactions.361 Seit seiner Studienzeit hatte er sich mit Bernstein beschäftigt und im Laufe seines Lebens eine umfangreiche Sammlung zusammengetragen; die vielen farbigen Zeichnungen in seinem Nach- laß legen davon noch heute ein beeindruckendes Zeugnis ab.362 Der kurze Auf- satz entstand im Zusammenhang eines Vortrags, den Breyne vermutlich 1726 vor den Mitgliedern der Danziger Sozietät in den Räumen seiner Sammlung gehalten hatte.363 Unmittelbarer Anlaß war allerdings ein besonders außergewöhnliches Stück Bernstein, das der Danziger Kaufmann Philipp Benslow im gleichen Jahr zum Verkauf angeboten hatte, und das später vom polnischen König August II. für 50 Gulden erworben wurde.364

359 Denis DIDEROT, Agnus Scythicus, in: Artikel aus der von Diderot und D’Alembert her- ausgegebenen Enzyklopädie, hrsg. von M. Naumann, Leipzig 1984, S. 59–61, hier S. 59. 360 Ebenda, S. 61. 361 Siehe Johann Philipp BREYNE, Observatio de Succinea Gleba, Plantae cujusdam folio impraegnata, rarissima …, in: Philosophical Transactions 34 (1726), S. 154–156. 362 Siehe Gotha, Chart A 784, fol. 121r–126r. 363 ›In Societae Litteraria Gedaneses, cui et Museolum ipsum ad oculum demonstrum a. J. P. Breynio‹. Gotha, Chart. A 791, fol. 109r. Siehe dazu auch Klein an Breyne, (Danzig), o. D., Go- tha, Chart. B 787, fol. 76r. 364 Breyne an Sloane, Danzig, 23. März 1728, BL, Sloane 4049, fol. 130v. 330 Forschung Breyne bemühte sich zunächst darum, die Herkunft dieses eingeschlossenen Blattes genauer zu ermitteln. Da Bernstein, wie er glaubte, unterirdisch entstehe, seien Stücke der oberirdisch wachsenden Pflanzen nur selten in ihm zu finden. Anders dagegen Insekten, die, wie er häufig beobachtet habe, auf der Flucht vor der kalten Witterung sich in die Erde zurückzögen. Obwohl er zur genaueren Beobachtung ein Mikroskop verwendete, konnte er die Pflanzenart nicht näher bestimmen. Doch fand er in Michele Mercatis Metallotheca (1717) unter den dort verzeichneten Bernsteineinschlüssen eine Abbildung, die auf sein Objekt paßte. Weiterhin bestand eine Ähnlichkeit mit einer vom französischen Forschungsrei- senden Tournefort beschriebenen Kräuterart, von der behauptet wurde, sie käme auch in den nördlichen Regionen Europas vor. Breyne nimmt diese Zuordnung zum Anlaß, ganz allgemein vor Fälschungen bei Bernsteineinschlüssen zu warnen, da er die übrigen bei Mercati abgebildeten Stücke mit Kröten, Eidechsen und kleinen Fischen für sichere Fälschungen hielt. Einen Widerhall fand diese kleine Betrachtung Breynes im Briefwechsel mit Sloane. Breyne kannte dessen großes Interesse an Bernstein, denn Sloane hatte ihm schon 1714 von einem in London ausgestellten Danziger Bernsteinkabinett berichtet, in dem er Stücke mit Einschlüssen verschiedenster Tiere gesehen habe. Doch es war zweifelhaft, ob es dabei immer mit rechten Dingen zuging. Er habe, so gibt Sloane zu, viele solcher Stücke mit Tieren darin erworben und erst kürzlich sei ihm eines mit einer Kröte angeboten worden, das er aber für eine Fälschung halte.365 Hinweise dieser Art griff Breyne als ausgewiesener Bern- steinexperte natürlich gerne auf. Noch vor seiner Veröffentlichung in den Trans- actions machte er daher Bernsteinfälschungen zum Thema eines Briefes: »About the Contenta in Succino, one must be very cautious, if he will not be trick’d. People adulterating [fälschen, St. S.] them after several fashions, in putting the things in them and afterwards, closing or joining them together, that none, but who is very skillful, may distinguish them of Natural Specimens. Therefore if You see Specimens, with little Fishes, Toads, Lezards and the like, be sure they are artificial, for after 20 Years searching, I never met one that was true natural tho I many saw, that were very curious contrived.«366 Breyne fügte diesen allgemeinen Bemerkungen eine Liste mit Tieren und Pflan- zen bei, die seiner Erfahrung nach im Bernstein vorkommen konnten: kleinere Insekten, Stücke von Rinde, Pflanzenteile und Mineralien. Als Breyne kurz darauf von Danzig aus eine Kiste mit Bernstein zu schicken versprach, empfahl er, bei dessen Betrachtung unbedingt ein Vergrößerungsglas zur Hand zu nehmen, um seine Ausführungen am Objekt selbst zu überprüfen.367

365 Siehe Sloane an Breyne, London, 15. März 1715, Gotha, Chart. B 788, fol. 611r. Auch spä- ter noch berichtet Sloane über dieses beeindruckende ›toad-piece‹. Siehe Sloane an Breyne, Lon- don, 20. September 1726, Gotha, Chart. B 788, S. 623r. 366 Breyne an Sloane, Danzig, 16. Dezember 1726, BL, Sloane 4048, fol. 214v. 367 Siehe Breyne an Sloane, Danzig, 29. Januar 1727, BL, Sloane 4048, fol. 250r, und Breyne an Sloane, Danzig, 23. Oktober 1728 (Abschrift), Gotha, Chart. A 877, fol. 25v.

Fälschungen auf dem Gebiet der Naturgeschichte waren immer dann beson- ders wirkungsvoll, wenn sie auf solche Objekte rekurrierten, die den Sammlern und Forschern vertraut waren und nicht etwa, wie im Falle des Borametz oder der Lügensteine, den Zweifel geradezu provozierten. Der Wunsch des Sammlers nach einem Unikat oder das Bestreben des Forschers, sich mit der Untersuchung ungewöhnlicher Stücke zu profilieren, lagen im Streit mit gewissermaßen alltägli- chen Fälschungen wie im Falle des Bernsteins, die allenfalls leichtgläubige Sammler um erhebliche Geldsummen bringen konnten. Die Bernsteinfälschungen machen deutlich, daß auf dem Markt für Sammlungsobjekte erhebliche Geldbeträge im Spiel waren, die Objekte dieser Art höchst profitabel machen konnten. Doch nicht in allen Fällen waren Fälschungen als absichtliche Fälschungen von Menschenhand eindeutig erkennbar. Im weiteren Sinne wirft das Thema Fälschung grundsätzlich die Frage nach dem Verhältnis von naturalia und artifi- cialia auf, nämlich genau dann, wenn es um Überlagerungen und Vermischungen beider Bereiche geht. Die Naturforschung des beginnenden 18. Jahrhunderts hatte sich mit der Zurückweisung zufälliger Bildungen in der Natur, eben jener spie- lenden Natur (lusus naturae), auf die Seite einer sinnvoll geordneten Natur gestellt. Es war der Mensch und nicht die Natur, die kreativ tätig war. Beide Bereiche waren somit klar voneinander zu trennen. Doch war dies nicht immer leicht mög- lich. Zuweilen fanden sich Spuren menschlicher Einwirkungen auf die Natur: Zeugnisse menschlichen Wirkens, eben die artificialia, fanden sich neben Resten der Tier- und Pflanzenwelt, den naturalia. Zeichen in Bäumen und versteinerte Hölzer konnten sowohl im Hinblick auf die Tätigkeit lange vergangener Kulturen gelesen werden wie auch als Ergebnis natürlicher Ursachen. Es waren gerade die Wechselwirkungen und Überlagerungen von beiden Be- reichen, die sich als problematisch darstellten. Während man Anfang des 18. Jahrhunderts noch weit davon entfernt war, die Natur als höchst dynamische Entwicklungsgeschichte zu begreifen, so zeigte sich dennoch an den Nahtstellen zwischen Natur- und Menschengeschichte und deren Wechselwirkung ein Pro- blem, das mit den herkömmlichen Vorstellungen einer statischen, einmal festge- legten Schöpfung nicht zu lösen war. Es wird deshalb abschließend zu zeigen sein, wie Naturforscher die Wechselwirkungen beider Bereiche in ihre Erklärun- gen einbezogen und auf diese Weise das Eindringen der Chronologie in den Bereich der Naturgeschichte vorwegnahmen.368 Die Zusammenschau von Menschen- und Naturgeschichte konnte dabei auf eine längere Tradition zurückblicken. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts lag bei- spielsweise mit William Camdens Britannia (1607) eine erste umfassende Beschrei- bung der britischen Inseln vor, die in vielen Auflagen bis 1686 immer neu er- weitert wurde. Er begründete mit diesem Buch die in England so genannten Antiquarian Studies, die sich vor allem der schriftlichen Überlieferung, besonders aber den allerorten zu findenden Artefakten römischen, keltischen und sächsi- schen Ursprungs widmeten. Ganz im Sinne der virtuosen Tradition fand in die-

368 Siehe LEPENIES, Naturgeschichte. 332 Forschung sem Rahmen auch die Naturgeschichte ihren angemessenen Platz. Um 1690 wurde dieses Projekt neu belebt.369 Nahezu alle englischen Virtuosi von Rang und Namen beteiligten sich daran. Aber auch gestandene Naturforscher wie Robert Plot, Edward Lhwyd und John Ray finden lobende Erwähnung in der Neuaus- gabe von 1695. Im Vorwort heißt es über Lhwyd, daß er sich sowohl auf dem Gebiet der Naturgeschichte wie auch auf dem der Geschichte Englands Ruhm erworben habe.370 Doch was hier noch als Einheit von Natur- und Menschen- geschichte auftrat, ging in der Folgezeit getrennte Wege. Dies nicht zuletzt auch in institutioneller Hinsicht: Im Jahr 1707 wurde in London die Society of Anti- quaries gegründet, die es sich zum Ziel setzte, die unter dem Dach der Royal Society nur am Rande behandelten Themen zur Archäologie Englands stärker in den Vordergrund zu stellen.371 Trotz dieser Spezialisierung traten Natural His- tory und Antiquarian Studies in einen kritischen Dialog. Der vorurteilsfreie Blick der neuen Naturgeschichte war für die Betrachtung historischer Objekte frucht- bar zu machen. Dies hatte etwa John Woodward bewiesen, der im Falle eines vermeintlich antiken Schildes als Gutachter auftrat und dessen Echtheit mit den Mitteln des empirsch geübten Naturforschers zu beweisen suchte. Im Gegensatz zur Menschengeschichte kannte die Naturgeschichte zunächst allerdings keine zeitlich bedingten Entwicklungen. Sie war, zumindest in der er- sten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in den Bereich der einst durch die Sintflut fi- xierten Artenvielfalt gebannt und damit deskriptiv und nicht chronologisch orien- tiert. Doch zugleich war den zeitgenössischen Forschern der antiquarischen wie naturhistorischen Zeugnissen gemeinsame Erkenntniswert durchaus präsent. Von Woodward heißt es, daß er sich bei der Einrichtung seiner naturgeschichtlichen Sammlung am Vorbild der antiquarischen Kabinette orientiert habe.372 In beiden Fällen ging es darum, Zeugnisse vergangenen Lebens wieder lebendig werden zu lassen. In seinem Bericht über die sibirische Expedition von 1732 bis 1742 zieht Johann Georg Gmelin dann einen direkten Vergleich zwischen Fossilienfunden und ›Alterthümern‹: »So leicht man einem alten Gemälde, einer alten Münze, einem alten Holz- oder Kupferstiche in den Alterthümern einigen Glauben beimißt, eben so wenig dürfen wir auch diesem so erstaunlichen Vorrathe an Elephantenknochen allen Glauben absprechen. Diese Arten von alten Münzen sind vermutlich nicht nur

369 Siehe LEVINE, Battle, S. 327. 370 Siehe William CAMDEN, Britannia. Newly Translated into English. With Large Additions and Improvements, London 1695, S. 2 f. 371 Siehe hierzu Joan EVANS, A History of the Society of Antiquaries, London 1956, und LEVINE, Battle, S. 383–389. 372 »As Woodward sought to discover a method for his fossils, he was very conscious of the elaborate schemes of the antiquaries for arranging their cabinets«. LEVINE, Woodwards Shield, S. 103.

älter, sondern auch wichtiger und gewisser, als alle alte Münzen der Griechen und Römer«.373

Im Bild der ›Fossilie als Münze‹ wird deutlich, daß sowohl der Historiker als auch der Naturforscher sich dem gemeinsamen Projekt einer Geschichte der Erde und der Menschen verschrieben haben. Obgleich Geschichte wie Naturgeschichte in diesem Fall von einer heute geläufigen Entwicklungsgeschichte noch weit entfernt waren, so ist doch die Verschränkung der beiden Disziplinen unübersehbar. An- ders als noch ein Jahrhundert zuvor, als Natur- und Menschengeschichte als Teil einer einmal fixierten Schöpfungsordnung begriffen wurden, geht es hier um einer Annäherung beider Bereiche unter dem Aspekt der Chronologie. Daß eine Vermischung kultureller und natürlicher Phänomene seltsame Er- gebnisse hervorbringen konnte, zeigt etwa die Untersuchung von Zeichen im In- neren eines Buchenstammes, die Jacob Theodor Klein um 1739 publizierte.374 Ein Postmeister in Elbing hatte im Inneren des Stammes Schriftzeichen entdeckt, für die er keine Erklärung finden konnte (Abb. 30). Nahegelegen hätte zunächst eine Deutung dieses Phänomens im Sinne eines lusus naturae oder einfach die Vermutung, es handle sich um außerhalb natürlicher Deutungsmuster gelegene Wunderzeichen. Tatsächlich war letzteres noch im Jahrhundert zuvor das Thema von Flugblättern gewesen, in denen sich Volks- glaube, populäre Imaginationskraft und religiöse Propaganda miteinander ver- banden. Ein niederländisches Blatt aus dem Jahr 1628 zeigt eine Vielzahl von Schnitten durch einen Apfelbaum, in dessen Stamm man meinte, die Umrisse ka- tholischer Priester zu erkennen, was als Hinweis auf die finsteren Umtriebe des spanischen Klerus in der Hochburg des Protestantismus gedeutet wurde.375 Es überrascht nicht, daß mehr als hundert Jahre später Ansichten dieser Art für den Danziger Naturforscher keine Rolle mehr spielten und er im Gegenteil seine Auf- merksamkeit auf eine natürliche Deutung dieses Phänomens richtete. Er weist nach, daß es sich nur um vor langer Zeit in die Baumrinde eingeschnittene Schriftzeichen handeln könne, die durch das Wachstum des Baumes und Bildung von Jahresringen nach innen gewandert waren. Obwohl menschlichen Ur- sprungs, wurden die Schriftzeichen durch das natürliche Wachstum des Baumes überwuchert und schließlich gänzlich verdeckt. In der Wiederherstellung der Kau- salität von menschlicher Einwirkung und natürlicher Veränderung liegt der kriti-

373 Johann Georg GMELIN, Reise durch Sibirien von dem Jahre 1733 bis 1743, in: Dittmar DAHLMANN (Hrsg.), Johann Georg Gmelins Expedition ins unbekannte Sibirien, Sigmaringen 1995, S. 87–377, hier S. 263. 374 Siehe Jacob Theodor KLEIN, An Account of Letters found in the Middle of a Beech …, in: Philosophical Transactions 41 (1739), S. 231–235. 375 Siehe die Abbildungen bei Svetlana ALPERS, The Art of Describing. Dutch Art in the Seventeenth Century, London 1983, S. 43 f. 334 Forschung

Abb. 30: Buchenholz mit eingewachsenen Schriftzeichen aus Jacob Theodor Kleins An Account of Letters found in the Middle of a Beech (1739). Kupferstich. sche Gehalt dieser Untersuchung. Dem Naturforscher gelingt es, beide Bereiche voneinander zu trennen und damit zugleich einen Beitrag zur Eindämmung po- pulären Wunderglaubens zu leisten: »Such as were wont to be frighted with Gobgoblins from their Infancy, hear the Rustling of Phantoms a great way off, and see them walk at Noon-day; while others, who have learned to inquire into the Causes of Things, are by those accounted dull of Sight and Hearing.«376 Kleins einfache Erklärung dieses Phänomens verweist auf ein Problem, das sich schon im Zusammenhang mit der Deutung der Elefantenknochen und den Fäl- schungen angedeutet hat: Nicht alle Erscheinungsformen der Natur sind allein auf das Wirken der Natur selbst zurückzuführen. Fälschungen wie der Borametz oder die Bernsteineinschlüsse waren mit den Methoden einer kritischen Natur- geschichtsschreibung leicht zurückzuweisen. Anders verhielt es sich mit den Bodenfunden. Zu ihrer Interpretation konnte eben auch der Einfluß des Menschen und seiner Geschichte von Bedeutung sein; menschliche und natürliche Wirkungen waren nicht eindeutig voneinander zu trennen. Die Naturgeschichte sah sich vor die Aufgabe gestellt, beide Bereiche in ein Verhältnis zueinander zu setzen, ohne auf die von den Wunderkammern her vertraute Vorstellung einer Vermischung von artificialia und naturalia zurückgreifen zu müssen. Auch die im Zusammenhang mit den Elefantenfunden geäußerte Vermutung Ferdinando Marsiglis, das Vorkommen von Elefanten in den nördlichen Regio- nen als Hinterlassenschaft der römischen Legionen zu interpretieren, gehört hier- her.377 In seinem Aufsatz über die Herkunft und Entstehung fossiler Elefanten- funde setzte sich Sloane mit dieser Ansicht auseinander. Zwar weist er Marsiglis Theorie mit dem Hinweis zurück, daß die Funde dafür viel zu tief in der Erde lägen, läßt sich aber zugleich auf ein kulturgeschichtlich-antiquarisches Deu- tungsschema ein. Für ihn, so Sloane, sei es wenig wahrscheinlich, daß die römi- schen Legionäre auf das Elfenbein der Stoßzähne verzichtet hätten.378 Das wechselnde Bezugssystem von Menschen- und Naturgeschichte zeigt sich ebenfalls bei der Bewertung eines Londoner Elefantenfundes aus dem Jahr 1679, von dem Sloane einige Stücke in seiner Sammlung aufbewahrte.379 Eine zusam- men mit den Knochen aufgefundene Streitaxt gab Rätsel auf. Nehemiah Grew deutete sie in seinem schon erwähnten Sammlungskatalog als einen regular stone, der nur zufällig einer Waffe ähnelte, und reihte den Fund damit unter die lusus naturae ein. Dagegen identifizierte Sloane sie in einem Katalogeintrag eindeutig als Artefakt, das zusammen mit einem unmittelbar daneben liegenden Elefanten-

376 KLEIN, Account, S. 235. 377 Nils Stensen, einer der Pioniere der Fossilienforschung, hatte im 17. Jahrhundert schon eine ähnliche Ansicht vertreten. Siehe Marcus HELLYER, The pocket museum: Edward Lhwyd’s Lithophylacium, in: Archives of Natural History 23 (1996), S. 43–60, hier S. 53. 378 Siehe SLOANE, Fossile Teethe, S. 510. 379 Siehe MACGREGOR, Antiquities, S. 180. 336 Forschung stoßzahn aufgefunden worden sei. Die Waffe bestehe aus Flintstein und sei einer Speerspitze ähnlich geformt.380 Die naheliegende Vermutung, daß der Elefant mit dieser Waffe erlegt wurde, spricht Sloane zwar nicht explizit aus, ein mögli- cher Zusammenhang dürfte ihm aber nicht entgangen sein. Ein anderes Stück seiner Kollektion, an dem sich der Bezug des Menschen zu seiner natürlichen Umwelt aufweisen ließ, war ein Elefantenknochen aus neuerer Zeit, in den, nach einem anscheinend erfolglosen Jagdversuch, eine Gewehrkugel eingewachsen war. Im Licht eines allgemein bekannten zivilisatorischen Vorgangs wie der Jagd erschienen Funde dieser Art nicht mehr als lusus naturae, sondern ließen sich aus diesem Zusammenhang heraus als Überbleibsel einst lebender Elefanten deuten. Antiquarisches Interesse an der Geschichte der ersten Bewohner der britischen Inseln ging so Hand in Hand mit Rekonstruktionsbemühungen auf dem Gebiet der Naturgeschichte. Funde wie die Streitaxt und andere Jagdgeräte wurden so- mit den artificialia zugerechnet, zu den Artefakten also, die man nach Möglichkeit von den naturalia zu trennen suchte. Daß die Verbindung von Naturgeschichte und archäologischer Forschung zu einem wesentlich differenzierteren Bild der Naturgeschichte führen konnte, zeigt eine Betrachtung über ein Stück fossilen Holzes, die Klein in einem Brief an Breyne 1733 anstellte. Das Stück wurde in einer nahe Danzig gelegenen Anhöhe, dem sogenannten Hagelsberg, gefunden, der damals ein beliebtes Ziel der Natur- forscher war.381 Das Holz war von feinen Kanälen und Höhlungen durchzogen, die, so Kleins Meinung, nur von der Arbeit einer noch zu bestimmenden Art Seewürmer herrühren konnten: »Ob es nun aber a cossis, die, wie bekandt, jaagende Sandinsecta sind, und nach gewißen gattungen a veteribus sowohl, als auch heute zu tage an einigen orten ge- geßen werden, folglich mercklich robuste würmer seyn müßen, oder von Teredini- bus [Holzwürmer] gefreßen und durch bohret worden, läßet sich nur gewis nicht determiniren.«382 Er weist aber auf die große Ähnlichkeit zwischen ihnen und den von Gottfried Sellius kurz zuvor beschriebenen holländischen Pfahlwürmern hin, die mit Vor- liebe das zum Dammbau verwendete Holz zerstörten.383 Dem Hinweis auf einen

380 Siehe ebenda. 381 Siehe Klein an Breyne, Danzig, 19. Oktober 1733, Gotha, Chart. A 873, fol. 83v. Die Situa- tion für den Fossilienkundler beschreibt Klein in seiner posthum in Nürnberg erschienenen Danziger Naturgeschichte: »Um Danzig, in ganz Pomerellen und Cassuben, giebt es vorzügliche Zeugen vor denen in dem östlichen Preussen; es ergeben sich vielfältige See- und Land Pflan- zen; an verschiedenen Orten bedienten die Leute zur August-Zeit für ihre Sensen sich des ver- steinerten Holzes; man findet besondere Theile von Encrinis, und Thieren mit hornichten Schaalen; eine Menge von allerhand Belemniten, Soleniten, Orthoceratiten, Lituiten und Echi- niten, insonderheit vielerley rare und darunter unbekannte Schulpen.« Jacob Theodor KLEIN, Specimen Descriptionis Petrefactorum Gedanensium cum Syllabo Tabularum (lat./dt.), Nürn- berg 1770 (Vorbericht). 382 Klein an Breyne, Danzig, 19. Oktober 1733, Gotha, Chart. A 873, fol. 83v. 383 Zu Sellius siehe oben, S. 133–136. möglichen Zusammenhang mit ehemaligen Dammbauten ging Klein nun im Rekurs auf die Geschichte des Hagelsberges näher nach: »Wo hinaus wohl unstrittig von alters unsre see, und vileicht noch zu Kasimirs des IIten hertzogen von Pohlen zeiten, der dämme werck mit einer gewaltigen flutte überfallen, sich erstreket hat. Entweder ist es nun ein stück vom schiff, oder ein anderes ins meer versunken gewesenes und mit der Zeit in den Sandbergen hinderlaßenes Depositum, muß also treflich lange im hagelsberge gesteckt haben. Ists vom Schiff so muß es entweder von einem römischen |: die wie die Historie meldet, unsre küste wegen des börnsteins besuchet :| oder von einem anderen auswerthigen Schiff, so in diese gegenden gekommen oder geschicket, oder von einem gefäße aus der Ost See herrühren.«384 Um dieses rätselhafte Stück Holz näher zu bestimmen, verbindet Klein also naturhistorische Detailbetrachtung mit historisch-antiquarischer Rekonstruktion. Aus dieser Perspektive heraus relativiert sich die für die Fossilienentstehung zu dieser Zeit allgemein anerkannte Wirkung der Sintflut. In einer Zeit, in der die genauen chemischen Prozesse der Fossilisierung noch nicht bekannt waren, konnten Faktoren wie der Schiffsverkehr in die Ostsee durchaus glaubhaft be- rücksichtigt werden: »Ich finde aber nicht eben nöthig zu behaupten, daß alle Fossilien aus unsren bergen a diluvio universale herühren, es ist genug, daß dies specimen mehr secula alt seyn mag, als wir jahre zehlen, und dieses, wie noch mehreres dergleichen zer- freßenes holtz kan, wer weiß von wie weit in die ostsee getrieben, es auch wohl seyn, daß in einigen zeiten myriad: ovull: [ovuli] durch favorablen wind und wetter an unsre kysten geführet worden, und nachdem sie excludiret, solche ravages sie selbst eine zeitlang, als die migrationes gentium an ihren orten ehemahls gema- chet.«385 So waren auch die Wanderbewegungen kleinster Tiere bei einer Erklärung natur- geschichtlicher Phänomene in Rechnung zu stellen, und nicht etwa allein die Wirkungen der Sintflut. Eine Abkehr von der Vorstellung einer einmaligen Flut- katastrophe als Ursache der Fossilienbildung deutet sich hier an. Doch in einem anderen Punkt macht Klein keine Konzessionen. Die Konstanz der einmal in der Schöpfung festgelegten Zahl der Arten steht für ihn außer Frage: »Ewr. Hochedl. haben gar recht«, schreibt Klein, »daß die Teredinum wovon nun zeither so viel redens ist, schon ante diluvium und apud creationis gewesen, denn wo das wahr ist, wie ichs vor wahr halte, quod nulla species creatorum interi erit, so muß auch wahr seyn, daß keine species- nachgeschaffen sey; die historie von allem hat uns nur gefehlet und fehlet noch in gar vielem«.386 Aber es gab zumindest spätere Veränderungen, die auf die Verteilung der Arten Einfluß nehmen konnten. Im Zusammenspiel von Menschen- und Naturge-

384 Klein an Breyne, Danzig, 19. Oktober 1733, Gotha, Chart. A 873, fol. 83v. 385 Ebenda, fol. 84r. 386 Ebenda, fol. 83v. 338 Forschung schichte kam es gewissermaßen zu einer Art veränderndem Nachspiel, von dem das zerfressene Holz Zeugnis ist. Die Naturgeschichte wird hier nicht als stati- scher Ist-Zustand begriffen, sondern als dynamischer Prozeß im Sinne einer Wechselwirkung von Natur und Kultur. Hinzu kommt die Möglichkeit weiterer erdgeschichtlicher Katastrophen. Die biblische Sintflut ist nur eine unter vielen von ihnen, von denen die Erde bis in die jüngste Zeit hinein – Klein führt be- sonders das Lissaboner Erdbeben von 1755 an – heimgesucht wurde. So schreibt er, »dass auch nach der Sündfluth grosse Veränderungen in und auf unserem Welt- Körper entstanden, und nicht allein im Mittelländischen Meer, sondern auch im Ocean durch unterirdisches Feuer und viele gewaltige Erdbeben, neue Insul hervor gebracht, dagegen anderwerts Länder, Städte und Insuln zu Grunde ge- gangen, und in den ältesten Zeiten, manchen besondern Meeren, Land-Seen, und Meerbusen Plaz gemacht haben«.387 Die Betrachtungen Kleins machen deutlich, daß der Einfluß des Menschen in- nerhalb der Naturgeschichte als Erklärungsmodell in bestimmten Fällen berück- sichtigt werden konnte. Die Natur befindet sich in einem ständigem Wandlungs- prozeß, bei dem natürliche und anthropogene Faktoren in Betracht zu ziehen sind. Mit dieser Wechselwirkung wird jedoch zugleich der Begriff der Fälschung re- lativiert. Schiffahrtswege, römische Kolonisation bis hin zu den in die Rinde ein- geritzten Buchstaben waren Faktoren, die Einwirkungen auf natürliche Phäno- mene haben konnten. Vor diesem Hintergrund galt es, natürliche Einflüsse von denen der menschlichen Kultur zu trennen und zugleich diejenigen Fälschungen – als originäre Kulturleistung – zu entlarven, die eindeutig auf täuschende Ab- sichten zurückzuführen waren.

387 KLEIN, Specimen Descriptionis (Vorrede).

SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK: VOM ANSCHAUUNGSRAUM ZUM DENKRAUM

Nur wenige der naturhistorischen Sammlungen des 18. Jahrhunderts haben sich in ihrer ursprünglichen Form bis in die Gegenwart hinein erhalten. Nach dem To- de ihrer Besitzer wurden sie durch Verkäufe und Auktionen meist in alle Winde zerstreut, so daß von ihrer Existenz und ursprünglichen Anordnung allein noch zeitgenössische Sammlungskataloge oder in einigen Fällen Bilder zeugen. Obgleich Sloanes Sammlung den Grundstock des bis heute bestehenden British Museums bildete, gingen die Einzelobjekte seiner Sammlung schon bald in dessen sich ständig vermehrenden Bestand ein, wo sie sich in der Flut von Neuerwerbungen und innerhalb neuer Systematiken verloren. Zuweilen lassen sich dennoch einzelne Objekte dieser vergangenen Sammlungen wiederfinden. So haben einige wenige von Sloanes originalen Schränken und Kästen samt Inhalt in einem Winkel der Botany Library im heutigen Natural History Museum, welches seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die naturgeschichtlichen Sammlungen des British Museum beherbergt, überlebt (Abb. 12). Von den Sammlungen vieler seiner Zeitgenossen hat sich dagegen vollends jede Spur verloren. Hinzu kommt, daß die Geschichtsschreibung den Sammlern und ihren um- fangreichen Sammlungen nur wenig Platz einräumt im Vergleich zu denjenigen, die mit bahnbrechend neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Ideen her- vortraten. Aus traditionell wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive erscheint die Kultur des Sammelns mit ihren spezifischen Vorlieben, ja Leidenschaften gera- dezu anstößig im Vergleich zu einer auf kritischer Distanz und Empirie beruhen- den Tradition methodischer Erkenntnis. Weder Hans Sloane noch Emmanuel Mendes da Costa, Johann Philipp Breyne oder Jacob Theodor Klein wurden in dieser Hinsicht zu den Großen des 18. Jahrhunderts gezählt. Doch stehen gerade sie und ihr Umfeld für jene enge Verzahnung von materiellen Praktiken und me- thodisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen, die, wie die vorliegende Arbeit zu zei- gen versucht hat, für die Sammlungsgeschichte des 18. Jahrhunderts typisch ist. Überdies läßt sich an den hier vorgestellten Sammlern und Forschern der hohe Grad der Vernetzung von Wissenschaft im 18. Jahrhundert ablesen. Es galt, For- schungsergebnisse wie Sammlungstätigkeit einer interessierten Öffentlichkeit zu- gänglich zu machen. Unter dem Druck methodischer Disziplinierung und zu- nehmender Professionalisierung wurde der Sammlungsraum nun transparent und Teil einer auf Öffentlichkeit hin ausgerichteten Gelehrtenrepublik. Mit der Samm- lung als Forschungsraum wurde damit der Bruch mit der traditionellen Raritäten- und Kuriositätenkammer, die noch ein Jahrhundert zuvor im Nebeneinander von 342 Schlußbetrachtung und Ausblick Kunst- und Naturgegenständen die Einheit des Sammlungsraums wahrte, voll- zogen. Die Korrespondenzen der Sammler und ihre wissenschaftlichen Veröf- fentlichungen rekurrieren überwiegend auf diese Spezialinteressen und dienten der Verständigung über bestimmte Sammlungsgebiete. Im Austausch der Samm- ler untereinander wird gerade diese Professionalisierung und Spezialisierung greif- bar. Gleichzeitig verloren die Sammlungen damit den seit jeher selbstverständlichen Bezug zur Anschauung: In den Schränken und Kabinetten mit ihren endlosen Reihen von Muscheln, Mineralien, getrockneten Pflanzen oder Insekten fand der Besucher nur noch selten Anlaß zu jenem Staunen, dessen Grundlage Ab- wechslung, Überraschung und Seltenheit war. An die Stelle der affektgeladenen curiositas trat das differenzierte und spezialisierte Wissen, das in der Betrachtung Abstand von den Objekten der Sammlung verlangte, an die Stelle des Sichtbaren und dessen Erlebnis trat die Erklärung und Erläuterung im Zusammenhang wis- senschaftlicher Theorien, die die Gegenstände der Sammlung in einen Zusam- menhang abstrakten Wissens einordneten. Die Sammlung, so könnte man sagen, stand unter dem Diktat einer zunehmenden Affektkontrolle.1 Es war der detail- lierte Blick auf das naturhistorische Objekt bis hin zu dessen Zerstörung unter dem Seziermesser des Anatomen, der den Umgang mit den Sammlungen mehr und mehr bestimmte. Doch ist die Geschichte naturkundlicher Sammlungen im 18. Jahrhundert da- durch geprägt, daß Sammlungen als Ausgangspunkt geselliger Praktiken dienten und sich keineswegs eindimensional als ein Glied innerhalb einer Kette wissen- schaftlicher Meinung und öffentlicher Wissensproduktion begreifen lassen. Die nicht abreißende Kette von Naturforschern und Reisenden, die vom Kontinent aus englische Sammlungen besuchten, kann als ein Beleg hierfür gelten. Man such- te den persönlichen Kontakt und damit die Möglichkeit, sich im eigenen Erleben und unter Anleitung des Sammlers ein genaueres Bild zu machen. Doch dieser engere Austausch in Form von Besuchen war oft nur von kurzer Dauer. Für viele Sammler ermöglichte das Medium von Brief und Zeitschrift, diese einmal geknüpften Beziehungen in Form ausgedehnter Netzwerke auszubauen. Doch neben diesen über weite räumliche Distanz hin fortgeführten Kontakten war für die Sammelkultur des 18. Jahrhunderts zugleich der enge nachbarschaftliche und gesellige Kontakt innerhalb der Stadt von Bedeutung. Formen dieser Geselligkeit und des Gesprächs im Umfeld der Sammlungen lassen sich sowohl am Beispiel Londons mit seiner Kultur der Coffee Houses und wissenschaftlichen Clubs

1 Dies führt LEPENIES, Naturgeschichte, S. 207 f., mit einer Vielzahl von Belegen näher aus. Er erwähnt hier unter anderem Jean Paul, der in der zweiten Vorrede zu Dr. Katzenbergers Bade- reise (1822) seinen Helden mit seiner Vorliebe für anatomische Präparate in Schutz nimmt: »Da das Lachen alles in das kalte Reich des Verstandes hinüberspielt: so ist es (weit mehr noch als sel- ber die Wissenschaft) das große Menstruum (Zersetz- und Niederschlagmittel) aller Empfindun- gen, sogar der wärmsten; folglich auch der eklen.« Jean PAUL, Werke, hrsg. von Norbert Miller und Walter Höllerer, Bd. 6, 4. Aufl. München 1987, S. 177–363, hier S. 85. Zu Jean Pauls Blick auf die Naturgeschichte seiner Zeit siehe auch Otto W. PLOCHER, Wissenschaft und Fiktionali- tät. Studien zu Jean Paul, Magisterarbeit Konstanz 1995 (Ms.). Vom Anschauungsraum zum Denkraum 343 nachweisen als auch im Falle des sehr viel kleineren Danzig, wo sich die Natur- forscher Breyne und Klein einen Freiraum naturforschender Geselligkeit jenseits ihrer Alltagsgeschäfte schufen. Diese Art der Geselligkeit im Zusammenhang des Betrachtens und Sprechens über naturhistorische Objekte setzt das Sammeln, jenseits der professionellen wis- senschaftlichen Diskurse innerhalb gelehrter Gesellschaften und Akademien, in die Tradition des Virtuoso, der vor allem im vorhergehendem 17. Jahrhundert die Welt der Sammlungen dominierte. Aus dieser gegenläufigen Perspektive gesehen, wird aus der Sammlung ein Begegnungs- und Anschauungsraum fernab aller me- thodischen Distanzierung und Professionalisierung. Die Sammlung des 18. Jahr- hunderts steht daher zwischen einer virtuos-geselligen Tradition und dem An- spruch, professionell Wissenschaft zu betreiben. Im weiteren Sinne findet sich hier jener Grundkonflikt zwischen einem Sammeln aus einer privat geprägten, le- bensweltlichen Perspektive und einem öffentlich-methodischen Sammeln. Die Konturen dieses Konflikts werden umso deutlicher, je mehr man sich einer All- tagsgeschichte des Sammelns anzunähern versucht und jene Sammler in den Blick nimmt, die gewissermaßen den breiten ›Sockel‹ materieller Praktiken im 18. Jahr- hundert repräsentieren. Sammler wie Elisabeth Thomas oder William Constable betonten immer wieder ihren Wunsch, wissenschaftlich zu sammeln, und sahen doch zugleich ihre Sammlungen im Kontext privater Vorlieben und Leidenschaf- ten. Verkäufe und Auktionen stellten die begehrten Sammlungsobjekte in die Ökonomie einer Warenwelt, in der sie Jedermann unabhängig von seiner wissen- schaftlichen Qualifikation zugänglich waren. Dies zeigt, daß die Mobilität der Sammlungsobjekte keineswegs immer im Dienst einer professionell betriebenen Wissenschaft stand. So erweisen sich Sammlungen als höchst widersprüchliche Gebilde. Zwischen Vernetzung und Isolation, zwischen Öffentlichkeit und Privatheit und nicht zu- letzt zwischen geselligem Austausch und methodischem Erkenntnisinteresse an- gesiedelt, findet die Sammlung so im 18. Jahrhundert ihren historischen Ort. Sammlungen waren Teil einer umfassenden materiellen Kultur, in die sich die Praxis der Forschung und die mit ihr verbundenen Erkenntnis- und Austausch- prozesse höchst spannungsreich einfügten. Doch schon im Laufe des 18. Jahrhunderts begannen sich die Gewichte in Rich- tung auf eine wissenschaftliche Spezialisierung und Professionalisierung hin zu verlagern, was für die Rolle der Sammlungen nicht ohne Folgen blieb. Die frühe Gründung des British Museum, das im Jahr 1757 seine Pforten öffnete, bedeutete in dieser Hinsicht einen Bruch mit einer Praxis des Sammelns als eines transparen- ten und prinzipiell jedem zugänglichen Austauschprozesses. Es war die Kehrseite einer öffentlich zugänglichen Sammlung, daß in ihr die Wissenschaft sich hinter die Kulissen einer Schausammlung zurückzog. Aus den ehemals am Prozeß des Forschens und Sammelns Beteiligten wurden nun Besucher und Zuschauer.

Es bleibt abschließend zu fragen, wie weit sich diese für das 18. Jahrhundert typi- sche Verbindung von geselliger Praxis und methodisch-wissenschaftlicher De- 344 Schlußbetrachtung und Ausblick tailarbeit an den Objekten bis heute erhalten hat. Welche Konsequenzen hatte die zunehmende Professionalisierung der Naturforschung im späten 18. Jahrhundert zusammen mit der Errichtung öffentlicher Schauräume für die Wahrnehmung naturgeschichtlicher Objekte? In Form eines Ausblicks sollen hier deshalb einige der möglichen Gründe für eine veränderte Sichtweise auf naturgeschichtliche Sammlungsobjekte und eine gewandelte Ausstellungspraxis bis in die Gegenwart hinein näher benannt werden. Dies auch deshalb, um so die Konturen des Sammelns und Forschens im bisher näher betrachteten Zeitraum des 18. Jahrhunderts umso klarer hervortreten zu lassen. Wie schon mehrfach betont, war die naturgeschichtliche Sammlung seit Bacon der Ort, an dem die traditionskritische Haltung einer vorurteilslosen Empirie in die Praxis umgesetzt wurde. Die Beschäftigung mit den Phänomenen der Natur war zunächst auf Sammlung und Beschreibung hin angelegt, von denen ausge- hend man sich die Einsicht in eine sinnvoll geordnete Natur oder theologisch formuliert: Schöpfung versprach. Die beeindruckenden Systematisierungsversu- che Linnés in seiner Systema Naturae, deren Umfang von Auflage zu Auflage stetig zunahm, beruhten auf einer direkten Beziehung zu den Sammlungsobjekten, die von ihm geordnet und beschrieben wurden. In der sich perfektionierenden Methode der Beschreibung war der Ausgangspunkt, das Objekt, jederzeit auf- findbar. Ein einheitliches System erleichterte zudem die Jagd nach neuen Spezies, indem es dem Sammler verläßliche Kriterien zur Unterscheidung des schon Bekannten vom Neuen an die Hand gab. Dieser Überhang an Empirie, der seinen sichtbaren Ausdruck in den ständig wachsenden Sammlungen fand, führte bald zu der Notwendigkeit, jenseits einer reinen Systematisierung der Sammlungsbestände die Arbeit einer zusammenhän- genden Deutung und Erklärung naturgeschichtlicher Phänomene zu leisten. Die, so Wolf Lepenies, »Verzeitlichung der Wissenschaften« gegen Ende des 18. Jahr- hunderts liefert eines dieser übergreifenden Deutungsmuster als einer Reaktion auf »Erfahrungsdruck und Empirisierungszwang«.2 Wichtig war hier vor allem Buffons Kritik an den systematischen Bemühungen Linnés und seine Erkenntnis, daß die Vielfalt der Arten sich nicht im Hinblick auf einige wenige Merkmale voneinander abgrenzen läßt. Buffons Überlegungen innerhalb seiner großange- legten Histoire naturelle stellten einen wichtigen Schritt in Richtung auf eine Na- turgeschichte als Entwicklungsgeschichte dar. Ganz in diesem Sinne trifft dann Kant später die bekannte Unterscheidung zwischen Naturgeschichte und histori- scher Naturlehre, indem er jene als eine systematische Beschreibung der Natur begreift, dieser die Aufgabe einer Erforschung der Ursachen innerhalb der Zeit zuweist.3 Von hier aus spannt sich der Bogen bis hin zu Darwin und den Evolu- tionstheoretikern um die Mitte des 19. Jahrhunderts.4

2 LEPENIES, Naturgeschichte, S. 19. 3 Siehe ebenda, S. 37. Zum Deutungswandel der Naturgeschichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts siehe auch LARSON, Nature. 4 Siehe dazu GREENE, Death, S. 221 f. Vom Anschauungsraum zum Denkraum 345

Es war dieser Prozeß einer Verzeitlichung der Natur, der zu einem Verlust der Anschaulichkeit und zu einer veränderten Rolle der Sammlungsobjekte führte, in- dem diese in einen historischen Horizont der Entwicklung hineingestellt wurden, der in einer objektzentrierten und systematisierten Sammlung nicht zur Anschau- ung zu bringen war. Aus der Sammlung als Spiegel gegenwärtiger Natur wurde eine Sammlung, die vergangene Natur zu visualisieren versuchte. Die Objekte er- schienen hier im Kontext abstrakten Wissens, ja geradezu der Rekonstruktion. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit fossilen Fundstücken, die seit jeher zu den At- traktionen einer jeden Wunderkammer und naturhistorischen Sammlung zählten. Sie wurden, etwa im Falle fossiler ›Elefanten‹, lange Zeit der im heutigen Sinne re- zenten Fauna zugeschlagen. Indem die Möglichkeit von in ihrer Gestalt differie- renden Vorläufern der jetzt lebenden Tiere in Erwägung gezogen wurde, bestand die vordringliche Aufgabe der Forschung in einer möglichst überzeugender Re- konstruktion von bis dato völlig unbekannten Tieren, deren Form und Beschaf- fenheit aufgrund der wenigen vorhandenen Bruchstücke rätselhaft war. Im Zuge dieser Forschungen versuchte man dasjenige zu veranschaulichen, was im Grunde nicht in Vollständigkeit zu rekonstruieren war. Sloane, Breyne und Klein hatten sich in ihren Untersuchungen über die Herkunft fossiler Reste weitgehend von der Anschauung der ihnen unmittelbar zugänglichen Flora und Fauna leiten lassen und sich dadurch in Widersprüche verstrickt. Die Verzeitlichung der Natur stellte damit das von ihnen repräsentierte Konzept einer systematischen Sammlung in Frage. So bleibt dieser Deutungswandel in der Naturgeschichte für die Visualisierung der Objekte innerhalb der Sammlung nicht ohne Folgen. Aus dem Sammlungsraum wurde – um die gelungene Metapher Aby Warburgs an dieser Stelle aufzugreifen – ein »Denkraum der Besonnenheit«5. Die Sammlung als Denkraum läßt sich am Beispiel der Entdeckung der Dino- saurier im 19. Jahrhundert illustrieren.6 Aufgrund vieler neuer Funde war das In- teresse an diesen paläontologischen Glanzstücken um die Mitte des Jahrhunderts auf einem Höhepunkt angelangt. Im Gefolge der Londoner Weltausstellung von 1851 wurden unter Anleitung des englischen Paläontologen Richard Owen le- bensgroße Rekonstruktionen dieser Tiere angefertigt, die dann 1852 in einem eigens hierfür geschaffenen Park installiert wurden. Die Beteiligung des Künstlers Benjamin W. Hankins weist schon darauf hin, daß es sich um eine Verbindung von freier Gestaltung und wissenschaftlicher Methode handelte. Indem die Natur- geschichte nicht mehr mit Jahrtausenden, sondern mit Jahrmillionen rechnete, be- durfte es neuer Techniken der Veranschaulichung, die weit über das bisher geläu-

5 Aby WARBURG, Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten, in: Ders., Ausgewählte Schriften und Würdigungen, hrsg. von Dieter Wuttke, 2. Aufl. Baden-Baden 1980, S. 199–304, hier S. 267. 6 Siehe Martin RUDWICK, Scenes from Deep Time: Early Pictorial Representations of the Pre- historic World, Chicago 1992; Timothy LENOIR/Cheryl LYNN-ROSS, Das naturalisierte Ge- schichts-Museum, in: Andreas GROTE (Hrsg.), Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450–1800, Opladen 1994, S. 875–907, und Urs B. LEU, Geschichte der Dionsaurierforschung, in: Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesell- schaft in Zürich 142 (1997), S. 55–67. 346 Schlußbetrachtung und Ausblick fige, deskriptiv-empirische Zusammentragen einzelner Fundstücke hinausgingen. Statt um Deskription im Sinne traditioneller Empirie und Systematik ging es nun, auf der Basis fragmentarischer Überlieferung, um die Rekonstruktion vergangener Welten. Die Dionsaurierrekonstruktionen dienten, wissenschaftlich kontrolliert, der Veranschaulichung von Hypothesen über die Frühformen des Lebens auf der Erde. Mit der Verzeitlichung der Naturgeschichte, so könnte man sagen, hält ne- ben dem ›Wirklichkeitssinn‹ auch der ›Möglichkeitssinn‹ Einzug in die Wissen- schaften. So bestand im weiteren Sinne die Aufgabe einer Sammlung darin, die Vielzahl dieser Rekonstruktions- und Denkmöglichkeiten einzugrenzen, was letztlich be- deutete, die nur zu verständliche Schaulust der Besucher im Sinne fachkundiger Belehrung zu disziplinieren. Mit anderen Worten ging es darum, aus der unmittel- baren Anschauung dieser fiktiven Objekte heraus ein Verständnis für die histori- sche Dimension der Naturgeschichte zu wecken. Diese theoretische Leistung, als eine Übersetzung der Objekte in abstrakte wissenschaftliche Erklärungsmodelle, stellte jedoch zugleich den aus dem 18. Jahrhundert gewohnten Typus einer syste- matischen naturgeschichtlichen Sammlung auf den Prüfstand. Gesteine, Minera- lien, Fossilien sowie Pflanzen und Tiere waren nicht mehr allein Zeugnisse eines unübersehbaren Reichtums der Natur, sie waren zugleich das Ergebnis einer lang- währenden Entwicklungsgeschichte. Es war das Bezugssystem der Verzeitlichung, unter dessen Einfluß sich die unmittelbare Anschauung der Objekte veränderte. Aus der Sammlung als Anschauungsraum wurde die Sammlung als Denkraum. Ähnliches gilt für eine weitere Technik, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts den Anschauungsraum der naturhistorischen Sammlung im Sinne von Rekon- struktion und Inszenierung veränderte. Es handelt sich dabei um das Diorama, in dem die Sammlungsobjekte als ›Bild‹ und Ausschnitt aufbereitet und dem Besucher präsentiert wurden. Bezeichnenderweise geht der Begriff ›Diorama‹ auf Louis Daguerre zurück, einen Pionier der Fotografie, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit optischen ›Spektakeln‹ dieser Art experimentierte.7 Doch noch um 1900 stieß diese Art der Präsentation auf heftigen Widerstand seitens der sy- stematisch geschulten Wissenschaftler, die es zum Teil vorzogen, etwa ausgestopf- te Vögel in uniform-systematischen Reihen aufzustellen.8 Denn die Nachbildung von Tieren und Pflanzen im Sinne eines künstlichen Tableaus stellte die bisherigen Sehgewohnheiten in Frage. Erst die ab 1933 entwickelten sogenannten ›Habitat Dioramas‹ brachen die traditionelle Systematik naturkundlicher Sammlungsbe- stände endgültig auf. Es ist fast so, als hätten die Objekte der Sammlung damit ihre Unschuld verlo- ren. Sie sind in ihrer Vielfalt nicht mehr nur einfach ein zuweilen fragmentarisches Abbild der Welt, die es im Raum des Museums zusammenzutragen gilt und die der aufmerksame Betrachter in dieser Umgebung geordnet und katalogisiert wiederer- kennen kann, sondern sie sind Teil eines komplizierten erdgeschichtlichen

7 Siehe WONDERS, Dioramas, S. 15. 8 Siehe ebenda, S. 42. Vom Anschauungsraum zum Denkraum 347

›Puzzles‹ oder bildhafter Inszenierung im Diorama geworden. So stellt die fossile Überlieferung als historische Rekonstruktion die Referenz der Museumsobjekte auf ein ›da draußen‹ grundlegend in Frage. Aus dem Sammeln und Sprechen im Angesicht der Objekte wird ein Inszenieren und Präsentieren. Der immer schnel- lere Zugriff auf Wissensbestände und die Vernetzung von Informationen legt darüber hinaus die Vermutung nahe, daß die Liebe zu den Objekten als Gegen- ständen von Sammlung und Geselligkeit hoffnungslos veraltet erscheint. Zumin- dest aber zeichnet sich hier eine Entwicklung ab, bei der die Möglichkeiten der Rekonstruktion ins Unermeßliche steigen.9 Für das 18. Jahrhundert bedeutete die Geselligkeit der Sammler eine Erweiterung der hergebrachten Möglichkeiten des Museums, im Sinne einer Vernetzung der Objekt- und Wissensbestände. Doch je mehr diese Vernetzung des Wissens und die Rekonstruktion längst vergangener Naturwelten voranschreitet, desto mehr geht die dem Museum eigentümliche Qualität unmittelbarer Anschauung verloren. Was entsteht, ist ein Denkraum, der die sich im 18. Jahrhundert andeutenden Möglichkeiten einer umfassenden Ver- netzung des Wissens konsequent zu Ende führt. Die vorliegende Arbeit hat nicht zuletzt diese Vorgeschichte heutiger natur- kundlicher Museen am Beispiel des 18. Jahrhunderts darzustellen versucht. Das Museum als Knotenpunkt geselliger und wissenschaftlicher Praktiken, des Ge- sprächs und der genauen Beobachtung war das Thema der historischen Betrach- tung. Die Frage, die sich aus heutiger Sicht rückblickend stellt, ist, wie sich dieser lebendige Zusammenhang unter dem Vorzeichen von Rekonstruktion und In- szenierung in Gestalt neuer Medien bis in die Gegenwart fortschreiben läßt.

9 Die gegenwärtigen Möglichkeiten computeranimierter Filme deuten ganz in diese Rich- tung. Eine jüngst ausgestrahlte Fernsehproduktion hat das Leben von Dinosauriern mittels perfekt animierter Trickbilder in der Art eines Tierfilms zu gestalten versucht. Alltägliche Dinge wie Brutpflege und Jagdverhalten werden dem Zuschauer so vor Augen geführt, als handele es sich um die ihm vertrauten Kohlmeisen und Pandabären.

ANHANG

1. Kurzbiographien

JOHANN AMMAN (1707–1741) Aus dem schweizerischen Schaffhausen stammend, studierte A. unter anderen bei Hermann Boerhaave in Leiden. 1729 kam er nach London, wo er für Sloane als Sekretär und Bibliothekar arbeitete. 1733 erhielt er einen Lehrstuhl für Botanik an der neugegründeten Akademie in Petersburg, wo er unter anderem für den botanischen Garten verantwortlich war. Mitglied der Royal Society seit 1731.

PATRICK BLAIR (gest. ca. 1727) B. praktizierte um 1706 zunächst als Arzt im schottischen Dundee, später dann in der Nähe Aberdeens. In den Jakobitenaufstand verwickelt, floh er 1715 nach London, wo ihn Sloane finanziell unterstützte. Um 1720 ließ er sich in Boston (Lincolnshire) nieder. B. wurde bekannt durch seine Osteographia Elephantina, einer anatomischen Beschreibung des Elefanten, die 1712 von der Royal Society veröffentlicht wurde. In seinen späteren Jahren hat er sich vor allem mit der Klassifikation von Pflanzen beschäftigt. Mitglied der Royal Society seit 1712.

WILLIAM BORLASE (1695–1772) Nach einem Theologiestudium in Oxford ließ sich B. 1722 als Pfarrer in Lugdvan (Cornwall) nieder. Er arbeitete vor allem als Naturforscher, hat sich daneben aber auch als Altertumsfor- scher hervorgetan. Abgesehen von einigen Reisen nach Oxford fand B. seinen Lebensmittel- punkt in seiner Pfarrei in Lugdvan, der er insgesamt 52 Jahre lang vorstand. Mitglied der Royal Society seit 1750.

JOHANN PHILIPP BREYNE (1680–1764) Wie sein Vater, der Botaniker Jacob Breyne, studierte der aus Danzig stammende B. in Leiden Medizin (Prom. 1702). Nach einer Studienreise, die ihn nach England und Italien führte, ließ er sich 1704 in seiner Heimatstadt als Arzt nieder. Von Haus aus vermögend, widmete er sich seitdem naturhistorischen Studien. 1720 war er an der Gründung einer naturforschenden Sozietät in Danzig beteiligt. Zahlreiche Veröffentlichungen unter anderem in den Transactions. Mitglied der Royal Society seit 1703 und der Leopoldina seit 1715.

MARK CATESBY (ca. 1679–1749) Über Jugendjahre und Ausbildung C.s ist nichts näheres bekannt. 1712 brach er zu einer Reise nach Virginia auf, von wo aus er 1719 mit einer großen Sammlung Naturalien nach London zurückkehrte. Von 1722 bis 1726 hielt er sich ein zweites Mal in Nordamerika auf, diesmal vor Kurzbiographien 349

allem in Carolina. Forschungsergebnisse dieser zweiten Reise veröffentlichte er in seiner Natu- ral History of Carolina, Florida and the Bahama Islands (1731). Viele amerikanische Pflanzenarten wurden durch ihn in Europa erstmals bekannt. Mitglied der Royal Society seit 1733.

PETER COLLINSON (1694–1768) C. war Strumpfmacher und hatte sich früh für Botanik zu interessieren begonnen, was ihn in Verbindung zu Sloane und der Royal Society brachte. Er ließ sich 1724 in Mill Hill nordwest- lich von London nieder, wo er einen botanischen Garten anlegte. Als Quäker und Händler un- terhielt er als Förderer der Wissenschaften enge Verbindungen nach Nordamerika. Von dort erhielt er Material für seine Sammlungen. Er gehörte 1707 zu den Mitbegründern der Antiqua- rian Society. Mitglied der Royal Society seit 1728.

WILLIAM COURTEN (CHARLETON) (1642–1702) C., Enkel des Philosophen und Naturforschers Sir William Courten, wuchs auf dem Familiensitz Fawsley Lodge (Northamptonshire) auf. Die nächsten fünfzehn Jahre verbrachte er mit aus- gedehnten Reisen auf dem Kontinent, wo er 1683 Sloane in Montpellier kennenlernte und sich für Botanik zu interessieren begann. Er war Besitzer einer umfangreichen Kunst- und Natura- liensammlung in London, deren Bestände nach seinem Tod von Sloane erworben wurden.

JOHANN JACOB DILLENIUS (1687–1747) Der in Darmstadt geborene D. studierte Medizin in Gießen und Leiden. Sein 1719 publizierter Catalogus Plantarum veranlaßte William Sherard, ihn 1721 nach England einzuladen, wo er an verschiedenen botanischen Projekten arbeitete. Ab 1724 lebte D. in London. Testamenta- risch verfügte Sherard 1728 die Stiftung eines botanischen Lehrstuhls in Oxford, unter der Bedingung, daß D. dessen erster Inhaber sein solle. Zusammen mit J. K. Scheuchzer war D. unter anderem Secretary of Foreign Correspondence der Royal Society.

GEORGE EDWARDS (1694–1773) E. hat sich sein naturhistorisches Wissen weitgehend autodidaktisch angeeignet. Nach Wander- jahren in den Niederlanden, Frankreich und in Skandinavien ließ er sich 1720 in London nieder und veröffentlichte mit einigem Erfolg Pflanzen- und Tierzeichnungen. Auf Empfeh- lung Sloanes wurde er Bibliothekar am Londoner Royal College of Physicians. Von 1743 bis 1751 erschien in fünf Bänden seine History of Birds. Mitglied der Royal Society seit 1750.

BALTHASAR EHRHART (1700–1756) In Memmingen (Schwaben) geboren absolvierte E. eine Apothekerlehre, bevor er ein Medizin- studium in Leiden begann (Prom. 1724). Bekannt wurde er durch seine fossilienkundliche Ar- beit über die schwäbischen Belemniten. In den folgenden Jahren beschäftigte er sich vor al- lem mit den Fossilien seiner Heimatregion: So etwa in der nach seinem Tode erschienen Oeconomischen Pflanzenhistorie (1753).

350 Anhang

MARTIN FOLKES (1690–1754) Nach einem Studium in Oxford und Cambridge wurde F. 1722 Vizepräsident der Royal So- ciety und nach dem Rücktritt Sloanes deren Präsident von 1741 bis 1753. Sein Hauptinteresse galt antiquarischen Studien. Er war ab 1749 Präsident der Antiquarian Society und in diver- sen anderen Gesellschaften wie der Spalding Society und dem Egyptian Club aktiv. Mitglied der Royal Society seit 1714.

INGHAM FORSTER (1725–1782) Zusammen mit seinem Bruder Jacob (1739–1806) betrieb F. einen Mineralienhandel in der Lon- doner Lombard Street. Sein Bruder war verheiratet mit Elisabeth Humphrey, einer Verwandten des bekannten Londoner Naturalienhändlers George Humphrey. F. unterstützte Mendes da Costa während seiner Gefangenschaft im King’s Bench Prison 1768–1772.

JOHN FOTHERGILL (1712–1780) Wie Collinson entstammte F. einer Quäkerfamilie. Nach seinem Medizinstudium (Prom. 1736) eröffnete er eine erfolgreiche Praxis in London. Neben der Medizin galt sein spezielles Inter- esse der Botanik, aus dem heraus er einen bedeutenden botanischen Garten samt Sammlung anlegte. Wichtig waren auch F.s philanthropische Bemühungen. Sie reichten von Patronage innerhalb der Scientific Community bis hin zur Unterstützung der englischen Kolonien in Nordamerika. Mitglied der Royal Society seit 1763.

JOHANN GEORG GMELIN (1709–1755) Nach dem Studium in Tübingen ging G. 1725 an die neugegründete Petersburger Akademie, wo er zwei Jahre später zum Professor der Chemie und Naturgeschichte berufen wurde. Ent- gegen seinem ursprünglichen Plan einer Rückkehr nach Tübingen entschied er sich, an der so- genannten 2. Kamčatka Expedition von 1733 bis 1743 teilzunehmen. 1747 kehrte er nach Tübingen zurück. Die Ergebnisse der Forschungsreise veröffentlichte er in seiner Flora Sibirica sive Historia Plantarum Sibiriae (1747–1749).

CHRISTOPH GOTTWALDT (1636–1700) Über das Leben des Danziger Arztes und Kupferstechers ist nur wenig bekannt. Sein Freund Jo- hann Philipp Breyne katalogisierte nach seinem Tod den Nachlaß, zu dem auch die Kupfer- tafeln einer unvollendeten Sammlungsbeschreibung mit dem Titel Museum Gottwaldiani ge- hörten. Die Sammlung selbst wurde 1713 von der Witwe seines Sohnes Johann Christoph Gottwaldt (1670–1713) verkauft. Eine Auswahl der Kupfertafeln erschien erst 1782 unter dem Titel Die Conchylien, Seesterne und Meergewächse der ehemaligen Gottwaldischen Naturaliensammlung im Druck.

NEHEMIAH GREW (1641–1712) Nach einem Medizinstudium in Cambridge und Leiden (Prom. 1671) trat G. vor allem durch Ar- beiten auf dem Gebiet der Botanik hervor. 1672 wurde er Curator for the anatomy of plants an der Sammlung der Royal Society. Nach Henry Oldenburgs Tod 1677 übernahm er dessen Stelle als Sekretär der Gesellschaft. 1681 verfaßte er im Auftrag der Royal Society den ersten Kurzbiographien 351

Sammlungskatalog unter dem Titel Musaeum Regalis Societatis, or a Catalogue and Description of the Natural and Artificial Rarities. Sein Hauptwerk ist jedoch The Anatomy of Plants (1682). Mitglied der Royal Society seit 1672.

PAUL HERMANN (1646–1695) H. hatte sich als Arzt zwischen 1672 und 1779 in Ceylon aufgehalten. Zwischen 1680 und 1695 war er Professor für Botanik an der Unversität Leiden. Seine nahe dem botanischen Garten gelegene Sammlung enthielt eine Vielzahl an seltenen exotischen Pflanzen und Tieren. Sie wurde 1711 von seiner Witwe versteigert.

WILLIAM HUDDESFORD (1732–1777) Von 1755 bis 1772 war H. Keeper of the Ashmolean Museum in Oxford. Unter seiner Leitung wurde der vorhergehende Niedergang der Sammlung überwunden. Er trat vor allem auf dem Gebiet der Fossilienkunde hervor: So gab er Werke von Lister und Lhwyd aus dem Nachlaß heraus, was ihn in Kontakt zu Mendes da Costa und Fothergill brachte.

GEORG KISNER (ca. 1680–1735) Aus den sehr spärlichen Lebensdaten läßt sich folgendes rekonstruieren: K. wurde 1699 zum Doktor der Medizin in Leiden promoviert und ließ sich im folgenden Jahr als Arzt in Frank- furt a. M. nieder. Seither beschäftigte er sich mit dem Sammeln von Fossilien. 1726 war er an der Gründung einer naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt beteiligt. Einiges deutet darauf hin, daß K. um 1700 England besucht und dort Lhwyd, Petiver und Woodward kennengelernt hat. Er spielte eine wichtige Rolle innerhalb des Briefnetzwerks zwischen deutschen, schweizerischen und englischen Naturforschern.

JACOB THEODOR KLEIN (1685–1759) Der Jurist K. hatte zunächst in seiner Heimatstadt Königsberg studiert und unternahm an- schließend eine längere Bildungsreise, die ihn zwischen 1706 und 1712 durch Deutschland und Holland bis nach England führte. 1712 übernahm er das Amt eines Stadtsekretärs in Danzig. Daneben hatte er ausgeprägte naturhistorische Interessen, vor allem auf dem Gebiet der Zoologie und Fossilienkunde und publizierte eine Vielzahl von Büchern und Aufsätzen. Überdies war er Besitzer eines großen Naturalienkabinetts, das er 1740 an den Markgrafen von Bayreuth verkaufte. Der mit Breyne befreundete K. gehörte 1743 zu den Gründungsmitglie- dern der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Mitglied der Royal Society seit 1728.

THOMAS KNOWLTON (1692–1782) K. wurde in jungen Jahren Gärtner und Aufseher über den botanischen Garten, den Sherard auf seinem Familienbesitz in Eltham (Kent) angelegt hatte. Später stand er als Gärtner in Dien- sten von Richard Boyle in Lanesborough (Yorkshire). Obwohl selbst kein Mitglied der Royal Society, stand er dennoch mit vielen ihrer Mitglieder in Kontakt. Neben botanischen Studien beschäftigte er sich mit englischen Altertümern.

DAVID KRIEG (ca. 1669–1710) 352 Anhang

Der in Annaberg (Schlesien) geborene K. studierte von 1691 bis 1694 in Leipzig Medizin und wechselte dann nach Utrecht, von wo aus er nach seiner Promotion 1697 nach London ging. Er befreundete sich mit den Mitgliedern des Temple Coffee House Botany Club. Im Sommer 1699 unternahm er eine Exkursion nach Maryland. Nach seiner Rückkehr im folgenden Jahr verließ er London, um sich als Garnisonsarzt in Riga niederzulassen. 1702/03 reiste er für mehrere Monate nach Paris. In den Transactions veröffentlichte er 1705 A Letter …, concerning Cobalt, and the Preparations of Salt and Arsenic. Mitglied der Royal Society seit 1699.

SMART LETHIEULLIER (1701–1760) Nach dem Studium in Oxford begab sich L. auf Grand Tour, während der er den Grundstock zu seiner späteren Sammlung an Kunstgegenständen legte. Seit 1736 lebte er auf dem Land- sitz der Familie in Aldersbrook (Essex), wo er seine Sammlungen weiter ausbaute. Seine Sammlung von Kunstgegenständen und Naturalien war zu seinen Lebzeiten berühmt und fand ab 1759 in Teilen Eingang in das neugegründete British Museum. Mitglied der Royal So- ciety seit 1750.

EDWARD LHWYD (1660–1709) L. war einer der herausragenden Köpfe der frühen, wissenschaftlich fundierten Fossilienkunde. Noch während seines Studiums in Oxford wurde er 1686 von Robert Plot, dem ersten Kurator am Ashmolean Museum, als Stellvertreter angeworben. Nach Plots Tod 1691 wurde er dessen Nachfolger. Sein Hauptwerk ist die Lithophylacii Britannici Ichnographia (1699), eine erste systematische Beschreibung britischer Fossilien. Zudem widmete er sich archäologischen Studien.

DANIEL GOTTLIEB MESSERSCHMIDT (1685–1735) Der in Danzig geborene M. studierte von 1707 bis 1713 in Halle Medizin. Durch Vermittlung des englischen Leibarztes des Zaren, Robert Erskine, konnte M. 1716 in Danzig für eine Si- birienexpedition gewonnen werden. Für ein jährliches Gehalt von 500 Rubeln sollte M. sie- ben Jahre lang die östlichen Provinzen bereisen. Nach seiner Rückkehr 1727 wurden seine Sammlungen der kaiserlichen Kunstkammer einverleibt, er selbst erhielt nur eine geringe Abfindung. 1729 kehrte er nach Danzig zurück, zwei Jahre später war er wieder in Petersburg, um bei der Vorbereitung einer weiteren Expedition mitzuwirken. Den enormen Ertrag seiner Reise hatte M. in einem Tagebuch festgehalten. Sein früher Tod und das Verbot seitens der Akademie, daraus etwas zu veröffentlichen, verhinderten eigene Publikationen.

JOHN TURBERVILLE NEEDHAM (1713–1781) N. studierte Theologie in Douai und wurde 1738 zum Priester geweiht. Finanziell unabhängig, bereiste er Italien und Frankreich und ließ sich 1767 in Paris nieder, um sich naturhistorischen Studien zu widmen. Er schrieb eine Vielzahl von Werken zur Pflanzenphysiologie, Mikro- skopie und antiquarischen Themen. Er war eng mit Buffon befreundet. Mitglied der Royal So- ciety seit 1747.

PETER SIMON PALLAS (1741–1811) Kurzbiographien 353

P. studierte Medizin in Halle, Göttingen und Leiden, von wo aus er 1761/62 London besuchte. Nach seinem Examen 1767 ordnete er auf Einladung der Akademie in Petersburg die dortigen Sammlungen. Von 1768 bis 1774 war er unterwegs auf einer Sibirienexpedition. Ergebnisse dieser Forschungsreisen legte er in einer Vielzahl von Abhandlungen nieder, so unter anderem in der Flora Russica (1784–1788). JAMES PETIVER (gest. 1718) Nach einer Ausbildung zum Apotheker ließ sich P. 1692 in London nieder. Mit John Ray be- freundet, lagen seine Interessen auf dem Gebiet der Botanik. Er war ab 1709 Demonstrator of plants to the Society of Apothecaries und hatte bis dahin schon eine umfangreiche Pflanzen- sammlung zusammengetragen. Ein Teil von ihr findet sich im Museum Petiverianum (1695– 1703) und im Gazophylacium Naturae et Artis (1702–1709) beschrieben. Petiver war ein uner- müdlicher Korrespondent und Sammler. Seine Sammlung wurde nach seinem Tod von Sloane erworben. Mitglied der Royal Society seit 1695.

JOHN RAY (1627–1705) Der aus Black Notley (Essex) stammende R. studierte alte Sprachen in Cambridge, beschäftigte sich aber schon früh mit botanischen Studien. Ab 1660 unternahm er mit seinem Freund Francis Willughby ausgedehnte Reisen in England und auf dem Kontinent. Nach dem Tod Willughbys 1672 ließ er sich in Black Notley nieder, wo er bis zu seinem Tod in ärmlichen Verhältnissen seinen botanischen Studien nachging. R. veröffentlichte systematische Beschreibungen zu fast allen Bereichen der Tier- und Pflanzenwelt, so etwa in seinem Methodus Plantarum Nova (1682), der Historia Plantarum (1686–1688), der Historia Piscium (1686) und der Historia Insectorum (posthum 1710). Mitglied der Royal Society seit 1667.

RICHARD RICHARDSON (1663–1741) Der aus North Bierley (Yorkshire) stammende R. studierte in Leiden unter anderen bei Paul Hermann, in dessen Haus er drei Jahre lebte. Nach seiner Promotion 1690 ließ er sich auf sei- nem Familiensitz nieder und widmete sich dort ganz seinen botanischen Interessen. Er stand mit nahezu allen wichtigen Naturforschern der Zeit in Kontakt, für die er teilweise als Mäzen auftrat. Sein Garten in Bierley gehörte zu den größten seiner Art in England. Mitglied der Royal Society seit 1712.

JOHANN JAKOB RITTER (1714–1784) R. studierte Medizin in Bern und Basel. Nach Stellungen als Leibmedicus in Lauterbach und Homburg bekam er 1747 eine Stelle als Professor Medicinae et Anatomicae in Franeker (Fries- land), gab sie jedoch kurz darauf wieder auf. Von 1750 an bis zu seinem Tode war er Arzt im schlesischen Schweidnitz. Seine lange Publikationsliste weist ihn unter anderem als Kenner von Fossilien aus. Mitglied der Leopoldina seit 1741.

JOHANN JAKOB SCHEUCHZER (1672–1733) Der Züricher S. studierte 1692–1695 Medizin, Mathematik und Astronomie an der Universität Altdorf. Nach Zürich zurückgekehrt verfaßte er zahlreiche Arbeiten zur Schweizer Landes- kunde. Er bewarb sich 1709 erfolglos um die Boerhaave-Nachfolge in Leiden und spielte zeit- weise mit dem Gedanken, in den Dienst Zar Peters I. zu treten. Von 1702 bis 1711 unternahm S. regelmäßig Exkursionen in die Schweizer Alpen. Kurz vor seinem Tod wurde er 1733 zum Ersten Stadtarzt in Zürich berufen. S. publizierte in fast allen wissenschaftlichen Zeitschrif- 354 Anhang

ten der Zeit und unterhielt eine ausgedehnte Korrespondenz. Mitglied der Royal Society seit 1704.

JOHANN KASPAR SCHEUCHZER (1702–1728) Mit zwanzig Jahren kam der Sohn von Johann Jakob S. nach London, um dort seine unter sei- nem Vater begonnenen medizinischen Studien fortzusetzen. Er fand eine Anstellung als Se- kretär und Bibliothekar in der Sammlung von Sloane. Zudem war er 1728 zusammen mit Jo- hann Jacob Dillenius Secretary of Foreign Correspondence der Royal Society. Nach dem Erwerb von Sammlung und Manuskripten des Japanreisenden Engelbert Kämpfer 1724 durch Sloane fertigte S. zwischen 1725 und 1727 eine Übersetzung unter dem Titel History of Japan (1728) an. Mitglied der Royal Society seit 1724.

ALBERT SEBA (1665–1736) S. ließ sich nach längeren Lehrjahren, die ihn bis Straßburg und Nürnberg führten, 1697 als Apo- theker in seiner Heimatstadt Amsterdam nieder. Er erwarb sich bald einen Namen als Natu- raliensammler. Seine erste Sammlung verkaufte er 1717 an Zar Peter I. Die zweite Sammlung beschrieb er in seinem umfangreichen Locupletissimi Rerum Naturalium Thesauri Accurata De- scriptio (1734). Mitglied der Royal Society seit 1724.

GOTTFRIED SELLIUS (ca. 1704–1767) Der in Danzig geborene S. studierte zunächst bei Christian Wolf in Marburg, bevor er in Lei- den 1730 in Jura promovierte. 1735 wurde er als Professor der Rechte an die neugegründete Universität Göttingen berufen und wechselte im folgenden Jahr an die Universität Halle. We- gen Schulden floh er 1739 nach Utrecht und zog 1750 nach Paris. 1733 veröffentlichte er eine Abhandlung über die holländischen Pfahlwürmer (Historia naturalis teredinis). Es folgten juristi- sche Schriften und Übersetzungen aus dem Englischen und Französischen, darunter 1766 die erste Übersetzung von Winckelmanns Kunstgeschichte (Histoire de l’Art chez les Anciens). Mit- glied der Royal Society seit 1733.

WILLIAM SHERARD (1659–1728) Nach dem Studium der Rechte in Oxford betrieb S. unter Joseph Pitton de Tournefort in Paris und Paul Hermann in Leiden botanische und allgemein naturgeschichtliche Studien. 1703 wurde er als Vertreter der Turkey Company nach Smyrna in Kleinasien berufen, wo er aus- gedehnte antiquarische und botanische Exkursionen unternahm. Er kehrte 1717 nach Lon- don zurück, um sich ganz seiner Sammlung und seinem Botanischen Garten auf dem Fami- lienbesitz in Eltham zu widmen. Dort verfolgte er sein lebenslanges Projekt weiter: die Überarbeitung der Pflanzenbeschreibung des Franzosen Caspar Bauhin Pinax theatri botanici (1623). Von Haus aus sehr wohlhabend, richtete er den ersten Lehrstuhl für Botanik in Ox- ford ein. Mitglied der Royal Society seit 1718.

DANIEL CHARLES SOLANDER (1736–1782) Der in Schweden aufgewachsene S. war Schüler Carl von Linnés und wurde von ihm 1760 nach England empfohlen. 1763 trat er eine Stelle als stellvertretender Bibliothekar am British Mu- Kurzbiographien 355

seum an. Auf Einladung seines Gönners Joseph Banks nahm er 1768 bis 1771 an Cooks er- ster Weltreise teil. Nach der Rückkehr arbeitete er für Banks als Bibliothekar und Sekretär. Mitglied der Royal Society seit 1764.

JOHANN GEORG STEIGERTHAL (1666–1740) S. war seit 1703 Professor der Medizin in Helmstedt. 1711 wurde er Leibarzt am Hannoverschen Hof. Nach der Thronbesteigung Georges I. hielt sich S. bis 1727 häufig in London auf. Er war ein wichtiger Verbindungsmann Sloanes zu deutschen Korrespondenten auf dem Kontinent. Mitglied der Royal Society seit 1714.

RALPH THORESBY (1658–1725) Der Sohn eines reichen Tuchhändlers aus Leeds übernahm 1678 das Geschäft seines Vaters. Ne- benher baute er eine umfangreiche Sammlung von Antiquitäten, Münzen und Naturalien auf. Einen Teil dieser Sammlung beschrieb er im Anhang seiner Lokalgeschichte Ducatus Leodien- sis (1715). Er stand in engem Kontakt zur Londoner Naturforscher- und Sammlerszene. Mit- glied der Royal Society seit 1691.

CHRISTOPH JACOB TREW (1695–1769) T. war ab 1721 als Arzt in Nürnberg tätig. Mit Christoph Goetz, Johann Christoph Homann, Christoph Wilhelm Pressler und Johann Heinrich Schulze gab er ab 1730 eine gelehrte Wo- chenschrift unter dem Titel Commercium litterarium ad rei medicae et scientiae naturalis incrementum heraus. Weiterhin publizierte er in Nürnberg Tafelwerke zur Anatomie und Botanik. Mitglied der Royal Society seit 1745.

LEVINUS VINCENT (1658–1727) Der Amsterdamer Tuchhändler V. trug im Laufe seines Lebens eine umfangreiche Naturalien- und Kunstsammlung zusammen. Eine Beschreibung dieser Sammlung gab er 1706 in zwei Teilen unter dem Titel Wondertooneel der Nature heraus. Nach seinem Tod führte seine Frau die Sammlung weiter. Mitglied der Royal Society seit 1725.

JOHN WOODWARD (1665–1728) W. war von Haus aus Mediziner, interessierte sich jedoch schon früh für Fossilienkunde. Auf Empfehlung von Robert Plot und Edward Lhwyd, den damaligen Kuratoren am Ashmolean Museum in Oxford, wurde er 1692 Physikprofessor am Gresham College in London. Weithin bekannt wurde W. durch seine Veröffentlichung An essay toward a natural history of the earth (1695). Nicht weniger bekannt war er für seinen polemischen und streitsüchtigen Charakter. Mitglied der Royal Society seit 1693.

PHILIPP HENRY ZOLLMANN (ca. 1680–1748) Der in Altenburg (Sachsen) geborene Z. kam 1714 als Hauslehrer beim Hannoverschen Gesand- ten und späteren Minister Bothmer in London unter. Er erwarb sich dort bald einen guten Na- men unter Diplomaten und Wissenschaftlern, wozu unter anderem sein Briefwechsel mit Leibniz beitrug. 1723 trat er eine Stelle als Secretary of Foreign Correspondence der Royal 356 Anhang

Society an, die jedoch immer mehr zur Nebenbeschäftigung wurde. Er war vor allem im di- plomatischen Dienst tätig. Mitglied der Royal Society seit 1727.

2. Der Bibliothekskatalog von Isaac Romilly1

[1] Antimachiavel de Voltaire 1741 [2] Sydenham Opera 1726 [3] Salengio Tavole Heroiche 1690 [4] Balzac Lettere di Venetia 1688 [5] Amours de Gregoire 1700 [6] Cornareo de la Santé 1703 [7] Abramule ou l’histoire de Mahomet 1697 [8] la science de Medailles 1693 [9] Practice of Piety 1685 [10] Gabrieli Lettere di Complimenti 1641 [11] Fables choisies de la Fontaine 1731 [12] Theatre Italien 1715 [13] Complete System of Geography 1747 [14] Richelet Dictionaire francois 1719 [15] Mr. Harley’s Philip Sidneys arcadia Lond 1725 [16] Pontoppidan Nat. Hist. 1755 [17] Hughes Nat. Hist. Barbadoes 1750 [18] Pembertons view of Sr. Is Newton’s Philosophy 1728 [19] Hollands Pliny 1601 [20] Dispensatory [21] Velleius paterculus [22] Gullivers Travels [23] Pomfrets Poems [24] Oeuvres de Paville [25] Epitres d’Ovide [26] Vie de Charles I. 4 vols 1702 [27] Nelson’s Government of children [28] Wilkin’s Mathematicks [29] Gronovius’s Tully 2 vol 1692 [30] Phil. Trans Vol 49 P. 2 [31] Desaguliers Experimental Philosophy 1745 [32] Lemery des Drogues 1699 [33] Medical Lexicon 1739 [34] Coles dictionary 1722

1 Aus: ›Inventory with its avaluation (sic!) of the Collections of Natural Curiosities of the late Mr. Isaac Romilly, F.R.S. taken the 17th January 1760‹, BL, Add. 28.542, fol. 69r–73r. Die von mir eingerückten Einträge bezeichnen naturhistorische und allgemein wissenschaftliche Werke. Kurzbiographien 357

[35] Quiney Lexicon Physico Medicum 1736 [36] Jalmon’s Geographical Grammer 1751 [37] Fontaines fables Fr. & Eng. 1734 [38] Dialogue concerning Education 1745 [39] Hist. of Tarters 1730 [40] Virgilius Ruaei 1753 [41] Desprez Horatius 1752 [42] Clarkes Ovid 1735 [43] James Medicinal Dict 1743 [44] Tindalls Rapin 1743 [45] Rumphius of Shells 1739 [46] Ellison Corallines 1755 [47] Gleanings of Nat. Hist. Edwards P. I. [48] Supplement to Chambers Dict. Lond 1753 [49] la Sainte Bible Geneve 1712 [50] Da Costa Fossils [51] Owens Nat. Hist. of Serpents 1742 [52] Dales Harwich 1732 [53] Adams Microgaphia illustrata 1746 [54] Bradley’s Works of nature 1731 [55] Ainsworth Dictionary 1736 [56] l’Estranges Aesop 1714 [57] Wilson on Electricity 1752 [58] Sydenham’s Works 1740 [59] Godwins Caesars Works Lat. 1706 [60] Lock on Human Understanding 1726 Vol 2d [61] Templeman’s remarks on Memoirs of Acad of Sciences Lond 1754 [62] Gravesende’s Philosophy 1721 [63] Hist Balearick Islands 1716 [64] Harris’s Lemery’s Chymistry 1686 [65] Martin’s Translation John Greenfields on Chantarides 1706 [66] Mead on Poisons 1702 [67] Popes Iliad 1743 [68] Swifts Works 9 Vol 1742 [69] Tale of a Tub 1743 [70] Tatler 1743 [71] du Bois Reflexions Critiques sur la Poesie et sur la Peinture 3 Vols 1740 [72] Terence par Dacier 1706 [73] Spectators 1744 [74] du Bois Livres de Ciceron &c 1698 [75] du Bois Offices de Ciceron 1704 [76] Loubere Royaume de Siam 1691 [77] Loredano Lettere di Venetia 1676 [78] Echard’s Gazetteer 1738 358 Anhang

[79] Homeri Ilias 1722 [80] Paradise Lost by Milton 1738 [81] Rollin’s belles Lettres Engl. 1742 [82] Plutarch’s Lives 1688 [83] Cantel’s Justin in Usum Delphini 1742 [84] Cosson’s Nollets Lectures in Experimental Philosophy 1752 [85] Bailey’s Dictionary 1737 [86] Thevet Hommes illustres 1670 the 7th Vol. only

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

1. Handschriftliche Quellen

Die Briefe von Sloane liegen innerhalb seines umfangreichen Nachlasses an Papieren und Ma- nuskripten in der British Library und sind in insgesamt 34 Bänden zusammengefaßt. Die ein- gehende Korrespondenz wurde im 19. Jahrhundert in chronologischer Reihenfolge neu gebun- den, zwei der Bände enthalten Abschriften und Entwürfe von eigenen Briefen. Die Briefe Mendes da Costas sind in insgesamt 12 Bänden überliefert, und zwar in der ursprünglich von ihm vorgenommenen alphabetischen Einteilung nach den Briefempfängern. Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, daß in Briefnachlässen in der Regel nur die emp- fangenen Briefe dokumentiert sind und somit zunächst nur ein einseitiges Bild der Briefwechsel vorliegt. Jedoch kommen in unterschiedlichem Umfang Briefentwürfe und Abschriften hinzu. Gemessen am Gesamtbestand machen sie bei Sloane nur einen geringen Teil aus, jedoch liegt der Fall bei Mendes da Costa etwas anders: Fast immer findet sich zu einem seiner ausgehenden Briefe ein Entwurf oder eine Kopie von seiner Hand, so daß die jeweiligen Einzelbriefwechsel von Empfänger- und Senderseite her gut dokumentiert sind. Bei den Briefen Mendes da Costas handelt es sich bei den Abschriften/Entwürfen, wie ich durch Vergleich mit einigen Originalen festgestellt habe, fast immer um den vollständigen Text, also keineswegs um Zusammenfassun- gen, bei denen zum genaueren Verständnis die Lektüre des Originals unentbehrlich wäre. Besonders im Falle der Sloane-Korrespondenz hätte eine systematische Erfassung der in die Hunderte gehenden Korrespondenten zusammen mit ihren von Sloane erhaltenen Original- briefen den Rahmen dieser Arbeit bei weitem gesprengt. Doch bei einigen der bedeutenderen Korrespondenten konnten die Originale ermittelt oder auf gedrucktes Material zurückgegriffen werden. Das gilt besonders für seinen Briefwechsel mit Johann Amman in Petersburg, dessen Nachlaß sich im Archiv der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau befindet, so- wie für die Briefe Sloanes an Johann Philipp Breyne, die sich vollständig in der Forschungs- bibliothek Gotha befinden. Die Abschriften und Entwürfe der Briefe sind durchaus nicht nur Hilfsmittel in Ermange- lung der Originale. Das gilt besonders für diejenigen Mendes da Costas, der sie in seine lau- fende Korrespondenz eingeordnet hat (zuweilen zusammen mit Abschriften von Briefen Drit- ter), um auf diese Weise seine Briefwechsel schon zu Lebzeiten möglichst übersichtlich zu halten. Doch macht die naturgemäß hastige und oft abkürzende Schreibweise seiner Entwürfe und Abschriften es dem heutigen Leser nicht immer leicht. Das gilt weniger für die Lesbarkeit der Mendes da Costaschen Handschrift als vielmehr für seine oft eigentümliche Zeichenset- zung, die selbst für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlich sparsam ist (Abb. 31). Nur selten werden hier Sätze durch Punkt oder Semikolon voneinander getrennt, jedoch immer wieder unterbrochen durch Streichungen, Einschübe und Überschreibungen. In Zweifelsfällen wurde hier, wie bei anderen Schreibern, die im Englischen übliche Kleinschreibung bevorzugt, von mir hinzugefügte Satzzeichen immer in [ ] gekennzeichnet. Einen besonderen Hinweis verdient die Datierung der Briefe. Erst 1752 wurde von Groß- britannien die gregorianische Kalenderreform übernommen, so daß die Datierung bis dahin in vielen Briefen dem übrigen Europa um 11 bis 12 Tage voraus ist; der Unterschied wurde da- mals gewöhnlich durch einen Bruchstrich kenntlich gemacht, wobei oben der alte Stil und unten der neue Stil angegeben wurde. Um der Einheitlichkeit willen wurde in den Zitaten immer der 360 Quellen- und Literaturverzeichnis neue Stil angeführt, dort, wo nur der alte Stil angegeben war, dieser kenntlich gemacht. Auch der Jahresbeginn wurde im englischen Königreich erst 1752 vom 25. März auf den 1. Januar verlegt; hier wurde immer die auf dem Kontinent gängige Jahreszahl vermerkt. Orte und Da- tierungen in ( ) wurden von mir aus dem inhaltlichen Zusammenhang ermittelt.

Abb. 31: Anfang eines Briefes von Emmanuel Mendes da Costa an Peter Simon Pallas, London, 22. Juli 1764.

Literatur 361 British Library, London [BL]: Add. 5310: Briefe und Zeichnungen von Johann Philipp Breyne und Jacob Theodor Klein Add. 9389: Bibliothekskatalog von Emmanuel Mendes da Costa Add. 28.534–28.545: Korrespondenz von Emmanuel Mendes da Costa Add. 35.230: Briefe an die Royal Society Sloane 1968: Briefe an Johann Kaspar Scheuchzer Sloane 2360: David Krieg, Album Amicorum Sloane 3332–3340: Briefe an James Petiver Sloane 3516: Gedichte auf Sloane und seine Sammlung Sloane 3961: Kataloge und Sammlungsnotizen von William Courten Sloane 3962: Brief von Edward Lhwyd an William Courten Sloane 3984: Kataloge und Sammlungsnotizen von Hans Sloane Sloane 4036–4058, 4060, 4062–4066, 4068: Korrespondenz von Hans Sloane

Bodleian Library, Oxford [Bodl.]: Ashmole 1822: Briefe an William Huddesford Radcliffe Trust c 1, c 4, c 8, c 9: Briefe an Richard Richardson

Forschungsbibliothek Gotha, Nachlaß Johann Philipp Breyne [Gotha]: Chart. A 784: Zeichnungen von Naturalien Chart. B 785–789: Briefe an Johann Philipp Breyne Chart. A 791: Sammlungsverzeichnisse Chart. A 871: Verzeichnisse von verschiedenen Sammlungen Chart. A 873: Briefentwürfe und Regesten Chart. A 875: Vorträge, Entwürfe und Notizen Chart. A 876: Notizen und Pflanzenzeichnungen Chart. A 877: Briefentwürfe und Regesten Chart. B 810: Zeichnungen und Kupferstiche von Tieren Chart. B 857b: Briefentwürfe und Regesten Chart. B 966: Reisetagebuch vom 1. Januar bis 31. Dezember 1702

Natural History Museum, London, Botany Library [NHMB]: Banks Collection Nr. 35: Briefe an John und Thomas Martyn Banks Collection Nr. 95: Samuel Brewer’s Botanical Journey through Wales in the year 1726 Banks Collection: Hans Sloane, Vegetables and vegetable Substances

Natural History Museum, London, Palaeontology Library [NHMP]: Hans Sloane, Catalogue of Fossils, Bd. 5: Fishes, Birds, Quadrupeds

362 Quellen- und Literaturverzeichnis

Library of the Royal College of Surgeons of England, London [RCS]: 275.d.18–23: Emmanuel Mendes da Costa, Catalogue of The Extraneous fossils or remains of animals & vegetables digg’d up out of the Bowels of the Earth in the Collection of Emanuel Mendes da Costa FRS, Bde. 1–6 275.e.9: Emmanuel Mendes da Costa, Index vel Pinax fossilium begun 1st January 1772 in which as in an Index all the Species of Extraneous fossils or petrifications known are arranged into their respective Zoological & Botanical Classes with proper references to the Authors where described B.247 (2): Emmanuel Mendes da Costa, On Fossils [Anonyme Vorlesungsmitschrift]

Royal Society Library, London [RS]: Journal Book (Original), Bde. 10, 14 Journal Book (Copy), Bd. 19 Letter Book (Original), Bd. 2 Letter Book (Copy), Bde. 15, 18–20, 22 Miscellaneous Manuscripts 14 MS 415/1: Inventory of Objects of Natural History May 26th 1763 MS 415/2: Donations to the Repository [1744–1769] MS 416: A Complete Catalogue of the several Donations of Manuscripts Sherard Correspondence Ms. 252, 255

Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin [SBB]:

Sammlung Darmstaedter 1926.10: Brief von Emmanuel Mendes da Costa an Peter Simon Pallas Sammlung Darmstaedter Amerika 1707: Brief von Hans Sloane an Johann Amman Sammlung Darmstaedter Lc 1757 (1): Emmanuel Mendes da Costa, Gibraltar Rock with a jaw bone

Zentralbibliothek Zürich, Nachlaß Johann Jakob Scheuchzer [ZBZ]: H 296: Briefe an Johann Jakob Scheuchzer

2. Gedruckte Quellen

ADAMS, George, Micrographia Illustrata, or, The Knowledge of the Microscope explain’d …, London 1747. ADDISON, Joseph, The Spectator (1711–1714), complete in one Volume with Notes and a General Index, London 1827. ADDISON, Joseph/Richard STEELE, The Tatler (1709–1710), complete in one Volume with Notes and a General Index, London 1827. ALBIN, Eleazar, A Natural History of English Insects. Illustrated with a Hundred Copper Plates. Curiously Engraven from the Life. And (for those who desire it) exactly coloured by the Author, London 1720. D’ALEMBERT, Jean Le Rond, System, in: Artikel aus der von Diderot und D’Alembert heraus- gegebenen Enzyklopädie, hrsg. von Manfred Naumann, Leipzig 1984, S. 751–753. Literatur 363

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1. Abbildungen

Abb. 1: Titelblatt des ersten Bandes der Philosophical Transactions. Abdruck mit freundlicher Ge- nehmigung der Bibliothek des Deutschen Museums München. (S. 18).

Abb. 2: Hans Sloane als Präsident der Royal Society. Gemälde John Vanderbank (1694–1739) zugeschrieben. © The British Museum. (S. 21).

Abb. 3: Der Bloomsbury Square im frühen 18. Jahrhundert. Im Hintergrund sind die noch of- fenen Felder im Norden Londons zu sehen. Sloanes Haus befindet sich in der Häuserreihe rechts von Southampton Palace. Kupferstich von Sutton Nicholls. © Copyright The British Museum. (S. 22).

Abb. 4: Das Manor House in Chelsea, damals noch ein Dorf im Südwesten Londons. Kupfer- stich. Aus: Thomas FAULKNER, An historical and topographical description of Chelsea, Chel- sea 1829. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Heidelberg. (S. 23).

Abb. 5: Anatomie eines Elefanten. Kupfertafel aus Patrick Blairs Osteographia Elephantina (1712). Kupferstich. Aus: Patrick BLAIR, Osteograhia Elephantina: or, a Full and exact description of all the bones of an elephant which died near Dundee, April the 27th. 1706. With their several dimensions. Communicated in a letter to Dr. Hans Sloane, in: Philosophical Transactions 27 (1712), nach S. 156. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek des Deutschen Museums München. (S. 56).

Abb. 6: Frontispiz zu Olaus Worms Museum Wormianum seu Historia rerum rariorum (1663). Kup- ferstich. Aus: Olaus WORM, Museum Wormianum seu Historia rerum rariorum …, Leiden 1663 (Frontispiz). Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Staatsbibliothek Bamberg. (S. 66).

Abb. 7: Schädelknochen eines sibirischen Mammuts (Vorder- und Seitenansicht) aus Johann Philipp Breynes Observations, and a Description of some Mammoth’s Bones dug up in Siberia (1737). Kupferstich. Aus: Johann Philipp BREYNE, A Letter from John Phil. Breyne, M.D. F.R.S. to Sir Hans Sloane, Bart. Pres. R.S. with Observations, and a Description of some Mammoth’s Bones dug up in Siberia, proving them to have belonged to Elephants, in: Philosophical Transactions 40 (1737), nach S. 78. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek des Deutschen Museums München. (S. 95).

Abb. 8: Leonurus (Löwenohr), afrikanische Eidechsen, Schmetterlinge und Schlange aus Albert Sebas Locupletissimi Rerum Naturalium Thesauri Accurata Descriptio (1734). Kupferstich. Aus: Al- bert SEBA, Locupletissimi Rerum Naturalium Thesauri Accurata Descriptio, et Iconibus Ar- tificiosissimis Expressio, per Universam Physices Historiam Opus, Bd. 1, Amsterdam 1734, Tab. XIII. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Staatsbibliothek Bamberg. (S. 129). Karten 389

Abb. 9: Blätterskelette exotischer Pflanzen aus Albert Sebas Locupletissimi Rerum Naturalium The- sauri Accurata Descriptio (1734). Kupferstich. Aus: Albert SEBA, Locupletissimi Rerum Natu- ralium Thesauri Accurata Descriptio, et Iconibus Artificiosissimis Expressio, per Universam Physices Historiam Opus, Bd. 1, Amsterdam 1734, Tab. VI. Abdruck mit freundlicher Ge- nehmigung der Staatsbibliothek Bamberg. (S. 130).

Abb. 10: Albert Seba in seiner Sammlung. Frontispiz aus Locupletissimi Rerum Naturalium The- sauri Accurata Descriptio (1734). Kupferstich. Aus: Albert SEBA, Locupletissimi Rerum Natu- ralium Thesauri Accurata Descriptio, et Iconibus Artificiosissimis Expressio, per Universam Physices Historiam Opus, Bd. 1, Amsterdam 1734 (Frontispiz). Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Staatsbibliothek Bamberg. (S. 131).

Abb. 11: Das Leidener anatomische Theater. Kupferstich von Willem Swanenburgh (1644). Ab- druck mit freundlicher Genehmigung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. (S. 148).

Abb. 12: Eine Schublade mit Pflanzen und Pflanzenpräparaten aus der Sammlung Hans Sloanes. © The Natural History Museum, London. (S. 165).

Abb. 13: Frontispiz zu Caspar Friedrich Neickels Museographia (1727). Kupferstich. Aus: Caspar Friederich NEICKEL, Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anle- gung der Museorum oder Raritäten-Kammern …, Leipzig 1727 (Frontispiz). Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek des Deutschen Museums München. (S. 169).

Abb. 14: Anatomisches Kabinett aus der Sammlungsbeschreibung von Christoph Gottwaldt (1714). Kupferstich. Aus: Christoph GOTTWALDT, Museum Gottwaldt, [Danzig 1714], S. [3]. By permission of The British Library. Shelfmark: 459.c.8. (S. 172).

Abb. 15: Seeigel, Pflanzen, Echse, Korallen aus James Petivers Musei Petiveriani centuria prima (1695). Kupferstich. Aus: James PETIVER, Musei Petiveriani centuria prima, London 1695. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Staatsbibliothek München. (S. 227).

Abb. 16: Handschriftlicher Eintrag über fossile Mammutfunde aus Hans Sloanes Catalogue of Fos- sils. Aus: NHMP, Hans Sloane, Catalogue of Fossils, Bd. 5: Fishes, Birds, Quadrupeds, fol. 364, Nr. 1185–1189. © The Natural History Museum, London. (S. 236).

Abb. 17: Gesteinsbrocken mit dem Abdruck eines Kieferknochens. Federzeichnung von Em- manuel Mendes da Costa (ca. 1780). Aus: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Sammlung Darmstaedter Lc 1757 (1). Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Staatsbi- bliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. (S. 244).

Abb. 18: James Petivers Brief Directions for the easie making, and preserving collections of all natural curiosities (ca. 1700). Aus: James PETIVER, Brief Directions for the easie making, and pre- serving collections of all natural curiosities, London o. J. (ca. 1700). By permission of The British Library. Shelfmark: 456.e.1.(1*.). (S. 258).

Abb. 19: Abbildung einer aufgeschnittenen Nautilusmuschel aus dem Nachlaß Johann Philipp Breynes. Kupferstich von Johann August Corvinus. Aus: Forschungsbibliothek Gotha: Nachlaß Johann Philipp Breyne, Chart. B 810, fol. 85r. Abdruck mit freundlicher Genehmi- gung der Forschungsbibliothek Gotha. (S. 280). 390 Verzeichnis der Abbildungen und Karten

Abb. 20: Mikroskop aus der Sammlungsbeschreibung von Christoph Gottwaldt (1714). Kupfer- stich. Aus: Christoph GOTTWALDT, Museum Gottwaldt, [Danzig 1714], S. [11]. By permission of The British Library. Shelfmark: 459.c.8. (S. 285).

Abb. 21: Die Metamorphose der Schildlaus aus Johann Philipp Breynes Historia naturalis cocci radicum tinctorii (1731). Kupferstich. Aus: Johann Philipp BREYNE, Historia natrualis cocci radicum tinctorii, quod polonicum vulgo audit, Danzig 1731. Abdruck mit freundlicher Ge- nehmigung der Staatsbibliothek Bamberg. (S. 288).

Abb. 22: Anatomie des menschlichen Beckens in Albrecht von Hallers Icones anatomicae (1749). Kupferstich. Aus: Albrecht von HALLER, Icones anatomicae, Fasciculus IV: Iconum partium Corporis humani, Göttingen 1749. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Staatsbibliothek München. (S. 292).

Abb. 23: Abbildung aus William Hunters Anatomia Uteri Humani Gravidi tabulus illustrata (1774). Kupferstich. Aus: William HUNTER, Anatomia Uteri Humani Gravidi tabulus illustrata, Tab. VI, Birmingham 1774. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Staatsbibliothek München. (S. 293).

Abb. 24: Truhe und anatomische Instrumente aus der Sammlungsbeschreibung von Christoph Gottwaldt (1714). Kupferstich. Aus: Christoph GOTTWALDT, Museum Gottwaldt, [Danzig 1714], S. [7]. By permission of The British Library. Shelfmark: 459.c.8. (S. 295).

Abb. 25: Darstellung eines Bibers aus der Sammlungsbeschreibung von Christoph Gottwaldt (1714). Kupferstich. Aus: Christoph GOTTWALDT, Museum Gottwaldt, [Danzig 1714], S. [34]. By permission of The British Library. Shelfmark: 459.c.8. (S. 296).

Abb. 26: Schnitt durch den Stoßzahn eines Mammuts aus Hans Sloanes An Account of Elephants Teeth and Bones found under Ground (1728). Kupferstich. Aus: Hans SLOANE, An Account of Elephants Teeth and Bones found under Ground, in: Philosophical Transactions 35 (1728), Plate 1. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek des Deutschen Museums München. (S. 307).

Abb. 27: Belemniten (Fig. 1–2) und Alveolen (Fig. 3–5) aus Balthasar Ehrharts Dissertatio de bel- emnitis suevicis (1727). Kupferstich. Aus: Balthasar EHRHART, De belemnitis Suevicis disserta- tio: qua imprimis in obscuri hactenus fossilis naturam inquiritur …, Augsburg 1727. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Staatsbibliothek Bamberg. (S. 315).

Abb. 28: Eine höchst dramatische Szene: Die Auffindung des Maastrichter ›Krokodils‹ im Jah- re 1770. Kupferstich. Aus: Bernard FAUJAS-SAINT-FOND, Histoire naturelle de la Montagne de Saint-Pierre de Maestricht, Paris 1799 (Frontispiz). Abdruck mit freundlicher Genehmi- gung der Bibliothek des Deutschen Museums München. (S. 321).

Abb. 29: Das Agnus Scythicus vegetabilis aus der Sammlung Johann Philipp Breynes. Kupferstich. Aus: Johann Philipp BREYNE, Dissertatiuncula de Agna Vegetabili Scythico, Borametz vulgo dicto, in: Philosophical Transactions 34 (1725), S. 353. Abdruck mit freundlicher Genehmi- gung der Bibliothek des Deutschen Museums München. (S. 329).

Abb. 30: Buchenholz mit eingewachsenen Schriftzeichen aus Jacob Theodor Kleins An Account of Letters found in the Middle of a Beech (1739). Kupferstich. Aus: Jacob Theodor KLEIN, An Ac- count of Letters found in the Middle of a Beech …, in: Philosophical Transactions 41 (1739), Tab. II. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek des Deutschen Museums München. (S. 335). Karten 391

Abb. 31: Anfang eines Briefes von Emmanuel Mendes da Costa an Peter Simon Pallas, Lon- don, 22. Juli 1764. Aus: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Sammlung Darm- staedter 1926.10. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. (S. 359).

2. Karten

Karte 1: Die Korrespondenzorte Hans Sloanes auf dem Kontinent (Auswahl). (S. 48).

Karte 2: Die Korrespondenzorte Emmanuel Mendes da Costas auf dem Kontinent. (S. 49).

Karte 3: Die Korrespondenzorte Emmanuel Mendes da Costas innerhalb Englands. (S. 50). 393

REGISTER

Die Register erschließen geographische Begriffe (einschließlich Institutionen) und Personenna- men. Im Text genannte moderne Autoren sind ebenfalls berücksichtigt und durch Kursive her- vorgehoben. Seitenzahlen mit Stern (*) verweisen ausschließlich auf Fußnoten.

1. Ortsregister

Aberdeen 56 British Library, siehe London Academia Naturae Curiosorum (Leopoldi- British Museum, siehe London na) 28, 53 f., 129 Burton Constable (Yorkshire) 63, 162* Académie de Sciences, siehe Paris Cambridge 30, 45, 59, 207 f., 210, 215, 262 Afrika 155, 218* – Sedgwick Museum 205 Ägypten 255 – Woodward Collection 200, 205–207, Alpen 127, 251 213 Amerika, siehe Nordamerika Carolina 83, 137, 273 Amsterdam 31, 101, 128 f., 136, 149, 164, Carthagena 85* 187, 233, 250, 299 f. Chelmford (Essex) 244 Anatolien 115* Chelsea 26, 36, 142, 164 f., 176, 204*, 233, Ashmolean Museum, siehe Oxford 239, 312 Asien 155, 206 – Physic Garden 26, 40, 42, 45, 85 f., 113*, 233 Baden 326 f. Cherbourg 53 Baikalsee 90, 114* China 40, 77, 89, 114, 114*, 236 Barbados 261 College of Physicians, siehe London Bath (Avon) 43, 63 Connecticut 82 Berlin 32, 190, 193, 209 Conwell (Oxfordshire) 224 – Akademie der Wissenschaften 190 Cornwall 48, 55, 262 Bierley Hall (Yorkshire) 60, 62 County Down 19 Black Notley (Essex) 59 Cumberland 262 Bodleian Library, siehe Oxford Bologna 30* Dänemark 166, 307, 310 – Accademia delle Scienze 129 Danzig 12, 36 f., 46 f., 62, 64, 67, 70 f., Boston (Lincolnshire) 57, 171 73 f., 88, 93 f., 102, 104 f., 110, 114, 121, 124 f., 127, 134, 138, 167, 172, 282, 287, – Philosophical Society 82 292, 294, 298, 313 f., 318, 329, 332 f., Brandenburg 75 335, 338, 343 Bremen 100, 307* – Langgasse 69 Bristol (Avon) 43, 262 394 Register

– Naturforschende Gesellschaft 69 f., 70* – Universität 135 f. – Societas Litteraria 69 f., 71, 94, 313, Gottorf 152 331 f. Gresham College, siehe London Delft 190 Griechenland 335 Den Haag 124, 190 Deptford 144 Halle 75, 89, 136 Derby 63 Hamburg 146, 190, 268 Derbyshire 81, 124 Hannover 36, 44, 119, 122, 134 f., 136, 190 Deutschland 28, 35–39, 53, 63, 71, 75, Holland, siehe Niederlande 104, 115, 129, 190, 243, 312* Homburg 243 Don 236 Hoxton 85* Dordrecht 187 Hudson Bay 87 Dorking (Surrey) 160 Dresden 72, 154, 190, 306, 325 Indien 207 Dublin 54, 250 Irkutsk 88, 91, 105 – Philosophical Society 249, 253 Irland 63, 233, 249, 276 Dundee 55, 312 Italien 30*, 41, 43, 63, 65, 69, 104, 145 f., 182, 266, 288, 311*, 320 East India Company, siehe London Edinburgh 27, 31*, 56, 109, 201, 203 Jamaika 20, 42, 82, 84 f., 86*, 87, 98, 117, – Philosophical Society 56 221, 229 f., 232–234, 261, 271–273 Elbing 335 Japan 44 f. England 12, 15, 25, 28*, 30 f., 33, 39, 41, Jenisej 236 43, 45 f., 46*, 53–56, 59, 63, 65, 67, 69, 71, 82, 85 f., 100, 102, 113, 114*, 115, Kamčatka 77, 87, 88, 95, 107, 317 118*, 123, 135, 120 f., 157, 175, 177, Karibik 87, 232 182 f., 188 f., 193 f., 196, 200 f., 206 f., 211, 218, 231 f., 234, 239, 262, 268, Kasan 114* 271 f., 275 f., 285, 295, 309 f., 323 f., 334 Kent 159 Essex 60 Kiel 152 Europa 16, 48, 56, 71, 75, 84, 79, 108, Kleinasien 118, 261 112*, 128*, 155, 178, 182, 185, 206, Kopenhagen 206, 262 218*, 230, 231–233, 273, 332 Krasnojarsk 92-94

Falun 246 Lancashire 292 Florenz 177 Leeds (Yorkshire) 27, 62 Franeker 187 – Debating Club 62 Frankfurt 102, 120, 134 – Medical Society 62 – Gesellschaft von Naturforschern 120 Leiden 29–32, 34, 36, 38, 41, 45 f., 52, 60, Frankreich 16, 19, 53, 63, 67, 104, 190, 68, 73, 85, 120*, 133, 187, 194, 233, 291, 192 f., 197 f., 262, 287, 324, 332 299 – Anatomisches Theater 147–149, 172*, Gibraltar 244 f. 198 Gopsal (Leicestershire) 175 – Botanischer Garten 45 Gotha 311 – Rariteytkamer 194 Göttingen 54, 118, 219, 291 – Universität 195 Personenregister 395

Leipzig 40, 124, 190, 233 – Spitalfields 58 Lemgo 44 – Temple House Botany Club 26 f., 40 f., Lena 91, 105 65, 82 f., 85, 254 Lissabon 261, 340 – Tower 35 Livland 66 – Westminster 15 London 12, 15 f., 20, 27–31, 33–38, 40 f., Lunar Society (Birmingham) 54 43–47, 52 f., 55, 58–67, 71, 73, 75–77, 79, 81, 84–86, 95, 100–105, 107, 109, Maastricht 321, 323 f., 325 113, 115, 117–123, 127–129, 134, 136, Mainz 190 138, 144, 171, 177, 188–191, 195, 229, 234, 244, 249, 254 f., 258, 260 f., 283, Manchester 53 285, 288, 295, 307, 311 f., 314, 321, Mannheim 54 331 f., 337, 341, 345 Marly 36 – Bloomsbury Square 20, 24, 36, 45, 86, Marseille 53, 262 142, 164, 211, 239 Maryland 40, 82 f. – British Library 177 Mexiko 239 – British Museum 2, 200, 211–216, 323, Minorca 192 341, 343 Mitcham (Surrey) 29 – City 15, 168* Mongolei 88, 93* – College of Physicians 43 Montpellier 260 – Crane Court 17 Moskau 74, 93, 253 f. – Don Saltero's Coffee House 27, 194 München 54 – East India Company 56, 329 Musée Nationale d’Histoire Naturelle, sie- – Enfield 233 he Paris – Fleetstreet 26 – Fulham 42, 233 Natural History Museum, siehe London – Gresham College 17, 207, 257 Neuchâtel 103 – Hampstead 40 f. Niederlande 12, 28, 31, 40 f., 61, 67, 101, – Hampton Court 40 113, 115, 186 f., 188*, 190, 213, 285, 335 – King’s Bench Prison 139, 209 Nordamerika 26, 40, 81 f., 84–88, 114 f., – Königliche Börse 35 137, 155, 206, 273, 288, 318 – Lambeth 200 Nordheim 243 – London Bridge 26 Nordsee 226 – Montagu House 211 Norfolk 262 – Natural History Museum 341 Northampton 53 – Rainbow Coffee House 26 Northamptonshire 225 – Royal Society 16 f., 19 f., 26–28, 32 f., Northleach (Gloucester) 157, 159 35, 40*, 41–43, 45, 48, 53, 56, 58 f., 68, Nürnberg 104, 122, 134 f., 284, 338* 74–76, 80–83, 88, 94, 100–108, 114, 116, – Naturforschende Sozietät 65, 121, 134 119, 121, 125–129, 133, 136 f., 139, 177 f., 189 f., 194–200, 202, 207–210, 213 f., 249, 251, 253–255, 282, 285, Ohio 318 291*, 304 f., 311, 329, 334 Orange 19 – Society of Antiquaries 28, 327, 334 Orient 113* – Society of Apothecaries 26 Ostasien 187 – Society of Aurelians 26, 28 Ostasien 262 – South Sea Company 85 Osteuropa 89 396 Register

Ostsee 339 Oxford 30, 32, 43, 45, 48, 82, 110, 118, St. Moritz 253 159, 200, 202, 208, 210, 215, 244, 262 Samara 114* – Ashmolean Museum 32–34, 42 f., 45, Scarborough (Yorkshire) 262 64, 109, 110*, 198, 200 f., 203–205, Schaffhausen 47 207 f., 210, 213, 223 Schlesien 243 – Bodleian Library 177 Schottland 56, 58 f., 176, 273, 292, 319 – Botanical Garden 40, 42, 104 Schweden 71, 165, 204, 206, 270, 275 – Philosophical Society 33 Schweiz 38, 43, 55, 62 f., 103 f., 127, 251, Oxfordshire 81, 223–225 298, 326 f. Sibirien 73, 81, 86–88, 90 f., 93, 105–107, Padua 30* 113, 113*, 236, 275, 308 f., 311, 313 f., Paris 19, 29, 30*, 31 f., 34, 36 f., 45 f., 52, 317 f., 324 f., 334 66, 73, 75, 102, 136, 177, 185, 189, 190, Smyrna 115, 117 192, 260, 298, 324 Society of Apothecaries, siehe London – Académie de Sciences 16, 53, 80, 98, Society of Aurelians, siehe London 104, 198, 271, 307 South Sea Company, siehe London – Jardin des Plantes 198 Spalding Society (Spalding) 53, 175 – Louvre 198 Stockholm 136, 254 – Musée Nationale d’Histoire Naturelle Südafrika 40 198, 324 Surrey 177 Pazifik 96 Penzance (Cornwall) 262 Peru 190, 272 Tanworth (Warwickshire) 59 Peterborough (Cambridgeshire) 53 Thüringen 311 Petersburg 12, 46 f., 64, 75–78, 81, 86 f., Tobolsk 88, 93* 89 f., 93, 96, 105, 113, 113*, 124, 255, 280 Udinsk 90 – Akademie 73–77, 80, 88 f., 93, 95, 105– 254 108, 122, 187*, 190, 198, 255, 317 Uppsala 118, 204 – Botanischer Garten 76 – Akademie der Wissenschaften 215* Polen 73 f., 226 Utrecht 38, 40, 133 f. Portsmouth (Hampshire) 262

Preußen 338* Vera Cruz 85, 86*, 239 Riga 40 f., 64–67, 73, 113, 123 Virginia 83, 137 Rom 335 – Collegium Romanum 283 Wales 60 Rotterdam 190 Westeuropa 67, 89 Royal Society, siehe London Westindien 85 f., 229, 231, 234, 261, 273, Rouen 190 329 Rußland 47, 73–75, 87–89, 93, 105, 113, Würzburg 328 236, 253–255, 308 f., 328 f. Yorkshire 60 f., 64, 116, 123, 262 St. Andrews 56 St. George 235, 329* Zürich 43, 62, 72, 75, 127, 250, 257 Personenregister 397

2. Personenregister

Adam, William 285 Bausch, Johann Lorenz 53 Adams, George 285 Bayle, Pierre 101, 199, 250 Addison, Joseph 149, 180, 183 Bécœur, Jean-Baptiste 172 Aesop 180 Beckmann, Johann 204 Aglionby, William 43 De Beer, Gavin R. 24 Agricola, Georg 92 Bell, Mr. 236 Albemarle, Duke of 20, 42* Benjamin, Walter 144 Albin, Eleazar 138 Benslow, Philipp 332 Aldrovandi, Ulisse 6, 61, 267 f. Bentinck, Margaret Cavendish, Duchess of D’Alembert, Jean-Baptiste le Rond 199, Portland 25, 28 265, 271 Bergmann, Tobern 264 Amman, Johann 46 f., 75–78, 86, 105 f., Bering, Vitus 87 113 f., 122–124, 127, 133, 177 Beringer, Johann Bartholomäus 328, 331 Andreae, Johann Reinhart 104 Bernard, Edward 38* Annerly, Mr. 32* Beurer, Johann Ambrosius 104 Arbuthnot, John 56* Beverland, Hadrianus 34* D’Argenville, Antoine N. Dézallier Mar- Bignon, Jean Paul 32, 307 quis 192, 215 Blair, Patrick 26, 55 f., 56*, 105, 127, 137, Aristoteles 222, 267 171 f., 176, 292, 312, 318 Arnim, Achim von 2 Blount, Thomas Pope 226 f. Arnold, Ken 147 Blumenberg, Hans 144 Ascanius, Peter 190, 206 Blumentrost, Laurenz 89 Ashmole, Elias 33, 200 Bobart, Jacob 40, 42, 60* Astell, Mary 185 Boccone, Paolo 28* Aston, Mr. 38* Bodley, Thomas 175 Aubrey, John 250 Boerhaave, Hermann 30 f., 32*, 41, 45, 85, August II. (poln. König) 332 270, 291 Du Bois, siehe Dubos

Bolingbroke, Henry St. John 254 Bachmann, August Quirin 269 Bolten, Joachim Friedrich 191 Bacon, Francis 10, 17, 79, 97, 100, 140 f., Bonanni, Filippo 283 147, 217, 222 f., 251, 284, 303, 344 Borlase, William 48, 51, 55, 201, 205, 213 Bacon, Mr. 85* Bourdieu, Pierre 111, 145 Bagford, Mr. 34* Bourget, Louis 316 Baker 215 Boyle, Robert 19, 255–257 Baker, Henry 209 Braudel, Fernand 30* Balzac, Honoré de 182* Brentano, Clemens 2 Barthelsen, Johann Gottfried 169 Brewer, John 182 Bartholin, Thomas 307 Brewer, Samuel 60-62 Barton, Richard 52 Breyne, Jacob 41, 68, 69, 73, 125 Baudrillard, Jean 182* Bauhin, Caspar 46, 117 398 Register

Breyne, Johann Philipp 11, 36 f., 41–47, Crane, Mr. 243 55, 62, 67, 69 f., 70*, 71 f., 74–77, 86, 89, Cronstedt, Axel F. 246, 264, 278 f. 93–95, 104 f., 110, 114–116, 118, 121 f., Croyère, Ludwig Delisle de la 88 124 f., 127, 138, 133 f., 169 f., 280, 282, 288 f., 295, 298, 313 f., 318 f., 329, Cumberland, Earl of 136 331 f., 338 f., 341, 343, 345 Cunninghame, James 40 Bridges, John 38* Cuvier, Georges 244, 324 f. Brockes, Barthold Hinrich 152* Browne, Thomas 218 f., 220, 222, 236, Daguerre, Louis 346 244, 246, 304, 313, 326 Dandridge, Joseph 29, 38* Le Brun 236 Darwin, Charles 89, 325, 344 Buckland, William 158* Daston, Lorraine 10 Buckley, Edward 329 Daubenton, Jean Louis Marie 318 Buckley, Mr. 235 Dávila, Pedro Francesco 189–191 Buddle, Adam 38* Davis, Natalie Zemon 112 Budgen, John Smith 64, 160 f. Demidoff, Grigori 190 Buffon, Georges Louis Leclerc de 125 f., Demidoff, Pawel 190 269 f., 274, 318, 344 Derham, William 71, 108, 151, 180 Burnet, Thomas 103 f., 180 Descartes, René 305 Büttner, David 246 Diderot, Denis 8, 199, 271, 331 Byrd, William 83 Dillenius, Johann Jakob 46, 60, 65, 110, 118, 127 Calvino, Italo 217 Dioscorides, Pedanios 222 Camden, William 250, 334 Doody, Samuel 40 f. Carberry, Earl of 38* Doppelmayr, Johann Gabriel 65 Caroline (engl. Königin) 25, 135 Douglas, James 312 Carus, Julius Victor 71 Drouin, J. B. 321, 323 Castiglione, Baldassare 146 Dubois, Charles 29, 38* Catesby, Mark 29, 83 f., 87, 92, 96, 124, Dubos, Jean-Baptiste 180 137, 273 Dupont, Andrew Peter 52, 118 f. Celsius, Olaus 270 Cesalpino, Andrea 266 f. Edwards, Edward 180 Chambers, Ephraim 199, 271 Ehret, George Denis 204, 104, 288 Charles II. (engl. König) siehe Karl II. Erhart, Balthasar 81, 315, 317 Charlett, Arthur 33 Erndtel, Christoph 38 f. Cicero 180 Erskine, Robert 42, 74, 88, 253–255 Clavel, Mr. 38* Euler, Leonhard 107 f. Clusius, Carolus 96 Evelyn, John 106*, 144–147, 156, 185, 221 Cocke, George 145 Collins, Mr. 38* Fairchild, Mr. 85* Collinson, Peter 24, 118, 209 Figurovskij, Nikolaj A. 90* Constable, William 63, 123, 162 f., 175, Findlen Paula 6, 112, 267 193, 195 f., 343 Fischer, Johann Bernhard 67 Cook, James 79 Fluyder, Thomas 188 Courten, William 34, 40, 65, 229, 231, Folkes, Martin 28, 65 260 f., 272 Fontenelle, Bernard Bovier de 98, 271 Personenregister 399

Forster, Georg 89 Haller, Albrecht von 6, 45–47, 118, 125, Fothergill, John 65, 110*, 321, 323 147, 291 f. Foucault, Michel 4 Händel, Georg Friedrich 38* Francke, August Hermann 89 Hankins, Benjamin W. 345 Frasier, Mr. 32* Hansted, Mr. 34* nd Friedrich August III. (sächs. Kurfürst) 155 Harley, Edward, 2 Earl of Oxford 175 Friedrich III. (Herzog von Schleswig-Hol- Harley, Robert, Earl of Oxford and Mor- stein-Gottorf) 152 timer 38*, 175 Friedrich, Caspar David 2 Harris, John 271 Frijhoff, Willem 35 Harris, Moses 26 Fuller, Rose 31 f., 299–301 Harvey, William 291 Hatton, Mr. 44 Galen 290 Hattorf, Johann Philipp von 136 Galwey, Posthumus 260 Hazard, Paul 272 Garcin, Laurent 103 Heesen, Anke te 163 Gaubius, David Jérome 194 Heinzelmann, Johann Christoph 77* Geoffroy, Claude Joseph 329 Herbert, Thomas, Earl of Pembroke 38* Geoffroy, Etienne François 32, 66 Hermann, Anna 187 f. Georg I. (engl. König) 36, 56, 122 Hermann, Paul 31, 56, 187, 204 Georg II. (engl. König) 20, 25, 135 Heucher, Johann Heinrich 72, 154 f., 306, Geßner, Johannes 35, 45 f., 298 f. 325 Gierl, Martin 10, 98 Hevelius, Jan 67 Gisbert, Benjamin 190 Hey, William 62 Gizycki, Rainald von 15 Heylin, Peter 226 Gmelin, Johann Georg 77, 88, 95 f., 275, Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus 246 280, 317, 335 Hoffmann, Johann Leonhard 321, 323 Godding, Theodorus 321, 324 Hofmannsthal, Hugo von 246 Goldgar, Anne 100 Homer 180 Goodman, Mr. 38* Hooke, Robert 207, 282 f., 285, 310 Gottwaldt, Christoph 172–174, 287, 292, Horaz 64, 180 295 Houstoun, William 85 f., 114 Gottwaldt, Johann Christoph 294 Hubbard, Robert 207 Gray, Dr. 38* Hubert, Robert 198 Green, John 175, 208, 212, 320 Huddesford, George 201, 203 Greenblatt, Stephen 13, 227 Huddesford, William 64, 109, 110*, 201 f., Greg, Mrs. 166 f. 204, 207 Gresham, Thomas 17 Hugo, Johann August 119 Grew, Nehemiah 27, 208, 210, 287, 304 f., Humboldt, Alexander von 89 337 Humphrey, George 138 Griendel von Ach, Johann Frantz 284, 290 Hunter, William 138, 292 Gronovius, Johann Friederich 194, 276 Hutton, Dr. 41 Gulston, Joseph 261 Gundelsheimer, Andreas 32 Jäger (Hofapotheker) 135 Jean Paul, siehe Richter, J.P.F. Jennys, Mr. 175 400 Register

Johnson, Samuel 79, 149 f., 160, 162, 184 Lister, Martin 33, 42, 96, 123 f., 191, 201*, Jones, Hugh 82 f. 203, 215 Jones, Mr. 33 Locke, John 101, 180, 268 Jones, Thomas William 188* Ludolf, Wilhelm 236 Jonston, John 92, 96 Ludwig XIV. (frz. König) 56 Junigius, Joachim 268 Lürsenius 96 Jussieu, Antoine Laurent de 32 Macho, Thomas 4 Mackenzie, Murdoch 262 f., 319 Kalm, Per 165–167, 178*, 179, 204* Magliabechi, Antonio 177, 311* Kämpfer, Engelbert 44 Major, Johann Daniel 152 f. Kant, Immanuel 344 Malpighi, Marcello 288, 291 Karl II. (engl. König) 145 Mandeville, John 219 Kasimir II. (poln. Herzog) 339 Mare, Earl of 56* Katharina II. (russ. Zarin) 88 Marsigli, Ferdinando 337 Kennon, Mr. 188* Martini, Nikolaus 67 Kinnaird, Charles 127 Martyn, John 26, 57, 171 Kintore, Mylord 32* Mason, Charles 205, 207 Kisner, Georg 44*, 102, 120 f. Massey, Mrs. 157 f. Klein, Jacob Theodor 62, 70*, 71–73, 102, Mather, Cotton 82 110, 124, 167 f., 287, 298, 314–317, 335, Mauss, Marcel 111 337–341, 343, 345, 382 Mead, Richard 28, 38*, 42 Knowlton, Thomas 108, 110, 214 Mendes da Costa, Emmanuel 11, 28 f., 48, Korff, Johann Albrecht von 76, 105, 123 52, 63 f., 103 f., 108–111, 118 f., 124 f., Krieg, David 40, 47, 65–67, 73, 83, 113, 128, 138 f., 158–163, 168, 175–177, 180, 123 186–197, 201–203, 205–216, 240–246, Krüger, Johann Gottlob 320 261 f., 267, 275–279, 319–321, 323, Kuhn, Thomas 10, 319 324*, 326–328, 341 Mendes da Costa, Leah 209 Lange, Lorenz 236 Mengten, Herr von 76 Larson, James 270 Mercati, Michele 332 Lavater, Johann Jakob 43 Méry, Jean 66 Lavater Rudolf 43 Messerschmidt, Daniel Gottlieb 77, 87– Ledermüller, Martin Frobenius 290 95, 106, 255, 313, 325 Leeuwenhoek, Antoni van 285 Meyer, D. L. 263 f. Leibniz, Gottfried Wilhelm 35, 74, 97 f., Miers, Mr. 27 99*, 101, 135 Millar, Robert 114 Leigh, Mr. 201* Miller, Philipp 26, 86*, 113* Lepenies, Wolf 141, 344 Molyneux, William 249–251, 253, 312* Lethieullier, Smart 202, 204, 328 Moore, Garret 233 Lhwyd, Edward 33 f., 42 f., 45, 61, 82, Moore, John, Bishop of Ely 38* 109 f., 200–204, 208, 223, 256, 264, 314, 334 Morand, Saveur 164 Lichtenberg, Georg Christoph 219–221 Moritz, Karl Philipp 219 f. Linck, Johann Heinrich 28* Moro, Anton-Lazzaro 320 Linné, Carl von 71, 118, 157, 165 f., 194, Mortimer, Cromwell 24, 28, 65, 75*, 167, 202–204, 212, 215, 269 f., 275 f., 344 177, 194, 208–210 Morton, John 225–227 Personenregister 401

Müller, Gerhard Friedrich 47, 75, 88, 96 Quincey, Mr. 105*

Müller, Johann Bernhard 236 Rabelais, François 284 Münchhausen, Gerlach Adolf von 135 Ramus, Petrus 248 Münster, Sebastian 248 Rawlinson, Richard 38* Münsterberger, Werner 182* Rawlinson, Thomas 175 Naudé, Gabriel 177 Ray, John 19, 59 f., 71, 81, 108 f., 111, 151, Needham, John Turberville 123, 125 f., 179 f., 204, 225, 231 f., 260, 268, 271, 189 f., 208 287, 327, 334 Neickel, Caspar Friedrich 35, 67, 146, 171, Réaumur, Réne-Antoine de 104 175 Reed, James 261 Neilson, Jacob 188, 215 Reick (Gesandter in London) 136 Newton, Isaac 16, 20, 30, 65, 135 Remus, Georg 36–39

Rexrath (Oberhofprediger) 243 Oldenburg, Henry 68, 100, 106 Richardson, Richard 60–62, 116 f., 123, Ovid 78, 180 133 Owen, Richard 345 Richter, Johann Paul Friedrich 342* Pallas, Peter Simon 88, 118 f., 189, 192, Ritter, Albrecht 242 209 Ritter, Johann Jakob 187, 320, 326 f. Parry, David 38* Robinson, Tancred 38* Parsons, James 209 Romilly, Isaac 110, 168 f., 177, 179 f., 262 Pascal, Blaise 161* Romilly, Peter 168* Pearce, Susan 6 Ruderman, David B. 214 Pennant, Thomas 184, 243 Rumph, Georg Everhard 28*, 180, 191, Pennyston, Thomas 224 196*, 215 Pepys, Samuel 144 f., 156 Ruskin, John 2 Percival, John 291* Rutty, Dr. 32* Peter I. (russ. Zar) 74 f., 87–89, 91, 93, Ruysch, Frederik 31, 149, 187, 299 f., 187*, 253–255, 295 301 f.

Petiver, James 31, 35 f., 38*, 39–42, 66 f., Sadler, Mr. 188* 113, 117, 118*, 123, 137, 187 f., 227– 229, 254, 258, 260, 272 Salter, James 27 Petri ab Hartenfelß, Georg Christoph 312 Salvador, Joseph 176 f. Pitt, Moses 249 Scheuchzer, Johann Jakob 6, 38, 43, 45, 55, 62, 72, 75, 120, 126–128, 137, 232*, Platt, Joshua 159 244, 250–253, 256 f., 298, 314, 320, 327 Plinius d. Ä. 222, 267, 267* Scheuchzer, Johann Kaspar 43–47, 65, Plot, Robert 33, 42, 61, 81, 200 f., 223– 101 f., 120, 177, 301* 227, 250, 334 Schlosser, Johann Albert 159, 211 Plukenet, Leonard 42, 46, 61, 117 Schumacher, Friedrich Daniel 75, 89, 93, Plutarch 180 107 Pomian, Krzysztof 112, 181, 193 Schurz, Georg Nicolaus 185 Pond, William 188, 213, 215 Scott, George 108 f. Pope, Alexander 149, 161*, 184 Seba, Albert 31, 101, 103, 128 f., 133, 166, Poyntz, Mr. 32* 171, 187, 191, 227 f., 239, 300, 301 f. Preston, Charles 27, 56 Sellius, Gottfried 46, 133–136, 338 Pulteney, Richard 147

402 Register

Sherard, William 42, 46, 60*, 65, 83–85, Triller, Daniel Wilhelm 154 110, 115, 117 f., 137 f., 187 Simmel, Georg 14, 99 f., 144 Uffenbach, Konrad Zacharias von 37–39, 42, 120*, 164 f., 177, 201 Slater, Mr. 38* Ultee, Marten 102 Sloane, Hans 6, 11, 19, 24 f., 25*, 26–28, 32 f., 36 f., 39, 40–48, 56, 58, 60 f., 65 f., Vaillant, Sébastian 117* 74 f., 79, 82–87, 94, 96, 98, 101, 103– Valentini, Michael Bernhard 155, 191 106, 113–122, 124, 127–129, 133–137, 141 f., 153 f., 164–169, 171, 176–178, Vesalius, Andreas 290, 292 187 f., 191, 199, 204, 211–213, 215 f., Vico, Giambattista 309 221, 229–236, 239 f., 246, 254, 260 f., Vincent, Levinus 31, 164, 171, 250 270–273, 285, 287, 291 f., 295, 299–301, Volkmann, Peter Dietrich 192 307–314, 318 f., 329, 330*, 331–333, Voltaire 16 337 f., 341, 345 Solander, Daniel 212, 215 Waldo, Mr. 29 Solla Price, Derek J. 199 Wales, Prince of 24 f., 167 Somers, John 38* Wales, Princess of 24, 167 Sommer, Manfred 6 Wallerius, Johan Gotschalk 204, 206, 275, Sprat, Thomas 35 277–279 Stafford, Barbara Maria 155 Walpole, Horace 32, 32* Stanhope, Lord 32* Wanley, Humphrey 177 Starobinski, Jean 111 Warburg, Aby 345 Stearns, R. P. 82 Watkins, Richard 202 Steele, Richard 27 Watson, William 215 Steigerthal, Johann Georg 36 f., 119, Weber, Max 143 f. 122 f., 134 f., 307* Werlhoff, Paul Gottlieb 136, 242 Steller, Georg Wilhelm 95 f. Werner, Abraham Gottlob 264 Stensen, Nils 310, 312, 337* Wettstein, Johann Caspar 107 Stonestreet, William 38*, 42 White, Gilbert 55 Stuart, Alexander 31 White, James 261 Sunderland, James 38* Whiteside, John 33, 34* Swift, Jonathan 149 Whitworth, Charles 253 f. Sydenham, Thomas 180 Wilkes, Bernard 26 Synnot, Walter 63 f., 124, 161 Willughby, Francis 59 f. Tabbert, Johann 94 f. Winckelmann, Johann Joachim 136* Tatišev, Wassili Nikititsch 309 Winter, Eduard 89, 90* Teissier, G. L. 25* Winthorp Jr., John 82 Tentzel, Wilhelm Ernst 311 f. Wolf, Christian 46*, 75 Thomas, Elisabeth 157–160, 343 Wolochowicz, Michael 91 Thomasius, Christian 7 Woodward, John 36–39, 43 f., 46, 61, 85, Thoresby, Ralph 27, 62, 116*, 117 103 f., 109*, 114–117, 119, 120*, 128, Thorpe, John 128* 176, 178, 205 f., 227 f., 247, 254, 256– 258, 262, 264, 274 f., 277 f., 310, 314, Topham, Mr. 38* 320, 334 Tournefort, Joseph Pitton de 32, 56, 60*, Woolhouse, Thomas de 25*, 32* 61, 91 f., 96, 269, 287, 332 Worm, Olaus 66, 170 Tradescant, John 200, 201* Trew, Christoph Jakob 6, 65, 121 f., 134 f. Personenregister 403

Wright, Edward 109, 177, 189, 201, 203, 215

Zollmann, Philipp Henry 32, 44, 102, 135 f. Zwinger, Theodor 248 ZUSAMMENFASSUNG

Die Arbeit behandelt naturgeschichtliche Sammlungen aus der Perspektive von Austausch und wissenschaftlicher Forschung. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Londoner Sammler und Naturforscher Hans Sloane (1660-1753) und Emmanuel Mendes da Costa (1717-1791) sowie der Danziger Sammler Johann Philipp Breyne (1680-1764). Neugier und methodische Genauigkeit prägte deren Haltung ebenso wie der Wunsch, ihre Sammlungen zum Zentrum geselligen und freundschaftlichen Umgangs zu machen. Der Nahblick auf die alltägliche Sammlungs- und Forschungspraxis der Naturforscher zeigt das Sammeln als Bewegung: Objekte werden geschenkt, getauscht, auf dem Markt erworben oder auf Forschungsreisen zusammengetragen. Die Arbeit endet mit einem Ausblick auf das 19. Jahrhundert. Die naturgeschichtliche Sammlungen fanden nun ihren festen Platz innerhalb den öffentlich zugänglichen Naturkundemuseen. Der Preis für diese Öffentlichkeit war die Trennung des Forschungs- vom Sammlungsraum, deren Einheit im 18. Jahrhundert noch allgegenwärtig war.

ABSTRACT

The Dissertation deals with natural history collections as part of 18th century practice of exchange and research. It describes the activities of the London collectors and natural historians Hans Sloane (1660-1753), Emmanuel Mendes da Costa (1717-1791) and Johann Philipp Breyne (1680-1764) from Danzig. Curiosity and methodical research made their collections centres of discourse, friendship and mutual exchange. From this point of view collections are described as part of contemporary practices of the exchange of knowledge and objects. As cultural commodities natural history objects were exchanged on the market or gathered during far reaching expeditions. The dissertation ends with an outlook into the 19th century. At this time natural history collections became part of museums of natural history and were made accessible to a wider public. But in consequence that meant a separation between spaces of research and spaces of public display. Both of them were closely connected during the 18th century.

LEBENSLAUF

1966 geboren in Leverkusen, Bundesrepublik Deutschland 1972-1986 Grundschule und Gymnasium in Leverkusen 1986-1987 Wehrdienst in Gummersbach 1987-1995 Studium der Geschichte, Germanistik und Anglistik an den Universitäten Bonn und Freiburg i. Br. 1995 Magisterprüfung an der Universität Bonn 1996-2000 Promotion im Fach neuere Geschichte bei Prof. Dr. Bernd Roeck Bonn/ Zürich 1996-1997 Stipendiat des Deutschen Historischen Instituts London 1998 Stipendiat am Institut für Europäische Geschichte Mainz 2000 Promotionsprüfung an der Universität Zürich 2001-2003 Wissenschaftlicher Volontär am Deutschen Museum München ab 2004 freiberufliche Tätigkeit im Bereich Ausstellungswesen