Pop der sechziger Jah- Pop re, über den T-Rex- Glamrock der Siebzi- ger bis zur House- und-Rave-Musik, um Schwarzer dort mit dem Meister- werk „“ den Sound der neun- Honig ziger Jahre anzustim- men. Der Geist der Rolling Stones geht Das Besondere an wieder um: Die schottische Band „Screamadelica“ war, daß Primal Scream kommt mit „Space zum erstenmal etwas Eigenes und Neues Rock’n’Roll“ nach Deutschland. geschaffen hatten, das der New Musical Ex- n Memphis (Tennessee) steht das press „Space Rock’n’ Sun-Studio, ein magischer Ort, wo Roll“ nannte. Iheute Japaner für fünf Dollar in der Um so größer war Karaoke-Hölle Rock’n’Roll-Klassiker die Verwirrung, als heulen und dazu Hot Dogs kauen. die Band die Zukunft , Sänger der Popband Zukunft sein ließ und Primal Scream, schüttelt seinen dünnen sich mit ihrer neuen schottischen Oberkörper über soviel Platte wieder auf das Respektlosigkeit: „Haben diese Wahn- besann, was ihnen sinnigen vergessen, daß Elvis dort zum schon immer Freude erstenmal in ein Studiomikrofon gesun- bereitet hatte: das gen hat, daß Roy Orbison, Johnny Cash Herumspielen mit und Carl Perkins hier debütierten? Ich großen Rock-Idolen. könnte heulen!“ Gillespie weiß, wor- Bobby Gillespie, 29, hat Hochach- Primal-Scream-Sänger Gillespie* um es im Musikge- tung vor solch magischen Orten, er liebt Talent, Schlaghosen und die richtige Einstellung schäft geht: „Popmu- den Rock’n’Roll samt sik hat gar nichts mit seinen Legenden und Originalität zu tun. Das war schon im- Geschichten. mer so. Spiel mir ein Lied vor, und ich Und um sich von des- sage dir, was für Lieblingsplatten die sen Geist befeuern zu Musiker haben.“ lassen, haben Primal An guten Tagen kann Gillespie auch Scream ihre neue Platte jede Single der Rolling Stones auf „Give out but don’t give Wurzeln und Einflüsse zerlegen. Dann up“, mit der sie diese erzählt er Anekdoten: warum Elvis in Woche auf Deutsch- der Schule immer verprügelt wurde. land-Tournee kommen, Oder warum Beach Boy Dennis Wil- im Rock’n’Roll-Mekka son dem Killer Charles Manson eine Memphis aufgenom- Harley Davidson spendierte. men. Trotzdem ist Gillespie nicht nur ein Vor lauter Ehrfurcht Klatschmaul, sondern ein Popstar – setzte Gillespie zwar der einzige, den die Briten neben Mor- keinen Fuß in das Sun- rissey noch haben. Außer seinem Ta- Studio. Aber er arbeite- lent, den Schlaghosen und den Kroko- te mit einheimischen lederschuhen verfügt er vor allem über Musikern, die längst ei- Gillespie-Idole Rolling Stones: Werke voller Dekadenz die richtige Einstellung: „Bevor wir ein nen Platz in der Ruh- Konzert geben, müssen die Jungs meshalle des Rock’n’Roll verdient ha- Keith-Richards-Porträt von 1972 ge- schon einen Monat im voraus unseren ben: dem Produzenten Tom Dowd, der druckt ist. „Ich werde dieses T-Shirt Namen über die Straße schreien – und Bläsergruppe Memphis Horns und dem nicht ablegen, bis der letzte Trottel es auf Schaufensterscheiben sprühen.“ Funk-Heiligen George Clinton. Vor al- aufgegeben hat, mich nach den Stones Wenn sie das wirklich tun, kann lem aber musizierte er mit dem Key- zu fragen. Natürlich liebe ich die Stones. es schon mal passieren, daß Primal boarder Jim Dickinson, der vor über 20 Mal abgesehen von den Sex Pistols, hat Scream, wie Anfang April in London, Jahren mit den Rolling Stones Songs wie es seit ihnen doch keine echte Rock’n’ achteinhalb Stunden lang spielen müs- „Brown Sugar“ oder „Wild Horses“ ein- Roll Band mehr gegeben.“ sen, bevor die Fans sie von der Bühne gespielt hat, Werke voller seliger Deka- Viele Leute nehmen Gillespie seine lassen – eine Strapaze, die sich die denz, die nach Drogen, Sex, Tod, reichen programmatischen Sprüche nicht mehr Stones nie zugemutet haben. Mädchen und großen Limousinen klan- ab. Denn der bleiche Bursche hat mit Trotzdem bleiben sie für Gillespie gen und, so rühmt der Rockschreiber Nik Primal Scream seit dem Debütalbum im unschlagbar: „Es gibt auf der ganzen Kent, „wie schwarzer Honig“ von den Jahr 1987 Sound und Stil gern und Welt keine verdammte Band, die ich Saiten tropften. schnell gewechselt: vom Psychedelic mir anschauen würde, wenn am selben Schon deshalb trägt Gillespie manch- Abend die Stones spielen. Das ist ganz mal tagelang ein T-Shirt, auf das ein * Mit Gitarrist . einfach eine Frage des Respekts.“ Y

216 DER SPIEGEL 17/1994