Baumgarten und die Ajatollahs

ISSN 2199-3572 Nr. 5 (33) Mai2017/ Ijar– Siwan 5777 RU NDSCHA U 3,70 € JÜDISCHUnabhängigeE Monatszeitung · H erausgegeben von dr. r. Korenzecher

Türken wählen „links“ in Friedenauer Die Werteinitiative Deutschland, und „rechts“ Gemeinschaftsschule: jüdischer Bürger zur in der Türkei. „judenrein“? Offener Brief von Bundestagswahl Gerd Buurmann an die Innenansichten Eltern der Friedenauer Acht wichtige seite 18 aus Erdoganistan Gemeinschaftsschule politische Standpunkte seite 24 seite 3 seite 20 KOLUMNE DES HERAUSGEBERS DR. R. KORENZECHER Der gewollte Eklat des Sigmar Gabriel

Liebe Leserinnen und liebe Leser, In dem ausklingenden Monat April wur- den weltweit zwei große globale Feste begangen, die beide in engem Zusam- menhang mit der Geschichte des jüdi- schen Volkes verbunden sind. Sowohl das jüdische Pessachfest als auch das christliche Osterfest belegen – so unterschiedlich sie auch in ihrem Sinn- gehalt sein mögen – in herausragender Weise die historische Legitimation des jüdischen Volkes auf seine ungeteilte jü- dische Hauptstadt Jerusalem und den auf Jahrtausende altem jüdischen Boden wieder neu entstandenen Staat . Durch die am Ende des Pessach-Exodus vor über 3.000 Jahren mit dem jüdischen Königreich begründete Eigenstaatlichkeit der Juden stellt das im letzten Jahrhun- dert auf altem Staatsgebiet wiederge- borene Israel das historisch am längsten JOHANNES AFP EISELE, legitimierte existierende Staatswesen nicht nur in der Region dar. Das dem jüdi- Von Alex Feuerherdt Für einen Eklat hält man es in Deutsch- mithilfe aufsehenerregender, aber ano- schen Religionsstifter gewidmete christ- land auch nicht, wenn Sigmar Gabriel auf nymer Berichte von Soldaten, der israe- liche Osterfest beweist den legitimen Der deutsche Außenminister sorgt in Isra- seiner Facebook-Seite schreibt, Israel habe lischen Armee allerlei Missetaten bis hin Anspruch des jüdischen Volkes auch auf el für einen Affront – doch angelastet wird in Hebron ein „Apartheid-Regime“ instal- zu Kriegsverbrechen nachzuweisen. In seine letztmalig im Jahre 1967 aus bruta- er in den Medien nicht ihm, sondern dem liert. Oder wenn er Machmud Abbas auf Europa trifft die Gruppe deshalb auf gro- ler arabischer Okkupation befreiten Ost- israelischen Premierminister. Genau das Twitter als seinen „Freund“ bezeichnet. ße Sympathie. Im vergangenen Sommer teile seiner uralten Hauptstadt Jerusalem war das Kalkül von Sigmar Gabriel. Dass Jenen Abbas, der auf Einladung des dama- erschütterte jedoch ein Fernsehfilm das sowie der historischen Gebiete Galiläas, Benjamin Netanjahu gute Gründe hatte, ligen EU-Parlamentspräsidenten Martin höchste Gut dieser zu fast zwei Dritteln Samarias und Judäas. Zahlreiche zeit- das Treffen mit ihm ausfallen zu lassen, Schulz – Parteigenosse von Gabriel und aus Europa finanziertenN GO, nämlich genössische Quellen benennen neben wird gezielt ausgeblendet. Kanzlerkandidat der SPD – im EU-Par- ihre Glaubwürdigkeit. Denn viele der Be- der Hauptstadt Jerusalem genau diese Dass der israelische Premierminister lament eine Rede hielt, in der er die uralte richte sind entweder nachweislich unwahr Gebiete mit ihrer jüdischen Ortschaften Benjamin Netanjahu sein vorgesehenes antisemitische Lüge auftischte, die Juden oder lassen sich nicht verifizieren. Betlehem, , Hebron, Jericho Treffen mit dem deutschenA ußenmi- vergifteten die Brunnen. (Eine Rede, die und anderen mehr als heimatliche Wir- nister Sigmar Gabriel bei dessen An- Schulz übrigens „anregend“ fand.) Jenen Breaking the Silence: Erschütter- kungsstätten des Juden Jesus. Auch die trittsbesuch inI srael kurzfristig abgesagt Abbas, der in seiner Dissertation den Ho- te Glaubwürdigkeit begriffliche Identität belegt die unauflös- hat, wird in deutschen Medien beinahe locaust geleugnet und in einem weiteren Z u diesem Ergebnis kam ein Beitrag in bare Verbindung des jüdischen Volkes zu unisono als „Eklat“ bezeichnet. Als Bun- Buch eine „Kooperation der Juden mit der Fernsehsendung HaMakor („Die seiner ihm durch arabische Eroberungen deskanzlerin Angela Merkel im Febru- den Nazis“ erfunden hat. Jenen Abbas, der Quelle“), dessen Autoren selbst mit BtS strittig gemachten Heimat. Judäa ist das ar dieses Jahres ihre für Mai geplante in einem „palästinensischen“ Staat „kei- sympathisieren und von der Organi- Land der Juden und Juden sind die Be- Reise in den jüdischen Staat stornierte, nen einzigen Israeli“ sehen will. Jenen Ab- sation ausnahmsweise Zugang zu de- wohner Judäas. So war es, so ist es und so weil ihr ein die israelischen Siedlungen bas, der sich mittlerweile im zwölften Jahr ren Allerheiligstem bekommen hatten, wird es bleiben. betreffendesG esetz nicht passte, fiel seiner vierjährigen Amtszeit befindet, also nämlich zu den Quellen. Zehn davon dagegen niemandem diese Vokabel ein. über keinerlei demokratische Legitimati- durften die Reporter nach dem Zufall- Seite 2  Doch das nimmt nicht wunder, denn on mehr verfügt. sprinzip auswählen und überprüfen. Österreich 3,70 €; Italien 3,70 €; Schweiz 4,60 CHF; für einen Eklat sorgt selbstverständlich Nein, ein Eklat liegt erst dann vor, wenn Was sie herausfanden, legten sie in ei- Luxemburg 3,80 €; Belgien 3,90 €; Niederlande immer nur die israelische Seite: Sei es, der israelische Regierungschef eine Zu- nem siebzigminütigen TV-Beitrag dar: 4,50 €; Slowakei 4,50 €; Slowenien 35 KN dass sie Wohnungen auf umstrittenem sammenkunft mit dem deutschen Mi- Zwei Zeugenaussagen erwiesen sich als Gebiet bauen lässt, sei es, dass sie keinen nister abbläst, weil dieser sich unbedingt rundweg falsch, zwei weitere stimmten 05 Bedarf hat, sich mit einem europäischen mit fundamentaloppositionellen Organi- nur teilweise – es fehlten entscheidende Politiker zusammenzusetzen, der vorher sationen treffen will. Konkret geht es um Details, zudem enthielten sie Übertrei- Vertreter von NGOs trifft, die den isra- Breaking the Silence (BtS) und B’Tselem. bungen oder irreführende Titel. Weitere elischen Staat dämonisieren und dafür Dass es sich dabei nicht bloß um harmlo- vier Stellungnahmen konnten nicht ve- größtenteils aus dem Ausland finanziert se NGOs handelt, ist in den Medien kein rifiziert werden, obwohl HaMakor mit werden, vor allem von europäischen Re- Thema – dabei müsste es für aufrichtige den Urhebern gesprochen hatte. Ledig- gierungen und (quasi-)staatlichen Ein- Journalisten eigentlich eines sein. Brea- lich zwei Berichte stellten sich als wahr 4 198807 003709 richtungen aus Europa. king the Silence etwa versucht seit Jahren und nicht irreführend heraus. 2 WELT № 4 (32) April 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU

Selbst vor mancher Räuberpistole schreckt Breaking the Silence nicht zurück. So behauptete beispielsweise Yehuda Shaul, einer der führenden Köpfe von BtS, dass Der gewollte Eklat des Sigmar Gabriel Siedler das Trinkwasser einer „palästinen- von B’Tselem, gemeinsam mit einem isra- in vollständiger Verkehrung der Realität für dass sie Teile daraus gleich wortwörtlich sischen“ Ortschaft im Westjordanland mit elischen Aktivisten einen Araber, der im einen Skandal. übernahm. Die „taz“ feierte das „Ende der Kadavern von Hühnern vergiftet hätten, Westjordanland privaten Grundbesitz an Leisetreterei“, auf „Spiegel Online“ hieß es: weshalb die Bevölkerung für mehrere Jahre Juden verkaufen wollte, in eine Falle zu lo- Ein kalkulierter Affront – von „Die historische Schuld kann nicht dazu evakuiert worden sei und erst kürzlich habe cken. Dort wäre er von „palästinensischen“ Gabriel führen, dass Deutschland es akzeptiert, zurückkehren können. An der Geschichte Sicherheitskräften festgenommen worden, Dabei besteht der Affront in Wirklichkeit wenn die israelische Regierung sich immer stimmt nachweislich nichts, was arabische und ihm hätte die Todesstrafe gedroht. darin, dass ein deutscher Außenminister weiter von jenen Werten entfernt, die wir und „palästinensische“ Medien allerdings fundamentaloppositionellen Vereinigun- bisher für gemeinsame gehalten haben.“ nicht davon abhielt, sie aufzugreifen und „Brot für die Welt“ schenkte der gen unbedingt seine Aufwartung machen Der Tenor war eindeutig und entsprang zu verbreiteten. Das „palästinensische“ Organisation 480.000 Euro wollte. So etwas tun westliche Diplomaten einem sehr deutschen Bedürfnis: Endlich Außenministerium entwickelte sie sogar Brot für die Welt/Evangelischer Entwick- normalerweise nur, wenn sie Autokratien, hat ein starker Mann aus Deutschland die weiter und behauptete im Juni des vergan- lungsdienst unterstützte die Organisation Despotien oder Diktaturen bereisen. Und Vergangenheit hinter sich gelassen und ist genen Jahres, es gebe einen Rabbi namens – die einen Großteil ihres Budgets aus Eu- deutsche Minister tun es meist nicht ein- den Juden und ihrem Staat mit harter Hand Shlomo Melamed, der dem Rat der Rabbi- ropa erhält – zwischen 2012 und 2014 mit mal dann. Oder hat Sigmar Gabriel etwa begegnet. ner im Westjordanland vorstehe und den Zuschüssen von insgesamt rund 480.000 Regimekritiker getroffen, als er in seiner Selbstverständlich hat Sigmar Gabriel es Siedlern die Erlaubnis gegeben habe, das Euro. Damit ist diese nicht zuletzt aus staat- Eigenschaft als Wirtschaftsminister in den nicht lassen können, zu beteuern, welch „palästinensische“ Trinkwasser zu vergif- lichen Zuschüssen finanzierte kirchliche Iran flog? Hat er auch mit „palästinensi- großer Freund Israels er doch sei. In ei- ten. Genau dieses antisemitische Märchen Einrichtung einer der Hauptförderer. schen“ Menschenrechtlern gesprochen, als nem Gastbeitrag für die Berliner Zeitung erzählte Machmud Abbas schließlich dem In Deutschland und Europa firmieren er seinen Freund Abbas besuchte? Nein, hat behauptete er, die „pro-israelische Einstel- EU-Parlament. israelische NGOs wie Breaking the Silence er nicht – aber in Israel musste er dringend lung“ sei ein „Markenzeichen der deut- und B’Tselem bevorzugt als regierungs- mit Organisationen zusammenkommen, schen Sozialdemokratie“, und verstärkte Aus Europa finanzierte NGOs zur kritische, zivilgesellschaftliche Menschen- die den jüdischen Staat und seine Armee die Peinlichkeit seines Auftritts sogar noch Dämonisierung Israels und Bürgerrechtsvereinigungen, die mit schwerster Verbrechen beschuldigen. mit dem unsäglichen Satz: „Sozialdemo- Auch die israelische NGO B’Tselem sollte sozialen Projekten versuchten, zur Verstän- Und das war genauso wohlkalkuliert wie kraten waren wie Juden die ersten Opfer äußerst kritisch gesehen werden. Sie verun- digung von Israelis und „Palästinensern“ die Möglichkeit, dass Netanjahu dann von des Holocausts.“ Nicht des Nationalsozia- glimpft Israel als „Apartheidstaat“ und hat beizutragen. Tatsächlich beteiligen sie sich einem Treffen Abstand nehmen könnte. lismus, nein, der Schoah – was bekanntlich ihm in der Vergangenheit auch vorgewor- jedoch an Kampagnen zur Dämonisierung Schließlich wusste Gabriel, dass er dafür nicht stimmt und lediglich dazu dient, sich fen, Nazimethoden anzuwenden. Unlängst und Delegitimierung des jüdischen Staates zu Hause rauschenden Beifall bekommen auf die gleiche Stufe zu stellen wie die Op- geriet die Vereinigung in die Kritik, weil – mit großzügiger finanzieller Unterstüt- würde, sowohl von potenziellen Wählern fer der Judenvernichtung. Nachdem der einer ihrer Aktivisten dem amerikanisch- zung von europäischen Regierungen und als auch von wichtigen Medien. In der aus einer Täterfamilie stammende deut- israelischen Publizisten Tuvia Tenenbom staatsnahen europäischen Organisationen. „Süddeutschen Zeitung“ applaudierte Pe- sche Minister sich so selbst auf die mora- vor laufender Kamera sagte, der Holocaust Diese Gelder fließen nach dem Motto: ter Münch dem Sozialdemokraten dann lisch gute Seite der Geschichte bugsiert sei „eine Lüge“ und „eine Erfindung der Ju- Wenn die bockbeinige israelische Regie- auch begeistert und stellte den israelischen hatte, konnte er daran gehen, gezielt jenen den“. B’Tselem dementierte die Äußerung rung nicht so will, wie man das in Europa Premierminister allen Ernstes auf eine Stu- Eklat zu provozieren, der in Deutschland zunächst, dann erfolgte eine halbherzige für richtig hält, pumpt man eben Millionen fe mit den Autokraten Putin und Erdogan, nun Benjamin Netanjahu angelastet wird. Distanzierung und schließlich die Ankün- in Vereinigungen, die vor Ort an der Unter- indem er ihn in „Wladimir Tayyip Ne- Der aber war bloß nach dem Motto ver- digung, sich von dem Mitarbeiter zu tren- minierung jüdischer Souveränität arbeiten. tanjahu“ umbenannte. Alexandra Föderl- fahren: Gott, bewahre mich vor meinen nen. Für Aufsehen sorgte auch der Versuch Nimmt die israelische Regierung das nicht Schmid vom österreichischen „Standard“ Freunden, mit meinen Feinden werde ich eines „palästinensischen“ Mitarbeiters einfach hin, halten Politik und Medien das gefiel Münchs Artikel offensichtlich so gut, allein fertig.

 Fortsetzung von Seite 1 KOLUMNE DES HERAUSGEBERS DR. R. KORENZECHER Auf den soeben begangenen Jom über 70 Jahre nach dem Zusammen- Parteiproporz unverdientermaßen sere westlichen Lebenswerte gerich- Haschoah, der an die systematische bruch des Nazi-Terrors die wiederum ins Bundespräsidialamt beförderten teten, demokratie-feindlichen und vor bestialische Ermordung von 6 Milli- in Europa sichtbaren gegenwärtigen Bereiter der iranischen Atombombe allem massiv antisemitischen Weltbe- onen unschuldiger jüdischer Frauen, negativen Entwicklungen der durch F.W.Steinmeier geeignete S. Gabriel herrschungsideologie des Islam. Kinder und Männer durch Deutsche Islam-Import deutlich verstärkten tra- vorsätzlich verursacht hat. Deshalb bleiben wohl auch körperli- in den Jahren des Nazi-Reichs erin- dierten Judenfeindschaft. Der in nie er- Der einstudiert wiederholte Kon- che muslimische Übergriffe auf und Be- nert, folgen mit dem Jom Ha‘Zikaron warteter Weise schuldhaft von unserer dolenz-Besuch in der Gedenkstätte schimpfungen von Juden in deutschen und dem Jom Ha’Atzmauth gleich zu verantwortungslosen, linksromantisie- Yad Vashem in Jerusalem diente dem und europäischen Städten nahezu Beginn des vor uns liegenden Monats renden, kurzsichtigen und suizidalen deutschen Außenminister und beken- ohne jede Ahndung durch unsere auf Mai zwei für den Staat Israel und für Strukturauflösungs-Politik verursachte nenden Freund des Terror und Mord die gebotene Rechtsanwendung oder die Juden in aller Welt überaus wichti- bejammernswerte Zustand des nahezu an Juden befürwortenden arabischen Strafverfolgung von hauptsächlich ge Gedenktage. täglich Islamterror-erschütterten West- Amt-Usurpators Abbas ganz offen- muslimischer Migrationskriminalität Auch diese Gedenktage stehen in europas und die sich stetig verschlech- sichtlich nur als Rückendeckung für faktisch verzichtende Justiz und Politik. engem Zusammenhang mit der nach ternde Situation und Gefährdungslage seine Rendezvous-Politik mit dezidiert Lächerliche Minimal-Bestrafung von Jahrausenden der Vertreibung und seiner hiesigen jüdischen Minderheit subversiven, aus dem westeuropäi- Gewalttaten, dümmliche ideologische Verfolgung des jüdischen Volkes in verstärken die Bedeutung Israels als schen Ausland zur Destabilisierung der Resozialisierungs-Romantik, Strafer- der Diaspora auf dem durch vielfache Zufluchtsort für das jüdische Volk noch israelischen Verteidigung finanzierten lasse und vielfacher Verzicht auf kon- fremde Gewalt eroberten historischen erheblich. und nachweislich Lügen verbreitenden sequente Abschiebung muslimischer jüdischen Boden im Jahre 1948 wie- Selbst in den schlimmsten Albträu- regierungsfeindlichen Extrem-Organi- Straftäter ergänzen das desaströse Bild. dergeborenen Staat Israel. Der von men war nicht anzudenken, dass nur sationen. Jüdische Abwanderung und „Entju- den Juden auch weltweit gefeierte 72 Jahre nach dem Zusammenbruch Die Desavouierung und Verärgerung dung“ ganzer, zunehmend vornehm- Nationalfeiertag und Gedenktag der des Nazi-Horrors und nur 74 Jahre nach des israelischen Gastgebers, Minister- lich islam-dominierter, nahezu rechts- neuen Staatsgründung Israels, Jom dem Fanal des Aufstandes im War- präsident Netanjahu, wurde bewusst freier Bezirke in europäischen und Ha’Atzmauth, ist nicht zu trennen von schauer Ghetto nunmehr eine links- in Kauf genommen. Bezeichnend für deutschen Städten sind die Folge und dem Jom Ha’Zikaron, der an die zahl- lastige Islam-Appeasement-Politik im das hiesige antiisraelische Klima ist längst wieder eine erschreckende Wirk- reichen blutigen Opfer erinnert, die unheiligen Ringschluss mit tradiertem die bis zur Kanzlerin reichende nahe- lichkeit, die keinesfalls zum Anstoß bei die Verteidigung des demokratischen Antisemitismus faktisch ohne jede zu einhellige Heroisierung dieses dip- unserer linkslastigen Islameinlass-Po- Staates Israel gegen Kriege, Gewalt und Sanktion islam-generierte „Juden-ins- lomatischen Affronts, der von Gabriel litik und den nachgeschalteten Nach- Terrorismus seitens der gewalttätigen Gas“-Rufe und No-Go-Areas für Juden in keinem der von ihm stets gern und richten-Filter-Medien führt, sondern arabischen Eroberer und widerrechtli- auf den Straßen unserer Städte zulas- fraternisierend besuchten islamischen wegen des erhofften Wahlpotentials chen Besetzer jüdischen Bodens unter sen und mit dauernder Verteufelung Unrechtsregime, wie Iran, Türkei oder nicht einmal ungern hingenommen den Bürgern Israels und den Soldaten Israels legitimieren würden. Saudi-Arabien je gewagt worden wäre, wird. der israelischen Verteidigungskräfte Daran ändert die zum infamen und der ihm hier auch nicht die Zustim- Eine Bankrotterklärung unseres sich verursacht hat. Rechtfertigungs-Alibi unserer einseitig mung des gesamten linkslastigen Poli- in rapider Auflösung befindlichen, frei- Wie bedeutsam die Wieder-Grün- erblindeten Israel-Delegitimierungs- testablishments eingebracht hätte. heitlich-demokratischen Rechtsstaates dung und die Existenz des demokrati- Politik gewordene, jede Sympathie mit Die Hintergründe liegen auf der ist es allemal. Dies ist um so bedrücken- schen und prosperierenden Staates Is- den Millionen ermordeter jüdischer Hand. Europa und Deutschland werden der, weil es dieser Rechtsstaat war, der rael als Heimat und Zuflucht der Juden Opfer entbehrende, sinnentleerte und zunehmend beherrscht durch ein rück- vor dem verheerenden Versagen un- nach der schrecklichen Katastrophe der geheuchelte Gedenktagritualisierung gratloses politisches Appeasement un- serer gegenwärtigen politischen Füh- Schoah am jüdischen Volk auch für ein für tote Juden nicht das geringste. serer fahrlässig gewählten politischen rung viele Nachkriegs-Jahrzehnte für „Never Again“ des damaligen grauen- Ein überdeutliches Beispiel hier- Vertreter gegenüber der rassistischen, Wohlergehen und Rechtsfrieden seiner vollen Genozids an den europäischen für ist der Eklat, den der nicht einmal sich hinter dem Alibi eines schlechten Bürger gesorgt hat.

Juden sind, belegen bereits wenig zum Ersatz-Außenminister für den aus Religionsplagiat tarnenden, gegen un- Seite 6  № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 3 Friedenauer Gemeinschaftsschule: „judenrein“? Offener Brief von Gerd Buurmann an die Eltern der Friedenauer Gemeinschaftsschule in Berlin Liebe Anja Kathrin Schultz, Liebe Julia Kuhne, Liebe Marika Saridou, Liebe Lena Nitsche, Liebe Anni Lindner, Liebe Jennifer Krawehl, Liebe Karin Letz, Lieber Matthias Lindner Lieber Marco Krawehl, Lieber Ben Letz, an der Schule, wo Eure Kinder un- terrichtet werden, wurde über Monate ein 14-jähriger Schüler gemobbt, weil er Jude ist! Der Junge wurde geschubst, getreten und mit der Faust in den Rü- cken geschlagen. Mitte März 2017 wur- de er sogar außerhalb der Schule an einer Bushaltestelle von zwei Schülern gewürgt und mit einer Spielzeugpis- tole bedroht, während andere Schüler zugeschaut und gelacht haben. All dies ist an der Schule Eurer Kinder passiert, 70 Jahre nach dem Holocaust. Die Mut- ter des Jungen wusste sich letztendlich nicht zu helfen a nahm ihren Sohn von der Schule. In einem Leserbrief vom 4. April 2017 an den „Tagesspiegel“ nehmt Ihr wie folgt Stellung: AFP Eisele, Johannes „Als Eltern von Grundschuler_innen der Schule möchten wir an dieser Stel- le unser großes Missfallen uber die er- schreckend unreflektierte und einseiti- ge Art der Berichterstattunga ußern, die sich nachhaltig rufschadigend fur eine außerst engagierte Schule auswirkt.Wir befurchten, dass die Schule in ein völlig falsches Licht geruckt und der Ruf, den Welche Zukunft erwartet diese Kinder in Deutschland? sie sich gerade hart erkampft, zunichte gemacht wird (…) Wir befurchten, dass aus seinem Blut Mazzebrot zu machen. ausgeht, wie der „Konflikt“ zwischen Bei der Fußballweltmeisterschaft 2010 die Schule in ein völlig falsches Licht Die Serie lief zur besten Sendezeit im Deutschen und Juden im Jahr 1933. zum Beispiel sprach der libanesischer geruckt und der Ruf, den sie sich gerade Feiertagsprogram. Sie war und ist auch Damals verließen die ersten jüdischen Minister, Wiam Wahhab, am 4. Juli hart erkampft, zunichte gemacht wird.“ heute noch in deutschen Wohnzim- Kinder deutsche Schulen, so wie es in 2010 auf Al-Jadid/New TV: Ist das Euer Ernst? Ihr sorgt Euch mern zu sehen. Im arabischen Fern- diesem Jahr an der Schule Eurer Kinder „Ich unterstütze Deutschland in der um den Ruf der Schule, statt darüber sehpogrom ist der Hass gegen Juden geschehen ist. In der israelischen Unab- Politik und Brasilien im Sport. Ich mag nachzudenken, dass Eure Kinder eine Alltag. hängigkeitserklärung steht: die Art wie Brasilien Fußball spielt, Schule besuchen, die zu den ersten Das 3-jährige Mädchen Basmallah „Wir bieten allen unseren Nachbar- aber ich mag die Deutschen, weil sie die deutschen Schulen nach dem Natio- zum Beispiel erklärte im Mai 2002 vor staaten und ihren Völkern die Hand Juden hassen und sie verbrannt haben.“ nalsozialismus gehört, auf der ein jüdi- einem großem Fernsehpublikum, dass zum Frieden und guter Nachbarschaft Lustig, oder? Fast schon Berliner scher Schüler derart terrorisiert wurde, Juden Affen und Schweine sind, die und rufen zur Zusammenarbeit und Schnauze! Hier noch ein paar andere dass er es nicht mehr ausgehalten hat? Aussprüche, mit denen die Mitschü- Ihr schreibt weiter:  Die Eltern scheinen sich mehr Sorgen ler_innen Eurer Kinder groß werden: „Wie Sie richtig recherchiert haben, „Bevor Israel stirbt muss es gedemü- besuchen viele Schuler_innen mit ei- um den Ruf der Schule als um das tig und erniedrigt werden!“ (Khaled nem Migrationshintergrund die Schu- Meshall, Vorsitzender der Hamas am 3. le. Damit unterscheidet sich die Schule Kind zu machen. Februar 2006) mit ihren Voraussetzungen sehr von „Jeder, der ein Messer, eine Waffe den anderen Schulen in Friedenau, die sie nicht mag. Heute ist Basmallah 18 gegenseitiger Hilfe mit dem selbststän- oder ein Auto hat und damit nicht einen vorwiegend von Kindern und Jugend- Jahre alt und somit nicht viel älter als digen jüdischen Volk in seiner Heimat Siedler oder einen Juden angreift und lichen aus gutburgerlichen Familien Eure Kinder, die eine Schule besuchen, auf. Der Staat Israel ist bereit, seinen mehrere zehn Zionisten tötet, gehört ohne Migrationshintergrund besucht an der ein jüdischer Junge terrorisiert Beitrag bei gemeinsamen Bemühungen nicht zu Palästina!“ (Fawzi Barhoum, werden.“ wurde. um den Fortschritt des gesamten Na- Hamassprecher am 30. Juli 2014) Was die Schule, die Eure Kinder be- Ihr schreibt weiter: hen Ostens zu leisten.“ „Juden sind fremdartige Bakterien, suchen, ebenfalls von vielen anderen „Seit Jahrzehnten existiert im Na- In der Gründungscharta der Hamas sie sind Mikroben ohne Beispiel auf Schulen unterscheidet, sind die Sen- hen Osten ein nicht enden wollender steht: dieser Welt. Möge Gott das schmutzige dungen, die die Mehrheit der Mitschü- Konflikt zwischen Arabern und Juden. „Die Zeit wird nicht anbrechen, be- Volk der Juden vernichten, denn sie ha- ler_innen Eurer Kinder im Internet Eine Stadt wie Berlin, in der Menschen vor nicht die Muslime die Juden be- ben keine Religion und kein Gewissen! und im Fernsehen verfolgen. In vie- beider Religionen und Kulturen (und kämpfen und sie töten; bevor sich nicht Ich verurteile jeden, der glaubt, eine len Wohnzimmern der Klassenkame- noch vieler mehr) leben – was unserer die Juden hinter Felsen und Bäumen normale Beziehung mit Juden sei mög- rad_innen Eurer Kinder sind arabische Meinung nach ein enormer Reichtum verstecken, welche ausrufen: ‚Oh Mus- lich, jeden, der sich mit Juden zusam- Sendungen in den Flimmerkisten zu ist – kann vor den Auswuchsen interna- lim! Da ist ein Jude, der sich hinter mir mensetzt, jeden, der glaubt, Juden seien sehen und dort ruft das lustige Hamas- tionaler Konflikte, wie des Nahostkon- versteckt; komm und töte ihn!‘ (…) Menschen! Juden sind keine Menschen, Häschen Assud die Kinder zum Krieg flikts, nicht verschont bleiben.“ Ansätze zum Frieden, die sogenannten sie sind kein Volk. Sie haben keine Reli- gegen Juden auf. Zu seinem Hobby Die „Auswüchse“ dieses Konfiktes friedlichen Lösungen und die interna- gion, kein Gewissen, keine moralischen gehört es, Juden zu töten. Die Hamas- sind, dass ein jüdisches Kind in Berlin tionalen Konferenzen zur Lösung der Werte!“ (Abdallah Jarbu, stellvertreten- Maus wiederum stachelt Kinder zum an der Schule Eurer Kinder terrorisiert Palästinafrage stehen sämtlichst im der Minister für religiöse Stiftungen der Hass gegen Juden auf und lässt sie Lie- wird! Der sogenannte „Konflikt“ im Widerspruch zu den Auffassungen der Hamas am 28. Februar 2010) der über die heldenhafte Tat des Juden- Nahen Osten sieht übrigens wie folgt Islamischen Widerstandsbewegung.“ „Unser Hass auf die Juden ist in unse- mords singen. aus: Während Israel seit der Unabhän- Wundert es Euch bei diesem Hass rem Glauben begründet! Der Koran sagt Es gibt ganze Hochglanzvideos, in gigkeitserklärung die Hand zum Frie- gegen Juden tatsächlich, wenn auf der uns, sie zu hassen, nicht sie zu lieben.“ denen der Terrorismus glorifiziert und den ausstreckt, ruft die arabische Seite Schule Eurer Kinder ein Jude gemobbt (Al-Nas TV (Ägypten), 8. Januar 2008) der Hass auf Juden gefeiert wird. zur Vernichtung aller Juden auf. wird? Lest einfach mal, was in der Mut- „Überließen uns die Juden Palästina, In einer Serie eines der erfolgreichen Der „Konflikt“ zwischen Juden und tersprache der Mitschüler_innen Eurer würden wir dann beginnen, sie zu lie- arabischen Sender wird gezeigt, wie Ju- Arabern ist somit heute in etwa so sehr Kinder in den letzten Jahren so alles ben? Natürlich nicht! Wir werden sie den ein Christenkind schlachten, um ein „Konflikt“, der von beiden Seiten gepredigt und öffentlich gesagt wurde. niemals lieben. Absolut nicht! (…) Dein 4 DEUTSCHLAND № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU

Glaube bezüglich der Juden soll sein, ers- wie die Friedenauer Gemeinschaftsschu- heute erklärt Ihr eine Zeitung zum Sün- fur ein offenes Miteinander in der Ge- tens, dass sie Ungläubige sind und zwei- le in ihrer Arbeit zu unterstutzen und zu denbock, weil sie über den Judenhass an sellschaft, das nur funktionieren kann, tens, dass sie Feinde sind! Und sie sind bestarken – z.B. durch zusatzliche finan- der Schule Eurer Kinder berichtet hat? wenn alle an einem Strang ziehen.“ nicht nur Feinde, weil sie Palästina be- zielle Ressourcen, durch zusatzliches Ich kann gar nicht in Worte fassen, auf Ihr stellt Euch also gegen Antisemiti- setzt halten. Sie wären auch unsere Fein- Personal und zu guter Letzt durch einen wievielen Ebenen mich das entsetzt. mus. Das ist lobenswert. Ihr müsst aber de, wenn sie niemals irgendetwas besetzt Journalismus, der nicht voreilig verur- Habt Ihr Euch damals, als Ihr noch zur wissen, dass es nicht ausreicht, sich nur hätten! Wir werden die Juden als Feinde teilt. Das tut der Tagesspiegel leider nicht, Schule gegangen seid, nicht auf gefragt, gegen den Antisemitimus zu stellen. Ihr betrachten, selbst wenn sie uns Palästina wenn er mit seiner Berichterstattung wie es zu der Judenverfolgung kommen müsst auch verstehen, was Antisemiti- zurück geben. Weil sie Ungläubige sind!“ zum einen dem bildungsburgerlichen konnte? Die Antwort kennt Ihr nun. Sie mus ist und erkennen, wie sehr er unser (Qatar TV (Katar), 9. Januar 2009) Trend der Abschottung vor dem ver- ist bitter. Ihr findet Sie im Spiegel. Und Denken und unsere Kultur durchdringt. „In aller Kürze, so sind die Juden: Als meintlich Anderen, dem Fremden, Vor- so wie Eure Groß- und Urgroßeltern ge- Ein Antisemit zeichnet sich dadurch aus, Muslime ist unser Blut voller Rachsucht schub leistet und zum anderen Wasser zetert haben über die Kritik Ihrer Kinder dass er von sich selbst sagt, kein Anti- gegen sie und sie kann nur mit der Ver- auf die Muhlen derer gießt, die den Islam an ihrem Schweigen, Verharmlosen und semit zu sein. Sein Standardspruch ist: nichtung der Juden gestillt werden, so furchten oder gar islamfeindliche Ten- Rechtfertigen, so werdet Ihr jetzt gewiss „Ich hab nichts gegen Juden, aber …“ Gott will.“ (Al-Aqsa TV (Gaza), 28. Fe- denzen verfolgen.“ ganz empört sein über meine Kritik an Wenn Ihr wirklich an einem Strang bruar 2008) Wie jetzt? Die Presse ist schuld? Sie ist Euch. Aber Ihr müsst Sie Euch anhören, gegen Antisemitismus ziehen wollt, „Die größten Feinde eines jeden Mus- schuld, weil sie darüber berichtet hat? Ist da sie berechtigt ist. Der Leidtragende an dann nehmt Euch die Zeit und lest die lims nach dem Teufel sind die Juden! das Euer Ernst? Vor über siebzig Jahren Eurem Verhalten war nämlich der einzi- kurze Geschichte des Antisemitimus, Wer sagt das? Gott sagt das!“ (Al-Rahma wurden Juden in Deutschland verfolgt ge Jude an der Schule Eurer Kinder! Das die ich diesem Brief anhänge. Das wäre TV (Ägypten), 9. Januar 2009) und ermordet, ohne dass die deutsche ist Eure Verantwortung! Ihr schreibt: wenigstens ein Anfang. „Immer wieder hat Gott Strafen über Presse kritisch darüber berichtete, hin- „Wir als Eltern wenden uns entschie- die Juden kommen lassen. Die letzte terher behaupteten die Deutschen, sie den gegen Antisemitismus, Antiislamis- Alles Liebe, Strafe wurde von Hitler ausgeführt. Bei hätten von alledem nichts gewusst und mus, Rassismus und Gewalt und werben Gerd Buurmann allem, was er ihnen angetan hat, und die Juden übertreiben bei der Beschreibung dieser Taten, hat Hitler die Juden nur an ihren gerechten Platz gesetzt. Es war die göttliche Strafe für sie!“ (Al-Jazeera TV (Katar) 30. Januar 2009) Am 9 Oktober 2015 hielt der Kleriker Muhammed Salah „Abu Rajab“ folgen- de Predigt in der Al-Abrar Moschee in Rafah: „Unsere erste Phase soll lauten: Stecht die Juden ab! Sie haben keine Chance! Die zweite Phase soll lauten: Wir werden die Juden nicht mehr vertreiben! Wir werden sie allesamt abstechen und ab- schlachten!“ Dieser ganze Hass ist mittlerweile ebenfalls auf Facebook und anderen so- zialen Netzwerken zu finden, die Eure Kinder auf dem Pausenhof nutzen. Dort rufen junge Menschen massenhaft im vermeintlichen Namen Allahs und des Korans zum Hass gegen Juden auf. Sie schreiben: „Juden ins Gas“, „Hitler hat es richtig gemacht“ und „Tötet die Juden!“ Es ist genau dieser Hass, der vor einigen Monaten dazu geführt hat, dass ein wü- tender Mob auf offener Straße in Berlin gebrüllt hat: „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“ Im Jahr 2017 musste ein jüdischer Jun- ge an der Schule Eurer Kinder unter den Krieg leiden, der gegen Israel geführt wird und Ihr fragt: „Wie kann also eine Schule mit einer Schuler_innenschaft, die sich aus vielen Nationen zusammen- setzt, davor gefeit sein, dass es zu religios motivierten Auseinandersetzungen Unser Service für Sie zwischen Schulerinnen und Schulern kommt?“ Ihr fügt jedoch hinzu: „Die Gregory’s Joaillier am Kurfürstendamm zeichnet sich nicht nur durch innovatives Design unter der Verwendung edelster Losung liegt nicht darin, dies anhand ei- Schmucksteine aus. Eine Besonderheit ist die haus-interne Werkstatt mit Goldschmied und Steinfasser, die vor Ort nes tragischen Vorfalls zu bemessen und individuell auf Kundenwünsche eingehen können. Exklusive Sonderanfertigungen oder das sensible Umarbeiten von altem den Ruf einer engagierten Schule nach- Schmuck wird hier professionell und mit größter Sorgfalt erledigt. Sowohl Fasser als auch Goldschmied können jahrelange haltig zu schadigen.“ Erfahrung und Expertise vorweisen und arbeiten auf höchstem Niveau. Dieser „tragische Vorfall“ zog sich über Monate hin und ist nur deshalb ein- zigartig, weil es der erste Jude war, der Umarbeiten Unikate Reparaturen und Reinigung die Schule Eurer Kinder besucht hat. Der Schulleiter Uwe Runkel erklärt selbst: Geliebter alter Schmuck hat oft einen Entweder wählen Sie eines der Ein Standard-Service für unsere Kunden: „Bei der Anmeldung des Schülers starken emotionalen Wert, entspricht bereits fertigen Unikate von Gregory’s kleine Reparaturen und regelmäßige habe ich die Mutter darauf hingewiesen, manchmal aber nicht mehr dem Joaillier oder aber Sie bringen einen Reinigung Ihres vielgetragenen Schmucks dass wir keine Erfahrung mit jüdischen eigenen Geschmack. Gregory’s Joaillier eigenen Entwurf mit. Gemeinsam mit gehören zum Standard-Repertoire. Schülern haben, die wie der 14-Jährige hilft Ihnen ein neues Lieblingsstück dem Inhaber Gregroy Loeb wird die Selbstverständlich sind wir durch unsere offen mit ihrer Religion umgehen.“ daraus zu machen, ohne dass es den Auswahl der Materialien und Steine hauseigene Werkstatt in der glücklichen Mit anderen Worten: Hundert Pro- ursprünglichen Charakter verliert. sowie die Umsetzung besprochen. Lage Ihre Schmuckstücke selbst zu zent aller jüdischen Schüler, die „of- Von kleinen Änderungen bis hin zur Leidenschaftlich gerne designt reparieren. Gerne stehen wir Ihnen fen zu ihrer Religon stehen“, haben die kompletten Neufassung von Steinen Gregory’s Joaillier beratend zur Verfügung und machen Ihnen Schule Eurer Kinder verlassen. Die und Umnutzung des Trägermaterials einen unverbindlichen Kostenvoranschlag. Schule Eurer Kinder ist somit wieder erstrahlen die antike Kette oder ein alter judenrein. Der Konfliktpartei Hamas gefällt das! Ring in neuem Glanz. Übrigens, „offen zu seiner Religion stehen“ heißt in diesem Fall, dass der Kurfürstendamm 50A 10707 Berlin Schüler im Ethikunterricht lediglich Tel.030 88917555 erklärt hatte, Jude zu sein. Das reichte [email protected] schon! Wird Euch da nicht wenigstens www.gregorysjoaillier.com etwas mulmig? Ihr erklärt: „Die Losung lage darin, eine Schule № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 5 Der Anschlag von Stockholm lässt den „Willkommens-Weltmeister“ Schweden ratlos zurück Ist es für die Terrorgefahr einerlei, wie sich eine Gesellschaft gegenüber Muslimen verhält? Von Ramin Peymani

Es ist wieder passiert. Und diesmal hat es ein Land getroffen, das aus Sicht der laut- starken Rufer nach mehr Integration gar nicht im Fokus des islamistischen Terrors hätte stehen dürfen. Der Multi-Kulti-Vor- zeigestaat Schweden beweint die Opfer des Attentats von Stockholm. Ausgerechnet Schweden – keine an- dere Gesellschaft der westlichen Welt hat über Jahrzehnte hinweg derart viel für die Integration der muslimischen Einwanderer getan. Schweden verhält sich politisch und militärisch neutral, vermeidet jeden Konflikt mit dem Islam und geht bis an die Grenzen der Selbst- verleugnung, damit Muslime dort so le- ben können, wie sie es wollen. Nun also hat der IS-Terror auch in ei- nem Land zugeschlagen, das dem Islam keinerlei Anlass für Hass und Gewalt geboten hat. Die vielen selbsternannten Experten, die nach jedem Terroranschlag von den Kameras angezogen werden, Odd ANDERSEN, AFP wie die Motten vom Licht, müssen die Schuldfrage diesmal anders beantwor- ten. Zu leicht hatten sie es in Frankreich, in Großbritannien oder in Deutschland, den muslimischen Tätern die Absolu- tion zu erteilen. Immer schwang neben der Bestürzung auch der unterschwellige Vorwurf mit, eine Gesellschaft, die ande- Der Tatort des islamischen Anschlags vom 7. April 2017. re ausgrenze, dürfe sich nicht wundern, wenn bei Einzelnen die Frustration in ten wird dabei regelmäßig von den Be- Dass sich die friedfertige muslimische und Institutionen ziehen. Viel zu lange Gewalt umschlage. Zwar geht der Vor- richterstattern ins Feld geführt. Was in Mehrheit nicht klar und vernehmbar haben die Verantwortlichen bagatelli- wurf ins Leere, doch zeigt er gerade hier- Frankreichs Vorstädten als Begründung gegen den Terror stellt, macht die Sache siert, schöngeredet und ignoriert. Sie zulande immense Wirkung. taugen mag, greift in Schweden jedoch nicht leichter. Zweifel nähren auch man- haben es zugelassen, dass sich Paral- Die sprichwörtliche Obrigkeitshörig- zu kurz. In einem Land, das Chancen- che muslimischen Dachverbände. lelgesellschaften etabliert haben. Statt keit, die Deutschland im vergangenen gleichheit über alles stellt und in dem Es scheint, als müssten sich all die Is- konsequent die Pflicht zur Integration Jahrhundert ins größte Verderben sei- der Wohlfahrtsstaat trotz aller Refor- lamversteher in der deutschen Medien- einzufordern, wurde diese viel zu oft ner Geschichte gestürzt hat, mag auch men auch heute niemanden zurücklässt, und Politiklandschaft mit dem Gedan- zur Disposition gestellt. Im Zweifel war der Grund dafür sein, dass kaum ein- ist es zu einfach, die offenbar latent ken anfreunden, dass es völlig einerlei stets die Mehrheitsgesellschaft schuld, mal ernsthaft hinterfragt wurde, warum vorhandene Gewaltbereitschaft unter ist, wie sich eine Gesellschaft gegenüber weil sie zu wenig getan habe. Dabei ist sämtliche muslimischen Attentäter auf jungen Muslimen damit zu begründen, Muslimen verhält. Denn von Stockholm es pure Ironie, dass erst die Freiheit und deutschem Boden anschließend für psy- dass diese sich abgehängt fühlten. Eher geht an diesem traurigen Tag eine Bot- die Toleranz unserer westlichen Gesell- chisch gestört erklärt wurden. Die pie- schaften dem radikalen Islam die Tür tätlose Umdeutung der Täter zu Opfern  Was in Frankreichs Vorstädten als geöffnet haben. Und dies im sprichwört- ihrer vermeintlichen seelischen Erkran- lichen Sinne, gelang es dem sogenann- kung scheint es für manche einfacher zu Begründung taugen mag, greift in Schweden, ten Islamischen Staat doch vor allem machen, mit dem Unfassbaren zu leben. im Zuge der Zuwanderungswelle der Dabei liegt man wohl tatsächlich nicht einem Land, das Chancengleichheit vergangenen Jahre, seine Kämpfer nach falsch, wenn man jemanden für verrückt Europa einzuschleusen. So sehen wir erklärt, der wahllos auf andere losgeht, über alles stellt, jedoch zu kurz. heute unsere Zivilisation, unsere Kultur um sie zu meucheln. Jemand, der mit und unsere religiöse Vielfalt bedroht, einer Machete, einem Beil oder einem weil wir zu nachsichtig mit intoleranten Fahrzeug wildfremde Menschen nieder- schon lässt sich der Absturz des frühe- schaft aus: Solange wir nicht zum Islam religiösen Fanatikern waren. metzelt, hat offensichtlich nicht alle Tas- ren Pisa-Wunderlands mit der hundert- übertreten, und zwar zu jenem radikalen Noch können wir die Dinge zum Gu- sen im Schrank. Dies aber jeweils unmit- tausendfachen muslimischen Zuwande- politischen Islam, den der IS propagiert, ten wenden. Doch dazu gehört der Mut telbar nach der Tat hervorzuheben, um rung erklären. sind wir in den Augen der Islamisten zur Ehrlichkeit auf allen politischen Ebe- jeden Verdacht auf einen Zusammen- Fehlt vielleicht doch der Integrations- legitime Opfer. Es kann keine friedli- nen sowie ein gemeinsames Vorgehen al- hang mit der religiösen Weltanschauung wille der Neuankömmlinge? Auffällig che Koexistenz fundamentalistischer ler gesellschaftlichen Kräfte ohne falsch des Täters zu zerstreuen, ist geradezu ist jedenfalls eines: Egal, ob in Schwe- Muslime mit „Ungläubigen“ geben. Wir verstandene Toleranz oder ideologische zynisch. Wer befürchtet, mit der Benen- den, Frankreich, Deutschland oder sonst sollten der Tatsache ins Auge sehen, dass Scheuklappen. Wer einer Religion die nung des Offensichtlichen irgendwel- irgendwo – anders als die Einwanderer wir uns in einem Kampf befinden, den uneingeschränkten Segnungen der Reli- chen Rechtspopulisten in die Hände zu der übrigen Religionsgemeinschaften, wir verlieren werden, wenn wir die Aus- gionsfreiheit zukommen lässt, die noch spielen, darf sich nicht wundern, wenn scheinen sich muslimische Migranten wüchse des Islams nicht mit aller Här- Jahrhunderte von einer Säkularisierung die Verschleierung offenkundiger Mus- insgesamt eher mühsam in ihrer neuen te verfolgen. Und zwar nicht erst dann, entfernt ist, handelt naiv. Und wer den ter genau dies bewirkt. Gesellschaft einzuleben. Wo immer es wenn wieder einmal viele unschuldige Islamismus gebetsmühlenartig vom Is- Nun betrauert Schweden die Opfer in der westlichen Welt um das Thema Opfer zu beklagen sind, sondern schon lam trennt, handelt fahrlässig. Hatten eines Anschlags, den es aus Sicht der Integration geht, reden wir nicht von vorher, wenn radikale Prediger Muslime sich Medien und Politik bei früheren Multi-Kulti-Prediger gar nicht hätte ge- Buddhisten, Hindus oder Juden. Wir in Moscheen aufhetzen, wenn sich isla- Attentaten bemüht, diesen Eindruck zu ben dürfen. Dabei war schon lange nicht reden über den Islam. Der religiöse Ab- mistische Propaganda über die sozialen erwecken, so ist mit dem Anschlag auf mehr alles gut in Stockholm, Malmö solutheitsanspruch ist dabei ebenso ein Netzwerke ihren Weg bahnt, oder wenn die schwedischen Willkommens-Welt- oder Göteborg. Von der deutschen Öf- Problem wie die fehlende Aufklärung. sich sogenannte Gefährder unbehelligt meister zur Gewissheit geworden, dass fentlichkeit wenig beachtet, prägen seit Und auch eine Terrorgefahr geht ganz in Europa bewegen. die Lösung nicht in größeren Integra- mehreren Jahren immer wieder Unru- offensichtlich von keiner der anderen Die Nulltoleranzstrategie gegenüber tionsanstrengungen westlicher Gesell- hen und gewaltsame Auseinanderset- Weltreligionen aus. Es muss also etwas dem radikalen Islam darf nicht nur schaften liegt. Die Kämpfer des Islams zungen das Bild in den muslimisch do- dran sein an der Befürchtung, dass mit Wahlkampfaktionismus sein, wie dieser führen einen Religionskrieg gegen die minierten Stadtvierteln. Besonders die der Religion zu tun hat, was wir seit Jah- Tage zu beobachten, sondern muss sich „Ungläubigen“. Seit Stockholm gibt es hohe Arbeitslosigkeit unter den Migran- ren in Europa erleben. als politischer Wille durch alle Parteien keine Ausreden mehr. 6 WELT № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU  Fortsetzung von Seite 2

KOLUMNE DES HERAUSGEBERS DR. R. KORENZECHER

Eine mit fataler Konsequenz durch zurückzuhaltende, dem Wähler offen- politischen Klima der nicht mehr für hierzulande und westeuropa-weit unsere Politik und Mainstreampresse sichtlich stets positiver suggerierte, alle freiheitlichen Bundesrepublik nicht mehr zu gewinnenden demo- geleugnete und bagatellisierte Islami- vernichtende Statistik über die massiv Deutschland, einfach schon wieder skopischen Wettlaufs, wird das mit sierung sowie ein gegen besseres Wis- angewachsene Zahl der von unserer nicht erwünscht sein auf deutschen Wahlrecht versehene muslimische sen sogar schöngeredeter islamischer Politik im Vergleich mit der Ahndung Schulen. Wählerpotential in nicht allzu ferner Einwanderungstsunami von kaum auf von Umwelt- oder Wirtschaftsver- Der Skandal wurde verschwiegen, Zukunft wiederholt wechselwählen ihre wirklichen Absichten und ihre gehen stets bagatellisierten und mit wäre da nicht eine ausländische Zei- und seine Stimmen dieses Mal nach demokratische und integrative Eig- unbotmäßiger Milde geahndeten tung, die sich wohl an die Omerta- bewährtem türkischen Muster einer nung geprüften Muslimen hat bereits Schwerstkriminalität, wie Mord, Ge- Regeln der hiesigen, regelmäßig die hier in absehbarer Zukunft hierzulan- zu weitgehend irreversiblen Schäden walt- und Sexualstraftaten sowie der Identität muslimischer Straftäter ver- de gegründeten rechts-faschistoiden, an unserer abendländischen Werte- hohe diesbezügliche Anteil der fahr- schweigenden Leitmedien nicht ge- rassistischen Islampartei zukommen welt geführt. Kaum zu übersehen ist lässig und unkontrolliert eingelasse- bunden sah. lassen. auch die als Folge des Islamimports nen vorwiegend muslimischen Mig- In dieses Klima passt auch das duck- Leider wird dies nicht nur das Ende deutlich zunehmende Radikalisierung ranten. mäuserische Verhalten vor allem der des kuscheligen heutigen Links-am- und Demokratieverachtung der hier Dies führt nicht zuletzt bei dem jü- deutschen Politik gegenüber dem Wähler-vorbei-Regierens bedeuten bereits länger ansässigen Muslime, dischen Bevölkerungsanteil, dessen panislamistischen Kurden-Bombar- – es könnte auch das Ende unseres deren zweite und dritte Generation Nachkriegspräsenz in dieser Republik dierer, IS-Unterstützer, Antisemiten, freiheitlich-demokratischen Werte- widersinnigerweise vielfach weniger ein Gradmesser für die gelungene Re- faschistoiden Ermächtigungsgesetz- systems einleiten. integriert und integrationsbereit ist vitalisierung des freiheitlich demokra- Durchmarschierer, Wahlfälscher und Eine nicht zur Gegenwehr bereite, als die ursprüngliche Einwanderungs- tischen Rechtsstaates war und ist, zu von Großmannssucht befallenen Un- opportunistisch entfesselte, gegen- population ihrer Väter und Großväter. großer Verunsicherung. terdrücker des eigenen Volkes, Zerstö- über der sichtbaren Intoleranz dümm- Die Relativierung und Einzelfall- Besonders dramatisch ist der Um- rer des letzten Hoffnungsfunkens auf lich und suizidal tolerante Demokratie Kleinredung islamischer Gewalttaten stand, dass zwischenzeitlich auch die eine säkulare, demokratische Türkei. lässt – wie bereits anderenorts und auf unser Leben und unsere Rechts- freie Schulwahl und die Ausbildung Dazu gehört das unverständliche auch hierorts in der Geschichte ge- ordnung und die stereotype Wieder- jüdische Kinder und Jugendlicher Einrichten von türkischen Wahlloka- schehen – ihre eigene demokratische holung der grundfalschen Behaup- massiv beeinträchtigt sind. len auf deutschem Boden ebenso wie Abwahl und die Wahl einer Diktatur tung, der Islam gehöre zu Deutschland Unhaltbares, von der Schulleitung, das sanktionslose Dulden des demo- zu. Für den umgekehrten Weg zurück und Europa, schaffen da keine Abhilfe, den Lehrern und den nicht-muslimi- kratie-verächtlichen Abstimmungs- sieht das schon anders und fast im- sondern beschleunigen nur die Struk- schen Mitschüler-Eltern kleinredend verhaltens der hier ansässigen türki- mer opferreich und blutig aus. turauflösung unserer freiheitlich- hingenommenes Mobbing, Miss- schen und Doppel-Passhalter und das Auch und obwohl die Islam-Anbie- westlichen Gemeinschaften. handlung und sogar Vertreibung jüdi- instinktlose Gefasel des Israel-Bashers derungs-Politik der Bundesrepublik, Das zum Teil wie auch im Falle Gabri- scher Schüler von islam-dominierten und Außenministers Gabriel über den West-Europas und der UNO sich ganz el hierzulande gern genutzte jüdische deutschen Schulen führt heute kaum Verzicht auf Aussetzung der EU-Bei- im Sinne der gern hofierten islami- Weißwasch-Alibi durch professionell noch zu rechtlichen Konsequenzen trittsverhandlungen für die zur Dikta- schen Unrechts-Regime und Blut- willfährige jüdische und ehemalige für die muslimischen Täter. tur umgebaute Türkei. Diktatoren der näheren und ferneren israelische Funktionsträger und das So duldete trotz Kenntnis der wider- Dabei ist im Hinblick auf die stän- Region des Mittleren Ostens, Asiens überaus diffamierende ständige Bas- wärtigen Vorfälle die Schulleitung der dige Islam-Integrationslüge unserer und Afrikas hauptsächlich und wie hing besorgter politischer Gegner der „Friedenauer Gemeinschaftsschule“ bunten Bessermenschen festzuhal- eben durch Sigmar Gabriel und sei- Anbiederung an das allgegenwärtige in Berlin monatelang ohne jede Abhil- ten, dass die hiesigen türkisch-stäm- ne allparteilichen Unterstützer ohne Islam-Appeasement sowie die aus- fe ein von islamischen Schülern ver- migen Islamo-Faschismus-Fans mit jede Rücksicht auf den kleinen Staat schließlich dem rechten Rand über- übtes antisemitisches Dauermobbing türkischer oder doppelter Staatsbür- der Juden mehr oder minder offen lassene Verteidigung unserer Gesell- und massive physische Gewalt gegen gerschaft – wie die Wahlstimmen- der finanziellen Unterstützung israel- schaft gegen deren Verachtung durch einen jüdischen Mitschüler und Enkel Auswertungen belegen – mit über- feindlicher Aktivitäten und der Dele- den Islam, sind nicht geeignet die von Holocaust-Überlebenden. wältigender Mehrheit in der Türkei gitimierung und Diffamierung Israels immer deutlicher sichtbar werdenden Schließlich mussten die Eltern das demokratie-feindlich und rechts ab- verschrieben hat. Resultate der Fehlentwicklung unse- Martyrium des Jungen dadurch be- stimmen, sogar noch deutlich rechts- Und auch obwohl der neue amerika- rer hiesigen Politik auf Dauer zu ver- enden, dass sie ihn ihn in einem Akt islamo-faschistischer und demokra- nische Präsident Trump hinter seinen bergen. resignativer Notwehr von der Schule tie-verächtlicher als die türkische Zusagen gegenüber dem Staat Israel In diesem Zusammenhang und an- genommen. Stammland-Bevölkerung. bisher deutlich zurückgeblieben ist. gesichts des hierzulande vor allem Festzuhalten ist, dass weder der Gleichzeitig garantieren sie mit ih- Israel wird trotz aller hiesigen Dä- gegenüber dem jüdischen Populati- Schulleiter der zu 75 % türkisch-ara- rem hiesigen links-affinen Wahlverhal- monisierung im Interesse aller seiner onsanteil angerichteten beispiello- bisch besuchten Schule, noch sonst ten und ihren Stimmen hauptsächlich Bürger seine menschen- und lebens- sen gesellschaftlichen Desasters sind jemand aus dem Kollegium oder für die SPD den Fortbestand der sich freundlichen Demokratie zu verteidi- es die einsichtslose Selbstgerech- Schulamt eine Veranlassung sah, be- gegenseitig links überholenden ehe- gen wissen. tigkeit und die hysterisch-trotzige sondere Umstände auf sich zu neh- maligen Volksparteien unserer großen Mag auch das Oberhaupt der ka- Weinerlichkeit der für das system- men, um etwa den Ehrgeiz zu entwi- Islam-Einlass-Koalition der Merkels, tholischen Kirche, der seine Positi- verändernde politische Versagen ckeln, dem jüdischen Schüler doch Schulzes und Gabriels und des gleich- on als Stellvertreter des jüdischen uneingeschränkt verantwortlich zu noch einen Verbleib auf der Schule gesinnt-austauschbaren grünen und G’ttessohns auf dieser Welt dem jüdi- machenden Exponenten und Funkti- zu ermöglichen. – Das jüdische Op- noch röteren Parteiengestrüpps aus schen Volk und dessen Religion ver- onsträger unserer hiesigen, an rechts- fer musste weichen, damit die islami- den unsere demokratischen Werte für dankende größte Brückenbauer sich staatlichen Erfordernissen, am Wohl schen Gewalttäter an der Schule blei- islamische Wählerstimmen feilbieten- im Ton vergreifen und die organisier- der Wähler und am gesunden Men- ben können. den Islam-Appeasern und Ausverkäu- ten Ermordungen, die Erschießungen, schenverstand vorbeiregierenden Es scheint – nur etwas über 70 Jah- fern unserer freiheitlich-toleranten, die Folterungen, die Versklavungen sogenannten etablierten Parteien, die re nach dem Ende Nazi-Deutschlands jüdisch-christlichen abendländischen und die endlosen Leiden der Juden fassungslos machen. – als würden nach Ansicht von Schul- Werte. in den Nazilagern bagatellisieren, Ein weiteres Beispiel für unsere hie- leitern, Lehrkörper, Eltern nichtjüdi- Die bereits greifbare Zukunfts-Visi- indem er die islam-verschuldeten sige suizidale Strukturauflösungspo- scher Schüler und Behörden, Juden on ist schrecklich: Lange werden sich Flüchtlingslager mit den Konzent- litik liefert die nunmehr nicht mehr in dem gegenwärtigen islam-affinen unsere Groko-Parteien und ihre Pseu- rationslagern der Nazis vergleicht. do-Bessermensch- Mag er auch, statt die von ihm kaum Epigonen an dem erwähnten alljährlichen islamischen Appeasement-er- Morde und Vertreibungen an seinen kauften islamischen christlichen Glaubensbrüdern und FÖRDERER GESUCHT! Stimmenzuwachs Schutzbefohlenen zu thematisieren, nicht erfreuen dür- das Siedeln der Israelis in ihrem eige- fen. nen Land delegitimieren. Für die Veröffentlichung eines bekannten deutschspra- Mit der weiteren, Israel and his people will survive. von der strategisch In diesem Sinne wünsche ich dem chigen Holocaust-Werks als Hörbuch suchen wir Spen- und opportunistisch Staat Israel und uns allen alles erdenk- geförderten Zunah- lich Beste für den Monat Mai und die me des islamischen beiden bevorstehenden großen nati- der und Förderer. Bei Interesse melden Sie sich bitte Populationsanteils onalen Feiertage Israels. und dem Fortschrei- unter Tel. 0151-56004170 oder per ten des durch den Am Israel Chai! nicht-islamischen E-Mail: [email protected] Bevölkerungsteil Dr. Rafael Korenzecher № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 7 Westliche Nicht-Einmischung kann tödlich sein Warum die maßlose Eigendämonisierung mit vernünftiger Selbstkritik nichts zu tun hat.

Von Melissa Kaiser

Es gibt zahlreiche Gründe, die Ursa- chen für einschneidende politische Geschehnisse nicht nur einseitig bei der „anderen Seite“ zu suchen. Aller- dings verfällt die westliche Gesell- schaft nun schon seit einigen Jahren in eine fast schön religiöse Selbstkastei- ung, wenn es sich um das Ringen nach Erklärungen von extremistischen Strömungen im Nahen und Mittleren Osten handelt. Konflikte und ihre Ursprünge, die schon seit Jahrzehn- ten oder gar Jahrhunderten bestehen, werden eindimensional mit Waffen- lieferungen aus dem Ausland erklärt. Auch militärische Interventionen des Westens und insbesondere der USA werden von den selbsternannten Ret- tern des Weltfriedens ohne jede Diffe- renzierung dämonisiert. Ersichtlich wurde dies aktuell an den zahlreichen Mobilisierungen der Wohlstandspazifisten, die nach zahlreichen Jahren des barbarischen Gemetzels in Syrien behaupteten, GERARD JULIEN, AFP der Krieg hätte mit der militärischen Intervention Trumps erst begonnen. Die selektive Wahrnehmung der Mea- culpisten scheint mit jedem Jahr eine neue Dimension zu erreichen. Ange- führt und aufgestachelt von Experten vom Geiste eines Jürgen Todenhöfers, welche die komplizierte Lage und das Geflecht unterschiedlichster Kon- flikte bestimmter Regionen in ein simplifiziertes Weltbild kanalisieren, dominieren diese nach und nach die Diskussions- und Dämonisierungs- kultur. Ruandische Flüchtlingskinder 1994 Dabei gibt es zahlreiche populä- re historische Beispiele, welche den Invasionen war. schuld für die heutigen Konfliktherde ihrem Bauchgefühl bestätigen ohne „Bauchgefühl-Theorien“ widerspre- Es ist nicht von der Hand zu weisen, dem westlichen Einfluss zuzuschrei- pragmatischen Inhalten eine Chan- chen, wonach sich der kriegslüsterne dass die schon fast gleichermaßen in ben. ce zu geben. Antiamerikanische Ver- Westen besser aus allen Krisen dieser der westlichen und islamischen Ge- Die Tendenz der islamischen Welt, schwörungstheorien, die in nahezu Welt heraushalten solle. sellschaft undifferenziert verurteilten die eigene Identität aus der Ablehnung allen Fällen mit Antisemitismus ein- Hierzu zählt der aus dem Bewusst- „regime changes“ der USA oft nicht des Westens zu speisen und zu stärken, hergehen, könnten sich im Westen kei- sein der Öffentlichkeit fast ver- nen fruchtbareren Boden wünschen als schwundene Völkermord in Ruanda  Man stelle sich vor die USA wären den die Kommentarfunktionen Todenhö- im Jahre 1994. Diesem fielen binnen fers und Augsteins. Eine Abgrenzung drei Monaten knapp eine Million bedrängten Südkoreanern nicht gegen zur Ideologie des IS erfolgt nicht durch Menschen zum Opfer. Ein erheblicher nacktes Dementieren, sondern durch Teil der Opfer wurde nicht mit Pan- Nordkorea zu Hilfe gekommen. differentes Gedankengut. Genau das zern oder Bomben getötet, sondern ist aber existent. mit Machten, Keulen und Knüppeln. das gewünschte Ergebnis erreichen ist jedoch nicht von der Hand zu wei- Eine Lösung dieses Dilemmas wäre Diese Grausamkeit war unter anderem konnten. Dabei wird jedoch die für sen. Es wird auf die ruhmreiche Ver- der Wille zur Emanzipation und die durch eine jahrelange Ignoranzpoli- den Frieden Europas wohl wichtigste gangenheit verwiesen, welche durch Befreiung aus der selbstverschuldeten tik der westlichen Staaten dem un- Intervention, die Befreiung von den den westlichen Einfluss zerstört wurde. Unmündigkeit. Dazu bedarf es aber je- menschlichen Treiben verschiedener Nationalsozialisten, gerne ausgeblen- Eine Überzeugung, welche schleichend ner Rationalität, deren Abstinenz erst Konfliktparteien wie zum Beispiel der det. Ebenso die parlamentarische De- Einzug in die westliche Debattenkul- die Grundlage für beschriebene Ver- ruandischen Armee oder der Gendar- mokratie Südkoreas, welche im direk- tur hielt und diese zunehmend verein- hältnisse schafft. merie gegenüber ermöglicht worden. ten Vergleich zu Nordkorea nicht in nahmt. Dennoch ist diese Lösung nicht un- Ein eindrückliches Beispiel, dass auch Vergessenheit geraten darf. Wie sich Diese Argumentation spielt eine ganz erreichbar, wenn die westliche Gesell- Pazifismus indirekt tötet und nicht das südkoreanische System nach ei- wesentliche Rolle für die muslimischen schaft wieder lernt, die Errungenschaf- der propagierte goldene Schlüssel zum nem Sieg Nordkoreas und seiner Ver- Gemeinschaften in unserer Gesell- ten der Aufklärung zu schätzen und Weltfrieden ist. bündeten gestaltet hätte, kann man schaft. Es wird ein Hass genährt, der auch selbstbewusst zu vertreten. Na- Die arabischen Regionen werden sich lebhaft ausmalen. Woher kommt auf besagtem Bauchgefühl beruht und türlich begeht auch die westliche Ge- von Konflikten dominiert, welche also dieser westliche Selbsthass, wel- durch empfundene Ermangelung an sellschaft Fehler, trifft falsche Entschei- wesentlich auf die fehlende Aussöh- cher sich mit der Krisenverschärfung anderen Identifikationsmöglichkeiten dungen. Diese sind selbstverständlich nung zwischen den verschiedenen weltweit permanent zu vermehren in unserer Gesellschaft starken Auf- zu benennen. Das bedeutet aber nicht, Strömungen des Islams und der unge- scheint? Warum ist es im Laufe der trieb erfährt. dass man Nachsicht mit Regimes ha- klärten Frage um Mohammeds Nach- Zeit schon fast unmöglich geworden, Der Erfolg der „unislamischen Ge- ben muss, die uralte eigene Konflikte folger zurückzuführen sind, und nicht rational über berechtigte Kritikpunkte sellschaft“ muss nach diesem Muster nicht zu lösen vermögen. Und schon auf westliche Beeinflussung. Als diese zu debattieren? zwangsweise auf der Ausbeutung der gar nicht sollte man diese Probleme zu Konflikte entstanden, hatte Columbus Dass vor allem die Kriege im Nahen islamischen Welt beruhen. „Gesell- den eigenen ernennen und die eigent- seinen Fuß noch nicht auf amerika- und Mittleren Osten hierbei als Grund- schaftskritiker“ à la Todenhöfer sind lich Betroffenen aus ihrer Verantwor- nischen Boden gesetzt, ebenso wenig lage herangezogen werden, ist kein Zu- derart in dieser Denkweise gefangen, tung entlassen. wie US-Soldaten auf die betroffenen fall. Natürlich ist es unmöglich, alle Ur- dass sie gar nicht erahnen können, wel- Die Religion der westlichen Selbst- Regionen. Und Europa (vor allem der sachen genauestens im richtigen Maße chen irreversiblen Schaden sie mit der kasteiung muss ein Ende finden. Das al- Balkan) war zu dieser Zeit eher mosle- zu nennen und ihre Wirkung unterein- Propagierung derselben anrichten. Es leine wäre bereits ein wichtiger Schritt, mischen Invasionen ausgesetzt, als dass ander perfekt zu beschreiben, dennoch entsteht ein Teufelskreis, in welchem dem Islamismus einen Teil des Weges der islamische Raum Ziel europäischer ist es einseitig und falsch, die Haupt- sich jene „Kritiker“ untereinander in zu versperren. 8 WELT № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Der sogenannte Menschenrechtsrat der UNO ist eine Farce Die Kopfabschneider-Diktatur Saudi-Arabien wurde bereits zum vierten Mal in den UNO-Menschenrechtsrat gewählt FABRICE COFFRINI, AFP

Von Gerd Buurmann Sitzung des Menschenrechtsrats der UNO

Am 20. März 2017 kam es zu einem Ek- Wir begrüßen die Zusage des Gene- die Mitglieder im Menschenrechtsrat Watch „völlig inakzeptabel“ seien. Dar- lat im sogenannten Menschenrechtsrat ralsekretärs für eine Reform der Verein- seien nun mal gewählt worden und aufhin erklärten das Vereinigte König- der Vereinten Nationen. An diesem Tag ten Nationen. Darum fordern wir heute deshalb solle UN Watch zur Ordnung reich, die Niederlande und Kanada in nämlich schlossen sich finstere Diktatu- gemäß Artikel 8 der Resolution 60/251 gerufen werden! Bangladesch erklärte kurzen Erklärungen, UN Watch möge ren in dem Versuch zusammen, die Ver- die Entfernung von Saudi-Arabien aus ebenfalls ausführlich, die Sprache von weitersprechen. teidigung von Menschenrechten zum dem Menschenrechtsrat. So lange 1,3 UN Watch sei „nicht nur unannehm- Saudi-Arabien und Iran widerspra- Schweigen zu bringen. chen. Litauen erklärte, Nichtregie- Am 20. März 2017 sprach Hillel Neu-  rungsorganisationen seien wertvoller er für die Organisation UN Watch im Algerien, wo sind Deine Juden? Bestandteil des Dialogs, deshalb soll- sogenannten Menschenrechtsrat: ten sie ausreden dürfen. Deutschland „Wird die Welt der Wiener Erklärung Milliarden Menschen grundlegende bar, sondern abscheulich“. Ban- stimmte zu. Bolivien wiederum erklär- gerecht, die grundlegende Menschen- Menschenrechte verweigert werden, gladesch erklärte nicht, dass die aufge- te, Pakistan, China und Saudi-Arabien rechte bekräftigen will? Wir fragen die fordern wir die Entfernung von China. zeigten Menschenrechtsverletzungen zustimmen zu müssen und fügte hinzu: Regierung des türkischen Präsidenten So lange die Menschenrechte von Ban- unannehmbar und abscheulich seien, „Wir stellen nicht die Meinungsfreiheit Erdogan, wenn er sich Sorgen macht gladesch, Bolivien, Burundi, Kongo, aber betonte stattdessen, die Organisa- in Frage. Es ist der Inhalt von dem, was um die Menschenrechte – warum hat Ägypten, Irak, Katar und den Vereinig- tion UN Watch sei ernsthaft besorgnis- die Nichtregierungsorganisation ge- sie erst jüngst mehr als hunderttausend ten Arabischen Emiraten verweigert erregend und deren weitere Teilnahme sagt hat, das sie diskreditiert.“ Lehrer, Dekane, Richter, Staatsan- werden, fordern wir deren Entfernung. daher „nicht wünschenswert“. Die ganze Unterbrechung dauerte wälte, religiöse Vertreter und Beamte Solange die Regierung Maduros De- Venezuela stimmte Kuba und Ban- über 13 Minuten, so dass der Vize- entlassen? Wir fragen Pakistan, wann mokraten einsperrt, wie den Bürger- gladesch zu und betonte, UN Watch Präsident des Menschenrechtsrats am werden Sie Asia Bibi freilassen, die un- meister Antonio Ledezma von Caracas, habe nichts zu tun mit der Förderung Ende erklärte: schuldige, christliche Mutter von fünf während sie Millionen ihrer Bürger von Menschenrechten: „Diese Orga- „Wir haben jetzt mehr als zehn Minu- Kindern, die zur Zeit in der Todeszelle verzweifelt nach Nahrung suchen lässt, nisation verletzt den Geist der Zusam- ten verschwendet. Wir haben 15 Länder sitzt, aufgrund des absurden Vorwurfs fordern wir die Entfernung von Vene- menarbeit, der notwendig ist für die zu der Frage gehört, ob wir es UN Watch der Blasphemie? Wir fragen Saudi-Ara- zuela. Solange die Regierung Castros Bedürfnisse unserer Arbeit“. Pakistan ermöglichen sollen weiterzusprechen. Wir bien, wann wird Sie die Geschlechtera- Eduardo Cardet im Gefängnis sitzen erklärte, UN Watch lasse es an Ehre sollten alle zur Kenntnis nehmen, dass wir partheid beenden? Wann hören Sie mit lässt als Gefangener seines Gewissens, und Respekt fehlen, die stets an der kaum noch Zeit haben für diese Sitzung. der anhaltenden Unterdrückendung fordern wir die Entfernung Kubas …“ Spitze der Tagesordnung des Rates Darum sollten wir alle in effizienter Wei- sämtlicher religiöser Praktiken auf, die Da hielt es der kubanische Vertreter stehen sollten. Nach Pakistan folgten se diesen Punkt zu Ende bringen. Daher nicht zum wahhabitischen Islam gehö- nicht mehr aus und unterbrach. Ihm die USA, die kurz erklärten – ohne et- darf UN Watch jetzt noch zehn Sekunden ren? Wann werden Sie Raif Badawi frei- folgten unzählige weitere Nationen, so was zum Inhalt der Aussagen von UN sprechen, aber ich fordere den Repräsen- lassen, der eine zehnjährige Gefäng- dass über 13 Minuten lang darüber dis- Watch zu sagen –, dass der Organisa- tanten von UN Watch auf, sich angemes- nisstrafe absitzt für das Verbrechen für kutiert wurde, ob sich der sogenannte tion die Möglichkeit gegeben werden sen zu verhalten („stay in line“) und die eine freie Gesellschaft eingetreten zu Menschenrechtsrat Kritik gefallen las- sollte weiterzusprechen. China wi- Mitgliedsstatten und vor allem den Rat sein? sen müsse. Kuba erklärte ausführlich, dersprach, weil die Vorwürfe von UN selbst zu respektieren!“ № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 9

Nur zehn Sekunden! Was kann man nach einem minutenlangen Angriff von Vorwürfen und der Rüge durch den Vorsitzenden, sich gefällig angemessen zu verhalten, schon passendes in zehn Sekunden sagen? Hillel Neuer brauchte nur neun Sekunden: „Mr. Präsident, wir haben das Recht die Gründe für die Suspendierung eines Mitgliedsstaats zu zitieren, die die Grün- dungscharta dieses Rats selbst formuliert hat. Die Mitgliedsstatten können bei sich zuhause die Menschenrechte zu Schweigen bringen, aber nicht hier in den Vereinten Nationen.“ Am 20. März 2017 regten sich Länder wie Saudi-Arabien und China darüber auf, dass Menschenrechtsverletzungen in ihren Grenzen kritisiert wurden, ob- wohl sie fünf Tage vorher, nämlich am 15. März 2017, selbst nicht sehr zimper- lich waren bei der Anklage von Men- schenrechtsverletzungen in anderen Ländern. Ägypten warf Großbritannien vor Menschenrechte massiv zu verletzen. Venezuela wiederum warf einigen Mit- gliedsstaaten der Europäischen Union Xenophobie und Rassismus vor, aber präsentierte sich selbst als Beispiel für die Schaffung einer gerechten Gesell- schaft. Auch China lobte die eigene „vorbildliche“ Einhaltung der Men- schenrechte, kritisierte jedoch den Wegen absurder Religionsgesetze in Pakistan inhaftiert: Asia Bibi. Rassismus in den USA. Russland kri- tisierte empört den Rassismus in den #Nigeria: Außergerichtliche Hinrich- sierung von Jerusalem. Letzteres gilt bei Berichte gegen Israel in Auftrag gegeben USA, Frankreich und Deutschland und tungen! den Vereinten Nationen offensichtlich haben, ich frage die arabischen Staaten, betonte, die sexuelle Gewalt sei in Ka- #Nordkorea: Zwangsarbeitslager! als Verbrechen. Auch hier fand Hillel von denen wir gerade gehört haben, ich nada, Schweden, Dänemark, Großbri- #Pakistan: Todesstrafe für Blasphemie! Neuer die passenden Worte: frage Ägypten, Irak und die anderen: tannien und den USA besonders hoch. #Panama: Korruption! „Alles, was wir gerade gehört haben, Wie viele Juden leben in Euren Ländern? Syrien erklärte, in Aleppo würden die #Katar: Sklavenarbeit! von den weltweit schlimmsten Menschen- Wie viele Juden lebten in Ägypten, Irak, Menschen geschützt. Der Iran führte #Russland: Verfolgung von Dissidenten! rechtsverletzern der Frauenrechte, Religi- Jordanien, Kuwait, Libanon, Libyen, aus, Israel sei in Wirklichkeit die Wur- #SaudiArabien: Enthauptungen! onsfreiheit, der Presse, der Versammlungs- Marokko? zel für die Krise in Syrien. Nord-Korea #SriLanka: Willkürliche Verhaftungen! und Redefreiheit, ist absolut falsch und Einst war das Gebiet voller Juden. Al- stimmte dem zu und erklärte, Israel sei #Sudan: Bombardierung von Zivilisten! erinnert an Orwell. Der heutige Bericht gerien hatte 140.000 Juden. Algerien, wo mit „systematischen Verletzungen der #Syrien: Massaker an Zivilisten! betrachtet Israelis als nicht menschen- sind Deine Juden? Ägypten hatte 75.000 Menschenrechte“ Schuld an der Krise Herr Präsident, wann wird die Welt von rechtswürdig. Mit seiner berüchtigten Juden. Wo sind Deine Juden? Syrien, Du in den arabischen Gebieten rund um den wirklichen Menschenrechtsverletzun- antiisraelischen Haltung hat dieser Rat hattest zehntausende von Juden. Wo Syrien. Hillel Neuer fand auch für diese gen hören?“ schon im Ansatz die Menschenrechte aller sind Deine Juden? Irak, Du hattest über Farce die richtigen Worte: Der Menschenrechtsrat hatte jedoch Israelis ignoriert …“ 135.000 Juden. Wo sind Deine Juden? Wo „Alles, was wir gerade von einigen der besseres zu tun. Statt der von Hillel Neu- Auch diese Rede wurde unterbro- ist die Apartheid? weltweit schlimmsten Menschenrechtsver- er zitierten Menschenrechtsverletzun- chen, unter anderem von Ägypten und Warum treffen wir uns heute zu einem letzern gehört haben, hat keine Rechts- gen sonderte der Menschenrechtsrat Pakistan. Danach fuhr Hillel Neuer je- Tagesordnungspunkt, der nur auf einen grundlage und keinen Bezug zur Realität. lieber ein einziges Land aus, das dann doch unbeeindruckt fort: einzigen Staat abzielt, den jüdischen Wann wird dieser UN-Rat endlich seiner mehr kritisiert wurde als alle anderen „Israels 1,5 Millionen Araber genießen Staat? Wo ist die Apartheid, Herr Prä- eigenen Charta gerecht und adressiert die Länder zusammen. Das Land heißt Isra- das volle Stimmrecht. Sie alle können in sident?“ wirklichen Menschenrechtsverletzungen el, der Jude unter den Staaten. Die Vor- die gewählt werden. Sie arbeiten Nach dieser Rede verstummte der in den folgenden Regionen: würfe gegen Israel lauteten Apartheid, als Ärzte und Rechtsanwälte und sie die- sogenannte Menschenrechtsrat. Es war #Afghanistan: Frauenhass! Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nen am Obersten Gerichtshof. Ich frage die ehrlichste Stille der Vereinten Nati- #Algerien: Machtmissbrauch! Extremismus, Terrorismus und Judai- die Mitglieder dieser Kommission, die die onen seit langer, langer Zeit. #Weißrussland: Autoritarismus! #Burundi: Völkermordwarnung. #Kambodscha: Gewalt gegen Frauen! #Zentralfrika: Sexuelle Missbräuche von Friedenstruppen! #China: Verweigerung der Grundrech- te! #Kongo: Kinderarbeit! #Kuba: Diktatur! #Ecuador: Unterdrückung der Opposi- tion! #Ägypten: Außergerichtliche Tötungen! #Eritrea: Zwangsarbeit! #Äthiopien: Willkürliche Hinrichtun- gen! #Haiti: Chronische Korruption! #Iran: Folter! #Irak: Hibrichtungen durch das Mili- tär! #Laos: Missbrauch von Gefangenen! #Libanon: Gräueltaten der Hisbollah! #Libyen: Massenmorde! #Malaysia: Hinrichtungen durch die Polizei! #Maldediven: Einkerkern der Opposi- tion! #Mali: Folter! #Mauritanien: Sklaverei! #Morokko: Unfreie Rechtsprechung! #Myanmar: Gewalt gegen Minderhei- ten! 10 WELT № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Haben die Täter auch mich gemeint? Das große Schweigen um die ermordeten Christen in Ägypten John MACDOUGALL, AFP

Von Stefan Frank / Einer der später ermordeten Mitarbeiter von „Charlie Hebdo“. Redaktion Audiatur geeigneten Projektor“ zu leihen, wie es Berichterstattung über Terroranschlä- Anschlägen des IS in Paris und Brüs- Bei islamistischen Anschlägen am nach dem Anschlag von Orlando nach ge in einigen ausgewählten Tageszei- sel), dann deutet dies daraufhin, dass Palmsonntag auf zwei koptisch-christ- Angaben eines Senatssprechers der tungen gewidmet wird. diese Organisationen Schritte unter- liche Kirchen in Ägypten wurden am Fall war. Zumindest gibt es einen offi- James Igoe Walsh, Professor für Po- nehmen, außerhalb ihres Landes an- 9. April 2017 mindestens 40 Men- ziellen Leitfaden, der erklärt, für wen litikwissenschaft an der University zugreifen. Und wenn der IS Belgien schen getötet und über 120 Personen geleuchtet wird und für wen nicht. North Carolina und Projektleiter der angreift, dann kann man vernünfti- verletzt. Die Massaker wurden in den Nur für Partnerstädte, heißt es darin. Studie „Media Attention to Terrorist gerweise folgern, dass er auch an An- Nachrichten zwar erwähnt, doch die Das kann offensichtlich nicht stim- Attacks: Causes and Consequences“, schlägen in Deutschland, Großbritan- Berichterstattung war im Vergleich zu men, denn Beobachter wiesen schnell sagte, Zeitungsleser und Fernsehzu- nien oder den USA interessiert sein anderen Anschlägen kurz, oberfläch- wird.“ lich und wurde rasch von anderen  Selbst der amerikanische Außenminister Meldungen verdrängt. „Dieser Anschlag trifft uns Woran liegt das? Ist Mitgefühl eine John Kerry zeigte 2013 Verständnis für alle“ begrenzte Ressource? Einiges spricht Es spricht also einiges dafür, dass das, leider dafür. Nehmen wir den U-Bahn- die Charlie-Hebdo-Mörder. was wir scheinbar humanitär als Mit- Anschlag von Sankt Petersburg (der, gefühl mit Opfern beschreiben, zu- kaum eine Woche später, auch schon darauf hin, dass auch Jerusalem und schauer interessierten sich mindest zu einem Teil auch von ziem- fast wieder vergessen ist). Danach Orlando keine Partnerstädte Berlins „mehr für Anschläge auf Ziele, die lich egoistischen Gefühlen gesteuert fragten viele in Berlin: Warum wird seien. sie kennen, von denen viele in Europa wird, nämlich der Frage: Könnte mir das Brandenburger Tor nicht in den Die Wahrheit ist so simpel, dass sie liegen. Vielleicht fühlen sie auch eine das auch passieren? Haben die Tä- Farben der russischen Nationalflag- sich jeder selbst erklären kann, aber so gewisse kulturelle Nähe zu anderen ter auch mich gemeint? Hätten sie im ge angeleuchtet? Für die, die es nicht unangenehm, dass Offizielle sich nicht westlichen Ländern.“ Ein weiterer Zweifelsfall auch mich getötet? wissen: Es ist inzwischen ein Brauch, trauen, sie auszusprechen: Es werden Grund war aus seiner Sicht die Struk- Der abgegriffene Politikersatz „Die- nach den Anschlägen, die Dschihadis- heutzutage einfach viel zu viele Ter- tur der Medienindustrie: „Es ist eben ser Anschlag trifft uns alle“ gibt eini- ten in aller Welt regelmäßig verüben, roranschläge verübt, Tag für Tag, Wo- viel leichter, über einen Anschlag in gen Aufschluss darüber, warum das die Fahne des Landes, in welchem der che für Woche. Würde dann jedes Mal Europa zu berichten. Es ist einfach Mitgefühl so unterschiedlich verteilt Terrorakt stattfand, auf das Branden- das Brandenburger Tor in den entspre- und sicher, an den Ort des Anschlags ist. Anschläge treffen nämlich immer burger Tor zu projizieren: die franzö- chenden Farben angestrahlt, würde zu reisen, es gibt die für die Berichter- nur dann „uns alle“, wenn sie sich in sische, die belgische, die türkische, die dieses schnell zu einem reinen Mahn- stattung nötige Infrastruktur usw.“ der westlichen Welt ereignen und die britische usw. Nach einem der zahlrei- mal für die Opfer von Terroristen. Das Zudem spiele eine Rolle, ob ein An- Opfer, wie dann gern gesagt wird, chen Anschläge in Jerusalem wurde wäre vielleicht gar keine schlechte Sa- schlag aus Sicht eines Amerikaners „wahllos“ getötet wurden. Ein Massa- das Brandenburger Tor kürzlich sogar che, ist politisch aber offenbar nicht oder Europäers das Gefühl der Unsi- ker, das nur Juden, nur Schiiten oder für viele überraschend mit der israeli- gewollt. cherheit verstärkt oder nicht. nur ägyptischen Christen galt – wo schen Flagge angestrahlt. „Wenn ISIS oder die pakistanischen also der Täter so umsichtig war, nicht Zudem wurde nach dem Massaker Mitgefühl oder Egoismus? Taliban in Bagdad bzw. Lahore einen „wahllos“ zu töten, sondern seine Op- von Orlando die Regenbogenfahne der Man muss sich also, damit das Trauern Anschlag verüben, wird dies bloß als fer gut ausgewählt hat – gilt eben zu- Homosexuellenbewegung und nach nicht jeden einzelnen Tag bestimmt, eine Gefahr für die jeweilige Regie- mindest aus Politikersicht nicht „uns dem Anschlag auf den Berliner Weih- auf einige Anlässe konzentrieren. Aber rung gesehen. Verübt hingegen die- allen“. Es gilt den anderen. nachtsmarkt der Berliner Bär gewählt. welche? Gibt es wichtige und weniger selbe Organisation einen Anschlag in Natürlich dürfen wir bei der Fra- Vielleicht gibt es in Berlin schon die wichtige Anschläge und Opfer? Genau New York (wie etwa im Jahr 2010 im ge des gerechten und angemessenen Planstelle des Trauerbeleuchtungs- dieser Frage hat sich Audiatur vor fast Falle des gescheiterten Time-Square- Gedenkens nicht mit dem Finger auf technikers und einen eigenen Etat. genau einem Jahr schon einmal gewid- Attentäters, der angab, im Auftrag der andere zeigen, ohne mit uns selbst Dann wird es nicht mehr vorkommen, met und dazu Wissenschaftler befragt, pakistanischen Taliban gehandelt zu ins Gericht zu gehen und das eigene dass es „Schwierigkeiten“ gibt, „einen die geforscht haben, wie viel Raum der haben) oder in Europa (wie bei den Gewissen zu erforschen. Wer kann № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 11

Ägyptische Christen halten nach einem Anschlag ein Holzkreuz in die Höhe. behaupten, sich auch nur an alle Ter- Es mag vielleicht daran liegen, dass es fallen sollen, dass Christen in Ägyp- auch sie hätte treffen können. Die be- roranschläge der jüngeren Zeit zu erin- zum Beruf eines Journalisten gehört, ten nicht erst seit 2013, sondern schon kannte Journalistenfrage, ob unter den nern? Selbst auf Wikipedia findet man Dinge zu erklären. Dazu gehört wie- seit über 40 Jahren im Visier radikaler Opfern „auch Deutsche“ bzw. „auch ja nur eine „Auswahl“. Und wie viele derum, Ursachen zu nennen. Und na- Muslime sind. Und dass Christen nicht Schweizer“ waren, wird in solchen Fäl- Menschen sind unter uns, die wirklich türlich hat jeder Terroranschlag eine nur in Ägypten getötet werden, son- len gar nicht erst gestellt. Wären euro- von jedem Anschlag gleich berührt Ursache – nämlich den Hass der Täter: dern in vielen mehrheitlich muslimi- päische Urlauber ermordet worden, so sind? wie 2015 in Tunesien – dann, ja dann wäre die Berichterstattung eine ganz Den Opfern die Schuld geben  Die perverse Logik: Der Mörder will andere gewesen (obwohl auch solche Doch es gibt verschiedene Möglich- Anschläge bald von anderen Nach- keiten, wie man mit der Ungleichbe- nichts Anderes als Frieden, das Mordopfer richten verdrängt werden). Wenn es handlung der Opfer des Terrorismus aber Christen in Afrika trifft, ist das umgehen kann. Man kann entweder war dann wohl nicht so friedlich. Gefühl, dass auch wir gemeint sind, of- versuchen, etwas dagegen zu tun, oder fenbar in Europa weniger stark. Das ist es kann einem gleichgültig sein. Ja, es Dschihadisten töten Christen, weil schen Ländern Afrikas und der Welt. ein schwerer Fehler. gibt sogar Arten, über Anschläge zu diese keine Muslime sind; sie töten Doch schon im Dezember 2016, als bei sprechen, die diese unselige Tendenz Juden, weil diese keine Muslime sind; einem Anschlag auf einen christlichen „Die Opfer des Terrorismus noch unterstützen. Ein besonders ab- und sie töten andere Muslime, die in Gottesdienst in Ägypten 25 Menschen sind wie wir“ scheuliches Beispiel ist hier der ehe- ihren Augen keine wahren Muslime getötet worden waren, brachte „Spiegel Was ist dagegen zu tun? Zum einen malige amerikanische Außenminister sind. Es sind da aber nicht wenige Jour- Online“ dies mit dem – von zig Milli- müssen Journalisten sich angewöhnen, John Kerry. Nach den Pariser Anschlä- nalisten, die die Schuld bei den Opfern onen Ägyptern unterstützten – Sturz die Schuld bei den Tätern zu suchen, gen vom 13. November 2013 sagte er: suchen oder bei der Regierung des Lan- Mursis in Verbindung: „Der koptische nicht bei den Opfern. Zum anderen „Es gibt einen Unterschied zu Char- des, in dem sich das Massaker ereignet Papst Tawadros II. stellte sich demons- wäre es hilfreich, wenn einmal Fern- lie Hebdo, und ich denke, dass jeder hat. Machen sich Araber in Jerusalem trativ hinter Sisi, als dieser 2013 den sehteams nach Ägypten (oder Kenia, ihn spürt. [Der Anschlag auf Charlie daran, mit Messern und Äxten Juden gewählten islamistischen Präsidenten Pakistan etc.) reisen und mit den Hin- Hebdo] hatte einen besonderen Fokus zu töten, dann wird in deutschen Zei- Mohamed Morsi mit einem Putsch be- terbliebenen von Anschlägen sprechen und vielleicht sogar eine Legitimation tungen schon mal deren „Frustration“ seitigte.“ Das victim blaming ist schon würden. Dazu müssten Bilder der Op- im Hinblick auf – keine Legitimation, verantwortlich gemacht. Oder „Armut eine Art Textbaustein, den man nur fer gezeigt, ihre Namen genannt und aber eine Ratio, die man sich irgendwie und Polizeigewalt“. Wenn nicht gar: einzufügen braucht. ihre Geschichten erzählt werden. Dann zueigen machen kann und sagen: OK, „Verzweiflung“ über die „gescheiterten Ein besonders unrühmliches Bei- spätestens würde jedem von uns klar- sie sind wirklich wütend wegen diesem Friedensverhandlungen“. Die perverse spiel hierfür ist auch ein Kommentar werden: Die Opfer des Terrorismus und jenem. Dieser Freitag hingegen Logik: Der Mörder will nichts Anderes im „Tagesspiegel“ zu den Anschlägen sind wie wir – auch wenn sie weit weg war völlig unterschiedslos.“ als Frieden, das Mordopfer war dann von Sankt Petersburg. Dort heißt es, leben. Und das Gedenken sollte nicht Hier haben wir eine Illustration der wohl nicht so friedlich. Dieses victim Russland „provoziert zudem mit sei- um Städtenamen oder Nationalflaggen oben vorgebrachten These: Da ist auf blaming finden wir auch bei den jüngs- nem militärischen Einsatz an der Seite kreisen. Die Opfer sind konkrete Men- der einen Seite der gezielte Mord an ei- ten Anschlägen. So schreibt „Spiegel des Massenmörders Assad noch mehr schen, keine Städte oder Länder. Die ner ausgesuchten Gruppe; in dem Fall online“: Zulauf für Dschihadisten“. Frage, warum diese Menschen sterben waren es Satiriker, es können aber auch „Allerdings werden Kopten in Ägyp- mussten, darf keine rhetorische blei- Juden oder Christen sein. Den Mord ten seit einigen Jahren zunehmend Sie meinen immer uns alle ben, sondern hat eine Antwort: Weil an den Mitarbeitern des Satiremaga- Opfer von Gewalt. Radikale Islamis- Noch einmal die Frage: Warum gibt es auf der Welt Dschihadisten gibt, die zins „Charlie Hebdo“ konnte Kerry tengruppen werfen den Kopten vor, es bei manchen islamistischen Terror- alle töten wollen, die nicht ihrer Ausle- verstehen. Viel schockierender sind den Sturz des islamistischen Präsi- anschlägen mehr, bei anderen weniger gung des Islam gemäß sind oder leben. „unterschiedslose“ Morde. denten Mohamed Morsi im Sommer Mitgefühl für die Opfer? Das Mitge- Insofern gilt jeder Anschlag uns allen. Kerrys Äußerung ist nahe an dem, 2013 unterstützt zu haben. Seitdem fühl ist dann besonders stark, wenn es Ironischerweise ist dies aus Sicht der was man „victim blaming“ nennt: den wurden Menschenrechtsaktivisten zu- das Gefühl gibt: Das hätte auch mich Dschihadisten selbstverständlich: Sie Opfern eines Verbrechens die Schuld folge mehr als 40 koptische Kirchen in treffen können. Dieses Gefühl wie- machen keinen Unterschied zwischen geben. Einige der Opfer hatten Mo- Brand gesetzt oder beschädigt.“ derum ist umso stärker, je näher der dem Besucher eines Rockkonzerts in hammed-Karikaturen gezeichnet? Ja, Soll heißen: Die Christen sind Anschlag uns ist – geografisch und Paris, dem Gottesdienstbesucher in dann ist es ja kein Wunder, dass sie ge- schuld, und die Täter haben einen kulturell. Bei einem Angriff auf eine Alexandria und dem Passanten in der tötet wurden. Das victim blaming ist nachvollziehbaren Grund. Hätte der ägyptische Kirche haben nur sehr Stockholmer Innenstadt; für sie sind bei vielen Journalisten eine Obsession. Journalist recherchiert, hätte ihm auf- wenige Europäer das Gefühl, dass es wir alle gleich. 12 WELT № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU 72 Jahre Friede in Europa: Es war die NATO, nicht die EU/EG/EWG Die Philosophie der Abschreckung hat Europa vor dem Krieg bewahrt Von Carl Christian Jancke

In diesen Tagen feiert man 60 Jahre römi- sche Verträge und damit die Gründung der EU. Diese mögen zu freiem Waren- verkehr, freier Kapitalbewegung, Dis- kriminierungsfreiheit und Niederlas- sungsfreiheit beigetragen haben. Den Frieden in Europa aber hat nicht sie be- wahrt. Ich will erklären, warum sich die EU hier mit fremden Federn schmückt. Am 15. August 1983 endete für mich als Abiturient die frisch gewonnene Freiheit. Ich musste als Wehrpflichtiger zur Grundausbildung bei der Bundes- wehr einrücken. Damals verlief mitten durch Deutschland und Europa der Ei- serne Vorhang. Der Warschauer Pakt und die NATO standen sich verfein- det und hochgerüstet mit Atomwaffen gegenüber. In den Politik-Spalten und insbesondere den Feuilletons der Zei- tungen philosophierte man über das, was Hans-Dietrich Genscher und Egon Bahr friedliche Koexistenz nannten, was aber in Wahrheit ein Gleichgewicht AFP GOBET, GEORGES des Schreckens war. Helmut Kohl war kein Jahr lang Bundeskanzler und verteidigte erbit- tert das wesentliche Vermächtnis sei- nes Vorgängers Helmut Schmidt: Den NATO-Doppelbeschluss. Die Sow- jets hatten den Plan, Westeuropa vom Verbündeten USA zu entkoppeln. Sie stationierten MittelstreckenraketenDie NATO-Zentrale in Brüssel. vom Typ SS 20, die nur Ziele in Europa erreichen konnten. Die USA, die von wenn die NATO nicht die Philosophie nenko, Andropow), bis man sich ent- Bastian in Mutlangen Sitzblockaden einem Schlag mit diesen Raketen un- der Abschreckung verteidigt hätte: schloss mit Michail Gorbatschow ei- gegen die Stationierung von Pershing- berührt blieben, hätten dann Interkon- „Wer als Erster auf den Roten Knopf nen Mann unter 60 zu inthronisieren, 2-Raketen organisierten und sich selbst tinentalraketen vom Boden der USA drückt, stirbt als Zweiter“. Weil die der es immerhin bis zur Auflösung der moralische Instanzen wie der Nobel- schicken müssen und hätten sich dem Frühwarnsysteme Zeit genug ließen Sowjetunion schaffte an ihrer Spitze zu preisträger Heinrich Böll von Bereit- womöglich verweigert. Schon alleine noch die eigenen Raketen auf den Weg bleiben schaftspolizisten wegtragen ließen, die Drohung, so Helmut Schmidt, hätte zu bringen, führte die Angst vor der ei- Der entpuppte sich vor allem in ei- legte der französische Publizist And- Westeuropa erpressbar gemacht. Denn genen Vernichtung dazu, dass 40 Jahre nem Land als Hoffnungsträger: In re Glucksmann seine Philosophie der das Zulassen des Mauerbau hatte schon lang in Europa Frieden herrschte, auch Deutschland. Dabei wollte er eigentlich Abschreckung vor: Waffen sind nicht 1961 deutlich gemacht, dass Kennedy wenn der östliche Teil in bitterer Dik- mit „Glasnost“ und „Perestroika“ das schlecht. Schlecht ist allenfalls der lieber den halben Kontinent einsper- tatur und wirtschaftlichem Verfall dar- eigene System reformieren, um für die Zweck, dem sie dienen. Und wer aus- ren ließ, statt die Freiheit 20 Jahre nach reichend bewaffnet ist, muss sich nicht dem letzten Krieg erneut mit Waffen zu  Die EU schmückt sich fürchten. Diese Erkenntnis erschloss verteidigen. sich bisher niemandem in der „linksin- Deshalb forderte Schmidt von den mit fremden Federn. tellektuellen“ Szene. Amerikanern ebenfalls Mittelstrecken- Dass diese Doktrin bis heute gilt, raketen (vom Typ Pershing II) in Eu- ben musste, denn die Sowjets hatten KPdSU die Macht zu retten. Da war es kann man jenseits des Vertragsgebie- ropa zu stationieren, um den USA die ja den halben Kontinent in Geiselhaft am besten, sich auf das Wesentliche zu tes sehen. Weil der Nachfolgestaat der Chance zu geben flexibel zu reagieren genommen und ihm ein ineffizientes konzentrieren: Die Sowjetunion. Nur Sowjetunion, die russische Föderation und keine Interkontinentalraketen vom Wirtschaftssystem aufgezwungen, das weil Gorbatschow erkannte, dass diese von der NATO nichts zu befürchten eigenen Territorium schicken zu müs- zu Miss- und Mangelwirtschaft führte. mit dem Rüstungswettlauf, den Reagan hatte, zettelte sie Kriege in Georgien sen. Diese Logik des Raketenschachs Es war ausgerechnet der amerika- angezettelt hatte, wirtschaftlich nicht und der Ukraine an. Der vermeintliche des Kalten Krieges erschloss sich wei- nische Präsident Reagan, der dieses mithalten konnte, gab er auf. Nicht aus Bürgerkrieg in der Ukraine wäre kaum ten Teilen der Gesellschaft nicht und Gleichgewicht des Schreckens zum Friedensliebe, sondern weil er nicht zu denkbar, wenn diese der NATO beige- Hunderttausende demonstrierten auf Einsturz brachte, indem er die Sowje- gewinnen war: Die Sowjetunion konn- treten wäre. Dort sicken offensichtlich dem Bonner Hofgarten gegen den tunion und den Warschauer Pakt „to- te sich so etwas wie ein SDI schlicht immer wieder russische Söldner und „Doppelbeschluss“. Pikant, dass ausge- trüstete“. Gegen den ehemaligen Hol- nicht leisten. Später sollte sich zeigen, Waffen ein – natürlich ohne Hoheits- rechnet die Ikone der Sozialdemokra- lywood-Schauspieler und Gouverneur dass sein Spruch „Wer zu spät kommt, zeichen, wie sie nach der Genfer Kon- tie, Willy Brandt, seinem Nachfolger Kaliforniens polemisierte die deutsche den bestraft das Leben“ vor allem auf vention vorgeschrieben wären. Schmidt in den Rücken fiel und sich ge- Mainstream-Presse in vergleichbarer ihn selbst zutraf. Deshalb war die NATO-Osterwei- gen die Stationierung aussprach. Weise wie gegen George W. Bush oder Dass ausgerechnet die Europäische terung ein richtiger und wichtiger Die „Friedensbewegung“ (in de- heute Donald Trump, auch weil er die Union 2012 den Friedensnobelpreis Schritt, viel wichtiger als der Beitritt ren Reihen zahlreiche Stasi-Agenten Stagnation mit einem radikalen Steu- erhielt, ist ein weiteres Indiz für die der ehemaligen Staaten des „Rates für der SED tätig waren wie z.B. Gerhard ersenkungs- und -vereinfachungspro- politisch motivierten Fehlentschei- gegenseitige wirtschaftliche Zusam- Kaden und William Borm) war die gramm überwunden hatte. dungen des Vergabekomittees. Richtig menarbeit“ zur Europäischen Union andere Seite der Medaille der grünen Sein SDI-Programm setzte auf das und gerecht wäre es gewesen, ihn der und zum Binnenmarkt. Das letztere Bewegung. Zu deren Selbsttäuschung selbe Prinzip wie die „Eiserne Kuppel“ NATO und vor allen Dingen den USA hätte ohne das erstere auch keinen Sinn gehörte das berühmte halbe Zitat von der Israelis. Er wollte die Abschre- zuzuerkennen, die über 40 Jahre mit gemacht. Berthold Brecht: „Stell Dir vor, es ist ckung dadurch aushebeln, dass er die ihrer militärischen Stärke und ihrem Die NATO hat den Frieden nach dem Krieg und keiner geht hin“, der sich sowjetischen Raketen schon in der Luft Arsenal an Atomraketen für die Sicher- Zweiten Weltkrieg bewahrt, weil ihre als Aufkleber neben dem „Atomkraft abschießen konnte. Damals war nicht heit und damit den Frieden in Europa Mitglieder unter der Führung der USA Nein Danke“-Badge auf fast jeder Ente nur der ganze Warschauer Pakt maro- unter Gefährdung der eigenen Existenz füreinander einstehen. Wenn dies auch und jedem R4 fand. Was da nicht stand, de, sondern auch deren Führungsper- garantierten. realpolitisch illusorisch ist, so gehörte war der zweite Satz von Brecht, der da sonal. Jahrelang reisten die Staaten- Als 1983 deutsche Promis unter Füh- eigentlich auch Israel in diesen Staaten- hieß: „Dann kommt der Krieg zu Dir.“ lenker zum alljährlichen Begräbnis des rung der Vorzeige-Grünen Petra Kel- bund, weil man gemeinsam die Werte Und so wäre es denn auch gekommen, Generalsekretärs (Breschnew, Tscher- ly und dem Brigadegeneral a.D. Gert von Frieden und Freiheit teilt. № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 13 Der Antisemitismus-Bericht 2017 Unabhängiger Expertenkreis stellt fest, dass Betroffene eine wachsende Bedrohung empfinden Von Maya Zehden

Am 24. April wurde den Abgeordneten des Bundestages vom „Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus“ (UEK) der 300 Seiten starke Antisemitismus- bericht 2017 übergeben. Die Kom- mission erfasste seit Dezember 2014 Entwicklungen des Antisemitismus in Gesellschaft, Medien, Politik, poli- tischen Bewegungen, Sport, Religion und im Bereich Flucht und Migration in Deutschland. Diesmal wurde insbesondere die Perspektive der von Antisemitismus Betroffenen berücksichtigt. Patrick Siegele, Koordinator des UEK, stellte fest: „Ein großes Problem ist die feh- lende Einsicht in der Bevölkerung, dass Antisemitismus ein aktuelles Problem ist.“ Jüdinnen und Juden in Deutsch- land sähen sich dagegen einer wach- senden Bedrohung ausgesetzt. In einer Studie schildern die Befragten, dass sie zunehmend eine verzerrte Darstel- lung Israels als Ausdruck von Antise- mitismus wahrnehmen, besonders im Internet und in anderen Medien. Als persönliche Bedrohung erlebten sie verbale und alltägliche Beleidigungen, auch stereotype antijüdische/-israe- lische Äußerungen beispielsweise auf Demonstrationen. Als Täter wurden überproportional häufig muslimische Personen genannt. Allerdings haben wenige der Befragten konkrete Vorfälle angezeigt. Der Antisemitismusbericht 2017 wird vorgestellt. Die neun Experten (Prof. Werner Bergmann, Zentrum für Antisemitis- porting“ ausgehen kann. Bei den Zah- land. Nicht überraschend kommt er 3. dauerhafte Förderung von Trägern musforschung; Marina Chernivsky, len vom BKA – Straftaten 2014: 1596, vor allem bei Migranten aus arabischen der Antisemitismusprävention, Zentralwohlfahrtstelle der Juden in 2015: 1366; Gewalttaten 2014: 45, und nordafrikanischen Ländern vor. 4. Schaffung einer ständigen Bund- Deutschland; Aycan Demirel, Kreuz- 2015: 36 – wird vom UEK auch vermu- Länder-Kommission und berger Initiative gegen Antisemitis- tet, dass die tatsächliche Zahl antisemi- Studie im muslimischen Milieu 5. langfristig angelegte Forschungsför- mus; Dr. Elke Gryglewski, Haus der tischer Vorfälle höher liegt. Aycan Demirel berichtet von einer ersten derung zum Antisemitismus. Wannseekonferenz; Prof. Beate Küp- Die Unterscheidung der Tätermilieus Studie im muslimischen Milieu mit 18 Besonders erwähnte Frau Dr. Wetzel in per, Hochschule Niederrhein; Prof. wie politisch oder Migrationshinter- Imamen aus den großen islamischen Ver- ihrer Zusammenfassung, dass bisher För- Andreas Nachama, Topographie des grund fehlt im Bericht. Auf diesbezüg- bänden, die als qualitativer Blick auf die derprogramme gegen Antisemitismus Terrors; Prof. Armin Pfahl-Taughbar, liche Nachfrage führte Prof. Bergmann allgemeine Einstellung dieser Gruppe ge- nicht ausreichend abgestimmt seien. Fachhochschule Brühl; Patrick Siege- aus, dass überwiegend antisemitische wertet werde. Entgegen der allgemeinen Wichtiges Element des Berichts sind le, Anne-Frank-Zentrum; Dr. Juliane körperliche Angriffe von Rechten erfasst Annahme sei Holocaustleugnung unter die Handlungsempfehlungen, die den Wetzel, Zentrum für Antisemitismus- Politikern gute Ansätze bieten. forschung) versuchten als Ausgangs- F estgestellt wird auch eine antisemitische Petra Pau (Die Linke) verurteilte die punkt ihrer Arbeit eine Definition von Reaktionen auf den Angriff auf einen jü- Antisemitismus. Sie ist für die Erfassung Mobilisierung in den Bereichen Rechts- dischen Schüler in Berlin-Friedenau als tragfähiger Daten unerlässlich. So kann Verharmlosung. Die Abwehrhaltung der sich Antisemitismus in verbalen Diffa- und Linksextremismus sowie im Schulleitung und der Eltern sei erschre- mierungen, in politischen Forderungen, ckend, ihr Verweis auf den Nahostkon- in diskriminierenden Praktiken bis hin islamischen Fundamentalismus. flikt als verständliche Ursache der Gewalt zu physischen Angriffen äußern. Wo sei im Kern antisemitisch. Sie schließe ein strafbarer Tatbestand beginnt, ist worden seien. Der von befragten Betrof- den Imamen kein Thema. Die Befragten sich der Forderung der Kommission nach jedoch umstritten. Beispiel: Weder das fenen tatsächlich empfundenen Bedro- würden vielmehr in ihren Gemeinden einer aussagekräftigen Studie zu antise- Amtsgericht Wuppertal noch eins der hung durch Attacken von überwiegend eine Differenzierung zwischen Juden und mitischen Einstellungen an. Rassismus folgenden Gerichte wollten den Brand- muslimischen, meist jugendlichen An- Israel vornehmen, sich damit gemäß ih- und Antisemitismus seien eben nicht anschlag von drei „Palästinensern“ auf greifern stehen zu wenige Anzeigen ge- rer Verantwortung als Autoritäten gegen dasselbe und müssten daher auch unter- die Synagoge der Stadt als antisemitisch genüber. Zudem werden die antisemiti- Antisemitismus aussprechen. Demirel schiedlich bekämpft werden. einstufen (Die Tat geschah im Sommer schen oft unter fremdenfeindlichen oder ergänzte, dass sie sich allerdings im Span- Gabriele Fograscher (SPD) will, dass 2014, das Urteil im März 2017 waren anderen Taten eingeordnet und damit nungsfeld der Erwartungen der Gemein- Opfer von Antisemitismus mehr in den Bewährungsstrafen). Stattdessen wurde nicht ausreichend erfasst. den und ihrer Arbeitgeber befinden, was Blick genommen und ihnen Hilfsange- dieser Gewaltakt als Protest gegen den Ein Großteil des Berichts besteht den Wunsch einschränke, die Demo- bote gemacht werden. Einig ist sie sich Gaza-Konflikt anerkannt. aus Analysen, die das Phänomen Anti- kratieerziehung voran zu bringen. Beim mit Barbara Woltmann, (CDU/CSU) semitismus in allen relevanten gesell- Zuhörer hinterlässt diese Einschränkung darin, in der Plenardebatte für eine Auf- Wie wird Antisemitismus schaftlichen Bereichen überprüft haben. Zweifel an den Erfolgsaussichten der Be- stockung der Mittel für diesen Bereich zu definiert? Besonders wichtig ist die Bestätigung, mühungen der Imame. plädieren. Allerdings sei zum Ende der Antisemitische Straftaten werden zur dass der klassische, stereotypische Anti- Legislaturperiode kaum noch mit Ent- politisch motivierten Kriminalität semitismus rückläufig ist, aber bei 40 % 5 Handlungsempfehlungen scheidungen zu rechnen. (PMK) gezählt. Die UEK bemängelt, der Bevölkerung Formen eines israelbe- Die Kommission hat den Analysen so- Zu hoffen ist, dass die Forderung von dass Polizisten zu Vermeidungsstrate- zogenen Antisemitismus zu finden sind. wohl Forderungen an die Bundesregie- UEK-Koordinator Siegele nach einem gien neigen. So würde häufig bei der Festgestellt wird auch eine antisemiti- rung als auch Handlungsempfehlungen schlüssigen Gesamtkonzept zur Be- Erfassung einer Straftat auch bei offen- sche Mobilisierung in den Bereichen beigefügt. Die fünf Forderungen sind: kämpfung des Antisemitismus auch sichtlichem Tatmotiv Antisemitismus Rechts- und Linksextremismus sowie 1. Berufung eines Antisemitismusbe- wirklich von der Politik umgesetzt wird. auf alternative, nicht politische Tathin- im islamischen Fundamentalismus. auftragten und Verstetigung eines unab- Jetzt werden die Weichen dafür gestellt, tergründe verwiesen. Viele Straftaten Nicht alle Muslime sind in gleichem hängigen Expertenkreises, wie durchsetzungsfähig demokratische werden zudem nicht von den Betrof- Maße antisemitisch. Der Antisemitis- 2. konsequente Erfassung, Veröffent- Werte in Zukunft sein werden – und fenen oder von Zeugen angezeigt, so mus unter Migranten steht in engem lichung und Ahndung antisemitischer der Umgang mit Antisemitismus ist der dass man von sogenanntem „Underre- Zusammenhang mit ihrem Herkunfts- Straftaten, Lackmustest. 14 DEUTSCHLAND № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU 15 Fragen an den Schulleiter Uwe Runkel Wie begegnet ein deutscher Schuldirektor im Jahre 2017 dem Antisemitismus seiner türkischen und arabischen Schüler? Mohammed Abed, AFP

Von Gerd Buurmann Eine Kopie der Mickymaus im arabischen Kinderfernsehen wird von einem „israelischem Terroristen" totgeprügelt.

Sehr geehrter Schulleiter der Friede- mit ihrer Religion umgehen.“ haben? te Tat des Judenmords singen. nauer Gemeinschaftsschule Uwe Run- „Offen mit ihrer Religion umgehen“ 6. Welche Konsequenzen gab es für In einer Serie eines der erfolgreichen kel, heißt in diesem Fall, der Junge hatte im die Schüler, die den jungen Juden gede- arabischen Sender wird gezeigt, wie Ju- „Du bist ein cooler Typ, aber du bist Ethikunterricht erklärt, Jude zu sein. mütigt und gequält haben? den ein Christenkind schlachten, um Jude, und ich bin Muslim. Wir können Das reichte für einen Teil der Schüler- In der Sekundarstufe Ihrer Schule aus seinem Blut Mazzebrot zu machen. nicht befreundet sein.“ schaft schon aus, um gegen den Jungen Das sind die Worte, die sich ein vorzugehen. Im arabischen Fernsehen ruft das 14-jähriger Schüler an Ihrer Schule Mein Name ist Gerd Buurmann. Im anhören musste! Der Junge wurde ge- Auftrag der JÜDISCHEN RUND- lustige Hamas-Häschen Assud die schubst, getreten und mit der Faust SCHAU habe ich ein paar Fragen an in den Rücken geschlagen, weil er ein Sie: Kinder zum Krieg gegen Juden und Jude ist. Mitte März 2017 wurde er so- 1. Welche Erfahrungen haben Sie mit gar außerhalb der Schule an einer Bus- dem ersten Schüler gemacht, der an Ih- Ungläubige auf. Zu seinem Hobby haltestelle von zwei Schülern gewürgt rer Schule offen zu seinem jüdischen und mit einer Spielzeugpistole bedroht, Glauben steht? gehört es, Juden zu töten. während andere Schüler zugeschaut 2. Was haben Sie unternommen, um und gelacht haben. All dies ist an einer den jüdischen Jungen zu unterstützen deutschen Schule 70 Jahre nach dem und an Ihrer Schule zu behalten? liegt der Anteil an Schülern nichtdeut- Die Serie lief zur besten Sendezeit im Holocaust geschehen. Die Mutter des 3. Würden Sie nach all den Erfahrun- scher Herkunft bei 75 Prozent. Der An- Feiertagsprogram. Sie war und ist auch Jungen wusste sich letztendlich nicht gen wieder einen Juden, der offen zu teil türkischer und arabischer Schüler heute noch in deutschen Wohnzim- zu helfen und nahm ihren Sohn von der seiner Religion steht, an Ihrer Schule macht von den 75 Prozent etwas mehr mern zu sehen. Im arabischen Fern- Schule. aufnehmen? als die Hälfte aus. Sie sagen: „Wir ha- sehpogrom ist der Hass gegen Juden Nachdem der Junge die Schule ver- 4. Sehen Sie irgendwelche Versäum- ben fünf Willkommensklassen mit Alltag. lassen hatte, erklärten Sie: nisse auf Ihrer Seite, sowohl im Vorfeld Flüchtlingskindern.“ 7. Was sagen Sie zu diesen juden- „Bei der Anmeldung des Schülers habe als auch im Verlauf der Angelegenheit? Wie Sie wissen, hat jeder Mensch in feindlichen Sendungen? ich die Mutter darauf hingewiesen, dass 5. Welche Erfahrungen haben Sie Deutschland heute Zugang zum Inter- 8. Sprechen Sie mit Ihren Schülerin- wir keine Erfahrung mit jüdischen Schü- mit den Jugendlichen gemacht, die den net und kann so auch die arabischen nen und Schülern über judenfeindli- lern haben, die wie der 14-Jährige offen jungen Juden gedemütigt und gequält Medien verfolgen. In vielen deutschen chen Sendungen, die sie im Internet Wohnzimmern sind arabische Sendun- und im Fernsehen in ihrer Mutterspra- gen in den Flimmerkisten zu sehen. Im che konsumieren (können)? Neurologisch-psychiatrisches Praxis arabischen Fernsehen ruft das lustige 9. Welche Unterschiede sehen Sie Hamas-Häschen Assud die Kinder zum zwischen der Propaganda von Neona- in Dortmund steht zum Verkauf (günstig). Krieg gegen Juden und Ungläubige auf. zis und der alltäglichen Propaganda, Zu seinem Hobby gehört es, Juden zu der arabische und türkische Jugendli- Tel.: (0231)22058989 töten. Die Hamas Maus wiederum sta- che in Deutschland ausgesetzt sind? chelt Kinder zum Hass gegen Juden auf In einem Projekt der Alice-Salomon oder E-Mail: [email protected] und lässt sie Lieder über die heldenhaf- Fachhochschule aus dem Jahr 2005 № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 15 wurden jugendliche Migrantinnen und kämpft zu haben, so dass ein Jude exklu- Auswuchsen internationaler Migranten im Berliner Bezirk Fried- diert, statt inkludiert wurde? Konflikte, wie des Nahostkon- richshain-Kreuzberg interviewt. Über Am 4. April 2017 schrieben die Eltern- flikts, nicht verschont bleiben.“ Juden sagten sie: vertreterinnen Anja Kathrin Schultz, Der sogenannte „Konflikt“ „Die töten sogar ein kleines Baby, was Julia Kuhne und Marika Saridou an den im Nahen Osten sieht wie gerade geboren ist.“ Tagesspiegel einen Leserbrief, in dem folgt aus: Während Israel seit „Hitler gefällt mir. Tja der hat’s da- sich folgende Worte finden: der Unabhängigkeitserklä- mals richtig gemacht.“ „Als Eltern von Grundschuler_innen rung die Hand zum Frieden „Schade, dass nicht alle weg sind.“ der Schule möchten wir an dieser Stel- ausstreckt, ruft die arabische Zwölf Jahre später finden sich diese le unser großes Missfallen uber die er- Seite zur Vernichtung aller und noch viel schlimmere Aussagen schreckend unreflektierte und einseiti- Juden auf. Der „Konflikt“ zwi- gegen Juden in Hülle und Fülle auf Fa- ge Art der Berichterstattunga ußern, die schen Juden und Arabern ist cebook und anderen sozialen Medien. sich nachhaltig rufschadigend fur eine somit heute in etwa so sehr Unter anderem dieser Hass hat es er- außerst engagierte Schule auswirkt.“ ein „Konflikt“, der von beiden möglicht, dass im heutigen Berlin auf Ich habe daher diese zwölfte Frage: Seiten ausgeht, wie der „Kon- offener Straße wieder dieser Satz von ei- 12. Was missfällt Ihnen mehr – dass flikt“ zwischen Deutschen ner Horde gebrüllt werden kann: „Jude, der Ruf Ihrer Schule geschädigt wird und Juden im Jahr 1933. Da- Jude, feiges Schwein, komm heraus und oder dass Ihre Schule eine der ersten mals verließen die ersten jüdi- kämpf allein!“ deutschen Schulen nach dem Natio- schen Kinder deutsche Schu- In Hannover wurden im Jahr 2010 nalsozialismus ist, auf der ein jüdischer len, so wie es im Jahr 2017 in Juden von muslimischen Kindern und Schüler derart terrorisiert wurde, dass ihrer Schule geschehen ist. Homepage der Gemeinschaftsschule Friedenau Jugendlichen mit Steinen beworfen. In er es nicht mehr ausgehalten hat? In der israelischen Unab- Offenbach wurde ein Rabbiner in einer In dem Elternbrief finden sich auch hängigkeitserklärung steht: Welt. Möge Gott das schmutzige Volk Einkaufspassage von muslimischen Ju- diese Worte: „Wir bieten allen unseren Nachbarstaa- der Juden vernichten, denn sie haben gendlichen angegangen. Daher diese „Seit Jahrzehnten existiert im Nahen ten und ihren Völkern die Hand zum Frie- keine Religion und kein Gewissen! Ich zehnte Frage: Osten ein nicht enden wollender Konflikt den und guter Nachbarschaft und rufen verurteile jeden, der glaubt, eine normale 10. Was unternehmen Sie gegen den Beziehung mit Juden sei möglich, jeden, islamisch motivierten Judenhass, der an  Was missfällt Ihnen mehr – dass der der sich mit Juden zusammensetzt, jeden, Ihrer Schule grassiert? der glaubt, Juden seien Menschen! Juden Ihre Schule erklärt: Ruf Ihrer Schule geschädigt wird oder sind keine Menschen, sie sind kein Volk. „Die Friedenauer Gemeinschafts- Sie haben keine Religion, kein Gewissen, schule versteht sich als ‚inklusive Ge- dass Ihre Schule eine der ersten deutschen keine moralischen Werte!“ (Abdallah meinschaftsschule‘ von Schulbeginn Jarbu, stellvertretender Minister für reli- bis Schulabschluss. Inklusion bedeutet Schulen nach dem Nationalsozialismus ist, giöse Stiftungen der Hamas am 28. Feb- für uns die Akzeptanz und Wertschät- ruar 2010) zung der Heterogenität aller Kinder, auf der ein jüdischer Schüler derart „Überließen uns die Juden Palästina, unabhängig von ihren Begabungen, Be- würden wir dann beginnen, sie zu lieben? einträchtigungen, Geschlechterrollen, terrorisiert wurde? Natürlich nicht! Wir werden sie niemals ihrer ethnischen, nationalen und/oder lieben. Absolut nicht! (…) Dein Glaube sozialen Herkunft oder anderen katego- zwischen Arabern und Juden. Eine Stadt zur Zusammenarbeit und gegenseitiger bezüglich der Juden soll sein, erstens, dass rialen Eigenschaften.“ wie Berlin, in der Menschen beider Re- Hilfe mit dem selbstständigen jüdischen sie Ungläubige sind und zweitens, dass sie 11. Wie gehen Sie ganz persönlich mit ligionen und Kulturen (und noch vieler Volk in seiner Heimat auf. Der Staat Israel Feinde sind! Und sie sind nicht nur Feinde, Ihrem Versagen um, Judenhass an Ihrer mehr) leben – was unserer Meinung nach ist bereit, seinen Beitrag bei gemeinsamen weil sie Palästina besetzt halten. Sie wären Schule nicht frühzeitig erkannt und be- ein enormer Reichtum ist – kann vor den Bemühungen um den Fortschritt des ge- auch unsere Feinde, wenn sie niemals ir- samten Nahen Ostens zu leisten.“ gendetwas besetzt hätten! Wir werden die In der Gründungscharta der Hamas Juden als Feinde betrachten, selbst wenn Unterstützen Sie Deutschlands einzige steht: sie uns Palästina zurück geben. Weil sie „Die Zeit wird nicht anbrechen, bevor Ungläubige sind!“ (Qatar TV (Katar), 9. nicht die Muslime die Juden bekämpfen Januar 2009) unabhängige jüdische Zeitung! und sie töten; bevor sich nicht die Juden „In aller Kürze, so sind die Juden: Als hinter Felsen und Bäumen verstecken, Muslime ist unser Blut voller Rachsucht welche ausrufen: ‚Oh Muslim! Da ist ein gegen sie und sie kann nur mit der Ver- Abonnieren Sie und schalten Sie Werbung Jude, der sich hinter mir versteckt; komm nichtung der Juden gestillt werden, so Gott und töte ihn!‘ (…) Ansätze zum Frieden, will.“ (Al-Aqsa TV (Gaza), 28. Februar in der JÜDISCHEN RUNDSCHAU! die sogenannten friedlichen Lösungen und 2008) die internationalen Konferenzen zur Lö- „Die größten Feinde eines jeden Mus- sung der Palästinafrage stehen sämtlichst lims nach dem Teufel sind die Juden! Wer Liebe Leserinnen und Leser, im Widerspruch zu den Auffassungen der sagt das? Gott sagt das!“ (Al-Rahma TV Islamischen Widerstandsbewegung.“ (Ägypten), 9. Januar 2009) gegründet im Sommer 2014, als Reaktion auf die antisemi- Das bringt mich zu der Frage, die „Immer wieder hat Gott Strafen über auch die Elternvertretung in ihrem die Juden kommen lassen. Die letzte Stra- tischen Demonstrationen in ganz Deutschland, setzt sich Brief an den „Tagesspiegel“ gestellt hat. fe wurde von Hitler ausgeführt. Bei allem, 13. Wie kann eine Schule mit einer was er ihnen angetan hat, und die Juden die JÜDISCHE RUNDSCHAU heute für jüdische Belange Schuler_innenschaft, die sich aus vie- übertreiben bei der Beschreibung dieser und für Israel ein wie kein zweites Medium im deutsch- len Nationen zusammensetzt, davor ge- Taten, hat Hitler die Juden nur an ihren feit sein, dass es zu religiös motivierten gerechten Platz gesetzt. Es war die göttli- sprachigen Raum. Auseinandersetzungen zwischen Schü- che Strafe für sie!“ (Al-Jazeera TV (Ka- lerinnen und Schulern kommt? tar) 30. Januar 2009) Zum Schluss möchte ich Ihnen noch Am 9 Oktober 2015 hielt der Kleriker Die positiven Rückmeldungen aus Deutschland, Öster- ein paar judenfeindliche Zitate präsen- Muhammed Salah „Abu Rajab“ folgen- reich, der Schweiz und Israel bestärken uns in unserer tieren, die bisher in dem „Konflikt“ ge- de Predigt in der Al-Abrar Moschee in tätigt wurden: Rafah: Arbeit. „Ich unterstütze Deutschland in der „Unsere erste Phase soll lauten: Stecht Politik und Brasilien im Sport. Ich mag die Juden ab! Sie haben keine Chance! Die die Art wie Brasilien Fußball spielt, aber zweite Phase soll lauten: Wir werden die Dennoch brauchen wir auch Ihre Hilfe: Abonnieren Sie die ich mag die Deutschen, weil sie die Juden Juden nicht mehr vertreiben! Wir werden JÜDISCHE RUNDSCHAU, erzählen Sie in der Familie, im hassen und sie verbrannt haben.“ (Wiam sie allesamt abstechen und abschlachten!“ Wahhab, libanesischer Minister am 4. Ich stelle daher noch diese Frage: Freundes- und Bekanntenkreis von unserer noch jungen Juli 2010 auf Al-Jadid/New TV) 14. Was sagen Sie zu dieser Propagan- „Bevor Israel stirbt muss es gedemütig da, die gewiss ebenfalls von einem Teil Zeitung! Verschenken Sie Abos und reichen unsere Zei- und erniedrigt werden!“ (Khaled Mes- Ihrer Schülerinnen und Schüler gehört tung weiter! hall, Vorsitzender der Hamas am 3. Fe- und verstanden wird? bruar 2006) Aber die wichtigste Frage ist: „Jeder, der ein Messer, eine Waffe oder 15. Warum muss ein jüdischer Jun- Denn eine Zeitung wird erst durch ihre Abonnenten stark. ein Auto hat und damit nicht einen Sied- ge in Berlin an Ihrer Schule unter dem Auch Deutschland, Österreich und die Schweiz brauchen ler oder einen Juden angreift und mehrere Krieg leiden, der gegen Israel geführt zehn Zionisten tötet, gehört nicht zu Pa- wird? eine selbstbewusste jüdische Stimme! lästina!“ (Fawzi Barhoum, Hamasspre- Mit der Bitte um Beantwortung der cher am 30. Juli 2014) Fragen verbleibe ich, Ihre JÜDISCHE RUNDSCHAU-Redaktion „Juden sind fremdartige Bakterien, sie sind Mikroben ohne Beispiel auf dieser Gerd Buurmann 16 DEUTSCHLAND № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Die Facebook-Falle des Heiko Maas Der Justizminister erhebt Privatunternehmer quasi zu Richtern Von Carl Christian Jancke

Früher war alles ganz einfach. Im Kanz- leramt, den Ministerien und den Partei-, Gewerkschafts-, NGO- und Arbeitgeber- Zentralen saßen die Spin-Doctors und ersannen politische Kampagnen. Deren Sinn und Zweck wurde dann wohlmei- nenden Journalisten in Hintergrundge- sprächen nahegebracht. Nach Presse- konferenz oder -Mitteilung waren die Blätter, die Nachrichtensendungen und Internetkanäle voll davon. Es gab min- destens eine Talkshow, die sich des The- mas annahm. Im Anschluss wurde das gewünschte Ergebnis durch Meinungs- umfragen abgesichert, und der Politiker oder die Sache gewannen an Bedeutung. Meist folgte dann eine Initiative oder ein entsprechendes Gesetz. Doch seit geraumer Zeit funktioniert das nicht mehr. Denn die Leute äußern ihre politische Meinung nicht nur in ihren Wohnzimmern und haben einge- denk der berühmten „Vierzig Prozent der Deutschen meinen, dass…“ nicht mehr das Gefühl in der Minderheit zu sein. Stattdessen posten sie ihre Ansicht bei AFP GOBET, GEORGES Facebook und Twitter und stellen fest, dass es viele, sehr viele Menschen gibt, die dieselbe vermeintliche Minderheiten- meinung vertreten wie sie selbst, die in den Leitmedien gerne als „rechts“, „popu- listisch“ oder „hetzerisch“ gebrandmarkt Bundesjustizminister Heiko Maas. wird. Sie vernetzen sich und gründen Gruppen und bestärken sich gegensei- Damit einher gehen wiederum zwangs- Der Einfluss der von Linken und de“ bezeichnet. Facebook teilte Kurz mit, tig. Und wenn sie etwas ganz furchtbar weise mehr Irrtümer, mehr copy and Linksextremisten durchsetzten Stif- dass diese Beurteilung nicht gegen die finden, was einer der Politiker gerade tut paste und mehr Qualitätsverlust bei den tung ist nicht zu unterschätzen. Sie ist Gemeinschaftsstandards verstieß. oder sagt, organisieren sie einen „Shit- selbsternannten „Qualitäsmedien“. Mitglied der vom Bundesjustizminister Scholz and Friends bewarb sich im De- storm“. Dafür reicht ein falsches Wort Die Angst der Politik vor dem Diskurs 2015 gegründeten Arbeitsgruppe „Ge- zember um einen Fünf-Millionen-Etat oder ein provokantes Foto. äußert sich in der Gründung verschiede- meinsam gegen Hassbotschaften“ und beim Schwesig-Ministerium. Insgesamt Dabei geht es nicht wirklich derber zu ner Initiativen. Eine davon ist die „Ama- der im Januar 2016 von Facebook ge- wurden 104,5 Mio. Euro für „Maßnah- als einst im privaten Kreis. Der Unter- deu Antonio Stiftung“ (AAS), die sich in gründeten „Initiative für Zivilcourage men zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz schied ist, dass man heute eine größere analogen Zeiten einen ordentlichen Ruf Online“, die das Social-Media-Netzwerk und Demokratie“ bereitgestellt. Das Menge Gleichgesinnter erreicht. Politi- erwarb, weil sie in Ostdeutschland ge- berät, was „Hatespeech“ ist und was Programm richtet sich gegen „Rechtsex- ker und Journalisten konnten sich früher gen rechtsradikale Hooligans kämpfte. nicht. Die war letztlich auf immensen tremismus, Rassismus, Antisemitismus, sicher sein, dass nur das erscheint, was die In letzter Zeit setzte sie jedoch poli- Druck der Familienministerin Schwesig gewaltbereiten Islamismus und andere „Gatekeeper“ für wichtig genug, vertret- tische Radikale wie die linksextreme und insbesondere des Justizministers Formen von Demokratie- und Men- bar oder politisch korrekt hielten. Aktivistin Julia Schramm als Tugend- Heiko Maas gegründet worden, der von schenfeindlichkeit“, erklärt ein Sprecher So etwas geht nun bei Facebook und des Schwesig-Ministeriums. Nicht-ge- Twitter nicht mehr. Hier schafft sich Vol-  waltbereiter Islamismus und Linksext- kes Stimme Raum und sie bricht das Mei- Extremisten sollen remismus stehen offensichtlich nicht auf nungsmonopol des Establishments. An der Liste. Denn dann müsste man wo- die Stelle der politischen Kampagne tritt die Demokratie schützen. möglich das Gebaren mancher „linker“ der „Shitstorm“, der für die Profis unvor- Organisation auf den Prüfstand stellen, hersehbar ist. Aus deutlicher Aussprache wächterin über vermeintlich rechtes Facebook immer wieder forderte „Hate- die jetzt für ihren fragwürdigen Begriff wird in den Augen der Etablierten leicht Gedankengut im Internet ein. Kein speech“ im Netz zu löschen. von Demokratie und gegen vermeintlich „Hatespeech“, die sich i.d.R. selten von Wunder, dass es von ihrem kruden Die beratende Funktion der „Amadeo „Rechte“ hetzen darf. der Deutlichkeit boshafter Politiker- oder Standpunkt aus die „Achse der Guten“ Amadeo Stiftung“ führe allerdings nicht Scholz and Friends werden übrigens Journalisten-Kommentare unterschei- oder „Tichys Einblick“, zwei konserva- zu einer privilegierten Bevorzugung bei auf der „Amadeu Antonio“-Homepage det. tiv-liberale Internet-Blogs, problemlos der Löschung von Inhalten, so ein Spre- als „Partner“ geführt. Kein Wunder, Natürlich gibt es im Internet Entglei- auf die „Amadeu Antonio“-Internetseite cher von Facebook gegenüber der JÜDI- dass der Digitalstratege sich dort kundig sungen und Beleidigungen, oft sogar „Netz gegen Nazis“ als „rechtspopu- SCHEN RUNDSCHAU. machte, als er die Kampagne „Kein Geld in einem härteren Ton als im wahren listisch“ schafften. Noch obskurer war Als die „Achse der Guten“- und JÜDI- für Rechts“ ersann. Seine Idee war ganz Leben. Vor allem aber verunsichert die ein „Wiki“, in dem die Beziehungen SCHE RUNDSCHAU-Autorin Mari- einfach: Internetangeboten, die Hensel politische Klasse die Ansammlung von zwischen vermeintlich rechtspopulisti- sa Kurz bei den Kooperationspartnern für „rechts“ hielt, sollten die Werbegelder unorthodoxen Auffassungen von Islam- schen oder gar rechtsextremen Personen und Finanziers der Stiftung nachfragte, entzogen werden. Auf diese Weise könne kritikern, Flüchtlingspolitik-Kritikern, aufgezeigt wurden. Früher nannte man warum „Tichys Einblick“ und eben die man die unliebsamen „Populisten“ doch Euro-Gegnern, Gender-Mainstream- so etwas einen Pranger. „Achse des Guten“ von der Stiftung als prima austrocknen. Gegnern oder Menschen, die gar den „rechtspopulistisch“ gebrandmarkt und Diese hatten tatsächlich erhebliche Einfluss des Menschen auf den Klima- Plötzlich waren auch als „digitale Hassquelle“ diffamiert wur- Einbußen bei den Werbeeinnahmen zu wandel für überschätzt halten. SPD und CDU als „rechts“ den, meldete sich nicht nur eine Mitarbei- verkraften. Die Media-Agentur, die bis- Informationen, die geeignet sind, die stigmatisiert terin der Stiftung umgehend bei ihr, um her die „Achse des Guten“ betreut hatte, gängigen Großprojekte Euro- und Ban- Weil Thilo Sarrazin SPD-Mitglied ist ihr zu raten sich mit anderen Dingen zu kündigte keine 24 Stunden später alle kenrettung, Energiewende und Klima- und Alexander Gauland mal in der beschäftigen. Werbeverträge. Die Kunden verzichten wandel und Flüchtlingswelle in Frage zu CDU war, tauchten diese beiden Par- Ein kritischer Kommentar gegenüber seither auf viel bürgerliche Reichweite. stellen, werden verächtlich gemacht. teien ebendort als „rechte Organisati- der Stiftung wurde bei Facebook am 9. Die Seite verzeichnet immerhin rund 5,3 Zeitgleich befällt die Medienleute onen“ auf. Das wurde nun selbst den Dezember 2016 umgehend gelöscht und Mio. Seitenaufrufe im Monat. Ein loh- eine schleichende Existenzangst. Mit Sponsoren der linksradikalen Stiftung die Autorin gesperrt. Zeitgleich hat Face- nendes Ziel. dem Verlust der „Gate-Keeper“-Funk- zu dumm. Die Seite ging vom Netz. book eine Anfrage von Kurz negativ be- Die Aktion von Hensel wurde als Pri- tion geht der Verlust von Einschaltquo- Schließlich bekommt die Stiftung jedes schieden: Der digitale Chefstratege von vatangelegenheit dargestellt, aber nicht ten und Auflagen einher, der wiederum Jahr etwa 900.000 Euro aus Steuergel- „Scholz & Friends“, Gerald Hensel hatte vorher deklariert. Auch ein Sprecher des zu niedrigeren Honoraren und Entlas- dern geschenkt. Die will man dort un- Unterstützer der „Achse der Guten“ in Bundesfamilienministeriums wies da- sungen auch bei den Leitmedien führt. gern aufs Spiel setzen. einem Post als „faschistische Kettenhun- rauf hin. Tatsächlich war sie aber wohl № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 17 eher eine Art Gesellenstück. Scholz and wurde, blieb die Meldung mehrerer re- kann nur mechanistisch agieren und machen muss. Das machen der Algo- Friends trennte sich offiziell von dem aler Bilder von geköpften IS-Opfern, bei Ironie ist ihm fremd. rithmus, Arvato und Facebook schon Mann und erhielt den Zuschlag für den denen Kopf und Korpus gut zu erkennen Heiko Maas denkt nun, der Ange- selbst, um mögliche Bußen gar nicht Fünf-Millionen-Etat. Bei den aus dem sind, folgenlos. legenheit sei mit einem Gesetz beizu- erst in Kauf zu nehmen. Willy-Brandt-Haus entsandten Ministe- Auffallend ist, dass so genannte Islam- kommen. Der Jurist erweist sich schon Der Anwalt Steinhöfel hat sich den riumsmitarbeitern soll die Aktion einem Kritiker wie die Tichy-Autorin Anabel fachlich als unqualifiziert für den Job Entwurf angeschaut. Er hält ihn für Insider zufolge jedenfalls Wohlgefallen Schunke wochenlang gesperrt werden des Justizministers. Mit dem „Netz- verfassungswidrig, auch weil originär ausgelöst haben. und das Profil des Filmemachers Imad werkdurchsetzungsgesetz“ will er staat- staatliche Aufgaben auf Private ausge- Schwesigs Demokratienachhilfe er- Karin gleich ganz gelöscht wurde. Wäh- liche Aufgaben auf Facebook, Twitter, lagert werden sollen. Facebook soll ent- weckt den Eindruck, als ob der gemeine renddessen wurden Hakenkreuzbilder, WhatsApp, Linkedin, Xing und Co. scheiden, was strafbar ist und was nicht. Bürger in der Bundesrepublik „Modell- Antisemitismus und Hetze gegen Juden abwälzen. Das aber ist im Rahmen der Gewalten- projekte zu ausgewählten Phänomenen und Israel nicht gelöscht, weil sie den teilung die Sache von Gerichten. gruppenbezogener Menschenfeindlich- Gemeinschaftsstandards entsprächen, Netzwerkdurchsetzungsgesetz Die Regierung hat den Gesetzentwurf keit und zur Demokratiestärkung im so Facebook. Der Bundesjustizminister plant die po- durchgewunken. Damit hat sie bereits ländlichen Raum“ brauche, um zum De- Ich bin weit davon entfernt, Facebook litische Gleichschaltung der sozialen die Gewaltenteilung gebrochen und der mokraten zu werden. zu unterstellen, sich mit derlei Gedan- Medien. Der bereits vom Bundeskabi- Zensur das Wort geredet. Sie ist gegen- Zwar bestreitet der Sprecher ihres Mi- kengut gemein zu machen. Niemand nett beschlossene Entwurf des „Netz - über dem „digitalen Forum Romanum“ nisteriums, dass es sich hier um verdeckte weiß, ob diese Auswahl repräsentativ werkdurchsetzungsgesetz“ verlässt den (Steinhöfel), den sozialen Netzen, Wahlkampffinanzierung handelt. Jeden- oder zufällig ist. In jedem Fall gilt, dass Boden des Grundgesetzes und unter- ratlos, weil sie der Vielfalt von Volkes falls werden satte 104,5 Millionen Euro die Löschung und Sperrpolitik einfach wirft die Meinungsfreiheit der Willkür Stimme machtlos gegenübersteht. Die mit der Gießkanne über das Land gegos- nicht funktioniert. des Algorithmus von Privatunterneh- Justiz ist keine Hilfe, weil sie im Infor- sen, um ein Meinungsklima zu schaffen, Zwar leugnet Facebook den Einsatz men. Die werden in Zukunft rigoros mationszeitalter mit der Geschwindig- in dem all diejenigen, die jenseits des so- eines Algorithmus. Und eine in Irland alle Beiträge löschen und ihre Urheber keit einer Postkutsche operiert. Nicht zialdemokratischen Mainstreams stehen, arbeitende ehemalige Mitarbeiterin be- sperren, die nur den Anschein erwe- ein Lex Facebook ist die Lösung, son- stigmatisiert werden. richtet von einem Vier-Augenprinzip. cken könnten, gegen den willkürlichen dern eine Justizreform, die die Gerichte 700 Bertelsmann-Mitarbeiter löschen Wenn Sachbearbeiter und Vorgesetzter „Hatespeech“-Begriff der jeweiligen ins 21. Jahrhundert katapultiert. Bei Facebook zeigt dieser politische bei der Beurteilung übereinstimmen, Regierung zu verstoßen. Weil die das So bleibt zu konstatieren: Der links- Dauerdruck von Maas und Schwesig setzt es sogar eine Prämie. Trotzdem Unterlassen sonst mit einer Strafe von grüne Mainstream bringt die Mei- schon Wirkung. Im vorauseilenden Ge- können 700 Mitarbeiter in Deutschland 5 Mio. Euro sanktionieren kann. Das nungsfreiheit in Gefahr. Das bedeutet horsam bemüht man sich, Äußerungen, alleine sicher nicht alle Facebook-Posts führt zu vorauseilendem Gehorsam mit nicht mehr und nicht weniger als das die gegen die „Community Standards“ kontrollieren. Und auch ein Algorith- dem Vorteil, dass sich der Bundesjustiz- Ende der Aufklärung. Willkommen im verstoßen (könnten), im Vorhinein zu mus, der bei der Identifizierung hilft, minister nicht mal die Finger schmutzig Postfaktischen Zeitalter. löschen. Alleine in Deutschland sollen 700 Mitarbeiter der Bertelsmann-Tochter Arvato damit beschäftigt sein missliebige Äußerungen zu löschen. Dabei leisten die Kalifornier sich gleich mehrere Eigentore: Zahlen darüber, wie viele Posts alltäg- lich bei Facebook erscheinen, und wie viele als Verstoß gemeldet werden, wie viele tatsächlich gelöscht werden und wie viele Sperren ausgesprochen werden, ver- öffentlicht man nicht. Da man nur davon ausgehen kann, dass es sich jeweils um Millionen Posts, Meldungen und mindes- tens tausende Löschvorgänge und Sper- ren pro Tag handeln muss, würde schnell jeder begreifen, dass Facebook an einer totalen Kontrolle scheitern muss. Die For- derung der Politik „Hatespeech“ binnen Kürze zu löschen ist schon nicht erfüllbar. Außerdem hat Facebook ein Legitima- tionsproblem. Der Plattformbetreiber muss sich anmaßen zu entscheiden, was strafrechtlich relevant und was „Hate- speech“ ist, was gerade noch akzeptabel sein könnte, und was in jedem Fall zu löschen ist. Das starre Regelwerk führt dabei zu abstrusen Entscheidungen. Das Bild eines nackten Kindes, das 1972 aus einer Napalm-Wolke floh, ging um die Welt und gilt als Symbol für die Un- menschlichkeit des Vietnamkrieges. Weil es nackt war, wurde es von Facebook re- gelkonform gelöscht und erst nach einer Unser Service für Sie Protestwelle wieder veröffentlicht. Der grüne Oberbürgermeister Palmer wurde Gregory’s Joaillier am Kurfürstendamm zeichnet sich nicht nur durch innovatives Design unter der Verwendung edelster Schmucksteine aus. Eine Besonderheit ist die haus-interne Werkstatt mit Goldschmied und Steinfasser, die vor Ort für 24 Stunden gesperrt, weil in einem individuell auf Kundenwünsche eingehen können. Exklusive Sonderanfertigungen oder das sensible Umarbeiten von altem Post das Wort „Mohrenkopf“ vorkam. Schmuck wird hier professionell und mit größter Sorgfalt erledigt. Sowohl Fasser als auch Goldschmied können jahrelange Und ein dpa-Foto vom SPD-Kanzler- Erfahrung und Expertise vorweisen und arbeiten auf höchstem Niveau. kandidat Martin Schulz mit erhobenen rechtem Arm wurde vom Profil des Me- dienanwalts und Publizisten Joachim Umarbeiten Unikate Reparaturen und Reinigung Nikolaus Steinhöfel gelöscht, weil es auf den ersten Blick einem Hitlergruß hätte Geliebter alter Schmuck hat oft einen Entweder wählen Sie eines der Ein Standard-Service für unsere Kunden: ähneln können. starken emotionalen Wert, entspricht bereits fertigen Unikate von Gregory’s kleine Reparaturen und regelmäßige Steinhöfel hat mittlerweile eine ganze manchmal aber nicht mehr dem Joaillier oder aber Sie bringen einen Reinigung Ihres vielgetragenen Schmucks Homepage unter dem Namen „Wall of eigenen Geschmack. Gregory’s Joaillier eigenen Entwurf mit. Gemeinsam mit gehören zum Standard-Repertoire. Shame“ (facebook-sperre.steinhöfel.de) hilft Ihnen ein neues Lieblingsstück dem Inhaber Gregroy Loeb wird die Selbstverständlich sind wir durch unsere eröffnet, die zahlreiche Sperren auflis- daraus zu machen, ohne dass es den Auswahl der Materialien und Steine hauseigene Werkstatt in der glücklichen tet, die nur als willkürlicher Eingriff in ursprünglichen Charakter verliert. sowie die Umsetzung besprochen. Lage Ihre Schmuckstücke selbst zu die Presse- und Meinungsfreiheit gelten Von kleinen Änderungen bis hin zur Leidenschaftlich gerne designt reparieren. Gerne stehen wir Ihnen können. Aber Steinhöfel listet auch auf, kompletten Neufassung von Steinen Gregory’s Joaillier beratend zur Verfügung und machen Ihnen welche Inhalte scheinbar nicht gegen und Umnutzung des Trägermaterials einen unverbindlichen Kostenvoranschlag. die Gemeinschaftsstandards verstoßen erstrahlen die antike Kette oder ein alter sollen. Die Bilanz dieser sicher nicht re- Ring in neuem Glanz. präsentativen Auswahl ist erschreckend. Kurfürstendamm 50A 10707 Berlin Während eine Fotomontage der Sa- tirezeitschrift Titanic, die eine barbu- Tel.030 88917555 sige Angela Merkel im Krieg gegen den [email protected] IS zeigt (mit nackter Gewalt), gelöscht www.gregorysjoaillier.com 18 DEUTSCHLAND № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU „taz“, „Standard“, „junge Welt“ und Co. Antisemitismus unter linken Journalisten Von Anastasia Iosseliani

Martin Lejeune schrieb als Journalist (diese Berufsbezeichnung ist nicht ge- schützt) früher für die „taz“, den öster- reichischen „Standard“ & die bis 2016 von einem früheren Stasi-Mitarbeiter geführte ehemalige FDJ-Zeitung „jun- ge Welt“. Nun wurde er selbst für die- sen Personenkreis zu einer unsicheren Hypothek. Heute verfasst er vor allem Facebook-Posts für seine 80.000 Abon- nenten, bei denen es sich mehrheitlich um Erdogan-Fanboys & sonstige Is- lam-Apologeten handelt. Ein ums andere Mal blamiert sich der junge Mann bei seiner „Arbeit“. Zuletzt geschah dies während des Halbmara- thons in Berlin. Es war nicht so schlimm wie damals als er die Schoah in Frage stellte. Trotzdem machte er sich durch sein Verhalten beim Marathon zur Lachnummer für halbwegs vernunftbe- gabte Menschen & zum Märtyrer für seine Anhänger/Abonnenten. Aber ich will mich mit meinem Bei- trag nicht über einen Menschen lus- tig machen, der meiner Meinung nach dringend professionelle Hilfe benötigt. JOHN MACDOUGALL Vielmehr frage ich mich, wie es kom- men konnte, dass jemand in einem Um- feld, das für Diversität, Progressivität & Antirassismus steht, zu einem – meiner Meinung nach – islamophilen Regime- Apologeten werden konnte, der um den Beweis der Friedfertigkeit des Islams zu erbringen, zuerst zum Islam konvertier- te & danach die Schoah in Frage stellte. In deutschen Journalismus gibt es bedenkliche Persönlichkeiten. Meiner Meinung nach hat dies sehr, sehr viel mit zwei Problemen innerhalb konnte man zum Beispiel Erdogan zum Opfer von Diskriminierung & trotzdem islamischem, aber auch linkem Terror des linksliberalen Mainstreams zu tun: Reformer der Türkei hochstilisieren. ein glühender Judenhasser sein. Ja, man wird nicht ernstgenommen, oder gar Einerseits mit dem konstanten Relati- Andererseits – ich habe diesen Begriff kann, wie Horst Mahler vom Links- zum als Rassismus von jüdischer Seite diffa- vismus bei regressivem Gedankengut hier schon angeschnitten – liegt es am Rechtsextremismus wechseln & ja, man miert. Bei gleichzeitigem Relativieren & Verhalten bei Menschen mit isla- fehlenden Bewusstsein für Antisemi- kann auch für die „taz“ schreiben & dort von konkreten Problemen innerhalb mischem Background, d.h. man lässt tismus. Ja, man kann mit seinem türki- zu einem Islam-Apologeten werden, der der muslimischen Gemeinschaft sorgen einem muslimisch sozialisierten Men- schen Gemüsehändler befreundet sein & Juden verachtet. diese antisemitischen Ressentiments für schen Homophobie, Sexismus, Rassis- trotzdem antisemitische Ressentiments Das fehlende Bewusstsein für Anti- ein toxisches Umfeld, in welchem sich mus & Antisemitismus durchgehen & pflegen. Ja, man kann Mohammed hei- semitismus ist derzeit leider ein großes naive & labile Geister fanatisieren kön- entschuldigt & relativiert das mit der ßen, einen Migrationshintergrund in der Problem innerhalb des linken Main- nen. Obwohl besagtes Umfeld es doch Kultur des betreffenden Menschen. So MENA-Region haben, in Mitteleuropa streams. Die Angst von uns Juden vor nur gut gemeint hat. Liebe Leserinnen, liebe Leser, in der digitalen Welt, in der wir leben, darf unsere Redaktion sich nicht auf die gedruckte Zeitung beschränken. Denn die Verbreitungsmöglichkeiten der Zeitung auf Papier sind beschränkt. Sie bekommt man nicht unbedingt in jedem Pres- sekiosk – besonders in kleineren Orten ist das problematisch. Sie wird nicht überall ins Ausland ausgeliefert, und wenn, dann mit einigen Tagen Verspätung. Eine Abo-Lieferung ins Ausland kostet zusätzlich. Aber auch wenn alle diese Schwierigkeiten auf Sie nicht zutreffen und Sie vor der Haustür einen Pressekiosk haben, wo die Zeitung regelmäßig angeboten wird, möchten Sie möglicherweise nicht immer vor die Tür gehen und in der Zeitung blättern (falls das vom Kioskbesitzer geduldet wird), bevor Sie sie kaufen. Für alle, die es bequem, schnell und ohne geografische Einschränkungen mögen, bieten wir nun eine neue Vereinfachung: Kaufen Sie jede einzelne Ausgabe der „Jüdischen Rundschau“ oder abonnieren Sie die Zeitung als e-Paper. Das bringt Ihnen nur Vorteile: • Sie können die Zeitung lesen noch bevor sie an die Kioske und zu den Abonnenten der Druck-Ausgabe kommt. • Sie können die Zeitung bzw. einzelne Artikel bequem elektronisch archivieren, ohne viel Papier zu Hause zu stapeln. • Sie können sich vor der Kaufentscheidung einen Eindruck über den Inhalt der aktuellen Ausgabe verschaffen, ohne einen kritischen Blick des Kioskbesitzers ertragen zu müssen. • Sie können die Zeitung an jedem Ort der Welt lesen, wo Sie Internet haben – ohne zeitliche Verzögerungen und ohne Aufpreis. • Sie sparen Geld – die Einzelausgabe kostet als e-Paper 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk, das Jahresabo 33 Euro statt 39 Euro für die Druckausgabe. • Und nicht zuletzt tragen Sie sogar zum Schutz der Umwelt bei. Um all diese Vorteile zu nutzen, brauchen Sie nur unsere Website www.juedische-rundschau.de zu besuchen. Ein Button für den Kauf der Zeitung als e-Paper finden Sie sowohl auf der Hauptseite (oben rechts und ganz unten im Menü „Service“) als auch hinter jedem einzelnen Artikelausschnitt in der Online-Version der Zeitung. № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 19 Schon seit 2009 ist Gabriels Freund Abbas nicht mehr Präsident Der zweifelhafte Partner Deutschlands „für Frieden und Stabilität“ Von Gerd Buurmann Am 24. März 2017 schrieb unser Bun- desaußenminister Sigmar Gabriel auf Twitter: „Habe meinen Freund Mahmoud Ab- bas getroffen. Dtl. steht zur Zwei-Staa- ten-Lösung & unterstützt den Aufbau staatlicher Strukturen in Palästina.“ Am 29. März 2017 stellte ich in Zu- sammenarbeit mit der JÜDISCHEN RUNDSCHAU ein paar Fragen an Sig- mar Gabriel. Am 3. April 2017 erhielt ich folgende Antwort von der Presse- stelle des Auswärtigen Amts: „Präsident Abbas ist für die Bundes- regierung ein Partner für Frieden und Stabilität in der Region. Er steht für Gewaltverzicht, friedliche Ko-Existenz, palästinensischen Staatsaufbau und für eine Verhandlungslösung im Nahostkon- flikt. Diese Positionen hat er seit Jahren immer wieder öffentlich betont, zuletzt auch in seiner Rede am 23. März 2017 in der Akademie der Konrad-Adenauer- Stiftung in Berlin. Selbstverständlich spricht die Bundes- regierung gegenüber palästinensischen und israelischen Partnern, auch gegen- über Präsident Abbas, die Notwendigkeit an, das Umfeld für einen konstruktiven Dialog der Konfliktparteien zu schaffen. Dazu zählt die eindeutige Verurteilung von Gewalt und Hetze.“ Da ich nicht wusste, welche Fragen das Auswärtige Amt mit dieser Ant- wort genau beantworten wollte, fragte ich nach und bekam diese Antwort: „Bitte beachten Sie bei Ihrer Berichter- stattung, dass es sich um eine Gesamtant- wort handelt, die sich auf Ihre Anfrage insgesamt bezieht.“ Ich schrieb daher dem Auswärtigen Amt: Sehr geehrte Pressestelle des Auswärtigen Amts, Dann muss ich jetzt wohl aus Ihrer Ant- STEPHANE DE SAKUTIN, AFP wort die Antworten auf meine Fragen bas- Sigmar Gabriels Auftritt in Israel dürfte Abbas gefallen. teln. Hiermit sende ich Ihnen meinen ersten Entwurf. Dürfen diese Antworten so in der haben.“ Wie stehen Sie zu dem von ihrem desregierung ein Partner für Frieden und • JÜDISCHEN RUNDSCHAU erscheinen Freund gelobten Aufruf zur Vernichtung Stabilität in der Region. oder stimmt etwas nicht? aller Juden? Frage: Am 23. Juni 2016 war Abbas zu Das Auswärtige Amt antwortete Frage: Was zeichnet die Freundschaft von Antwort: Selbstverständlich spricht die Gast im Parlament der Europäischen Uni- schnell, sogar telefonisch: Sigmar Gabriel und Abbas aus? Antwort: Wir bitten Sie, in Ihrer Antwort: Sag ich nicht!  Das Auswärtige Amt antwortet: Berichterstattung keine Aussagen zu Frage: Seit wann besteht diese Freund- verwenden, die von uns nicht getätigt schaft? „Sag ich nicht!“ wurden. Im Übrigen möchten wir noch Antwort: Sag ich nicht! einmal darauf hinweisen, dass es sich Frage: Welche Freundschaftsdienste gab Bundesregierung gegenüber palästinensi- on. Er nutzte seine Rede, um zu schauen, ob um eine Gesamtantwort handelt, die es bisher? schen und israelischen Partnern, auch ge- die abfälligen Juden- und Israelbilder in Eu- sich auf Ihre Anfrage insgesamt be- Antwort: Sag ich nicht! genüber Präsident Abbas, die Notwendig- ropa noch wirken und behauptete, es gäbe zieht. Frage: Abbas sagte einst: „In einer end- keit an, das Umfeld für einen konstruktiven gewisse Rabbiner, die beauftragt hätten, Gut, dann nehme ich das als keine gültigen Lösung können wir nicht mal die Dialog der Konfliktparteien zu schaffen. Brunnen zu vergiften. Warum hat ein gro- Antwort, denn keine Frage wurde Existenz eines einzelnen Israelis in unserem Dazu zählt die eindeutige Verurteilung von ßer Teil des Parlaments der Europäischen wirklich beantwortet. Land sehen, seien es nun Zivilisten oder Sol- Gewalt und Hetze. Union den Judenhass Ihres Freundes nicht Ich frage mich gerade, bin ich daten.“ Wie stehen Sie zu der vorgeschlage- Frage: Im Jahr 2005 wurde Abbas zum erkannt und stattdessen sogar am Ende der zusammen mit der JÜDISCHEN nen Endlösung ihres Freundes? Präsidenten der „Palästinensischen“ Auto- Rede stehend applaudiert? RUNDSCHAU das einzige Medium, Antwort: Präsident Abbas steht für Ge- nomiebehörde gewählt. Seine Legislatur- Antwort: Sag ich nicht! das ein paar berechtigte Fragen hat waltverzicht, friedliche Ko-Existenz, paläs- periode endete jedoch am 9. Januar 2009. Frage: Nennen Sie mir bitte einen deut- zu der Freundschaft unseres Außen- tinensischen Staatsaufbau und für eine Ver- Seitdem hält er sich ohne Legitimation an schen Politiker in einem aktuellen deut- ministers mit einem Mann, der offen handlungslösung im Nahostkonflikt. Diese der Macht. Was sagen Sie zu der Art, wie schen Parlament, der einer Partei angehört, gegen Juden hetzt, Terror unterstützt Positionen hat er seit Jahren immer wieder Ihr Freund seine Macht missbraucht? die Ihrer Meinung nach mörderischer oder und in Schriften den Holocaust ge- öffentlich betont, zuletzt auch in seiner Antwort: Er ist Präsident! hasserfüllter ist als die Partei Ihres Freun- leugnet hat? Bin ich der Einzige, der Rede am 23. März 2017 in der Akademie Frage: Im Jahr 2015 bezeichnete Abbas des. Können Sie einen aktiven deutschen schockiert ist, dass Sigmar Gabriel der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. den Mord an einem israelischen Ehepaar Politiker nennen, der judenfeindlicher ist ganz bewusst zu all den Verbrechen Frage: Am Tag der 47-Jahr-Feier der Fa- durch „palästinensische“ Terroristen als als Ihr Freund? schweigt? Warum genau ist das (bis- tah sprach Mufti Muhammad Hussein, den „heldenhaft“. Nicht wenige Judenmörder Antwort: Sag ich nichts zu! her) keine Nachricht in den großen Abbas persönlich zum „geistigen Führer der und deren Familien bekommen von Abbas‘ Ich denke, ich habe Ihre Antworten kor- deutschen Medien? Interessiert sich palästinensischen Autonomie“ ernannt hat, Fatah stattliche Renten für ihre terroristi- rekt wiedergegeben, oder möchten Sie statt niemand dafür? Was ist eigentlich folgende Worte in die jubelnde Menge: „Die schen Bluttaten. Was sagen Sie dazu, dass „Sag ich nicht“ lieber was Anderes dort ste- schlimmer, dass Thilo Sarrazin sich Stunde der Auferstehung wird nicht kom- Ihr Freund Judenmörder ehrt und belohnt? hen haben? Dann wäre es schön, wenn Sie mit der AfD trifft oder das Sigmar Ga- men, solange wir die Juden nicht vernichtet Antwort: Präsident Abbas ist für die Bun- auf die Fragen antworten würden. briel erklärt, Abbas sei sein Freund? 20 DEUTSCHLAND № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Die Werteinitiative jüdischer Bürger zur Bundestagswahl Acht wichtige politische Standpunkte Aus Anlass der Bundestagswahl 2017 demokratischen Parteien und unsere Re- hat ein lockerer Verbund jüdischer Deut- gierung dieser Probleme annehmen. scher die „Werteinitiative“ gegründet, um ihnen wichtige Themen vor der Wahl an Unterzeichner/innen: maßgebliche Politiker heranzutragen. Die Dr. Elio Adler, Gründer der WerteIni- JÜDISCHE RUNDSCHAU druckt den tiative; Mirjam Rosenstein, Vorstands- aktuellen und vollständigen Text, auf den vorsitzende NAFFO e.V.; Rab. Yitshak sich die Unterzeichner um Dr. Elio Adler Ehrenberg, Rabbiner der Jüdischen geeinigt haben: Gemeinde Berlin; Rab. Yehuda Teich- tal, Gemeinderabbiner der Jüdischen Jüdische Positionen Gemeinde Berlin; Michael Jung, Vor- zur Bundestagswahl 2017 stand NAFFO e.V.; Sacha Stawski, Vorsitzender Honestly Concerned e.V. 1. Freiheitlich-Demokratische Leitkultur und ILI – I Like Israel e.V.; Lydia Fabi- Die Werte, welche das Grundgesetz, die an; Jaqueline Rosenkranz; Dr. Michal Traditionen und Üblichkeiten entschei- Liokumowitsch; Dr. Michael Liokumo- dend geprägt haben, sind christlich-jü- witsch; Sidney Jachimowicz; Anja Jach- disch und haben zu einer freiheitlich-de- imowicz; Lala Süsskind; Patrick Reich; mokratischen Leitkultur geführt. Jeder, Dr. Rafael Korenzecher, Herausgeber der hier lebt und diese Leitkultur akzep- „Jüdische Rundschau“; Izi Aharon, Her- tiert, ist Teil der Gesellschaft. Die Gesell- ausgeber haOlam.de, Vorsitzender ADC schaft ermöglicht dem Einzelnen das freie Bildungswerk; Michael Bob, Unterneh- Ausleben seiner persönlichen Bedürfnis- mer; Yves Jachimowicz; David Blunk; se und die Verfolgung seiner Ziele, solan- Sigalit Meidler-Waks, Kunsthistorikerin ge sich diese nicht gegen Andere, die Ge- und Judaistin; Jacques Albeck; Andreas sellschaft und Gesetze stellen. Schlesinger; Dr. Alexander Verowski; Wir wünschen uns Deutschland als Dr. Katharina Adler; Tuvia Schlesin- Teil einer vitalen Europäischen Union. ger; Prof. Dr. Karl-Erich Grözinger; Dr. Elvira Grözinger; Michael Bob, Unter- 2. Der Staat als neutraler Rechtsstaat nehmer; Max Doehlemann; Dr. Roman Der Staat hat die Aufgabe, diese freiheit- Skoblo; Raphael Will; Dr. Olga Will; lich-demokratische Leitkultur zu schüt- Alexander Goldenberg; Rachel Gutma- zen. Dazu gehört auch, seinen Bürgern cher-Neveling; Semadar Pery; Amos äußere, innere und soziale Sicherheit zu Schliack; Dr. Daniel Hoffmann; Patrick gewährleisten. Bei der Gratwanderung Schnabel; Vivian Kanner; Claudia Flu- zwischen Sicherheit und dem Erhalt menbaum; Daniel Flumenbaum; Dr. Jo- persönlicher Freiheitsrechte ist unser celyn R. Weiner; David Klapheck; Oren Vertrauen in den Rechtsstaat groß. Der Ben Gai; Bettina Levy; Claudia Flu- Rechtsstaat soll wehrhaft sein. Diejeni- menbaum; Daniel Flumenbaum; Avitall gen, die seine Leitkultur nicht akzeptie- Gerstetter; Dr. Philip Gleser; Sigmount ren sollen sanktioniert oder – wenn mög- Königsberg; Moris Szanckower, Rechts- lich – des Landes verwiesen werden. anwalt; Alexander Rosenkranz; Soja Die Kraft des Rechtsstaats hängt u.a. Nyman-Ziv; Manuel Nyman, Rechtsan- von drei Komponenten ab: Dr. Elio Adler, Gründer der WerteInitiative walt; Artjom Alexander Zalesski, Alpha 1. dem Besitz von Sanktionsmitteln, Omega Deutschland e.V 2. von der Bekanntheit dieser Mittel dass die Erfüllung des palästinensischen koschere Schächten sind konstituieren- bei den Adressaten und Wunsches nach Selbstbestimmung nicht de Bestandteile der jüdischen Religion. 3. vom glaubwürdigen Einsatz, dieser zu weiteren Bedrohungen von Israels Si- Ihre Bedingungen und Umstände sind Unterstützer/innen Mittel. cherheit führen darf. Neben den radikal- jetzt bereits hinreichend geregelt. Dr. Thomas Feist, Mitglied des Deut- Der Staat soll die Trennung zu religi- islamischen Gruppen ist der Iran die b) Doppelte Staatsbürgerschaft schen Bundestags, CDU; Jens Spahn, ösen Institutionen bewahren. Es soll für größte Bedrohung Israels und der freien Auch wenn viel dafür spricht, dass ein Mitglied des Deutschen Bundestags, keine Religion gesonderte Gebetsräume Welt; ihm ist durch Härte statt durch Mensch nur eine Staatsbürgerschaft ha- CDU; Michaela Engelmeier, Mitglied in öffentlichen Gebäuden geben und ab- Appeasement zu begegnen. ben kann, gibt es Gründe, warum auch des Deutschen Bundestags, SPD; Rode- gesehen vom Religionsunterricht sollen zwei möglich sein sollten. Hier braucht rich Kiesewetter, Mitglied des Deutschen keine Ausnahmen von Lehrplaninhalten 5. Umgang mit dem politischen Islam es Augenmaß. Historisch haben Juden Bundestags, CDU; Dr. h.c. Albert H. Wei- öffentlicher Schulen gemacht werden. Der zunehmende Einfluss islamischer Verbindungen zu mehreren Ländern. ler, Mitglied des Deutschen Bundestags, Verbände und Vereine, die der Religion Dieses Augenmaß ist daher z.B. bei CDU; Prof. Dr. Patrick Sensburg, Mit- 3. Jüdische Religion eine politische Dimension geben wollen deutsch-israelischen Staatsbürgern rat- glied des Deutschen Bundestags, CDU; Das Judentum ist seit über 1500 Jahren oder deren Werte mit dem Grundgesetz sam. Auch rechtlich-technische Gründe Xaver Jung, Mitglied des Deutschen auch in Deutschland ansässig. Es ist Teil nicht vereinbar sind, erfüllt nicht nur die müssen im Rahmen individueller Prü- Bundestages;Cornelia Seibeld, Mitglied der deutschen Kultur und sein Fortbe- jüdischen Deutschen mit Sorge. fungen berücksichtigt werden. des Berliner Abgeordnetenhauses, CDU; stand und Gedeihen wird vom Staat nach Hier soll der Staat strenge Kriterien an Ali Ertan Toprak, Präsident der Bundes- Kräften im Rahmen seiner Leitkultur Zusammenarbeit und Förderung anle- 7. Antisemitismus arbeitsgemeinschaft der Immigranten- unterstützt. Die jüdischen Deutschen gen. Organisationen, Verbände und Mo- Richtigerweise ist der Kampf gegen den verbände und Vorsitzender Kurdischen verstehen sich als loyale Bürger Deutsch- scheen, die nicht ohne Wenn und Aber klassischen Antisemitismus (z.B. wirt- Gemeinde Deutschlands, CDU; Zemfira lands und haben hier ihre Heimat. Qua hinter Demokratie und Menschenrech- schaftliche, politische und journalisti- Dlovani, stellv. Vorsitzende des Zentral- Selbstdefinition hat das Judentum keine ten stehen, sollen verboten, geschlossen sche Verschwörungstheorien) politischer rats der Eziden in Deutschland (ZED;) Ausbreitungstendenz und strebt keine und ggf. strafrechtlich verfolgt werden. Konsens. Von doppelten Standards ge- Ali Yildiz, Christlich-Alevitischer Freun- Veränderung des gesellschaftlichen Mit- Staatsverträge dürfen nur nach strengen prägte „Israel-Kritik“, „Anti-Zionismus“ deskreis der CDU; Justus von Widekind; einanders an. Maßgaben geschlossen werden. Finan- und die „BDS-Bewegung“ sind jedoch Erol Özkaraca; Marcel Luthe, Mitglied zielle und weisungsgebende Einfluss- derselbe Hass in anderem Gewand. Dem des Berliner Abgeordnetenhauses, FDP; 4. Israel nahme ausländischer Regierungen auf darf kein Raum gegeben werden. Wir for- Diana Schnabel, Hon. President WIZO Viele Juden sehen in Israel ihre spiritu- deutsche Organisationen und Personen- dern daher Prävention durch Aufklärung Deutschland; Ulrich Sahm, Journalist; elle Heimat. Die besondere Verbindung gruppen ist strikt zu unterbinden. und Ächtung antisemitischer Vorkomm- Daniel Alter, Rabbiner; Prof. Dr. Roland zwischen Deutschland und dem demo- nisse und Äußerungen. Hornung, 1. Vors. Freundeskreis Israel in kratischen, jüdischen Staat, Israel, basiert 6. Vermeidung von „Kollateralschäden“ Regensb. & Oberbayern e.V.; Alexander auf der Geschichte; heute ist sie jedoch Im Zuge der Imprägnierung gegen den 8. Radikalismus Fürst zu Schaumburg-Lippe, Unterneh- wesentlich durch die Wertegemeinschaft politischen Islam und der Auflösung von Jeglicher Spaltung der Gesellschaft ist mer, Bückeburg; Gerd Buurmann, Tap- beider Demokratien sowie durch die in Parallelgesellschaften, gilt es, die Gleich- entgegen zu wirken. Die Verbreitung von fer im Nirgendwo; Rachel Hinterthan- beiden Ländern ähnlichen gesellschaftli- heit vor dem Recht konsequent durchzu- Hass auf Andersdenkende und Minder- Nizan; Axel H. A. Holst; Ronai Chaker, chen, wirtschaftlichen und sicherheitspo- setzen. Es darf keine rechtsfreien Zonen heiten, sowie die Verachtung Einiger für Bloggerin; Michael Braun, Berliner Ex- litischen Fragestellungen geprägt. geben. Dies darf jedoch nicht zu unange- die gesellschaftliche Form unserer frei- Senator f. Justiz u. Verbraucherschutz, Von Deutschland erwarten wir im messener Gleichmacherei führen. heitlich-demokratische Form des Zusam- CDU; Dr. Saskia Ludwig, MdL, Bundes- Friedensprozess eine solidarische Unter- a) Beschneidung & Schächten menlebens, finden wir unerträglich. tagskandidatin WK 61 CDU stützung Israels und Verständnis dafür, Die jüdische Beschneidung und das Wir fordern, dass sich die bewährten, u.v.m. № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 21 Mit SPD-Mitgliedern am Stammtisch Provinz-Sozialdemokraten und ihre Begegnung mit „aufsässigen“ Juden

Von Carla Möbius

Im Frühjahr dieses Jahres begleitete ich eine SPD-Gruppe ins Centrum Judai- cum. Sie hatten eine Führung durch die Ausstellung gebucht. Auf einem Tisch im Vorraum der Ausstellung lagen mehrere Exemplare der April-Ausgabe der JÜDISCHEN RUNDSCHAU. Die Gruppenmitglieder griffen zu. Im Nachhinein denke ich, dass es ihnen nicht klar war, dass es sich nicht um eine Veröffentlichung zur Ausstellung handelte, sondern um eine aktuelle jü- dische Zeitung. Aber das ist natürlich nur meine In- terpretation. Die Führung durch die Ausstellung wurde durchgeführt. Die Teilnehmer waren unterschiedlich in- teressiert, wie das bei einer angemelde- ten Besuchergruppe eben so ist. Später am Tag saß ich mit der Grup- pe beim Essen zusammen. Sie hatten in der Zwischenzeit in die mitgenom- mene JÜDISCHE RUNDSCHAU ge- schaut und erklärten mir, es sei ja eine schlimme Hetz-Zeitung. Sehr echauf- fiert zeigten sie mir die ersten beiden Seiten. Auf der ersten Seite der Arti- kel „Gabriels Freund: Der Holocaust- Leugner Abbas“ von Thomas Weidau- er (Haolam). Ja, der Abbas wäre doch ein Gemäßigter! Nein, mir fiel nicht die Kinnlade her- unter. Ich habe dieses Argument nicht zum ersten Mal gehört. Auf meinen Einwand, dass die Leugnung des Holo- causts in Deutschland unter Strafe ste- he, wurde ich auf die „schlimme Situa- Das Führungspersonal beeinflusst das Denken in den Ortsvereinen. tion“ der „Palästinenser“ hingewiesen. Ja, natürlich! Mit der hat Machmud kritisiert. Auch da waren die SPD- ßenden Stadtrundfahrt die Gedenk- tik-Möglichkeiten damals so: Wenn Abbas auch gar nichts zu tun, und da Mitglieder nicht toleranter, obwohl stätte Bernauer Straße angefahren ich in der DDR gesagt hätte, was ich kann man schon mal ein Auge zudrü- doch inzwischen der Wahlkampf be- und einen Exkurs zum Thema Dikta- über Erich Honecker gedacht habe, cken. Auch im Iran gehe es doch jetzt gonnen hat. Sie waren sich einig, dass tur gehalten. gab es Ärger. Wenn ich meinem Chef „vorwärts“. Vieles wäre jetzt lockerer. die JÜDISCHE RUNDSCHAU eine Kritik an der Arbeit von Politi- die Meinung gesagt hätte, wäre das un- Ich konterte, dass man die Situation als üble Hetz-Zeitschrift sei, „so wie die kern wird als „Hetze“ betrachtet ter Umständen durchgegangen. Kritik von der Todesstrafe bedrohter irani- Bild-Zeitung“. Auf meine Bitte, mir – was ist mit unserer Demokratie an Helmut Kohl hätte in der Bundes- scher Schwuler oder Islam-Abtrünni- ein Exemplar zu überlassen, wurde passiert? Wenn ich mir diese SPD- republik keinen interessiert, vielleicht ger anders bewerten würde. Nein, das mir entgegnet: Nein, die nähmen sie „Demokraten“ anschaue, denke ich, sogar noch Beifall gefunden. Meinen würden sie nicht glauben, ließen mich mit nach Hause in den Wahlkreis. Das dass es sehr für eine Zeitung spricht, Chef zu kritisieren, hätte mich mögli- diese Sozialdemokraten wissen. So sei glaube Ihnen ja sonst keiner. Hatten wenn sie von solch ebenso intoleran- cherweise meinen Job gekostet. Wenn das dort heute nicht mehr. Aber Glau- sie Juden bisher nur als Opfer gese- ten wie unwissenden Menschen als ich heute meinem Chef gegenüber die ben ist eben nicht Wissen. hen? „Hetze“ geschmäht wird. Politik der Bundesregierung kritisiere, Im nächsten Artikel wurde die Als „Belohnung“ bzw. Weiterbil- Als ich die DDR verlassen habe, be- würde mich das vermutlich meinen Flüchtlingspolitik von Angela Merkel dung habe ich dann bei der anschlie- schrieb ich den Unterschied von Kri- Job kosten.

Ihr zuverlässiger Partner für organisierte Reisen www.TUS-REISEN.COM Flüge weltweit | Reiseberaatung und Planung | Visum in GUS-Länder | Reisen auf Kredit Das Heilige Land EXCLUSIVE TOURS GRUPPENREISEN NACH ISRAEL NEU TuS Reisebüro Ganzjährig möglich Kur am Toten Meer: AB 878€ pro Person HP/ DZ/ 1Woche ab 724€ (10T, HP) (Hotels, Transfers, Ausflüge) Sri-Lanka Kibbutz Ein Gedi + SPA Paket HOTEL, TRANSFERS, AUSFLÜGE VIETNAM ab 1920€ (15 Tage) DZ | HP p.P. ab 850€ p.P. Buchen SIe über unser Reisebüro MADEIRA ab 699€ (7 Tage) Hotel Lot 3* | DZ | HP p.P. ab 650€ Flüge nach Israel mit: EL AL, ISRAIR, EasyJet, UP AB 99€ GEORGIEN ab 650€ (7 Tage) ASERBAIDSCHAN ab 850€ (7 Tage) HOTELS: Pauschalreisen Weltweit TEL AVIV ST. PETERSBURG ab 450€ (4/5 Tage) Spanien ab 370€ Griechenland ab 480€ Armon Hayarkon 3* 461€ |7T| ÜF Italien ab 470€ Türkei ab 385€ KUR URLAUB (Sanatorium) JERUSALEM Zypern ab 360€ Kanaren ab 525€ Baltyk 3* (Kolberg) ab 258 p.P | 15 Kur. | 6T | VP Prima Park 3* 392€ |7T| ÜF Emirates ab 880€ Thailand ab 760€ Jaunkemeri (Lettland) ab 252 p.P | 20 Kur. | 6T | VP Kuba ab 970€ Bali ab 990€ NETANYA Belvedere 4* (Karlsbad) ab 255 p.P | 15 Kur. | 6T | HP Galil 3* 337€ |7T| ÜF

Адрес: Kantstr. 97, 10627 Berlin, Тел: 030/217 61 17, 375 911 31 E-Mail: [email protected] Web: www.TUS-REISEN.com 22 DEUTSCHLAND № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Jung, Muslim, Antisemit Judenhass im Islam: Weder neu noch überraschend

Von Vera Lengsfeld

In einer „Schule ohne Rassismus“ in Berlin-Friedenau, die noch dazu unter der Schirmherrschaft der Senatorin für Integration, Dilek Kolat (SPD), steht, wurde ein 14-jähriger jüdischer Schüler von seinen muslimischen Mitschülern so lange gemobbt, bis ihn seine Eltern von der Schule nahmen. Lehrer und Schulleitung scheinen nichts davon mitbekommen zu haben, dass in ihrer „Schule ohne Rassismus“ antisemiti- sche Attacken üblich waren. Bezeichnenderweise fand der Skan- dal erst über die britische Zeitung „The Jewish Chronicle“ den Weg in unsere Medien. Während aber in der Original- berichterstattung klar darauf hingewie- sen wurde, dass es sich um türkische und arabische Mitschüler gehandelt hat, wurde das in deutschen Medien in den Hintergrund geschoben. „Die Welt“ wies verdruckst darauf hin, dass es sich um eine Schule handelt, in der 75 Prozent der Schüler eine andere Muttersprache als Deutsch hätten, da- runter viele aus arabischen und türki- schen Familien. Die „Huffington Post“ präsentiert gar unter der martialischen Überschrift „Fremdenfeindliches Mobbing an Schulen: Sie wollen ihre Opfer vernich- ten“ eine Schauspielerin, deren Tochter unter fremdenfeindlichen Übergriffen an ihrer Schule leidet. „Meine Haut ist, ich würde sagen Latte Macchiato- braun, die meiner Tochter karamell- braun“, beschreibt sich die Schauspie- lerin selbst und die „Huffington Post“ verweist auf Pegida-Väter, die mit Galgen demonstrieren und legt damit nahe, dass die Tochter unter rassisti- schen Übergriffen von „biodeutschen“ Schülern leidet, die am Küchentisch von ihren Pegida-Eltern rassistisch in- doktriniert werden. So wird wenigstens in der Propaganda die schöne Multikul- Arye Sharuz Shalicar ti-Ideologie noch einmal gerettet. Diese groteske Verleugnung der Über den Antisemitismus an deutschen Jugendlichen, die ihm das entgegen Buch gewidmet hat, erinnert ihn im- Wahrheit, dass es in Deutschland ei- Schulen gibt es bereits mehrere Bücher, schleudern, außer ihm noch nie einen mer wieder daran, dass es ein Leben au- nen grassierenden Antisemitismus die aber kaum beachtet worden sind. Juden gesehen haben. Dann durch kör- ßerhalb der Wedding-Banden gibt. und Rassismus muslimischer Herkunft Die viel zu früh ums Leben gekomme- perliche Übergriffe. Shalicar wechselt Er macht schließlich sein Abitur, geht gibt, wird immer härter mit der Realität ne Jugendrichterin Kirsten Heisig hat schließlich die Schule und seine Taktik. zur Bundeswehr und studiert, unter an- konfrontiert. bereits vor Jahren in ihrem Buch „Das Er beschließt, einer von ihnen zu wer- derem Hebräisch und Judaistik. Shali- Nach dem Skandal in Friedenau hat Ende der Geduld. Konsequent gegen den, ein Mitglied einer der Jugendban- car schließt sich der jüdischen Gemein- sich die Jüdische Gemeinde endlich jugendliche Gewalttäter“ Antisemitis- den, die sich den Wedding untereinan- de an, die er aber bald inkonsequent entschlossen, Klartext zu reden. Zen- mus, Rassismus und Frauenfeindlich- der aufgeteilt haben. findet. Während überall in Europa tralratspräsident Josef Schuster sagte keit an Schulen beschrieben. Das alles treibt Shalicar schließlich Juden auf die Straße gehen, um gegen dem Berliner „Tagesspiegel“: „Hier Noch genauer kann man es in Arye aus dem Land muslimischen Antisemitismus zu de- geht es um Antisemitismus übelster Sharuz Shalicars Buch „Ein nasser Er macht auf sich aufmerksam, indem monstrieren, bleibt es in Deutschland Art.“ Schuster appellierte gleichzeitig Hund ist besser als ein trockener Jude“ er zum Sprayer wird. Nacht für Nacht still. an die muslimische Gemeinschaft, „den nachlesen. zieht er los, um seine überdimensio- Das alles treibt Shalicar schließlich antisemitischen Tendenzen in ihren Shalicar ist der Sohn einer jüdi- nalen Tags an die Wände im Wedding aus dem Land. Er will dort leben, wo Reihen mit aller Entschiedenheit ent- schen Familie, die aus dem Iran nach zu schmieren. Als sein Sprayer-Name er und seine künftigen Kinder frei sind, gegenzutreten“. Allerdings will Schus- Deutschland gekommen ist. Er wächst „Aron“ schließlich in aller Munde ist, wo sie sich zugehörig, also zuhause füh- ter immer noch glauben, „dass in einem in Spandau auf, zieht aber als Jugend- gibt er sich zu erkennen, indem er diesen len können. Er entscheidet sich für Is- Teil der Moscheen in Deutschland licher in den 80er Jahren mit seiner Namen auf sein T-Shirt drucken lässt. rael, auch wenn das eine Trennung von Judenfeindlichkeit und Israelfeind- Familie in den Wedding. Hier muss er Aron hat sich durch seine kühnen Tags seiner ersten Liebe Janica bedeutet. lichkeit aktiv Vorschub geleistet wird“, sich in einem muslimisch dominier- so viel Ansehen erworben, dass er von In Israel hat Shalicar eine Bilderbuch- dass also muslimischer Antisemitismus ten Umfeld behaupten. Im Wedding, einer kurdischen Jugendgang aufgenom- karriere hingelegt. Er wurde Major der nicht flächendeckend ein Problem ist. in Kreuzberg, und anderen Teilen in men wird. Er kann sich jetzt sogar offen israelischen Armee und war lange Zeit Deutschland gibt es seit Jahrzehnten als Jude bekennen, wird aber als die Aus- ihr Pressesprecher. Heute gehört er Die zahlreichen Warnungen eine Parallelgesellschaft, auch wenn nahme angesehen, als einer, der „wie zu den Mitarbeitern im Büro des Mi- werden seit Jahren ignoriert das von Politik und Medien immer wir“ ist, nicht „wie ein Jude“. Shalicar nisterpräsidenten. Die Entwicklung Die ehemalige Präsidentin des Zen- noch hartnäckig übersehen, wenn nicht muss seine Mitgliedschaft in der Gang in Deutschland beobachtet er immer tralrates der Juden, Charlotte Kno- gar geleugnet wird. In dieser Gesell- teuer bezahlen. Er wird zum Kleinkri- noch genau. Er stünde sicher jederzeit bloch, sagte der „Heilbronner Stimme“: schaft herrschen Gewalt, Rassismus minellen, kommt immer öfter mit der mit Rat und Tat bereit, wenn sich die „Das ist kein Einzelfall.“ Immer öfter und Antisemitismus, nicht von „Bio- Polizei in Konflikt, trägt schließlich ein deutschen Verantwortlichen in Politik würden jüdische Schüler angefeindet, deutschen“, sondern von „Ausländern“ Messer bei sich oder andere Waffen und und Medien endlich dazu durchringen ausgegrenzt oder sogar körperlich an- mit und ohne deutschen Pass. setzt sie bei Schlägereien ein. sollten, das Problem des muslimischen gegriffen – „weil sie Juden sind“. Nein, Shalicar bekommt diesen Hass täg- Es ist die Liebe und die wachsende Antisemitismus und Rassismus anzu- das ist kein Einzelfall, es ist nicht mal lich zu spüren: Verbal, indem ihm im- Neugier auf seine Herkunft, die Shali- packen. Hoffen wir, dass es nicht mehr ein neues, mit der Masseneinwande- mer wieder gesagt wird, dass die Ju- car aus seiner Abwärtsspirale befreit. allzu lange dauert, bis Shalicars unver- rung von 2015 aufgetretenes Problem. den hassenswert seien, auch wenn die Seine Freundin Janica, der er auch sein zichtbarer Rat eingeholt wird. № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 23 Berliner Schule mit Nahostkonflikt Eltern versuchen Antisemitismus unter Schülern zu entschuldigen Von Roger Letsch

„Störe meine Kreise nicht“– das waren der Legende nach die letzten Worte des griechischen Gelehrten Archimedes von Syracus, bevor ihn ein römischer Soldat erschlug. Es ist leider nicht überliefert, in welchen geistigen Sphären der Gelehrte gerade geflogen war, als er so unsanft in der Realität aufschlug. Sein Aufenthalt dort dauerte jedoch bestenfalls noch ei- nige Sekunden. Die Elternschaft und das Lehrerkollegium der Friedenauer Ge- samtschule müssen „nach einem antise- mitischen Vorfall“ schon einige Tage am Boden bleiben, bemühen sich aber sehr, wieder Wind unter die Flügel zu bekom- men. Der „Vorfall“ betraf einen 13-jährigen jüdischen Schüler, für den sich seine El- tern eine als besonders multikulturell gel- tende Schule in Berlin ausgesucht hatten. Was er dort erlebte, ist mit Mobbing nur sehr euphemistisch umschrieben. Das Spektrum der „Aufmerksamkeiten“ sei- ner Mitschüler reichte von Beleidigungen über „ich kann nicht dein Freund sein, weil du Jude bist – Juden sind Mörder“ bis zu körperlicher Gewalt. Die Eltern muss- ten ihren Sohn von der Schule nehmen. Schlimm genug, dass solche Vorfälle an unseren Schulen längst keine Einzelfälle mehr sind, ist es hier jedoch die Reaktion der Schule, die aufhorchen lässt. Moslemische Schülerin in Deutschland Ist die Marke „Schule ohne Ras- kleine „Vorfall“ rückte wieder aus dem überzeugt mit einem innovativen Schulkon- sismus“ etwas wert? Fokus der Öffentlichkeit. Aber das ade- Dass wir da nicht selbst drauf zept und engagierten Lehrer_innen. Es ist Man zeigte sich pflichtschuldigst ent- nauersche Aufmerksamkeitserhaltungs- gekommen sind! bedauerlich, dass die Energie und die fantas- setzt über das Verhalten der Mitschüler gesetz („Es ist zwar schon alles gesagt Na da hätten wir aller auch alle von selbst tische Arbeit der Pädagog_innen sowie die des angegriffenen Jungen und kann doch worden, aber nicht von Allen“) wirkte drauf kommen können! Der Nahostkon- an der Schule laufenden Projekte zur kultu- gleichzeitig gar nicht begreifen, wie es auch hier, denn nun meldeten sich nach flikt ist schuld! Und da Multikulturalität bei rellen Verständigung kaum eine Erwähnung soweit kommen konnte. Schließlich neh- dem Schulleiter und Politikern auch uns moralischen Verfassungsrang besitzt, in Ihrem Artikel finden. Wir befürchten, me man doch erfolgreich am Programm die Eltern der Schule zu Wort. In einem kann man wohl kaum etwas dagegen sa- dass die Schule in ein völlig falsches Licht ge- „Schule ohne Rassismus – Schule mit Leserbrief an den Tagesspiegel. „Störe gen, wenn sich internationale Konflikte im rückt und der Ruf, den sie sich gerade hart er- Courage“ teil und fast alle Lehrkräfte und meine Kreise nicht“ wäre eine schöne Be- „Dialog der Schüler“ an deutschen Schulen kämpft, zunichte gemacht wird. Leidtragen- Schüler hätten sich den ehrenvollen Zie- treffzeile in diesem Brief gewesen. Man fortsetzten. So sind sie halt, die Araber und de sind dabei in erster Linie die Kinder der len dieser Initiative verschrieben! Aber formulierte aber lieber etwas umständli- die Juden, da machst nix dran. So gesehen Schule! Wir als Eltern wenden uns entschie- es ist wohl mit solchen Initiativen nicht cher. müssen wir auch großes Verständnis in den gegen Antisemitismus, Antiislamismus, viel anders als zu DDR-Zeiten mit den Natürlich sei man bestürzt über die Deutschland dafür aufbringen, wenn Tür- Rassismus und Gewalt und werben für ein Losungen zum 1. Mai, unter denen sich Angriffe auf den Jungen und fühle mit ken die Kurden über die Schulhöfe jagen, offenes Miteinander in der Gesellschaft, das die werktätigen Massen lächelnd und der Familie. Man sehe die Schule aber Ukrainer die Milch ihrer russischen Mit- nur funktionieren kann, wenn alle an einem innerlich murrend versammelten, weil als Vorreiter durch zahlreiche Projekte, schüler vergiften, Araberjungs Jesidinnen Strang ziehen.“ man ihnen einen freien Tag durch sinn- in denen zu Toleranz und friedlichem als heidnische Huren beschimpfen und loses Jubeln und marschieren verdarb: Miteinander aufgerufen werde. Kommt Sunniten „ein Problem“ mit Schiiten haben. Eltern halten mehr Geld für eine Es steckt nichts Substanzielles dahinter. nun also einfach eine weitere „Vorrei- In Zeiten der folgenlosen Grenzüber- Lösung In der DDR profitierten zumindest die terrolle“ hinzu? Ja, die Situation an der schreitung ist es selbstredend auch unmög- Na so überzeugend wird das „innovative Plakatmaler von der ideologischen Sülze, Schule sei schon sehr speziell, es gäbe lich, Schülern das Überschreiten der Gren- Schulkonzept“ der Friedenauer Gesamt- in der Bundesrepublik des Jahres 2017 einen hohen Anteil an Migrationshin- ze der Persönlichkeitsrechte andere Schüler schule wohl nicht sein, wenn die Eltern deutet die Bezeichnung der Initiative auf tergründen, die sich offenbar schon so- zu verbieten. Und selbstverständlich trage „mit den Füßen abstimmen“ und ihre eine viel umfangreichere und professio- weit in den Vordergrund gedrängt ha- jeder Schüler den Rucksack der Konflikte, Kinder lieber woanders hin schicken und nalisiertere Art der „Initiativwerdung des ben, dass die Eltern „gutbürgerlicher“ Vorurteile und Lügen der Gruppe, der er „zusätzliche finanzielle Ressourcen“ – ein Geldes“ hin. Kinder nichts unversucht lassen, um zugeschrieben wird, und rechtfertige sich schöner Euphemismus für „mehr Geld“ – ihre Sprösslinge lieber auf eine der bei- dafür! Hat die Elternschaft nun eine Idee, müsste wohl am besten in den Bau eini- Wenig Lehrer und miese Aus- den anderen Schulen im Kiez zu schi- wie es besser laufen könnte? Aber hallo! ger weiterer Schulen und die Einstellung stattung, aber viel Geld für cken. Dass diese Tatsache nicht mit den Kritik an dem „Vorfall“ ist schon mal gar neuer Lehrer und Sicherheitspersonal politische Indoktrination „Erfolgen“ zusammenpasst, die man als keine gute Idee: fließen, als in Projekte mit tollem Namen, Denn wen finden wir als Förderer hinter „Schule ohne Rassismus“ zu erringen „Die Lösung liegt nicht darin, dies an- die nachweislich nichts anderes machen, dem klangvollen Namen „Schule ohne glaubt, muss im Moment der Nieder- hand eines tragischen Vorfalls zu bemes- als bunte Pflaster auf die Wunden zu Rassismus – Schule mit Courage“? Na schrift des Briefes wohl auch den El- sen und den Ruf einer engagierten Schule kleben, welche gewisse Schüler anderen klar, „Demokratie leben“, also das Fami- tern klargeworden sein. Denn schon nachhaltig zu schädigen. Die Lösung läge Schülern zufügen. lienministerium von Frau Schwesig. Ein im nächsten Satz präsentierte man den darin, eine Schule wie die Friedenauer Ge- Aber sicher werden Schule, Lehrerschaft Wunder eigentlich, dass das Bildungsmi- wahren Schuldigen an der Situation in meinschaftsschule in ihrer Arbeit zu un- und engagierte Eltern in Zukunft zumin- nisterium nicht unter den Förderern ist, der Schule: terstützen und zu bestärken – z.B. durch dest im Kampf gegen den Antisemitismus aber wahrscheinlich wäre es gar nicht gut „Seit Jahrzehnten existiert im Nahen zusätzliche finanzielle Ressourcen, durch große Erfolge feiern. Denn wenn es keine angekommen, wenn wir zwar einerseits Osten ein nicht enden wollender Kon- zusätzliches Personal und zu guter Letzt jüdischen Schüler mehr an der Friedenau- marode Schulen, zu wenig Lehrer und flikt zwischen Arabern und Juden. Eine durch einen Journalismus, der nicht vorei- er Gesamtschule gibt, müssen die Araber miserable Ausstattungen an den Schu- Stadt wie Berlin [..] kann von den Aus- lig verurteilt. Das tut der Tagesspiegel leider an dieser Schule nicht mehr „Nahostkon- len haben, aber andererseits jede Menge wüchsen internationaler Konflikte, wie nicht, wenn er mit seiner Berichterstat- flikt“ spielen. Und so kann die Elternschaft Geld für politische Indoktrination vor- des Nahostkonflikts, nicht verschont tung zum einen dem bildungsbürgerlichen weiter von erfolgreichen Projekten der handen ist. Nein, für solche Dinge hat bleiben. Wie kann also eine Schule mit Trend der Abschottung vor dem vermeint- Verständigung und Völkerfreundschaft Frau Schwesig schließlich einen fetten einer Schüler_innenschaft, die sich aus lich Anderen, dem Fremden, Vorschub leis- träumen, während die Schüler auf dem Fördertopf, der mit 105 Millionen Euro vielen Nationen zusammensetzt, davor tet und zum anderen Wasser auf die Müh- Schulhof Fakten schaffen. gut gefüllt ist. gefeit sein, dass es zu religiös motivierten len derer gießt, die den Islam fürchten oder Die Medien wandten sich längst wieder Auseinandersetzungen zwischen Schüle- gar islamfeindliche Tendenzen verfolgen. Dieser Beitrag erschien zuerst auf wichtigeren Dingen zu und der hässliche rinnen und Schülern kommt?“ Die Friedenauer Gemeinschaftsschule Roger Letschs Blog „Unbesorgt.de“. 24 DEUTSCHLAND № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Türken wählen „linke“ SPD in Deutsch- land, und „rechten“ Erdogan in der Türkei Innenansichten aus Erdoganistan Von Roger Letsch

Zum Referendum in der Türkei ist ei- gentlich alles gesagt. Auch ich habe ent- täuscht, jedoch nicht überrascht auf den Ausgang des Referendums geschaut. Die selben Türken, die mit deutschem Pass überwiegend die „linke“ SPD wählen, wählen mit dem türkischen den „rech- ten“ Erdogan. Es fühlt sich, trotz der gockelhaften Aussetzer Erdogans und der damit ein- hergehenden schrittweisen Entfremdung von Europa, wie ein Verlust an. Denn ich habe persönlich tolle Erinnerungen an das Land und Freunde dort. Bodrum, Ephesos, Magnesia, traumhafte Land- schaften im Hinterland, jeden Stein dort umgibt eine fingerdicke Patina aus Ge- schichte. Hetiter, Perser, Griechen, Rö- mer, Byzantiner, Osmanen…und jede Menge wunderbarer gastfreundlicher Menschen. Göttliche Speisen, durchaus akzeptables Bier und Wassermelonen, die nirgends so köstlich schmecken, wie im Südwesten der Türkei. Aber nun? Die Türken haben abgestimmt, das muss ich akzeptieren, sage ich mir. Und so ge- stimmt sprach ich gestern auch mit mei- nem türkischen Freund Hikmet*, der nicht nur in Deutschland lebt, sondern hier wirklich „angekommen“ ist. Ein De- mokrat, also ein „Nein“-Sager, einer, der Türken bei der Wahl für gewöhnlich mit seinen ebenfalls in Deutschland lebenden Landsleuten hart Küstengebiete, die Großstädte, alle Re- Diese hätten durch das, was sie getan wo er hinkäme, meinte Hikmet, immer ins Gericht geht, wenn manche von ihnen gionen, die viel vom Tourismus leben haben, ihr Gesicht verloren – und alle müsse er sich „als Deutscher“ rechtferti- mal wieder lautstark um mehr integrative oder Wirtschaftszentren sind und deren wüssten es! gen für das Abstimmungsverhalten sei- Aufmerksamkeit buhlen und Herr Ma- Bewohner schon deshalb eher westlich Selbst die knappe Mehrheit kam nur ner deutschtürkischen Landsleute. Den zyek in der Rolle des Opferlamms durch denken, hätten mehrheitlich mit NEIN durch Einschüchterung zustande begeisterten Fähnchenschwenkern des die TV-Shows tingelt. Hikmet hat noch gestimmt. Ebenso die Kurden. Dabei Erdogan hatte erwartet, dass sein Re- Erdogan-Lagers in Deutschland emp- nie gejammert. Er ist Unternehmer, ar- würde ich mir kaum eine Vorstellung ma- ferendum die Skeptiker hinwegfegen fiehlt er jedenfalls, die türkischen Ur- beitet in der Reisebranche und pendelt chen können, wie massiv die Propagan- würde. Er, der Rais, der Anführer, würde laubsgebiete zu meiden. seit Jahren aus beruflichen Gründen da für das JA gewesen sei (außer in den seine Gegner in den Staub treten! Wäre Vielleicht ist es deshalb gar keine so ständig zwischen Deutschland und der Kurdengebieten) und wie schwach und das Referendum mit 70 % oder mehr für gute Idee, die eigenen Reisepläne in Türkei hin und her. Er kennt beide Län- abwesend die Werbung der Gegenseite. ihn ausgegangen, wie er es sich gedacht Richtung Türkei vor dem Nachbarn der, beide Völker. Und dort wo der Propagandahonig nicht hatte, läge die Sache anders. Doch nun schamhaft zu verbergen. Vielleicht ist es Es tut gut, die eigene Sicht auf die Din- wirkte, sirrte die Peitsche. Bauern und ist die Mehrheit denkbar knapp und sogar eine gute Idee zu sagen, dass man ge gelegentlich mit dem abzugleichen, Unternehmer, die in den letzten Jahren alle wissen von den Betrügereien, den zu Hikmet, Hande oder Hüsnü nach was andere Menschen erleben, weshalb des Aufschwungs mit Krediten staatli- Einschüchterungen und Erpressungen, Izmir, Bodrum oder Istanbul fährt, um seine Antwort auf meine erste Frage cher Banken versorgt wurden, hatte man weil viele Türken Zeuge solcher Vorfälle dort ein paar schöne Tage bei Sonne, zum Türkeireferendum mich auch so- unmissverständlich mitgeteilt, was pas- waren – und auch Erdogan selbst weiß, Efes-Bier, Wassermelone und guten Ge- fort verblüffte. Ob denn überhaupt noch sieren würde, wenn die Neinsager gewin- dass es alle wissen! sprächen mit Menschen zu verbringen, Deutsche in die Türkei reisen wollten, nen sollten. Dann würden ihre Kredite Mit anderen Worten: es gibt keine die mehrheitlich „Nein“ zu Erdogan, fragte ich ihn, sicher, die Antwort zu nämlich möglicherweise sofort fällig! echte Mehrheit „pro“ in der Türkei! und „Ja“ zur Demokratie gesagt haben. kennen. Es käme ganz drauf an, wen und Ich hatte bisher zwar von nicht regis- „Hast du Erdogan gesehen an dem Vielleicht sind die Euros, die durch sol- wo man fragt, meinte Hikmet. Die klei- trierten Stimmen gehört und davon, Abend?“ fragt Hikmet. „Der sah nicht che Reisen in die Taschen des Despoten nen Reisebüros auf dem flachen Land, dass Wahlbeobachter bedroht, verhaftet glücklich aus, der war geschockt! Er hat fließen ein Gift, das dieser nicht zurück- wo die Dorfbewohner hingehen, um den oder behindert wurden. Von derlei Ein- nun eine Mehrheit, die keine ist und sei- weisen kann, das aber ausgerechnet sei- Pauschalurlaub anlässlich des gelunge- schüchterung jedoch noch nicht. Und ne treuesten Fans sitzen ausgerechnet in ne erbittertsten Gegner am Leben hält. nen Abi-Abschlusses der Enkeltochter bevor ich meinen Unterkiefer wieder Deutschland und Österreich. Deren Ju- Man kann sich seine Feinde nicht aussu- zu buchen, die sind derzeit gekniffen. manuell schließen konnte, erfuhr ich bel kann er aber nicht jeden Tag medial chen – seine Freunde schon. Da helfen auch 50 % Rabatt kaum bei durch Hikmet von Fällen, wo „bestimm- genießen und die helfen ihm auch nicht der Entscheidung für Izmir oder Anta- te Bürger“ von der Polizei zuhause ab- in Ankara. Erdogan dachte, er hätte nach PS: Warum denn nun die Diaspora- lya. „Was soll denn der Nachbar denken, geholt und zur Wahl gebracht wurden, dem Putschversuch alle Kräfte beseitigt, Türken so gestimmt hätten, wurde ich wenn ich zu dem Erdogan hin mach, die sich dann öffentlich (sic) durchfüh- die gegen ihn sind. Und dennoch kann gerade gefragt. Vielleicht hilft ein Blick der uns Angela so beleidigt“, denkt man ren mussten. Keine Wahlkabine, aber er ein Referendum im Land nur durch auf die verschiedenen Länder. Denn sich dort. Anders sieht das im Internet Scheinwerferlicht. Das allerdings kann- Betrug und Erpressung knapp gewin- in Saudi-Arabien stimmten 90 % mit aus, dem anonymen Buchungsstrich der te ich – aus der DDR. nen. Er kann nicht 50 % des Landes zu NEIN! Es scheint also der Pragmatis- Neuzeit. Da locken Rabatte und Anony- Doch Hikmets Optimismus wollte Terroristen erklären! Die Sache ist noch mus vorzuherrschen, dass man zumin- mität und es wurden laut Hikmet in den mir nicht so recht einleuchten. Warum nicht zu Ende!“ dest EINE Demokratie haben sollte, zu drei Tagen nach dem Referendum mehr bist du nicht niedergeschlagen, warum Und die Deutschtürken? Was ist mit der man flüchten kann. Außerdem, so Reisen in die Türkei gebucht, als in den lachst du immer noch, wollte ich wis- denen, will ich wissen. Die würden in Hikmet, hätten fast alle Türken in Sau- vier Wochen davor. sen. Seine Antwort wollte mir erst nicht der Türkei nun wohl einen schweren di-Arabien auch Arbeit und müssten für so recht in den Kopf, aber je länger ich Stand haben, mein Hikmet. Zumindest ihren Unterhalt selbst sorgen. Das sei in Erpressung mit Bankkrediten versuche, mich in die Gepflogenheiten in den typischen Tourismusgebieten Deutschland und Österreich ein wenig Hikmet hat meine Neugier geweckt in der Türkei hineinzudenken, umso und Großstädten. Die Leute dort seien anders. Seine Worte, nicht meine. Aber und so berichtet er mir von den letzten klarer wurde die Sache: Die Repressio- stinksauer! Man begreift in der Türkei vielleicht hilft einer der Trump-Sprüche, Wochen vor, und den ersten Tagen nach nen und Einschüchterungen wurden vor nicht, wie „diese Deutschen“, obwohl sie um zu erklären, was Hikmet über viele dem Referendum. Er fragt mich, ob ich Ort, in den Städten und Dörfern zwar niemand erpressen und bedrohen konn- seiner Landsleute hier in Deutschland die Karte mit den Wahlergebnissen ge- im Auftrag der AKP begangen, aber von te, in der Mehrheit für den Erpresser denkt: Trump sagte bezogen auf Mexi- sehen hätte. Natürlich habe ich das. Alle Menschen, die immer noch dort leben! und Bedroher stimmen konnten. Egal ko „Sie schicken uns nicht die Besten“… № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU ISRAEL 25 Pfarrerin Gabriele Zander darf mit Genehmigung des Deutschen Presserates „israelfeindlich“ genannt werden Eine evangelische Pfarrerin in Jerusalem irritiert durch ihre politischen Äußerungen Von Marisa Kurz Wenn ich Herrn Mendels Pressekodex Ziffer 9 „Es widerspricht Schmähbrief lese, den er als journalistischer Ethik, mit unangemes- Die evangelische Pfarrerin Gabriele Direktor der Bildungsstätte senen Darstellungen in Wort und Bild Zander hat sich beim Deutschen Pres- Anne Frank auf dem offizi- Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.“ serat darüber beschwert, dass ich sie in ellen Briefpapier der Stiftung Tatsächlich aber bestreitet sie nicht, dass dem Artikel „Die Frau Pfarrerin in Je- geschrieben hat, schäme ich ihre Äußerungen korrekt wiedergege- rusalem“ (JÜDISCHE RUNDSCHAU ich mich. Ich schäme mich ben habe. Sie ist lediglich verärgert, dass / November-Ausgabe 2016) als „israel- für Herrn Mendel, der den der Sachverhalt überhaupt thematisiert feindlich“ bezeichnet habe. Namen von Anne Frank für wurde und ich zu einer „falschen“ Bewer- (www.juedischerundschau.de/die-frau- einen billigen Diskreditie- tung gekommen bin. pfarrerin-in-jerusalem-135910613) rungsversuch missbraucht. „Subjektive Sicht“. In dem Zeitungsartikel schildere ich, wie Hätte ausgerechnet sie ge- Ich finde die Idee problematisch, sub- ich einen Vortrag der Pfarrerin empfunden wollt, dass Menschen, die jektiv geprägte journalistische Darstel- habe, dem ich im Rahmen einer Studien- gegen Antijudaismus auf- lungsformen zu sanktionieren, weil eine reise in Israel beiwohnen musste. In dem stehen, in ihrem Namen be- dargestellte Person sich „nicht gut getrof- Vortrag sprach sie über ihre Erfahrungen in schimpft werden? fen fühlt.“ Das wäre nur dann angemes- Israel und nahm – ganz wie es die deutsche Auch wenn Frau Zander sen, wenn es sich um unwahre, verleum- politische Korrektheit gebietet – eine ein- und Herr Mendel zugeben, derische oder beleidigende Aussagen seitige pro-„palästinensische“ Position ein. dass ich die Aussagen der handeln würde, was hier ganz sicher nicht Frau Pfarrerins Vortrag ließe sich Pfarrerin korrekt wieder- der Fall war. dem Tenor nach mit „die Juden nehmen gegeben habe, wollen sie „Pfaffen“. den armen Palästinensern ihr Land bestimmen, zu welcher Be- Verunglimpft es Geistliche, wenn man weg“ zusammenfassen: Israelis bauen wertung ich kommen darf. sie als Pfaffen bezeichnet, wie es Luther angeblich illegale Zäune und verletzen Sie akzeptieren keine Mei- selbst auch getan hat? die Rechte von „Palästinensern“. Be- nungen von „falschen“ Men- „Infragestellung der Existenz einer sonders originell war die Aussage, dass schen, die sich mit den „fal- Nationalität“. ihr keine Fälle von Christenverfolgung schen“ Teilnehmern einer Weil ich in meinem Beitrag „Palästi- durch Muslime in der Region bekannt Reisegruppe abgeben, deren nenser“ in Anführungszeichen gesetzt seien. Texte auf den „falschen“ habe, stelle ich nach Frau Zanders sub- Sie konnte nicht den Eindruck vermit- Die evangelisch-deutsche Erlöserkirche in Jerusalem. Websites verlinkt werden, jektiver Wahrnehmung die „Existenz teln der israelischen Politik wertneutral die die „falschen“ Kommen- einer Nationalität in Frage“. Das ist der gegenüberzustehen. „Israelfeindlich“ lau- Zander bei unserem Treffen auf Nachfrage tare auf Facebook teilen und über die „fal- empörendste Punkt in ihrer Beschwerde. tete mein Fazit. Frau Zander war und ist wenig beeindruckt gezeigt von der Tatsa- schen“ Themen schreiben. Die Wahrheit Die Bezeichnung „Palästinenser“ für die mit dieser Bezeichnung nicht einverstan- che, dass bei Demonstrationen in Deutsch- ist in ihren Augen nicht mehr die Wahr- arabische Bevölkerung ist nicht etwa his- den. Sie muss sich gefragt haben, wie viele land der Schlachtruf „Juden ins Gas“ zu heit, wenn sie von den „falschen“ Men- torisch begründet, sondern eine umstrit- Leser der JÜDISCHEN RUNDSCHAU hören gewesen war. Darf man diese Frau schen ausgesprochen wird. tene Wortneuschöpfung aus den 1960er den betreffenden Artikel gelesen und sie „israelfeindlich“ nennen? Nun, jedenfalls Dass sie nicht bemerken, wie wenig Jahren, die aus politisch-ideologischen in der Darstellung erkannt haben – in der sahen weder die Redaktion der JÜDI- christlich und wenig antifaschistisch ihre Gründen eingeführt wurde. Es ist er- sie namentlich gar nicht genannt war. Die SCHEN RUNDSCHAU noch ich einen Methoden sind, lässt ahnen wie selten schreckend, dass Frau Zander als Vertre- Antwort lautete wohl: zu wenige. Ob Ga- Grund uns wie gefordert bei Frau Zander ihre Worte und Taten bisher von anderen terin einer noch immer einflussreichen briele Zander schon einmal etwas vom zu entschuldigen. hinterfragt wurden. Institution sich anmaßt, in dieser extrem sogenannten Streisand-Effekt gehört hat, Doch die in dem Artikel namentlich Als auch die ultima ratio der Argumen- komplexen Frage ihre persönliche Mei- der das Phänomen beschreibt, dass durch nicht genannte Pfarrerin Zander ließ nicht tationsstrategien (Schulkindern bekannt nung als maßgebend zu definieren und den Versuch eine unliebsame Information locker. Sie schaltete ihren Bekannten als das „Mein Freund sagt auch, dass du Abweichungen von ihrer subjektiven aus der Öffentlichkeit zu entfernen, die In- Herrn Dr. Meron Mendel, seines Zeichens doof bist“-Argument) die JR nicht um- Position in der Art eines Straftatbestan- formation einem noch größeren Personen- Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, stimmen konnte, legte Frau Zander noch des zu formulieren. Dass es Aufgabe des kreis erst recht bekannt wird? ein. Er bescheinigte Frau Zander in einem einmal nach. Am 10. November 2016 Presserates wäre, hier als Jury zur Bewer- Kurz entschlossen griff die evange- Beschwerdeschreiben an die JÜDISCHE reichte sie Beschwerde beim Deutschen tung politischen oder wissenschaftlichen lische Pfarrerin zur christlichsten aller RUNDSCHAU vollumfängliche Israel- Presserat ein: Denkens zu fungieren – wie von Frau Methoden: Sie tat alles, um mich bei der Zander gefordert – erscheint ebenso ab- Redaktion und bei anderen Stellen zu dis-  Auch wenn Frau Zander und Herr surd. Wenn im Jahr 2017 wieder eine Kir- kreditieren. „Gerne wüsste ich außerdem che – wenn auch eine andere als im Mit- noch, was Marisa Kurz auszeichnet, einen Mendel zugeben, dass ich die Aussagen der telalter – vorgeben könnte, welche Werte solchen Artikel bei Ihnen zu veröffentli- und Erkenntnisse Menschen kommuni- chen“, wollte sie von der Redaktion wissen. Pfarrerin korrekt wiedergegeben habe, zieren dürfen und welche nicht, wäre das Außerdem gab sie zu bedenken, dass in erschreckend. ihren Augen „die Tatsache, dass am Ende wollen sie bestimmen, zu welcher Letztlich ist auch Frau Zanders Versuch, der Reise der einzige Verbündete der Auto- den Presserat zu zwingen, in einer offe- rin ein Lokalpolitiker der FPÖ war“ gegen Bewertung ich kommen darf. nen politischen und wissenschaftlichen mich spräche. Diskussion Stellung für ihr Anliegen Frau Zander forderte eine Entschuldi- freundlichkeit. Mir dagegen unterstellte er „In der Beschreibung meiner Person zu beziehen, gescheitert. Mein Artikel gung und eine Gegendarstellung von der – ohne mich zu kennen und ohne irgendet- als israelfeindlich sehe ich einen Verstoß enthielt keine falschen Tatsachenbe- JR. Interessanterweise stellte Pfarrerin was über mich zu wissen – niedere Beweg- gegen Ziffer 9. hauptungen oder Schmähungen. Die Zander den von mir beschriebenen Sach- gründe: In der Bezeichnung Pfaffen die Ver- Meinungsfreiheit, eines der höchsten verhalt in keinster Weise anders dar als ich. „Die Autorin, deren Texte auf einschlä- unglimpfung einer Berufsgruppe, in der Rechtsgüter mit Verfassungsrang in die- Frau Zander streitet die von mir zitierten gig islamfeindlichen Websites wie ‚Islam- Bezeichnung ‚Palästinenser‘ in Anfüh- sem Land, erlaubt es mir, Frau Zanders Aussagen nicht etwa ab, sondern legte in nixgut‘ oder der AfD Bremen empfohlen rungszeichen die Infragestellung der öffentliche Aussagen kritisch zu bewer- ihrem Schreiben an die Redaktion diesbe- werden, die sich nicht scheut, menschen- Existenz einer Nationalität. ten. Deshalb hat der Deutsche Presserat züglich sogar noch einmal nach: feindliche Kommentare des AfD-Politi- Der Artikel gibt die subjektive Sicht ei- entschieden, dass mein Artikel nicht ge- „Sorgen bereitet mir allerdings tatsäch- kers S. auf Facebook zu teilen – diese Au- ner Reiseteilnehmerin wider (sic), ohne gen den Pressekodex verstößt. lich der fortdauernde Siedlungsbau, der torin wendet sich in Ihrer Zeitung einmal anderen Perspektiven Raum zu geben. Es bleibt abzuwarten, welche „Maß- internationalem Völkerrecht zuwiderläuft, nicht pauschal gegen ‚die Muslime‘, son- Ziffern 1,2,3, 4.9“ nahmen“ Frau Zander als nächstes er- was ich im Gespräch auch artikuliert habe. dern gegen eine vermeintlich israelfeindli- In den Augen der Frau Pfarrerin hat greift, um ihre political correctness zu Ich teile diese Meinung mit vielen Israelis, che Pfar rer in…“ mein Artikel den Pressekodex verletzt demonstrieren. Anstatt mich zu belei- mit unserer Bundesregierung, mit EU- und Ob ich oder irgendein anderer Autor da- (www.presserat.de/pressekodex/pres- digen, könnte sie doch z.B. beim Besuch UN-Gremien. Kurz vor dem Besuch der für haftbar gemacht werden kann, wenn sekodex). Sie bezieht sich auf die Ziffern des Tempelberges aus Respekt vor dem Reisegruppe hatte es Schmierereien an ein Onlineblog ohne Impressum, die AfD, 1, 2, 3, 4 und 9: die Wahrhaftigkeit und muslimischen Gastgeber ihr Kreuz ab- der Dormitio-Abtei durch jüdische Extre- die SPD, der Vatikan oder sonst wer einen Achtung der Menschenwürde, die Sorg- legen. Ich werde Sie jedenfalls auf dem misten gegeben, und einige Monate zuvor Artikel verlinkt, ist fraglich. Der vermeint- falt, die Richtigstellung, die Grenzen der Laufenden halten, was die hochmorali- einen Brandanschlag auf die Brotvermeh- liche AfD-Politiker ist übrigens bei der Recherche und den Schutz der Ehre. Das sche Frau Pfarrerin künftig umtreibt. Bis rungskirche in Tabgha. Ich denke, es ist ALFA, ein kritisch denkender Mathemati- ist starker Tobak, deshalb arbeite ich ihre dahin können wir nur stumm schweigen legitim, dass solche Vorfälle beunruhigen.“ ker und treusorgender Familienvater – ihm Unterstellungen der Reihe nach ab: und hoffen, irgendwann so gute Men- Derart einseitige Aussagen sollen nicht Menschenfeindlichkeit zu attestieren, ist „Israelfeindlich“. schen wie sie und ihre Freunde zu wer- israelfeindlich sein? Zudem hatte sich Frau einfach nur schäbig. Frau Zander bezieht sich hier auf den den. 26 ISRAEL № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Israel als Rettung für südlibanesische Christen Nach 2001 hat Israel eine große Zahl von Südlibanesen eingebürgert

Von Oliver Vrankovic

Jonathan Elkhoury ist ein griechisch- orthodoxer Christ und Sprecher des Christlichen Rekrutierungsforums. Ge- boren und aufgewachsen ist der heute 24-Jährige in Marjeyoun, einem christli- chen Dorf im Süden des Libanon. Jonathans Vater war Befehlshaber in der Südlibanesischen Armee, einer christlichen Miliz im Libanesischen Bür- gerkrieg, deren Hauptfeinde die PLO und die schiitische Amal-Miliz waren. Im Zuge der Militäroperation Litani der israelischen Armee gegen die PLO for- mierte sich 1978 ein Bündnis zwischen Israel und der Südlibanesischen Armee. Nach dem Libanonkrieg 1982 kontrol- lierte die SLA mit israelischer Unterstüt- zung bis 2000 den Südlibanon. Zu ihrem erbitterten Feind wurde die immer stär- ker werdende Hisbollah und als Israel 2000 unter Ehud Barak den Abzug aus dem Libanon beschloss, schwor Hassan Nasrallah alle Kollaborateure ausfindig zu machen und zu bestrafen. Trotzdem befahl der israelische Premi- er Barak einige Wochen später den Abzug ohne sich mit der Südlibanesischen Ar- mee abzusprechen. Deren Angehörige, so erzählt Jonathan, seien völlig überrascht gewesen. Befehlshaber der SLA, die der Hisbollah in die Hände fielen, wurden verschleppt oder von Häuserdächern ge- Ariel Scharon worfen. Jonathans Vater und viele andere führende Milizionäre flohen nach Israel, sen, dass seine christlichen Wurzeln im in der Kirche geläutet werden. In Israel, um ihr Leben zu retten. Jonathans Mut- Libanon bis weit vor die arabische Er- Kritik an Ehud Barak so sagt er, könne er sein Kreuz sorglos of- ter entschloss sich mit ihren Söhnen im oberung zurückreichen. Er erklärt nicht Jonathan betont immer wieder, dass er fen tragen. Israel, so betont Jonathan, sei Libanon zu bleiben, was sich als verhäng- ohne Stolz, dass sein Familienname Elk- nicht in politischen Lagern denke. Die das einzige Land im Nahen Osten, dessen nisvoll erweisen sollte. Die Hisbollah houry „Priester“ bedeute und seine Fami- Anliegen der Familien der SLA auf Vor- christliche Bevölkerung wachse. übernahm die Kontrolle über ihr Dorf, lie in der 14. Generation von griechisch- trägen und in den Medien zu vertreten, Als wir uns im Fattoush-Restaurant in hielt eine Militärparade ab und begann orthodoxen Priestern abstamme. Er habe stehe über Parteipolitik. Wenn die Spra- Haifa unterhalten, erzählt Jonathan, wie mit Razzien auf der Suche nach Soldaten nichts gegen Araber, versichert Jonathan, che indes auf Ehud Barak kommt, der sich er vor einigen Jahren vom „Christlichen der SLA. Jonathan floh mit seiner Mutter aber er sei eben keiner. Auf der anderen z. Zt. als Regierungskritiker inszeniert, Rekrutierungsforum“ hörte und sich auf und seinem Bruder ein Jahr später über Seite haben viele israelische Araber ein um sein politisches Comeback vorzube- den Weg zu machte. Das Zypern nach Israel. Die zur Ausreise aus Problem mit Jonathan, den sie als Fami- reiten, ringt Jonathan mit der Fassung: Christliche Rekrutierungsforum wurde dem Libanon notwendigen Papiere für lienangehörigen der Südlibanesischen Jonathan erreichte unlängst große Me- im Oktober 2012 gegründet, um mit der den vorgeblichen Urlaub in Kalifornien Armee für einen Verräter halten. Seine dienaufmerksamkeit, als er sich mit ei- Lüge der arabisch-christlichen Identität via Zypern besorgte Jonathans Großva- Ambition am College zum Vorsitzenden nem kurzen Video an Ehud Barak wand- zu brechen. Gabriel Naddaf wurde zum ter, der als Sorgeberechtigter der Kinder des Studentenausschuss gewählt zu wer- te, um ihn an sein Versagen zu erinnern spirituellen Oberhaupt und rief die isra- galt. Für die Papiere musste er Jonathans den scheiterte daher am Widerstand der den israelischen Rückzug aus dem Südli- elischen Christen im Dezember 2012 in Vater bei den misstrauischen Behörden arabischen Studenten. banon mit der SLA abzustimmen und an einer weit beachteten Rede dazu auf mit als Schläger verleumden. Jonathan bezeichnet sich als israeli- sein Zögern die Tore nach Israel für die der arabischen Identitätslüge zu brechen, Unter Ariel Scharon, der Ehud Barak schen Patrioten und wenn man so wolle, SLA-Leute zu öffnen. Barak, so Jonathan ihr jüdisches Erbe anzunehmen und dem 2001 als Premierminister ablöste, erlang- dürfe man ihn als Zionisten bezeichnen, in seinem Video, das viele tausend Male Staat Israel zu dienen. ten die Angehörigen der Südlibanesischen sagt er. Israel sei eine Demokratie und geteilt wurde, sei der Letzte, der sich als Er habe sich immer gefragt, warum sich Armee und ihre Familien die israelische die Christen in Israel als Teil der arabi- Staatsbürgerschaft. Jonathan verbrachte schen Minderheit sehen würden, erklärt die ersten Monate in Israel in einem Auf- Israel, so betont Jonathan, sei das Jonathan. Er habe deren Assoziierung fanglager in Naharia, wo er mit anderen mit den Arabern und deren Widerstand Kindern aus Familien der SLA unterrich- einzige Land im Nahen Osten, dessen gegen Israel nie nachvollziehen können. tet wurde. Dann zog seine Familie nach Es gebe für Christen keinen Grund die Haifa und weil sich arabische Schulen wei- christliche Bevölkerung wachse. „palästinensische“ Sache zu unterstützen, gerten ihn aufzunehmen, ging er auf eine sagt Jonathan. Die ganze Idee mit den staatliche hebräische Schule. Nachdem er ein Rechtsstaat, der alle seine Bürger moralische Instanz aufspielen „Palästinensern“, die in den 60er Jahren die Schule beendet hatte, leistete Jonathan gleich behandle, erklärt Jonathan und dürfe. aufkam, sei eine muslimische Idee gewe- freiwillig Nationaldienst (Ersatzdienst) betont darüber hinaus, dass er sich von Wie viele libanesische Israelis in den sen. Um einen Masseneffekt zu erreichen, im staatlichen Rambam-Krankenhaus in der israelischen Mehrheitsgesellschaft Libanon zurückkehren würden, wenn sei den Christen die „palästinensische“ Haifa. Danach begann er Politikwissen- immer sehr warm aufgenommen fühlte. sie eine glaubhafte Amnestie bekämen, Identitätskonstruktion mit aufgezwun- schaft und Kommunikation zu studieren. In Nahariya hätten die jüdischen Bewoh- weiß Jonathan nicht. Jeder habe da seine gen worden. 2014 war Jonathan Mitiniti- Da sich seine Eltern mit der Sprache und ner der Stadt den Kindern freiwillig He- persönlichen Erwägungen und für ihn ator von Demonstrationen gegen Hamas der Bürokratie im Land sehr schwergetan bräisch beigebracht und sie auf Ausflüge selber wäre es kein Thema. Jonathan be- und IS in Haifa. hätten, habe er schon in jungen Jahren sehr mitgenommen. zeichnet Israel als seine Heimat. Und weil Als Christ, der seine pro-Israelische viel Verantwortung übernehmen müssen, Da er sehr offen mit seiner Geschichte Israel seine Heimat sei, singe er die Hym- Einstellung vernehmbar äußere, gehöre erklärt Jonathan. Nach seiner Identität und seiner Einstellung umging, wurde ne und stehe zur Fahne des jüdischen er zu einer Avantgarde, sagt Jonathan. gefragt antwortet Jonathan: Griechisch- Jonathan als Repräsentant der Familien- Staates. Die Fahne mit dem Davidstern Gleichwohl ist er sich sicher, dass seine orthodoxer Christ und patriotischer Is- angehörigen der Südlibanesischen Ar- stehe für ihn für Demokratie, Liberali- Ansicht von einer stillen Mehrheit der raeli libanesischer Abstammung und Fa- mee zum gefragten Gesprächspartner. tät und Rechtsstaatlichkeit. Als Christ Christen in Israel geteilt würde. Die blu- milienangehöriger der Südlibanesischen Obwohl seine Muttersprache Arabisch fühle er sich in Israel in keiner Weise ein- tigen Übergriffen auf Christen im Zuge Armee. ist, weiß Jonathan sich sowohl auf Hebrä- geschränkt, sagt Jonathan. Er führt als des „arabischen Frühlings“ hätten vie- Wer ihn als Araber bezeichnet, wird isch als auch auf Englisch eloquent auszu- Beispiel für die Freiheit der Christen die le Christen aufgeweckt, sagt Jonathan. von ihm entschieden darauf hingewie- drücken. Kirchenglocken an, die zu jedem Gebet Quer durch den Mittleren Osten würden № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU ISRAEL 27

Christen verfolgt und getötet, erklärt er. Dies habe in den letzten Jahren zu einem massiven Umdenken geführt, sowohl in Bezug auf den verlorenen Kampf der AFP DIYA, ALI Südlibanesischen Armee für einen christ- lichen Staat im Nahen Osten als auch in Bezug auf Israel als einzigen Ort im Mitt- leren Osten, wo die Christen sicher seien. Das Rekrutierungsforum ist vielgefrag- ter Ansprechpartner für Christen, deren Wunsch zu dienen von der Angst überla- gert ist. Das Rekrutierungsforum führt Vorbereitungskurse durch und steht den christlichen Soldaten zur Seite, wenn die- se in ihren Wohnorten unter Druck ge- setzt werden. Angst hält viele Christen vom Armeedienst ab Körperliche Übergriffe waren in den ers- ten Jahren nach Gründung des Forums und der damit einhergehenden Vervielfa- chung der Rekrutierungszahlen ein gro- ßes Problem. Wenn ein Soldat attackiert wird, steht ihm das Rekrutierungsforum bei der Strafverfolgung zur Seite. Eine der Hauptaktivitäten des Rekrutierungsfo- rums ist neben der Vorbereitung und der Begleitung von Soldaten auch die Unter- stützung nach dem Armeedienst. Politisch hat das Forum erreicht, dass das gesetzliche Verbot einen Rekruten umzustimmen, auf die Minderheiten, Ein Panzer der SLA. die nicht zum Armeedienst verpflichtet sind, ausgedehnt wird. Wenn ein Christ Die zionistische NGO „Im Tirzu“ und in Israel, erläutert Jonathan. Er sei schon Terroristen Mobiltelefone ins Gefängnis oder muslimischer Araber sich heute ein- das Büro des Premierministers waren oft mit dem Vorwurf konfrontiert wor- geschmuggelt hat. Walid Dakah war 1984 schreibt, steht es unter Strafe ihn zu drän- wichtige Unterstützer des Rekrutie- den, sich für ein „Teile und Herrsche“ ein- an der Entführung und Ermordung des gen, seine Entscheidung zu revidieren. rungsforums in den ersten schwierigen spannen zu lassen, erzählt er. Es sei trau- 19-jährigen Soldaten Moshe Tamam be- Jahren. Netanjahu sprach 2014 auf dem rig, aber wahr, dass die israelische Linke teiligt. Wehrpflicht nur für Juden, Dru- Weihnachtskongress des Rekrutierungs- die Nicht-Juden nur als Araber begreifen Der Mordfall Tamam wurde den Is- sen und Tscherkessen forums, wo er von den 1.000 Anwesenden könnte, die der „palästinensischen“ Sache raelis zurück ins Gedächtnis gerufen als In Israel sind nur Juden, Drusen und das arabische Al-Manar-Theater in Haifa Tscherkessen zum Armeedienst ver-  Die ganze Idee mit den „Palästinensern“, ein Stück über den Alltag „palästinensi- pflichtet. Jonathan ist gegen die Wehr- scher“ Gefangener auf die Bühne brachte. pflicht für Christen. Er ist sich sicher, dass die in den 60er Jahren aufkam, Held des Stückes ist Walid Dakah, dessen sich immer mehr Christen aus Überzeu- positive Darstellung die Familie von Ta- gung rekrutieren werden. In den wenigen sei eine muslimische Idee gewesen. mam schockierte und dazu führte, dass Jahren seit Bestehens des Rekrutierungs- Entscheidungsträger in der Politik dar- forums stieg die Anzahl der Christen, mit stehenden Ovationen begrüßt wurde. verbunden seien. Die ausdifferenzierte auf drängten dem Theater die staatlichen die in der Armee dienen von weniger als Jonathan betont das gute Verhältnis, dass Vielfalt an Identitäten und Einstellungen Zuwendungen zu streichen (inzwischen 50 auf fast 600. Außerdem gelang es die er zu Matan Peleg, dem Vorsitzenden von passe da nicht ins Konzept, erklärt Jona- revidiert). Anzahl der Nationaldienst-Leistenden „Im Tirzu“ pflegt. than. Es gebe ein Recht auf freie Meinungs- In Jonathans Ausweis Die Integration in die Mehrheitsgesell- äußerung in Israel, das nicht angetastet ist „Libanesisch“ als schaft unter pro-zionistischen Vorzeichen werden dürfe, sagt Jonathan. Gleichzeitig Nationalitätsvermerk würde außer von den Linken auch von den gebe es kein Recht auf staatliche Förde- eingetragen. Als Israel arabischen Parlamentariern blockiert, är- rung anti-israelischer Propaganda, sagt den Angehörigen der gert sich Jonathan. So gehört der christli- Jonathan und übernimmt dabei die Ar- SLA Ausweise ausstell- che Parlamentarier Basel Ghattas zu den gumentationslinie der Kulturministerin te, bestanden diese dar- wortstärksten Gegnern der Rekrutierung Miri Regev. Jonathan ist es ernst mit sei- auf keine Araber zu sein von Christen. Ghattas sieht dahinter das ner pro-zionistischen Einstellung. und nicht als „Arabisch“ „zionistische Schema“ des Spalten und So ist es auch nicht verwunderlich vermerkt zu werden. Herrschens und beteuert, dass die Chris- zu hören, dass er vom Absorbtionsmi- Entsprechend setzt sich ten ein untrennbarer Teil der arabischen nisterium in einen parlamentarischen Jonathan für die israeli- Gemeinschaft seien. Ausschuss berufen wurde, der sich mit schen Christen ein, die Wie auch Gabriel Naddaf, Sarah Zoabi der Bekämpfung von BDS und Antise- sich auf das aramäisches und Abdol, sagt Jonathan, dass die arabi- mitismus an amerikanischen und euro- Erbe der christlichen Ge- schen Parteien als Vertreter dieser arabi- päischen Universitäten beschäftigt. Aus meinschaft in Israel be - schen Gemeinschaft die Interessen ihrer dem Mund eines Christen, so sagt er, sinnen und „Araber“ als Wähler unzureichend repräsentieren wür- würden die Argumente gegen die Dele- Identität zurückweisen. den. Allerdings sei da vieles im Wandel gitimation Israels im Ausland oft mehr Reserveoffizier Shadi und die Parteien müssten sich zunehmend Gehör finden als aus dem Mund jüdi- Halul, Mitbegründer der Frage stellen, warum sie sich nicht für scher Israelis. des Rekrutierungsfo- eine bessere Infrastruktur in den arabi- Er habe libanesische, aramäische, jü- rums, erreichte nach sie- schen Städten und eine Verbesserung des dische und arabische Freunde sagt Jo- benjährigem Bemühen arabischen Bildungssektors einsetzen, statt nathan, und unter ihnen solche, die sich 2014 beim israelischen dem Widerstand der „Palästinenser“ das nicht groß für Poltik interessieren und Innenministerium die Wort zu reden. Jüngste Kommunalwahler- solche, die andere Ansichten als er vertre- Anerkennung von „Ara- gebnisse ließen die Hoffnung auf eine neue ten. Er argumentiere gerne, gibt Jonathan mäisch“ als Nationali- Generation verantwortungsbewusster ara- zu und betont, dass er keine Berührungs- tätsvermerk in israeli- bischer Politiker zu. ängste mit anderen Meinungen habe. Ein schen Ausweisen. Sein Fanatiker sei er auf keinen Fall, betont er Ehud Barak Sohn Ya’acov Halul war Jonathan ärgert sich über Chris- lachend. der erste offiziell aner- ten in den arabischen Parteien Auf die Frage, warum er mit seiner auf 1/3 der christlichen Schulabgänger zu kannte aramäische Israeli. Den Christen Und da im Besonderen über Azmi Bish- Redegewandtheit nicht in die Politik steigern. in Israel steht es seither offen ihre Identi- rai, den Gründer von Balad, der 2007 aus wechsle, antwortet Jonathan, dass er sei- Langfristig geht es Jonathan nicht nur tät auch formal von „Arabisch“ zu „Ara- Israel floh, nachdem bekannt wurde, dass ne Anliegen außerparlamentarisch besser um diejenigen, die heute Angst haben, mäisch“ zu ändern. er für die Hisbollah spioniert hatte, und vertreten könne. Es sollte aber niemanden sich als Christen zu Israel zu bekennen, Linke NGOs stehen dem Integrations- dessen Cousin Basel Ghattas. Als Christ wundern, ihn in ein paar Jahren doch als sondern auch um Aufklärung und ein anliegen der Christen feindselig gegen- schäme er sich für Ghattas, sagt Jonathan. Abgeordneten in der Knesset zu sehen. Umdenken bei denjenigen, die heute anti- über. Ihre anti-zionistische Agenda erlau- Ghattas wurde unlängst dabei erwischt, Vielleicht als Repräsentant einer zionis- israelische Standpunkte vertreten. be keine pro-zionistischen Minderheiten wie er Walid Dakah und einem weiteren tisch-multikonfessionellen Partei. 28 ISRAEL № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Süddeutsche Zeitung: Angriff auf Holocaust-Gedenkhaine in Israel Das Münchener Leitmedium bleibt sich treu

Von Dr. Nikoline Hansen ist der israelischen Re- bereits über Jahre gewachsen ist. Vie- gierung auch daran le Beduinengemeinden im südlichen „Stammland“ steht in großen Buchsta- gelegen, das Leben der Landesteil Israels nehmen an den Ini- ben auf dem Magazin der „Süddeut- Beduinen mit entspre- tiativen unserer Abteilung für Jugend schen Zeitung“ vom 24. März 2017 und chenden Infrastruktur- und Bildung teil. So beliefern wir im darunter: „Mit Spenden aus Deutsch- maßnahmen zu verbes- Rahmen unserer alljährlichen Grünen land werden in der israelischen Wüste sern. Tage beispielsweise regionale Schulen Wälder gepflanzt – im Gedenken an So liest sich das dann mit Pflanzenkörben aus der JNF-KKL- den Holocaust. Doch der israelische auf der Internetseite Gärtnerei in Gilat. Die pädagogischen Staat nutzt die Aufforstung auch, um des Jüdischen National- Partnerschaften mit Schulen umfassen arabische Beduinen zu vertreiben.“ So- fonds in Deutschland: neben der Bereitstellung von Bäumen mit weiß auch jeder, der das Magazin „Ziel der Arbeit des zur Verschönerung der Schulen aber zufälligerweise sieht, gleich ganz genau, JNF-KKL ist es, die auch die Unterstützung durch die Lie- wo der Schuh drückt: die Deutschen Lebensqualität dieser ferung von Tischen, Bänken und Müll- versuchen sich in Wiedergutmachung Bevölkerungsgruppe tonnen. und der israelische Staat ist böse – er zu verbessern. Es ist Über diese Aspekte hinaus kommt es tut genau das, was der deutsche Staat uns ein Anliegen, ih- immer wieder vor, dass der JNF-KKL seinerzeit tat, nämlich Menschen zu nen Chancengleichheit den Beduinen Land zur Verfügung vertreiben. Wie dann die Überschrift in den Bereichen Ge- stellt, wenn deren Städte und Dörfer suggeriert: von ihrem angestammten sundheit, Bildung und wachsen. Zugunsten der Erweiterung Gebiet. Beschäftigung und den vorhandener oder in Planung befindli- Das ist perfide, aus vielerlei Hinsicht. Zugang zu öffentlichen cher Gemeinden werden mancherorts Zum einen, weil die dahinter stehende Dienstleistungen und bestehende oder geplante Forstgebiete Absicht bereits in dem Untertitel so Einrichtungen zu er- verkleinert – so geschehen in Rahat, deutlich zum Ausdruck kommt: Im- möglichen. Segev Schalom, Makhul oder Drijat.“ mer wieder versuchen die Deutschen Der JNF-KKL unter- Im SZ-Magazin steht dagegen: „Ta- zu sühnen und immer wieder wird stützt die Beduinen da- gelang wimmelte uns der Jüdische dieser Versuch schamlos ausgenutzt – her auf vielfältige Weise Nationalfonds Israel ab … Die Büro- und zum anderen, weil die Geschichte Logo der JNF-KKL durch Infrastruktur-, leiterin, eine Frau mit langem braunem alles andere als neu ist. Offensichtlich Bildungs- und Umwelt- Haar und rotem Halstuch, serviert uns ist der Mann namens Awad Abu-Freih, die Veranlassung, Ansprüche an Land- projekte. Wälder, Stadtparks und Kin- lächelnd Kaffee und hört sich unsere den das Magazin an erster Stelle zitiert, besitz anzumelden, wozu sie zweimal derspielplätze dienen der Bevölkerung Fragen an: Pflanzt der Jüdische Natio- schon ziemlich lange in dieser Mission die Gelegenheit gehabt hätten. als wichtige Naherholungsgebiete. Im nalfonds Wälder auf Land, das Bedui- unterwegs: im Internet findet sich ein Regelmäßig bemüht sich die israe- Lahav-Wald beispielsweise können die nen gehört? Was sagt sie zu den Fotos, Youtube-Video, das die NGO „Negev lische Regierung deshalb verstärkt in Bewohner von Be’er Schewa, Lehavim, die uns vorliegen und die Bulldozer des Coexistence Forum For Civil Equa- den letzten Jahren, den Beduinen Per- Lakiya und Rahat entspannen. Der Ya- Jüdischen Nationalfonds zeigen, wie sie lity“ bereits am 25. Dezemeber 2014 spektiven anzubieten, und es gibt viele tir-Wald ist vor allem für Anwohner der Häuser und Zelte niederreißen? Und hochgeladen hat – wohl als eine direkte Initiativen, um die Lebensbedingun- südlichen Judäischen Berge, Huras und der Wald der deutschen Ländern?“ Reaktion auf einen Spendenaufruf der gen der Beduinen in Israel zu verbes- Kuseifas, ein beliebtes Ausflugsziel. Bei diesen Fragen ist es kein Wunder, SPD zur Pflanzung von Bäumen im sern. Etwa 160.000 leben im Negev, Zudem haben die Beduinen die Mög- wenn die Antwort lautet: „Wald deutscher Länder“. und noch viele leben in den Zelten lichkeit, ihre Ziegen- und Schafherden „Tut mir leid, darüber darf ich nicht Unter dem Mantel der Reportage aus „zerfetzten Plastikplanen“, wie die in den Wäldern des JNF-KKL grasen mit Ihnen sprechen.“ Zumindest das breiten die Autoren Michael Obert und „letzten Bewohner von Al-Arakib“ wie zu lassen. Das deckt nicht nur einen Büro von Edmund Stoiber in München Moises Saman (Fotos) ihre Geschichte das SZ Magazin schreibt. Ausführlich Großteil des Nahrungsbedarfs der Tie- gibt Auskunft: „Es habe ‚keinen Hin- aus – oder besser die Geschichte, die werden dort die dramatisch wirkenden re, sondern minimiert auch die Wald- weis auf rechtliche Probleme im Zu- ihnen ein Beduinenstamm erzählt. Die Ausführungen des erlittenen Unrechts brandgefahr. Das Abgrasen von Ge- sammenhang mit dem Wald der deut- Reportage kann online nur gegen Be- von Abu-Freih über mehrere Seiten ge- büsch und Unterholz minimiert zudem schen Länder‘ gegeben“ - woher auch? zahlung gelesen werden, schmackhaft schildert, um dann in Aussagen wie die- den Ausbruch bzw. die Verbreitung von Die Situation ist geklärt. Das letzte gemacht wird sie da mit diesem Aufrei- ser zu münden: „Mit dem israelischen Waldbränden. Wort im SZ-Artikel hat dagegen Awad ßer: „Und dann muss Awad Abu-Freih Landerwerbsgesetz von 1953 erklärte Auch als Arbeitgeber kooperiert der Abu-Freih – analog zum Aufreißer der schnell weg. Ein befreundeter Nachbar Israel alles Land, das nicht registriert JNF-KKL mit Beduinen. Sie werden Online-Version. „ ‚Wir müssen sofort hat ihn gerade auf dem Handy angeru- war, zu Staatsbesitz. Allein im nördli- vielerorts als Waldbrandbeobachter, gehen. … Wenn sie mich hier erwi- fen: Die Leute vom Jüdischen National- chen Negev verloren die Beduinen ge- Fahrer von Löschwagen und als Fach- schen, werfen sie mich ins Gefängnis.‘ fonds seien im Anmarsch. Abu-Freih schätzte 100.000 Hektar Land, fast die personal eingestellt. Außerdem ar- Als Eindringling auf dem Land, das er fürchtet, dass sie ihn ins Gefängnis ste- doppelte Fläche des Bodensees.“ Viel- beiten Beduinen als Wegführer und sein Eigen nennt.“ cken, sollten sie ihn hier erwischen. Da- leicht lohnt es sich zu erwähnen, dass in der Waldverwaltung. Ein aktuel- Das mag bedauerlich sein, allerdings bei steht er gerade auf seinem eigenen es sich bei diesem Land fast ausschließ- les Projekt ist der Wadi Attir Modern sollten die Autoren, die eine mehrere Grundstück, aber darum geht es ja.“ lich um Wüste handelte, und dass es bei Farming Employment Park. Auf dem Jahre alte Geschichte einmal mehr so diesem Gesetz darum ging, den Status Bio-Bauernhof, der mit Hilfe des JNF- rührend aufgewärmt haben vielleicht Fehlende Grundbücher quo festzuschreiben, also für die zu bri- KKL derzeit neben der Ortschaft Hura mal folgende Fragen stellen: Warum Hintergrund des Artikels ist ein seit tischer Zeit festgeschriebenen Besitz- aufgebaut wird, werden die Beduinen nennt ihr Protagonist Land sein Eigen, Jahren schwelender Streit zwischen Be- verhältnisse Rechtssicherheit in Israel ökologische Landwirtschaft betreiben dessen Eigentumsanspruch seit vielen duinenstämmen und der israelischen zu garantieren. und über ihre traditionellen Anbaume- Jahren verwirkt ist? Was würde er mit Regierung, und er reiht sich ein in thoden unterrichten. dem Land tun, wenn er es hätte? Und Landstreitigkeiten, die aufgrund feh- Die Regierung bietet den Be- Der JNF-KKL finanziert außerdem warum arbeitet er nicht mit dem Jüdi- lender Grundbücher und insbesondere duinen immer wieder Hilfe an Wasserreservoire und Wasser-Recyc- schen Nationalfonds zusammen, wie der im 19. Jahrhundert angewandten – erfolglos linganlagen. Ar’ara Wastewater Treat- viele Beduinen es bereits tun? Wäre das Regelung zur Aneignung von brach- Die israelischen Stimmen, die in dem ment Plant beispielsweise ist eine Klär- nicht der zukunftsweisende Weg für liegendem Land nach osmanischem Artikel weiter über das Unrecht lamen- anlage für die Beduinensiedlungen im Frieden? Recht und dessen Verkauf zu Spottprei- tieren, das den Beduinen dadurch ge- Negev. Zum einen soll sie das Abwas- Diese Fragen werden von den deut- sen entstanden und regelmäßig immer schah, lesen sich wie ein „Who is Who“ serproblem der Gemeinden lösen und schen Medien wohl kaum gestellt wer- wieder Anlass zu Auseinandersetzun- der bekannten israelischen Kritiker an ihnen zum anderen Wasser für Bewäs- den, und wenn dann würden sie wahr- gen im Nahen Osten geben. Denn vie- der Politik des Staates Israel, auch wenn serung und Gartenbau liefern. Ein wei- scheinlich nicht beantwortet werden. le Juden, allen voran Baron Edmond sie eigentlich nicht viel Neues zu sagen teres Beispiel ist das Rahat-Mishmar Denn das wäre dann keine Geschichte de Rothschild ergriffen die Möglich- haben: „Der israelische Schriftsteller Hanegev Treated Wastewater Reser- wert. Was bleibt ist der Skandal, dass keit Land zu kaufen, und Anfang des Amos Oz, Träger des Israel-Preises für voir. Der Klärwasser-Stausee verbes- mit einer guten Sache, wie der Auffors- 20. Jahrhunderts begann der jüdische Literatur und des Friedenspreises des sert nicht nur den regionalen Wasser- tung und Fruchtbarmachung der Wüs- Nationalfonds systematisch mit dem deutschen Buchhandels, machte sich haushalt, sondern ermöglicht auch die te in Israel mit deutscher Unterstüt- Ankauf. Dass von diesen Aufkäufen im Negev selbst ein Bild von der Situ- Bewässerung der umliegenden Felder. zung wieder einmal israelfeindliche möglicherweise besonders auch Bedui- ation der Beduinen und beschrieb die- Auch im Bereich Bildung gibt es eine Propaganda und Politik gemacht und nen betroffen waren, liegt in der Natur se als ‚tickende Zeitbombe‘.“ Damit ist intensive Zusammenarbeit zwischen von deutschen Medien mit Freude ver- ihres Wanderlebens, denn sie sahen nie er nicht alleine – und gerade deshalb den Beduinen und dem JNF-KKL, die breitet wird. № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU KULTUR 29 Gerechte unter den Deutschen Der jüdische Frauenverein veranstaltet eine neue Ausstellung in Dresden

Von Karl Pfeifer schen geblieben sind. So vermerkt er am 5. Oktober, Montagnachmittag, „Wer auch immer ein einziges Leben ret- wie zwei radelnde große Hitlerjungen tet, der ist, als ob er die ganze Welt gerettet ihn überholten und irgendetwas riefen. hätte” – Babylonischer Talmud Traktat „Gleich darauf in Gegenrichtung ein Sanhedrin 37a radelnder Arbeiter von etwas zwanzig Der jüdische Frauenverein in Dres- Jahren; er beugt sich mit freundlichem den hat mit der Ausstellung über die Lächeln mir zu: Das muss Ihnen gar „Gerechten“ in Deutschland zur Auf- nicht kümmern!“ klärung über das dunkelste Kapitel Doch solche Gesten der Solidari- deutscher Geschichte einen wichtigen tät gab es nicht viele. Der Mangel an Beitrag geleistet. Insbesondere be- Solidarität wurzelt in einer langen, tonen sie die Rolle deutscher Frauen konfessionellen, sozio-ökonomischen beim Retten von Menschenleben. und rassistischen Tradition, die der Es waren zu wenig Gerechte, und nationalsozialistischen Judenverfol- ihre Geschichte kann nur in Verbin- gung vorgearbeitet hat. Die systema- dung zur Verfolgung der Juden gesehen tische Verfemung und Entrechtung werden. Doch gerade in unserer Zeit, der Juden durch die nationalsozialis- die gekennzeichnet ist von wachsender tische Propaganda und Gesetzgebung Fremdenfeindlichkeit und nicht nur und die Angst vor der Judenhelfern autochthonem Judenhass, tut Aufklä- drohenden strengen Bestrafung ha- rung not. Den nationalsozialistischen ben zudem die Fähigkeit der meisten Machthabern gelang nicht die von ih- Deutschen zu aktivem Mitleid so stark nen angestrebte gänzliche Ausrottung blockiert, dass sie resigniert oder in der Menschlichkeit. Es gab Deutsche, stumpfer Teilnahmslosigkeit zuerst die ihr Leben riskierten, um verfolgten der Entrechtung und Beraubung und Juden zu helfen. zuletzt der Deportation und damit Viktor Klemperer, der als getaufter auch der Ermordung ihrer jüdischen Jude und Ehemann einer „Arierin“ in Mitbürger zusahen. Dresden lebte und kurz vor der ange- Und doch gab es Deutsche, die un- kündigten Deportation nach der Bom- ter Gefährdung ihres Lebens und ih- bardierung von Dresden am 13. Feb- rer Freiheit verfolgten Juden halfen. ruar 1945 flüchten konnte, berichtet in Sie gehören zu jenen „Gerechten“, die seinen Tagebüchern 1933 – 1941 und nach uraltem jüdischen Volksglauben 1942 – 1945 über diese Zeit. Im Mai in jeder Generation leben und durch und Juni 1942 wurden auch die Klem- Victor Klemperer machte vereinzelt auch gute Erfahrungen. ihre guten Taten den Weiterbestand perers mehrfach von Gestapo-Roll- der Menschheit ermöglichen. Sie sind kommandos heimgesucht. Sie wurden liert, Nahrungsmittel und Bücher wur- darüber, sondern auch von einzelnen Beispiel und Mahnung dafür, dass die beschimpft, bespuckt, geprügelt, die den entwendet. Deutschen, die durch eine Geste oder Menschenrechte nie und nirgends ver- Wohnungseinrichtung wurde demo- Klemperer schreibt aber nicht nur einen Satz gezeigt haben, dass sie Men- letzt werden dürfen.

Spannende Zürich-Krimis: Wie Rabbi Klein Mordfälle löst Rezension der Hörbücher „Kains Opfer“ und „Das Ende vom Lied“ Von Ulrike Stockmann meinde war – und zudem unglücklich interessanten Bezug zwischen Thora- Visuellen ins Auditive vermag die Sinne verliebt in den Rabbiner. figuren und dem jeweiligen Fall anzu- beim Erschließen einer Geschichte völ- Ein Rabbiner als Detektiv in einer Krimi- Pragmatisch, aber nicht ohne Charme stellen. lig neu zu öffnen. Reihe? Das klingt ungewöhnlich, ist und Chuzpe, ermittelt Rabbi Klein im Und – so viel sei verraten: Selbstver- Der Autor Alfred Bodenheimer wur- aber sehr spannend. Zumindest in den Namen der Gerechtigkeit und verärgert ständlich sind die vielsagenden Buch- de 1965 in Basel geboren. Er erhielt Romanen von Alfred Bodenheimer. damit nicht nur die zuständige Kommis- titel „Kains Opfer“ und „Das Ende vom eine traditionelle jüdische Ausbildung Der Autor hat bislang drei Kriminal- sarin, sondern sorgt auch in seiner Ge- Lied“ auch nicht zufällig gewählt, son- und betrieb Talmudstudien an der Yes- romane um den Zürcher Rabbi Klein meinde für Aufruhr. dern geben in poetischer Doppeldeu- hiva University in New York und an der veröffentlicht. Die ersten beiden Fälle Natürlich sind Kleins Fälle beste Lek- tigkeit Aufschlüsse über den Inhalt. Yeshivat Hamivtar in Efrat, Israel. Da- „Kains Opfer“ und „Das Ende vom Lied“ türe für Zürich-Fans und solche, die es All das liest sich sehr gut in Buch- nach studierte er Deutsche Philologie liegen nun als Hörbücher im Verlag werden wollen. form. Eine zusätzliche Qualität erhalten und Geschichte in Basel, wo er schließ- „Hörkultur“ vor. Darüber hinaus geben die Krimis von die Stoffe jedoch in den Hörbüchern, lich 1993 in Neuerer Deutscher Litera- Diese beiden Mordfälle bieten alle Alfred Bodenheimer einen sehr interes- die vom Verlag „Hörkultur“ produziert turgeschichte promovierte. Es folgten Genre-Elemente, die ein guter Krimi santen Einblick in jüdisches Gemeinde- wurden. Sprecher Thomas Sarbacher Lehr- und Forschungstätigkeiten in braucht: Nervenkitzel, einen rätselhaf- leben, was vor allem für Außenstehen- gelang unter der Regie von Franz Wass- Israel, Deutschland und der Schweiz, ten Tathergang und im Mittelpunkt ei- de spannend sein dürfte. Kurzweilig mer ein ausdrucksstarker und markan- darunter 2002 seine Habilitation in nen unerschütterlichen Haupthelden, und scheinbar beiläufig gewährt der ter Vortrag der beiden Krimis. Genf. Seit 2010 leitet er das Zentrum der zufällig in die Ermittlungen verwi- Autor Einsichten in die täglichen Pflich- für Jüdische Studien an der Universität ckelt wird und schließlich verbissen um ten, Freuden und Nöte eines Rabbiners. Basel. die Aufklärung des Falls kämpft. Jüdische Feste, Glaubensriten und Ge- Seine Tätigkeit als Krimiautor unter Und natürlich können die Leser bzw. bräuche sind in die Handlung eingeflos- jüdischen Vorzeichen beschreibt Bo- Hörer gespannt mitfiebern, wenn mit sen. Nicht selten werden Spannungen denheimer als angenehme, jedoch den Waffen der Logik um die zentrale zwischen Tradition und Moderne the- nicht ganz artfremde Abwechslung zu Krimifrage geknobelt wird: Wer war es? matisiert sowie die Frage, was es heißt, seinen universitären Verpflichtungen Wenn Gemeindemitglieder zum Op- im 21. Jahrhundert praktizierender Jude und klassischen wissenschaftlichen Pu- fer haarsträubender Mordfälle werden, zu sein. blikationen. empfindet es der gewissenhafte Rabbi Außerdem neigt der ernsthafte Rab- Wohl nicht umsonst spielt sein aktu- Klein als seine Pflicht, eigene Nachfor- bi Klein, der wohl eindeutig den Ti- ellster Klein-Krimi „Der Messias kommt schungen anzustellen. Vor allem, solan- tel eines Gelehrten verdient hat, zu nicht“ an seiner eigenen Baseler Univer- ge die Polizei offensichtlich die falsche philosophisch-theologischen Grübe- sität. Spur verfolgt. leien. In diesen inneren Monologen „Kains Opfer“ und „Das Ende vom „Kains Opfer“ handelt vom Mord lässt der Rabbiner unter dem Eindruck Lied“ von Alfred Bodenheimer erschie- an einem allseits beliebten jüdischen eines Mordfalls alttestamentarische nen 2016 als Hörbücher im Verlag „Hör- Primarschul-Lehrer und guten Bekann- Geschichten Revue passieren. Dies ver- Die Hörbücher bieten selbst leiden- kultur“. Je ab 19,75 Euro. ten Kleins. In „Das Ende vom Lied“ wird anlasst ihn, die Tat unter völlig neuen schaftlichsten Leseratten eine tolle Ge- eine Frau vor einen Zug gestoßen, die Gesichtspunkten zu betrachten. legenheit, dieses Medium einmal aus- Erhältlich u.a. unter: ein engagiertes Mitglied in Kleins Ge- Dem Autor ist es hier gelungen, einen zuprobieren. Denn der Wechsel vom www.hoerkultur.com 30 KULTUR № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU „Dos Jidisze Wort“: Die Stimme der polnischen Juden Zu Gast in einer jiddischen Zeitungsredaktion in Warschau In Polen hat bis heute eine jüdische Gemeinschaft überlebt. Interessan- terweise spricht eine beachtliche Zahl der Mitglieder noch immer die tradi- tionelle Sprache der mittel- und osteu- ropäischen Juden: Jiddisch. Sie haben diesen besonderen Sprachschatz durch die Jahrhunderte gerettet. Deshalb erscheint auch die einzige Zeitschrift der Juden in unserem Nachbarland auf Polnisch und Jiddisch. Björn Ak- stinat interviewte für die JÜDISCHE RUNDSCHAU Marek Hause, einen deutschsprachigen Mitarbeiter des Magazins namens „Dos Jidisze Wort/ Słowo Żydowskie”. JÜDISCHE RUNDSCHAU: Wann, von wem und warum wurde Ihre Zeit- schrift „Dos Jidisze Wort” gegründet? Marek Hause: „Dos Jidisze Wort” (Das Jüdische Wort) hat in Polen eine über siebzigjährige Tradition. 1946 wurde in Lodz dank der polnischen Regierung die Tageszeitung „Folks Sztyme“ (Volksstimme) in jiddischer Sprache gestartet. Nach der Gründung der „Sozialkulturellen Gesellschaft der Juden in Polen“ (TSKŻ – Towarzystwo Społeczno-Kulturalne Żydów w Pol- sce) wurde die Zeitung von der Gesell- schaft in Warschau weiter betrieben. In Titelseiten von „Dos Jidisze Wort” den 1960er Jahren entstand ein zusätz- licher Teil der Zeitung auf Polnisch. Worüber berichten Sie in jiddischer teren Gemeindemitglieder. mit jiddischen Sprachkenntnissen liegt Aufgrund der Judenvertreibung und Sprache? Gibt es in Polen Initiativen zur För- jedoch höher. Zu den Ländern, wo am Verkleinerung der Leserschaft musste Der Inhalt des jiddischsprachigen derung der jiddischen Sprache? meisten Jiddisch gesprochen wird, ge- die einzige jiddischsprachige Zeitung Abschnitts unterscheidet sich vom pol- Wir als Gesellschaft bekommen fi - hören die USA, Israel und Russland. Polens ab 1968 auf einen wöchentlichen nischen Teil der Zeitschrift. Doch the- nanzielle Mittel der polnischen Regie- Meinen Sie, dass sich die Deutschen Erscheinungsrhythmus umgestellt wer- matisch gesehen berichten beide Teile rung für die Herausgabe des Magazins. mehr um die jiddische Sprache küm- den. Nach dem Ende des Kommunis- über das jüdische Leben in Polen und Die Gelder gibt es aber nicht speziell mern müssten? mus änderte sie ihren Namen 1991 zu über das Judentum in der Welt. Der zur Unterstützung der jiddischen Spra- Ja, die deutsche Regierung und die „Dos Jidisze Wort/Słowo Żydowskie”. Deutschen sollten sich für die jiddische Ab diesem Zeitpunkt erschien sie alle  600.00 Menschen weltweit Sprache mehr einsetzen, denn sie ist ein zwei Wochen und wurde hauptsächlich Teil der deutschen Kultur. Bezüglich des auf Polnisch verfasst. Seit 2002 kommt sprechen Jiddisch im Alltag. deutsch-jüdischen Verhältnisses steht für die zweisprachige Zeitschrift einmal die polnischen Juden allerdings nicht allein im Monat in Warschau heraus. Der jid- die jiddische Sprache im Vordergrund. Wir dische Anteil beträgt gegenwärtig etwa jiddische Teil verfügt noch zusätzlich che oder zur Förderung des jiddischen als „Sozialkulturelle Gesellschaft der Juden 30 %. Ihr Chefredakteur ist Artur Hof- über eine Rubrik mit Poesie. Zeitschriftenteils. in Polen“ würden uns über eine allgemeine man, der zugleich auch der Vorsitzende Wie viele jiddische Muttersprachler Gab es bereits Fördergelder von deut- Erweiterung der Zusammenarbeit mit der der Gesellschaft TSKŻ ist. gibt es noch in Polen? scher Seite? deutschen Botschaft in Polen und mit den Warum enthält Ihre Zeitschrift bis Vor dem Zweiten Weltkrieg sprachen Wir haben keinerlei Hilfsmittel von Deutschen freuen. heute einen großen Teil in jiddischer fast 80 % der polnischen Juden Jiddisch, der Bundesregierung oder der deut- Wie ist das Verhältnis der katholischen Sprache? nur etwa 12 % Polnisch und lediglich 8 schen Botschaft bekommen. polnischen Bevölkerung zu den Juden in Unsere Zeitschrift wird weltweit % Hebräisch. Heute, so schätzen wir, Wie beurteilen Sie die Situation der jid- Polen? abonniert und in einem Teil der Ge- liegt die Zahl der Jiddischsprachigen dischen Sprache in Europa und weltweit? Das ist ein heikles Thema, denn wie meinden spielt Jiddisch als Teil der jü- bei etwa 1.000 Personen. Das sind ca. Es wird geschätzt, dass noch etwa auch in Deutschland gibt es hier Antisemi- dischen Kultur weiterhin eine große 14 % Prozent aller in Polen lebenden 600.000 Menschen Jiddisch in ihrem tismus. Gleichzeitig ist es in Polen schick, Rolle. Juden. Es sind zum größten Teil die äl- Alltag sprechen. Die Zahl der Personen ein Jude zu sein, denn Juden gelten als reich und klug. Das Judentum erlebt hier derzeit Sie interessieren Sich für die „Jüdische Rundschau“, möchten sie aber aus bestimmten eine gewisse Renaissance. Wegen der jet- zigen politischen Situation in Polen ist die Gründen nicht abonnieren. Deswegen haben Sie die Zeitung ab und zu im Zeitungski- Bevölkerung zweigeteilt. Wahrscheinlich haben beide Fraktionen gleich viele An- osk gekauft. Aber Sie laufen nicht gerne zum Zeitungskiosk oder finden da die Zeitung hänger. Aber es lässt sich sagen, dass es mo- mentan in Polen für Juden nicht gefährlich nicht immer. Möglicherweise ist Ihre Beweglichkeit begrenzt oder Sie möchten es lieber ist. Wie beurteilen Sie das Verhältnis zwi- bequem… schen der polnischen Regierung und Israel? Es gibt regelmäßige politische Treffen und auf offizieller Ebene findet eine An- Dann haben wir ein näherung statt. Der jetzige polnische Prä- sident zitiert sogar gerne die romantische tolles Angebot für Sie! Beschreibung „Volksrepublik der Freun- de“, wenn er von den israelisch-polnischen Beziehungen spricht. Sie können auf unserer Website www.juedische-rundschau.de die aktuelle Ausgabe der Björn Akstinat ist Leiter der Internatio- „Jüdischen Rundschau“ bestellen und online bezahlen. Die Zeitung wird innerhalb von nalen Medienhilfe (IMH), des Netzwerkes interkultureller Publikationen und Rund- 24 Stunden nach Bestellung und Bezahlung an Sie verschickt und kommt direkt zu Ih- funkprogramme weltweit, zu dem auch nen per Post in einem neutralen Briefumschlag. deutsch-jüdische und jiddische Medien aus verschiedenen Ländern gehören – zum Bei- spiel „Dos Jidisze Wort”. № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU KULTUR 31 „Wir sind noch längst nicht überflüssig“ 10 Jahre Kampf gegen Antisemitismus an deutschen Universitäten Die „Akademiker für Frieden im Nahen Osten e.V“ kämpfen seit 10 Jahren aktiv gegen anti-israelische Tendenzen an deut- schen Hochschulen. Dr. Elvira Grözinger ist Vorsitzende und Sprecherin der deutschen Sektion der „Scholars for Peace in the Middle East“, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Beste- hen feiert. Die Literaturwissenschaftlerin, Publizistin und Übersetzerin gehört zu den Gründungsmitgliedern und war meh- rere Jahre die stellvertretende Vorsitzende der Vereinigung. JÜDISCHE RUNDSCHAU: Was sind die Scholars for Peace of the Midd- le East? Für welche Werte stehen die Mitglieder ein und welche Ziele verfol- gen sie? Elvira Grözinger: Die Vereinigung „Scholars for Peace in the Middle East“ (SPME) ist eine internationale Non- Profit-Wissenschaftlerorganisation, der in mehreren europäischen Ländern, vor allem aber in den USA, 50.000 Mitglie- der angehören. Die Organisation wur- de 2002 in den USA als Antwort auf den aus Großbritannien geplanten Boy- kott der israelischen Universitäten und Wissenschaftler gegründet. Das Ziel war und ist, an den Hochschulen im akademischen Milieu dem Antisemi- Dr. Elvira Grözinger tismus und Antiisraelismus zu begeg- nen und durch sachliche Debatte und disziplin, Herkunft oder Religion ihrer semitismus deutschlandspezifisch sind? wie feiert der Verband sein zehnjähriges Aufklärung über den Nahostkonflikt Mitglieder, sowohl im universitären Ja. Es gibt natürlich auch unter den Bestehen? zu einem besseren Verständnis und so- als auch sonstigem Bildungssektor ak- deutschen Akademikern die Neigung Wir planen – neben den wie bisher mit zur Verständigung beizutragen. tiv. Wir arbeiten auch mit anderen be- zur sogenannten Israelkritik, einer oft während des Jahres üblichen Vorträ- Warum ist der Fokus auf Forschung freundeten Organisationen zusammen an den Antisemitismus grenzenden gen – am Jahresende ein Symposi- und Lehre an den Universitäten und und sind für alle Gleichgesinnten offen. Schuldabwehrreaktion mit der Sicht um, bei dem die mit unserer Arbeit Hochschulen so wichtig? Zudem unterstützen uns Studierende auf Juden als „Täter“ im Nahostkon- hierzulande und dem für die jüdische Weil der Antisemitismus in der Ge- und Dozenten, die an ihren Instituti- flikt, gepaart mit der Forderung nach Geschichte und den Staat Israel zu- sellschaft weit verbreitet ist und die onen mit antiisraelischen Tendenzen dem „Schlussstrich“. Deutsche Begriffe sammenhängenden Themen aus ver- Darstellung des Nahostkonflikts an und Antisemitismus konfrontiert sind. wie „Auschwitzkeule“ oder „Tätervolk“ schiedenen Blickwinkeln erörtert wer- deutschen Universitäten, kirchlichen Würden Sie sagen, dass sich in den sind ja bekannt. den sollen. Zu den Rednern werden Akademien und parteinahen Stiftun- vergangenen zehn Jahren die Haltung Seit einigen Jahren flüchten viele AkademikerInnen aus dem SPME und gen immer noch nicht frei von juden- der Lehrenden an den Universitäten Menschen aus Krisengebieten nach weitere geladene Hochschullehrer wie und israelfeindlichen Inhalten ist, die in Deutschland zum Thema Israel und Deutschland, überwiegend aus mus- auch Journalisten, Publizisten und Po- nicht selten von nicht objektiven oder Konflikten im Nahen Osten verändert limisch geprägten Ländern. Unlängst litikerInnen gehören. unzureichend informierten Dozenten hat – womöglich zum Positiven? Kann werden Stimmen über einen neuen An- Sie sind nun seit gut acht Wochen oder Gastrednern vermittelt werden. Vorsitzende der Sektion in Deutsch- Die dort Ausgebildeten sind die künf- land. Wodurch wird Ihre Arbeit in den tigen Meinungsträger und müssen mit  Ein großer Naschschub an nächsten Jahren geprägt sein? Sind Sie korrekten historischen Fakten umge- optimistisch, wenn Sie an die Zukunft hen können. Antisemiten ist nach Deutschland denken? Was kann das Bildungssystem tun, Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, um Antisemitismus und Feindseligkei- gekommen. sagt der Volksmund. Wenn es den Ju- ten gegenüber Israel entgegenzuwirken? den in Deutschland schlecht geht, ist Wenn die deutsch-jüdische Ge- SPME Deutschland Erfolge für sich ver- tisemitismus in Deutschland laut. Wel- es ein Alarmzeichen für den Zustand schichte, die jüdische Kultur und die buchen? che Beobachtungen hat SPME Deutsch- der Gesellschaft, deren Teil wir alle Geschichte des Nahostkonflikts richtig Ja und nein. Einerseits gibt es inzwi- land in dieser Sache gemacht? Wie kann sind. Wir haben viele Freunde, aber dargestellt werden, beugt es Vorurtei- schen schon eine gewisse Sensibilität Deutschland dagegen vorgehen? gleichzeitig auch Gegner, die an ei- len und der Judenfeindschaft vor. Da im Umgang mit dem Thema, aber auf Mit den Migranten aus den islami- nem politischen und gesellschaftli- sich die Bildungsanstalten an Multi- der anderen Seite haben wir es mit ei- schen Ländern ist ein großer Nach- chen Frieden nicht interessiert sind. plikatoren wie Publizisten oder Lehrer ner verstärkten antiisraelischen Pro- schub an Antisemiten und Israelfein- Unsere Aufklärungsarbeit ist nötig wenden, ist es verheerend, wenn falsche pagandaaktivität von muslimischen den jeden Alters nach Deutschland und muss fortgesetzt werden, denn Informationen weitergegeben werden, oder deutschen araberfreundlichen gekommen. Zusammen mit der zu Deutschland hat eine Verantwortung insbesondere an Schüler und Medien. Studierenden und Dozenten bei Ver- beobachtenden verstärkten Radika- den jüdischen Bürgern in diesem Land Seit zehn Jahren gibt es einen Ableger anstaltungen zu tun, die zum Teil aus lisierung unter den hier – wie auch in wie dem Staat Israel gegenüber und des Verbands in Deutschland, ein stol- dubiosen Quellen finanziert werden. anderen europäischen Ländern – gebo- die besonderen Beziehungen müssen zes Jubiläum! Lassen Sie uns deshalb Doch wir haben durchaus Erfolge zu renen muslimischen Jugendlichen ist fester im Bewusstsein der jüngeren kurz zurückblicken: Von wem wurde verbuchen, wie die mehrfache Verhin- ein gesamtgesellschaftliches Problem Generation verankert sein werden. SPME Deutschland 2007 gegründet? derung von eindeutig israelfeindlichen entstanden, das nur durch energische Das ist die Aufgabe der Bildungspoli- Und gab es einen bestimmten Grund zu Veranstaltungen mit Gastrednern, Maßnahmen der Staatsorgane in den tik auf allen Ebenen. Diese Botschaft jener Zeit, auch in Deutschland aktiv Überprüfung und sogar Entlassung Griff zu bekommen ist: Strikte Ein- herüberzubringen, ist eines unserer zu werden? von Dozenten, die wissenschaftlich haltung des Grundgesetzes, Respekt Ziele. Wir wollen unseren Beitrag zum : Die deutsche Sektion (Akademi- nicht haltbare Inhalte vermitteln. Wir unserer demokratischen und ethischen gesellschaftlichen Frieden leisten und ker für Frieden im Nahen Osten e.V.) haben auch bezüglich einiger einsei- Werte, Beseitigung der Parallelgesell- mit vereinten Kräften – with a little entstand 2007 als Antwort auf erneute tig antiisraelischer, bisweilen antise- schaften, verstärkte Aufklärung und help from our friends – wird es auch Boykottaufrufe gegen israelische Hoch- mitischer Darstellungen in deutschen Kontrolle der islamischen religiösen besser gelingen. Wir laden alle ähnlich schulen und Wissenschaftler. Ihre Ziele Schulbüchern bei Verlagen erfolgreich Ausbildungsstätten. Fälle von Hass denkenden AkademikerInnen ein, uns sind dieselben wie die der amerikani- interveniert. Aber es gibt leider noch und Aggressivität, die in letzter Zeit hierbei zu unterstützen – persönlich schen Vereinigung. Gegründet wurde viel zu tun und wir sind noch längst besonders virulent sind, dürfen in einer wie durch Spenden. sie von einigen engagierten deutschen nicht überflüssig geworden. zivilen Gesellschaft nicht geduldet und Akademikern, zu denen ich gehöre, und Gibt es Problematiken oder Themen, müssen geahndet werden. Das Gespräch führte ist seither, unabhängig von der Fach- die in Bezug auf israelbezogenen Anti- Kommen wir zurück zum Jubiläum – Isabelle Rondinone 32 KULTUR № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Der Verlust der politischen Mitte Das wieder aktuelle Buch von Felix Weltsch „Das Wagnis der Mitte“ von 1936 Von Dr. Carsten Schmidt schreibt, dass es dieses Anhö- ren beider Pole ist, was eine Als das Buch „Wagnis der Mitte“ des gewisse Spannung auslöst – Philosophen und Journalisten Felix und auch die gilt es auszuhal- Weltsch 1936 im mährischen Ostrau ten, denn A würde B vielleicht (tschech. Ostrava) erschien, befand nie ernstnehmen oder ruhig sich Mitteleuropa 7 Jahre nach der hören, was die wahren Ziele bislang größten Weltwirtschaftskrise von B sind. Dies – und eine zerrissen zwischen radikalen Weltan- Ernsthaftigkeit und Wahrhaf- schauungen und der Bedrohung des tigkeit gegenüber der Realität sich ausbreitenden Faschismus. Im da- – sind für den Autor die ersten mals noch vergleichsweise friedlichen Ansätze zu einer schöpferi- Prag wohnte Felix Weltschs Familie schen Mitte. Der letzte Schritt seit 300 Jahren – ebenso wie die seines ist „der Mut, ins Ungewiße engsten Freundes Max Brod, mit dem vorzustoßen.“ er seit dem 6. Lebensjahr verbunden war. Der heute weltbekannte Autor Wie viel hat die Welt in Franz Kafka war über 20 Jahre lang ihr 80 Jahren daraus ge- gemeinsamer Vertrauter. lernt? Während Felix Weltsch 1936 die jü- 1936 wie heute gibt es viele, dische Wochenzeitschrift „Selbstwehr“ die nicht auf die Mitte set- in Prag herausgab, für die er leitend be- zen, die den Mut nicht auf- reits seit 15 Jahren tätig war, tat dies in bringen wollen – sondern Berlin sein 6 Jahre jüngerer Cousin Ro- die auf schnelle, verkürzte bert Weltsch für die „Jüdische Rund- Antworten für komplizierte schau“. Felix unterstützte Robert nicht Fragen hineinfallen. Weltsch nur, indem er trotz bekannten Gefahren schrieb: „Die Gegensätze Roberts berühmten Artikel „Tragt ihn drohen heute die Welt ins mit Stolz, den gelben Fleck!“ vom April Chaos zu stoßen.“ Und er 1933 in der „Selbstwehr“ nachdruckte, beschreibt, wie schwer seine sondern er wirkte auch als Denker und damalige Welt sich tut, diese Autor in den deutschsprachigen Raum Gegensätze auszuhalten. Er hinein. betont, wie unverhältnismä- Im „Wagnis der Mitte“ brachte Felix ßig groß die Konzerne und Weltsch den Gedanken auf, dass die ihre Investitionen waren, die „Mitte“ als Konzept zu Unrecht einen u.a. zur Weltwirtschaftskrise schlechten Ruf habe. Für ihn war sie viel führten. Er nannte es „zer- mehr als nur ein fauler Kompromiss. brechliches Mammut-Wachs- Die Menschen stehen nach Weltsch im- tum“. Wie viel hat die Welt in mer wieder vor unverträglichen Gegen- 80 Jahren daraus gelernt? sätzen. Es ist nun die Herausforderung, Weltsch gelang es u.a. durch das Spannungsfeld zwischen den Polen dieses Buch, mit analyti- (Links-Rechts, Liberalismus-Faschis- schem Blick eine Welt klar zu mus, Militarismus-Pazifismus u. ä.) beschreiben. Dabei brauchen auszuhalten: sich seine Werke, was Logik „Die beiden Richtungen wollen zwar und Schärfe der Argumenta- voneinander nichts wissen, sie sind ein- tion angeht, nicht hinter de- ander sogar vielleicht feindlich gesinnt, nen seiner Zeitgenossen Ar- aber es gibt in ihrem Wirkungsbereich thur Koestler und Bertrand so viel Platz und so viele Möglichkei- Russell verstecken. Und ten, daß sie trotz ihrer Gegensätzlich- menschlich gelang es ihm, keit nebeneinander wirken können.“ der Welt des sich ausbreiten- Auf der Suche nach der Mitte ver- den Faschismus um Haares- fallen laut Weltsch viele Menschen in breite zu entkommen. Drei eine „hysterische Reaktion“. Vor allem Jahre nachdem dieses hier „leichte, bequeme und verlockende“ vorgestellte Buch im mähri- Pfade führten so auch in eine hysteri- wo tatsächlich Neues entstehen kann: schen Ostrau erschien, fuhren Max sche Mitte, die so tut, als habe sie eine „Die schöpferische Mitte durchbricht Die Pole erscheinen oft erst Brod und Felix Weltsch am 15. März Lösung gefunden. den Widerstand des unlösbaren Di- durch die Zuschreibung der je- 1939 mit ihren Familien im letztmög- Im Mitteleuropa des Jahres 2017 lemmas, indem die gestaute Energie weils anderen Seite so drastisch lichen Zug durch eben dieses Ostrau braucht man nicht lange suchen, um etwas Neues schafft, Arbeit leistet, Dabei stellt er fest, dass die Pole an an der Grenze zum damals noch neu- auf Beispiele dieses Phänomens zu sto- Werte realisiert.“ So sieht der Autor sich oft gar nicht leicht greifbar sind, son- tralen Polen. Am Grenzbahnhof Ost- ßen. Weltsch meint, gerade das laute, etwa in der Kunst eine Möglichkeit, dern erst durch die jeweiligen Zuschrei- rau sahen die Freunde, wie die Wehr- verkürzte, hysterische, was sich als Mit- einen Widerspruch aufzulösen und bungen der einen oder anderen Seite so machtssoldaten hinter ihrem Zug die te tarnt, sei das „unendliche Reich der Gegensätze auszuhalten. Der Künstler drastisch erscheinen. Und genau darin Tore schlossen. Innerhalb weniger Bösen und Schiefen in der Welt …, das ist wie alle Menschen über seine Sterb- bestehe in jeder Gesellschaft die Her- Stunden war die gesamte ČSR besetzt. Heer der verärgerten, unbefriedigten, lichkeit betrübt, schafft es jedoch, ausforderung – nämlich das Falsche dar- Weltsch und Brod wurden von der ängstlichen, keifenden, neidischen, pe- Werke für kommende Generationen an zu erkennen, dass z.B. Rechtsradikale Gestapo gesucht – aber sie entkamen dantischen, aufgeblasenen Menschen.“ zu kreieren. Er hat also den Wider- die Sozialisten immer nur als destruktiv nach Palästina. Dort konnten sie noch Doch die Pfade der Hysterie sind aus- spruch nicht weggeschoben, sondern und dem Chaos zugewandt sehen; und über 20 Jahre leben und wirken, wäh- getreten. Von ihnen ist nichts Neues zu hat unverträgliche Gegensätze in sich dass Linksradikale Kapitalisten stets rend ein Großteil ihrer Verwandten in erwarten. Und von Menschen, die sich erträglicher gemacht. nur als „Aussauger, Spekulanten und den Vernichtungslagern umkam. extrem gebärden, auch nicht: Auch die Sprache ist nach Weltsch Kriegshetzer“ begreifen. Von Menschen wie Felix Weltsch „Untersucht man die radikalsten Flü- eine solche Errungenschaft. Der Weltsch sieht es als wichtigste Auf- bleiben Erinnerungen und Bücher, die gelschreier etwas näher, so findet man Mensch fühlt sich einsam und manch- gabe an, die „Wertkerne“, die wahren uns auch nach 80 Jahren noch wert- oft, daß hier Menschen ihr Dilemma mal isoliert – jedoch die Sprache macht Ziele beider Seiten anzuhören und sie volle Gedanken mitgeben. Und von so gelöst haben, daß sie sich zwar auf diesen Zustand erträglicher. Weltsch erst einmal gleichberechtigt wahrzu- vielen Sachbüchern ist eine Handvoll eine Seite geschlagen haben, dort aber, kehrt die Vorstellung um, dass es be- nehmen. Was sich hier nach dem dialo- Sätze auch nach Jahrzehnten noch ak- von ihrem Verrat am Gegenpol, den quemer sei, in der Mitte ruhig zu sitzen. gischen Prinzip von Martin Buber an- tuell. Nur – beim „Wagnis der Mitte“ sie nicht vergessen können, ständig ge- Er meint, dass es gerade das Leichte hört – wie Hugo Bergman ebenfalls ein ist es fast das gesamte Buch. reizt, ihre innere Unsicherheit durch sei, sich an den Rand zu stellen und enger Freund von Weltsch – kann ne- lautesten Radikalismus überkompen- 90 Prozent zu verteufeln – und umso ben seiner Heimat, dem Vielvölkerstaat Orig. erschien 1936 bei sieren.“ schwerer, in der Mitte wirkliche, nicht Österreich-Ungarn, auch auf seinen J. Kittl (Mährisch-Ostrau), Weltsch setzt nun dem hysterischen faule oder hektische Kompromisse aus- Bildungshintergrund als promovierten hier Foto vom Nachdruck 1965, einen schöpferischen Weg entgegen, zuhandeln. Juristen zurückgehen. Felix Weltsch Kohlhammer № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU KULTUR 33 Das karäische Geheimnis Peters des Großen War der berühmte russische Zar jüdischer Abstammung? Von Edgar Seibel Verhältnis der Zaren zur Minderheit erkläre. Zwar war Peter gläubigen asch- Er zählt zu den schillerndsten Persön- kenasischen Juden gegenüber nicht lichkeiten in der Geschichte der rus- aufgeschlossen, doch die Karäer wa- sischen Zarendynastie. Doch Peter I. ren im Russischen Zarenreich gleich- der Große von Russland war mehr als berechtigt, und an seinem Hofe gab nur der Gründer Sankt Petersburgs, be- es Judenchristen, wie den Vizekanzler gnadeter Kriegsherr und Europäisierer Peter P. Schafirow. Viele folgende russi- seines Reichs: Auch soll er karäischer sche Herrscher nahmen während ihrer Herkunft gewesen sein. Was ist wirk- Krim-Reisen an Gottesdiensten in ka- lich dran an diesem letzten Geheimnis räischen Synagogen, den Kenessas, teil. der Romanow-Familie? Gute Beziehungen zu ihnen finden sich Während Peters Herrschaft nahm der namentlich bei Alexander I. und Niko- Gang der Geschichte Russlands eine laus II. scharfe Wendung. Das Land wurde zu Obwohl sich die karäische Gemein- einem mächtigen Imperium und zog schaft heute auf eine Abstammung mit den zeitgenössischen europäischen von konvertierten Kiptschaken und Staaten gleich. Peter Alexejewitsch Ro- Chasaren beruft, ist das Karäertum manow (1672-1725) sah sich bestrebt selbst etwas älter. Diese jüdische Strö- eine exakte Staatsstruktur zu schaffen: mung, die jede mündliche Überliefe- die Bauern dienen dem Adel, der Adel rung ablehnte (Mischna und Talmud), dem Monarchen und der Monarch dem tauchte zum ersten Mal im 8. Jahrhun- Staat. dert in Babylonien auf, gegründet von Seine Karriere beginnt außerge- einem Anan ben David. Als Folge mes- wöhnlich. Nach dem frühen Tod sei- sianischer Erwartung gelangten die nes Halbbruders Fjodor Alexejewitsch Karäer nach Palästina und von dort (1661-1682), der aus einer Ehe des Za- aus nach Ägypten, Syrien, in die Tür- renvaters Alexej (1629-1676) mit Ma- kei und insbesondere in das südrussi- ria Miloslawskaja hervorging, bestieg sche Chasarenreich. schließlich der erst 10-jährige Peter den 1694 starb die Zarin Natalja Na- Thron. Doch infolge von Intrigen seiner ryschkina. Peter der Große reifte zu älteren Halbschwester Sofja und dem einem respekteinflößenden Herrscher Clan der Miloslawskis, der Familie der heran, ehrgeizig, leidenschaftlich, aus- früh verstorbenen Frau seines Vaters, gestattet mit starker Intuition bei ei- kam es zu einer Doppelherrschaft un- ner Körpergröße von knapp über zwei ter Sofja als Regentin. Diese Verschwö- Metern. Unvergesslich geworden ist er rung ging soweit, dass ein Großteil der durch sein Sankt Petersburg, berüch- Palastgarde, der sogenannten Strelitzen tigt für die erfolgreiche Stürmung der einen Aufstand gegen den jungen Peter Türkenfestung Azak, die Schaffung als rechtmäßigen Herrscher planten. der russischen Flotte, für die Zerschla- Dabei kamen viele Adelige ums Leben. gung der Schweden bei Poltawa und Peters Mutter, Zarin Natalja Na- die Hinrichtungen der aufständischen ryschkina (1651-1694), fasste den Ent- Strelitzen, wobei er eigenhändig meh- schluss mit ihrem Sohn in das Dorf rere enthauptete – ein Ereignis, das die Preobrashenskoje bei Moskau zu flie- Russen bis heute schlagartig mit ihm in hen. Dort fing der wissbegierige Peter Verbindung bringen. Außerdem nimmt an sich für Kriegsführung zu interes- man an, dass man Peter die russischen sieren, nahm vermehrt an großen Spiel- Fahnenfarben Weiß, Blau und Rot zu schlachten teil, immer angetrieben von verdanken habe, die er während seiner seinen Erinnerungen an den blutigen Europareise 1697 den Holländern ab- Strelitzen-Aufstand. Die höfische Ge- geguckt habe. sellschaft in Preobrashenskoje setzte Erst in jüngerer Zeit ist es einfacher sich dafür ein, dass Peter seine Macht geworden, die genauen familiären Hin- zurückgewinne, fähige Männer sam- tergründe russischer Berühmtheiten melten sich um ihn. Und so scheiterte zu beleuchten und zu veröffentlichen. der Versuch seiner Halbschwester 1689 Von einem nicht-slawischen Ursprung eine Palastrevolte anzuzetteln. Peters einer höhergestellten Persönlichkeit Regimenter führten die Machtenthe- wollte man lange Zeit nichts hören. Das bung Sofjas herbei. Der junge Zar ließ YURI KADOBNOV, AFP gilt auch für die deutschen Wurzeln der die entthronte Schwester auf lebens- Zwei Marine-Kadetten richten sich unter den Augen von Peter dem Großen ihre Uniformen. letzten Zarenfamilie. länglich in das Neujungfrauen-Kloster Peter der Große entwickelte ein ganz sperren. Krim. genannt Narysch, befand. Zum Schutz besonderes Interesse den Deutschen Alle Dinge im Staat standen anfangs Die Geschichte der Naryschkins be- Vytautas' Tochter bliebt Narysch eben- gegenüber. Er verliebte sich in Anna in der Kompetenz seiner Mutter. Bei- ginnt mit dem litauischen Großfürsten falls in Moskau. Mons, die Tochter eines deutschen stand bekam sie dabei u.a. von ihrem Vytautas, der nach Bezwingung der Ta- Damit war der erste Schritt für die Weinhändlers aus der Ausländervor- Bruder Lew Naryschkin. taren auf der Krim im Jahr 1392 einige Naryschkins in die Welt des russischen stadt (Russisch: Nemezkaja sloboda, Verweilen wir bei der Zarenmutter: hundert Karäer-Familien mit in sein Adels getan. Mordechajs Sohn Sawel eigentlich „Deutsche Siedlung“). Anna Nach großer Trauer über den Tod sei- Reich brachte und einige als Leibgarde Narysch, Höfling im Gouvernement wurde zu seiner Geliebten, und das ner ersten Gattin im Jahr 1669, hatte trotz seiner Ehe mit Zarin Jewdokija man dem Zarenvater Alexej 70 Bräute Lopuchina, die er auf Drängen seiner zur Auswahl vorgestellt. Lange aber  Die Karäer sind stolz auf Mutter hin 1689 geheiratet hatte, und musste er nicht überlegen, und wählte trotz seiner drei Söhne mit ihr. 1712 die 19-jährige Natalja Naryschkina, den berühmten „Landsmann“. heiratete Peter erneut; diesmal die Li- die Tochter eines Rjasaner Adligen na- tauerin Martha Elena Skawronska, die mens Kirill Naryschkin. Beschrieben anstellte – galten diese Männer doch von Rjasan, nahm später den Vorna- spätere Zarin Katharina I. (1684-1727). wird sie als eine lebensfrohe Person, bei als mutige Kämpfer und herausragen- men Fjodor an, und dessen Sohn Isaak, Peter Alexejewitsch Romanows ka- der der Zar rasch aufblühte. de Diplomaten. Vytautas' aggressive oberster Chef der Verwaltung von We- räischer Hintergrund wird nicht nur Doch wirklich russischen Ursprungs Art führte zu Spannungen mit Moskau. likije Luki, ließ den Nachnamen in Na- durch Quellen bedeutender Histori- war Natalja nicht, auch nicht christli- Um die Russen zu besänftigen, bot er ryschkin russifizieren. ker und Völkerkundler wie Nikolai M. chen! Ihr Vater Kirill Poluektowitsch dem Moskauer Großfürsten Wassili Der russisch-französische Volks- Karamsin, Wassili O. Kljutschewski, Naryschkin (1623-1691), der an der Dmitrijewitsch I. seine Tochter Sofia kundler Michel Sarach, der u.a. die Michail I. Artamonov oder Michail A. Zerschlagung des Donkosaken-Auf- als Frau an. Auf Geheiß ihres Vaters „Enzyklopädie des Karäischen Volkes“ Miller gestützt. Auch die Karäer selbst standes des großen Atamans Stenka kam die litauische Prinzessin in Beglei- verfasst hat, war davon überzeugt, dass betrachten den Zaren als karäisch, und Rasin beteiligt war, entstammte einer tung der karäischen Leibwächter; un- Peter der Große um seine karäischen sind stolz auf den berühmten ,,Lands- jüdisch-karäischen Familie von der ter denen sich ein Mordechaj Kubrat, Wurzeln wusste, was auch das gute mann''. 34 DEUTSCHLAND № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Keine Pizza und Pasta zu Pessach Meine Reise ins jüdische Italien Von Miriam Magall

Mein ganzes Leben lang habe ich mich bemüht, über Pessach zu verreisen – stets an einen Ort, an dem ich sowohl von allen mühseligen Pessach-Vorbereitungen be- freit bin, als auch zwei möglichst schöne und angenehme Seder-Abende verbringe und gleichzeitig etwas Neues kennenler- ne. Das ist mir bisher auch weitgehend ge- lungen. Ich habe, glaube ich, kaum mehr als zwei oder drei Seder-Abende bei mir zu Hause ausgerichtet. Dieses Mal habe ich mir Italien vorgenommen – eigentlich ein Witz ausgerechnet in ein Land zu ei- ner Zeit zu fahren, in der man seine typi- schen Gerichte, die wohlbekannte Pizza und alle Arten von Pasta, nicht genießen darf. Sei’s drum. Versuchen wir’s, sagte ich mir. Grundsätzlich mache ich übrigens kei- nen Urlaub, sondern nutze meine Reisen, um ein nächstes Buch vorzubereiten, diesmal aber vor allem, um die Synago- gen und jüdischen Museen in Italien zu fotografieren. Natürlich nicht alle, denn in Italien gibt es immerhin rund 70 Syna- gogen in ebenso vielen Städten, in denen Juden regelmäßig zum Gebet zusammen- kommen. Vielen dieser Synagogen ist ein jüdisches Museum angeschlossen, deren Zahl sich auf ungefähr 25 beläuft. Aus dieser Fülle habe ich mir drei Städte her- ausgegriffen: Rom, Florenz und Venedig. Der Flug von Berlin nach Rom ist er- freulich kurz: gerade einmal 2 Stunden. Vom Flughafen geht es direkt ins jüdi- sche Hotel. Ja, auch das gibt es in mehre- ren größeren italienischen Städten. Mein Hotel, das „Carmel Hotel Roma“, liegt im Stadtteil Trastevere, der jüdische Stadt- teil Roms schlechthin. Gleich bei meiner Ankunft lerne ich Geschäftsführer Uri kennen. Uri ist ein geduldiger Mensch, und er kennt sich in Rom bestens aus. Wenn er etwas nicht weiß, sucht er ge- duldig im Internet und per Telefon, was wann geöffnet ist, denn die angegebenen Öffnungszeiten in den Reiseführern soll- te man lediglich als Anregungen begrei- fen. Will man etwas vor Ort sehen, ist es besser, sich kurz vor dem Besuch nach Die Große Synagoge in Rom. den Öffnungszeiten zu erkundigen. Die- se Arbeit nimmt mir Uri ab. Gleichzeitig Umgang mit dem Computer zuzuschrei- Olgas Brief. Sie lesen und beraten sich, pio Spagnolo, untergebracht. Die Ex- erfahre ich, wie günstig sein Hotel gele- ben sind, nehme ich Kontakt zu Olga einer verschwindet im Untergeschoss ponate in den Räumen davor stammen gen ist: Ohne Probleme gelangt man mit auf. Dottore ssa Olga Melasecchi ist die und winkt mich, als er wieder auftaucht, größtenteils aus den fünf Synagogen aus dem Bus Nr. 3 von der Viale Trastevere dem Ghetto. Eine italienische Schulklas- – nur 3 Minuten vom Hotel die Straße se nach der anderen zieht durch die Räu- hinunter – zum Forum Romanum und  Vom Flughafen geht es direkt ins jüdische me. Die Schüler verhalten sich erstaun- zum Kolosseum; die Straßenbahn Nr. 8 lich aufmerksam und ordentlich. Am bringt mich nach drei Haltestellen über Hotel. Ja, auch das gibt es in mehreren Ende gibt es noch eine Sonderausstellung den Tiber, und von dort geht es direkt zur über die Juden aus Libyen. Denn als die Großen Synagoge von Rom und dem im größeren italienischen Städten. Juden nach dem Pogrom von 1967, ausge- Keller untergebrachten Museum. Last löst durch den Sechstage-Krieg, ihre seit but not least kann ich mit dem Bus „H“ Kuratorin des Jüdischen Museums zu durch die Sicherheitsschleuse. Unten Jahrhunderten vertraute Heimat verlas- direkt zum Bahnhof, dem „Termini“, fah- Rom. Dankenswerterweise schreibt und liegt der Eingang zum Museum. Man er- sen, kommen 4.000 von ihnen nach Ita- ren. Mehr und besser kann man es sich spricht sie auch Englisch, sodass es mir wartet mich. Eine ältere Dame, nennen lien; 2.000 ziehen weiter nach Israel, der nicht wünschen, wenn man nur auf einen leichter fällt, meine Besuchswünsche zu wir sie Roberta, begleitet mich in die Sy- Rest lässt sich dauerhaft in Rom nieder Kurzbesuch nach Rom kommt und ein äußern. Nach einer Sicherheitsprüfung nagoge – bevor andere Besuchergruppen und ist inzwischen ein fester Bestandteil festes Programm im Kopf hat. bekomme ich die Genehmigung zum Be- die freie Sicht innen stören. Ich betrete seiner jüdischen Gemeinde geworden. such und zum Fotografieren von Synago- den Innenraum, und bleibe stehen. Was Nur hier in Rom und in einem der Kibbu- Erste Station: Rom ge und Museum. Dann kommt der span- für ein Anblick! Hoch, lang und weit ist zim in Israel hat man zum Andenken an Und ich hatte mein Programm wahrhaf- nende Augenblick. Noch bevor es um 10 sie. Weiße Marmorsäulen mit goldenen diese nunmehr ausgelöschte jüdische Ge- tig fertig im Kopf. Noch von Berlin aus Uhr morgens öffnet, stehe ich vor dem Bändern, goldene Menorot (siebenarmi- meinde in einem arabischen Land einen habe ich die Jüdische Gemeinde in Rom Museum, beeindruckt von seiner Größe, ge Leuchter) und über der Mitte die Aus- Ort des Gedenkens an sie eingerichtet. kontaktiert. Denn wenn man eine Syn- umkreise es, kalibriere die Abstände und buchtung der großen Kuppel, die man Am Tag darauf geht es zum Forum agoge und/oder ein jüdischen Museum fotografiere und fotografiere, solange die von außen sieht. Romanum. Eigentlich hat man es nicht von innen besichtigen und – für mich Straßen drumherum noch beinahe men- Diese zwischen 1901 und 1904 im Ba- weit, denn kurz nach dem Eingang steht noch wichtiger – fotografieren möchte, schenleer sind, denn ich möchte die Ob- bylonischen Stil erbaute Synagoge ersetzt schon der Titusbogen – und darauf die muss man im Allgemeinen im voraus die jekte meiner Begierde, meine Synagogen, die „Cinque Schole“ in dem Ghetto, in Abbildung, auf der die römischen Solda- Genehmigung dazu bei der betreffenden gerne ohne Menschen aufnehmen. das die Juden Roms zwischen 1555 und ten zu sehen sind, die nach dem Jahr 70 jüdischen Gemeinde einholen, und das Ein elegantes Gitter umschließt das 1848 eingepfercht waren. d.Z. die Tempelgeräte im Triumph dem gilt nicht nur für Italien. Nach mehreren Areal. An einem Ende dann die Sicher- Im Museum im Untergeschoss ist noch römischen Volk vorführen. Und genau Fehlläufen, die meinem ungeschickten heitsschleuse. Ich reiche den Wächtern eine weitere, kleine Synagoge, der Tem- gegenüber vom Titusbogen erhebt sich № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 35 das mächtige Oval des Kolosseums, das dank der Erlöse aus Jerusalem geraubter goldener Tempelgeräte überhaupt errich- tet werden konnte. Diese Tatsache gehört inzwischen anscheinend schon zum Allge- meinwissen der Fremdenführer auf dem Forum Romanum, wovon ich mich mit eigenen Ohren überzeugen konnte, denn ich habe das von mehr als einem gehört. Natürlich muss man auch das Kolosse- um von innen gesehen haben. An diesem Nachmittag stehen die potenziellen Besu- cher jedoch dermaßen gedrängt vor seinen Toren, dass ich meinen Besuch auf den nächsten frühen Vormittag verschiebe. Nur noch von einem weiteren Ausflug sei die Rede: dem zur ersten Synagoge auf europäischem Boden: in Ostia antica. Man nimmt den Bus, die Metro und dann den Zug. Es dauert beinahe 2 Stunden, bis man vor dem Eingang steht – um zu erfahren: Die antike Synagoge liegt ganz am Ende der antiken Stadt, knapp 9 Kilometer ent- fernt. Tapfer mache ich mich auf den Weg. Unterwegs begegne ich zahlreichen Schul- klassen, diesmal sind die Schüler älter als die im Museum, und sie sprechen Franzö- sisch oder sogar Deutsch. Es geht ziemlich flott voran. Unvermittelt stehe ich vor ei- nem Straßenschild, das mir verkündet, ich hätte schon die Hälfte des Weges geschafft. Am Ende keine Ruinen, sondern nur Gras, das beinahe so hoch ist wie ich. Zum Glück für mich kommen zwei junge Franzosen vorbei. Ich kann sie bewegen, mit mir die Venedig, Ghetto. Scola levantina. Synagoge zu suchen. Da sie größer als ich sind, können sie über das Gras schauen Florenz, bestätigte mir meine Teilnahme in regelmäßigen Abständen ordentliche italienischen Juden dann ihre Scola italia- und entdecken alsbald die Synagoge. Un- am Seder und gab mir seine schriftliche Haltestellen für den Vaporetto, mit Zeit- na. Sie ist wesentlich schlichter gehalten als terwegs erzähle ich ihnen von ihrer Ge- Erlaubnis, die Synagoge auch innen zu fo- angaben, die meistens sogar eingehalten ihre beiden Vorgängerinnen, wenngleich schichte, damit sie mir nicht davonlaufen. tografieren, natürlich an einem Zwischen- werden, denn mit Verkehrsstaus ist auf der dunkel getäfelte Innenraum mit seinen Dann stehen wir davor. Einige Mauern, feiertag. Der Seder fand im Gemeinde- den Kanälen nur selten zu rechnen. Eher fünf großen Fenstern ansprechend elegant einige Pfeiler, zwei oder drei Bodenmosa- wirkt. ike – aber leider auch einige Gegenstände, Zwischen 1538 und 1561 errichten dann die im Rahmen einer Kunstaktion direkt  Die libyschen Juden verlassen nach dem Juden aus dem östlichen Mittelmeergebiet in der Synagoge aufgestellt wurden. Am ihre Synagoge, die Scola levantina. Sie hat liebsten würde ich den Regenschirm und Pogrom von 1967 ihre Heimat sogar eine eigene Fassade, aus der ein für die beiden Eier an seinem Griff entfernen, Venedig typischer Erker, der „liago“, her- wäre da nicht der Wächter, der schon et- hauptsächlich nach Italien. vorspringt. Diese Synagoge ist übrigens als was misstrauisch zu mir hinüberblickt. einzige beheizbar und wird daher von der Sei’s drum. Ich fotografiere Regenschirm haus gleich neben der Synagoge statt. Der schon mit Hochwasser, vor allem im No- heutigen jüdischen Gemeinde in Venedig mit Eiern und zwei Zeltplanen. Man stel- Rabbiner, der ihn leitete, sprach natürlich vember. Steigt das Wasser im Kanal um im Winter benutzt. Kurz vor Pessach zieht le es sich einmal vor: Hier, an dieser Stel- Italienisch, aber freundlicherweise flocht mehr als 85 Zentimeter, bleibt man besser die Gemeinde dann in die Scola spagnola, le, genau hier beteten vor beinahe 2.200 er auch Erklärungen auf Englisch für sei- zu Hause. Aber jetzt sind wir im Monat die „spanische Synagoge“, um, die genau Jahren Juden: Freie Juden – noch keine ne ausländischen Gäste ein. Die Haggada April, dachte ich glücklich. Die Sonne gegenüberliegt und ebenfalls über eine römischen Sklaven – in ihrer Synagoge. wurde auf Hebräisch und manchmal auch scheint, noch dazu viel wärmer als im um eigene Fassade verfügt. Sie wird im Jahr Sie hatten daneben eine Mikve, ein Ritu- auf Italienisch vorgelesen. Als Festmahl- diese Zeit noch kühlen Berlin. 1584 vom damals bedeutendsten venezi- albad, und eine Mazza-Bäckerei gebaut. zeit gab es koschere jüdisch-italienische anischen Baumeister Baldassare Longhe- Genau passend zum in einigen Tagen be- Gerichte, die etwas anders als gewohnt, Danke, Napoeleon! na im Barockstil errichtet. Silberleuchter ginnenden Pessach-Fest, sage ich mir. Die dafür aber herrlich schmecken. Mit mei- Vom Hotel gelange ich über zwei Brücken und Holzschnitzereien zieren das Innere. jungen Franzosen hatten schon bald genug nen Tischnachbarn, Rosalyn und Emely innerhalb von einigen Minuten ins Ghet- Prachtvoll! Beeindruckend! Immer wieder von „meiner“ Synagoge gesehen und zogen sowie Itzak aus Kalifornien, Touristen in to. Ein großer Platz, gesäumt von bis zu schweift der Blick vom Thora-Schrank im weiter. Ich blieb. Für den Rückweg nahm Florenz wie ich, habe ich einen unterhalt- siebenstöckigen Häusern, ohne Fahrstuhl, Osten zur erhöht angebrachten Bima im ich eine Abkürzung durch die Felder und samen Abend verbracht. versteht sich, denn im 16. Jahrhundert war Osten – und diese Raumanordnung gilt war sehr viel schneller wieder auf der ehe- Wenn man schon in Florenz ist, besucht der noch nicht erfunden. Im März 1516 für alle 5 Synagogen im Ghetto. maligen „Hauptstraße“, wo ich noch ein- man nicht nur die Synagoge, sondern wird es eingerichtet, im Jahr 1797 werden Seit 1989 gibt es Chabad auch in Ve- mal meine beiden Franzosen traf. schaut sich auch einige andere Dinge an: die beiden Tore, die den Zugang zur Welt nedig. Rabbiner Ramy Banin und seine Wer die jüdischen Katakomben in Rom den Dom und das Baptisterium, wegen draußen jede Nacht verschließen, endlich Frau, Rebbetzin Schachar Banin, haben besichtigen möchte, dem sei verraten, der langen Schlangen nur von außen, Mi- abgebaut, als Napoleon in Venedig ein- im Ghetto Novo einen Betraum und ein dass sie praktisch dauerhaft geschlossen chelangelos David, das Original in der trifft. Danke, Napoleon! Chabad-Haus und im Neuen Ghetto das sind. Das hat Uri vom Hotel nach länge- Accademia und den nachgemachten vor Die einzigen, die sich frei im und außer- koschere Restaurant „Gam Gam“ sowie ren Telefonaten für mich herausgefunden. den Uffizien. Und stellt fest, dass dieser halb des Ghettos bewegen durften, waren ein Geschäft, in dem koschere Lebensmit- Jude nicht einmal beschnitten ist! Genau- jüdische Ärzte. Es ist eng, aber man richtet tel verkauft werden, eingerichtet. Es gibt Zweite Station: Florenz so wenig wie der kleine Jesus, den man in sich ein, so gut oder so schlecht es eben eine Jeschiwa, eine Talmud-Thora-Schule, Von Rom ging es weiter mit dem Zug, der zahllosen Versionen und Posen gleich um geht. Es entstehen nacheinander erst drei an die Studenten aus aller Welt kommen. pünktlicher war als viele Züge in Deutsch- die Ecke vom nachgemachten David in Synagogen im Ghetto Novo, dann noch Immer wieder ziehen, auch am Schab- land, nach Florenz. Mein Hotel, das „Ari- den Uffizien auf den beiden Stockwerken einmal zwei Synagogen im Alten Ghetto, bath, Gruppen israelischer Touristen am zona“, lag zwischen der Großen Synagoge bewundern kann. das eigentlich das jüngere ist. Die ersten Chabad-Betraum vorüber. Dann gehen und dem Chabad-Haus. Die meisten ha- Synagogen liegen allesamt im zweiten bzw. zwei der Jeschiwa-Studenten hinaus, ben sicher schon das berühmte Foto dieser Dritte Station: Venedig dritten Stock eines Gebäudes. Als erste stellen einen Tisch auf und heißen die großartigen Synagoge in Florenz gesehen. Von Florenz geht es nach einer eingehen- wird 1528 die Scola tedesca, die „deutsche jüdischen Besucher mit Challot und Kid- Ein wunderschöner Kuppelbau mit mauri- den Foto-Session vor und in der Synagoge Synagoge“, errichtet. Sie liegt im so ge- dusch-Wein willkommen und singen und schem Einschlag erhebt sich hinter einem weiter mit dem Zug nach Venedig. Wer nannten „Ghetto Novo“, das eigentlich das tanzen mit ihnen. Alle machen begeistert sorgsam geschlossenen Tor. Besichtigt schon in Venedig war, wird es wissen, wer ältere Ghetto ist. Von außen ist sie nicht als mit. Im Ghetto sind die Juden unter sich. werden kann sie an den meisten Werkta- noch nicht in Venedig war, sollte es wis- Synagoge zu erkennen, das Innere strahlt Da dürfen sie auch draußen laut singen gen zwischen 10 und 13 Uhr. Eine Ausstel- sen: In Venedig spielt sich der öffentliche jedoch in goldenem Glanz, denn alle und tanzen. Man fühlt sich Zuhause. lung jüdischer Ritualgegenstände befindet Verkehr ausschließlich auf den Kanälen Zierelemente sind vergoldet. Die zweite Mit viel Wehgefühl verabschiede ich sich in dem Flur in allen drei Stockwerken ab. Was für ein Gefühl, als ich meinen Synagoge, die Scola Canton, wird im Jahr mich nach dem letzten Pessach-Tag von der Synagoge. ersten Vaporetto besteige, um in mein 1531 ebenfalls von deutschen Juden errich- Venedig, von Italien, fahre, wie es sich ge- Hier in Florenz hatte ich mich zum Seder Hotel gleich neben dem Ghetto zu gelan- tet. Von außen ist sie lediglich dank einer hört, stilecht mit einem Wassertaxi zum angemeldet. Signore Emanuele Viterbo, gen. Man staune – das gilt für diejenigen, Holzkuppel, die auf die umliegenden Dä- Flughafen Marco Polo und hebe ab in der Sekretär der jüdischen Gemeinde von die noch nicht in Venedig waren: Es gibt cher blickt, erkennbar. 1575 errichten die Richtung Norden. 36 GESCHICHTE № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU 8. Mai 1945 in Israel Wie ein Zeitzeuge den Untergang des Dritten Reiches in Israel erlebte Von Karl Pfeifer

Da ich mich bei der Arbeit im Kibbuz verletzt hatte, verbrachte ich den 8. Mai 1945, den Tag des Sieges im Kranken- haus in Haifa. Während alle feierten, verfiel ich in eine traurige Stimmung. IPPA, AFP Meine Verwandten in Zürich hatten mir bereits mitgeteilt, dass mein Vater nicht mehr lebte und von unserer gro- ßen Familie nur wenige am Leben ge- blieben waren. Insgesamt verlor ich 36 meiner nächsten Angehörigen in der Schoa. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch keine 17 Jahre alt und lebte – nach mei- ner Flucht mit dem ersten von drei Kin- der- und Jugendtransporten aus Un- garn und Rumänien – seit Januar 1943 in einem Kibbuz. Dort sprach man ab 1944 immer häufiger von den „Por- schim“, den Abtrünnigen, wie wir die Terrorgruppen Ezel und Lechi nann- ten. Während Lechi (Sterngruppe) der Hagana 1945 versprach, keine Aktio- nen gegen die Briten durchzuführen, war Ezel unter der Führung von Mena- chem Begin entschlossen, gerade am V- Day, also am Tag des Sieges gegen die Briten vorzugehen. Ein solcher Angriff wurde verhindert als die Wache des Nachbar-Kibbuz Ya- gur, in der Nähe des Industriegebietes Tag des Sieges in Jerusalem 1945 von Haifa vier Ezelmitglieder in einem LKW voller Sprengstoff festnahmen, große Schwierigkeiten. Wenn die An- deutschen Besatzer kämpfte. chen Liga spielen wie die USA und die die in der Nacht vom 13 auf den 14. Mai hänger der rechten Jugendbewegung Sowjetunion. Der Nahe Osten spielte versuchten die Telegraphenmasten zu Betar uns beim Aufmarsch am 1. Mai Russische Partisanen gegen eine Schlüsselrolle in der britischen sprengen. in Haifa störten, dann erhielten sie eine jüdische Partisanen Strategie. All dies hing ab von der Lö- Als Mitglieder der linken Jugendbe- gehörige Tracht Prügel. Für uns waren Mit Erstaunen erfuhren wir, dass es sung der Palästinafrage. wegung Haschomer Hazair glaubten es Faschisten, die Sowjetunion hin- auch Partisanen gab, die den Juden die Was wir damals natürlich nicht wir damals an die Möglichkeit eines gegen das Modell der Zukunft, „Olam Waffen wegnahmen und jüdische Par- wussten, aber doch ahnten, war die binationalen Staates mit den Arabern. hamachar“, die Welt von morgen, wie es tisaninnen vergewaltigten. Doch das Zusammenarbeit zwischen den briti- Doch die meisten Juden des Jischuv auf Hebräisch hieß. stand natürlich nicht in der seit Juli schen Nachrichtendiensten und dem wollten schon damals einen jüdischen An eine Begebenheit kann ich mich 1943 vom Schomer Hazair herausge- der Hagana. Eine wichtige Rolle spiel- Staat, wie es Ben Gurion im Hotel Bilt- noch lebhaft erinnern: Ich war einge- gebenen Tageszeitung Al Hamishmar, te dabei der in Ungarn geborene, je- more in den USA im Frühjahr 1942 ne- teilt Unkraut zu jäten, zusammen mit wo wir nur über die wunderbare „Welt doch in Wien aufgewachsene spätere ben der Zurücknahme des Weißbuches einem anderen Mitglied unserer Grup- des Morgens“ lasen. Über dem Titel der Bürgermeister von Jerusalem Teddy gefordert hatte. pe, der aus Polen stammte und der mit Zeitung stand das Motto: „Zum Zionis- Kollek. Seine Nonchalance und sein Ziel der Erziehung im Kibbuz war es, anderen jüdischen Kindern aus der mus, Sozialismus und zur Brüderlich- persönlicher Charme machten es ihm uns ein säkulares Judentum nahezu- UdSSR ausreisen durfte. Da ich neu- keit der Völker“. leicht die britischen Partner für sich zu bringen, verwurzelt in der kulturellen gierig war auf die Erfahrungen, die er Einer, der uns dort die Welt erklär- gewinnen. Er sah seine Aktivität nicht Tradition des jüdischen Volkes, dem in der Sowjetunion gesammelt hatte, te, war Zeev Laqueur, der später unter als Spionage, sondern als Förderung Zugehörigkeitsgefühl zu Erez Israel, fragte ich ihn, wie es dort war. dem Namen Walter Laqueur Weltkarri- von guten Beziehungen und beschreibt zur hebräischen Sprache, zu der Ge- Eliahu Schirz, so hieß er, antwortete ere als Autor machen sollte. dies in seiner Biografie: „Wir luden sie schichte und den Feiertagen. Unserem kurz und bündig: „Antisemitismus und Wir schwärmten für die neuseeländi- ein für ein Getränk aus Anstand und Lehrer Joszke gelang es nicht nur uns Hunger“. Ich war erschüttert, und sagte schen und die australischen Soldaten, Gastfreundschaft. Unsere ‚Politik‘ war Hebräisch beizubringen, sondern er „Antisemitismus ist doch in der Sow- die gerne als Besucher in den Kibbuz es einfach und menschlich zu sein; vermittelte uns auch die Liebe zu dieser jetunion verboten“, worauf er mich mit kamen und sich sehr für die Landwirt- wirklich, es war kein Bedürfnis die Bri- Sprache und zu unserer alten Kultur. Recht darauf aufmerksam machte, dass schaft interessierten. Zu den Briten ten auszuspionieren. Wir wollten auch Wie alle im Kibbuz Schaar Haama- er dort war und nicht ich. hatten wir ein distanzierteres Verhält- nicht, dass sie uns verdächtigen, so kim war unser Lehrer für jüdische dass wir mit ihnen zusammenarbeiten Fächer nicht mehr religiös, aber seine konnten, obwohl es einen Unterschied orthodoxe Erziehung hatte ihm ein pro- „Antisemitismus ist doch in der gab in den Zielen: Sie wollten haupt- fundes Wissen über die jüdische Religi- sächlich die Deutschen schlagen, wir on vermittelt. Nicht nur dieses bemüh- Sowjetunion verboten!“ hingegen wollten Juden retten. Es war te sich Joszke uns zu lehren, sondern keine einfache Sache, die Beziehungen auch die Achtung gegenüber den Wer- Darauf fragte ich ihn, was denn seine nis, doch wir sahen all die britischen mit ihnen zu kultivieren.“ ten dieser Religion. Maßstab für ihn Eltern in Polen gearbeitet hätten, „sie Kriegsfilme und waren schwer beein- Es ging um zwei sehr verschiedene waren die „Sprüche der Väter“, vor al- hatten ein kleines Geschäft“. Nun war druckt, von ihrem Kampfgeist, der sie Lebensweisen. Kollek wusste wie man lem „Bedenke, woher du kommst“ war alles klar und ich plärrte heraus: „Aus – als sie 1940 allein gegen Deutschland mit den Briten trinkt – eine Fähigkeit, ein Leitmotiv seiner Erziehungsarbeit. Dir spricht der Klassenstandpunkt“, Krieg führten – beseelt hatte. die er sich in Österreich angeeignet Auch wenn der Haschomer Hazair denn nach meiner damaligen Anschau- Im Juli 1945 gewann Labour die bri- hatte, als er in der Hachschara (Vorbe- uns zu „neuen“, modernen Juden, die ung gehörte ein kleiner Händler zu den tischen Wahlen und Churchill trat ab. reitung auf landwirtschaftliche Arbeit) keine strengen religiösen Gesetze mehr Ausbeutern, der für uns natürlich auf Der Jischuv erwartete von einer La- Weinfässer füllte. MI6 berichtete über brauchten, um ihr Leben zu meistern, der politisch falschen Seite stand. bourregierung, die prozionistischen Kollek, „er ist in der Jewish Agency erziehen wollte, war allen bewusst, das Die Sowjetunion sahen wir nicht so Versprechungen, die während des Krie- [JA] als ‚der Goj‘ (der Nichtjude) be- Judentum hatte fast 2.000 Jahre in der kritisch wie die westlichen Alliierten. ges gemacht wurden, zu realisieren. kannt, wegen seinem sehr unsemiti- Diaspora nur überlebt, weil Juden über Für den dort weitverbreiteten Antise- Doch es folgte bittere Enttäuschung. schen Aussehen.“ all diese Zeit ihre religiösen Gesetze mitismus machten wir sie nicht ver- Außenminister Ernest Bevin glaubte, Tatsächlich spielte der Alkohol eine nicht aufgeben wollten. antwortlich, obwohl auch zu uns die dass die wirtschaftliche Entwicklung große Rolle beim Brückenbauen zwi- Nachricht vom Bericht des jüdischen im Nahen Osten Großbritannien hel- schen dem Jischuv und den Briten. Die Sowjetunion war für uns Partisanenführers Aba Kovner gelang- fen würde, die eigene Wirtschaft zu sa- damals das Modell der Zukunft te, der in den Wäldern Weißrusslands nieren. Regierungschef Clement Atlee Die Beziehungen zwischen der Ha- Die Arbeiterparteien übten im Jischuv und Russlands eine jüdische Einheit war der Meinung, durch die Aufrecht- gana und den Briten nach dem Kriegs- die absolute Hegemonie aus, die poli- führte, die im Rahmen der sowjeti- erhaltung des Empire könnte das Land ende waren ambivalent, es gab gemein- tisch rechts stehenden Parteien hatten schen Partisanenbewegung gegen die weiterhin als Großmacht in der glei- same aber auch sehr divergierende № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU GESCHICHTE 37

Interessen. Die Hagana bemühte sich um legale und illegale Einwanderung, die Briten versuchten diese abzustellen. Doch die Briten waren in ihrem Kampf gegen die Terrorgruppen auf die Haga- na angewiesen. Alec Kellar, der bei MI5 für Palästina zuständig war, berichtete über seinen Besuch noch im Februar 1945: „Die Polizei ist behindert durch ihre un- zureichende Aufzeichnungen. Sie ist unglücklicherweise ohne Alternative und kann nur aufgrund der Informati- onen der JA, was immer die wert sind und wie auch mit Vorurteilen beladen, agieren. … Die JA weiß, dass die Po- Bodo Müller, WIKIPEDIA lizei eklatant gescheitert ist, die zwei terroristischen Organisationen zu pe- netrieren und dass der C.I.D. von den Sicherheitsoffizieren der JA abhängt, wenn es darum geht Beweise zu liefern, die zur Verhaftung der Terroristen füh- ren können. Taktisch ist die JA in einer sehr guten Position und bei ihrer Kolla- boration verfolgen sie ganz sicher eher ihre eigenen Interessen als die unseren. Umso mehr die Polizei von ihnen ab- hängt, desto mehr Autorität gewinnt die JA.“ Die KZ-Häftlinge kommen im Kibbuz an Bald erreichten die ersten ehemali- gen KZ-Häftlinge den Kibbuz. Wir bemerkten, dass viele von ihnen eine Nummer in ihrem Arm tätowiert hat- ten. Gebannt und entsetzt lauschten wir ihren Erzählungen. Es ist einfach falsch, wenn heute behauptet wird, der Menachem Begin damalige Jischuv wäre gegenüber dem Leid der Überlebenden gleichgültig ge- wird. Doch als dies nicht gelang, sind wurde und die Hagana aber vorher über die antizionistischen Beamten des For- wesen. Ganz im Gegenteil, wir waren die Kämpfer des 1. Palmachregiments, diese Aktion informiert war. eign Office – den Widerstand der Mus- zutiefst erschüttert von ihren Berich- zu denen auch eine Abteilung gehörte, Die Briten scheiterten beim Versuch lime in ihrem Imperium provoziert. ten. Doch das Leben ging weiter und die im Kibbuz Schaar Haamakim stati- die Juden auszuspionieren Wenn es abzuwägen galt zwischen gerade die Neueinwanderer waren be- oniert war, in der Nacht vom 9. auf den Die Hagana täuschte die Briten, de- dem Mitgefühl mit der jüdischen Tra- strebt, so schnell wie möglich das Ver- 10. Oktober 1945 in das Internierungs- ren Nachrichtendienste unfähig waren, gödie in Europa und dem Bedarf an gangene hinter sich zu lassen und ein lager Atlit südlich von Haifa eingedrun- ihre Kräfte einzuschätzen. Sie hatten Erdöl, wog letzteres viel schwerer und neues, normales Leben zu beginnen. gen und haben 200 illegale Einwande- auch nicht die Truppen zur Verfügung, man beschuldigte schon damals die Ju- Nach der deutschen Kapitulation gab den, sie würden unproportioniert viel es unter den Displaced Persons (DP) Mit Erstaunen erfuhren wir, dass Sympathie auf Kosten anderer Opfer in Europa Hunderttausende Juden. Sie der Naziverfolgung gewinnen. Dies hatten Zwangsarbeits-, Konzentrati- es sowjetische Partisanen gab, hatte Außenminister Bevin bereits onslager und Todesmärsche überlebt. im November 1945 öffentlich ausge- Die meisten jüdischen DPs waren in die den Juden die Waffen wegnahmen und drückt, als er die vorgebliche jüdische überfüllten, früheren Arbeits- oder Tendenz kritisierte, „sich an die Spitze Konzentrationslagern untergebracht, jüdische Partisaninnen vergewaltigten. der Warteschlange“ zu drängeln bei der in der britischen Zone war es das KZ Suche nach Hilfe. Bergen-Belsen. Sie wurden bewacht Der milde, pro-britische, spätere ers- und waren zum Teil einer demütigen- rer befreit und diese in die Kibbuzim um ihre Politik den Juden aufzuzwin- te Präsident Israels Chaim Weizmann den Behandlung, zeitweise auch an- Beth Oren und Jagur gebracht. Es war gen. Was noch wichtiger war – sie wa- antwortete: „Ist es zu viel verlangt, an tisemitischen Angriffen ausgesetzt. eine gut geplante Aktion, Schulklassen ren nicht informiert über die Absichten die Spitze der Warteschlange zu ge- In Ungarn, Polen und der Slowakei aus Haifa wurden auf den Karmel in der Hagana. langen, wenn nach dem Mord an sechs wurden noch nach der Befreiung 1945 Haifa gebracht, um die von den Briten Obwohl Teddy Kollek ansonsten die Millionen Juden der Rest von einein- Gerüchte über von Juden begangene eingeleitete Suchaktion zu behindern. Briten genau informierte, führte er halb Millionen eine Zuflucht sucht in Ritualmorde ausgestreut und es kam zu Die Briten beschlossen das Mandats- nach Kriegsende sie bei den Verbindun- seinem Heimatland?“ Und er setzte Pogromen. Diese Ritualmordlegende gebiet zum strategischen Mittelpunkt gen der Hagana zu den beiden terroris- hinzu: „Was für eine fadenscheinige wurde noch bestärkt, weil viele glaub- ihrer Truppen im Nahen Osten zu tischen Gruppen in die Irre. Die Ha- Grabschrift war diese Erklärung auf ten, die Polizei und die Volksgerichte machen und entsprechend dieser Ent- gana spielte erfolgreich ein doppeltes den Gräbern unserer sechs Millionen wären von rachsüchtigen Juden be- scheidung kam im September die 6. Spiel, einerseits Zusammenarbeit mit Toten.“ herrscht. Daher sind auch überlebende Fallschirmjägerdivision ins Land. Doch den Briten, andererseits Zusammenar- Ab Anfang 1946 war unsere schuli- Juden aus diesen Ländern nach Öster- bereits am 13. November beschlossen beit mit den beiden Terrorgruppen. sche Ausbildung abgeschlossen und wir reich und Deutschland geflüchtet, weil das Vereinigte Königreich und die USA Die Briten übergaben die Verantwor- arbeiteten ganztägig im Kibbuz. Ob- sie in Lebensgefahr waren. Einigkeit ihre Politik im Nahen Osten zu ändern tung für die Zukunft des Landes Anfang wohl wir drei Jahre Unterricht gehabt im Jischuv bestand nur in einem Punkt, und eine gemeinsame Kommission zu Januar 1946 dem „Anglo-American hatten, bekamen wir kein Zeugnis oder dass diese in Europa bedrohten Juden, beauftragen, um die Lage der Juden in Committee of Enquiry on Palestine“ einen formellen Abschlussbescheid. In die in keinem anderen Land der Erde Europa zu überprüfen und für die Pro- (AACE). Sie sahen ein, dass ohne ei- den Schulen der Kibbuzim wurde fä- willkommen waren, in Erez Israel eine bleme eine Lösung zu finden. nen politischen Beschluss, den Jischuv cherübergreifend unterrichtet und es neue Heimat finden sollten. Weil das Weißbuch nicht abgeschafft mit Militärgewalt zu unterdrücken, gab keine Zensuren. Im Gegensatz zu Ben Gurion verstand 1945, dass alle wurde, brachen am 15. November in sie keine Lösung erzwingen konnten. den Kibbuzkindern, die im Internat jüdischen Kräfte vereint wirken müs- Tel Aviv und anderswo Unruhen aus. Sie erlaubten den Juden die Struktur erzogen wurden, erhielten wir zum da- sen, um die Einschränkung der jüdi- Die Briten schossen auf Juden, es gab ihres eigenen Staates und ihr eigenes maligen Zeitpunkt keine Möglichkeit, schen Einwanderung aufzuheben. Des- 13 Tote und viele Verwundete. Militär noch während des Mandats zu externe Prüfungen abzulegen, um zu wegen wurde Anfang Oktober 1945 Anfang Dezember traf Begin die entwickeln, obwohl sie bestrebt waren studieren oder einen Beruf zu erlernen. die „jüdische Widerstandsbewegung“ Kommandanten des Palmach, der von die meisten ihrer eigenen Truppen aus Wir beschlossen in einer heftig ge- (JRM) gegründet, in der Hagana, Ezel den Briten als „Kommandotruppe“ dem Nahen Osten abzuziehen. Sie ha- führten Debatte, entgegen den Wün- und Lechi gemeinsam wirken sollten. qualifiziert wurde und am 27. Dezem- ben ihre eigene Stärke überschätzt und schen der Bewegung, uns freiwillig Noch glaubte die Jewish Agency die ber griff Ezel die Polizeizentralen in die der Juden unterschätzt. Die Juden zum Palmach zu melden. Wir waren Briten beeinflussen zu können, damit Jerusalem, Jaffa und Tel Aviv an. Der waren nicht mehr bereit ohne freie Ein- überzeugt, als Soldaten genauso gut zu das Weißbuch von 1939 geändert und C.I.D. schätzte richtig ein, dass diese wanderung mit den Briten zu kooperie- sein, wie die im Land Geborenen und die freie Einwanderung ermöglicht Aktion allein von Ezel durchgeführt ren, dies hätte aber – das befürchteten wollten dies auch beweisen. 38 WELT № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU Ein deutscher Asylant in Syrien Mein Nachbar, der Nazi-Täter Alois Brunner Von Laila Mirzo Die ältere Dame hatte ihr Feuerzeug verlegt und alle suchten danach. Auf die Zwischen Gerechtigkeit und Rache liegt Frage, welche Farbe das Feuerzeug hätte, oft nur ein schmaler Grat. Besonders antwortete sie „braun“. Der Major fragte dann, wenn einem selbst Unrecht wider- sie, ob nur das Feuerzeug braun sei, oder fahren ist. Das unaussprechliche Unrecht sie auch? Darauf antwortete sie „ich war gegen die Juden in Hitlerdeutschland immer braun und werde auch immer hätte den Opfern jedes Recht zur Ver- braun sein!“. geltung und Rache zugesprochen. Doch Die Rentnerin hatte eine einschlägige trotz all des Leides, haben die Menschen nationalsozialistische Vergangenheit: Sie besonnen gehandelt. Nach dem Ende des war Mitglied der NSDAP und arbeitete Zweiten Weltkrieges hat der Staat Israel im Dritten Reich als Sekretärin im Aus- ein solides demokratisches Fundament wärtigen Amt. Sie lernte damals einen gebaut und einige NS-Täter ihrer gerech- jungen Iraker kennen, der wegen seiner ten Strafe zugeführt. nationalistischen Haltung nach Deutsch- Die Mörder und Helfershelfer auch land geflohen war. Um heiraten zu kön- Jahrzehnte nach dem Ende des National- nen und den Rassengesetzen zu entspre- sozialismus zur Rechenschaft zu ziehen, chen, gab sich ihr zukünftiger Ehemann ist keine späte Rache an alten Männern – als Kurde aus. Nach Logik der Nazis wie von Kritikern oft argumentiert galten die Kurden als indogermanisches wird – es ist ein Akt der Gerechtigkeit. „Arier“-Volk. Die zwei Gesinnungsge- Aus dem „Ich habe nur Befehle befolgt“ nossen hatten ihre Ideologie nie abgelegt, wird im Prozess ein „Ich habe die Verant- nannten ihren Sohn auch nach dem Ende wortung zu tragen!“. Das ist für die Opfer, des Nationalsozialismus mit zweitem die Überlebenden und Hinterbliebenen Namen Adolf. Auch sie waren in Damas- ein riesiger Unterschied. kus mit Brunner befreundet, ebenso der Einer, der sich nie als bloßen „Befehls- UNO-Major. empfänger“ verstanden hat und bis zu Als der UNO-Major bei der Verab- seinem Tod sogar stolz auf seine Verbre- schiedung meinem Vater, der Kurde war, chen war, ist der SS-Kommandant Alois die Hand reichte, zeigte auch er seine Brunner. Als „rechte Hand“ von Adolf wahre Gesinnung. Er packte ihn am Arm Eichmann war er laut Simon-Wiesenthal- und meinte voller Überzeugung: „Asem, Zentrum für die Verschleppung von über bei dir sieht man, dass arisches Blut durch 128.000 Juden verantwortlich. Wegen deine Adern fließt!“. Seitdem verzichte- seiner abscheulichen Grausamkeit war ten meine Eltern auf solch „ehrenhaften“ er als „Bluthund“ bekannt. Seine Mis- Besuch. sion war es Europa von den Juden zu Zum Zeitvertreib hatte Brunner Hüh- „säubern“. Er hatte die Deportation der ner gehalten und auch Hasen gezüchtet. Wiener Juden zu verantworten – 1942 er- Bekannte ließen dem Major über meine klärte Alois Brunner Wien schließlich für Mutter ausrichten, dass „Fischer wieder „judenfrei“. Hasen zu verkaufen hat“. Auf der anderen Nach dem Ende des Zweiten Weltkrie- AFP Seite hatte Brunner durch den Major im- ges nahm Brunner verschiedene Identitä- mer wieder Bücher aus Deutschland und ten an. Als er aufzufliegen drohte, gelang Alois Brunner erklärte Wien 1942 für „judenfrei“. Österreich bestellt, vor allem Maria Tre- ihm mit Hilfe ideologischer Gesinnungs- ben hatte es dem Nazi angetan. Nachdem kameraden die Flucht aus Europa. Über in Damaskus. Nach dem Kurs ging es war. Der freundliche alte Mann mit dem sich 1980 in einem Paket vom „Verein Ägypten wurde er in den 1950er Jahren immer in die hauseigene Bibliothek. Sauerkraut war der gesuchte NS-Verbre- Freunde der Heilkräuter“ eine Briefbom- nach Syrien geschleust. Mit dem Namen Während wir Kinder unsere Bücher aus- cher Alois Brunner. be befand, die ihm die linke Hand zer- und den Papieren seines Fluchthelfers, tauschten, trafen sich die Erwachsenen Die deutschsprachige Gemeinde pfleg- fetzte, vertraute Brunner dem normalen einem ehemaligen SS-Kameraden, lebte Postweg nicht mehr und ließ die Post Brunner dann als Dr. Georg Fischer in über seine UNO-Kontakte laufen. Denn Damaskus.  Eine deutsche NS-Anhängerin lebte bereits 1961 hatte er durch eine Brief- Hier trifft Brunner mit seinem unver- bombe, die der Mossad geschickt haben hohlenen Judenhass auf Freunde. Das als Asylantin in Syrien. In Hitler-Deutschland soll, ein Auge verloren. Motto „der Feind meines Feindes ist mein Die Verletzung am Auge muss wohl Freund“ führte zu einer Allianz zwischen hatte sie einen arabischen Exilanten zu Komplikationen geführt haben, denn syrischer Regierung und NS-Verbrecher. UNO-Leute haben eine Spendensamm- Er arbeitete fortan als Berater in „Juden- kennengelernt, der wiederum Asyl im lung für einen österreichischen Rentner fragen“ und unterwies den Geheimdienst organisiert. Er würde dringend eine Au- in Foltermethoden der Nazis. NS-Staat genoss. gen-Operation in der Schweiz benötigen Alois Brunner lebte in Damaskus kei- und hätte nicht genügend Geld dafür. Da- neswegs versteckt, er pflegte Freund- zum Plausch. Meine Mutter erzählte te auch Freundschaften zu den auf dem bei kam heraus, dass die Geldsammlung schaften zu Mitgliedern der deutschspra- ganz begeistert davon, dass im Nobel- Golan stationierten österreichischen für Georg Fischer war. Meine Mutter chigen Gemeinde. Die meisten wussten bezirk von Damaskus ein alter Herr aus Blauhelmen. Auch meine Familie zählte machte ihre Bekannten darauf aufmerk- genau, wer dieser Georg Fischer in Wirk- Österreich, vor dem Supermarkt für eu- in den 80er Jahren UN-Ärzte und Sanitä- sam, für wen sie hier eigentlich sammeln lichkeit war. ropäische Lebensmittel, selbstgemachtes ter zu ihren Freunden. Die ärztliche Ver- würden. Viele distanzierten sich darauf- Auch die Wege meiner Familie kreuz- Sauerkraut und Schwarzbrot anbot. Spä- sorgung auf dem Golan war sehr schlecht, hin von der Sammelaktion. ten die seinen. Als Kind besuchte ich den ter nahm eine Freundin sie zur Seite und also brachte meine Mutter medizinische Kurze Zeit später wurde meine Mut- Deutschunterricht am Goethe-Institut erzählte ihr, wer dieser Mann eigentlich Notfälle zur Erstbehandlung ins UNO- ter vom syrischen Geheimdienst abge- Lager. Am Portal saß auch immer ein holt. Der Offizier drohte ihr ganz offen: Die älteren Ausgaben der „Jüdischen Rundschau“ Vertreter des syrischen Geheimdienstes, „Misch dich nicht in Sachen ein, von der akribisch dokumentierte, wer im Mi- denen du nichts verstehst! Sonst werde sind in der Redaktion erhältlich. litärlager ein und aus ging. ich dich vernichten!“ Dabei tat er so, als Wenn Sie eine oder mehrere Ausgaben brauchen, teilen Sie Da mein Vater als Assad-Kritiker in ob er mit seinem Daumen, ein Insekt auf Syrien Berufsverbot hatte, betrieben der Tischplatte zerdrücken würde. Ein- uns bitte auf dem Postweg (J. B. O., Postfach 12 08 41, 10598 meine Eltern einen kleinen Bauernhof geschüchtert und in Sorge um meine Zu- Berlin) mit, welche genau, an welche Adresse sie geschickt wer- auf dem Golan. Wir verkauften Butter, kunft verließ sie Syrien mit mir, doch die Honig und Weihnachtsgänse an die Ös- Angst verfolgte sie auch in Deutschland den sollte und legen Sie bitte als Bezahlung Briefmarken zu je terreicher im UNO-Lager. Am Wochen- noch viele Jahre. ende luden wir oft deutsche Bekannte Alois Brunner soll 2001 in Damaskus 70 Cent bei: aus Damaskus ein, manchmal kam auch gestorben sein. Er entkam seinem Pro- • Für eine Ausgabe – 3 Briefmarken; Besuch aus dem Lager zu uns. Dabei zess, weil Syrien seinen Aufenthalt leug- verfolgte mein Vater eine Unterhaltung nete, aber auch, weil ihn Gesinnungs- • Jede weitere Ausgabe – eine zusätzliche Briefmarke. zwischen einer Deutschen und dem ös- freunde deckten. Damit haben sich die terreichischen Major. Mitwisser zu Mittätern gemacht. № 5 (33) Mai 2017 JÜDISCHE RUNDSCHAU RELIGION UND TRADITION 39 Ein Haus für G’tt bauen Warum die Menschen die Thora brauchen Von Rabbiner Elischa Portnoy

Wenn man an die jüdischen Feiertage denkt, ist das Schawuot-Fest in vielen Hinsichten einzigartig. Man muss nicht wegen Gesäuertem das Haus auf den Kopf stellen wie vor Pessach, man muss keine Laubhütte bau- en wie vor Sukkot. Es gibt auch keine besonderen Gebote für Schawuot, wie das Schofar-Blasen zu Rosch Haschana oder das Fasten am Jom Kippur. Der Feiertag ist außerdem recht kurz (nur ein Tag in Israel und zwei in der Diaspora). Nicht mal ein eigenes Datum hat dieses Fest: laut der Thora beginnt Schawuot genau 49 Tage nach dem ersten Pessach- Tag (was heutzutage auf den 6. Siwan des jüdischen Kalenders fällt). Deshalb ist es nicht leicht in diesem Fest irgendwie große Bedeutung zu ent- decken. Als der Tempel noch stand und das jüdische Volk vorwiegend mit der Land- wirtschaft beschäftigt war, hatte Scha- wuot noch eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung – doch jetzt ist auch dieser Faktor nicht mehr so wichtig. Vielleicht entstanden deshalb rund um dieses Fest viele Bräuche, die uns das Fei- ern „schmackhafter“ machen sollen: der Käsekuchen, das Lernen während der Eine Schawuot-Feier der Samariter ganzen Nacht, das Schmücken der Syna- goge mit Pflanzen und Blumen und viele es die Thora annehmen möchte, habe es ständen einfach unmöglich war, „Nein“ Auch diese Überlieferung hört sich fan- andere. nichts gefragt, sondern einfach geant- zu sagen. tastisch an und wirft viele Fragen auf: wo- wortet: „naase venischma“ – „wir wollen Nach dieser Erklärung gibt es über- rum geht’s hier überhaupt? Was gab es in Auch dieses Fest tun und hören“. haupt keinen Widerspruch zur Tatsache, der Antwort von Mosche, dass die Engel hat einen tieferen Sinn Das klingt eher so, als ob die Juden ab- dass die Juden dieses Geschenk G‘ttes sofort zugestimmt haben? Jedoch haben unsere Weisen stets betont, solut freiwillig die Thora angenommen freiwillig angenommen haben. Der be- Jedoch auch hier zeigen unsere Weisen, dass man Schawuot nicht „auf die leichte haben. Was also möchte Rav Avdimi uns sagte Midrasch ist einfach eine Zustands- wie in einer merkwürdigen Geschichte Schulter“ nehmen sollte, dass auch dieser im Midrasch sagen? beschreibung, die einen bestimmten As- ein tiefer Sinn verborgen sein könnte. Feiertag eine große Bedeutung hat und Unsere Weisen bieten mehrere Erklä- pekt beleuchten soll. Die einfachste Antwort auf diese Fra- viele Geheimnisse verbirgt. rungen für den komischen Midrasch an. gen ist, dass es auch hier um die Münd- Diese Geheimnisse haben uns unsere Im „Midrasch Rabbi Tanchuma“ wird Eifersüchtige Engel liche Thora geht. Mosche hat den Engeln Weisen in Midraschim überliefert. Der erklärt, dass unsere Vorfahren nur die Nur ein paar Zeilen bringt der Talmud gezeigt, dass die Mündliche Thora nur in Midrasch ist eine Art mündlicher Form Schriftliche Thora („Thora Schebich- einen weiteren merkwürdigen Midrasch, dieser materiellen Welt nötig ist. der Schriftauslegung. Durch die Ge- taw“) freiwillig angenommen haben. Die der sich auch mit dem Schawuot-Fest be- schichten und die Gleichnisse haben un- Mündliche Thora („Thora schebealPe“) schäftigt: Wo soll G’tt wohnen? sere Weisen in Midraschim viele wichtige wollten sie nicht so gerne haben: es kos- „Als Mosche in die Höhen hinauf- Eine tiefere Antwort gibt der Ljubawit- Ideen überliefert, die sonst verlorenge- tet viel Mühe sie zu lernen und es ist nicht gestiegen ist, sagten die Engel zu G‘tt: scher Rebbe: er weist darauf hin, dass gangen wären. unsere Weisen im Traktat „Bava Metzia“ Und es gibt sehr viele Midraschim, die Diskussion zwischen Mosche und den mit Schawuot zu tun haben. Dabei sind Schawuot sollen wir nicht auf die Engeln mit dem Gesetz „Bar Mitzra“ er- manche davon sehr komisch und ma- klären. chen bei der ersten Betrachtung nicht viel leichte Schulter nehmen. Das „Bar Mitzra“-Gesetz besagt, dass Sinn. wenn der Besitzer sein Landstück ver- Deshalb lohnt es sich ein paar solcher leicht sie zu behalten. Deshalb musste „Herrscher der Welt, was macht unter uns kaufen möchte, sein Nachbar als Erster Überlieferungen genauer zu analysieren, G‘tt darauf bestehen: ohne Mündliche einer, der von einer Frau geboren ist?!“. den Anspruch hat dieses Land zu kaufen. um zu sehen, wie hinter merkwürdigen Thora macht die Schriftliche keinen Sinn. Da sagte Er ihnen: „er ist gekommen, um Die Logik dahinter ist offensichtlich: für Geschichten tiefe Gedanken verborgen Nach dieser Erklärung, also, war die die Thora zu empfangen“. Da sagten die den Nachbar ist es einfach bequemer die sind. „Freiwilligkeit“ des jüdischen Volkes Engel: „Das verborgene Schmuckstück, Grundstücke nebeneinander zu haben nicht ganz komplett. das 974 Generationen vor der Erschaf- und zu bearbeiten. Der Berg über dem Kopf Eine andere Erklärung dieses Midra- fung der Welt geheim gehalten worden Und das war der Anspruch der Engel: In Babylonischem Talmud im Traktat sches konzentriert sich auf die Umstände, war, möchtest Du einem Menschen aus „wir sind die Nachbarn von G’tt und ha- Schabbat finden wir folgende Betrach- bei denen die Thora-Übergabe stattfand. Fleisch und Blut geben?!“ Da sagte G‘tt ben Recht auf die kostbare Thora!“. tung des Verses 19:17 („Und Mose führte Die Verse beschreiben dieses einmalige zu Mosche: „Antworte ihnen!“. Mo- Jedoch hat der „Gesetz von Bar Mitzra“ das Volk aus dem Lager, G‘tt entgegen, Ereignis folgendermaßen (2. Buch Mo- sche sagte zu Ihm: „Herrscher der Welt, folgende Ausnahme: wenn der Nachbar und sie stellten sich unten am Berge auf“): ses 19:16,18-19): „Als nun der dritte Tag ich fürchte ihnen zu antworten, weil ich auf diesem Feld säen möchte, und ein „Es sprach Rabbi Avdimi bar Chama kam und es noch frühe war, erhob sich fürchte, dass sie mich mich mit Flammen außenstehender Käufer ein Haus darauf bar Chasa: ‚aus diesen Wörtern (‚Betach- ein Donnern und Blitzen und eine dicke aus ihren Mündern verbrennen“. Da sagte bauen möchte, wird der Außenstehende tit haHar‘ – unten am Berge) lernen wir, Wolke auf dem Berg und der Ton einer G‘tt zu ihm: „halte dich an am Thron mei- bevorzugt. dass G'tt den Berg Sinai über das jüdische sehr starken Posaune. Da erschrak das nes Ruhmes und gib ihnen die Antwort“. Und das war auch die Erklärung von Mo- Volk gekippt hat wie eine umgedrehte ganze Volk, das im Lager war... Aber der Da hat Mosche Ihm gesagt: „Herrscher sche: ihr Engel braucht die Thora nur für Wanne, und ihnen sagte: wenn ihr meine ganze Berg Sinai rauchte davon, dass der der Welt, Thora, die Du mir gegeben hast, spirituelle Betrachtungen. Wir, die Men- Thora annehmt – gut! Wenn nicht – so HERR im Feuer auf ihn herabstieg. Und was ist darin geschrieben? – „Ich bin der schen, brauchen sie um ein Zuhause für G’tt wird hier auch euer Grab sein.“ sein Rauch ging auf, wie der Rauch eines HERR, dein G‘tt, der ich dich aus Ägyp- in dieser materiellen Welt zu bauen. Dieser Midrasch scheint ziemlich Schmelzofens, und der ganze Berg erbeb- ten, aus dem Diensthause, geführt habe“. Nur wenn man die Versuchungen und merkwürdig zu sein. Erstmal – wie kann te sehr. Und der Ton der Posaune ward je Dann hat er den Engeln gesagt: „Wurden Herausforderungen dieser Welt hat, und es sein, dass die Juden gezwungen wur- länger je stärker. Mose redete, und G‘tt Sie vom Pharao versklavt? – Warum sollte trotzdem die G’ttlichen Gebote befolgt den die Thora anzunehmen? Wo ist der antwortete ihm mit lauter Stimme.“ die Thora Ihre sei?“ Und außerdem fragte und G’ttlichen Willen erfüllt, nur dann freie Wille? Und wie viel Wert hat so eine Es gab also furchterregende „Spezial- Mosche die Engel bezüglich anderer Ge- lässt man die Schechina (die G’ttliche erzwungene „Annahme“? effekte“: Blitze, Donner, laute Posaunen- bote: „Ist irgendwelche Arbeit bei Ihnen? Präsenz) unter uns walten. Und da gab es Außerdem sagen unsere Weisen, dass Töne. Die Offenbarung von G‘tt war so Haben Sie Vater und Mutter?" – Sofort seitens der Engel nichts mehr einzuwen- als G‘tt das jüdische Volk gefragt hat, ob umwerfend, dass es unter diesen Um- haben die Engel G'tt zugestimmt". den. 40 ZU GUTER LETZT JÜDISCHE RUNDSCHAU Mai 2017 № 5 (33) Jiddisch, bitte! Ein Interview mit Niels Hölmer Von Jerome Lombard zeyer gut bukh far ale vos viln farstheyn mer vegn yidis- hn lebn in di tsvantsiker yorn in Lodzh. Niels, vu un ven bistu geboyrn gevorn? Redn a sakh mentshn in Isroel yidish in di hayntike Ikh bin geboyrn gevorn dem 14-tn oygust 1989 in Ber- zeytn? lin. Mayne kindishe yorn hob ikh farbrakht in Kreuz- Me iz meshayer az biz tsu a fertl milyon mentshn in berg, in a gas vos gefint zikh teykef bay a kanal. Kreuz- Isroel kenen Yidish redn. Andere kheshboynes vayzn berg iz shoyn demolt geven a shkheyneshaft mit a sakh oys az es zaynen veniker vos redn yidish in der heym. mentshn fun ale lender. In mayn kinder-gortn hot men Di merheyt fun di voz redn yidish vi togteglekh shprakh oftmol geredt farshidene sprakhn. Tsum badoyern nisht zaynen frume Yidn, ober s‘iz nisht poshet tsu barekhn keyn Yiddish. akurate tsoln. Ikh meyn, andersht vi me hot lange ge- Is yidish deyn mame loshn? haltn, yidish iz haynt a vaksndike sprakh, oykh in Isroel. Neyn. Ikh hob ongehoybn zikh tsu lernen yidish mit Lebn di voz redn yidish fun der heym hot me mer un mer veynike yorn tsurik, dank a profesorin mayne. Vi a bok- yunge yidish-redners voz lernen zikh yidish in der uni- her fun akhtsen yor bin ikh avek fun Berlin keyn Israel. versitet oder in sprakhkursn. Dortn hob ikh gearbet vi a frayviliker un zikh bakent mit Yidish is di sprakh fun yidn in a sakh lender. Yidish etlekhe sheyres-hapleyte. Dos zaynen geven zeyer rirev- varaynikt yidn fun alle lender. Aber far vos is yidish dike bagegenishn. Ikh bin geven shtork baayndrukt fun nisht gevorn di ofitsiele sprakh fun Medinat-Isroel? aza koyekh nafshi un zeyere freylikhkeyt. Ikh gedenk Dos iz a komplitsirt inyen. Avade es zayenen do geven a zikh bazundersh eyn (lady) voz hot nisht gekent kayn sakh shtimen vos hobn gefodert as yidish darf zayn di ofit- daytsh un kimat keyn english. Dos is geven dos ershte siele sprakh fun der nayer medine. Dos zaynen geven sh- mol, az ikh hob gedarft ren yidish. In mayn universitet petsiel frume yidn un oykh sheyres-hapleyte vos hobn ge- hob ikh dan bashlosn zikh tsu lernen yidishe sprakh, redt yidish in der alter heym. Yidish is geven di sprakh vos geshikhte, kultur un literatur. di merhayt fun ale yidn hot geredt eyder 1948, di sprakh Vos arbetstu? fun di yidishe masn. Ober tsurikgeredt a sakh veltlekhe Ikh arbet vi an akademisher asistent bay der fundat- yidn, tsiyenistn un der alter yishev (di vos zaynen geboy- sye Topographie des Terrors, a groys institutsye in mitn ren gevorn in palestine) hobn gekemft far loshn-koydesh Berlin, vos dokumentirt di retsikhishe melukheshaft fun vi di ofitsiele sprakh fun medinat-Israel. Me hot gehaltn Natsi-Daytshland. Shpetsiel arbet ikh baym opteyl in as yidish volt geven di sprakh fun fargangenhayt, fun sh- Berlin-Schöneweide vos forsht oys di getsvungene arbet. vakhkayt un funem khurbn. Bazundersh di tsiyenistn Mir hobn do an arkhiv, a biblyotek, tsenter far bildung un hobn gevolt shafn a nayen mentsh, vos iz in gantsn nisht Niels Hölmer tsvey oysshtelungn. Eyne vegn arbet unter di natsi me- gehert tsu di fargangene tsaytn fun goles ober darf zayn lukheshaft bekhlal und eyne vegn di italienishe plenikes. shtark un kenferish azoy vi di yidn geboyrem in der toyre. hobn geredt yidish oyf der gantser velt. Haynt lebt s‘rov Vos is geven deyn ersht yidish bukh? Vu leben s‘rov geboyrene redners fun yidish? fun di vos redn yidish vi a mame-loshn in Israel un di Ikh meyn dos ershte bukh vos ikh hob geleynt ingantsn S‘rov geboyrene redners fun yidish leben in der hayn- Fareynikte Shtotn. Ober es zaynen faran yidish redners oyf yidish iz geven Yisroel Rabons Di Gas. Ikh hob dos tiker tsayt in di tsenter fun frumer yidishkayt. Ober es kimat oyf der gantser velt. Keners fun yidishe sprakh bukh zeyer lib tsulib Rabons bildlekhe sprakh. Er hot a zaynen faran oykh mer un mer veltlekhe, shpetsiel yun- un cultur zaynen mesahyer az mer vi a milyon mentshn groys yekhoyles tsu bashraybn ales azoy az der leyener ge, mentshn vos lernen zikh yidish. Tsum erev funem redn haynt yidish. Me ken hofn az es veln zayn afile mer maynt me gefint zikh inmitn fun der mayse. Di Gas iz a khurbn es zaynen do geven arum elf milyon mentshn vos in der tsukunft.

JÜDISCHE RUNDSCHAU  Hiermit bestelle ich zum nächstmöglichen Termin die Monatszeitung Unabhängige Monatszeitung  Herausgeber: J. B. O. Jewish Berlin Online GmbH Coupon «Jüdische Rundschau» im Abonnement zum Preis (in Deutschland) von Verlag: J. B. O. Jewish Berlin Online GmbH, Dahlmannstr. 23, 10629 Berlin Für die Postsendungen: Postfach 12 08 41, 10598 Berlin Abo- 39 € für ein Jahr (Preis gilt für Deutschland, in anderen EU-Ländern Tel.: (030) 54 71 02 50 Fax: (030) 23 32 88 60 E-Mail: [email protected] • www.juedische-rundschau.de und Schweiz - 58 €, in Israel zum Preis von 82 €) Redaktion: Simon Akstinat (V.i.S.d.P.) • Administration: Michail Goldberg • Layout: Maria Pokrovski Bestellung Kontaktmöglichkeiten  49 € für ein Jahr in einem Umschlag (Preis gilt für Deutschland) • per Post: J. B. O. GmbH, Postfach 120841, 10598 Berlin • per Mail: [email protected]  73 € für zwei Jahre (Preis gilt für Deutschland) • per Telefon: (030) 54 71 02 50 • per Fax (auch Anrufbeantworter): (030) 23 32 88 60 • per Website: www.juedische-rundschau.de  32 € für ein Jahr als Student (nur in Deutschland, mit Nachweis). Werbeabteilung: Tel.: (030) 54 71 02 51 E-Mail: [email protected] Name, Vorname Druck: Pressedruck Potsdam GmbH, Friedrich-Engels-Str. 24, 14473 Potsdam Strasse, Hausnummer Die Zeitung erscheint monatlich. Abonnementpreis: frei Haus jährlich 39€, ermäßigt 32€ einschließlich 7% MwSt. PLZ Wohnort Alle in dieser Zeitung veröffentlichten Beiträge unterliegen dem Urheberrecht. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Der Verlag haftet nicht für die Richtigkeit der mitgeteilten Angaben Geburtsdatum Telefon: E-Mail: und für die Werbung. Für unaufgeforderte Manuskripte oder Fotos wird keine Haftung übernommen. Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für fernmündlich und handschriftlich erteilte Anzeigenaufträge übernimmt Ich bin damit einverstanden, dass mein Abonnement sich um ein weiteres Jahr verlängert, wenn ich es nicht spätestens sechs Wochen von dem der Verlag keine Haftung. Ende schriftlich kündige. Mir ist bekannt, dass ich innerhalb von 14 Tagen meine Bestellung widerrufen kann. © Copyright AFP Agence France-Presse GmbH – Das mit dem Kürzel «AFP» gekennzeichnete Bildmaterial dieser Seiten ist Datum Unterschrift urheberrechtlich geschützt und ausschließlich für die persönliche Information bestimmt. Jede weitergehende Verwendung,  insbesondere die Speicherung in Datenbanken, Veröffentlichung, Vervielfältigung und jede Form der gewerblichen Nutzung Ich zahle gegen Rechnung: sowie die Weitergabe an Dritte – auch in Teilen oder in überarbeiteter Form – ohne explizite Zustimmung der AFP GmbH ist Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten für interne Verlagszwecke gespeichert und verarbeiten werden sowie dafür benutzt werden, um untersagt. mich über die Neuigkeiten des Verlags zu informieren. Dieses Einverständnis kann jederzeit schriftlich widerrufen werden.

Jeder neuer Abonnent der Zeitung «Jüdische Rundschau» erhält

J. B. O., Postfach 12 08 41, einen Gutschein vom TuS-Reisebüro im Wert von 10598 Berlin 50 Euro, die bei Buchung einer Reise nach Israel verrechnet werden. (030) 54 71 02 51 (Mo.-Mi. von 10.00 bis 16.00) Füllen Sie bitte den Abo-Coupon aus, schneiden Sie ihn aus

[email protected] und schicken ihn uns per Post (J. B. O., Postfach 120841, 10598 Berlin), per Fax (030/23328860) (030) 23 32 88 60 (auch Anrufbeantworter) oder als Scan www.juedische-rundschau.de per E-Mail an: [email protected]. Unsere Kontaktadressen www.facebook.com/jrundschau Sie können die Zeitung auch auf unserer Website www.juedische-rundschau.de abonnieren. @jrundschau