KulturGeschichtsPfad

13 Bereits erschienene und zukünftige Inhalt Publikationen zu den KulturGeschichtsPfaden:

Stadtbezirk 01 Altstadt-Lehel Vorwort Oberbürgermeister Dieter Reiter 3 Stadtbezirk 02 Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt Grußwort Bezirksausschussvorsitzende Stadtbezirk 03 A. Pilz-Strasser 5 Stadtbezirk 04 -West Stadtbezirk 05 Au- Stadtbezirk 06 Geschichtliche Einführung 9 Stadtbezirk 07 Sendling-Westpark Stadtbezirk 08 Schwanthalerhöhe Rundgänge Stadtbezirk 09 Neuhausen-Nymphenburg Stadtbezirk 10 Stadtbezirk 11 Milbertshofen-Am Hart Spaziergang vom Friedensengel zur Mae West Stadtbezirk 12 Schwabing-Freimann Friedensengel 32 Stadtbezirk 13 Bogenhausen Monacensia im Hildebrandhaus 34 Stadtbezirk 14 Berg am Maria-Theresia-Straße 37 Stadtbezirk 15 Trudering-Riem Stadtbezirk 16 Ramersdorf-Perlach Rudolf Diesel 39 Stadtbezirk 17 -Fasangarten Ehemaliges Schloss Neuberghausen / Stadtbezirk 18 Untergiesing-Harlaching Beamtenreliktenanstalt 40 Stadtbezirk 19 Thalkirchen-Obersendling- Kirche St. Georg und Bogenhausener Friedhof 42 Forstenried-Fürstenried-Solln Stadtbezirk 20 Lauer-Villa 44 Stadtbezirk 21 -Obermenzing Georg Kerschensteiner 46 Stadtbezirk 22 Aubing-Lochhausen-Langwied Richard Willstätter 48 Stadtbezirk 23 Allach-Untermenzing Möhlstraße 51 Stadtbezirk 24 Feldmoching-Hasenbergl Stadtbezirk 25 Laim Prinzregententheater 55 Musterbauten »Neue Südstadt« 58 Ehemalige Landesversicherungsanstalt Oberbayern 59 Zwei detaillierte Lagepläne zur Orientierung im Ehemalige Gastwirtschaft Betz / Togal-Werk 62 Stadt­bezirk finden Sie im Anhang. Ehemaliger Edelsitz Stepperg / Reichsfinanzhof 64 Am Ort selbst sind die wesentlichen Stationen durch Universitäts-Sternwarte 66 Markierungs­schilder kenntlich gemacht. Max-Josef-Stift 68 Parkstadt Bogenhausen 70 Arabellapark 72 Alle Texte und weitere Informationen stehen unter www.muenchen.de/kgp zur Verfügung. Vom Herzogpark über St. Emmeram nach Oberföhring Mauerkircherstraße 76 Thomas Mann 80 Ehemalige Gaststätte Herzogpark 83 Erich Kästner 84 Grüntal 86 St. Emmeram 88 Dorfkern Oberföhring 90 Bernheimer Schlösschen 92 Ziegelei 93 Bürgerpark Oberföhring 95 Ehemalige Prinz-Eugen-Kaserne 97 Vorwort Radtour von Johanneskirchen über Daglfing, Zamdorf, Steinhausen und Denning nach Die KulturGeschichtsPfade der Landeshauptstadt München Katholische Kirche St. Johann Baptist 100 sind Rundgänge entlang historisch bedeutsamer Orte und Ortskern Daglfing 102 Ereignisse im städtischen Raum. Sie sind nach Stadtbezir­ken Trabrennbahn Daglfing 103 gegliedert und sollen zu einem flächendeckenden topogra­ Zamilapark 105 phischen Netzwerk der Geschichte Münchens ausgebaut »Afrikasiedlung« 106 werden. Hartl- / Theen-Villa 108 Grundschule an der Ostpreußenstraße 109 Wir laden alle Münchnerinnen und Münchner und alle aus- Katholische Kirche St. Nikolaus 111 wärtigen Besucherinnen und Besucher dazu ein, neben den geläufigen Glanzlichtern Münchens auch den weniger Literaturauswahl 113 bekannten Besonderheiten der Stadtgeschichte auf die Spur Bildnachweis 116 zu kommen. Jeder KulturGeschichtsPfad ist als Broschüre Übersichtskarten 117 erhältlich und im Internet abrufbar. Er führt zu den bedeu­ tenden­­­­­ Bauwerken, den geschichtsträchtigen Plätzen und den Wohnungen oder Wirkungsstätten bemerkenswerter Per­­sön­­lichkeiten des jeweiligen Bezirks. An Ort und Stelle

3 weisen Orientierungstafeln den jeweiligen Pfad und die betreffende Einzelstation aus. DieKulturGeschichtsPfade sind so angelegt, dass sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können.

Ich wünsche allen Reisenden, die sich zu den historischen Marksteinen vor der eigenen Haustür und jenseits der aus­- getretenen Wege aufmachen, anregende, neue Erkennt­nisse und dem Projekt der münchenweiten KulturGeschichts­Pfade große Resonanz in der Bevölkerung.

Grußwort

1892 wurde das Dorf Bogenhausen, das 768 erstmals ur- kundlich erwähnt worden ist, nach München eingemeindet. Einige Jahrzehnte später folgten die Ortschaften Oberföh­ ring, Zamdorf, Steinhausen, Daglfing, Englschalking, Johan- neskirchen und Denning. Zusammen bilden sie heute den Dieter Reiter 13. Stadtbezirk. Zur sogenannten „guaden oiden Zeit“, der Oberbürgermeister Regentschaft von Prinz Luitpold, wurde die Prinzregenten- straße zum ehemals selbstständigen Grafensitz Bogenhau- sen errichtet. In deren Umfeld entstand innerhalb weniger Jahrzehnte eines der mondänsten Stadtviertel Münchens mit Prinzregententheater, herrschaftlichen Villen und be- sonders prächtigen Bürgerhäusern, wie z. B. der Kerschen­ steiner- oder der Lauervilla. Neben den mondänen Bauten spiegeln sich in unserem Stadtteil auch die dunkelsten Seiten der deutschen Ge- schichte. So gab es beispielsweise in der Möhlstraße ein Außenkommando des Konzentrationslagers Dachau; und fast alle jüdischen Einwohner dieser Straße kamen in

4 5 Konzentrations- und Vernichtungslagern des Dritten Reichs ums Leben. Und auch das Schulgebäude des ehrwürdigen Max-Josef-Stifts kann seine Anfänge in der NS-Zeit nicht leugnen. Das 1939 fertiggestellte Schulhaus wurde nach Beginn des Zweiten Weltkriegs zum Hilfskrankenhaus. Nach dem Krieg war es ein Krankenhaus für Überlebende der Konzentrationslager – es waren vor allem jüdische Über- lebende, die hier unter dem Schutz der US-amerikanischen Besatzungsmacht Hilfe fanden. Auf ehemaligem Lehmabbaugebiet, welches für die Ziegel- produktion genutzt wurde, entstand in den 1950er Jahren die Parkstadt Bogenhausen. Diese war nach dem Zweiten Weltkrieg die erste große Nachkriegssiedlung, erbaut unter der Federführung des Architekten Franz Ruf. Rund 6.000 Bewohnerinnen und Bewohner – viele aus den ehemaligen sudetendeutschen Gebieten – fanden hier eine neue Heimat. Ab 1966 entstand der Arabellapark, ein Wohn- und Gewerbe- gebiet im 13. Stadtbezirk. Seitdem boomen Wohnungs- und Gewerbebau, so z. B. zuletzt das sogenannte Bogenhausener Bogenhausen Tor am Vogelweideplatz.

Lernen Sie die Vielfalt des 13. Stadtbezirks kennen! Eine Mög­ lichkeit hierzu bietet unser wundervoller KulturGeschichts­ Pfad, der 2013 in der Amtszeit von Angelika Pilz-Strasser erstmals erschien und unter Mitwirkung von Kultur- und Geschichtsinteressierten seither mehrmals ergänzt und aktualisiert worden ist.

Es grüßt Sie herzlich Stadtbezirk rechts der Isar zwischen 13 Villen und ehemaligem Ziegelland Ihr Florian Ring

6 Geschichtliche Einführung

Der rechts der Isar gelegene Stadt­­- Der Ausschnitt aus be­zirk Bogenhausen erstreckt sich im dem Urpositions- Norden und im Osten bis an die Stadt­ blatt von 1856 zeigt die damals noch grenze. Er zählt 90.025 Einwohner und weit voneinander ist mit einer Fläche von 2.370,98 Hek­ entfernt liegenden tar der viertgrößte Stadtbezirk der Dörfer und die Landeshauptstadt München (Stand ersten Ziegeleien. Am linken Bildrand Dezember 2019). Neben dem namen- erkennt man die Isar, gebenden Bogenhausen bilden die die 1806 in einen ehe­maligen Dörfer Oberföhring, Jo­han­ Kanal gezwängt nes­kirchen, Engl­schalking, Den­ning, worden war. Daglfing, Zam­dorf und Steinhau­sen den 13. Stadt­bezirk.

Von der frühen Besiedlung des Gebiets des heutigen Stadtbezirks zeugen Re­ likte aus der Bronzezeit, der Hall­statt­ zeit und der späten Latènezeit. Beim Bau der Obermayer’schen Klein­bau­ten­ sied­lung am Platz »Zur Deut­schen

8 9 Einheit« in Denning wurde 1928/1929 ein römischer Gutshof mit Bad aus dem 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr. freigelegt. In Englschalking entdeckte man 1983 östlich der Bahn­trasse an der Steg- mühlstraße Spuren eines großen baju- warischen Dorfes mit mehreren Fried- höfen. Archäologische Funde wie diese und die zahlreichen auf -ing en­denden Ortsnamen weisen auf die ba­juwa­ rische Besiedlung dieser Gegend ab dem 6. Jahrhundert hin. Auf dem Gebiet des Stadt­bezirks finden sich Überreste einer circa 2000 Jahre alten Römerstraße, die die Provinzen Nori­ cum und Rätien in ostwestlicher Rich­ tung durchzog und die Provinz­haupt­ stadt Augusta Vindeli­co­rum (Augsburg) 1319 verkaufte der Herzog von Bayern Oberhalb der mäan­ mit Lauriacum (Lorch), Wels und Wien die Grafschaft , zu der neben dernden Isar liegen verband. Im Mittel­alter wurde entlang Ismaning und Unterföhring auch Ober­ die Orte Bogen­hau­ sen und Oberföh­ring, dieser Straße das da­mals so wertvolle föhring, Englschalking und Daglfing dazwischen der Grabungsfund im Fernhandelsgut Salz von Salzburg gehörten, an das Hochstift Freising. Prielwald. Die Grenze Umkreis der römi­ und dem Berchtes­gade­ner Land nach Bogenhausen wurde daraufhin Grenz­ort zwischen dem Hoch­ schen Villa Rustica in Augsburg transportiert. Heute erinnern des Herzogtums Bayern und blieb dies stift Freising und Denning. Becher aus dem Herzogtum Keramik, sogenannte Stelen am Salzsender­weg an die histo­ bis 1802 / 1803. Bayern verlief rechts raetische Ware. risch bedeutsame Militär- und Handels­ des Prielwalds. Foto: Wolfgang Czysz ver­bindung. Die Zerstörung des Isar­ Viele Jahrhunderte waren die Dörfer, Ausschnitt aus einer über­gangs, der bei St. Emmeram in die heute den Stadtbezirk Bogen­hau­ Karte von Johann Jakob Löw (1716) Ober­föhring vermutet wird und dessen sen bilden, keinen grundlegenden Ver­ Verlegung südwärts, war eine wesent­ änderungen unterworfen. Dies änderte liche Voraussetzung für die Ent­stehung sich vor allem mit der industriellen des 1158 erstmals erwähnten herzog­ Ausbeutung des Lehmbodens ab der lichen Marktes München. zweiten Hälfte des 19. Jahrhun­derts.

10 11 später Kiesgruben, Quetsch­werke und Dammwege. Gleich­ zeitig kam es zu sozialen Veränderungen: Aus Bauern und Hand­werkern wurden wohl­habende Unternehmer, die vor- malige Knechte und Mägde als Ziegelarbeiter beschäftigten. Wegen der hohen Nach­frage nach Baumaterial ließ sich die harte Arbeit bald nur noch mit italienischen Saisonarbeitern bewäl­tigen, die schlecht bezahlt und zum Teil menschen­ unwürdig untergebracht wurden. Mehr über diesen einst auf dem Gebiet des heutigen Stadt­ bezirks so stark vertretenen Industriezweig erfährt man im ThemenGeschichtsPfad: Ziegeleien im Münchner Osten (www.muenchen.de/tgp).

Die vormalige Ziege­ Die historischen Ortschaften entwi­ ckel­ ­­ Bogenhausen und Steinhausen wurden 1892, Oberföhring lei August Haid (An ten sich auf der fruchtbaren Lößlehm­ und Zamdorf 1913 nach München eingemeindet. Die der Salzbrücke 39) zunge, die sich auf dem rechten Isar­ Gemeinde Daglfing, zu der seit 1818 Englschalking, Johan- war eine von 17 Zie­ geleien, die es um hochufer vom Fasangarten in neskirchen und Denning gehörten, sind seit 1930 Teil des 1900 in Oberföhring bis nach Ismaning erstreckt; diese Münchner Burgfriedens. gab. Die Aufnahme reicht an ihrer breitesten Stelle von zeigt einen Trocken­ Bogen­hausen nach Denning. Vor allem stadel der 1965 still­ gelegten Ziegelei, im 19. und im frühen 20. Jahrhundert Das ehemalige Zoll­ deren bauliche Reste wurde der Lehm abgebaut und in den haus in der Ober­ unter Denkmalschutz zahlreichen Ziegeleien zu Ziegelsteinen, föh­ringer Straße 57 stehen. markierte die einstige Dachziegeln und Pflastersteinen ge­ Burgfriedensgrenze.­ brannt und in die rasch wachsende Hier erhob die Stadt Stadt München geliefert. Der Lehm­- München von 1892 ab­bau veränderte die bäuerliche Kultur­ bis 1923 den Pflaster­ zoll. Aufnahme von landschaft auf dem Gebiet des heuti­ 1910 gen Stadtbezirks: An die Stelle von Äckern, Wiesen und Feldwegen traten Lehm­gruben, Ziegel- und Trocken­städel sowie Brennöfen mit hohen Schloten;

12 13 Als Pfarrsitz mit Pfarrdorf war Bogen­hausen zentraler Sitz der Urpfarrei rechts der Isar im Münchner Raum. Laut einem Verzeichnis des Bischofs von Freising von 1315 gehörten zur Pfarrei Bogenhausen acht Filialkirchen mit eigenen Begräb­ nis­­stätten: Giesing, Harthausen (Menterschwaige), Haid­ hausen, St. Nikolaus am Gasteig (Leprosenhaus), Trudering, Riem, Grons­dorf und Haar. 1357 wurde die Pfarrei Bogen- hausen dem Kollegiatsstift St. Veit im Bistum Freising über- tragen, das fortan den Bogenhausener Pfarrer bestimmte. Vom Mittel­alter bis ins 19. Jahrhundert zählte das bäuerliche Pfarrdorf 20 bis 30 Häuser.

Das Bauerndorf veränderte sich im 17. und 18. Jahrhundert mit der Entstehung der Edelsitze Stepperg und Neuberg- hausen. Die mit der Niedergerichts­barkeit ausgestatteten Anwesen gehörten Patrizier- be­zie­hungsweise Landadels­ Der Stich von 1825 Bogenhausen geschlechtern, später auch Hoch­adeligen, die ihre in relativer mit Bad Brunnthal Am Westrand der östlichen Isarhang­ Nähe des kurfürstlichen Hofs gelegenen Landsitze repräsen- und Burgfriedens­ kante entwickelte sich seit dem frühen tativ gestalteten. Deren Reprä­sentationsbedürfnis veränderte säule zeigt die Bogen- hausener St. Georgs­ Mittelalter das Pfarrdorf Bogenhausen. auch das Erschei­nungs­bild des Dorfkerns: August Graf von kirche; rechts dane­ -­ Der Ort wurde 768 / 769 erstmals er­ Törring-Jetten­bach, Schloss­herr von Neuberghausen, sorgte ben ist die Gaststätte wähnt als »Pupinhusir«, was »Haus / ­ mit dem Bogenhausener Pfarrer Franz Riedl ab 1760 für den (ehemals Schloss) Häuser des Poapo / Poppo / ­Pubo« be­ Um- und Neubau der Kirche St. Georg im Stil des Rokoko. Neuberghausen zu sehen. deutet. 776 / 779 ist das Dorf in den Besitzstandsverzeichnissen des Klos­ ters Schäftlarn aufgeführt, welches dem Bischof von Freising gehörte.

14 15 1803 erwarb Freiherr Maximilian Jo- Der Prielwald wurde versteigert und seph von Montgelas Schloss Step­perg abgeholzt. Auf dem Lehmboden ent- als Sommerresidenz. Hier wurde 1805 standen Ziegeleien, später der Ortsteil der Geheimvertrag von Bogen­hausen Priel. Die Bogenhausener Ziegeleien unter­zeichnet. Der Vertrag be­siegelte lieferten das Baumaterial an die sich den Bündnis­wech­sel Bayerns mit rasch ausdehnende Residenzstadt. Frank­reich, brachte dem Land einen Unter den zu Reich­tum gekommenen enormen­ Gebietszuwachs­ und machte Ziegeleibesitzern, den sogenannten Bayern zum Königreich. »Loambaronen«­­­ (»Loam« bairisch für Lehm), war auch der Bauunternehmer 1818 wurde die Gemeinde Bogen­hau­ Joseph Höchl. Dessen Sohn Anton sen mit den Ortsteilen Neuberghausen baute die im Priel gele­gene Villa seines und Brunnthal gebildet; auch die 1816 Vaters 1852 zum »Höchl-Schlössl« hierher verlegte königliche Sternwarte (Odin­straße 29) um und machte daraus und der »Ziegelstadel am Priel« gehör­ einen Künstlertreff­ punkt.­ Südöstlich ten dazu. des Anwesens, im sogenannten Odinshain, ließ Anton Höchl 1874 die Seit Beginn des 19. Jahrhunderts Staute des germanischen Göttervaters wurde der Austausch zwi­schen der Odin – auch Wotan genannt – aufstel- Stadt München und Bogenhausen len, die der Bildhauer Josef Natter in Bogenhausener enger: Staats­minister von Montgelas seinem Auftrag geschaffen hatte. Großgrundbesitzer: sorgte 1804 für die Errichtung der Staatsreformer ersten Bogenhausener Brücke etwa Maximilian Joseph Graf von Montgelas auf Höhe der heutigen Max-Joseph- Ein Glasfenster im Neuen Rathaus am Münch­ (1759 – 1838) im Alter Brücke; Waren wurden ausgetauscht ner Marien­platz zeigt ein mit Ziegelsteinen von 75 Jahren nach und Münchner Bürger be­such­ten die bela­denes Fuhrwerk vor dem Bogenhausener Ortsbild. Das 1906 von den Ziegelei­besitzern einem Gemälde von unterhalb des Isarhangs gelegene Eduard von Heuss Ottilie und Franz Kaffl gestiftete Fenster erin­ Bad- und Heil­anstalt Brunnthal sowie nert an den Beitrag der Bogenhausener Ziege­ Ausflugslokale rechts der Isar. leien zum bau­lichen Wachstum der Residenz­ stadt. Franz Kaffl war Gemeinde­bevollmäch­- tigter (ehrenamtlicher Stadtrat) in München. Foto: Michael Nagy, 2013

16 17 Auch Bogenhausener Bauern kamen als Ziegeleibesitzer zu Reichtum und An­sehen, wie der ehemalige Gemeinde­vor­ steher Josef Selmayr. Selmayrs Sohn, der ebenfalls Josef hieß, war Bogenhausens letzter Bürgermeister und errich­ tete 1894 eine Villa in der Möhlstraße 12; an der Stelle des elterlichen Bauern­hofes entstand 1898 die »Bürgermeister­ villa« (Ismaninger Straße 95).

Montgelas‘ Erwerbungen in Bogenhausen erstreckten sich von Schloss Stepperg auf die Isarauen unterhalb des Isar­ hochufers. Durch die 1806 erfolgte Isarregu­lierung­ waren diese vor Hoch­wasser geschützt und auf Dauer kultivierbar; für Mont­gelas brachte dies einen Flächengewinn von circa 40 Hektar. Der Staatsminister beauftragte den Hofgarten­ intendanten und Schöpfer des Englischen Gartens, Friedrich Eine ähnliche Entwicklung hatte sich Anlage der Ludwig von Sckell, das Gebiet als einen natür­lichen, priva­ seit der Eingemein­dung 1892 nahe Mauerkircherstraße ten Landschafts­garten zu gestalten. Eine Gedenktafel an dem Bogenhausener Dorfkern vollzo- im Herzogpark, 1910 der Montgelasstraße / Törringstraße erinnert an die Park­ gen. Auch hier entstanden Villen pro­ anlage, die 1838 von Herzog Maximilian Joseph in Bayern minenter und er­folgreicher Münchner (1808 –1888), dem »Zither-Maxl« und Vater der späteren und Zugezo­ gener.­ Kaiserin Elisabeth von Österreich, erworben wurde. Die her- zogliche Familie, deren Stadtpalais in der Ludwigstraße 13 In den 1930er Jahren ließen sich auch stand, nutzte die Gartenanlage zur Naherholung. Am 5. Mai viele führende Natio­nalsozialisten, wie 1900 verkaufte der Erbe, Herzog Karl Theodor, den Herzog­ Martin Bormann, Heinrich Himmler und park an die »Terrain-Aktiengesellschaft Bogenhausen-Gern«. Karl von Eberstein, in Bogen­hau­sen Diese vermarktete das Areal zwischen Isar und Isarhang, nieder – viele von ihnen in »arisierten« das von der Max-Joseph-Brücke bis zum Grüntal und dem Villen, deren jüdische Besitzer zwangs- Oberföh­ringer Stau­wehr reichte, als gehobenes Villenviertel. enteignet emigrierten oder in Kon­zen­ trationslagern ermordet wurden. Erfolgreiche Unternehmer, Privatiers, Wissenschaftler, Künst­ler und Litera­ten wählten den Herzogpark als stadt­ nahen Wohnort im Grünen.

18 19 In den 1950er Jahren weitete sich Bogenhausen nach Osten aus. Jenseits der Richard-Strauss-Straße entstand ab 1955 die Parkstadt Bogenhausen, ab 1966 der Arabellapark. 1984 eröffnete in der Englschalkinger Straße 77 das Klinikum Bogenhausen, ein Krankenhaus der Maximalversorgung mit über 1.000 Betten und 18 Fachkliniken. Seit 2005 gehört es zur Städtisches Klinikum München GmbH, jetzt München-­ Klinik. Ab 2020 wird ein Erweiterungsbau errichtet, das Be- standsgebäude modernisiert und Abteilungen vom Klinikum Schwabing hierher verlegt.

Oberföhring Oberföhring wurde am 3. Juli 750 als »ad Feringas« erst­mals erwähnt. Dies bedeutet »beim Fährmann und seinen Leu­ ten«. 1180 wurden erstmals Ober- und Unterföhring ge­trennt Mai 1948: Solida­­ Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden genannt. ritäts­­kundgebung zahlreiche Villen von der US-Besat­ jüdischer DPs im zungs­macht beschlagnahmt. In einigen Garten der Lauer- Villa für den im Ent­ Villen wurden sogenannte DPs (»Dis­ Oberföhring auf stehen begriffe­nen placed Persons«), also durch das NS- dem Isarhang. Staat Israel. Viele Regime aus ganz Europa Zwangsver­ ­ Kreidelithografie von Max Joseph der Versam­mel­ten schleppte, unter­gebracht; unter ihnen planten,­ dorthin­ Wagenbauer von auszu­wandern. Am waren auch viele Juden. In ande­ren 1810 linken Bildrand ist Häusern wurden Büros zur Bewäl­tigung die Kirche St. Georg der Verwerfungen­ der Nachkriegs­ zeit­ zu erkennen. eingerichtet. Auch zahlreiche jüdische Foto: Alex Hochhäuser Hilfsorganisationen wurden hier an- sässig. In der Möhlstraße dulde­ten die Besatzer außerdem einen florie­ren­den Schwarzmarkt, wo es – teils in eigens errichteten Behelfsbauten – alles das zu kaufen gab, woran es bis zur Wäh­ rungsreform­ mangelte. 20 21 Die Freisinger Bischöfe nutzten ihre seit 903 bestehende Grundherrschaft in Föhring: Sie errichteten an der Salz­- han­delsstraße eine Isarbrücke und kassierten den Zoll. Wegen des Brückenzolls kam es zum Konflikt und der Welfen­her­zog Heinrich der Löwe ließ die Brücke abreißen und nach Süden verlegen. Die Umleitung der Salzstraße führte 1158 zur Grün­dung des herzoglichen Marktes »Munichen« (Mün­chen); Oberföhring blieb im Mittelalter ein kleines Bauern­dorf.

Mit der Säkularisation – Verstaatlichung kirchlicher Besitz­ tümer – im Jahr 1803 kam Oberföhrung zu Bayern und zusammen mit dem Ortsteil St. Emmeram bildete es ab 1818 eine eigenständige Gemeinde. Am 1. Juli 1913 erfolgte die Eingemeindung nach München.

Seit den 1960er Jahren breitete sich die Bebauung Ober­­ Das Dorf Daglfing um 1900 föh­­rings nach Osten aus: Auf aufgelassenen Ziege­leien entstanden entlang der Effner- und Cosimastraße moderne Daglfing Wohnblöcke. Daglfing wird in einer Schenkungs­ur­kunde des Edlen Ratolt an die Freisin­ger Kirche am 10. Dezember 839 als »ad Tagol­­fingas« (Besitzungen des Tagolf) erstmals urkundlich Das 1974 errichtete erwähnt. Das Dorf kam 1803 zum Kurfürsten­tum Bayern. pyramiden­förmige 1818 / 1820 wurde die Gemeinde Daglfing aus den Dörfern »Pharaohaus« (Fritz- Daglfing, Englschalking, Johannes­kir­chen und Zamdorf, Meyer-Weg 55) ist eines der markantes- dem Weiler Den­ning und der Einöde Steinhausen gebildet. ten Gebäude Ober- föhrings. Aufnahme Südlich des Ortskerns wurde 1902 die Trabrennbahn eröff­ von 2009 net; 1909 entstand westlich des Dorfes ein Bahnan­schluss. Beides veränderte das bäuerliche Le­ben. Gleichwohl konnte der seit 1930 zu München gehörende Stadtteil seinen länd­ lichen Charakter weitgehend bewahren.

22 23 Denning Die urkundliche Erster­wäh­nung Dennings erfolgte um 1200 als »Ten­ningen« / »Danningen«, was auf den Personen- namen »Tanno« zurückgeht.

1818 kam Denning zur neu gebildeten Gemeinde Daglfing und wurde 1930 nach München eingemeindet. Ab Mitte der 1920er Jahre entstanden neue Siedlungen westlich und östlich der Ostpreußenstraße und am Platz Zur Deutschen Einheit. Dieser war 1930 im Gedenken an die Gründung des Deutschen Reichs 1871 benannt worden, erinnerte nach dem Zweiten Weltkrieg an die deutsche Teilung und ist heute ein Symbol für deren Überwindung am 3. Oktober 1990. In der Insterburger Straße steht seit 2005 die drei Die Denninger Meter hohe Denkmalstele der Bildhauer Peggy Meinfelder Schutz­engel­kapelle (geweiht 1710) und Klaus Herta, die der deutschen Wiederver­einigung wurde im Zweiten gewidmet ist. Weltkrieg zerstört und 1953 abgeris­ Durch Zuzüge nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der sen. Sie stand auf protestantische Bevölkerungsanteil Dennings: der 1939 er- dem heute unbe- bauten Grund­­stück richtete Betsaal in der Allensteiner Straße 7 wurde zu klein Ostpreußenstraße 6. und 1966 durch den Neubau der evangelisch-lutherischen Aufnahme um 1930 Immanuelkirche (Allensteiner Straße 9) – seit 2012 Teil der evangelisch-lutherische Gemeinde Immanuel-Nazareth – ergänzt. Ende der 1960er Jahre folgten Geschosswoh- nungsbauten in der Denninger Straße 194 bis 218 / Warthe- straße 4 bis 24, rund zwanzig Jahre später der Wohnkom- plex Denninger Straße 152 – 168. Vom alten Weiler, der um 1800 vier Anwesen mit Kapelle zählte, ist heute nur noch die Gaststätte »Alter Kernhof« (Denninger Straße 233) erhalten.

24 25 Englschalking Der Ort wurde 1231 / 1234 als »Engel­ schalchingen« erstmals urkundlich erwähnt. 1818 kam Englschalking zur Gemeinde Daglfing, 1930 erfolgte die Eingemeindung nach München. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Englschalking zum zentralen Ort der Die Postkarte zeigt Gemeinde Dagfling, die hier ihr erstes das Dorf Englschal- Schulhaus errichtete. k­ing um 1900 mit umgebenden Ziege- leien, die an den In den 1960er Jahren entstanden die charakteristischen Wohnanlagen Cosimapark und Fidelio­ hohen Kaminen und park. Seither ist die moderne Bebau­ung langgestreckten Ziegel­stadeln er­ an den historischen Dorfkern um die kennbar sind. Kirche St. Nikolaus herangerückt. Johanneskirchen Blick nach Westen: Johanneskirchen wurde 815 erstmals Johanneskirchen­ urkundlich erwähnt und gehörte bis mit Bahnstrecke­ und rauchenden­ ins 12. Jahrhundert dem Hochstift Frei- Schlöten der das sing; danach kam es als selbstständiger Gebiet prä­genden Ort zum Pfleggericht Wolfratshausen. Ziegeleien. Im 15. Jahrhundert wurde Johannes­ Postkarte von 1938 kir­chen als geschlossene Hofmark vom wohl­ha­ben­den Münchner Geschlecht der Ridler erworben. 1818 kam Jo­han­ nes­­kirchen zur Gemeinde Daglfing, 1930 erfolgte die Einge­meindung nach München. Damals entstand mit der »Zahnbrecher-Siedlung« die erste Sied­ lung abseits des Dorfs im Johannes­ kirchner Moos. Weitere kamen seit den 1960er Jahren hinzu. Um der drän- genden Wohnungsnot zu begegnen,

26 27 soll im Umfeld von Johanneskirchen, Daglfing und Riem neuer Wohn- und Lebensraum für Münchner Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden. Hierfür laufen seit mehre- ren Jahren vorbereitende Untersuchungen, wie das Gebiet städtebaulich entwickelt werden soll. Im Dezember 2017 beschloss der Stadtrat der Landeshauptstadt München die Ausschreibung eines städtebaulichen und landschaftsplane- rischen Wettbewerbs für das rund 600 Hektar große Areal, das eines der letzten großen Potentialflächen Münchens ist. Der Planungsprozess wird von intensiver Öffentlich- keitsarbeit und einer gezielten Einbindung der Bürgerschaft begleitet.

Zamdorf Steinhausen Konzernzentrale Zamdorf wurde erstmals 1021 als »Zamindorf« (Dorf des Steinhausen wurde 1808 erstmals er­ des Süddeutschen Zamo) erwähnt. Der Weiler, der 1812 fünf Anwesen zählte, wähnt und bezeichnete ursprünglich Ver­lags 2009: Ein Bürgerent­scheid vom gelangte 1818 zu Daglfing und 1875 zur Gemeinde Berg am einen Ziegelstadel bei Zamdorf. Als Teil Novem­ber 2004 be- Laim, die 1913 nach München eingemeindet wurde. Seit der Gemeinde Bogenhausen gelangte wirkte, dass der Turm 1937 gehört Zamdorf zum Stadtbezirk Bogenhausen. 1897 Steinhausen 1892 nach München. Seit nicht wie geplant 146 erhielt Zamdorf eine Haltestelle an der Bahnstrecke zwi- 1937 gehört Steinhausen zum Stadt­ Meter, sondern mit 99,95 Metern unter- schen Ostbahnhof und Marktschwaben. In Bahnhofsnähe bezirk Bogenhausen.­ halb der Richthöhe entstand die Siedlung »Neu Zamdorf«; in den 1930er Jahren der Frauenkirche wurden die »Kolo­nial-« beziehungsweise »Afrikasiedlung« Südlich der Autobahn 94 liegt ein ausgeführt wurde. sowie die Reichs­klein­siedlung Zamdorf (heute Siedlung großes Industrie- und Gewerbege­- Steinhausen) errichtet. Die Sied­lung Zamilapark entstand biet. Hier befindet sich seit 1972 der zwi­schen 1983 und 1991. S-Bahn-Betriebshof­­ Steinhausen. Mitte der 1980er Jahre verlegte der Im Dezember 2017 erfolgte ein Wettbewerbsentscheid Süddeutsche Verlag seine Druckerei zur Bebauung der von Eggenfeldener Straße, Hultischiner von der Innen­stadt in die Zamdorfer Straße und Autobahn A 94 umgebenen Grünfläche mit Straße 40; 2008 folgte dessen Kon­ rund 400 Wohnungen. zernzentrale­ (Hult­ schi­ ner­ Straße 8).

28 29 Durch Verlängerung der Trambahnstrecke vom Max-Weber- Platz nach Steinhausen 2016 sind die ansässigen und neu entstehenden Gewerbebetriebe an den öffentlichen Perso- nennahverkehr angeschlossen. Hiervon profitiert auch das Entwicklungsgebiet am Vogelweideplatz, wo 2017/2018 die von den spanischen Architekten Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano entworfenen Bavaria Towers entstanden, ein Ensemble aus drei Bürotürmen und einem Hotelturm von gestaffelter Höhe.

Der KulturGeschichtsPfad stellt den Stadtbezirk anhand dreier Routen vor. Die erste führt vom Friedensengel über Dorf und Parkstadt Bogenhausen zur Großskulptur Mae West. Der zweite Weg führt durch den Herzogpark über St. Emmeram nach Oberföhring. Der dritte Rundgang ver­ bindet die ehema­ ­ligen Dörfer Johanneskirchen, Daglfing, Zamdorf, Steinhausen, Denning und Engl­schalking. Bogenhausen

Spaziergang vom 13 Friedensengel zur Mae West

30 Der Friedensengel ist der griechischen Siegesgöttin Nike nachgebildet und somit eigentlich kein Engel im christlichen Sinne. Er wurde von den Bildhauern Heinrich Düll, Georg Pezold und Max Heilmeier geschaffen. In der ausgestreck­ten rechten Hand hält der Friedensengel einen Ölbaumzweig, in der linken eine kleine Statue der kriegerischen Göttin Athena, auf einer Weltkugel stehend. Letztere soll vor Unheil schützen.

Die Prinzregent-Luitpold-Terrasse wurde 1894 nach Plänen des Hofgärtendirektors Jakob Möhl fertiggestellt. Die Anlage besteht aus symmetrischen Treppen und einem Freiplatz mit ovalem Wasserbassin und Springbrunnen.

1894 ließ Prinz Friedrich von Hohenzollern das Anwesen Maria-Theresia-Straße 17 errichten. Ab 1936 waren Verwaltungsräume des SS-Oberabschnitts Süd im Gebäude un- tergebracht. Von 1939 bis 1945 wohnte hier der Münchner Polizeipräsident Karl von Eber- Friedensengel stein (1894 – 1979). Dieser war ab 1942 höherer SS- und Polizeiführer in Bayern, Baden, Würt­ tem­berg, dem Sudetengau und Thüringen. Der Friedensengel Der Friedensengel ist Bestandteil des Nach dem Krieg ging die Villa in den Besitz blickt seit 1899 von Friedensdenkmals, das 1896 bis 1899 des Landes Bayern über. Heute ist hier das der Prinzregent- als krönender Abschluss der Prinz­­­re­ Generalkon­ su­ lat­ der Russischen Föderation Luitpold-Terrasse in untergebracht.­ Bogenhausen auf gen­tenstraße auf der Prinzregent-Luit- den westlichen Teil pold-Terrasse errichtet wurde. An­lass der Prinzregenten­ war der 25. Jahrestag des »Frank­furter straße. Aufnahme Friedens«, der den deutsch-fran­zösi­ von 1900 schen Krieg (1870 / 1871) beendete.

32 33 von Hildebrand, seit 1918 Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität, war als wertkonservativer Katholik ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus; nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten floh er aus Deutschland. Im September 1934 verkauften Dietrich von Hildebrand und seine Schwester Irene ihr Elternhaus an Elisabeth Braun. Die aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammende Schrift- stellerin war 1920 zum Protestantismus konvertiert. Zwi- schen 1937 und 1941 ließ Braun »nicht arische« Verfolgte in ihrem Haus wohnen, weil NS-Behörden jüdische Bürger sys- tematisch aus ihren Wohnungen vertrieben. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung geriet Elisabeth Braun bald selbst in den Fokus der rassistischen Politik des NS-Regimes, das sie 1941 enteignete. Monacensia im Hildebrandhaus Im August 1941 mussten Elisabeth Braun, ihre Stiefmutter Rosa Braun und Das Hildebrandhaus Das Wohn- und Atelierhaus des Bild- die jüdischen Mieter das Haus in der mit signifikantem hauers Adolf von Hildebrand (1847 – Maria-Theresia-Straße verlassen. Sie Treppenhausturm 1921) in der Maria-Theresia-Straße 23 alle wurden deportiert und ermordet um 1925 entstand 1896 bis 1898 nach Plänen oder begingen Suizid. Eine Gedenktafel des Bauherrn. In der Künstlervilla mit am Portal des Hildebrandhauses und die italienischem Garten waren neben an- Dauerausstellung über die Geschichte deren Wilhelm Furtwängler, Prinzregent des Gebäudes erinnern an Elisabeth Luitpold, Wilhelm Röntgen, Richard Braun und ihre jüdischen Mieter. Strauss, Ricarda Huch, Annette Kolb, In der NS-Zeit lebten und arbeiteten die Karl Wolfskehl, Werner von Siemens Bildhauer Theodor Georgii, Ernst Geiger, Elisabeth Braun und Georg Kerschensteiner häufig zu Ernst Andreas Rauch und Wilhelm Nida-­ wurde am 20. No­ Gast. Nach Adolf von Hildebrands Tod Rümelin sowie die Pianisten Wolfgang vem­ber 1941 von München nach sorgten dessen Kinder Irene (verheira- Ruoff und Rosl Schmid im Hildebrand- Kaunas verschleppt tet mit dem Hildebrand-Schüler Theo- haus. Einige von ihnen blieben auch in und fünf Tage später dor Georgii) und Dietrich von Hildebrand der Nachkriegszeit Mieter des Gebäu- dort erschossen. dafür, dass die Villa ein künstlerisch- des, das ab 1948 der Evangelisch- Aufnahme von 1912 intellektuelles Zentrum blieb. Dietrich 34 35 Lutherischen Kirche in Bayern gehörte, die es von Elisabeth Braun geerbt hatte. 1967 kaufte ein Immobilieninvestor das verfallene Gebäude. Öffentlicher Protest und die Aufnahme in die Denkmalliste verhinderten den geplanten Abriss des Hildebrandhauses. Die Stadt München erwarb die Künstlervilla 1974 mit Mitteln des Bayerischen Denkmalfonds, ließ sie renovieren und brachte hier 1977 die Monacensia unter. Diese 1921 durch den ersten hauptamtlichen Bibliothekar Münchens, Hans Ludwig Held (1885 – 1954), gegründete Einrichtung versteht sich als »literarisches Gedächtnis der Stadt«. Die Mona­ censia umfasst ein aus rund 300 Nachlässen bestehendes Literaturarchiv – darunter Nachlässe von Klaus Mann, Erika Mann, Ludwig Thoma, Franziska zu Reventlow, Annette Kolb und Oskar Maria Graf – und eine wissenschaftliche Forschungsbibliothek mit münchenspezifischer Literatur.

2013 bis Ende 2016 wurde das Hildebrandhaus denkmalge- Maria-Theresia-Straße recht generalsaniert, verbunden mit einer Neukonzeption der Monacensia. Eine der auffälligsten Neuerungen des Umbaus Da die westliche Straßenseite der Die Ruederer-, stellt der neu geschaffene Glasanbau an der Südseite des Maria-Theresia-Straße bereits zu den später Aufhäuser- Hauses dar. Dadurch wurde die Voraussetzung geschaffen, Maximiliansanlagen gehört, durfte nur Villa (Maria-Theresia- Straße 28) wurde in dass die Künstlervilla wieder durch das historische Ateliertor die östliche Straßenseite bebaut wer­ den 1960er Jahren betreten werden kann. Hildebrands ehemaliges großes Ate- den. Um die Wende zum 20. Jahr­hun­ stark verändert. lier, das heutige »Forum Atelier«, dient tagsüber als Treff- dert ließen hier zahlreiche Berühmt­ Ansicht von 1910 punkt und Ort der Lektüre und abends als Veranstaltungs- heiten Villen errichten. saal. In den weiteren Atelierräumen informieren Daueraus- stellungen über das »Literarische München zur Zeit von Die nicht erhaltene Villa in der Maria- Thomas Mann« und über die wechselvolle Geschichte des Theresia-Straße 26 gehörte dem jüdi­ Hildebrandhauses. Das Hochparterre bietet Raum für Son- schen Landschaftsmaler Benno Becker derausstellungen. Literaturarchiv und München-Bibliothek (1860 – 1938), einem Gründungsmitglied befinden sich im ersten Obergeschoss. Der öffentliche der Münchner Sezession. Architekt Paul Garten und das Café MON laden zum Verweilen ein. Ludwig Troost – der spätere Parade­

36 37 architekt des NS-Regimes – gestaltete die Straßenansicht Rudolf Diesel im neoklassizistischen Stil, die Gartenseite im Stil der neuen Sachlichkeit. Nach Beckers Tod am 5. November Rudolf Diesel (1858 – 1913) ließ 1899 bis 1901 die reprä­- 1938 wurde die Familie enteignet; Martin Bormann, der sen­tative Villa in der Höchlstraße 2 errichten. Der durch Hitler-Vertraute und spätere Leiter der Parteikanzlei der die Er­findung des Dieselmotors reich gewordene Bauherr NSDAP, bezog mit seiner zehnköpfigen Familie das geräu- beauftragte den Architekten Max Littmann (der die benach- mige Anwesen. barte Villa Höchlstraße 4 bewohnte) mit dem technisch aufwändi­­ gen­ Bau. Die Jugendstilvilla in der Maria-Theresia-Straße 27 baute Herausragend war die zwei Stockwerke hohe Diele mit Martin Dülfer für den Ingenieur und Erfinder Clemens von breiter Eichenholztreppe, umlaufender Galerie und einem Bechtolsheim (1852 – 1930). Der Bau wurde originalgetreu gewaltigen Kamin, über dem ein Porträt des Hausherrn renoviert. hing. Zur teuren Ausstattung gehörten fünf Badezimmer, ein Billard- und Jagdzimmer, ein prachtvolles Esszimmer Der sozialkritische, vermögende Schriftsteller Josef mit Mahagonitäfelung und Marmorkamin. Rue­de­rer (1851 – 1915) baute 1907 die Villa in der Maria- Theresia-Straße 28; im selben Jahr erschien sein Buch 1908 geriet Diesel, der die »München«. Ruederer spottete darin über die Münchner Patente an seinem Motor Gesellschaft, so zum Beispiel über den früheren Intendan­ ver­kauft hatte, durch riskante ten des Prinz­­regen­tentheaters, Ernst von Possart, der in Immobiliengeschäfte in finan- dem nicht erhal­te­nen gigantischen Doppelhaus in der zielle Schwierigkeiten. Die Maria-Theresia-Straße 25 wohnte. 1917 kaufte das Ban­ in ihrem Unterhalt enor­me kiers­ehepaar Martin und Auguste Auf­häuser das Ruederer- Kosten verschlingende Villa Anwesen; im selben Jahr hatte Martin Aufhäuser die von empfand er zunehmend als seinem Vater gegründete Privat­bank Aufhäuser über­nom­ Last. In seiner verzwei­felten men. Diese wurde von den Natio­nalsozialisten­ »arisiert« Lage beging Diesel vermut- und Aufhäuser wurde im November 1938 ins Konzentra­ lich Suizid. tions­lager Dachau verschleppt. Ihm ge­lang im März 1939 die Emigration. 1940 kaufte der Reichs­kolonialbund das In einer privaten Villa in der Gebäude. Nach dem Krieg verkauften Aufhäusers Erben Höchlstraße waren von Oktober das Anwesen an den Bayerischen Apothekerverein, seit bis Dezember 1944 Häftlinge des KZ-Dachau untergebracht, die 1991 Bayerischer Apothekerverband e. V., dessen Haupt­ nach Luftangriffen Aufräumarbei- geschäftsstelle hier untergebracht ist. ten zu leisten hatten. Diele der Diesel-Villa um 1904

38 39 Ehemaliges Schloss Neuberghausen / Beamtenreliktenanstalt

Im 15. Jahrhundert befand sich auf dem Anwesen Maria- Theresia-Straße 35 ein kleines Wohn- und Wirtschafts­­­ge­­ bäude, das im Laufe der Jahrhun­derte durch Anbauten statt­ liche Dimen­sionen erreichte. Am 3. Juni 1740 kaufte Hof­­ kam­merrat Caspar Gregor von Lachenmayr das »Schlöss­­ chen«. Einen Monat später erhob Kur­fürst Karl Albrecht das Anwesen zum Edel­sitz Neuberghausen und stattete es mit einer Niedergerichtsbarkeit aus. 1761 bis 1763 ließ der neue Besitzer, August Joseph Graf von Törring-­Jettenbach, die Anlage durch Ignaz Anton Gunetz­rhainer und François de Cuvilliés den Älteren im Stil des Rokoko umgestalten. 1808 kaufte Finanzminister Johann Wilhelm Freiherr von Hom- pesch den Besitz. 1827 wurde im »Hompesch-Schlössl« die beliebte Ausflugsgaststätte »Neuberghausen« einge­richtet, Das Stifts-Gebäude wurde 1943 / 1944 Die im Volksmund von der Heinrich Heine in seinen 1841 erschie­nenen »Reise- von Bomben zerstört und abgetragen. auch als »Drachen­ bildern« schwärmt. Seit 1956 steht auf dem Grundstück burg« bezeichnete Anlage zählte etwa ein Bau von Paul Schmitthenner, in 100 Zimmer. Sie war Im September 1862 kaufte König Maximilian II. das Grund­ dem einst die Hauptver­waltung der für die Unterbring­ stück, ließ die Ausflugsgaststätte abreißen und die »König­ Frankona-Rückversicherungs-AG lo- ung alleinstehender liche Versorgungsanstalt für Beamtentöchter« errichten. gierte und heute eine zweisprachige Beamtentöchter beziehungsweise Der 1863 bis 1865 von Eduard von Riedel errichtete Bau Grundschule untergebracht ist. von Beamtenwitwen bildete den krönenden Abschluss der Maximiliansanlagen. erbaut worden, deren Während der Kriege gegen Preußen (1866 / 1867) und gegen Die unterhalb der Isarhangkante gelegenen Pensionsansprüche Frank­reich (1870 / 1871) wurde das Gebäude als Militärspital neoklassizistischen Villen Bad Brunnthal 2, für den Lebensunter­ halt nicht ausreich­ genutzt. 3 und 4 entstanden 1910 auf dem Areal der vor­maligen Bade- und Heilanstalt Bad ten. Die Postkarte Brunn­thal. Seit dem 17. Jahrhundert ist hier von 1905 zeigt die der Badebe­trieb belegt; im 19. Jahrhundert Versorgungsanstalt zog die Bade- und Kuranstalt Erholung­ mit dem darunter suchende des Münchner Bürgertums an. gelegenen Bad Brunnthal.

40 41 Berühmt ist der die Kirche umgebende Bogenhausener Fried­hof. Wer nicht mindestens 30 Jahre im dazugehörigen Bestattungsbezirk gewohnt hat, muss laut Friedhofssatzung eine »besonders bekannte Persönlichkeit« gewesen sein, um hier ein Grab zu erhalten. Neben alteingesessenen Postkarte vom Bogenhausener Familien, darunter die Großbauern und Bogenhausener Ziege­leibesitzer Selmayr und Kaffl (Grabmale an der Süd- Pfarrhaus und der Kirche St. Georg, wand der Kirche), ruhen hier Berühmtheiten: so zum Beispiel um 1948 die Schriftsteller Erich Kästner, Annette Kolb und Oskar Maria Graf, der Dirigent Hans Knappertsbusch, der Film­ Kirche St. Georg regisseur Rainer Werner Fassbinder, der Filmproduzent und Bogenhausener Friedhof Bernd Eichin­ger, der Musikmanager Monti Lüftner und die Schauspieler Liesl Karlstadt (eigentlich Elisabeth Wellano), Die St. Georgskirche am Bogenhauser Kirchplatz 1 war die Walter Sedl­mayer, Helmut Fischer (»Monaco Franze«) und Mutterkirche des Münchner Ostens. Die Um­ge­staltung der Siegfried Lowitz. Auch berühmte Wissenschaftler, wie die ehemaligen Dorfkirche zum »Rokokojuwel«­ erfolgte 1766 Direktoren der Sternwarte Bogenhausen Johann Georg von bis 1771 nach Plänen von Johann Michael Fischer. Unter Soldner, Johann von Lamont und Hugo von Seeliger sowie anderem wurde damals das Spitzdach des Turms durch die die Physi­kerin, Atomwaffen­gegnerin, Pazifistin und Frauen­ charakteristische doppeltgeschnürte Zwiebelhaube ersetzt. recht­lerin Freda Wuesthoff wurden hier beigesetzt.

Die Ausmalung des Innenraums gestaltete Johann Philipp Ein Gedenkstein an der Kirche und ein Denkmal des Bild­ Helterhof. Der viersäulige Hochaltar mit den Skulpturen hauers Klaus Backmund gegenüber dem barocken Pfarrhaus des Hl. Georg, des Hl. Donat und der Hl. Irene stammt (Neuberg­hauser Straße 9) erinnern an den ehemaligen von Johann Baptist Straub; die Seitenaltäre und die Kanzel Kirchenrektor Alfred Delp. Der Jesuitenpater leistete als schuf dessen berühmter Schüler Ignaz Günther. Mitglied des Kreisauer Kreises Widerstand gegen die Na­ tionalsozialisten. Er wurde nach dem Gottesdienst in der Wegen des starken Zuzugs nach Bogenhausen war das St. Georgskirche am 28. Juli 1944 verhaftet und am 2. Feb- Kirchlein 1933 von Abrissplänen bedroht. Die NS-Führung ruar 1945 in Berlin-Plötzensee ermordet. Erinnert wird inszenierte sich als Retterin: Gauleiter Adolf Wagner spen­ außerdem an Kaplan Hermann Joseph Wehrle, an die Be- dete Geld für einen Neubau und Oberbürgermeister Karl rufsoffiziere Ludwig Freiherr von Leonrod und Franz Sperr, Fiehler schenkte der Kirche den Bauplatz in der Scheiner­ die ebenfalls im Zuge des gescheiterten Attentats vom straße 12, wo 1934 die neue Pfarrkirche Hl. Blut errichtet 20. Juli 1944 verhaftet und hingerichtet wurden. wurde.

42 43 ließ eine prachtvolle Villa im deutschen Renaissancestil mit Atelier­haus und vorgelagertem parkartigen Garten erbauen. Der in finanzielle Schwierigkeiten geratene Lauer verkaufte das Anwesen 1925 an das Studentencorps »Suevia«, das es zum exklusi­ven Verbindungshaus umgestaltete. Im Frühjahr 1939 löste sich das Corps auf und verkaufte die Immobilie an die Stadt München. Während des Kriegs war hier eine Luftschutzschule­ untergebracht.

Ende 1946 wurde die Lauer-Villa dem »Zentralkomitee der befreiten Juden« überlassen. Hier entstand die erste Syna­ goge Münchens nach dem Krieg. Nach dem Umzug der Synagoge in die Possartstraße 15 wurde das Gebäude seit den 1970er Jahren wieder für weltliche Zwecke genutzt.

Seit 1993 wird das Gebäude von einem städtischen Kinder­ garten und von der »Städtischen Sing- und Musikschule« genutzt. Der große Saal wurde 2003 renoviert und dient als Musik- und Veranstaltungssaal. Lauer-Villa Am Bogenhauser Kirchplatz 3 befand sich Lauer-Villa 1924 Auf dem Anwesen Neuberghauser bis zur Errichtung der Gebeleschule 1914 die Straße 11 ließ die Actien-Löwen- Bogenhausener Schule. Danach nutzten das Kindergarten-Seminar (später Fachbereich Braue­rei in den 1860er Jahren die Sozialpädagogik der Fachhochschule Mün­ Gastwirt­ schaft­ »Neuberghausen« chen) und ab 1926 die soziale Frauen­schule errichten. Doch Bierausschank und die vormalige Dorfschule. Das im Krieg zer- Tanzveranstal­ tungen­ vertrugen sich bombte Gebäude von 1874 / 1875 wurde teil- weise wiederaufgebaut und 1960 durch einen nicht mit der Nähe zu Damenstift, Neubau ersetzt. Heute ist hier die Städtische Kirche und Fried­hof: Be­schwerden Berufsschule zur Berufsvorbe­rei­tung unter- wegen Störung der Toten­ruhe nahmen gebracht. zu, die Gäste blie­ben aus. 1911 kaufte der Maler und Unterneh­mer­sohn Friedrich Lauer das Grund­stück und

44 45 1895 wurde Kerschensteiner Stadtschulrat und Königlicher Schulkommissar und begann, das Münchner Schulsystem zu reformieren. Er zielte auf einen handlungsorientierten Unterricht durch die Einführung von Arbeitsunterricht und Arbeitsschulen mit Werkstätten – den Vorläufern der heu­­­- ti­gen Berufsschulen. Diese Leitidee hatte Folgen für den Schul­hausbau: Heute zeugen davon zum Beispiel die Gewer­be­schulen am Elisabethplatz, in der Pranckhstraße 2 und in der Liebherrstraße 13; letztere benannte die Stadt München 1924 nach Kerschensteiner.

Seit 1995 verleiht die Stadt München die Kerschensteiner- Medaille an Persönlichkeiten, die sich besondere Verdienste um die Bildung von Kindern und Jugendlichen in München Georg Kerschen­ erworben haben. steiner bezog die Villa in der Der Königliche Hofgärtendirektor a. D., Jakob Möhl­straße 39 im Möhl, lebte von 1895 bis 1900 in der neuba­ Sep­tem­ber 1897. rocken Villa, Nr. 37, in der nach ihm benann­ Aufnahme vor 1914 ten Straße.

Georg Kerschensteiner In der Möhlstraße 35 befand sich von 1960 bis 1975 das Generalkonsulat des Kaiser­reichs Die Doppelvilla Möhlstraße 39 / 41 errichtete Leonhard Iran. Am 4. August 1970 besetzten rund 70 persische Studenten das Generalkonsulat aus Romeis 1896 für den Reformpädagogen Georg Kerschen- Protest gegen das Schah-Regime. steiner und den Kunstmaler Ernst Ludwig Plaß im Stil der deutschen Re­naissance. Kerschensteiner wurde 1854 in Die Eckvilla Möhlstraße 31 gehörte dem Bild­ München geboren und stammte aus kleinbürgerlichen hauer Heinrich Düll, der mit Pauline Selmayr, Verhältnissen. Nach einer Ausbildung zum Volksschullehrer der Tochter des größten Grundbesitzers und letzten Bürgermeisters von Bogenhausen studierte er an der Technischen Hochschule München ver­heiratet war. Die von Hans Grässel entwor­ Mathematik und Physik und wurde 1883 promoviert. An- fene Villa wurde 1971 abgerissen; einzelne schließend war er Gymnasiallehrer in Nürnberg, Schwein­- Schmuckteile der historischen Villa wurden furt und München; begleitend studierte er Mineralogie, in den Neubau integriert. Zoologie und Botanik an der Würzburger Universität.

46 47 Im Juli 1924 gab Willstätter seine Pro­fessur aus Protest gegen den zunehmenden Antisemitismus der Fakultäts­mit­ glieder auf, der sich besonders bei Berufungsverfahren zeigte. Er setzte seine Forschungen am Chemischen Institut fort und blieb Mitglied der Bayerischen Akademie der Wis- senschaften und des Deutschen Museums. Auch nach der Machtüber­ nahme­ durch die Nationalso­ zialisten­ war Will­ stätter ent­schlos­sen, »in München auszuharren«, wie er in Richard Willstätter seinen Erinnerungen schrieb. Die Natio­nalsozialisten raubten be­wohnte das Haus dem inter­natio­nal angesehenen Wissenschaftler seinen mit seiner Tochter Besitz und im März 1939 musste Will­stätter in die Schweiz Ida Margarete­­ (1906 – 1964), die an der fliehen. In Basel arbeitete er für die chemische Industrie und Münchner Ludwig- Richard Willstätter forschte als Privatgelehrter. Maximilians-Univer­ sität Physik studierte Die heute nicht mehr existierende Villa und 1931 von Arnold Sommer­feld promo­ in der Möhlstraße 29 plante Oswald Der Nobelpreisträger viert wurde. Bis Som- Bieber 1925 / 1926 für den Chemiker Richard Willstätter mer 1933 ar­bei­tete Richard Willstätter (1872 – 1942). Den im Labor um 1923 sie am Kaiser-Wil- Bauplatz hatte Willstätter im Februar helm-Institut für phy- sikalische Chemie 1925 zufällig entdeckt und war sogleich und Elektrochemie in von der schönen Lage nahe den Maxi­ Berlin, verlor diese miliansanlagen­ begeistert. Position aufgrund rassistischer Bestim­ mun­gen und emi­ Richard Willstätter entstammte einer grierte 1936 mit ih- jüdischen Familie. Er hatte in München rem Mann Ernst Chemie studiert, in Zürich und Berlin Bruch in die USA. als Pro­fessor gearbeitet und war 1916 Das Will­stät­ter-Haus wurde 1957 ab­ge­ an die Ludwig-Maximi­lians-Universität rissen. berufen worden. Ein Jahr zuvor war ihm für seine Untersuchungen der Farb­ stoffe im Pflanzenbereich, vor allem des Chlorophylls, der Nobelpreis für Chemie ver­liehen worden.

48 49 1927 erwarb Ferdinand Schreiber die heute Möhlstraße stark veränderte Villa auf dem Eckgrund­ stück Möhlstraße 34 als Verlagshaus für den Bald nach der Eingemeindung Bogen­hausens 1892 entstan­ Schreiber-Verlag. Im Dachgeschoss wohnte ab 1928 Schreibers Freund und Mitarbeiter, den nahe dem Dorfkern die ersten Villen in der neu ange­- der Religionsphilosoph­ und Kulturkriti- leg­ten Möhlstraße. Deren Straßen­führung und Bau­platzver- ker Theodor Haecker. Dieser hatte sich teilung­ hatte der Königliche Hofgärtendirektor Jakob Möhl schon früh gegen den Natio­nalsozialis­mus (1846 – 1916) geplant; nach ihm wurde die Straße bereits gewandt; seine Gedanken beeinflussten auch die studentische­ Wider­standsgruppe 1895 benannt.­ »Weiße Rose«. 1936 wurde Haecker mit Rede- und 1938 mit Publika­tions­verbot be- Die Villa mit der Hausnummer 27 kaufte 1928 der Bankier legt. Seine Aufzeich­nungen aus dieser Zeit Baron August von Finck, Besitzer der Privatbank »Merck wurden posthum ver­öffentlicht und zählen zu den bedeu­tendsten Zeugnissen der inne- Finck & Co« und Finanzier des »Hau­ses der Deutschen ren Emigration deut­scher Intellektueller in Kunst«. Obwohl er von der »Arisierung« – also der Zwangs- der NS-Zeit. enteignung – jüdischer Banken und auch sonst vom NS- Regime finanziell profitiert hatte, wurde Finck nach dem Zweiten Weltkrieg nur als »Mitläufer« eingestuft.

Die Villa Nr. 21 war 1901 für das vom Judentum zum Pro­ tes­tantismus konvertierte Bankiersehepaar Julius und Luise Kaufmann erbaut worden. Die Nationalsozialisten »arisier­ ten« das Haus am 1. Februar 1938 und die Kaufmanns wur­ den bis zum Deportationsbefehl in die Jakob-Klar-Straße 7 Theodor Haecker um­quartiert. Dort nahmen sie sich am 31. Oktober 1940 (1879 – 1945) zu­sam­men mit ihrem Sohn Bruno das Leben. In ihr Haus zog Wilhelm Freiherr von Leonrod mit seiner Frau ein. Deren Sohn Ludwig übernahm das Anwesen 1940; er wurde als Mitwisser des Attentats vom 20. Juli 1944 verhaftet und am 26. August 1944 von den Nationalsozialisten im Straf­ gefäng­nis Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Die Villa Möhlstraße 30 gehörte dem jüdischen Ehepaar Luise und Hans Herrmann. Sie flohen 1940 mit der Unter­ stützung von Rudolf und Annemarie Cohen, die der Reli­

50 51 gionsgemeinschaft der Quäker angehörten, nach Palästina. Haus Nr. 9 war seit 1922 Eigentum des jüdischen Filmkauf- manns Karl Wiesel, der 1910 mit Isidor Fett die Bayerische Filmgesellschaft Fett & Wiesel gegründet hatte und zu den Gründern der ostjüdischen Synagoge in der Reichenbach- straße gehörte. Wiesel emigrierte 1938 mit seiner Familie in die Schweiz und starb 1941 auf der Überfahrt nach Süd- amerika. Die Nationalsozialisten enteigneten die jüdischen Eigentümer der Wohnhäuser Möhlstraße 30 und 9, um dort durch »Arisierung« wohnungslos gewordene Juden vor der Deportation vorübergehend unterzubringen. Die meisten der Zwangseingewiesenen wurden in nationalsozialistischen Lagern ermordet.

Die vormals von Reichsführer SS Hein­rich Himmler be­ wohnte Villa Nr. 12a nutzte nach dem Zweiten Weltkrieg Unter den jüdischen Bewohnern der Möhl- das »Zentralkomitee der befreiten Juden in Bayern«; in straße 30 waren die verwitwete Elsbeth der Nr. 14 befan­den sich bis 2007 verschiedene jüdi­sche Engel­mann, geboren am 7. Mai 1870 in Nürnberg und ihre Tochter, die Pianistin und Erziehungseinrichtungen. Musiklehrerin Hedwig Engelmann, geboren am 22. Februar 1897 in München. Auf Befehl In der Möhlstraße gab es ein Außenkommando des KZ der Nationalsozialisten verloren die Frauen Dachau. Weder der Zeitpunkt der Erstbelegung, noch der ihre Eigentumswohnung in der Luisen­- straße 3 und mussten im Oktober 1939 in das genaue Standort, noch die Belegungsstärke dieses Lagers »Judenhaus« nach Bogenhausen ziehen. sind bekannt. Eine Meldung vom 9. Juni 1944 vermerkt den Hedwig Engelmann wurde am 4. April 1942 Tod zweier KZ-Häftlinge in der Möhlstraße. Laut Belegungs- in das Ghetto Piaski deportiert und dort er- listen des KZ-Außenkommandos Möhlstraße gehörten die mordet; ihre Mutter wurde am 17. Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt verschleppt Zwangsuntergebrachten verschiedenen Nationalitäten an und im Vernichtungslager Treblinka getötet. und mussten Instandsetzungsarbeiten leisten. Letztmals Kennkartenbilder von Elsbeth (links) und erwähnt wird das Lager am 25. April 1945. Hedwig Engelmann

52 53 Der niederländische Konsul Friedrich Karl Meyer ließ 1899 die schlossartige Villa in der Prinzregentenstraße 61 errichten. Von 1900 bis 1919 wohnte der Nobelpreisträger Wil­helm Conrad Röntgen im ersten Stock; anschließend zog Prinz Alfons von Bayern ein, der das Anwesen 1903 gekauft hatte. Röntgen zog in die Maria-Theresia-Straße 11.

Die Villa Stuck (Prinzregentenstraße 60) gehört zum Stadtbezirk Haidhausen-Au.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Möhlstraße europa­weit für den von den US- Militärbehörden geduldeten Schwarz­markt bekannt. Die Aufnahme um 1948 zeigt Ver- kaufsstände in der Möhlstraße, in denen fast alles zu haben war. Prinzregententheater

1899 plante die Immobiliengesellschaft Die Errichtung des des Architekten Jakob Heilmann einen Prinzregententhea­ Theaterbau und erhielt noch im sel­ben ters bedeutete eine Aufwertung des kurz Jahr die Genehmigung, diesen nach zuvor eingemein­ Prinzregent Luit­pold zu benennen. de­ten Stadtviertels Am 21. August 1901 wurde das von und steigerte dessen Heil­manns Schwiegersohn und Ge- Attraktivität für das Großbürgertum. schäftspartner, Max Littmann, geplante Aufnahme von 1903 Theater (Prinzregentenplatz 12) mit Richard Wag­ners Oper »Die Meister- singer von Nürnberg« eröffnet. Das Haus veranstaltete regelmäßig Richard- Wagner-Festspiele. 1920 ging das Theater in staatlichen Besitz über. 54 55 Neben dem Gebäude befindet sich das Wagner-Denkmal von Heinrich Waderé von 1913.

Während der NS-Zeit waren Hitler und andere Vertreter der NS-Promi­nenz häufig im Publikum; die NS-Organisation »Kraft durch Freude« (KdF) organisierte Theaterbesuche für ihre Mit­glieder.

Das Prinzregententheater überstand den Krieg unzerstört und diente in der Nachkriegszeit auch unterschiedlichen Gru­ppierungen und politischen Parteien als Veranstaltungs­ ort. Von 1944 bis 1963 beherbergte es die Bayerische Staats­­­oper, deren Stammhaus in Trümmern lag. Dirigenten wie Hans Knappertsbusch und Sir Georg Solti, Opernsän­ gerin­nen wie Astrid Varnay und Erika Köth und der Opern­ sänger Hans Hotter begründeten damals den Ruhm des Theaters.

1963 wurde das baufällige Haus geschlossen. Intendant Am 16. Dezember 1933 wurde mit dem Die Aufnahme von August Everding setzte sich mit großem Engagement für Prinz­regentenstadion (Prinzregentenstraße 1936 zeigt das von die Instandsetzung des Theaters ein. Er veranlasste eine 80) die erste Freiluft-Kunsteisanlage Süd- Peter Regner und deutschlands eröffnet. Betreiber war Fritz Paul Wenz geschaf­­ Privatspendenaktion, die 1988 eine Teilrestaurierung ermög­ Krantz, der die Anlage auf seinem Privat- fe­ne Hauptgebäude lichte; 1996 wurde die Hauptbühne wiederhergestellt. grundstück errich­tete und sie 1936 um ein des Prinzregenten­ Freibad ergänzte. stadions mit dem Das Prinzregententheater beherbergt die Bayerische Thea­ Freibad; im Hinter­ grund links ist die ter­akademie August Everding und dient dieser als Spiel­ Krantz-Villa (Prinz­ stätte. Auch die Bayerische Staatsoper und das Staats­ regentenplatz 10) theater am Gärtnerplatz nutzen das Haus. Darüber hinaus zu sehen. wird es an Konzertagenturen und weitere Veranstalter vermietet.

56 57 Musterbauten »Neue Südstadt« Der Behörde standen Der von Bunkertürmen flankierte Wohnblock Prinzregen­ 101 Büros auf 8.686 Qua­dratmetern ten­straße 99 – 111 entstand 1942 bis 1944. Es handelt sich Gesamt­ fläche­ zur um nationalsozialistische Musterbauten, die einen guten Ver­fügung. Heute Eindruck von der geplanten, aber nie verwirklichten »Neuen nutzt die Deutsche Südstadt« geben. Der Plan von Hermann Giesler, General- Renten­versicherung Bayern Süd das Ge- baurat der »Hauptstadt der Be­wegung«, sah den Bau von bäude. Ansichtskarte 14.500 Wohneinheiten in rechteckigen Wohnblocks entlang um 1907 schnurgerader Straßen vor. Ehemalige Landesversicherungsanstalt Um die Bewohner vor Luftangriffen zu schüt­zen, wurden die Oberbayern Wohnblöcke mit Luftschutzbunkern verbunden.­ In den von meterdicken, fensterlosen Betonwänden um­gebenen Hoch­ Das Anwesen Holbeinstraße 9 / 11 entstand 1903 bis 1905 bunkern befanden sich sechs übereinan­der angeordnete als Dienst­gebäude der Landesversicherungsanstalt Ober­ Luftschutzräume mit einem Fassungsver­mö­gen von 200 bayern. Der dreigeschossige Gruppen­bau wurde von dem bis 250 Personen. Im Untergeschoss gab es Aborte, einen Bauunternehmen Heilmann & Littmann geplant. Waschraum und einen Gemeinschafts­raum. Der Verwaltungsbau setzte Maßstäbe: Alle Diensträume waren durch ihre Anordnung und den Innenanstrich hell; es gab Wannen- und Brausebäder für das Personal sowie Wohnblock mit eine große Früh­stückshalle. Bunkerturm in der Prinzregententraße,­ Nach dem Zweiten Weltkrieg bezog das Bayerische Staats­ Aufnahme von 2009 ministerium für Justiz das Gebäude. Außerdem arbei­teten hier die Behörde des »Staats­kommissars für das Flüchtlings­ wesen« und die des »Staats­kommissars für rassisch, reli­giös und politisch Verfolgte«. Während Wolfgang Jaenicke für die Versorgung und Un­ter­bringung der infolge des Zwei­ten Weltkriegs nach Bayern gekommenen deutschstäm­­mi­gen Flüchtlinge und Heimat­vertriebenen zuständig war, hatte sich Philipp Auerbach unter anderem um die »Wie­der­gut­ machung« und Wohnungsbe­ schaffung­ von KZ-Überle­ ben­ ­­ den und um ausreisewillige Displaced Persons zu kümmern.

58 59 Auerbach, selbst Jude und KZ-Überlebender, geriet wegen seiner unbürokratischen Hilfe für NS-Opfer und seiner mit­ unter eigenmächtigen Amtsführung zunehmend in die Kritik. Als Auerbachs schärfster Gegner zeigte sich der Bayerische Justizminister Josef Müller. Dieser hatte als Rechtsanwalt in der NS-Zeit an »Arisierungen« mitgewirkt und sammelte seit 1949 gezielt Belastungsmaterial gegen Auerbach. Die Polizei nahm Auerbach am 10. März 1951 fest; ihm wurden unter anderem Amtsunterschlagung, Untreue und Betrug vorge- worfen. Der sogenannte Auerbach-Prozess, der im April 1952 begann, war von schweren antisemitischen Angriffen gegen den Angeklagten begleitet. Im Zuge des Prozesses musste Justizminister Müller zurücktreten, weil er über die Grab von Philipp Verwendung von Geldzuwendungen keine Auskunft geben Auerbach im Neuen konnte. Am 14. August 1952 wurde Auerbach zu zweieinhalb Israelitischen Fried­ hof mit der Wid- mung: »Helfer der Ärmsten. Opfer Staatskommissar Philipp Auer­ seiner Pflicht«, bach (1906 – 1952), der auch dem Aufnahme 2017 Direk­to­rium des Zentral­rats der Juden ange­hörte und später Präsident des Landesent­schä­ Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt – von Richtern, di­gungsamts wurde, bei einer die vormals der NS-Justiz gedient hatten. Zwei Tage nach Gedenk­stunde für die Opfer des der Urteilsverkündung nahm sich Auerbach das Leben. Zur Faschismus am 11. November Beerdigung im Neuen Israelitischen Friedhof im Stadtbezirk 1949 im Baye­rischen Land­tag. Schwabing-Freimann, Garchinger Straße 57, erschienen Tausende NS-Verfolgte, darunter viele jüdische DPs. Als Trauernde den Behörden und der Regierung vorwarfen, Auerbach in den Suizid getrieben zu haben, setzte die Polizei Schlagstöcke und Wasserwerfer ein, um die auf­ge­heizte Stimmung unter Kontrolle zu bringen. Im Ab­schluss­bericht des in­folge des Suizids eingerichteten Untersuchungsaus- schusses des Bayerischen Landtags wurde Auerbach 1954 posthum rehabilitiert.

60 61 mittel hergestellt; zuletzt waren hier 150 Mitarbeiter beschäf­ ­tigt. 2011 erwarb die Bayerische Hausbau das Grundstück und errichtete ein Wohn- und Büroquartier. Die alten Fabrika- tionshallen wur­den abgerissen, die denkmalge­schütz­ten Tei- le blieben erhal­ten, einschließlich des alten Gast­hauses und des 1901 von Heinrich Düll und Georg Pezold geschaf­fe­nen Georgi-Brunnens.

Inmitten eines parkartigen Gartens befindet Das Holzkarussell sich die neubarocke Villa des letzten Bürger­ befand sich in einem meisters von Bogenhausen, die so genannte von zwei Holzpavil- »Bür­germeistervilla« (Ismaninger Straße lons im Garten der 95). 1941 kaufte der Lebensborn e. V. – eine Betzschen Gast­ rassistisch ausgerichtete NS-Organisation stätte. 1921 wurde der Schutzstaffel (SS) – das Anwesen für es abgebaut und an Büros und Dienstwohnungen hochrangiger das Stadtmuseum Mitarbeiter des Vereins. Zeitweise wurde München abgegeben. Gastwirtschaft Betz / Togal-Werk die Anschrift auch als Deckadresse für ledige Aufnahme von 1921 Mütter genutzt. Heute ist hier die Bayerische Gastwirtschaft Betz In der Ismaninger Straße 105, zwi­schen Theaterakademie August Everding unterge- 1910 Händel- und Törring­straße, befand sich bracht; im Garten ist ein Neubau des Finanz- gerichts München. die ehemalige Bogenhausener Tafern­ wirt­schaft mit Bier­gar­ten. Etwa seit 1820 drehte sich hier auch ein Holz­ karus­sell mit fünf Pferden, Dromedar, Steinbock, Widder und Wägen, das heute als herausragendes Zeugnis populärer Volkskultur in der Daueraus- stellung des Münchner Stadtmuseums­ gezeigt wird.

Die Wirtsleute Anna und Lorenz Betz verkauften 1921 das Areal der Firma Togal als neuen Firmensitz. In den Fa­ brik­anlagen wurden bis 2008 Schmerz­

62 63 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwarb der Kunstmaler und Fabrikant Ernst Philipp Fleischer die Liegenschaft. Er beauftragte 1909 die Baufirma Heilmann & Littmann mit der Errich­tung eines Wohn- und Gesellschaftshauses inklusive Gemälde­galerie in Gestalt einer barockisierenden Schloss­ anlage. Bereits 1910 wurden die Bauarbeiten aufgrund von Zah­lungs­­schwierigkeiten eingestellt – zurück blieb eine gi­gantische Bauruine. Das Deutsche Reich kaufte diese 1919, um hier den im Jahr zuvor gegründeten Reichs­finanz­hof unterzu­bringen, der 1924 das renovierte Gebäude bezog.

Während des Nationalsozialismus wirkte der Reichsfinanz­hof durch die rassistisch motivierte Auslegung der Steuer­ge­setz­ gebung und durch die Einführung von Sondersteuern wie der »Reichsfluchtsteuer« oder der »Juden­ver­mögensabgabe« entscheidend an der »Arisierung« jüdi­schen Vermögens mit. Eine Tafel im Innern des Gebäudes erinnert an das began­ Ehemaliger Edelsitz gene Unrecht. Stepperg / Reichsfinanzhof Seit 1950 nutzt der damals neu gegründete Bundesfinanz­hof Rohbau der 1630 wurde ein Grundstück mit Garten das Gebäude in der Ismaninger Straße 109. Fleischer-Villa nach aus dem Besitzstand des Zaichinger­ dem Bau­stopp im hofs, einem Lehen des Hochstifts Frei­ Für Beschäftigte des Reichsfinanzhofs Jahr 1910 sing, herausgelöst und von der ange­ wurden in der Ismaninger Straße 111, 113, sehenen Münchner Familie Schobinger 115 und in der Montgelasstraße 20 und 22 Beamtenwohnhäuser errichtet. erworben. Diese errichtete 1636 ein Schlösschen, das 1639 zum Edelsitz Mit der Dreieinigkeitskirche (Wehrlestraße 8) Stepperg erhoben und mit der niede­ren entstand 1936 / 1937 die erste evangelisch- Gerichtsbarkeit ausgestattet wurde. lutherische Kirche Bogenhausens. Seit 2007 erinnert an einer Mauer vor der Dreieinig­keits­ 1803 kaufte Staatsminister Freiherr kirche eine Gedenktafel an die jüdischen Opfer Ma­xi­milian von Montgelas das Anwe- des Nationalsozialismus in Bogenhausen.­ sen.

64 65 1840 wurde ein unterirdisches Observatorium für die Mes­ sung von Erd- und Telegrafenströmen und für meteorolo­- gi­sche Messungen errichtet. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden alle amtlichen Uhren Bayerns nach Signalen der Bogenhausener Sternwarte gestellt. Mit dem Bau eines erd­ magnetischen Observatoriums 1899 wurde die Messung geophysikalischer Aktivitäten intensiviert; eine Erdbeben­ warte wurde eingerichtet. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert beeinträchtigten heranrückende Bebauung, verstärkte Straßenbeleuchtung und wachsender Straßenverkehr die Forschungen an der Universitäts-Sternwarte Stern­warte. In dem 1964 anstelle des historischen Haupt­ ge­bäu­des errichteten modernen Institutsgebäude werden Die Sternwarte um Östlich der Stadt München, auf einer anders­wo gewonnene Beobachtungen ausgewertet. 1900: Links das kleinen Anhöhe gelegen und von Fel­ Haupt­gebäude von dern umgeben, entstand ab 1816 die Gegenüber der Sternwarte liegt der Galilei­platz. 1816/1817, rechts das Dieser heißt seit 1906 nach dem ita­lienischen Mathe- Refraktorgebäude, »Königliche Sternwarte zu Bogenhau­ matiker und Astronomen Galileo Galilei (1564 – 1642). das das Fraunhofer­ sen« (Scheinerstraße 1). Drei Jahre Galilei war es gelungen, die Theorien von Nikolaus sche Teleskop beher- später begann man dort mit Instru­men­ Koper­nikus (1473 – 1543) und Johannes Kepler bergt. Seit 1938 ist ten der damals weltberühmten optisch- (1571 – 1630) zu beweisen, wonach die Erde die Sonne die Sternwarte der um­kreist und nicht die Sonne die Erde. Die römisch- Fakul­tät für Physik feinmechanischen Werkstätten von Rei- katholische Kirche lehnte Galileis heliozentrisches der Ludwig-Maxi­ chenbach und Fraunhofer zu forschen. Weltmodell ab und zwang ihn zur Rücknahme seiner milians-Universität 1836 machte Direktor Johann von Erkennt­nisse. Erst 1992 nahm Papst Johannes Paul II. München angeglie- Lamont mit einem Teleskop aus der Galileis vollständige Rehabilitierung durch die dert. Fraunhofer’schen Werkstätte Ortsbe­ römisch-­katholische Kirche vor. stim­mungen des Kometen Halley, die Das Erinnerungszeichen in der Gaußstraße 3 ist Ruth bei der Wiederkehr des Kometen 150 Levinger gewidmet, die hier aufwuchs und Opfer der Jahre später, wichtige Informationen »Euthanasie«-Morde wurde. Die 1908 geborene jüdi- sche Münchnerin erkrankte 1932 psychisch und lebte für den Satellitenflug der Raummis­sion ab 1939 in der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar. Giotto lieferten. Das Teleskop wurde Von dort wurde sie am 20. September 1940 zusam- bis 1969 genutzt und ist noch heute in men mit rund 190 jüdischen Anstaltspatientinnen seinem historischen Gebäude im Park und -patienten in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz deportiert und mit Kohlenmonoxid ermordet. der Sternwarte untergebracht.

66 67 bezog das Max-Josef-Stift den Neubau in der Mühlbaur­ straße 15. Kurz nach Kriegsbeginn wurde der Schulbetrieb ausgelagert und das Schulhaus als »Hilfskran­ken­haus Bogenhausen« genutzt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte die US- Armee das Gebäude. Am 20. Februar 1946 eröffnete die »United Nations Relief and Rehabilitation Administration« (UNRRA) hier ein Krankenhaus für Überlebende von Kon­ zen­trations­lagern. Bis 1951 wurden hier mehr als 40.000 Patienten – meist körperlich und seelisch schwer verletzte Menschen – behandelt. Danach bezog das Max-Josef-Stift, das zwischen­­zeitlich im Kloster Beuerberg untergekom- Max-Josef-Stift men war, wieder das Gebäude. 1969 bis 1976 erfolgte der Neubau von Internat und Doppelturnhalle; 2016 wurde der Die Aufnahme vom Auf dem Grundstücksdreieck zwi­schen Erweiterungsbau mit Aula eröffnet. 17. April 1939 zeigt Beetz-, Mühlbaur- und Röntgenstraße den Schulneubau in befindet sich das Max-Josef-Stift. Das der Mühlbaurstraße. staatliche Mädchengymnasium mit Internat und Tagesheim kann auf eine 200-jährige Geschichte zurückblicken. König Maximilian I. Joseph gründete die Anstalt am 27. Mai 1813 nach fran­zösischem Vorbild als Erziehungs­ insti­tut für Töchter höherer Stände; dieses war ab 1840 in einem eigenen Ge­bäude in der Ludwigstraße / Ecke Vete­rinärstraße untergebracht. Knapp 100 Jahre später musste die Schule ihr an­gestammtes Gebäude zugunsten der neu gegründeten nationalsozialis­ tischen »Akademie für Deutsches Recht« verlassen. Im Frühjahr 1939

68 69 Parkstadt Bogenhausen

Auf dem 22 Hektar großen Grundstück zwischen Richard- Strauss-Straße, Schre­berweg, Gotthelf- und Stuntz­straße entstand 1955 bis 1956 die Park­stadt Bogenhausen. Die Großwohn­anlage sollte die drängende Wohn­raum­knappheit in der Landeshauptstadt bekämpfen helfen: Die Hochhäu- ser, Zeilenbauten und Reihenhäuser bar­gen circa 2.000 Wohnungen für rund 6.000 Bewohner. Bauherr war die Ge­ mein­nützige Wohnstättengesell­schaft von 1910, Hamburg, als Maßnahme- und Bauträger fungierte die Neue Heimat Bayern, in deren Besitz die Siedlung 1967 überging. Die Ge- samtplanung lag bei Franz Ruf. Ferner waren die Archi­tek­ten Hellmuth von Werz, Matthä Schmölz, Johannes Ludwig und Hans Knapp-Schachleiter sowie der Garten­architekt Alfred Reich beteiligt. Leitidee war die Schaffung gesunder Wohn- Unter den ersten Einwohnern waren Einer der prominen­ verhältnisse mittels großzügiger Grünflächen und einer die viele »Zua­groaste«, darunter zahlreiche testen ehemaligen Siedlung umgehende Verkehrsführung. Flüchtlinge und Heimatvertriebene, Bewohner der Park­ stadt Bogen­hau­sen weshalb die Siedlung auch »Preußen- war Hans-Jochen Der Wohnstandard war für die damalige Zeit hoch: Alle siedlung« genannt wurde. Vogel, der 1956 in Woh­nungen hatten Bad, Zentralheizung, Balkon oder Loggia. der Beblostraße eine Es gab zentrale Versorgungseinrichtungen, darunter Fern­ Die Parkstadt Bogenhausen steht als Wohnung bezog. Die Aufnahme von 1960 heiz­werk, Zentralwäscherei, Kindergarten, Schule (Grund- »qualitätsvolles Beispiel­ des fortschritt- zeigt den jungen und Mittelschule Stuntzstraße 55) und ein – heute denk­ lichen Siedlungsbaus der fünfziger Oberbürgermeister malge­schütztes – Ladenzentrum mit Gaststätte (Busching­ Jahre« unter Ensembleschutz. in der Parkstadt straße 2, 4 und 6). Auch die in Siedlungsnähe errichtete Bogenhausen. Seit 1972, nach seiner katholische Pfarrkirche St. Johann von Capistran von Sep Die Buschingstraße ist nach Paul Busching zweiten Amtszeit als Ruf (Gotthelf­straße 5) und die evangelisch-lutherische Naza- (1877 – 1945) benannt, dem Vorkämpfer des Münchner Oberbür- rethkirche von Helmut von Werz und Johann-Christoph gemeinnützigen Wohnungsbaus in Mün- germeister, ist Vogel chen. Dieser war nach dem Machtantritt der Ottow (Barbarossa­ ­­straße 3) stehen unter Denkmalschutz. Ehrenbürger der Natio­nal­sozialisten aus allen seinen Ämtern Landeshauptstadt entlassen worden. An Buschings Leistungen München. erin­nert ein von Seff Weidl in Gestalt eines Grund­steinlegers geschaffenes Denkmal west­lich des Ladenzentrums.

70 71 »Haremsgitter« beschimpften Hochhaus befinden sich Arztpraxen, eine Klinik, Büros, Läden und circa 500 Miet­ woh­nungen. Im Keller betrieb der Musikproduzent Giorgio Moroder Anfang der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre die Musicland Studios; hier nahmen unter anderem Donna Summer, Elton John, Led Zeppelin, die Rolling Stones, Deep Purple und die Scorpions Platten auf. Ein Teil des Arabellahauses wurde für die Olympischen Spiele 1972 mit 467 Zimmern zum damals größten Hotel Münchens umgebaut. Zusammen mit dem gegenüber liegenden ehemaligen Sheraton-Hotel (Arabellastraße 6) bildet es als »Westin Grand München« das größte Tagungshotel in Süddeutschland.

1969 wurde das BayWa-Sternhaus (Arabellastraße 4) fertig- gestellt, 2017 generalsaniert und um vier Stockwerke er- höht. In das Bürogebäude am Rosenkavalierplatz 2 zog im April 1971 das damals neu gegründete Bayerische Umwelt- Arabellapark ministerium.

Das markante Hypo- Der nach der Richard-Strauss-Oper Noch immer spekta­ku­lär ist das 1975 bis 1981 errichtete Hochhaus wurde zu »Ara­bella« benannte Stadtteil entstand »Hypo-Hochhaus« (Ara­bellastraße 12) mit seiner Aluminium­ einem Wahrzeichen ab 1966 zwischen Richard-Strauss- fassade. Der von den Architekten Walther und Bea Betz des modernen Mün- chen und steht unter Straße, Effnerplatz, Englschalkinger gestaltete Bau be­steht aus drei Prismen und vier unter­ Denk­­mal­schutz. Das Straße, Vollmannstraße und Denninger schied­lich hohen Rund­tür­men. Das 114 Meter hohe Verwal- Foto zeigt die Bau­ar­ Straße. Den Baugrund hatte Josef tungszentrum der Baye­ri­schen Hypotheken- und Wechsel- beiten im Sep­tem­ber Schörg­huber ab 1958 sukzessive er­ Bank (heute HypoVer­eins­bank) war damit das erste Gebäude 1979; im Bild­hin­ter­­- grund links das wor­ben, um durch sein Bauunter­neh­ in München, das die knapp 100 Meter hohen Türme der BayWa-Hoch­haus, men Bayerische Hausbau ein moder­ Frauenkirche überschritt. Von Walther und Bea Betz ist auch rechts das Arabella- nes Quartier aus Wohn­blöcken und der Erweiterungsbau von 1998. 2015 eröffnete der moderne haus. Bürotürmen zu errichten. Zunächst ent- Büro- und Wohnkomplex Arabeska, Arabellastraße 30. stand das 23-geschossige Arabellahaus (Arabellastraße 5). In dem anfangs als

72 73 Nachdem die geplante »Richard- Strauss-Konzerthalle« und das Mu­seum für moderne Kunst nicht zustande kamen, wurde 1982 der Rosenkavalier­ platz als kommunikatives Zent­rum mit zahlreichen Läden und Restaurants, dem »Cadillac«-Kino und einer Stadt­ teilbibliothek mit dem »Kunstforum Arabellapark« gestaltet. Seit 1988 gibt es den U-Bahn­an­schluss »Arabella­ park«. Zum Stadtteil gehören außer­dem das 1973 eröffnete Wilhelm-Hau­sen­ stein-Gymnasium (Elektra­straße 61) und die katholische Pfarrkirche St. Rita (Daphnestraße 29).

Am Effnerplatz befindet sich die nach der amerikanischen Tänzerin Mae West (1893 – 1980) benannte Großskulptur der amerikani­ ­ Bogenhausen schen Künstlerin Rita McBride. Die Skulptur ist 52 Meter hoch und besteht aus 32 inein­ an­der verdrehten Karbonrohren. Der Aufbau erfolgte im Januar 2011 nachts in zwei Etap­pen. Die Tram, die den Effnerplatz mit St. Emmeram verbindet, fährt unter der Zuschauer bestau­ Skulptur hindurch. nen die Aufstellung der »Mae West« im Ja­nuar 2011. Die Skulptur entstand im Rahmen des »Kunst am Bau Programms« der Landes­haupt­ Vom Herzogpark über stadt München. 13 St. Emmeram nach Oberföhring

74 zweiten Stock lebte Erna Hanfstaengl (1885 – 1981), Mit­be­ sitze­rin des Kunstverlags Franz Hanf­staengl und Förderin von Adolf Hitler. Im vierten Stock war 1919 der Historiker Karl Alexander von Müller (1882 – 1964) ein­gezogen. Der nationa- listisch, republikfeindlich und antisemitisch eingestellte Wis- senschaftler war ab 1928 Professor für Bayerische Landes- geschichte, trat 1933 der NSDAP bei, wurde 1936 bis 1943 Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und gilt als einer der einflussreichsten Historiker der NS-Zeit.

Die »Drillings­häu­ser«, Mauerkircher­straße 39 / 41 / 43: In Nr. 39 lebte das Hof­schau­spie­ ler­ehepaar Gustl Waldau und Herta von Hagen; in Nr. 41 der Historiker Erich Marcks und Nr. 43 wurde zunächst von dem Dirigen- ten Bruno Walter (1913 bis 1922 General­mu­ sik­direktor der Baye­rischen Staatsoper) und Mauerkircherstraße ab 1926 von dem Schriftsteller Bruno Frank bewohnt. Aufnahme von 1913 Der von Mathias Die Mauerkircherstraße ist die Er­ Gasteiger geschaf­ schlie­ßungsstraße des Herzogparks; fene Diana-Brunnen sie reicht von der Montgelasstraße bis am Kufsteiner Platz entstand 1908 als re­ nach Oberföhring. Im südlichen Teil bis präsentatives Entree zur Poschingerstraße wurden ab 1906 zum Herzogpark. vor allem Mietshäuser errichtet, nörd­ Das herrschaftliche lich davon entstanden Villen. Mietshaus dahinter – hier in einer Auf- nahme von 1909 In den 1920er Jahren wohnte im ersten – wurde im Zweiten Stock der Mauer­kircherstraße 12 die Weltkrieg zerstört. mit Henrik Ibsen, Adolf von Hilde­brand und Paul Heyse befreundete Schrift­ stellerin Helene Raff (1865 – 1919). Im

76 77 In den ersten Stock des Etagenhauses Mauerkircher­- straße 29 (abgerissen 1952) war 1919 der jüdische Kom- merzienrat Isidor Bach (1849 – 1946) eingezogen. Bach war bereits für seine hochwertige Lodenbekleidung bekannt, als er 1903 in der Send­linger Straße ein Kaufhaus für Knaben- und Herrenbeklei­dung eröffnete. Wegen der nationalsozialis- tischen Hetzkampagnen gegen jüdische Geschäftsinhaber verkaufte Bach 1936 sein Bekleidungsgeschäft an Johann Konen. 90jährig emigrierte Isidor Bach in die Schweiz und verstarb im Exil. Auch Bachs Sohn Alfred und sein Neffe Carl, die das Unternehmen bis 1936 leiteten, mussten ihre Häuser in der Mauerkircherstraße 55 beziehungsweise am Böhmer­wald­platz 2 zurücklassen und gingen ins Exil.

Paula Jordan In dem Mietshaus Nr. 13 bewohnte Werbeplakat von (1889 – 1941) und Thomas Mann mit seiner Familie 1912 für das Be- Siegfried Jordan von 1910 bis 1914 zwei miteinander kleidungsgeschäft (1889 – 1941) Isidor Bach, ge- verbundene Wohnungen im zweiten staltet von Ludwig Stock. Hier entstand unter anderem Hohlwein die Novelle Der Tod in Venedig.

2018 wurden Erinnerungszeichen für Paula und Siegfried Jordan angebracht, die von 1925 bis Frühjahr 1940 in der Mauerkircherstraße 13 wohnten. Das jüdische Ehepaar wurde am 20. No- vember 1941 nach Kaunas deportiert und unmittelbar nach der Ankunft am 25. November 1941 erschossen und in einem Massengrab verscharrt.

78 79 1919 erschienenen Novelle Herr und Hund ein litera­risches Denkmal. Er beschreibt darin die Spa­ziergänge mit seinem Hund Bauschan. 1929 erfuhr Thomas Mann hier von der Zuerkennung des Literaturnobelpreises für seinen 1901 erschienen Gesellschaftsroman Buddenbrooks.

Vollkommen unvorbereitet und unfreiwillig begann am 11. Feb­­ruar 1933 Thomas und Katia Manns Exil mit einer Vortrags­reise ins Ausland. Da die Nationalsozialisten dem Schrift­steller mit »Schutzhaft« drohten, war eine Rückkehr unmög­lich. 1936 wurde Thomas Mann ausgebürgert, sein Haus und sein Besitz wurden von der Bayerischen Politi­ schen Polizei beschlagnahmt, das Inventar zwangsverstei­ gert. Zuvor war es dem Sohn Golo gelungen, die Tage­bücher seines Vaters sicherzustellen.

Von 1937 bis 1940 nutzte der von Reichsführer der Schutz- Thomas Mann staffel (SS) Heinrich Himmler gegründete Lebensborn e. V. die Villa als Hauptgeschäftsstelle. Anschließend diente das Die Manns fühlten Der in Lübeck geborene Schriftsteller Gebäude als Mehrfamilienhaus. Am 10. Mai 1945 be­sich­ sich in ihrem Heim Thomas Mann (1875 – 1955) lebte seit tigte Klaus Mann als amerikanischer Soldat sein kriegszer- an der Isarprome­ 1894 in München. Er hatte in Miets­häu­ störtes Elternhaus. Bald darauf wies die Stadt russische und nade sehr wohl und nannten es liebevoll sern in der Maxvorstadt, in Schwabing ukrai­nische DPs in die Kriegsruine ein. »Poschi«. und – zuletzt – im Herzogpark gewohnt. Aufnahme aus den 1913 erwarb er das Eckgrundstück 1952 wurde die einsturzgefährdete Villa abgerissen. 1953 1920er Jahren Poschingerstraße 1/ Föhringer-Allee verkauften Thomas und Katia Mann das Grundstück. 2005 (seit 1956 Thomas-Mann-Allee 10) und wurde hier ein Neubau errichtet, der der Mann-Villa nach- ließ sich von den Architektenbrüdern empfunden ist. Alois und Gustav Ludwig eine herr­ schaft­liche Villa errichten. Der Stadtrat der Landeshauptstadt München beschloss 2016 die Stiftung eines Denkmals, das das Leben und Das Haus der Manns war Treffpunkt für Wirken der Familie Mann in München würdigt und schrieb viele Schriftsteller und Künstler. Thomas hierfür einen internationalen Kunstwettbewerb aus, den Mann setzt dem Herzogpark mit der 80 81 Familie Mann im der Künstler Albert Coers 2019 ge- Ehemalige Gaststätte Herzogpark Garten ihrer Villa wann. Dessen Entwurf widmet sich in der Poschinger- den biographischen Stationen der Der Architekt Martin Dülfer, Direktor Der idyllische straße 1927; von Bier­garten der links nach rechts: Familienmitglieder in München und der »Terrainaktien­gesellschaft Herzog­ Gaststätte Herzog- Monika, Michael, den verschiedenen Orten ihres Exils park München-Gern«, plante 1903 / 1904 park wurde 1953 Golo, Katia, Thomas, sowie der literarischen Rezeption und die Umgestaltung des vormaligen her- geschlossen. Elisabeth, Erika und Gedenkkultur, die sich weltweit mit zoglichen Ökonomiegebäudes in eine Postkarte von 1907 Klaus dieser außergewöhnlichen Familie aus- ganzjährig betriebene Gastwirt­ schaft.­ einandersetzt. Das Denkmal soll 2021 Diese wurde 1904 eröffnet und zum am Salvator Platz beim Literaturhaus beliebten Ausflugs­lokal. Zur An­lage ge­ München eröffnet werden. hörten ein Wohnhaus, eine Metz­ge­rei, diverse Wirtschafts­gebäude und ein Die sechs Kinder der Manns genossen die weitläufiger Biergarten. In den 1920er Freiheiten des Herzogparks. Um Erika und Jahren wurde ein erster Tennis­platz an­ Klaus bildete sich die »Herzogpark-Clique«. gelegt. Im Zweiten Weltkrieg wurden Zu dieser gehörte auch Richard Hallgarten, der in der Pienzenauerstraße 15 wohnte. die Wirtschaft und der große Tanzsaal Seine Mutter, Constanze Hallgarten zerstört und provisorisch wiederaufge- (1881 – 1969), leitete die Münchner Gruppe baut. der »Interna­ ­tio­nalen Frauenliga für Frieden und Freiheit«. Die Frauenrechtlerin und Friedensaktivistin war eine frühe Kritikerin Heute befinden sich hier die Tennis­- des Nationalsozialismus. ­plätze Herzogpark (Flemingstraße 16).

82 83 Erich Kästner

Der Schriftsteller, Drehbuchautor und Kabarettist Erich Käst­ner (1899 – 1974) lebte – mit Unterbrechungen – von 1953 bis zu seinem Tod in dem Reihenhaus Fleming- straße 52.

Kästner stammte aus Dres­den, hatte in Leipzig studiert und von 1927 bis 1945 in Berlin gelebt. Hier entstan­den viele seiner beliebten Kinderbücher, darunter Emil und die Detektive­ (1929), Pünktchen und Anton (1931) und Das fliegende Klas­sen­zim­mer (1933).

Die Nationalsozialisten diffamierten einzelne seiner Bücher als »undeutsch« und verboten diese. Kästner erhielt Pub­li­ Kästner mischte sich kationsverbot; trotzdem schrieb er – wenn auch unter Pseu­­ auch politisch ein: Bei einer Protest­ver­an­ donym – Theaterstücke und Filmdrehbücher. So verfasste stal­tung am 18. April er das Drehbuch für den Ufa-PrestigefilmMünch ­hausen 1958 im Zirkus-Krone- (1943). Bau kritisierte er die von der Bundes­ re­­ gie­ ­ rung ge­plante Be­waff­ Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Käst­ner nach München nung der Bundes­­ wehr­ und war von Herbst 1945 bis 1948 Feuilletonchef bei der mit Atomwaffen.­ von der amerikanischen Besatzungs­macht herausgege­ benen »Neuen Zeitung«. Nach dem Tod seiner langjährigen Le­­bensgefährtin, der Kästner gehörte als Generalsekretär dem Präsidium des Jour­nalistin Luise­­lotte Enderle (1908 – 1991), erbte das 1948 neu gegrün­de­­­ten deutschen PEN-Zentrums an; »Erich-Kästner-Kinderdorf« in Ober­schwarzach das von 1951 bis 1962 war er Präsident des west­deutschen gesamte Inven­tar des Hauses Flemingstraße 52, ein­ PEN-Zentrums. schließlich der Biblio­thek. Die »Erich-Kästner-Bibliothek« in Oberschwarzbach ist öffentlich zugänglich und nutzbar.

84 85 wurden von 1948 bis 1959 Filme in einem Kinosaal mit 185 Plätzen gezeigt. Am 22. Oktober 1950 fand hier die Feier des 1200-jährigen Bestehens Oberföhrings statt.

Aufgrund ungünstiger Wirtschaftlichkeit wurde das Gast­- haus 2010 geschlossen. Eine Bürgerinitiative konnte den Abriss 2011 nicht verhindern. Das Gelände wurde mit hoch- preisigen Eigentumswohnungen bebaut.

Zwischen 1976 und 1978 ließ die Stadt Mün­chen das Areal zwischen Isarwehr Ober­föh­ring und Herzog-Heinrich-Brücke als Erholungs- und Freizeitgelände gestalten. Neben ge­schütz­­ten Biotopen gibt es Kinder­ spielplätze sowie ausgewiesene Grill- und Nacktbade­plätze. Etwa da, wo sich einst ver- mutlich die Brücke befand, die Heinrich der Löwe um 1157 abreißen ließ, wurde 1978 die Grüntal St.-Emmeram-Brücke als Verbindung zum Englischen Garten errichtet. Die Holzbrücke Das idyllisch am Im nordöstlichen Teil des Herzogparks wurde 2002 durch Brandstiftung zerstört; Brunnbach gelegene liegt das Grüntal. Hier tritt der Brunn­ 2005 wurde die neue Brücke eingeweiht. Wirtshaus im Grüntal bach, ein Grundwasser führender Eine von dem Bildhauer Rolf Nida-Rümelin im Jahr 1918 mit geschaffene Bronze­statue erinnert seit 1979 Oberföhringer Bach­lauf, zutage. Dieses unterhalb an den Hei­ligen Emmeram, dessen Leichnam St. Lorenzkirche im des Oberföhringer Isarhochufers ver­ Ende des 7. Jahrhunderts etwa an dieser Bildhintergrund. lau­fende Gewässer trieb vom 10. bis Stelle zur Isar transportiert wurde, auf dem ins 19. Jahrhundert Mühlen an. Nach Weg zu seiner end­gültigen Grablege in deren Stilllegung entstanden kleinere Regensburg. Wohn­häuser. 1913 lebten im Grüntal St.-Emmeram-Statue 22 Fa­milien beziehungsweise 95 Per- vor der alten St.-Em­ sonen. In einem 1894 erbauten Wohn- meram-Brücke, 1998 haus mit Stallung wurde 1914 das »Wirts­haus im Grüntal« (Grüntal 15) als Kaffee­haus mit Bierausschank eingerichtet. In dem Ausflugslokal

86 87 In Erinnerung an den Heiligen errich­tete man um 884 die St.-Emmeram-Kapelle mit Emmerams-Reliquien aus Regens­ burg. 1663 entstand eine Ere­mitenklause samt Noviziat mit Schule und Lehrerbildungsstätte (ab 1721). Von circa 1670 bis zur Säkularisation bestand eine Wallfahrt. 1742 wurde die Kapelle zur Filialkirche ausgebaut.

1820 wurden Kirche, Eremitenklause und Schule abgetra- gen. An der Stelle von Schule und Klause entstand eine Villa (Spervogelstraße 12). Diese ist heute im Besitz der Stadt München und wird als Kindertagesstätte genutzt.

1711 wurde die »Neue Mühle St. Em­meram« (St. Emme­ St. Emmeram ram 41) errichtet. Ab 1873 betrieb der Müller eine kleine Bierwirtschaft. 1903 wurde die Mühle zu einer Wirtschaft Die Votivtafel von Der Ortsteil St. Emmeram ist nach umgebaut; die »St. Emmeramsmühle« ist heute noch ein 1867 zeigt die Dank­ dem aus Poitiers in Frank­reich stam- beliebtes Ausflugslokal. prozession zur Ka­ menden Bischof Emmeram benannt. pelle St. Emmeram. Rechts ist die St. Em­ Laut Aufzeichnungen des Freisinger 1866 errichteten die Wirtsleute der Emmeramsmühle meramsmühle, im Bischofs Arbeo war dieser in der zwei- gegen­über ihrer Gastwirtschaft eine private Feldkapelle Hintergrund die Pfarr­ ten Hälfte des 7. Jahrhunderts auf dem (St. Emme­ram 40) und ließen die Wallfahrtstradition kirche St. Lorenz zu Weg nach Rom aufgrund falscher wiederaufleben. sehen. Anschuldigun­gen ermordet worden. Nachdem seine Un­schuld wenig später erwiesen war, wurde Emmerams Leichnam von Asch­heim über die alte Römerstraße­ nach Oberföhring ge- bracht. Der Sage nach wurde der bald als Märtyrer verehrte Emmeram die Isar abwärts über die Donau nach Regensburg geschifft. Hier ließ ihn Herzog Theodo I. feierlich bei­setzen.

88 89 Dorfkern Oberföhring

Entlang der Muspillistraße gruppiert sich der alte, unter Ensembleschutz stehende Dorfkern von Oberföhring. In des­sen Mitte steht die katholische Kirche St. Lorenz (Mus­ pillistraße 14) aus dem Jahr 1678. Vom mittelalter­lichen Vorgängerbau blieb zunächst der Turm erhalten. 1893 wur- de er abge­ris­sen und durch den heutigen, schlan­keren­ und höheren Turm ersetzt; dieser erhielt – wie schon der alte Turm – wieder ein Satteldach.

Auf dem die Kirche umgebenden Fried­hof sind unter ande­ rem die Gräber der Ziegeleibesitzer Haid, Deck, Grimm­eisen und Hartl; auch der Bildhauer Adolf von Hildebrand und der Architekt Alexander von Branca sind hier bestattet.

Die Lithografie (um sichtbarer Wasserturm. 1940 bezog die Oberföhring mit 1880) zeigt links die »Arno-Fischer-Forschungsstätte GmbH« Wasserturm, Kirche St. Lorenz mit das Areal. In einer unterirdischen Anlage Aufnahme Oktober dem alten, niedrige­ erprobte Fischers Team im Auftrag des 1943 ren Turm, rechts NS-Regimes Unterwasserturbinen. Heute dane­ben das Schul­ unterhält­ der Kreisjugendring­ München-­ haus, ganz rechts Stadt in der alten Schule den Kinder- und das alte Pfarrhaus. Jugendtreff »Muspilli«.

Im ehemaligen »Bichlbauer«-Hof (Muspilli­ straße 5) wurde 1919 eine kirchliche »Klein­ kinderbewahranstalt« eingerichtet; seit 1939 Kindergarten der Kirchenstiftung St. Lorenz.

In der Muspillistraße 31 befindet sich das Die Muspillistraße wurde 1930 nach einem 1896 errichtete Pfarrhaus. althochdeutschen Stabreimgedicht aus dem 9. Jahrhundert benannt. »Muspilli« bedeutet Von 1824 bis 1959 war die Oberföhringer vermutlich Weltuntergang. Schule in der Muspilli­straße 27. Ein Anbau erfolgte 1874; ab 1911 wurde der angren­ In einer Oberföhringer Villa bestand von zende ehe­ma­lige Kreppenschneider-Hof als April 1944 bis Ende April 1945 ein Außen­ Schul­nebengebäude genutzt. Von 1900 bis kommando des KZ Dachau. 1962 stand im Schulgarten ein weithin 90 91 Ziegelei

Die Stichstraße »Zur Alten Ziegelei« führt von der Ober­föh­ ringer Straße zu dem Gelände der vormaligen Ziegelei Haid (beziehungsweise Deck). Diese war 1899 auf dem Grund­ stück eines aufgelassenen Bauernhofes errichtet worden. 1914 erwarb Josef Haid den aus Ziegelbrennofen und Kamin, Ziegeltrockenstadeln und Lagerplätzen, Arbeiter­wohn­haus, Stadel, Abort und Hofraum bestehenden Betrieb. 1928 baute er ein neues Maschinenhaus mit Werkstätte. Die Ziegelei wurde 1964 stillgelegt. Nach dem Tod von Haids Tochter, verheiratete Deck, wurde die Umwandlung in Bau­land Gartenansicht vom »Ober­ föhringer Schloss« aus den beantragt. 1930er Jahren Der NordOstKulturVerein setzte sich erfolgreich dafür ein, Bernheimer Schlösschen dass zumindest ein Teil der historischen Ziegeleibauten in das neue Wohngebiet integriert wurde und sorgte für die Die schlossartige Villa in der Muspillistraße 19 entstand 1900 Verlegung eines Trockenstadels und die grundlegende Sanie­ bis 1901 nach einem Entwurf von Andreas Holzinger für den rung des baulich desolaten Maschinenhauses. Auf dem Ge- Bildhauer Johann Parzinger. 1906 kaufte der persische Diplo­ lände des mit privaten und öffentlichen Geldern geschaffe- mat Mirza Reza Khan Geranmayeh Moayyedossaltaneh die nen Ziegeleidenkmals bietet der NordOstKulturVerein von Villa. Nach dessen Tod ersteigerte Ernst Bernheimer (1875 – April bis Oktober am ersten Freitag eines Monats regelmä- 1956) das Anwesen. Die Nationalsozialisten zwangen die ßig Führungen an. Vor Ort informieren Tafeln über die einzel- international renommierte Kunst- und Antiquitäten­händ­ler­ nen Schritte der Verarbeitung von Lehm zu Ziegeln. Von familie Bernheimer zur Emigration. Daraufhin bezogen die zentraler Bedeutung ist dabei das Maschinenhaus mit dem »Arno-Fischer-Forschungsstätte GmbH« und das SS-Liegen­ nahezu vollständig erhaltenen Maschinenbestand. Auch der schaftsamt das Anwesen. bedeutende Beitrag der italienischen Saisonarbeiter und die Arbeitsleistung von Frauen und Kindern werden dargestellt. Nach der Rückerstattung 1950 verkaufte Bernheimer die Villa an die Stadt München, die hier das »Städtische Alten- Auf dem vormaligen Ziegeleigelände wurden heim Oberföhring« einrichtete. Heute ist im Bernheimer im Juni 2012 neu angelegte Straßen nach Schlösschen­ eine therapeutische Wohngemeinschaft für den Schriftstellerinnen Else Lasker-Schüler, Marie Luise Kaschnitz und Carry Brachvogel Jugend­liche untergebracht. be­nannt.

92 93 Bürgerpark Oberföhring

In der Oberföhringer Straße 156 befin­det sich der Bürger­ park Oberföhring. Fritz Grünwald hatte hier 1898 eine Ziegelei errichtet; 1920 war der Grund abgeziegelt und die Ziegelei­gebäude wurden abgebrochen. 1939 musste die jü- dische Familie Grünwald ihren Grundbesitz dem Deutschen Reich verkaufen, das hier ein Luftwaffen­lazarett errichtete. Unter der Baulei­tung der Architekten Höfflin und Fischer wur­den 27 Baracken aus Fertigbau­teilen für 300 Betten zusammen­gefügt. 1942 kamen ein Bunker und ein unter­ irdischer Ope­rationssaal hinzu.

Ende 1945 stellten die Amerikaner die Baracken als »Städti­sches Kranken­haus Oberföhring« unter deutsche Verwal­tung. 1983 zählte es 228 Betten, 40 Ärzte und 128 Schwes­tern. Nach der Eröffnung des Städtischen Klinikums Bogen­hau­sen (Englschalkinger Straße 77) wurde das Oberföh­rin­ger Krankenhaus im Frühjahr 1984 geschlossen.

Gegen den geplanten Abriss der Baracken und den Verkauf des Baugrundes formierte sich örtlicher Widerstand. Nach­ dem die »Vereinsgemeinschaft 29 e. V. « im Juni 1984 zwei Baracken besetzte, lenkte der Münchner Stadtrat ein und überließ das parkartige Gelände mit zwölf Baracken Verei­ Das Luftbild von 1958 zeigt drei Oberföhringer Ziegeleien. nen und Künstlergruppen zur Miete. Mit Unterstützung des Vorne: Ziegelei August Haid, die erhaltenen Teile stehen städtischen Kulturreferats entstand ein kulturelles Biotop. unter Denkmalschutz; Mitte: Ziegelei von Franz Welsch, Neben zahlreichen Vereinen, örtlichen Parteigruppen und 1964 abgebrochen; oben: Ziegelei Josef Haid. Deren Ma­ schinenhaus und ein transferierter Trockenstadel konnten Künstlern sind hier das »Kafé Kult«, ein Montessori-Kinder­ mit Hilfe des Kulturbaufonds München vor dem Abbruch garten und das »Kleine Theater im Pförtnerhaus« unterge- bewahrt werden; sie stehen im Mittelpunkt des Ziegelei­ bracht. denkmals.

94 95 Ehemalige Prinz-Eugen-Kaserne

Östlich der Cosimastraße – zwischen Salzsender­weg und der Fortsetzung der Wahnfriedallee – errichtete die Reichs­­­­ wehr ab Juli 1938 eine Nachrichtenkaserne für die Luftwaf- fe. Die »Lohengrin-Kaserne« wurde nach dem Zwei­ten Welt- krieg von den Amerikanern als »Peterson-Kaserne« besetzt und zeitweise als Flüchtlingslager der Vereinten Nationen für die Unterbringung von bis zu 2.000 Displaced Persons genutzt. 1956 übernahm die Bundeswehr das Areal und richtete eine Pionierschule ein.

In Erinnerung an den österreichischen Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen erfolgte 1964 die Umbenennung in »Prinz Eugen-Kaserne«. 1972 wurden Pioniere bei der Vorberei­tung und Durchführung der XX. Olympischen Sommerspiele in Bau des Luftwaffen­ In der Oberföhringer Straße 150 unterhält München eingesetzt. lazaretts 1940. Für die Stiftung Pfennigparade seit 2004 ein die heutigen Nutzer Konduk­tives Förderzentrum für spastisch Im Januar 2009 wurde die Pionierschule an ihren neuen ist der bauliche gelähmte Kinder, Jugendliche und Erwach- Erhalt der nicht auf sene mit Förderschule, Krippe, Kindergar- Stand­ort in Ingolstadt verlegt. In den 53 Jahren ihres Langzeitnutzung ten, Internat und heilpädagogischer Tages- Be­stehens sind circa 238.000 Offiziere, Unteroffiziere, konzipierten Bara- stätte. Ferner gibt es einen auf Inklusion Mann­schaften und Zivilbeschäftigte der Bundeswehr cken schwierig. zielenden Regelkindergarten.­ sowie Sol­da­ten verbündeter und befreundeter Streitkräfte Der von Herzog & de Meuron geplante Mu­ als Lehr­gangs­teilnehmer ausgebildet worden. seums­bau in der Oberföhringer Straße 103 beherbergt die Sammlung Goetz. 2014 Die Stadt München erwarb das ehemalige Kasernenareal. schenkte die Sammlerin Ingvild Goetz einen beträchtlichen Teil der Sammlung sowie das Auf einer Fläche von rund 30 Hektar entsteht seit 2014 der Ausstellungsgebäude dem Freistaat Bayern Prinz-Eugen-Park mit circa 1.800 Wohnungen, Grundschule, und übergab weitere Werke als Dauerleih­ Kulturbürgerhaus und Einzelhandelsgeschäften; weite Grün- gaben an staatliche Museen. Die Sammlung flächen und ein großer Teil des alten Baum­bestands bleiben Goetz gilt als eine der bedeutendsten Sammlungen­ zeitgenössischer Kunst mit erhalten. den Schwer­punkten Fotografie und Medien- kunst.

96 97 Bogenhausen Ursprünglich hatte die Kaserne 35 Gebäude. Die Schwimmhalle (Sentastraße 22) wird in das entstehende Wohnquartier integriert. Bereits seit 1976 wird die Halle von Zivilisten genutzt – namentlich von der äußerst erfolg- reichen Schwimmmannschaft des Sport- clubs Prinz Eugen. Luftbild von 2001

Radtour von Johanneskirchen über 13 Daglfing, Zamdorf, Steinhausen und Denning nach Englschalking

98 99 Ursprünglich war die Kirche von einer hohen Ringmauer mit Wehrgang umgeben und diente der Bevölkerung als Wehr­ anlage und Zufluchtsort. 1688 wurde der einst etwa doppelt so hohe Mauerring auf seine heutige Höhe reduziert und der Kircheninnenraum erhielt eine Stuckierung in frühbarocken Formen. Im 19. Jahrhundert wurde ein Hochaltar des Roko­ ko-Bildhauers Ignaz Günther eingebaut. Bei Renovierungs­ ar­bei­ten entdeckte man 1938 an der Langhausnordwand Reste spätromanischer Wandmalereien aus dem 14. Jahr­ hundert.

Die Kirche ist von einem Friedhof umgeben; an der Kirchen­­ mauer wird an die Gefallenen beider Weltkriege erinnert. Heute gehört die Kirche zur Pfarrkirche St. Thomas in Ober­ föhring.

Katholische Kirche St. Johann Baptist Der Platz an der südwestlichen Ecke der Kreuzung Wacholderweg / Johanneskirchner Straße heißt seit 2013 Huuezziplatz (gespro- Die Kirchenburg In einer Urkunde des Hochstifts Frei­ chen: Wessiplatz). Der Name erinnert an St. Johann Baptist sing wird 815 erstmals eine Johannes Diakon Huuezzi, der die Kirche St. Johann um 1910 dem Täufer geweihte Kirche als »eccle­ Baptist und die zugehörigen Güter 815 zum sia sancti Johannis baptiste in loco Lehen erhielt. Im Gegenzug musste Huuezzi Ferin­gas« erwähnt. Diese gilt als die dem Hochstift Freising jährlich Naturalien ab- geben, darunter auch eine Wagenladung Bier. erste Pfarrkirche der Urpfarrei Föhring. Die darüber ausgestellte Urkunde von 815 ist Die romanische Chorturmkirche in der der älteste schriftliche Nachweis für Bier im Gleißenbachstraße 2 stammt aus dem Münchner Raum. Am Huuezziplatz steht der 13. Jahrhundert. Über Jahrhunderte Johanneskirchner Maibaum. war die auf einem Lehmhügel stehende Der Weg führt durch die Gartenstadt Johan­ Dorfkirche weithin über die gerodete neskirchen (errichtet 1983 bis 1984) und die Schotterebene sichtbar. östlich davon gelegene »Zahnbrecher­sied­ lung«, errichtet 1932 bis 1934 und benannt nach dem Initiator Franz Xaver Zahnbrecher.

100 101 Ortskern Daglfing

Inmitten des Dorfs Daglfing befindet sich die Kirche St. Phi- lipp und St. Jakob (Kohlbrennerstraße 21). Die Kirche wurde erst­mals am 28. Juli 850 in einer Schenkungsurkunde des aus Daglfing stammenden Bischofs Kunihoh an den Bischof von Freising erwähnt. Seit 1424 werden die Apostel Philipp und Jakob als Kirchen­pa­trone genannt. Nach 300 Jahren wurde die spätgotische Kirche durch den barocken Neubau ersetzt. Die 1724 errich­tete Kirche ist von einem Friedhof umgeben, der im 20. Jahr­hundert beträchtlich erweitert wurde. 1939 weihte Kardinal Faulhaber die Kirche erneut, nachdem das Kirchenschiff vergrößert und Orgelempore, Beichtstuhl und Lourdesgrotte neu gestaltet worden waren.

An der Kunihohstraße 19 befindet sich ein denkmalgeschützter ehe-­ Trabrennbahn Daglfing ma­liger Bauernhof mit Wohnstallhaus aus dem Jahr 1908. Auch das um 1891 errichtete »Gasthaus zur Post« (Kunihohstraße 5) steht un- Daglfing verdankt seine Bekanntheit Starterhäuschen an ter Denkmalschutz. Bis zum Abriss im Jahr 1960 befand sich in der der Trabrennbahn Kuni­hohstraße 12 der einstige Zehetmayr-Hof, wo die Englschalkin- der Trabrennbahn (Renn­bahnstraße 35). Daglfing 1903 ger und Daglfinger Bauern bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Diese wurde am 19. Oktober 1902 in Zehnt abzuliefern hatten. Ab 1864 wurde hier Bier ausgeschenkt. An­we­senheit von Prinz Ludwig eröff- net. Die Kunihohstraße ist benannt nach dem aus Daglfing stam­ Erste Trabrennen hatten ab 1847 zu- menden Bischof Kunihoh, der nächst auf der There­sien­wiese, später zwischen 839 und 850 urkund­ lich erwähnt wird und dessen in Friedenheim stattgefunden. Die Wirkungskreis unbekannt ist. wach­sende Popularität des Reitsports Kunihoh war ein Sohn des in führte gegen Ende des 19. Jahr­hun­ Daglfing begüterten Edlen Ratolt derts zur Gründung des Münchner und schenkte am 24. Januar 845 und am 28. Juli 850 dem Bistum Trabrenn- und Zucht­vereins (MTZV). Freising Besitz am Ort. Unweit der 1895 bis 1897 geschaffe- nen Galopprennbahn in Riem erwarb »Gasthaus zur Post« in den 1920er Jahren mit einem Postauto­bus der Verein 1902 das Grund­stück in

102 103 Daglfing. Nach der Eröffnung des Dagl­finger Bahn­an­schlus­ ses 1909 wurde die Rennbahn zum beliebten Aus­flugsziel; im selben Jahr wurde eine Tribüne für 1.000 Zu­schauer er- richtet. Der MTZV wurde zum wichtigsten Steuer­zahler der bis 1930 selbstständigen Gemeinde Daglfing.

Das Preisgeld des 1922 erstmals ausgelobten »Großen Preises von Bayern« lockte Traber aus ganz Deutschland nach Daglfing – bis die Weltwirtschaftskrise diesem Boom ein Ende bereitete. Die Nationalsozialisten förderten den Reitsport: 1937 wurde das »Silberne Pferd von Deutsch­ land« als Ehrenpreis für das »größte internationale Trab­ fahren Europas« ausgelobt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete die amerikanische Besatzungsmacht auf dem Gelände der kriegszerstörten Zamilapark Rennbahn ein Kriegsgefangenenlager ein. Bereits im Früh- jahr 1946 wurde der Renn­betrieb wieder aufgenommen. Von 1983 bis 1991 errichtete die Woh­ Im Geologiegarten 1949 kamen wieder interna­tionale Stars zum neu geschaf­ nungsbaufirma Bayerische Hausbau wurden Gesteins­pro­ fenen »Preis der Besten«. In den fol­genden Jahrzehnten zwischen Lüderitzstraße, Eggen­felde­ ben aus bayerischen Steinbrüchen und entwickelte sich Daglfing zur umsatzstärksten deutschen ner Straße und S-Bahntrasse die Wohn­ Kiesgruben grup- Trabrennbahn; 1981 wurde zum preisgeldstärksten Jahr. anlage Zamilapark. In den charakteris­ piert. Die räumliche Die Anlage hatte damals drei (heute nur noch zwei) ver­ tisch geschwungenen zwei- bis vier­ Anord­nung der glaste Tribünenhäuser mit eigenen Wett­annahmestellen geschossigen Häuserblöcken befinden Steine entspricht den geografischen und Restaurantbetrieben. sich 1.224 Wohneinheiten. Nördlich der Landschafts­zonen Wohnanlage ist die Grünanlage Zamila­ Bayerns und vermit- Fallende Wettumsätze und Verschuldung veranlassten den park, die Mitte der 1990er Jahre als telt einen Über­blick Verein 2005, die gesamte Anlage zu verkaufen. Bis 2022 schönste Grünanlage Bayerns ausge- über die baye­rische Erdgeschichte. dürfen die Traber ihre angestammte Rennbahn noch nutzen, zeichnet wurde: Hier gibt es einen See, danach soll hier ein neues Wohngebiet entstehen. Es ist eine Bezirkssportanlage und den Geo­ geplant, dass auf einem benachbarten Grundstück eine logiegarten an der Fried­rich-Eckart- neue, kleinere Rennbahn errichtet wird. Straße. Bei der 1993 fertiggestellten Parkanlage handelt es sich um den Ost- abschnitt des Denninger Angers. 104 105 Ab 1962 wurden die Häuser für 5.000 bis 9.600 DM an ihre Bewohner verkauft. Inzwischen sind die einstigen Klein­häu­ ser durch An- und Aufbauten vergrößert bezie­hungsweise durch moderne Neubauten ersetzt worden.

Wegen der Straßennamen bürgerte sich die Bezeichnung »Afrika-« beziehungsweise »Kolonialsiedlung« ein. Die Stra- ßenbezeichnungen waren in den 1930er Jahren ausge­wählt worden, als man den durch den Versailler Vertrag be­dingten Verlust der deutschen Kolonien beklagte und die Taten deut­scher Kolonisten glorifizierte. Im Juni 2000 wurde die Karl-Peters-Straße (benannt nach dem Gründer der Ko­lo­nie Deutsch-Ostafrika) in Ida-Pfeiffer-Straße umbenannt. Statt an den Rassisten Karl Peters wird seither an die österreichi­ »Afrikasiedlung« sche Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer (1797 – 1858) er­innert. Der Münchner Stadtrat stimmte im Februar 2009 für die Die Aufnahme um Auf bis dahin unbebauter Zamdorfer Anbringung erklärender Zusatzschilder »Kolonialgeschichte 1935 zeigt Klein­häu­ Flur wurden ab Herbst 1934 circa 140 offenlegen«. Auf diese Weise soll an die kaum bekannte und ser der »Afrika-« oder einfach ausgestattete Kleinhäuser er­ oft verharmloste Epoche der deutschen Kolonialzeit mah- »Kolonialsiedlung«. richtet. Mit ausgebautem Dach betrug nend erinnert werden. die Wohnfläche jeweils circa 53 Qua­- d­ratmeter. Die 200 Quadratmeter Entlang der Rhön-, Jura-, Mosel-, großen Gärten dienten der Selbstver- Eifel-, Schwarzwald-, Neckar- sorgung durch Gemüseanbau und und Elbestraße entstand 1932 die »Reichskleinsiedlung Zamdorf« Kleintier­hal­tung. Die Wohneinheiten (heute Siedlung Steinhausen). wurden in der NS-Zeit für 28 Reichs- Die Siedler errichteten die Häu­ mark im Monat an bedürftige Familien, ser überwiegend in Eigenarbeit. die den ideologischen und rassisti- Die Gärten dienten der Selbst­ ver­sor­gung, in die Wohnhäuser schen Kriterien des NS-Systems ent- waren Ställe für die Kleintier­ sprachen, vermietet. In der ursprüng- haltung integriert. lich »Erwerbslosen­siedlung Zamdorf« genannten Siedlung lag die durch- Erläuterungstafel zur schnitt­liche Kinderzahl 1942 bei 5,1. Wißmannstraße, 2010

106 107 Hartl- / Theen-Villa

Versteckt hinter hohen Bäumen und am Rande der Wohn­ sied­lungen Cosima- und Fideliopark befindet sich in der Engl­schal­kinger Straße 229 das Anwesen des vormaligen Ziegelei­be­sitzers Josef Hartl. Dieser hatte die Villa 1897 auf dem Grund­stück seiner Ziegelei erbauen las­sen – direkt neben Holzlege, Trockenstädeln und Brenn­ofen. Das stattliche, zweigeschossige Anwesen ist die letzte noch vorhandene Villa eines Ziegeleibesitzers in Englschalking. Noch vor dem Ersten Weltkrieg geriet Hartl in wirtschaftliche Schwie­rigkeiten. 1913 wurde sein Haus zwangsverkauft, 1915 erfolgte die Stilllegung der Ziegelei. Grundschule an der Ostpreußenstraße 1918 erwarben Auguste und Heinrich Theen aus Denning das Grundstück und betrieben bis 1959 eine Schweine­ Durch die starke Bau- und Siedlungs- Bei der Eröffnung mästerei mit bis zu 700 Tieren. tätigkeit wurde die Dorf­schule an der war die neue Volks- Schnorr-von-Carolsfeld-Straße 9 in den schule an der Ost- preußenstraße noch Das Foto von 1902 1930er Jahren zu klein: Alle Kinder ab von Wiesen und zeigt die Goldene der fünften Klasse mussten 1934 bis Feldern umgeben. Hochzeit von Lorenz 1936 auf die benachbarten Schulen in Aufnahme von 1942 und Ursula Hartl – den Gründern der Bogenhausen, Haidhausen und Berg Hartl-Ziegelei vor am Laim verteilt werden; der Rest er- ihrer Villa in der hielt Schichtunterricht in Englschalking. Englschalkinger Straße 229. Hermann Leitenstorfer, damals Leiter des Stadtbauamts, plante 1935 das In der Englschalkinger Straße 166 befindet großzügig angelegte neue Schulhaus sich seit 2001 das Ökologische Bildungszent- rum (ÖBZ). Gemeinsamer Träger sind der Ver- in der Ostpreußenstraße 88. Es hatte ein Münchner Umwelt-Zentrum e. V. und die 23 Klassenzimmer, Turn­halle, Schul- Münchner Volkshochschule. Das ÖBZ vermit- brausebad, Filmsaal, Schulhof mit telt Umweltbildung unter Einbeziehung des Schulgarten, Aschen­bahn und Sprung- 6,5 Hektar großen Außengeländes: Neben Hecken, Wiesen und Feuchtbiotopen befinden grube. Ferner waren im Gebäude ein sich hier urbane Gemeinschaftsgärten und öffent­liches Brause- und Wannenbad, ein von Kindern geplanter Naturspielraum. 108 109 eine Mütterbera­tungsstelle, das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr und eine Volks­bücherei untergebracht; auch Räume für die Hitler­jugend und ein Luftschutzkeller waren vorgesehen.

Die Schule wurde am 14. Juni 1937 in Anwesenheit des nationalsozialistischen Münchner Oberbürgermeisters Karl Fiehler als Gemeinschaftsschule eröffnet. In Erinnerung an die Schlacht bei Tannenberg in Ostpreußen im Jahr 1914 erhielt sie den Namen »Tannenbergschule«.

Von 1957 bis 1964 war Fritz Lutz (1917 – 1995) Lehrer und Rektor an der Ostpreußenschule. Der ehemalige Kreisheimatpfleger im Land­ kreis München wurde für seine Grundlagen­ forschung zur Geschichte des Münchner Nord­ostens mit dem Bundesverdienstkreuz und der Medaille »München leuchtet« aus- Katholische Kirche St. Nikolaus gezeichnet. Nach ihm wurden 1997 die Fritz- Lutz-Straße und die Fritz-Lutz-Schule in Denning benannt. Wenn man von den modernen Wohn­ Das Votivbild aus siedlungen her in die Flaschen­träger­ dem 19. Jahrhundert straße 1 kommt, fühlt man sich unver- zeigt St. Nikolaus inmitten des Dorfs mittelt einige Jahrhunderte in die Zeit Englschalking. des alten Dorfs zurückversetzt. Jen­ Es kann in der Kirche seits der hohen Wohnblöcke und der besichtigt werden. belebten Verkehrsstraßen befindet sich die im 13. Jahrhundert errichtete und äußerlich nahezu unveränderte Engl­ schalkinger Dorfkirche. Seit der Grün­ dung der Kuratie St. Emmeram im Jahr 1930 ist das dem Hl. Nikolaus von Myra geweihte Kirchlein eine Filialkirche der 1931 erbauten Kirche St. Emmeram (Putziger Straße 31).

110 111 Der einschiffige Bau im romanisch-frühgotischen Stil wurde Literaturauswahl: im 13. Jahrhundert errichtet. 1659 wurden die Fenster der - Bäumler, Klaus: Paris als Vorbild. Auf den Spuren des Grafen Kirche vergrößert und das Kircheninnere barockisiert. Aus Montgelas in München, an der Isar und in Bogenhausen. dieser Zeit stammt auch der Aufbau des Hochaltars – die Bavaria und Marianne, München 1997 (Charivari-Sonderheft) Altaranlage ist auf Münchner Gebiet eine der ältesten. Noch - Bäuml-Stosiek, Dagmar: Der Friedhof Bogenhausen, München 2009 älter ist das Holzrelief, das die Heilige Anna – die Mutter - Baumann, Angelika / Heusler, Andreas (Hrsg.): Kinder für den Marias – zusammen mit dem Jesuskind und Maria darstellt; »Führer«. Der Lebensborn in München, München 2013 diese »Anna Selbdritt« entstand um 1520. 1969 wurde die - Benz, Wolfgang / Distel, Barbara (Hrsg.): Der Ort des Terrors. direkt auf den Lößlehm errichtete Kirche trocken gelegt und Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 2, München 2005 mit einem Fundament versehen. Damals wurden auch - Bernst, Karin: Oberföhring. Vom Ziegeldorf zum Münchner ornamentale­ Fresken im Chorbogen freigelegt. Stadtteil 1913 – 2013, München 2013 - Bernst, Karin: Johanneskirchen. Das Dorf in der Stadt 815 – 2015, St. Nikolaus ist von einem Friedhof umgeben. Hier ruhen München 2015 - Bernst, Karin: Sankt Johann Baptist in Johanneskirchen. Ein unter anderem der Ziegeleibesitzer Josef Hartl und Bayerns Kleinod im Münchner Nordosten, München 2015 erster Landwirtschaftsminister nach dem Zweiten Welt- - Donath, Matthias: Architektur in München 1933 – 1945. krieg, Ernst Rattenhuber. Auch Wilhelm Flaschenträger, der Ein Stadtführer, Berlin 2007 letzte Bürgermeister der Gemeinde Daglfing, der sich für - Festner, Katharina / Raabe, Christa: Spaziergänge durch das München berühmter Frauen, Zürich, Hamburg 1996 die Ein­gemeindung eingesetzt hatte, liegt hier begraben. - Fürmetz, Gerhard: Neue Einblicke in die Praxis der frühen 1930, nach der Eingemeindung, wurde die Flaschenträger- Wieder­gutmachung in Bayern: Die Auerbach-Korrespondenz straße nach ihm benannt. im Bayerischen Hauptstaatsarchiv und die Akten des Strafpro- zesses gegen die Führung des Landesentschädigungsamtes von 1952, in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 2, [13.09.2004] Am 8. Juni 1896 wurde in der Schnorr-von- - Gribl, Dorle: Prominenz in Bogenhausen. Villen und ihre Carolsfeld-Straße 9 das erste Schulhaus der berühmten Bewohner, München 2009 Gemeinde Daglfing eröffnet. Bis zu diesem - Haecker, Theodor: Tag- und Nachtbücher, 1939 – 1945, 3. Aufl. Zeitpunkt besuchten die Kinder der weitläu- München 1959 figen Gemeinde die Oberföhringer Schule in - Heusler, Andreas: Ausländereinsatz. Zwangsarbeit für die der Muspillistraße 27. Im ehemaligen Dagl­ Münchner Kriegswirtschaft 1939 – 1945, München 1996 fin­ger Schulhaus befindet sich heute eine - Karl, Willibald (Hrsg.): Bogenhausen. Vom bäuerlichen Pfarrdorf städti­sche Kindertagesstätte. zum noblen Stadtteil, München 1992 - Karl, Willibald: Die Möhlstraße. Keine Straße wie jede andere. Unter Mitarbeit von Gisela Scola und Katharina Karl, München 1998 - Karl, Willibald: Der Herzogpark. Wandlungen eines Zauber­ gartens, München 2000 - Karl, Willibald (Hrsg.): Dörfer auf dem Ziegelland. Daglfing, Denn­ ­ing, Englschalking, Johanneskirchen, Zamdorf, München 2002

112 113 - Karl, Willibald / Lemke, Arnold / Schweiggert, Alfons (Hrsg.): - Nerdinger, Winfried (Hrsg.) in Verbindung mit Hans Günter Das Prinzregentenstadion. Eine Münchner Lebenswelt, Hockerts, Marita Krauss und Peter Longerich: München und München 2004 der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentations­ - Karl, Willibald / Pohl, Karin: Bogenhausen. Zeitreise ins alte zentrums München, München 2015 München, herausgegeben vom Stadtarchiv München, - Olbrich, Hubert: Engagiert für eine Politik des Friedens: München 2014 Die Physikerin Freda Wuesthoff (1896 – 1956); in: Berlinische - Karl, Willibald/Pohl, Karin (Hrsg.): Amis in Bogenhausen. Monatsschrift Heft 4, 2004, S. 66 – 70 München 1945 – 1992, München 2015 - Ruederer, Josef: München, München 2012 - Kasberger, Erich / Eckardt, Winfried (Hrsg.): LehmZiegelStadt: - Rürup, Reinhard: Ida Margarete Willstätter (Bruch-Willstätter). Der Rohstoff Lehm in der Münchner Stadtgeschichte, München Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektro­ 2008 chemie Berlin-Dahlem; in: Reinhard Rürup (Hrsg.): Schicksale - Kastner, Wolfram P.: Auf einmal da waren sie weg ... und Karrieren. Gedenkbuch für die von den Nationalsozialisten Zur Erinnerung an Münchener Juden, Stamsried 2004 aus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertriebenen Forsche­rin­ - Krack, Roland (Hrsg.): Die Parkstadt Bogenhausen in München, nen und Forscher, Göttingen 2008, S. 365 – 367 München 2006 - Schalm, Sabine: Überleben durch Arbeit? Außenkommandos - Krack, Roland (Hrsg.): Föhring – Geburtshelfer Münchens? und Außenlager des KZ-Dachau 1933 – 1945, 2., überarbeitete 1258 Jahre Ortsgeschichte Oberföhring, München 2008 Auflage, Berlin 2009 - Kuisle, Anita: ThemenGeschichtsPfad Ziegeleien im Münchner - Stadtarchiv München (Hrsg.): Biographisches Gedenkbuch der Osten. Anleitung zur Spurensuche, hrsg. vom Kulturreferat der Münchner Juden 1933 – 1945, 2 Bände, München 2003 und 2007 Landeshauptstadt München, München 2015 bzw. http://www.muenchen.de/rathaus/gedenkbuch/ - Kuller, Christiane / Schreiber, Maximilian: Das Hildebrandhaus. gedenkbuch.html Eine Münchner Künstlervilla und ihre Bewohner in der Zeit des - Tiedemann, Sibylle von: Ruth Levinger; in: Cranach, Michael Nationalsozialismus, München 2006 von/Eberle, Annette/Hohendorf, Gerrit/Tiedemann, Sibylle von - Lutz, Fritz: Daglfing, Denning, Englschalking, Johanneskirchen. (Hrsg.): Gedenkbuch für die Münchner Opfer der nationalsozia- 50 Jahre bei München (1930 – 1980), München 1982 listischen »Euthanasie«-Morde, herausgegeben vom NS-Doku- - Lutz, Fritz: Oberföhring. Zur 75-Jahrfeier der Eingemeindung mentationszentrum München und dem Bezirk Oberbayern, Göt- Oberföhrings, München 1988 tingen 2018, S. 349 – 354 - Lutz, Fritz: Aus der Vergangenheit des Priel bei München- - Tobias, Jim G.: »Die Patienten werden das erforderliche Ver­ Bogenhausen, Krailling bei München 1991 trauen nur den jüdischen Ärzten schenken«. Displaced Persons - Lutz, Fritz: St. Emmeram bei München-Oberföhring, ein Hospitäler und Sanatorien in Bayern unter besonderer Berück­ ehemaliges Wallfahrts- und Schuleremitorium, Krailling bei sichtigung des Krankenhauses in München-Bogenhausen; in: München o.J. [1992] nurinst – Jahrbuch 2012. Beiträge zur deutschen und jüdischen - Ludyga, Hannes: Philipp Auerbach (1906 – 1952), Staats­kommis­ Geschichte, herausgegeben von Jim G. Tobias / Nicola sar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, Berlin 2005 Schlichting, S. 39 – 56 - Mann, Thomas: Herr und Hund / Gesang vom Kindchen. - Tworek, Elisabeth: Literarisches München zur Zeit von Thomas Zwei Idyllen, Berlin 1919 Mann. Von der Boheme zum Exil. Bilder, Dokumente, Kommen- - Moser, Eva: Von Bach zu Konen. Eine Unternehmensgeschichte tare, Regensburg 2016 von der Gründung bis zur Neuordnung des Unternehmens in den - Weyerer, Benedikt: München 1919 – 1933. Stadtrundgänge zur 1950er Jahren, München 2011 politischen Geschichte, München 1993 - Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Zwischen Glaspalast und - Weyerer, Benedikt: München 1933 – 1949. Stadtrundgänge zur Maximilianeum. Architektur in Bayern zur Zeit Maximilians II. politischen Geschichte, München 1996 1848 – 1864, München 1997

114 115 - Willstätter, Richard: Aus meinem Leben. Von Arbeit, Muße und Freunden. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Arthur Stoll, Weinheim 1949 - www.alte-ziegelei-oberfoehring.de - www.muenchen.de/erinnerungszeichen - www.nordostkultur-muenchen.de/ (Webseite des Vereins für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e. V. ) »Memory Loops« Bildnachweis: 300 Tonspuren zu Orten - Bayerisches Hauptstaatsarchiv: S. 11 (Plansammlung 668 / II) des NS-Terrors in - Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege: S. 10, 12, 80 - Michael Hochhäuser: S. 20 München 1933 – 1945

- aus Karl, 1998: S. 50 www.memoryloops.net © Michaela Melián & Surface.de, Memory Loops 2010 - aus Karl, 2000: S. 77 - Katharina Kuhlmann, Durchschrift: S. 35 (Ausschnitt von Virtuelles Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus Gedenktafel) der Landeshauptstadt München - Landesamt für Vermessung und Geoinformation: S. 8 (Urpositionsblatt 692 / 1856 und 693 / 1852) Mit ihrem Audiokunstwerk »Memory Loops« hat die Künstlerin - Landeshauptstadt München: S. 17 (Presse- und Michaela Melián die Stadt mit einem virtuellen Netz aus Tonspuren über- Informationsamt); 98 (Baureferat) - Klaus Leidorf: S. 22 zogen, die auf Archivmaterialien und Aussagen von Zeitzeugen basieren: - Monacensia im Hildebrandhaus/Literaturarchiv: S. 82 Zeugnisse von Diskriminierung, Verfolgung und Ausgrenzung während - Münchner Stadtmuseum: S. 16 (Sammlung Graphik / Plakat / des NS-Regi­mes in München. Gemälde), 63 (Sammlung Puppentheater / Schaustellerei) Jede der 300 deutschen und 175 englischen Tonspuren ist zum - Karin Pohl: S. 61 - Jürgen Reichmann: S. 87 Anhören und kostenlosen Download auf einer virtuellen Stadtkarte - Stadtarchiv München: S. 13 (Pett1-2688), 14 (Pett2-3668), hinterlegt (www.memoryloops.net). Die Tonspuren sind Collagen aus 19 (PkStb-13775), 27 (PkStb-13366), 32 (PkStb-13674), 34 (PkStr- Stimmen und Musik, die thematisch einem Ort innerhalb der ­02724), 37 (PkStr-01241), 39 (PkStr-02726), 41 (PkStb-08571), ehemaligen »Hauptstadt der Bewegung« zugeordnet sind. 42 (PkStb-08564), 44 (PkStr-01491), 46 (PkStr-01479), 53 (Kennkar- tendoppel 0725, 0726), 54 (NK-Stl-0034), 55 (C1903131), 57 (Stb-0549), 62 (PkStb-02573), 64 (Pett1-1375), 68 (Stb-0546), 76 Rückfragen zum Projekt unter: [email protected] (KV-0096), 78 (Kennkartendoppel 1864, 1866), 79 (PL-14372), 83 (PkStb-03159), 86 (PkStb-13616), 91 (Forsch-1816), Memory Loops ist ein Projekt des Kultur­referats der Landeshauptstadt 100 (Pett2-3857-D), 106 (Str-0946), 109 (PkStb-07654) München / Freie Kunst im öffentlichen Raum in Zusammen­arbeit mit - SZ-Photo: S. 60, 71, 72, 74, 85 dem Bayerischen Rundfunk/Hörspiel und Medienkunst. - Hans Paul Thienel: S. 29, 58, 88, 105, 107, 111 - Universitäts-Sternwarte München: S. 66 - Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e. V. /Nord­ OstKulturVerein: S. 21, 23, 25, 26, 59, 90, 92, 94, 96, 102, 103, 108 - aus Willstätter: S. 48, 49

116 Impressum:

Landeshauptstadt München Kulturreferat Direktorium

Projektleitung & Redaktion: Dr. Sabine Schalm, Benno Zimmermann

Konzept & Inhalt: Dr. Karin Pohl

Inhaltliche Beratung: Karin Bernst, Thomas Bernst, Prof. Dr. Wolfgang Czysz, Dr. Willibald Karl, Roland Krack, Dietlind Pedarnig, Dr. Gisela Scola-Nagelschneider, Sylvia Schütz, AG Gedenktafeln der Landeshauptstadt München, Bezirksausschuss 13, Stadtarchiv München, Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e.V.

Grafische Gestaltung: Heidi Sorg & Christof Leistl, München

Druck & Bindung: Weber Offset, München 4. aktualisierte und erweiterte Auflage 2020

Gedruckt auf Papier aus zertifiziertem Holz aus konrollierten Quellen und Rcyclingmaterial

www.muenchen.de/kgp