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05. April 2005 "Und mein Fahrrad trat zurück ..." 19:48 MESZ STANDARD-Interview mit : Mit der Fun-Punk-Band Die Ärzte immer noch megaerfolgreich, hat er gerade seine zweite Solo-CD veröffentlicht

Eine Begegnung mit einem Mann, der so bedeutende Texte schreibt wie: "Und ich schlafe in der , weil die Dusche zu mir hält . . ."

Farin Urlaub posiert für sein neues "Am ------Ende der Sonne": Wenn einer reich und ein Star ist, dann heißt Wien - Zur Bedeutung dieses Mannes für den Gefühlshaushalt heimischer Teenager das noch lange nicht, dass er nicht auf folgende wahre Geschichte: In einer Pizzeria irgendwo in Wien wurde einmal ein blöde/lustige über 1,90 Meter großer Herr mit weißblond gefärbtem Haar, der sich selbst für Gedanken kommt! "unauffällig" hielt, von einer Horde junger Mädchen überfallen. "Sind Sie/ Bist Du FAAR IN URLAUB?!", juchzten die Girlies - und der Herr, er blickte nur kurz von seinem Mineralwasser auf und sagte: "WAS IST DENN DAS?"

Mittlerweile, so Farin Urlaub im Gespräch mit dem STANDARD, sei es aber "nicht mehr sooo drastisch mit dem Leben als Teenie-Idol". Früher als er mit der Fun-Punk-Band Die Ärzte noch Bravo-Cover-und Starschnitt-Modell war, da seien Ladungen von Fanpost vor der Tür gelegen. Viel Gekreische bis an den Rand der sexuellen Belästigung habe es gegeben. Und so weiter. Heute hingegen? "Heute sind wir für die Kids bestenfalls alternde Lüstlinge mit hohem Unterhaltungswert."

Also sind die Konzertsäle immer noch berstend gefüllt, auch wenn sie nicht einmal mehr mit Plakaten angekündigt werden. Ganz viele Kids (und gar nicht wenige Eltern) können Hits wie "Männer sind Schweine" oder "Zu spät" auswendig, der Reichtum der Ärzte vermehrt sich von Tag zu Tag - und was macht der Herr Urlaub, wenn er gerade nicht mit seinen Kollegen Bela B. und Rod Gonzales auf Tour geht? Er macht weiter Musik. Manchmal mit den Ärzten (zuletzt erschien die herrliche DVD "Die Band, die sie Pferd nannten"). Und manchmal ganz allein. Daraus entsteht dann eine Solo-CD.

In diesem Fall heißt sie "Am Ende der Sonne", und obwohl es bereits Farin Urlaubs zweite Solo-CD ist, und obwohl der heute 42-jährige Musiker mittlerweile durchaus auf ein üppiges Gesamtwerk verweisen kann, führt sie dieser Tage zu jeder Menge Erstkontakt. Farin Urlaub (eigentlich heißt er Jan Vetter) in Treffpunkt Kultur, so wie zuletzt am Montagabend, das war noch nie!

Ab ins Feuilleton!

Früher, da galten Die Ärzte nämlich bestenfalls als "lustiger Schund" (nette Variante) oder "trashiger Mainstream" (gemeine Variante) - und es bedurfte erst dessen, was man gerne "Dialog der Generationen" nennt, um das zu schaffen, was man gerne "allgemeine Akzeptanz" nennt.

Das heißt: Irgendwann hörten Vati und Mutti, die aus ihren Jugendtagen noch die LP

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"Debil" im Schrank stehen hatten, die vertrauten Texte und Melodien wieder aus dem Kinderzimmer herüberdröhnen. Irgendwann begann sogar die Frankfurter Allgemeine, im Feuilleton Ärzte-Titel zu zitieren. Und irgendwann begannen sich Popkritiker zu fragen, ob Farin Urlaub nicht in Wirklichkeit ein total intelligenter, ja vielleicht sogar ein gebildeter Mensch ist.

Farin Urlaub findet das "lustig". Zumindest schafft es Abwechslung: mit Feuilleton-Menschen über die Bulgakow-Gesamtausgabe reden, und dann wieder von jungen Undergroundmagazinen über "Vorbilder" ("Die Comedian Harmonists? Echt?") . . . Interessant, was die Leute immer wieder wissen wollen. Oft kennen sie aber nicht einmal die neue CD, und das mag Urlaub eher nicht. Speziell im Fall von "Am Ende der Sonne": "Da hab ich nämlich schon versucht, den Humorpegel ein wenig zu senken. ,Lustige Texte' schreiben - das fällt mir mittlerweile fast zu leicht."

Hoffentlich ist der Künstler jetzt nicht allzu sauer, wenn wir hier anmerken, dass zum Beispiel "Kein Zurück" ("ein Lied über Selbstmordgedanken, für das ich ein halbes Jahr gebraucht habe") nicht das absolute Highlight des neuen ist. Am besten ist Urlaub immer noch bei den Dingen die ihm (zu) leicht fallen.

Tofu und Fenchel

Dazu gehört zum Beispiel das gesungene Selbstporträt "Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor": "Ich habe blond gefärbtes Haar / weil's in den 80ern Mode war . . ." - "Dabei ist das absolut schlecht für die Haare!", gibt Urlaub zu. "Aber klar: ,Tofubrötchen, Fencheltee' - das bin ich, und ich bin schon ein bisschen ein Eigenbrötler."

Dazu gehört dann auch: so lange alle Instrumente auf der neuen Platte spielen, "bis die Tonspur auch wirklich voll ist", keinen Fernseher zu Hause haben, Mails von Fans am liebsten immer noch selbst beantworten, keine Drogen, und letztlich doch wieder ein sehr lustiges Lied, fast so gut wie einstige Großtaten (unvergesslich etwa: "Meine Ex(plodierte Freundin)").

Diese erste ausgekoppelte Single heißt kühl "Dusche" - "und in meinem Kopf", so Urlaub, "begann sie mit einer metallischen Hämmern und dann ein paar Mörder-Gitarrenriffs. Ich dachte: Das wird ein Song über Paranoia, fing auch schon an mit ,Komm mir nicht zu nahe / Sieh mich nicht so an' - aber dann war mir der einfache Verfolgungswahn doch ein bisschen zu abgedroschen. Also folgte sehr bald folgende Passage: ,Es begann mit meinem Fahrrad / diesem elend falschen Stück / Ich trat in die Pedale / Und mein Fahrrad trat zurück . . .'"

Der typische Urlaub-Ohrwurm war damit nicht länger aufzuhalten. Ein heiteres Drama eines Mannes, der von rebellierenden Haushaltsgeräten ("Wenn Tassen in Massen / sich einfach fallen lassen . . .") verfolgt wird und letztlich nur noch in der Dusche schlafen kann ("sie ist der einzige Freund, den ich noch habe auf der Welt").

WAS IST DENN DAS? - werden jetzt ganz gewiss viele fragen. Und wenn jetzt jemand sagt, dass dies kompletter Nonsens sei: Demnächst dröhnt diese Dusche auch durch Ihre Wohnung - so lange, bis Sie selbst mitsingen. Und wenn Sie Ihren Töchtern und Söhnen eine ganz große Freude bereiten wollen: Bestellen Sie jetzt die Karten für das Wiener Farin-Urlaub-Konzert, am 28. Mai dieses Jahres, ab 20.30 Uhr in der Arena! (Claus Philipp/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 4. 2005)

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