Altstadt BÜRGERFORUM ALTSTADT Aspekte '95 -~~~~ ______Inhalt _

Seite Zum Geleit . Bürgerforum Altstadt Ravensburg e. V. Maria Ballarin, Dr. Dietmar Hawran . . .. 5

Museumsgesellschaft Ravensburg e.v. Franz Janausch, Maria Ballarin 6

Bürgerforum aktuell ...... Der Ravensburger Hauptfriedhof Bedrohung durch das Beton-Grabkammersystem Dr. Dietmar Hawran 7

Wandlungen einer Fassade Oberschwäbische Verlagsanstalt Ravensburg, Marienplatz 41 Reinhold Leinmüller 11

Museumsgesellschan aktuell ...... Interview: Franz Janausch über das Humpisquartier .. 14

Impressum Wo einst die vornehmen Patrizier residierten Das Humpisquartier in der Altstadt von Ravensburg © Bürgerforum Altstadt Ravensburg e.Y. und Museumsgesellschaft Ravensburg e.v. zu neuem Leben erweckt Herausgeber: Bürgerforum Altstadt Ravensburg e.v. und Museumsgesellschaft Ravensburg e.v. Sibylle Emmrich ... . 15 Ravensburg 1995 Chronik 1991 bis 1995 Gesamtherstellung: Biberacher Verlagsdruckerei Erentraud Wild . 16 GmbH & Co., Biberach, 1995 Abbildungsnachweis: Humpisfest mit Riesentombola und viel "Äktschen" Thomas Weiss (S. 40,41,42,43,46,47,48,49,50,51, Umschlag) soll Museumsprojekt neue Schubkraft verleihen . 18 Dr. Dietmar Hawran (S. 7, 8, 9,10, Umschlag) Peter Joos (S. 14, 18) Über das Erzählen Stadtgeschichte erfahren Bruno Eberle (S. 21) und bewahren Fotostudio Thomas Weiss (5. 20) Erentraud Wild und Maria Ballarin ...... 19 Stadtarchiv Ravensburg (S. 22, 24, 25, 26, 29, 31, 33, 34, 35, 45) Reinhold Leinmüller (5. 12) Vier Patrums-Buaba erzählen von einst: Guido Erb (5. 38, 39) "Wir waren granatamäßige Lausbuaba " Margarete L10rca (5. 39) Mechthild Baumann 20

3 ______Inhalt _ Zum Geleit

Bürgerforum Altstadt Ravensburg e.Y.

Seite Altstadt-Aspekte '95 - Vorstand und Beirat legen zur Jah­ rungssatzung auf die angrenzenden Bereiche auszudehnen. Ravensburger Kostbarkeiten ...... Das sogenannte Humpisquartier ~ zentraler reshauptversammlung 1995 Heft Nummer 4 vor. Eine Außerhalb der historischen Altstadt liegt auch der Haupt­ Familienstammsitz eines Fernhändler- und Patrizier­ besondere Freude ist für alle Beteiligten, daß dieses Heft friedhof Schon in Heft 3 der Altstadt·Aspekte reihten wir geschlechts in der Ravensburger Oberstadt? in gemeinsamer Arbeit von Museumsgesellschaft Ravens­ ihn in die Rubrik "Sorgenkinder" ein. Seitdem mußten wir Beate Falk ...... 22 burg e.v. und Bürgerforum Altstadt Ravensburg e.v. ent­ aktiv werden, um möglichst zu verhindern, daß kultur­ stehen konnte. historisches Erbe und die "grüne Lunge" Ravensburgs Das städtische Museum Vogthaus: Die Museumsgesellschaft vermittelt mit ihren Beiträgen durch "Rationalisierungsmaßnahmen" Schaden erleiden. Verwaltungsgebäude und Stapelplatz interessante Einblicke in den Stand der Arbeiten im Hum­ 1m vorliegenden Heft werden die aufgezeigten Probleme der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft? pisquartier und in die "Humpisforschung". Sie stellt aber ausführlich behandelt. Aus dem Gebiet der Hausfor­ Beate Falk ...... 31 auch die in den vier Jahren seit der Gründung der Gesell­ schung dürfen wir neue, interessante Ergebnisse vorlegen schaft geleistete Arbeit im Sinne einer Museumspädagogik (Beate Falk, Stadtarchiv). Die Kapitel "Stadtrundgang" Die Krippe in der Ravensburger St.-Jodoks-Kirche vor. und "Sorgenkinder" informieren über den aktuellen Stand Guido Erb...... 38 Zwei Jahre Bürgerforumsarbeit liegen seit Erscheinen der von abgeschlossenen, laufenden und erforderlichen Sanie­ letzten Altstadt-Aspekte hinter uns, zwei Jahre Arbeit nicht rungen. mehr nur in der historischen Altstadt. Zunehmend gibt es In den beiden zuletzt genannten Kapiteln wird deutlich, Stadtrundgang 1995 . Gereimte Ungereimtheiten Probleme und Aufgaben auch außerhalb. So erweist sich daß trotz fortschreitender Sanierung in der Stadt auch die Johann Stroh ...... 40 der gründerzeitLiche Straßengürtel um die Altstadt zuneh­ Zerstörung alter Substanz fortschreitet - langsam zwar, mend anfällig für einschneidende Veränderungen. aber stetig. Sorgenkinder des Bürgerforums 42 Bei weitem nicht alle gründerzeitlichen Bauten und " Unsere Stadt soll nicht gesichts/os werden!" An diesen Jugendstilhäuser stehen unter Denkmalschutz. (Stadt und Ausspruch von Dr. med. Hans Burkhard möchten wir wie­ Kann das Gebäude Römerstraße Nr. 4 erhalten werden? Landesdenkmalamt haben hier sicher noch ein Stück der einmal erinnern und hinzufügen: Unsere Stadt soll Einziger Prototyp der ersten Seestraßenbebauung Arbeit zu bewältigen.) Der Wunsch nach intensiverer auch lebendig und lebenswert bleiben! In diesem Sinne im spätklassizistischen Stil Bebauung oder anderer Nutzung hat bisher schon man­ will das Bürgerforum Altstadt weiterarbeiten und hofft Dr. Dietmar Hawran und Michael Bauhofer 44 ches stadtbildprägende, schöne Haus verschwinden lassen auf Interesse und Mitarbeit möglichst vieler Bürgerinnen (Beispiele in der Federburgstraße, in der Karlstraße u. a.). und Bürger. Fotografiert und kommentiert 46 Auch durch Sanierungen ergeben sich problematische Ver­ änderungen und Störungen im Erscheinungsbild wertvol­ ler Häuser. Museumsgesellschaft Ravensburg e.V . Vorstand und Kuratorium 52 Das Bürgerforum muß angesichts dieser Entwicklungen Für Vorstand und Beirat: die Forderung stellen, die für die Altstadt gültige Erha/- Mafia Ballarin, Dr. Dietmar Hawran

Bürgerforum Altstadt Ravensburg e.V. Vorstand und Beirat 52

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Museumsgesellschaft Ravensburg e.v. Der Ravensburger Hauptfriedhof Bedrohung durch das Beton-Grabkammersystem

Novum: Diesmal erscheint die Broschüre Altstadt-Aspekte tier durch Fachleute von Landesdenkmalamt, Stadtarchiv 1993 beschloß der Ravensburger Gemeinderat einstimmig als Gemeinschaftsarbeit von Museumsgesellschaft Ravens­ und Spezialistenteams haben Erkenntnisse und Ergebnisse die Einführung des Beton-Grabkammersystems auf dem burg e.v. und Bürgerforum Altstadt Ravensburg e.v. gebracht, die das ursprüngliche Konzept verändern wer­ Ravensburger Hauptfriedhof. Bei einer gemeinsamen Nicht die Tatsache allein, daß die vor vier Jahren gegrün• den und wirklich substanzangemessene Lösungen erwar­ Begehung mit der Stadtverwaltung und dem BUND im dete Museumsgesellschaft ein "Sproß" des Bürgerforums ten lassen. Sommer '94 wurde uns mitgeteilt, es sei geplant, dieses ist, war ausschlaggebend für diese Entscheidung. Gemein­ Allerdings vertreten Museumsgesellschaft und Bürgerfo• Grabkammersystem innerhalb der nächsten 50 Jahre nach sam ist beiden Bürgergruppen die Sorge um das Humpis­ rum Altstadt gemeinsam und mit Nachdruck den Stand­ und nach flächendeckend einzuführen. Da unsere Argu­ quartier im Sanierungsgebiet OberstadtlMarktstraße in punkt, daß jetzt der Zeitpunkt nicht mehr hinausgescho­ mente gegen diese Planung zu diesem Zeitpunkt weder bei Ravensburg. ben werden kann, wo Oberbürgermeister und Gemeinde­ der Verwaltung noch im Gemeinderat Resonanz fanden, Das äußere Erscheinungsbild des "Humpisquartiers" zeigt rat grünes Licht geben müssen für die Erstellung eines gingen wir an die Öffentlichkeit. Wir hoffen, daß unser seit der Gründung der Museumsgesellschaft keine bauli­ fundierten, qualifizierten Planungskonzeptes. Denn nur Engagement doch noch Erfolg haben wird. chen Veränderungen in Richtung Stadtmuseum. Und wer auf dieser Grundlage kann Geld beschafft werden - auch beim letzten Humpisfestle wieder einmal durch die mittel­ und gerade durch aktive Bürgergruppierungen (z. B. von Wieso ist uns der Hauptfriedhof so wichtig? alterlichen Gebäude streifte, mußte feststellen, daß an der der Denkmalstiftung). Und allein auf dieser Grundlage Er ist ein aus den Stadtmauern hinausverlagerter Teil der mittelalterlichen Bausubstanz im Innern der "Zahn der kann mit der schrittweisen Sanierung und dem schritt­ Altstadt. Er ist der letzte "alte" Friedhof in der Altstadt, Zeit" stetig nagt. weisen Ausbau zum Stadtmuseum begonnen werden. den wir noch haben, denn vier Altstadtfriedhöfe sind in ~ir Alle, die sich der Idee verschrieben haben, das Humpis­ Eine neue, interessante, große Chance sehen übrigens den vergangenen Jahrhunderten bereits vernichtet wor­ Leere Aussparungen in der ehemaligen Friedhofsmauer bei St. Jodok. quartier ("Marke Mittelalter pur") durch behutsame fach­ darin, daß die durch Finanzprobleme gebundene öffentli• den. Bis 1542 waren die Friedhöfe bei den Kirchen gele­ männische Sanierung in ein attraktives, lebendiges Stadt­ che Hand andere Kräfte aktivieren und auf den Plan rufen gen, so z. B. bei St. Jodok und bei der Liebfrauenkirche. museum zu verwandeln, haben vor vier Jahren eine kann: Sach- und fachkundige Bürger(-gruppen) unter Dort erinnern nur noch ein paar leere Aussparungen in Grabsteine in der Mauer der Liebfrauenkirche als Überbleibsel des raschere Entwicklung erwartet (siehe Altstadt-Aspekte Anleitung von Fachleuten und in enger Kooperation mit ehemaligen Friedhofs. '91). Schließlich lag der Stadtverwaltung schon damals ein dem Landesdenkmalamt könnten aktiv dieses Werk mit­ umfangreiches "Gutachten Stadtmuseum" vor. gestalten. Wäre es nicht eine großartige Sache, in einem Südlicher Teil des Ravensburger Hauptfriedhofs. Das Sprichwort "Gut Ding braucht gut Weil" soll nun in Miteinander von Verwaltung und Bürgerschaft eine Auf­ diesem Zusammenhang nicht als leeres Trostsprüchlein gabe anzugehen, die die Verwaltung allein nicht bewälti• herhalten und eine Entschuldigungsfloskel sein für eine gen kann? Wir sind überzeugt: Dies ist der richtige Weg. durch die veränderte finanzielle Situation entstandene Wir sind zur Mitarbeit bereit. Durststrecke. Wir müssen die vergangenen vier Jahre wirklich als Reifungsphase in bezug auf das Konzept Für Vorstand und Kuratorium: begreifen: Gründliche Untersuchungen im ganzen Quar- Franz Janausch, Maria Ballarin

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Straßenbau verwendet. Der Hauptfriedhof wurde 1875 angelegt und insgesamt viermal erweitert, und zwar 1892, 1903,1921 und 1952. Er wird im Ortskernatlas als "schutzwürdige Anlage" aufgeführt, doch unserer Mei­ nung nach ist er in seiner jetzigen Form durch die Ein­ führung des Grabkammersystems bedroht. Die Grabkam­ mern der Firma BayWA bestehen aus mehreren überein• andergestapelten Betonkästen, die nach unten offen und oben mit Platten abgedeckt sind. Die Verwesungszeit eines Leichnams kann dadurch auf ca. 10 bis] 5 Jahre ver­ kürzt werden. Wir halten dieses darüber hinaus noch sehr teure System Familiengrab der Familie Kiderlen. auf einem alten gewachsenen Friedhof wie in Ravensburg aus verschiedenen Gründen für absolut ungeeignet: Um die Grabkammern in das Erdreich einzubringen, müs• Familiengrab Butz. Dorn. Schuler. sen ganze Grabfelder umgepflügt und sehr tief ausgeho­ Ocr Alte Friedhof an der Georgslraße war hier um 1900 bereits aufge­ ben werden. Beim Einbau der ersten Beton-Grabkam­ lassen. aber noch weitgehend intakt. Vor allem die Familiengrabmäler mern wurde der Aushub samt Gebeinen auf eine Kies­ Familiengrab der Familie Stapf. des 16.. 17.. 18. und 19. Jahrhunderts waren von großem historischem grube bei Karsee gefahren. Dieses Vorgehen führte bei Wert für die Stadtgeschichte. Der Friedhof wurde 1938/39 zerstört. der Bevölkerung zu Recht zu erheblichen Protesten. (Siehe auch Veröffentlichungen über diesen Vorgang in der Friedhofsmauer und ein paar verwitterte Grabsteine in der Schwäbischen Zeitung am 25. Januar 1994 und Leser­ Name fehlt! den Kirchenmauern an diese Friedhöfe. Ein weiterer, briefe von betroffenen Angehörigen. Ausführlich und ebenfalls nicht mehr existierender Friedhof war der Fried­ öffentlich wurde die Gesamtproblematik HauptfTiedhof hof St. Georg an der Meersburger Kreuzung. Er war spezi­ Ravensburg beim Bürgerforum Altstadt im Dezember ell für Selbstmörder und für zum Tode Verurteilte einge­ ] 994 und im März]995 mit OB Vogler und der Bauver­ richtet worden. Im Jahre ]542 wurde der "Alte Friedhof" waltung diskutiert.) Auch wir können dieses Vorgehen aus an der Georgstraße angelegt. Er war neben dem heute Pietätsgründen nicht akzeptieren. In früheren Jabrhunder­ noch bestehenden Johannisfriedhof in Nürnberg einer der ten wurden die Gebeine von Verstorbenen bei eubele­ bedeutendsten Friedhöfe Schwabens. Auf diesem Friedhof gung eines Grabes in einem Beinhaus gesammelt. - Durch lag die Ravensburger Stadtgeschichte im wahrsten Sinne das radikale Umpflügen der Grabfelder gehen sowohl die des Wortes: Bürgermeister, Patrizier. Lehrer und Refor­ Grabsteine als auch das gewachsene Grün verloren. matoren des 16. bis 19. Jahrhunderts. Da die Stadt seit Bisher stehen lediglich zwei Grabstellen unter Denkmal­ jeher eine Verbreiterung der Georgstraße im Auge hatte, schutz: die Familiengräber Spohn und Dresse!. Bei unse­ wurde der gesamte Friedhof samt Mauer und gotischem ren ausführlichen Begehungen haben wir eine weitaus Beinhaus trolz massiver Bürgerproteste 1939 abgebro­ größere Anzahl denkmalschulzwürdiger Grabstellen chen. Das Gros der wertvollen Grabsteine wurde für den gefunden. Darüber hinaus halten wir weitere über] 000

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Wandlungen einer Fassade Oberschwäbische Verlagsanstalt Ravensburg, Marienplatz 41

Gräber für erhaltenswert. Der Hauptfriedhof hat sich in - Einführung von Grabpatenschaften Das Haus Marienplatz 41 hat eine lange Geschichte, bis ins 14. Jahrhundert den 120 Jahren seines Bestehens zu einem wichtigen öko• - Bau eines Krematoriums, um so die Zahl der Urnenbe- zurückreichend; seine Bewohner waren z. B. Edelleute, Kaufleute, Handwer­ logischen Biotop entwickelt. Er ist unser einziger städti• staUungen zu erhöhen; dadurch geringerer Flächenver• ker und Bierbrauer, eine gemischte Gesellschaft. scher Park ohne Autoabgase. Die vielfältige Vegetation brauch Uns interessiert im Rahmen unseres Themas die jüngere Geschichte des hat ihn zu einem einzigartigen Vogel paradies werden las­ - Weiterführung des Hauptfriedhofes als Friedhof. Hauses. Als 1888 der Bankfachmann Dr. Bernhard Kah das damalige sen. Bei einer Studie von Schülern des Spohn-Gymnasi­ Gebäude erworben hatte, begann er alsbald mit dem Umbau und damit der ums in den Jahren 1972 bis 1983 unter Leitung von Prof. Was haben wir bisher erreich!'? Neugestaltung der Fassade im historisierenden Stil, der damaligen Zeit ent­ Weismann wurde diese Vogelvielfalt entdeckt und doku­ Die anfangs geplante flächendeckende Einführung des sprechend. mentiert. Dabei wurden über 50 verschiedene Vogelarten Grabkammersystems scheint passe zu sein. "Vorerst sei Die Fassade von 1893/94 ist gegliedert in ein Sockelgeschoß mit Stuckquad­ beobachtet. Beim Verschwinden der Vegetation ist auch das Grabkammersystem gestoppt", so Herr OB Vogler in rierung, zwei Obergeschosse mit Stuckgliederungen. An den Ecken im mit der Vertreibung dieser Vogelvielfalt zu rechnen. In einer mündlichen Zusage. Das Grünflächenamt will 2. Obergeschoß wurden reich gegliederte Erker mit aufwendig gestalteten einem gemeinsamen Brief mit dem BUND Ravensburg an jedoch aufjeden Fall demnächst bis ca. 300 Grabkammern pseudobarocken Turmhelmen angebracht. Den Abschluß des abgeflachten Herrn OB Vogler haben wir ausführlich auf diese Gefahr einbauen. Ca. 100 sind bereits im Boden. Damit steht hingewiesen. Für ganz besonders gefährlich halten wir in Ravensburg an erster Stelle in Deutschland, was den Ein­ diesem Zusammenhang die mit der Einführung des Grab­ bau von Grabkammern auf alten Friedhöfen betrifft. Herr t910 bis t920 kammersystems eingelegten Bodendrainagen, die auch Dr. Eitel vom Stadtarchiv führt zur Zeit eine Katalogisie­ nach Meinung von Forstfachleuten eine Austrocknung des rung der GrabsteIlen in Bodens bewirken und dadurch zum Absterben der alten drei Kategorien durch. Bäume führen würden. Dies ist besonders kritisch, da ja in Eine Kategorie sieht das den letzten Jahren das alte Grün durch das Ulmensterben Versetzen von erhaltens­ im nördlichen Teil erheblich dezimiert worden ist. Ein sol­ werten Grabsteinen auf ein cher Friedhof verliert seine Funktion als grüne Lunge für gemeinsames Areal vor. die Innenstadt und seine Bedeutung als Erholungsraum Dieses Vorgehen halten wir 1893 bis 1910 für die Bevölkerung. Aus ökologischer Sicht ist deshalb nicht für richtig, da dadurch eine Umgestaltung des Hauptfriedhofes in der oben die alte Struktur des Fried­ beschriebenen Form aufs Heftigste abzulehnen. hofs verändert würde. Den Daches bildete ein reichgegliedertes Giuergeländer mit der Aufschrift "Ober­ Vorschlag einer vollständi• schwäbischer Anzeiger". Was sind unsere Forderungen? gen Katalogisierung des Schon 1910 wurde die Fassade vereinfacht durch Abnahme von Schmucktei­ - Vollständiger Verzicht auf das Grabkammersystem Gesamtbestandes durch len, z. B. oberhalb der Fenster. Auf dem Foto von 1920 ist sie in diesem - UnterschutzsteIlung des Hauptfriedhofes das Bürgerforum hat die Zustand erkennbar. ach dem zweiten Weltkrieg erfolgte schließlich die - Biotopschutz für den Hauptfriedhof (die Stadt ist untere Stadt bisher nicht aufgegrif­ Beseitigung vieler Stuckgliederungen und vor allem der Abbau der Erker­ Naturschutzbehörde) fen. Dr. Dietmar Hawran turmheIme. Diese abgeräumte Fassade blieb bis 1993 bestehen. - Denkmalschutz für weitere ca. 20 GrabsteIlen (die Stadt Vor etwa II Jahren trug sich die OVR mit dem Gedanken, das alte Gebäude ist untere Denk mal!-Schutzbehörde) abzubrechen und durch einen passenden Neubau zu ersetzen. Als dieses Vor­ - Verabschiedung einer neuen Friedhofssatzung; die alte haben bekannt wurde, setzte sieh das Bürgerforum Altstadt Ravensburg mas­ zwingt die Grabbesitzer, nach Ablauf der Liegezeit das Urne auf dem Grabsteinobelisk siv für die Erhaltung des Gebäudes und die Wiederherstellung der alten Fas­ Grab komplett zu räumen der Familie Baier. sade ein. Nach langwierigen Verhandlungen zwischen den Eigentümern, der

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Stadtverwaltung und im Altstadtbeirat gab der technische Ausschuß des "Schwäbische Zeitung" Gemeinderates grünes Licht für die Erhaltung des Hauses und Wiederher­ angebracht werden. stellung der Fassaden. Anerkennenswert ist Das Bürgerforum Altstadt hätte es gerne gesehen, wenn die Innenräume auch, daß alle Beteilig­ mit ihren Jugendstilstuckdecken erhalten geblieben wären. Die spätere ten sich bemühten, eine Nutzung der Räume führte dazu, daß die Stuckdecken fielen. Die OVR zurückhaltende Wer­ versprach, dafür die Fassaden aufwendig wiederherzustellen und damit dem bung am Haus anzubrin­ Marienplatz ein von weiten Bevölkerungskreisen erwünschtes Gepräge zu gen. geben. Ein erster nicht erwarteter Befund ergab, daß die Außenwände Der OVR gebührt Dank keine genügenden Fundamente hatten. Deshalb waren kostspielige Siche­ für das Verständnis, die rungsmaßnahmen durchzuführen. So konnte das ursprüngliche Mauerwerk Geduld und den finanzi­ Original holzgeschnitzte Muschel um 1900, mit den originalen Fenster- und Türöffnungen erhalten werden. gefunden in der Nische über dem Erker ellen Mehraufwand zur mit späterem Anstrich. Rekonstruktion der Fas­ ca. 1960 bis 1993 saden und kostspieliges Schon bei den ersten Voruntersuchungen an den Fassaden ergab sich die Erhalten des Mauer­ Vermutung, daß die bisher für Stuck gehaltenen Fassadengliederungen aus werks. Das Haus Holz gearbeitet sind. Eingehende Untersuchungen vom Gerüst aus Marienplatz 41 ist heute bestätigten den Verdacht der Voruntersuchungen. Die alten noch vorhan­ wieder ein markanter denen Holzteile und Fotos aus verschiedenen Zeiten erleichterten die Punkt im Straßenzug Rekonstruktion der Fassaden. und findet beim Groß• Die Witterungsanfälligkeit der Holzkonstruktionen führte schon 1910 zur teil der Bevölkerung Entfernung von Zierstücken über den Fenstern. Deshalb wurde beschlos­ Anerkennung. sen, diesmal das Holz durch haltbareren Stuck zu ersetzen. Dazu wurden die vorhandenen Holzkonstruktionen sorgfältig abgenommen, registriert, Reinhold Leinmüller mit Silikon abgeformt und mit wetterbeständigem Material neu hergestellt. Die beiden hölzernen Muscheln und die Baluster waren unter einer Bret­ terverschalung noch vorhanden. wurden aber ebenfalls in Stuck neu ausge­ führt. Mit Hilfe des Computers der OVR konnten fehlende Teile, z. B. auch die Turmhelme, maßstabgerecht ausgeführt werden. Das alte Mauer­ werk mit seinen Fenster- und Türöffnungen konnte erhalten, neue Fenster und Türen dem Befund entsprechend eingebaut werden. Die ursprüngliche Farbgebung konnte durch Freilegungsproben an den Wandllächen und Holzkonstruktionen ermittelt werden. Die heutige Farbfassung in verschie­ denen Grautönen dürfte wohl der ursprünglichen nahe kommen. Vorbild für die Rekonstruktion der Fassaden war das Foto von 1910. Nachdem der Schriftzug "Oberschwäbischer Anzeiger" am Dachgeländer zum ursprünglichen Bestand gehörte, konnte dieses Mal der Name 1995

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Interview mit Franz Janausch über das Humpisquartier Wo einst die vornehmen Patrizier residierten Das Humpisquartier in der Altstadt von Ravensburg zu neuem Leben erweckt

Das Interview führte die Wochenzeitung "Info Ober­ Info: Wie sieht ihr Die Sanierung des alten Ravensburger Stadtkerns, geprägt Zum einen muß eine inhaltliche Konzeption für das künf• schwaben". Zeitplan aus? durch seine Türme und Tore, ist im vergangenen Jahrzehnt tige Stadlmuseum erarbeitet werden. Hierbei ist man noch umfassend vorangekommen. Doch ein großer Gebäude• nicht sehr weit gediehen, zumal Ravensburg mit Thomas Janausch: Vom trakt in der Oberstadt liegt noch im Dornröschenschlaf. Knubben erst vor gut einem Jahr einen eigenen Kulturde­ info: Herr Janausch, Sie sind Vorsitzender der Museums­ Zeitplan her gese­ Dabei stellt das sogenannte Humpisquartier eines der zernenten gewonnen hat. Gedacht wird an eine lebendige gesellschaft Ravensburg. Was ist dcren Ziel? hen haben wir geschlossensten mittelalterlichen Stadtviertel in Ravens­ Aufarbeitung und Darstellung der Stadtgeschichte mit Arbeit bis ins näch• Janausch: Das Ziel ist es, im Humpisquartier in der Ober­ burg dar. Den Gründungsbereich der mittelalterlichen dem Schwerpunkt auf Ravensburgs Blütezeit im Spätmit­ ste Jahrtausend. Es stadt in den nächsten Jahren und nach behutsamer Sanie­ Stadt neu beleben: Das ist die selbstgestellte Aufgabe der telalter mit der Großen Ravensburger Handelsgesell­ ist ja auch so, daß rung das Stadtmuseum Ravensburg entstehen zu lassen. vor rund vier Jahren gegründeten Museumsgesellschaft schaft. Wichtig ist jedoch die Einbindung in die Museums­ nichts ohne das Und unser vorrangiges Ziel ist derzeit, den sogenannten Ravensburg. Sie will die auch von der Stadt angestrebte landschaft der Region. "Nur verstaubte Spinnräder aufzu­ Landesdenkmalamt grünen Saal in der Marktstraße 47, über den "Humpis-Stu­ Sanierung und Einrichtung eines Stadtmuseums vorantrei­ stellen, damit ist es nicht getan", lautet die Devise. Daß geht. Jeder Stein ben", herzurichten, der früher zu Repräsentationszwecken ben. Die noch recht junge Museumsgesellschaft zählt jetzt dieses Heimatmuseums-Konzept aus vergangenen Tagen muß umgedreht genutzt wurde. In dem Saal haben 140 Leute Platz. Ein schon nahezu 350 Mitglieder. Dank rührigen Engagements nicht mehr großen Reiz ausübt, das beweist auch das bis­ werden. geeigneter Raum für Vorträge, Ausstellungen und mehr. ist man schon ein gutes Stück vorangekommen. Solches herige Ravensburger Stadtmuseum im historischen Vogt­ Engagement hat in Ravensburg gute Tradition. Dank des haus, das zudem nur wenige Stunden in der Woche geöff• Info: Welche Info: Wann kann der grüne Saal genutzt werden? Bürgerforums Altstadt wurde in den 70er Jahren der Kahl­ net ist. Das zweite Gleis sind die bauhistorischen Untersu­ Grundidee steckt Janausch: Wir hoffen, daß noch in diesem Jahr mit den schlag der Nachkriegszeit, der auch in Ravensburgs histo­ chungen und die daraus abgeleitete Sanierungskonzeption. hinter der Arbeiten begonnen werden kann und daß wir im Jahr 1996 rische Bausubstanz manch häßliche Bresche geschlagen Grundlage ist ein Gutachten des Landesdenkmalamtes aus Museums­ den ersten Stock nutzen können. Aber es gibt da noch ein hat, gestoppt. Die alte Zehntscheuer, vor 15 Jahren vom dem Jahr 1991, mit dem sämtliche elf Gebäude des Hum­ gesellschaft? paar Probleme. Die Statiker haben den Saal noch nicht Abriß bedroht, ist dank einer Bürgerinitiative heute zu pisquartiers als Kulturdenkmale bestätigt oder neu aufge­ freigegeben. Irgendwann hat hier mal jemand ein paar Janausch: Wir einem bauhistorischen Schmuckstück und dazuhin zu nommen wurden. Balken abgesägt, und jetzt weiß man noch nicht genau, möchten ein leben­ einer lebendigen Kleinkunst-Scheuer geworden. Leben im Humpisquartier ist dringend nötig, verödet doch wie die Drucklast abgeleitet wird. diges Museum aus Doch sind die Zeiten, in denen der Rotstift regiert, für das sonst diese Keimzelle der alten Reichsstadt zunehmend. dem Humpisquar­ große Vorhaben nicht gerade die günstigsten. War vor Jah­ Daß der bauhistorische Schatz ohne schlimme Blessuren Info: Bisher ist im Humpisquartier aber noch nicht viel tier machen. Ein ren dank großzügiger Sanierungsprogramme und entspre­ bewahrt wurde, das ist den bisherigen Besitzerfamilien passiert? Museum, wo die chender Staatszuschüsse noch genügend Geld im Hindelang und König zu danken. Sie führten den um 1841 Menschen erleben Säckel, um die Sanierung von Ober- und Unterstadt vor­ Janausch: Das stimmt, aber allmählich geht es vorwärts. im Humpisquartier begründeten Restaurations- und können, wie man Da muß man eben mit Geduld ran. Zuerst hatten wir Direktor Franz Janausch, Vorstandsvor­ anzubringen, den Marienplatz verkehrsberuhigt zu gestal­ Beherbergungsbetrieb bis vor kurzem weiter. Die "Hum­ damals gelebt hat. schon den Willen, ganz schnell etwas zu realisieren, aber sitzender der Museumsgesellsehaft, im ten und etliche markante Gebäude der Stadt zu renovie­ pisstube" ist in Ravensburg und der Region ein Begriff für Die Leute sollen Gespräch mit Frau Hildegard Dicderich, dann kam die Rezession und mit ihr die finanziellen Ein­ ren, so herrscht jetzt Ebbe in der Kasse. Die Museumsge­ Gastlichkeit, in der dank des letzten HumpisWirtes Heiner ein Bewußtsein Kliratoriliffismitglied (Humpisfest 1995). brüche. Es hat sich auch gezeigt, daß wir zu schnell gestar­ sellschaft ist gleichwohl zuversichtlich, wenigstens in Teil­ König eine urgemütliche Wirtschaft ohne modernes dafür entwickeln, tet wären, denn inzwischen sind wir auf ganz andere Ideen abschnitten und längeren Zeiträumen die Sanierung des Schnickschnack überlebt hat. Mit neuen Pächtern und wie erhaltenswert dieses einmalige und kostbare Quartier gekommen. Von der Stadt waren Pläne da, aber die Ein­ Humpisquartiers voranzubringen. "Das gibt ein fulminan­ dezenter Neugestaltung bringt die "Humpisstube" jetzt ist. Wir freuen uns übrigens über jedes neue Mitglied. griffe wären dann doch zu herb geworden. Die Häuser tes Finale", meint Architekt Joachim Scheible, der als wieder Schwung "in die Bude". Nach diesem Vorbild will sind ja schon Museen an sieh und zum Glück hatten die Sanierungsbeauftragter der Stadt Ravensburg die gesamte die Museumsgesellschaft weitermachen. Info: Herzlichen Dank für das Gespräch. Leute kein Geld, um da etwas zu machen, denn so blieb Entwicklung mitgestaltet hat. Die planerischen Vorarbei­ vieles erhalten. sura ten sind im Gange, wobei zweigleisig zu verfahren ist. Sibylle Emmrich 14 15 ______Museumsgesellschaft aktuell _ _ Museumsgesellschaft aktuell _

Chronik 1991 bis 1995

Juli 1991 24. und 25. März 1993 28. Januar bis 15. Februar 1994 14. Mai 1995 Gründung der Museumsgesellschaft in der Zehntscheuer. Gebildbrote backen mit Kindern und Erwachsenen "Kunst aus dem Humpishaus - Heinrich König, Zeichner "Salonmusik im Mai - Immer und ewig ..." Humpisstuben (Frau Rieke, Volkshochschule). 14. Oktober 1991 und Wirt" (mit Führungen) - etwa 1000 Besucher. (Elisabeth Stoll-Scheuerle, Klavier, Christiane Blaas, Dr. Ruhland, Landesdenkmalamt Tübingen, hält einen 28. März bis 18. April 1993 28. Januar 1994 Violine). Vortrag über das Humpisquartier (Mitgliederversamm­ "Österliches Brauchtum" - Ausstellung in der Galerie am Ausstellungseröffnung mit Heiner König und Wolfgang 2. September 1995 lung). Obertor - ca. 4000 Besucher. (Henne) Engelberger; anschließend Wiedereröffnung der 4. Bürgertreff ("Höflesfest") im Humpisquartier mit Oktober 1991 31. März 1993 Humpisstuben mit Salonmusik (Elisabeth Stoll-Scheuerle, Musik, Bewirtung, Besichtigungen, diesmal im Rahmen Informationsstand bei der Oberschwabenschau. Österliches Basteln mit Kindern in der Stadtbücherei. Heinz Abel, Dieter Lohr). des 1. Oberstadt-Humpisfestes: Viele Aktivitäten und Tombola zugunsten des künftigen Stadtmuseums im 5. April 1993 12. März 1994 6. November 1991 Humpisquartier von der Oberstadt-Werbegemeinschaft. 100. Geburtstag der Heimatdichterin Josefine Scheuerle­ "Ostereiertechniken" - Bastelabend im Sanierungsbüro Lichtbildervortrag über denkmalpflegerische Untersu­ Birk - Ausstellung in der Stadtbücherei, Gedenkstunde hinter der Galerie. chungen im Humpisquartier (Frau Marinowitz, Büro Oess, 9. und 10. September 1995 im Hotel Waldhorn mit Gedicht- und Liedvorträgen. 15. Mai 1993 ) in der Zehntscheuer; Auftritt des Percussions­ Stand bei "Ravensburg spielt" mit "Unterstadt-Quiz." ensembles der Musikschule Ravensburg (Mitgliederver­ 9. April 1991 Mitgliederfahrt nach München ins Stadtmuseum. U. November bis 3. Dezember 1995 sammlung). Vortrag von Alfred Lutz "Die Krise der Reichsstadt 21. August 1993 "... damit spielten Ravensburger Kinder"­ Ravensburg vom westfälischen Frieden bis zur französi• 2. Bürgertreff ("Höflesfest") im Humpisquartier mit 20. August 1994 Spielzeug-Ausstellung in der Galerie am Obertor schen Revolution und Mediatisierung" (Kornhaussaal). Musik, Bewirtung, Führungen. 3. Bürgertreff ("Höflesfest") im Humpisquartier. mit Begleitprogramm. 15. August 1992 27. und 28. August 1993 3. September 1994 15.,21. und 28. November 1995 1. Bürgertreff ("Höflesfest") im Hof des Humpisquartiers Stand bei "Ravensburg spielt" mit "Vogthaus-Quiz". Stand bei "Ravensburg spielt" mit dem Stadtspiel Jeweils Spielnachmittage im Hof bzw. DGB-Heim hinter der Galerie für Kinder und Junggebliebene. mit Bewirtung, Musik, Führungen. 4. September 1993 "Oberstadtquiz". 28. August 1992 Teilnahme am Stadtfest "Wasser in unserer Stadt"­ 10. Dezember 1994 23. November 1995 Stand bei "Ravensburg spielt" mit Stadtspiel Aktivitäten im Humpishöfle (z. B. Vortrag von Weihnachtsbasteln für Kinder in der Stadtbücherei. "Alternative zum bürgerlichen Spielzimmer: Die Kinder (Stadtquiz von Herrn Koppmann, Archivpädagoge). Dr. Hellstern: "Wasser und Gesundheit") zusammen in der Oberstadt spielten auf der Gass'" - Vortrag von 14. Januar 1995 mit dem Kneippverein. Edeltraud Ott im DGB-Heim hinter der Galerie. 28. November 1992 Krippenspaziergang durch die Ravensburger Kirchen mit 100. Geburtstag von Dr. Kurt Meysel, Begründer der 9. November 1993 GuidoErb. 9. Dezember 1995 ersten Theatergruppe nach dem Krieg - "Junge Schau­ Vortrag von Prof. Dr. Martin Roth, Dresden: "Aufgaben Weihnachtsbasteln für Kinder in der Stadtbücherei. spielgruppe". Ausstellung im Kornhaus, Empfang und eines modernen Stadtmuseums" (Kornhaussaal). 29. Januar 1995 Familientag im Heimatmuseum Vogthaus: Laterna Magica. Für Januar 1996 sind bereits geplant: eine Krippenfahrt, Festabend mit szenischer Lesung. 4. und 11. Dezember 1993 Weihnachtsbasteln mit Kindern in der Stadtbücherei 17. Februar 1995 ein Krippenspaziergang und wiederum ein Familientag 9. Dezember 1992 im Heimatmuseum Vogthaus. 200. Geburtstag von Stadtschultheiß Franz von Zwerger­ (gemeinsame Finanzierung Museumsgesellschaft! Kappenabend in den Humpisstuben mit Salonmusik Festvortrag von Alfred Lutz. Wirtschaftsforum). (Elisabeth Stoll-Scheuerle, Klavier, Heinz Abel, Klavier und Baß, Dieter Lohr, Violine). Erentraud Wild 26. Januar 1993 16. Januar 1994 "Rudolf von Habsburg" - Aufführung der Gesellschaft für Familientag im Heimatmuseum Vogthaus: "Alles dreht 3. Mai 1995 mittelalterliche Musik unter Leitung von Stefan Morent sich ums ehemalige Bähnle Ravensburg, Weingarten, "Junge Sänger begleiten in den Mai" - im Rahmen der (Zehntscheuer) im Rahmen der Mitgliederversammlung. Baienfurt". Mitgliederversammlung in der Zehntscheuer. 16 17 ______Museumsgesellschaft aktuell _ _ Museumsgesellschaft aktuell _

Humpisfest mit Riesentombola und viel "Äktschen" Über das Erzählen Stadtgeschichte erfahren und bewahren soll Museumsprojekt neue Schubkraft verleihen

Ein Signal setzen wollen die Oberstadt-Geschäftsleute Marktstraße, Roßbachslraße und im Gänsbühl statt. Viel Erzähl- und Geschicbtswerkstätten gibt es heute in großer Am Obertor gezeigt wird. Ein weiteres Produkt der zusammen mit der Museumsgesellschaft e.v. am morgigen "Äktschen" wird dort morgen geboten und eine Tombola, Zahl. Selbst an Universitäten. vor allem in England, wurde Erzählwerkstatt war übrigens auch die Ausstellung .,Kunst Samstag. Es soll deullich werden, daß die Bürgerschaft das bei der Preise im Wert von 30000 DM zu gewinnen sind. einige Zeit versucht, über Erzählungen von Zeitzeugen aus dem Humpishaus" mit Arbeiten von Heinrich König, ehrgeizige Vorhaben Sanierung des historischen Humpis­ Der Erlös fließt der Museumsgesellschaft zu. Pessimisti­ Geschichte faßbar zu macben. Zeichner und Wirt, Vater von Frau Hindelang und Heiner quartiers keineswegs abgeschrieben hat, nur weil der Stadt sche Wetterprognosen schrecken die Akteure nicht ab. In Ravensburg gab es bereits Ende der achtziger Jahre König, Alt-Humpiswirt. Ravensburg momentan das Geld für das Museumsprojekt "Bei durchwachsenem Wetter kommen die Leute eher. Bestrebungen in dieser Richtung: Durch Befragen sollten Am 9. März 1994 fand sich eine große Runde im Foyer der fehlt. Erstmals haben sich engagierte Einzelhändler und Dann verlegen wir halt alles unter Dach". zeigt sich Mitor­ sich ältere Bürger an Erlebtes erinnern, davon erzählen Stadtbücherei im Kornhaus zusammen, um im Rahmen der rührige Verein zusammengetan, um der guten Sache ganisator Erich Lange für alle Eventualitäten gewappnet. und somit helfen, (Stadt-)Geschichtliches zu bewahren. der Frauenkulturtage über das Thema "Mädchenerzie• neue Schubkraft zu verleihen. Das traditionelle Höflesfest Konkret läuft diese Arbeit nun seit knapp drei Jahren. hung früher" zu erzählen. Nachdem das Thema "Kochen der Museumsgesellschaft findet morgen, Samstag, im Rab­ (Entnommen aus: Schwäbische Zeitung. Für den 25. Februar 1993 hatte die Mlisellmsgesellschaft und Backen in der Kriegs- und Nachkriegszeit" auf großes men eines sehr viel größeren Humpisfestes in der oberen Ausgabe Ravensburg, vom J. September 1995) Ravensbllrg e. V. durch Mitgliederbriefe und über die Zei­ Interesse gestoßen war, wurde das Erzählen aus diesem tung ins Hotel Lamm eingeladen. Die erste Versammlung Zeitraum immer wieder aufgegriffen. Aucb Frau Breucker stieß auf lebhaftes Interesse. Von Anfang an betreute Frau und Frau Mücke vom Stadtarchiv und Herr Koppmann. Erentraud Wild, Seminarschulrätin i. R. und Lehrerin für Arcbivpädagoge, nahmen zeitweilig an diesen Erzählrun• Geschichte, die Erzähl- und Geschichtswerkstatt. den teil. Die von Frau Breucker in der Schwäbischen Zei­ Frühzeitig kam Frau Mechtbild Baumann, bekannt durch tung veröffenllichten Erinnerungen an das Kriegsende Beiträge in der Schwäbischen Zeitung (mb), zum Kreis und die Nachkriegszeit stammen zum Teil aus der Erzähl• der Aktiven, mit ihrem reichen Schatz an Wissen und und Geschichtswerkstatt. Erfahrung ein echter Glücksfall! Frau Baumann schreibt Zahlreiche Themen sollen in Zukunft behandelt werden: seither nicht nur Protokolle von Erzählrunden oder fertigt "Krankheiten und häusliche Behandlungen", "Waschtag Tonbandaufnahmen, sie führt darüber hinaus in meister~ und Wäschepflege", "Vorratsbeschaffung und -haltung hafter Weise Einzelinterviews durch. früher", "Alte Handwerkerbetriebe und Läden", "Wirt­ Die Treffen im - jetzt nicht mehr existierenden - Lamm schaften ehemals in der Stadt", "Ravensburger Originale" fanden in der Regel monatlich einmal statt. Man traf sich und anderes mehr. Es ist vorgesehen, Protokolle und auch im Ochsen, in der Hlimpisstlibe oder privat. Ab Erzählungen zu veröffentlichen und der Bürgerschaft Spätherbst steht - nach abgeschlossener Restaurierung­ zugänglich zu machen. der Mlisellmsgesellschaft im Hlimpisqllarrier ein eigener Raum zur Verfügung (bis vor kurzem Ladengeschäft Otto­ Erentraud Wild und Maria Ballarin Versand). womit die Erzähl- und Geschichtswerkstatt eine Bleibe haben wird. Von Anfang an kristallisierten sich mehrere Themenberei­ che heraus. Ein besonderes Erlebnis war für alle Beteilig­ ten die Zusammenkunft ehemaliger Partimsbuben (siehe Bericht aus der Schwäbischen Zeitung). Ein weiterer größerer Themenkreis war "Kinderspiele früher"; daraus entwickelte sich der Plan für eine Spielzeugausstellung, die vom 12. November bis 3. Dezember 1995 in der Galerie

18 19 ______Museumsgesellschaft aktuell _ _ Museumsgesellschaft aktuell _

Vier Patrums-Buaba erzählen von einst: "Wir waren granatamäßige Lausbuaba "

Aus dem Krcis der Muscumsgesellschaft Ravensburg hat knabcn. Es handelte sich damals um musikalische und Gemeinhin waren sie zu acht, wenn es weniger gewesen Die Tradition der Partimsbuben erlosch ungefähr im Jahre sich vor ciniger Zeit ein Arbeitskreis gebildet, der sich stimmbegabte Buben im Alter zwischen 12 und 14 Jahren, seien, so hätten sie eben lauter singen müssen. Dem Lei­ 1936. Aber heute noch strahlen die wackeren Senioren, "Erzählwerkstatt" nennt. Gesucht werdcn alte Ravensbur­ die vorzugsweise bei Beerdigungcn Choräle sangen, aber chenzug voran gingen der "Kreuzlesträger·' (ein Mini­ wenn sie sich an diese Zeit erinnern: "Der Johrgang 1921 ger Bürger - je älter, desto willkonunener -, die willens auch im Gottesdienst den Kirchenchor unterstützten. strant) und der Fahnenträger. Die Patrumsbuben folgten war a guats Weinjahr - drom send mir au alle was sind, die Schätze ihrer Erinnerungen für historisch Interes­ Es ist nun dem Werkstatt-Team gelungen, die letzten ehe­ und sangen ein frommes Lied, meist "Erbarm dich meiner, gworda ...", meinte einer. sierte zu heben und zugänglich zu machen. Sei es, daß sie maligen Patrums-Buaba der Liebfrauenkirche zusammen­ Gott, und sei mir gnädig"; der Choral hat 22 Verse. die Bilder ihrer Erinnerung selbst zeichnen und im zutrommeln und ins "Lamm" einzuladen. Die "Buben" Die Erzählwerkstatt erfuhr auch, daß es drei Klassen von Mechthild Baumann geschriebenen Wort feslhalten, sei es durch Interviews mit sind inzwischen zu "älteren, 72jährigen Knaben" gewor­ Beerdigungen gegeben habe: Bei der dritten Klasse, der "Werkstättlern", die die Protokolle schreiben, sei es, daß den. Sie besuchten vor 60 Jahren alle dieselbe Klasse der mindesten, sangen nur die Buben. Bei der zweiten assi­ (Entnommen aus: Schwäbische Zeitung vom 28. Juli 1993) die Informanten direkt aufs Band eines Recorders spre­ Volksschule und hatten sich zum Teil 58 Jahre nicht mehr stierten noch ein Tenor und ein Baß vom Kirchenchor. Die chen. Dadurch bietet sich die einmalige Chance, abgese­ geschen oder gesprochen. Es sind dies die AIt-Partemisten erste Klasse erkannte man am geschlossen aufmarschier­ hen vom Text auch den originellen Klang des allen heimi­ Hermann Brenner, Bruno Eberie, Hans Sauval und Kar! ten Kirchenchor plus Bubenchor. Je nach Klasse habe es schen Dialekts festzuhalten, der immer mehr verflacht und Vogt. Bruder Walter Brenner kam später ebenfalls noch pro Leiche 25 Pfennig gegeben, 50 Pfennig oder eine seinen unverwechselbaren kernigen Charakter zu verlie­ hinzu. Assistiert und erinnerungsstark unterstützt wurden ganze Mark. "Reich send mer oel gworda, aber's war a ren droht. Analoge Erzählwerkstätten gibt es unter ande­ die einstigen frommen Sänger vor dem Herrn von AIt­ guats Sackgeld...", meinte ein Ehemaliger. Beim Austei­ rem bereits in Biberach und Tübingen. Mcsner Wilhelrn Kübel, Meister Alfons Gomm und Guido len des Weihwassers in der Kirche sangen sie auf der Die Erzählwerkstatt trifft sich ungefähr monatlich - bis Erb. Genannt wurde noch der Partims-Bub Theo Allgaier, Empore das "Vidi aquam" und llAsperges mc"; für diesen jetzt immer im "Lamm" - und bearbeitet dann irgendein der mit zum Chor gehört hat, aber verreist war. Dienst erhielten sie 40 Mark im Jahr. "Des muß a Stiftung vorgegebenes Thema, wie zum Beispiel Kinderspiele von Einmal angestochen, sprudelte der Quell ungebremst gwesa sei..." Im "Lamm:' sangen sie uns lateinisch die bei­ einst oder die Mitte der 30er Jahre zu Ende gegangene drauflos und bildete wahre Strudel und Stromschnellen. den Lieder ins Mikrofon - in hervorragend schwieriger Ära der sogcnannten "Patrums-Buaba" - korrekt Partims- Eines steht fest: Kinder von Traurigkeit waren die Stimmführung und ohne Noten. Patrums-Buaba nicht, auch wenn sie hauptamtlich den Leichenzug begleiteten und an Gräbern sangen. Ungeach­ Karl Erb - der bekannteste tet ihres gottgefälligen Dienstes seien sie "granatamäßigc Auch inzwischen unbekannt gewordene Weihnachtslieder Lausbuaba" gewesen - die von der Marktstraße und vom feierten im "Lamm" ihre Auferstehung. Diese wurden Aigen draußen. Die Anekdoten, die sie bei ihrem Treffen einst vor den Häusern der Honoratioren der Stadt gesun­ erzählten, konnten dies nur bestätigen. Aber auch die gen, und ihr damaliger Chorleiter Frommlet habe sie in Patrumsbuben der katholischen Pfarrei Liebfrauen Bachsträßler reihten sich würdig ein in die Garde der Noten gesetzt; denn die einschlägige Literatur war nicht in RavcIIsburg im Jahre 1935 damaligen Ravensburg Jungmannen. mehr aufzufinden. Der bekannteste Partimsbub sei der Von links nach rechts: Bei denjenigen, die noch nie etwas von Patrumsbuben Karl Erb gewesen, Ravensburgs berühmter Sänger. Hans Sauval, Erlenstraße 15, Baindt gehört haben - zu denen gehören durchaus auch haupt­ Die Herren berichten von den Schikanen der HitJerzeit, Bruno Eberle, Untere Breite Straße 21, Ravcnsburg amtliche Ravensburger Pfarrer -, sei in Kurzform dem Bil­ von den Sonnwendfeiern in der Kiesgrube, von der großen Eugen Müller, Haushalde 6, Ravensburg dungsmangel abgeholfen. Das Wichtigste: Die Patrumsbu­ Kinderlähmungswelle anno 1935 und auch von den Hin­ Helmut Fischer, früher: Aigen, Ravensburg (verstorben) ben sollten unter keinen Umständen mit den Ministranten richtungen im Hof des Roten Hauses. Einige Markt­ Hermann Brenner, Regerweg 7, Ravensburg verwechselt werden, darauf haben beide Parteien streng­ sträßler haben die grausige Zeremonie sogar von der Walter Brenner, Spohnslraße 20, Ravensburg stens geschaut. Die Singknaben trugen eine schwarze Uni­ benachbarten "Wacht am Rhein" aus mit angesehen. Karl Vogl, Weiherslobei, Ravensburg form mit silbergebordeten Kragen und flache Mützen. "Danach konnte ich drei Tage lang nix mehr essen..." Ernst Herrmann, früher: Aigen, Ravensburg (Verbleib unbekannt)

20 21 ______Ravensburger Kostbarkeiten _ _ Ravensburger Kostbarkeiten _

Das sogenannte Humpisquartier - zentraler Familienstammsitz eines Fernhändler• und Patriziergeschlechts in der Ravensburger Oberstadt?

Die bauhistorischen Untersuchungen und Bestandsauf­ 1994 von der Stadt Ravensburg beauftragt worden war, die Das Gebäude Marktstraße 45 wird in der Folgezeit nicht Was zunächst bleibt ist die Tatsache, daß der letzte Hum­ nahmen im sogenannten Humpisquartier sind nun weit­ historische Bauentwicklung des Quartiers zu erforschen, mehr verändert. In ihm haI sich bis heute der Bauzustand pis auf dem Quartier, der kinderlose und ledige Altbürger• gehend abgeschlossen. Dr.-Ing. Stefan Uhl, Leiter des hat nun seine Ergebnisse veröffentlicht. Es wäre schade, aus dem späten 14. bzw. frühen 15. Jahrhundert konser­ meister Hans Humpis, im Jahr 1514 seinen Besitz Markt­ Büros für historische Bauforschung in Warthausen, der wenn diese hochinteressante Studie nur einem kleinen viert. straße 45 an seinen Neffen Endras v. Neidegg vererbte, Kreis verwaltungsinterner Fachleute vorbehalten bliebe. 1431 erhält das Vorderhaus Marktslraße 45 ein Hinterge­ dessen Familie schon seit mindestens 1450/60 den übrigen Im Folgenden sollen Dr. Uhls Ergebnisse hier stark bäude (Marktstraße 4511), das wahrscheinlich als Lager­ Teil des Komplexes mit Marktstraße 47 und Humpis­ Marktstraße 45: Eine tragische Familienfehde verhinderte, daß sich gestrafft skizziert werden, um dann, auf dieser Basis, zu haus genutzt wurde. Die an diesem Bau erhaltene Farb­ straße 1 durch Einheirat besaß. Überraschend ist die Tat­ hier eine dauerhafte Familienzentrale der Humpis entwickeln konnte. weiteren Erkenntnissen über das Wohnverhalten der Fern­ fassung zählt zu den ältesten datierbaren Außenfarbfas• sache, daß Hans Humpis bereits 1511 nicht mehr im Haus händler- und Patrizierfamilie Humpis in der Ravensburger sungen im süddeutschen Raum. Marktstraße 45 wohnte. Somit stand das Haus mindestens Oberstadt zu kommen. 1383 wird das Gebäude Marktstraße 49 (Eckhaus) erbaut bis zum Erbfall im Jahr 1514 leer. Hans Humpis wohnte in und greift damit in die bestehende hochmittelalterliche der Herrenstraße, wo er sich mit Hans v. Neidegg ein hal­ Bauphase 11380/83 Bausubstanz im Gebäude Humpisstraße 1 ein (starker bes Haus teilte. Das Eckdatum 1514 ist demnach als das Auf den Parzellen Marktstraße 45, 47 und Humpisstraße 1 Wandabsatz im 1. OG Marktstraße 47/Durchgang zu nominelle Ende des Humpisbesitzes auf dem sogenannten sind zusammenhängende Steinbauten nachgewiesen, die Humpisstraße 1). Humpisquartier anzusehen, das sieh ab diesem Zeitpunkt den Schluß zulassen, daß das gesamte Areal im 14. Jahr­ Ein weiteres Wohnrückgebäude der Parzelle Markt­ ganz in der Hand der verschwägerten Familie Neidegg hundert in einer Hand vereinigt war. Zwei dieser Bauten straße 45 (Roßbachstraße 18) läßt sich vor 1431 belegen, befand. (heute in Marktstraße 45 und Humpisstraße 1 integriert) das heutige Gebäude datiert jedoch aus dem Jahr 1508. Die Bezeichnung "Humpisquartier" weckt zunächst ein­ haben annähernd quadratische Grundrisse. Uhlläßt es mal die Assoziation, daß es sich hier um eine Art Fami­ anheimgestellt, ob es sich hier um Wohntürme oder haus­ Bauphase II11470 bis 1508 lienzentrale der Humpis handelt. Dann müßte das Ober­ artige Baukörper handelt. Das vor 1380/83 datierte Gebäude Marktstraße 47, das bis haupt der Sippe mit einer weiteren Anzahl von Familien­ ca. 1400 mit Marktstraße 45 eine Einheit bildete, wird 1472 mitgliedern hier, vielleicht über mehrere Generationen, Bauphase II 1383 bis 1431/35 grundlegend umgebaut und 1481 aufgestockt. Der "grüne präsent gewesen sein. Listet man alle in Ravensburg anwe­ Um 1400 wird Marktstraße 45, das bis dahin aus zwei hin­ Saal" datiert aus dieser Bebauungsphase. Die grüne Farb­ senden, steuerpflichtigen Humpisfamilienmitglieder zwi­ tereinandergestellten Baukörpern bestand, nach Westen fassung fällt allerdings erst in das 16. bzw. frühe 17. Jahr­ schen 1473 und 1512 auf, so kommt man vordergründig zu erweitert (= linke Haushälfte mit Erker) und eine Teilung hundert. Vorher waren die Bohlenbalkendecke und das dem Ergebnis, daß 25 Humpis im angegebenen Zeitraum zwischen den Parzellen Marktstraße 45 und 47 vollzogen. Täfer holzsichtig. 17 Gebäude in der Stadt einschließlich der Vorstädte Marktstraße 45 wurde anschließend, vermutlich durch ein 1470 werden die Nebengebäude Humpisstraße 3 und 5 Ölsehwang und Pfannenstiel bewohnten. Setzt man diese Schadfeuer, zerstört und mußte im Jahr 1435 erneuert wer­ erbaut. In diesem Zusammenhang wird das 2. Ober­ Einzelpersonen in genealogische Bezüge zueinander, so den. Aus diesem Jahr stammt der Erker "mit seiner im geschoß von Humpisstraße 1 als Wohnanlage ausgebaut. ergibt sich schon ein weit differenzierteres Bild über das Inneren fast venezianisch anmutenden Architektur, die Wohnverhalten der Humpis in der Stadt. zum Erlesensten gehört, was städtische Profanbaukunst Das Humpisquartier und die Humpis des 15. Jahrhunderts in Oberschwaben zu bieten hat" Im Heft Altstadt-Aspekte '91, Seite 14 ff, wurde schon ein­ Familienkrieg um die Vorherrschaft (Uhl). Ebenfalls aus dieser Bauphase haben sich im Ober­ mal auf die Besitzgeschichte des sogenannten Humpis­ in der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft geschoß des Hauses Marktstraße 45 (nordöstlicher quartiers eingegangen. Zu dieser Thematik haben sich Ausgehend von Friek I. Humpis, der als Stadtammann Eckraum) ein durchgängiger Tonplatlenboden und eine inzwischen neue Erkenntnisse ergeben, die einen Teil des bzw. kaiserlicher Vogt im Verwaltungsraum Altdorf­ Bretterdecke erhalten, deren Randleisten mit Maßwerkor• damaligen Forschungsstandes in Einzelheiten revidieren Ravensburg von 1334 bis 1343 die niedere Gerichtsbarkeit, namentik bemalt ist. und ergänzen müssen. die Markt- und Gewerbeaufsicht und bis 1346 das Amt des

22 23 Gasthaus z. -Rad, Rayensburg.

Landvogts ausübte, teilte sich die Familie erstmals unter Abspaltung aus der Großen Handelsgesellschaft, keine seinen Söhnen in zwei Zweige: der älteste Sohn !tal I. andere Aufgabe hatte, als den anderen das Wasser abzu­ (1345-1435) wurde zum Stammvater der Ratzenrieder graben, d. h. die Märkte streitig zu machen. Da Jas 111. oder "weißen Linie" (nach den drei weißen Hunden im vermutlich vorhatte, die Gesellschaft in seine alleinige Wappen), der jüngere Sohn Henggi (1346--1429), bekannt Gewalt zu bekommen und als reines Familienunterneh­ als Mitbegründer der Ravensburger Handelsgesellschaft, men zu lenken, wurde er von den Gesellschaftsteilhabern wurde zum Stammvater der Ravensburger Linie. Beide 1462 gezwungen abzutreten. Jetzt kam der übergangene Brüder scheinen Hand in Hand gearbeitet zu haben, da Sohn Henggis, Frick 111. (1406--1473) doch noch für !tal als Geldgeber König Wenzels auftritt, infolgedessen 15 Jahre an die Spitze der Großen Ravensburger Handels­ Ravensburg ein Privileg erlangen konnte, das die Schiff­ gesellschaft. Doch spätestens 1477 hatte Jas 111. die Gesell­ barmachung der Schussen vorsah. Das Verhältnis der bei­ schaftsrnitglieder von seinen Führungsqualitäten wieder den Linien zueinander sollte sich mit dem Tod Henggis im überzeugt und wurde erneut nominiert. Als er jedoch kurz Jahr 1429 ändern, der das Amt des 1. Regierers der Gesell­ darauf zwei fremde Kaufleute vor den Toren Ravensburgs schaft erst mit 81 Jahren, im Jahr 1427, aus der Hand gege­ ausraubte und deren Waren auf seine befestigte Burg Rat­ ben hatte. Seine eigenen Söhne waren zu diesem Zeit­ zenried bringen ließ, setzte die Ravensburger Linie durch, punkt als Nachfolger noch zu jung und so ging die Leitung daß die Ratzenrieder, die seit 1456 dem Reichsritterstand der Gesellschaft an den Sohn des Bruders aus der Ratzen­ angehörten, für immer von der Leitung der Gesellschaft rieder Linie über. Obgleich, oder gerade weil Jas I!. ausgeschlossen blieben. Der Sohn Jas 111, Jas v., trat dar­ (1374-1454), anknüpfend an die Erfolge seines Onkels, aufhin aus der Gesellschaft aus, gab das Ravensburger der Gesellschaft Weltgeltung verschaffte, war mit der Bürgerrecht zurück und legte 1513 den Namen Humpis für Übergehung des Ravensburger Zweigs eine Feindschaft sich und seine Nachkommen ab. Sie nannten sich seit die­ zwischen den beiden Linien gelegt worden, die sich mit ser Zeit bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1813 nur noch Tm Gebäude Marktstraße 21 (ehemals Gasthof zum Rad) saßen im jeder folgenden Generation drastisch verschärfte. Als "von und zu Ratzenried". 15. Jahrhundert die L Regierer der Großen Ravensburger Handels­ Jas III. (1410-1482), eine ebenso geniale wie problemati­ gesellschaft aus der Ravensburger Linie. Die Wappen am Eingang sche Persönlichkeit, immer noch aus dem Ratzenrieder Die "Zentralen" der vier Humpislinien weisen auf Onofrius Humpis und seine Frau Benedikta Arlzt hin. Zweig, das Ruder übernahm, kam es zwischen den beiden Bevor Jas V. Ravensburg ganz verließ, prozessierte er mit Linien zum endgültigen Bruch. In diesem Zusammenhang der Stadt im Jahr 1508 um Steuernachzahlungen. Offen­ gründete die Ravensburger Linie mit dem Amtsantritt sichtlich hatte er sich jahrelang geweigert, den lächerlich Nachdem die Ratzenrieder als Leiter der Großen Ravens­ Jas 111.1437 eine Konkurrenz-Handelsgesellschaft, die als geringen Steuerbetrag von einem Schilling Pfennigen, der burger Handelsgesellschaft für immer aus dem Spiel die "chica", die "kleine" Gesellschaft in der damaligen als Reichszins auf seinem Haus in der Marktstraße veran­ waren, verblieb das Amt des 1. Regierers fortan bis zur Welt bekannt war. Die Ratzenrieder hingegen favorisier­ schlagt war, abzuführen und beanspruchte zu alledem voll­ Auflösung der Gesellschaft bei der Ravensburger Linie. ten seit 1477 die Ankenreutegesellschaft, die, ebenso eine kommene Steuerfreiheit. Schließlich drohte ihm die Stadt Der im Nachfolgestreit mit seinem Ratzenrieder Großnef• mit der Zwangsversteigerung des auf 1000 Gulden fen Jas 111. doch noch zur Regierung gekommene Sohn geschätzten Gebäudes, das neben dem Handelshaus lag. des Henggi Humpis, Frick 111., wohnte im Gebäude Henggi Humpis (1346-1429) im Habitus eines Kaufmanns. Er Es handelt sich um das Haus Marktstraße 57. Hier war die Marktstraße 21 (ehemals Gasthaus Rad). Auch sein Sohn könnte als Erbauer des sogenannten Humpisquarliers im 14. Jahr­ Wohnstätte der Ratzenrieder Linie, die schon mit Jas 111. und Nachfolger Onofrius (1436--1496), der ohne männli• hundert in Frage kommen. im Jahr 1473 als solche belegt ist. che Erben blieb, behielt diesen Wohnsitz bei. Sein Wappen

24 25 ______Ravensburger Kostbarkeiten ______Ravensburger Kostbarkeiten _

und das seiner Frau Benedikta Artzt, sie war durch ihre weg auf den Gebäuden Kirchstraße 7 oder 9. Auch diese nach der genealogischen Abfolge im Zeitraum von 1431 Schwester Sybilla die Schwägerin Jacob Fuggers des Rei­ Linie slarb 1545 aus. Ein weiterer Vertreter dieser vierten bis 1464 als Besitzer von Marktstraße 45 in Frage kommt, chen, zieren heule noch das Gebäude, sind jedoch stets Linie, nämlich Heinrich (1415-1488/91) ist als Bürgermei• ist nicht in Ravensburg, sondern in RaIzenried begraben! falsch interpretiert worden. Da mit Onofrius die direkte ster ab 1473 in Marktstraße 51 nachzuweisen. Offensichtlich hielt er in den vorgeschilderten Nachfolge­ Ravensburger Linie, ausgehend von Henggi Humpis, aus­ Damit sind die Wohnquartiere der einzelnen Humpislinien streitigkeiten seines Bruders Frick mit Jos IH. aus der Rat­ gestorben war, ging das Amt des 1. Regierers nun an eine im 15. und 16. Jahrhundert nun erstmals bekannt: Ratzen­ zenrieder Linie zu letzterem. Dies wirft natürlich die Frage weitere Nebenlinie innerhalb des Ravensburger Zweigs. rieder Linie: Marktstraße 57; Waltramser Linie: Markt­ auf, ob Frick 111. es angesichts des Bruderzwists vorgezo­ Konrad H. (1461-1527) schloß als letzter Regierer im Jahr straße 12; Kirchstraßenlinie: Kirchstraße 7/9, Markt­ gen hat, den Humpiskomplex Marktstraße 45/47 zu verlas­ 1525 für immer die Bücher der Gesellschaft. Er wohnte straße 51; Ravensburger Linie: Marktstraße 45, Markt­ sen, und in dem weitaus weniger repräsentativen Gebäude zusammen mit seinem Bruder Diepold, der 1515 im straße 21, Gespinstmarkt 1. Während sich die Ravensbur­ Marktstraße 21 Quartier zu beziehen. Dienst der Gesellschaft auf Mallorca verstorben war, im ger und die Ratzenrieder Linie das Amt des I. Regierers Folgt man den bauhistorisehen Erkenntnissen Uhls, so Haus Gespinstmarkt I. Mit dem Tod des Sohnes streitig machten, halten die übrigen Linien keinen Anteil wurde der vor 1380/83 bestehende Gesamtkomplex an der Konrad 11. starb die Ravensburger Linie, die der alten an diesem Posten. Alle Linien halten jedoch Vertreter im Marktstraße um 1400 geteilt. Die Datierung "um 1400" patrizischen Tradition treugeblieben war und nicht in Amt des Bürgermeisters und des Stadtammanns. Daß ein läßt sich vielleicht durch den Neubau des Rückgebäudes Herrschaften und Burgen investiert halte und damit auch Mitglied einer Linie in das Haus einer anderen Linie mit Marktstraße 45/1 auf das Jahr 1431 präzisieren. Dann wäre nicht in den adligen Stand gelangt war, 1541 aus. hineinzog, kommt so gut wie nicht vor. die Teilung des Komplexes Marktstraße 45/47, Humpis­ Neben den vorbesprochenen Linien Ratzenried und Die einzige Ausnahme finden wir in Benedikta Artzt, straße 1 und die Erbauung des wappengeschmückten Ravensburg sind noch zwei weitere Äste der Humpisge­ Patriziertochter aus . die als Witwe des Onofrius Erkers in der Tat den Söhnen des 1429 verstorbenen nealogie von Belang, die ihren Sitz ebenfalls in der Stadt Humpis zu den Waltramsern zog. Räumten Väter oder Henggi Humpis, nämlich Frick IIl. und Hans 11. zuzuwei­ halten. Kinder das angestammte Domizil zugunsten der anderen sen. Das ungeteilte, vor 1380/83 zusammenhängende Der sich aus der Ratzenrieder Linie abzweigende Wal­ Generation, so nahmen sie beliebige Häuser in der Areal mit den Steingebäuden auf den Parzellen Markt­ tramser Zweig, der aufgrund der schwarzen Hunde im Markt-, Kirch- oder Herrenstraße als Ausweichquartiere straße 45/47 und Humpisstraße 1 wäre dann in logischer Wappen auch "schwarze Linie" genannt wird, erlangte in Anspruch. Konsequenz die Stadtresidenz des mächtigen und ein­ mit dem Kauf der Herrschaften Pfaffenweiler, Siggen und flußreichen Henggi Humpis (1346-1429) gewesen. Brachenzell (1433-1477) ebenfalls den Reichsrilterstand. Stadtresidenz des Henggi Humpis? Um 1380 wird vermerkt, daß .,im Hause des Humpis" die Der bekannteste Vertreter dieser Linie ist Hai 11. Die meisten Quartiere sind in der Ravensburger Linie zu Hochzeit der Tochter Märk v. Schellenbergs mit Heinrich (1390-1465), der die vielzitierte Ravensburger Pfeffertag­ verzeichnen. Dabei wird erstmals klar, daß ausgerechnet Vogt zu Summerau gefeiert worden sei. Rein theoretisch stiftung dotierte. Er gelangte weniger mit dem klassischen die Vertreter der Ravensburger Linie, als direkte könnte es sich hier um den Komplex Henggis gehandelt Warenhandel der anderen Familienzweige zu Vermögen, Abkömmlinge des Henggi Humpis, kein "Stammquartier" haben, war er doch um diese Zeil "der Kopf" der Humpis­ sondern verdiente sich seinen unermeßlichen Reichtum besitzen. Jedenfalls spielt Marktstraße 45 bereits vor 1514 dynastie. Sein Vater Frick I. lebte zu diesem Zeitpunkt im Immobilienhandel. Neben Lütfried Muntprat galt Jas keine Rolle mehr - es steht leer. Die Regierer aus der nicht mehr. Wo sein Bruder !tal I. wohnte, ist quellen­ Humpis als der reichsIe Mann in Schwaben. Ihm gehörten Ravensburger Linie sitzen dagegen in den Häusern Markt­ mäßig ebenfalls nicht belegt. Als Wohnort käme für ihn in der Stadt die Hälfte der Mühle am Gänsbühl und ein straße 21 und Gespinstmarkt 1. Über den Vater des ledi­ jedoch der hochmittelalterliche Komplex Marktstraße 57, gen Altbürgermeisters Hans. Hans 11. (1412-1464), ist selt­ 59,61 in Frage, da Marktstraße 57 später als Stammsitz der Marktstraße 12 (ehemals Gasthof Dreikönig) war die Zentrale der Haus an der Stelle des heutigen Josefshauses. Er selbst Waltramser Linie. Der stattliche Gebäudekomplex umfaßt drei wohnte mit seinen Söhnen nachweislich seit 1435 im Haus samerweise kaum etwas bekannt, obwohl sein Bruder Ratzenrieder belegt ist und Marktstraße 59 bekannter­ Hausparzellen und verdeutlicht damit den Reichtum dieses Humpis­ Marktstraße 12 (ehemals Gasthaus Dreikönig). Die vierte Frick 111. sehr gut belegt ist. Nur eine einzige Angabe in maßen der Silz der Großen Ravensburger Handelsgesell­ Zweigs. und letzte Linie saß seit 1361 über vier Generationen hin- Schreyers Humpisgenealogie macht stutzig: Hans 11., der schaft war.

26 27 ______Ravensburger Kostbarkeiten _

StA "" Stadtammann Frlckl _. __._._._._._"_._._._._._ _ Heinrich Bgm == Bürgermeister 1304--1346 in pohte o = begraben StA, Landvogt 1332-1404 o = 1. Regierer I erster auf dem Gebäude = I nachgewiesener Bewohner Ravensburg und die Humpis - Zerstörung eines Mythos U!rlc~.1 1354-1410 Nicht erst seit der Entdeckung des sogenannten Humpis­ <»Anna Faber quartiers wird die spätmittelalterliche Geschichte der Kirchstraße Reichsstadt Ravensburg mit der Großen Ravensburger 1------, Handelsgesellschaft und den Humpis gleichgesetzt. Dieser Glorifizierung stand bis vor kurzem die bisher noch wenig Frick Hans 11 Hans 111 Michael 1380-1434 1412-1464 1436--1475 1410-1500 erforschte Familiengeschichte der Humpis gegenüber. Seit StA, nicht RHG D Ratlenried StA, Bgm der Veröffentlichung Aloys Schultes über die Große Immobilienhandel Ravensburger Handelsgesellschaft im Jahr 1923, dem noch I keine brauchbare Genealogie zur fehlerfreien Einordnung !ta.IU Ot;l~_UO (Onofrius) tta.ns} ledig Konrad I Hans IV ~~,i.~~ic~ der einzelnen Familienmitglieder in die Handelsgesell­ 1390-1465 1410-1482 1436-1496 1456-1514 t1477 1415-1488/91 schaft vorlag, beklagte auch noch Alfons Dreher in seinem Bgm, StA Born Bgm. StA Born I StA, Bgm Patriziat der Reichsstadt Ravensburg 1966 das Fehlen 1433519gen 1453/54 vererbt Markl­ 1436 PIaffenweiler Ratzenried straße 45 an I einer vollständigen Familienübersicht. Erst der Ravens­ 1477 Brochenzell die Neidegg I burger Genealoge Gerd Schreyer (t) hat diese Lücke mit (Sohn) P1effertagstiflung I einem 91 Blatt umfassenden Werk gefüllt, das es im Hin­ IMarklstraße 21 I I Marktstraße 451 I 1 Marktstraße 51 1 blick auf die Ravensburger Stadtgeschichte längst verdient I hätte, gedruckt zu werden. Dank seiner Arbeit war es hier ~.~~.I Hans IV Jos IV Frick IV Jos V (I

28 29 ______Ravensburger Kostbarkeiten _ ------Ravensburger Kostbarkeiten _

Das städtische Museum Vogthaus: Verwaltungsgebäude und Stapelplatz der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft? gönnte man sich auch im Alltag jeden erdenklichen Luxus. Im Jahr 1955 wurde das neue Heimat­ Das Bürgerforum Altstadt Ravensburg e.V. Damals schon fand Onofrius Humpis nichts dabei, sich museum der Stadt Ravensburg im Aufgaben und Ziele Käse aus Piacenza und westfälischen Schinken von der sogenannten "Vogthaus" eingerichtet. Frankfurter Messe kommen zu lassen. Der ledige Altbür• Das Bürgerforum Altstadt Ravensburg ist eine über• Seit nunmehr genau 45 Jahren wird in germeister Hans Humpis, letzter Besitzer des Gebäudes parteiliche Aktionsgemeinschaft von Ravensburger diesem historischen Gebäude in der Marktstraße 45, wurde von einer Magd, einer Untermagd, Bürgern, die verhindern wollen, daß durch Gleichgül• Ravensburger Unterstadt unverändert einem Knecht und einem Diener umsorgt. Natürlich spen­ tigkeit oder Unverstand das charakteristische Erschei­ Stadtgeschichte vermittelt. Generatio­ deten die Humpis und ihre patrizischen Standesgenossen nungsbild der Ravensburger Altstadt weiter beein­ nen von Schulklassen, Touristen und reicblich an alle Kirchen in der Stadt "zum Heil ihrer trächtigt und lebenswichtige Funktionen in ihrem Ravensburgern haben das aus dem Seele", aber wir suchen 400 Jahre später vergeblich nach Bereich gestört werden. 15. Jahrhundert stammende Fachwerk­ herrlichen Kirchenbauten, die adäquat den sagenhaften Das Bürgerforum will durch konstruktive Vorschläge haus mit seinen beiden spätgotischen Reichtum der Ravensburger Kaullierren widerspiegeln. und Initiativen dazu beitragen, die Lösung bestehender Räumen, die mit gewölbten Bohlen­ Der fast ein Jahrhundert andauernde Familienkrieg, ver­ Sanierungs- und Verkehrsprobleme zu erleichtern. balkendecken ausgestattet sind, bunden mit Parteigängern und Gegnern unter den übrigen Dies ist nur möglich durch einen ständigen Dialog mit besichtigt und schwärmen vom Flair Patrizierfamilien in der Stadt, scheint keinen Raum für Hausbesitzern, Stadtverwaltung und zuständigen staat­ des Hauses, sind beeindruckt von dem größere kulturelle Leistungen im 15. Jahrhundert gelassen lichen Stellen. ausgestellten Richtschwert oder hören zu haben. Während die Waltramser und Ratzemieder Durch gezielte Aktionen, öffentliche Stellungnahmen, staunend vom Wirken der Großen Linien seit Mitte des 15. Jahrhunderts in ihre Landgüter Informationsveranstaltungen und Diskussionen will Ihvensburger Handelsgesellschaft. investierten, konnte die in Ravensburg gebliebene Linie, das Bürgerforum Altstadt erreichen, daß das Bewußt• Uber die Geschichte oder gar die die 154J ausstarb, dem Urahn Henggi Humpis nichts sein für den Erhalt des typischen Stadtbildes geschärft historische Baustruktur des Gebäudes gleichwertiges mehr entgegenstellen. und das Verständnis für lebenserhaltende Funktionen selbst erfahren sie kaum etwas. Auch innerhalb der Altstadt verstärkt werden: Altstadtsanie­ der 1981 in der zweiten erweiterten Beate Falk rung heißt wohl auch Schaffung gesunder Lebensver­ Aunage erschienene Museumsführer hältnisse und Stärkung der Wohn- und Arbeitsfunktio­ weiß dazu nicht eben viel zu nen im Bereich der Innenstadt! bericbten.' Eine lebendige Altstadt bedeutet: ständiges Bemühen In der Fachliteratur erscheint das soge­ um Steigerung des Wohnwertes, Schaffung von Grün• nannte "Vogthaus" Charlotten- und Erholungsbereichen, Verkehrsberuhigung, Stär• straße 36 als ehemaliges Ackerbürger• Urkunden und Quellenwerk. Masch., Ravensburg. o. D. kung der Funktionen von Handel und Gewerbe. Pnege haus aus dem 15.1J 6. Jahrhundert.' Schulte, Aloys: Geschichte der Großen Ravcnsburger Handelsgesell­ von kulturellen Einrichtungen und Programmen, Stadt­ Sicher ist die Ravensburger Unterstadt schaft l380 bis 1530. Bd. t bis 3. Stutlgarl-Berlin, t923. bildpnege und qualifizierte Sanierungsarbeit. vom Mittelalter bis in das 19. Jahrhun­ Dreher, Alfons: Das Patriziat der Reichsstadt Ravcnsburg. Stultgart, dert hinein von Webern, Rebleuten 1966. Das Bürger[orum Altstadt will nicht nur kritisieren, es Uhl, Steran: Das Humpisquartier in Ravensburg und seine Gebäude. will bei der Suche nach neuen Wegen konstruktiv mit­ und Kleinhandwerkem besiedelt Zusammenfassung der bauhistorischen Untersuchungen und arbeiten. Es bedarf hierzu dringend der Unterstützung gewesen - im Gegensatz zur Ober­ stadt, die mit ihren stattlichen Wohn­ Bestandsaufnahmen. Masch., Warthausen. 1995. von Bürgern und Freunden unserer Ravensburger Alt­ Das Voglhaus um 1920. Steuerbücher 1473 bis 1512 im Stadtarchiv Ravensburg. häusern in der Markt-, Kirch- und stadt durch Mitgliedschaft und aktive Mitarbeit! A~ der Giebelseilcisl noch das alte EinfahnslOr, das in die Halle führt, erhallen. Schreyer. Gerd: Die Humpis-Genealogie. 1218 bis 1970. Herrenstraße die Wohnstatt der Groß- DIrekt unter dem Krüppelwalmdach befand sich ein Lastenaufzug. 30 31 ______Ravensburger Kostbarkeiten _ ------__ Ravensburger Kostbarkeiten _

kaufleute und damit der städtischen Oberschicht war. mit einem sogenannten Fensterband, d. h. einer dichten Die original erhaltene Stubenkam­ Das Unterstadthaus als Kleinhandwerkerhaus stellt daher Reihung mehrerer Fenster, wenn möglich über Eck, aus­ mer im VogLhaus mit Bohlenbalken­ einen ganz besonderen Bautypus dar: es ist sehr niedrig, gestattet. Im Vogthaus sind die Fenster jedoch später ver­ decke und Blockbohlenwänden. d. h. in der Regel einstockig und umfaßt eine Hausbreite größert und in ihrer Anordnung verändert worden. Die von nur drei Fensterachsen. Die Mehrzahl dieser unter dem Fensterband umlaufende Sitzbank, ein Tisch ursprünglichen Unterstadthäuser ist seit dem 19. Jahrhun­ und natürlich der Kachelofen machten die gesamte dert aufgestockt worden. Daher vermittelt uns die Unter­ Stubenausstattung aus. stadt heute ein ganz anderes Bild als im Mittelalter. Dane­ Trotz dieser kargen Möblierung wirkt ein mittelalterlicher ben gab es jedoch noch einen weiteren Bautyp, der sich in Raum jedoch niemals kahl- er lebt selbst aus seiner Pro­ den Häusern Untere-Breite-Straße 38 bis 40 exemplarisch portion und durch das Material. erhalten hat: es handelt sich um eine spätmittelalterliche Der Kachelofen (im Vogthaus nicht original erhalten) gab Reihenhauszeile, die mit zwei Wohngeschossen über dem der Stube (ital. stufa = Ofen) den Namen. Durch ihn war Erdgeschoß ausgestattet ist. Hier teilten sich zwei Familien seit etwa 1300 auch in den Bürgerhäusern das Heizen eine gemeinsame Werkstatt im Erdgeschoß.' ohne lästige Rauchentwicklung, wie sie bei offenem Feuer entstand, möglich geworden. Zwei gotische Stuben Aus der Zeit vor 1300 hat sich, vor allem im Voralpenge­ Das sogenannte "Vogthaus" fällt allein schon durch seine biet, die Weiterverwendung der gewölbten Bohlenbalken­ Größe aus dem üblichen Rahmen der Unterstadtbebau­ decke tradiert. Sie hatte in der sogenannten Rauchstube Der Vogt Peter Spät ung heraus. ursprünglich die Aufgabe, den Rauch, der sich unter der Der Schmalegger Vogt Peter Das Erdgeschoß ist hier nicht als niedrige Werkstatt, son­ mittels Wölbung erhöhten Decke sammelte, ohne weitere Spät, nach dem das Haus im dern als hohe Halle ausgebildet, die einst durch eine 1955 Belästigung der Stubenbewohner durch Lüftungslöcher Jahr 1503 erstmals "Vogtshaus" vermauerte Toreinfahrt erschlossen wurde. Derartige Hal­ abziehen zu lassen. genannt wird,5 wohnte nach­ len finden sich durchweg in den Patrizierhäusern der Die Küche, mit einer offenen Feuerstelle, muß man sich weislich schon vor 1473 als Mie­ Oberstadt. Sie waren nicht dem Arbeiten oder Wohnen im Flur bei der Treppe denken. Sie ist leider nicht mehr ter im Haus.' Als Eigentümer vorbehalten, sondern dienten als Verkehrsraum: die Pfer­ erhalten. kommt der Gerber Jos Stein­ defuhrwerke begaben sich durch die Halle in das Hinter­ Ein zweiter gewölbter Raum mit Blockbohlenwänden, wie hauser in Frage, der das Haus haus mit seinen Stallungen, und das Obergeschoß des sie auch die Stube zu bieten hat, befindet sich am anderen im Jahr 1486 an Peter Spät ver­ Hauses ist von der Halle aus durch eine Treppe erschlos­ Ende des Flurs. Dieser Raum war nicht beheizbar und kaufte.' Für Spät, der als städtischer Beamter seit ca. 1458 der Jodokskirche weiter, in deren Besitz es bis 1802 ver­ sen. Die Höhe und Größe der Halle, ihre Ausstattung mit diente vielleicht als Schlafraum oder Schreibstube. Alle das Amt eines Vogts der Herrschaft Schmalegg ausübte, blieb.' Es sollte damit für fast 300 Jahre den Kaplänen, die Gewölben, Pfeilern und Säulen spiegelt die soziale SteI­ übrigen Räume sind nicht original erhalten und durch Ein­ waren als Dienstwohnsitze die Burgen Schmalegg oder den Katharinenaltar in der Jodokskirche versahen, als lung seiner Bewohner wider; trotzdem war die Halle auch bauten aus anderen Häusern ergänzt. Die folgenden Zußdorf bestimmt. Als er das Haus in der Ravensburger Wohnhaus dienen. Abstell- und Vorratsraum für die Dinge des täglichen Stockwerke bis unter das Dach waren ursprünglich nicht Unterstadt kaufte, muß er etwa 60 Jahre alt gewesen sein Der zweite Name "Neidegg'sches Pfrundhaus" rührt von Bedarfs. ausgebaut' und stand ca. 40 Jahre in städtischen Diensten. Offensicht­ der Tatsache her, daß zu diesem Zeitpunkt der Alt-Bür• Der erste Stock war dem Wohnen vorbehalten. Das Kern­ Damit entspricht das Vogthaus dem Typus des Oberstadt­ lich stellte der Hauskauf eine Art Altersversorgung für ihn germeister Hans v. Neidegg Lehensherr, d. h. Sachwalter stück ist hier, wie in jedem mittelalterlichen Haus, die oder Patrizierhauses und ist am ehesten noch mit dem dar. Als Spät um 1504 mit etwa 85 Jahren starb,' veräußer• der Pfründe, war. Stube. Sie ist im Vogthaus noch original am süd-östlichen Fachwerkbau Humpisstraße 5 zu vergleichen, der Teil des ten seine Erben das "Vogthaus" an die Stadt. Bereits 1514 Soweit die Besitzgeschichte des Vogthauses vom Jahr 1473 Ende des Flurs erhalten. Als hellster Raum im Haus ist sie sogenannten "Humpisquartiers" ist. verkaufte die Stadt das Haus an die Katharinenpfründe bis zum Jahr 1802. 32 33 ______Ravensburger Kostbarkeiten ______Ravensburger Kostbarkeiten _

das später Vogthaus genannt werden wird, identifiziert, Damit verbunden war die Genehmigung, die Schussen bis ohne daß zunächst klar wird, was die Gesellschaft-mit in den Bodensee schiffbar machen zu dürfen. Mit einem einem Haus in der Unterstadt bezweckte. Hafen am See hätten die Handelswaren aus Italien und Burgund Ravensburg schneller und vor allem bequemer Das "Neue Tor" zum Welthandel auf dem Wasserweg erreichen können. Doch hier machte Betrachtet man das Quartier im Bereich Bruderhaus/ das Kloster Weißenau den hochfliegenden Plänen der Vogthaus/Salzstadel näher, so fällt auf, daß es kaum bzw. Ravensburger Handelsgesellschaft einen Strich durch die nur lückenhaft bebaut ist, während in der übrigen Unter­ Rechnung. 15 Jahre später, im Jahr 1415, erklärte ein Eintrag im Urbar der Heiligkreuzpflege 1435: Item Jos Huntpiß und stadt geschlossene Straßenfronten vorherrschen. Die königliches Schiedsgericht in Konstanz dieses Vorhaben die gesellschaft gend [geben] järlich von herr Kumbrechtz hus by Gründe hierfür können vielschichtig sein. Sie reichen von für nichtig. Ravensburg mußte die Schussenregulierung, dem Nuwen tor gelegen VIIn Schilling Pfennige. der These der Baulandreserve bis zur Darlegung Drehers, die mit dem Aufschütten von Dämmen und dem Setzen daß es sich hier um ein geschlossenes Privatareal der Fern­ von Faschinen in vollem Gange war, wieder zurückbauen. händlerfamilie Möttelin handle." Die Möttelin von Rap­ SchötUe und Schulte sehen in der Verlängerung des Jahr­ penstein gel ten als Gründer der Großen Ravensburger markts und der Schiffbarmachung der Schussen wohl mit Ein Haus der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Handelsgesellschaft," ihr Wappen, ein Rabe auf einem Recht Anzeichen dafür, daß die Große Ravensburger Im ältesten Zinsbuch der Sondersiechen zum Hl. Kreuz Dreiberg, ist 1979 neu am Haus der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft Ravensburg zu einem Messestandort aus dem Jahr 1435 findet sich folgender Eintrag: "Jos Handelsgesellschaft in der Marktstraße angebracht wor­ ausbauen wollte. 16 Dazu hätte man Stapelplätze für die ~. Humpis und die Gesellschaft gend [geben1jährlich von den. Da sie nie ein städtisches Amt in Ravensburg beklei­ Waren benötigt. Was lag näher, als unweit der Schussen Ansicht des Areals am Gemalten Turm im Jahr 1643. Herr Kumbrechtz hus by dem Nuwen tor gelegen 9 Schil­ deten, gerieten die Möttelin schnell in den Ruf, Sonder­ mit der Anlegestelle der Lastkähne einen sicheren Platz 13: der sogenannte Rappenstadel ling Pfennige."10 Die Lage von "Kumbrechtz Haus" läßt linge zu sein. So sollen sie sich hier in der Unterstadt abge­ innerhalb der Stadtmauer auszuweisen. Gleichzeitig wurde 14: Salzstadel, rechts das vermauerte ehemalige "Neue Tor" oder sich anhand der Nachbarn auf das Gebiet zwischen schottet und sogar ein eigenes Tor, das sogenannte "Möt• die Stadtbefestigung in diesem nordwestlichen Bereich der Möltelistor Gemaltem Turm und Charlottenstraße eingrenzen. Der telistor", benutzt haben, um die Stadt ungesehen verlassen Unterstadt erneuert. Sie fand ihren krönenden Abschluß 15: Vogthaus Zins von 9 Scliilling Pfennigen ist hier einmalig, d. h. alle zu können. mit der Erbauung des Gemalten Turms in den Jahren 1400 16: städt. Zeughaus (Waffenarsenal), heute Bruderhaus genannt anderen Häuser in diesem Gebiet haben andere Zinssätze Tatsächlich besaßen die Möttelin sehr wohl Häuser in der bis 1418." In diesem Zusammenhang ist gut vorstellbar, 17: Haus des hai Humpis, seit 1441 Bruderhaus (abgebrochen) zu entrichten. Bei den vorzitierten Verkäufen des Vogt­ Oberstadt, so an der Markt- und Herrenstraße-" Durch daß die überaus auffällige Bemalung des Turms Signalwir­ hauses in den Jahren 1486 und 1514 wird ausdrücklich auf Quellen ist jedoch belegt, daß 1473 Rudolf Möttelin und kung ausüben sollte: hier befindet sich der große Stapel­ dieselbe Zinslast von 9 Schilling Pfennigen an die Sonder­ 1482 bis 1512 Jacob Möttelin ein Haus mit Städeln, Stal­ platz der Messestadt Ravensburg! siechen zum Hl. Kreuz verwiesen. Damit ist das Vogthaus lungen und einem Baumgarten bei der Ringmauer am Damit ein direkter Zugang zu dem ausgewiesenen Quar­ Die Lagerhäuser der Gesellschaft identisch mit Kumbrechtz Haus bzw. dem Haus der Möttelistörli bewohnten. l4 Dieses Haus dürfte mit dem tier möglich war, wurde mit der Erneuerung der Stadt­ Allgemein wird in Zweifel gezogen, daß Ravensburg mit Großen Ravensburger Handelsgesellschaft. südlichen Teil des heutigen Salzstadels identisch sein 15 mauer an der heutigen Charlottenstraße beim Salzstadel den Gütern der Großen Handelsgesellschaft jemals groß Wer war Kumbrecht? Nach den Bürgerbüchern der Da das heutige Vogthaus nach den dargelegten Erkennt­ ein zusätzliches Stadttor errichtet. 1435, 1451, 1460 und in Berührung gekommen ist. Als Grund wird immer wie­ Reichsstadt Ravensburg kommt hier nur der Schuster nissen 1435 der Gesellschaft gehörte, bietet es sich an, das 1478 wird dieses Tor als "Neues Tor" bezeichnet." Seit der die mangelnde Lagerkapazität in der Zentrale Markt­ Conrad Kumbrecht in Frage, der im Zeitraum von 1339 bis besagte Gelände daraufhin nun doch etwas näher zu 1512 bürgerte sich der Name "Möttelistor" ein19 In der straße 59, dem sogenannten Handelshaus, angegeben." 1369 genannt wird. Von ihm also hat die Große Ravel1.s­ untersuchen. Verkaufsurkunde des Jacob Möttelin aus dem Jahr 1512 Von einem Lager in diesem Haus ist allerdings in den burger Handelsgesellschaft, längst vor 1435, das Handwer­ Im Jahr 1400 ließ sich die Reichsstadt durch ein Privileg kommt ganz klar zum Ausdruck, daß dieses Tor nicht zum Quellen nirgends die Rede. Vielmehr war Marktstraße 59 kerhaus gekauft und wahrscheinlich durch einen Neubau König Wenzels den jeweils am 15. Juni stattfindenden Besitzareal der Möttelin gehörte, sondern ein offizielles ein reiner Repräsentationsbau. Im Vorderhaus wohnten ersetzt. Damit wäre der Bauherr des patrizischen Hauses, Veitsjahrmarkt auf die Dauer von 14 Tagen verlängern. Stadttor war. 20 im 15./16. Jahrhundert einzelne Gesellschaftsmitglieder 34 35 ______Ravensburger Kostbarkeiten Ravensburger Kostbarkeiten _

Anmerkungen 8 Stadtarchiv Ravensburg Bü 47 S. 118 f. (Ankenreute, Hinderofen etc.). Das Hinterhaus am Gäns• neu geschaffenen Tor (Neues Tor bzw. Möttelistor), das im 9 Stadtarchiv Ravensburg U 1508. bühl, das gerne als Lagerhaus bezeichnet wird, hai durch 16. Jahrhundert mit dem Ende der Gesellschaft vermauert 1 Städtisches Museum im Vogthaus Ravensburg, Verkehrsamt der 10 Spitalarchiv Ravensburg Bd. 3 BI. 16. seinen Saal im 1. Obergeschoß ebenfalls repräsentativen wurde, und seine herrschaftliche Bauweise weisen es Stadt Ravcnsburg (Hrsg.), Ravensburg, 1981. 11 Dreher, Alfons: Geschichte der Reichsstadt Ravensburg, 2 Ossenberg, Horst: Das Bürgerhaus in Oberschwaben. Das Deut­ Charakter. Das 2. Obergeschoß kommt nicht in Betracht, ursprünglich als Verwaltungsbau der Gesellschaft aus. Wo Weißenhorn-Ravensburg, 1972, Bd. 2 S. 547. sche Bürgerhaus Bd. 28, Günther Binding (Hrsg.), Tübingen, da es ersl 1873 aufgesetzt wurden Ob die beiden gewölb• sich die zugehörigen Lagerhäuser anordnelen, kann even­ 12 Schulte, Aloys: Geschichte der Großen Ravensburger Handelsge­ ten Hallen im Erdgeschoß Lagerzwecken dienten, ist auf­ luell durch archäologische Grabungen ermittelt werden. 1979, S. 69. sellschaft 1380 bis 1530, StuttgarL-Berlin, 1923, I. Band S. 20-23. Ortskernatlas Baden-Württembcrg: Stadt Ravensburg (Heft 4.1). grund der Bemalung eines der Gewölbe mehr als fraglich. Vielleicht verbirgt sich eines dieser Lagerhäuser in dem 13 Stadtarchiv Ravensburg Bü 42 S.17; Hrsg.: Landesdenkmalamt Baden-Württcmberg u. Landesver­ Von der Forschung bisher nicht beachtet ist die Tatsache, 1812 abgebrochenen "Rappenstadel", der sich direkt hin­ Spitalarchiv Ravensburg Bd. 4 S. 49, 82. messungsamt Badcn-Württemberg, , 1988, S. 26/27. 14 Stadtarchiv Ravensburg Bü 42 S. 155; Bü 43 S. 154; Bü 44 S. 138; daß die Gesellschaft 1514 an der Stelle des heutigen Gast­ ter dem Vogthaus erstreckte. 3 Bericht des Ingenieurbüros für Hausforschung Burghard Loh­ Bü 45 S. 130; Bü 46 S. 128; Bü 47 S. 139. hauses "Wienerwald", vormals Schwarzer Adler, Ecke Der ganze Komplex am Gemalten Turm scheint jedoch rumJHans-Jürgen Bleyer, Ettcnheimmünstcr/Metzingcn, vom 15 Stadtarchiv Ravensburg U 2778. Marienplatz/Burgstraße, einen Stadel besaß.23 Zum Rech­ nach dem Scheitern des Messeprojekts oder spätestens um April 1994 im Stadtarchiv Ravensburg. 16 Schöttle, Gustav: Ravensburgs Handel lind Verkehr im Mittelal­ nungsessen der Gesellschaft wurden im Jahr 1477 "Safran, die Mitte des 15. Jahrhunderts, als die Gesellschafl ihren 4 Literaturauswahl zum Thema Hausbau/Wohnen: ter, , 1909, S. 10/11. Schulte I S. 14. Zucker und Öl aus dem Lager der Gesellschaft" geholt. 24 Höhepunkt längst überschritten hatte, aufgegeben worden Ossenbcrg wie Anm. 2. 17 Brand, Hans Gerhard: Der gemalte Turm in Ravensburg. Bericht Damit ist sicher nicht Marktstraße 59 gemeint. zu sein. Als Besitznachfolger treten die Möttelin von Rap­ Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch - Die Stadt um 1300. Aus­ über eine Restaurierung. In Zeitschrift für Kunsttechnologie und stellungskatalog. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg u. Daß Lagerhäuser notwendig waren, liegt auf der Hand. penstein (daher Rappenstadel) und der Gerber Jos Stein­ Konservierung, Worms, 111987. Stadt Zürich (Hrsg.). Stuttgart, 1992. Wo sonst lagerte die Gesellschaft die für Italien und Spa­ hauser auf. Ein weilerer Teil des Areals wurde 1441 von Dendrochronologische Datierung von Stadtmauer und Gemal­ Ewald, Rainer/Köhle~Hetzinger,Christel/Könekamp, Jörg nien bestimmte oberschwäbische Leinwand? Wurden die der Gesellschaft einer Stiflung zugeführt: das dem Gesell­ tem Turm. Bericht des Ingenieurbüros für Hausforschung Burg­ (Hrsg.): Stadthaus - ArchiteklUr und Alltag in Esslingen seit dem italienischen Damaste und Seiden, die Mailänder Harni­ schaftsteilhaber Ylal Humpis dem Jüngeren gehörende hard Lohrum/Hans-Jürgen Bleyer, Ettenheimmünster/Metzin+ 14. Jahrhundert: Hafenmarkt 8 und 10, Weißenhorn, 1991. sche und Waffen, der Safran, Zucker, die Korallen und stattliche Gebäude nördlich des Vogthauses wurde als Terlinden, Ulla: Gebrauchswirtschaft und Raumstruktur. Ein gen, vom Juli 1985 im Stadtarchiv Ravcnsburg. Gewürze, die alle auf den innerdeutschen Messeplätzen in "Bruderhaus" zum Altersheim für alleinstehende, ver­ 18 Spitalarchiv Ravcnsburg Bd. 3 BI. 16: Bü 8,2,k; Bd. 4 S. 82. feministischer Ansatz in der soziologischen Stadtforschung, Stutt­ Frankfurt/Main, Nördlingen und Nürnberg weiterverkauft armte Männer bestiml11tY Stadtarchiv Ravensburg U 886. gart, 1990. wurden, an Ravensburg vorbei, ohne Zwischenlager, nach Braudei, Fernand: Sozialgeschichte des 15. bis 18. Jahrhunderts­ 19 Stadtarehiv Ravensburg U 2778; Bü 1475 a S. 281. 20 Stadtarchiv Ravensburg U 2778. Norden transferiert? Beate Falk Der Alltag, München, 1985. Außer dem urkundlich genannten Lager am Viehmarkt ist Griep, Hans~Günther: Kleine Kunstgeschichte des deutschen 21 Dreher S. 155,585. Schulte I S. 48. Schältle S. 43. 22 Falk, Beate: Spurensuche am Gänsbühl- zur vergessenen ein weiteres Gebäude, das heute fälschlicherweise als Bürgerhauses, Darmstadt, 1985. Hausgesehichten. Bauen und Wohnen im alten Hall und seine Geschichte eines Ravensburger Stadtviertels. Ravensburger "Zehntscheuer" bezeichnet wird,25 für eine private Nut­ Katharinenvorstadt. Kataloge des Hällisch~FränkischenMuseums Stadtgeschichte 23, Ulmcr Volksbank Ravensburg (Hrsg.), 1994, zung durch Ravensburger Kaufleute prädestiniert. 1378 Schwäbisch Hall, Band 8. Hrsg.: Albrecht Bedal und Isabella S.6. erbaut,26 veranschaulicht dieses Gebäude in der Grünen• Unterstützen Sie unsere Arbeit! Fehle, , 1994. 23 Stadtarchiv Ravensburg U 576. Turm-Straße, das nie im Besitz einer kirchlichen Institu­ 5 Stadtarchiv Ravensburg Bö 46 S. 120. 24 Schulte I S. 484. tion oder gar der Hl.-Kreuz-Stiftung war, wie man sich sol­ 6 Stadtarchiv Ravensburg Bö 42 S. 155. 25 Ravensburg - Ein historischer Führer, Kultur- und Verkehrsamt che millelalterliche Lagerhäuser vorzustellen hat. Aus ver­ Werden Sie Mitglied im Bürgerforum Altstadt 7 Hengstlcr, Albert: Börgerlisten der Reichsstadt Ravensburg von der Stadt Ravensburg (Hrsg.), Ravensburg, 1986, S. 61 f. kehrstechnischen Gründen zog man offensichilich eine Ravensburg und werben Sie bitte für uns. 1436 bis 1549, Masch., 1966. 26 Lohrum/Bleyer, Dendrodatierung vom 2. April 1984 im Stadt­ randständige Lage an der Stadtmauer vor, die zudem nicht Dort Jos Stainhuser der Gärwer 1442,4 Bürger und bis 1471 archiv Ravensburg. Bürgerforum Altstadt Ravensburg 1 weit von einem Tor entfernt lag. 27 Spitalarchiv Ravensburg Bü 6,2,h • Schulte I S. 22. Bürge. Um wieder auf das Vogthaus zurückzukommen, das im Postfach 1221 Stadtarchiv Ravensburg Bü 43 S. 74: Jos Steinhauser 1482 nicht Dieses Bruderhaus wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts abge­ 88182 Ravensburg brochen und der Name auf das Gebäude des ehemaligen Kreis­ Jahr 1435 im Besitz der Großen Ravensburger Handelsge­ mehr in Ravensburg. Vgl. hierzu U 648. sellschaft war; Die ebenfalls randständige Lage an einem Stadtarchiv Ravensburg U 662. zuchthauses transferiert, das bis heute Bruderhaus heißt. 36 37 Ravensburger Kostbarkeiten _ Ravensburger Kostbarkeiten _

Die Krippe in der Ravensburger St.-Jodoks-Kirche

Schon im 15. Jahrhundert wurde es Sitte, in den Kirchen Für die Jodokskrippe hat er etwa 50 f

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Gereimte Ungereimtheiten

4. Und die Verordnung zum Schutz für den Baum, ~. 1. Erst jüngst hab' ich 'nen Spaziergang gemacht, II. Das Bechterhaus in der Rosenstraße '0' Durch's Städtchen so schön, eine wahre Pracht! Wo ist sie? Sie gibt's nicht, ich glaube es kaum! 8. Denkmalgeschützt verfällt ein Haus * Verkommt in immer größerem Maße, Ich schaute mich um, viel ist gcscheh'n, Ist dies nicht eine echte Schande?! In der Banneggstraße - welch ein Graus! Vielleicht sollte die Stadt es jetzt einmal wagen, Vor manchem Haus blieb bewundernd ich steh'n. So schafft sie, zum Baum knüpfet endlich die Bande. Leicht ausgebrannt und schlecht behandelt, pen Besitzer gerichtlich zu verklagen, Wann wird hier denn mal gehandelt? Offentlieh gegen die Druck zu machen. 2. Meine Schritte führten zum Josefshaus. 5. Stark strapaziert der Museumsverein, Ist Denkmalschutz hier gar nichts wert? Die sich still ins Geldfäustchen lachen. Gähnende Leere, kein Mensch kam heraus­ Fürs Humpisquartier kämpft er fast allein. Wird Denkmalschutz hier nicht entehrt? Was hat die Stadt hier wohl geplant? Ich habe bier fast den bösen Verdacht: 12. Stellplatzablösung - ein schwieriges Wort, Bisher ist mir absolut nichts bekannt. Die Stadt bat ihre Aufgaben nicht gut gemacht. 9. Wieder am Gespinnstmarkt angekommen, * Die soll, wie man hört, auch in Ravensburg fort. Für Menschen ein Platz, so möcbt' ich mahnen, Wann tut sieb dort was? Wie geht es weiter? Schau' ich zu ..Quelle", frag mich beklommen: Disaster. ganz furchtbar, nicht auszudenken! Die Stadt sollte in diese Richtung planen. Bleibt die Stadt denn nur ein Begleiter? Wie konnte man vormals den Fehler begehen, Wird die Stadt wohl gegenlenken? Wie schön, wenn die Stadt in Erscheinung träte Das Zunfthaus der Schneider nicht ZU sehen? Als familienfreundliche Stadt zum Wohnen 3. Daneben, noch in der Roßbachstraße, und hier mehr als verbal etwas täte! Wie kannl' man das Haus nur so verschandeln?! Muß uns die Stadt vor /loch mehr Kneipen verschonen. Träume ich von einer grünen Oase. Zieht ..Quelle" mal aus, muß man's altstädtisch Die Auswirkung wäre katastrophal, Bei .. Möbel Lenz" eine grau-triste Wand - 6. Vom Mehlsack. fast magisch angezogen, * behandeln! Für die Bewohner der Altstadt 'ne ganz schlechte Begrünt sie! Belebt sie! Und sei's nur am Rand! Lenkt mich mein Schritt ganz weit nach oben, So bleibt für mich wieder die Frage offen: Wahl! Die Stadt braucht mehr Grün, Grün, um zu leben, Wo er so weiß, so kräftig strahlt - Darf man denn bald auf Besseres hoffen? Mit noch mehr Grün liegt Ravensburg nicht daneben! Historisches leider ganz zugemalt. 13. Zum Schluß Ihr Mitglieder im hohen Rat, Ich seh' vor mir noch das hohe G'rüst. JO. Überall sieht man Fahrräder steh'n, Ich weiß, Sie versteh'n, worum ich bat. Unter Zeitdruck hat man hier etwas vermisst: An Häuser gelehnt - könnte das anders geh'n? Beredet und dann bedenket wohl, Beim großen Nachbarn, dem Obertor, Mehr Fahrradständer mit netten Ideen Wie man die Probleme behandeln soll. Sticht der Wehrgang sehr schön hervor! Und schon würden mehr Räder in Ständern stehen! Ich versteh' mich als Mahner, verweise auf Sachen, manches kann man noch besser machen, / 7. Von der Veitsburg ganz weit oben, Zum Wohl für uns alle, für unsere Stadt, Möchte ich die Stadt auch loben. Vom Bürgerforum ein guter Rat. Vieles ist sehr gut saniert, Und durchdacht auch konzipiert. Johann Stroh Die Altstadt schön ist Kapital, Man weiß es ja im Ratherrnsaal. Gut saniert, es lohnt für alle! Doch schonet uns vor Betons Kralle, Gässele heißt Altstadtleben! Es zu verbessern, sei das Bestreben. Kohl- und Bach- und Weinbergstraße sind bald in der Sanierungsphase. Kapitalinteresse nicht allein * Abbildungen und Kommentare finden Sie in der Darf dort der Herr der Dinge sein. Fortsetzung des Stadtrundgangs. 40 41 ______Stadtrundgang 1995 ------______Stadtrundgang 1995 _

Sorgenkinder des Bürgerforums Altstadt Ravensburg

Die in der letzten Ausgabe Altstadt-Aspekte '93 vorgestell­ Das bedrohte Kulturdenkmal Banneggstraße 8 beschäftigt Auf Erscheinungsbild und "Innenleben" des ehemaligen ten Sorgenkinder (Seiten 30 bis 32) sind samt und sonders Bauverwaltung. Denkmalbehörde und Bürgerforum seit Hotels "Lamm" am Marienplatz können wir nur gespannt noch nicht "überm Berg": über zwei Jahren. Der Hausbesitzer arbeitet offensichtlich sein. Die Bautäligkeitläuft auf Hochtouren... wie bisher auf den Erhalt einer Abbruchgenehmigung hin. Der Ravensburger Hauptfriedhof beschäftigt uns ebenfalls Dieses unverantwortliche, ein Kulturdenkmal verachtende noch. wie ein ausführlicher Beitrag in diesem Heft zeigt. Verhalten des Eigentümers wird nicht nur vom Bürgerfo• Neue Sorgenkinder sind hinzugekommen: rum aufs schärfste verurteilt. Wir wissen allerdings, daß Zu unserem Entsetzen entdeckten wir beim Stadtrund­ angesehene und tüchtige Ravensburger, die dem Hausbe­ gang, daß am Haus Herrenstraße 34 die barocken Fenster­ sitzer nahestehen, mit uns um den Erhalt flngen, und Wlf gitter aus dem 17. Jahrhundert fehlen; an einem Fenster hoffen sehr, daß das Bemühen von dieser Seite bald Erfolg hängt noch ein kleines Element des überaus wertvollen haben wird. Gitters, - Wir haben umgehend den zuständigen Klein­ denkmalpfleger verständigt.

Dem früheren Zunfthaus der Schneider, Gespinnst- markt 11, steht offenbar ein "Nulzerwechsel" bevor. Eine gründliche Sanierung mit entsprechenden Korrekturen im Erdgeschoß erscheint dringend erforderlich. - Im Hinblick Der Zustand der ehemaligen Brauerei Bechter, Rosen­ auf seine Geschichte muß dieses Haus jedoch vor einer straße 20 und 22, hat sich in keiner Weise verbessert. In Sanierung fachmännisch-qualifiziert untersucht werden. "Gereimte Ungereimtheiten" unseres aktuellen Heftes Zum abbruchgeflihrdeten Haus Römerstraße Nr. 4 erfah­ wird auf dieses Sorgenkind näher eingegangen. ren Sie mehr im anschließenden Kapitel. 42 43 ______Bürgerforum aktuell _ ------Bürgerforum aktuell _

Kann das Gebäude Römerstraße Nr. 4 erhalten werden? Einziger Prototyp der ersten Seestraßenbebauung im spätklassizistischen Stil

Als das Kästlinstor im Jahr 1842 abgebrochen war, betrieb straße 5 (Franziskushaus) und Seestraße 2 als das renom­ Stadtschultheiß v. Zwerger energisch die Anlegung einer mierte Hotel Kaiserhof (später Schweizerhof): 1847/48 neuen Vorstadt, deren Häuser nach den neuesten baupoli­ wurde auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Ober­ zeilichen und gesundheitsfördernden Vorschriften der Zeit amt erstellt. In den 1850er und 1860er Jahren kamen noch ein modernes Aushängeschild der Stadt sein sollten. Jahr­ einmal 8 neue Gebäude dazu, so daß sich bis 1870 schließ• hundertelang hatte man hinter hohen Stadtmauern in lich 14 Wohnhäuser in der Seevorstadt erhoben, deren schmalen, allzuort schmutzigen Gassen gelebt - auf eng­ Erbauer durchweg dem Handwerkerstand angehörten. stem Raum - und war daher vom Sonnenlicht wenig ver­ Der einzige Gewerbebetrieb war und blieb die 1868 wöhnt. Die neue Seevorstadt hingegen sollte an einer brei­ errichtete Pinselfabrik Roth und Sterke/. Noch lag die ten, geraden Chaussee liegen, die Häuser mußten alle neue Vorstadt inmitten eines ausgedehnten Rebgebiets, rechtwinklig zur Baulinie erstellt werden und durften nur das sich zwischen Federburgstraße und Olgastraße zweistöckig sein. Massiv gemauerte Außenwände waren erstreckte und "Im Zogenfeld" genannt wurde. aus Feuerschutzgründen vorgeschrieben. Mit einer Stock­ In einer zweiten Bebauungsphase, die in den Jahren 1870 werkshöhe von 2,86 Meter, gegipsten Decken und minde­ bis 1910 erfolgte, errichtete eine wohlhabende Schicht von stens 1,43 Meter hohen Fenstern meinte man der Gesund­ Fabrikanten, Kaufleuten und höheren Beamten gründer• heit seiner zukünftigen Bewohner einen guten Dienst zeitliehe Villen im Stile des Historismus wie die Villa erweisen zu können, denn gerade in den dunklen, niedri­ KepplerlPomer, Seestraße 32, die Villa Mehr/Sauer, See­ gen Stuben der Altstadthäuser sah man die Ursache viel­ straße 33. oder die Villa Sterkel, Seestraße 28. Sie alle ste­ fältiger Krankheiten. hen unter Denkmalschutz. Als sich im Jahr 1843 einige Bauinteressenten gemeldet Die kleinen, einst genormten. spätklassizistischen Hand­ hatten, war noch ein großes Problem zu lösen: Die einzige werkerhäuser der Anfangsjahre sind jedoch im Straßen• Fahrstraße und gleichzeitige Staatsstraße nach , bild nicht mehr präsent. Sie sind alle inzwischen aufge­ die sich auf krummen Wegen Richtung Bodensee schlän• stockt worden oder bis zur Unkenntlichkeit verbaut. gelte, war die heutige Römerstraße. Undenkbar, in Allein das von dem Seilermeister Johann Georg Bucher v. Zwergers Augen, an ihr die neue Mustersiedlung zu 1879 erbaute Haus Römerstraße Nr. 4 ist uns als unver­ errichten. In zähem Kampf mit den bürgerlichen Kolle­ fälschter Prototyp dieser frühen Seestraßenbebauung der gien, die meinten, hier Kosten sparen zu müssen, setzte er 1840er Jahre erhalten geblieben. Die wOhIproportionier­ sich schließlich mit der Unterstützung des Oberamts ten Maße und die klassische Einfachheit des Baus strahlen durch. eine biedermeierliche Idylle aus, die neben der massiven, Im Jahr 1844 wurde die heutige Seestraße östlich der alten großflächigen Neubebauung des Gebiets Römer-, Rudolf­ Römerstraße trassiert. Der Taglöhner Josef Dorn war der und Weinbergstraße durch die Stiftung Liebenau wohltu­ erste, der in seinem Rebgarten 1843/44 ein Wohnhaus end wirkt, nachdem hier leider keine kleinteilige Bebau­ (heute Römerstraße 6) erstellte, wohl in der irrigen ung verwirklicht werden konnte. Es wäre sicher im Inter­ Annahme, die Römerstraße würde Staatsstraße bleiben. esse der Stadtgeschichte, wenn das Gebäude Römer• Es folgten kurz darauf weitere eubauten: 1844 See­ straße 4 erhalten bleiben könnte. straße 18 (1932 abgebrochen, heute Grundstück Augen­ arzt Dr. Paul), 1845 Seestraße 3 (Grasselli), 1846 See- Dr. Dietmar Hawran. Michael Bauhofer

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Fotografiert und kommentiert

Marktstraße 29 H' Die Fassade aus der lahrhundcrtwcnde wurde wieder sehr schön hcr~ -r:" ," gerichtet, wobei sorgfältig auf aHc Details geachtet wurde: Zahnlei­ " " sie unterhalb des Daches, Schabracken an den Fenstern. Haustüre. Schaufcnstcranlage. -

Marktstraße 31 und 33 ~1iI Nachdem längere Zeit ein schlechter baulicher Zustand beklagt wer­ den mußte. wurden diese beiden Handwerkerhäuser aus dem 15. Jahrhundert nun in erfreulicher Weise saniert =­ Interessant ist die gemeinsame Erschließung beider Gebäude. Neben .- geschäftlicher Nutzung im Erdgeschoß findet in beiden Häusern Wohnen stall, wie in vielen Häusern der Marktstraße. Dies wollen wir ausdrücklich positiv hervorheben. - Daß die Dachgauben durch gleiche Farbigkeit optisch .,zusammengezogen'· wurden. ist etwas problematisch: dic Holzgewände der Fenster hätten farblieh noch etwas abgestuft werden können. Das neue. modern gestaltete Winshausschild hebt sich wohltuend ab von den .,Serien-WirlShausschildern·', die in nicht zu geringer Zahl das Stadtbild keinesfalls bereichern.

Marktstraße 35..,Salzstadel", Rückseite Aus einer baulich unbefriedigenden Situation haben sich um einen jetzt sehr hübschen Innenhof geordnete, gestalterisch ansprechende Strukturen ergeben. was nicht einfach gewesen sein dürfte und sicherlich nur mit viel gutem Willen möglich war.

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Mehlsack Die Bürgerinitiative Meltlsack erbrachte die spektakulärste Renovie­ rung in diesem Jahr. Das Ravensburger Wahr.lcichen erstrahlt in schönstem Weiß. Das Bürgerforum Altstadt würdigt ausdrücklich das Engagement der genannten Initiative. Daß die Lage der acht Wappen unterhalb des Zinnenkranzes nicht wenigstens durch geringes Abdunkeln angedeutet wurde. ist schade. Der .,Wehrgangansatz·· am Mehlsack mit dem ursprünglichen Zugang in luftiger Höhe ist jetzt leider nicht mehr zu erkennen. (Der heutige Mehlsackeingang wurde erst 1859 geschaffen.) Das Gegen­ stück 3m übertaT wurde bei der letzten Renovierung deutlich sicht­ bar belassen. - Verschwunden ist nun auch die ..Naht". die an die abgebrochene Kapelle St. Michael erinnerte. - Begrüßen würden wir sehr, wenn die vor der Renovierung dort beheimateten Turmfalken und Dohlen wieder Wohn- und Nistmöglichkeiten bekommen wür• den: im Moment sind sämtliche Luken vergittert.

•• Marienplatz 41, Oberschwäbische Verlagsanstalt, "Schwäbische Zeitung" In allen drei. seit 1989 erschienenen Heften A/rsradf-Aspekre hat sich das BOrgerforum Altstadt Ravensburg e.v. mit diesem Haus befaßt. Seit fast einem Jahr ist mit der Fertigstellung des Nachfolgebaues ein Schlußstrich gezogen unter ein jahrelanges Ringen um eine angemes­ sene Lösung im Zentrum der historischen Altstadt. Im vorliegenden Heft ist dem Gebäude und seiner Geschichte ein gesonderter Artikel gewidmet. Das Bürgerforum anerkennt die intensiven Bemühungen der Bau­ herrschaft, ein Stück Städtcbaugeschichte am Marienplatz zu zeigen. BOrger und Besucher genießen in gleicher Weise den Blick auf die alt-neue ,.Schwäbische",

Gespinnstmarkt 13 und 15 Beide Häuser wurden überzeugend saniert: Bis in kleinste Details wurde einfühlsam und gekonnt gestaltet und gearbeitet. - Erfreulich ist auch die Tatsache. daß hier, mitten in der Altstadt. interessant und angenehm gewohnt werden kann.

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GrÜner-Turm·Straße 21 und 23 Die beiden kleinen. für die Unterstadt typischen Häuser wurden ins­ gesamt stimmig saniert. die Proportionen stimmen. und wir müssen ausdrücklich darauf hinweisen. wie stadtbildprägend gerade diese Bauformen in ihrer einmaligen handwerklichen Gest~lltung sind.­ Offensichl.lich findet l~ier nur Wohnnutzung statt: auf dieses wichtige Element ell1er lebendigen Altstadt möchten wir auch hier ausdrück• lich hinweisen.

Holzmarkt. Apotheke Vetter, [rüher .. Untere Mang" Gartenstraße 4 (Frauentorplatz), frühere ..Sauer-Bank" In den dreißiger Jahren war dieses Gebäude verwahrlost. Nach ver· Am Beispiel dieses sehr sorgfältig restaurierten Bürgerhauses am schiedenen baulichen Maßnahmen zeigt es sich insbesondere seit der Frauentorplatz soll ein wichtiges Anliegen des Bürgerforums Altstadt letzten Renovierung gepflegt, verziert. repräsentativ: Ocr Besitzer vorgetragen werden: Um den ganzen Altstadtbereich gibt es eine Dank allen. die Beiträge geschrieben und Fotos zur hat sogar nach einem Ölbild von 1816 Wasserspeier rekonslruieren große Zahl von Gründerzcit- und Jugendstilvillen bzw. -häusern. Die Verfügung gestellt haben! Stellvertretend für das ~--_. lassen. (Mit Wasserspeiern waren früher öffenlliche und repräsenta• wenigsten stehen bisher unter Denkmalschulz. und es gibt immer ganze Team sollen genannt werden: Beate Falk, Stadt­ Rosenstraße 29 tive Gebäude ausgestattet. wobei neben der Zweckmäßigkeit auch wieder Probleme mit der Erhaltung dieser. unser Stadtbild prägenden archiv, und Thomas Weiss. Foto-Designer. I?ieses ebe~falls typische Unterstadthaus wurde stimmig und rück• Prestigegründe eine Rolle spielten. wie wir im Stadtarchiv erfahren Gebäude (aktuell z. B. wieder in der Federburgstraße). - Das Bürger• Altstadt-Aspekte '95 ist das Ergebnis guter, engagier­ Sichtsvoll Wieder hergerichtet. - Auch hier möchte das Bürgerforum konnten.) forum Altstadt vertrilt den Standpunkt. daß für diese Bereiche Forl­ Altstadt das Vorgehen der Hausbesitzer als vorbildlich herausstellen Störend wirken allerdings Aufzugsturm und die von der Stadt am schreibungen der Denkmalliste und die Ausweitung der Erhaltungs­ ter Zusammenarbeit von Museumsgesellsehaft und auch im Hinblick darauf, daß hier Wohnen stattfindet und damit ' Haus angebrachten Lampen. - Für viele auswärtige Besucher ist die satzung dringend erforderlich sind. - Wir bitten Verwaltung und Bürgerforum Altstadt Ravensburg. ebenfalls ein Beitrag geleistet wird für eine lebendig funktionierende "Untere Mang" offensichtlich ein beliebtes FOlOmotiv. Gemeinderat. möglichst bald in dieser Sache aktiv zu werden. Altstadt. 50 51 MUSEUMS GESEU.sClMfT "~ z '"~ '"c [ii [ii 1\ BÜRGERFORUM ALTSTADT ti'rf '\ji:i 'rf .<'" RAVENSBURG ~ ~

Vorstand und Beirat Bürgerrorum Altstadt Vorstand und Kuratorium Museumsgesellschart Ravensburg e.V. (Wahl 1994) Ravensburg e.V. (Wahl 1994)

Vorstand: Maria Ballarin, Maria Ballarin stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes Michael Bauhofer Michael Horn, Schatzmeister Dr. Dietmar Hawran Franz Janausch, Peter Kessler Vorsitzender des Vorstandes Barbara Leinmüller Christof Wild, besondere Aufgaben und juristischer Ratgeber Beirat: Erentraud Wild. Schriftführerin Hubert Bruder Hermann Grawe Kuratorium: Carla Kirves Helmut Binder Dr. Ludwig Munzinger Wolfgang Längst Hildegard Diederich Evelyn Pfleghar Reinhold Leinmüller Karl-Otto Gieseke Joachim Scheible Alfred Lutz Dorothee HeB-Maier Berthilde Scherer Alfred Stöhr Susanne Klink August Schuler Johann Stroh Reinhold Leinmüller Udo Vetter Tllomas Weiss Alfred Lutz Dr. Dieter Wolfram 52