Kultur

FILM Drei Tussis auf Raumpatrouille Mit der gigantisch erfolgreichen Westernkomödie „Der Schuh des Manitu“ hat Michael „Bully“ Herbig das beim Publikum beliebte deutsche Spaßkino revolutioniert. Nun will er mit der Science-Fiction-Parodie „(T)raumschiff Surprise“ den Kinosommer retten.

er Mann hat eine Mission – und von selbst) und Bordingenieur Schrotty (Rick „Eine Mädchen-WG schlittert in ein der lässt er sich auch durch widrigs- Kavanian) ihre Tanznummer für die „Miss- Abenteuer hinein“, so beschreibt Michael Dte Umstände nicht abbringen: Mag Waikiki-Wahl“ proben, denn sie wollen „Bully“ Herbig, 36, die Story seines neu- der deutsche Humor seit vielen, vielen den Wettbewerb unbedingt gewinnen. en Films „(T)raumschiff Surprise“, der Jahren auf dem Weltmarkt so beliebt sein Da wird das Raumschiff „Surprise“, das nächste Woche im Kino anläuft – in einem wie britisches Essen, sein Traum sei es, sagt am äußersten Ende der Galaxie herum- Massenstart mit rund 900 Kopien. Michael „Bully“ Herbig, „eines Tages den dümpelt und schon seit Jahren abgeschrie- Die Erwartungen an die „Raumschiff Regie-Oscar zu gewinnen“. ben schien, plötzlich von einem Notruf Enterprise“-Parodie sind hoch: Mit 11,7 Herbig zeigt sein sonnigstes, harm- erreicht: Aus dem Fax rattert der Befehl, Millionen Zuschauern wurde Herbigs Win- losestes Gesicht, wenn er solche Sätze aus- auf der Stelle zur Erde zurückzukom- netou-Komödie „Der Schuh des Manitu“ spricht. Man merkt ihm die Gelassenheit men. Denn „der Mars macht mobil“ – die vor drei Jahren zum erfolgreichsten deut- eines Menschen an, der es zu Geld und Bewohner des Roten Planeten, deren Vor- schen Nachkriegsfilm. Um Enttäuschungen Ruhm gebracht hat – und sich alle Mühe fahren einst von der Erde dorthin emi- vorzubeugen, vielleicht auch der eigenen, gibt zu zeigen, dass er trotzdem der grierten, wollen sich den Blauen Plane- gibt sich der Autor, Regisseur, Hauptdar- liebenswerte, knuffige und blitzgescheite ten im Jahre 2304 wieder untertan ma- steller und Produzent Herbig fürs Erste be- Junge von nebenan geblieben ist. chen. Natürlich haben Mr. Spuck, Käpt’n scheiden: „Alles, was über eine Million Zu- Die drei Männer, die dem Glückskind Kork und Schrotty nicht die geringste Lust, schauer ins Kino zieht, ist in Deutschland Herbig nun zu noch mehr Ruhm und Geld der Anweisung zu folgen – aber, nun ja, ein Erfolg.“ verhelfen sollen, haben für derlei Nettig- Befehl ist Befehl. Und so machen sich Herbigs -Brüller war es zu ver- keiten keine Zeit. Dringend müssen die die schwuchteligsten Astronauten des danken, dass der Anteil des deutschen tuntigen Herren Käpt’n Kork (Christian Weltalls, sehr maulig, auf den Weg zurück Films am Kinoumsatz 2001 auf 18,4 Prozent Tramitz), Mr. Spuck (gespielt von Herbig zur Erde. stieg, einen seit etlichen Jahren nicht mehr HERBX FILM / HERBX FILM / CONSTANTIN „(T)raumschiff Surprise“-Stars Herbig, Tramitz, Kavanian: Maulig auf dem Weg zur Erde Herbig-Vorbild „Raumschiff Enterprise“

122 der spiegel 29/2004 FOTOS: HERBX FILM / CONSTANTIN FILM HERBX FILM / CONSTANTIN FOTOS: Digitaleffekt aus „(T)raumschiff Surprise“: Viel Geld im Spiel Star Til Schweiger: Im Taxi durchs All

erreichten Wert – und dieser Coup ließ die Bereits 1,7 Millionen Kinobesucher sa- deutschen Karl-May-Verfilmungen und de- Branche jubeln, dass nun womöglich ein hen sich in den vergangenen Wochen den ren Helden Pierre Brice oder Lex Barker goldenes Zeitalter der Kinoparodien an- Krimiklamauk an, in dem der Regisseur verschwendeten, stürzen sie sich nun auf breche: Filmemacher nehmen ihr eigenes Tobi Baumann die längst klassischen deut- Captain Kirk, Mr. Spock und Scotty, die Handwerk und dessen große Erfolge auf schen Wallace-Verfilmungen der sechziger Heroen der amerikanischen Kultserie die Schippe. Jahre, wie „Der Hexer“, verulkt. Deutsche „Raumschiff Enterprise“. Im Original wa- Allerdings brachte es der Komikervete- Comedy-Stars wie Anke Engelke, Olli Ditt- ren alle sehr ernst und männlich, in Her- ran Otto mit seiner „Titanic“-Veräppelung rich, Oliver Kalkofe und Bastian Pastewka bigs Version sind sie sehr schwul, sehr „Otto – der Katastrofenfilm“ nur zu ei- spielen im „Wixxer“ die Hauptrollen – und zickig und sehr lustig. nem mäßigen Erfolg beim Publikum, Ger- beweisen trotz manchmal gnadenlos plat- Bewährt haben sich die bayrisch spre- hard Polt brach mit der „Gladiator“-Verul- ter Scherze viel Liebe fürs humoristische chenden Spaß-Astronauten bereits in kung „Germanikus“ vor wenigen Mona- Detail. Nicht nur die alten Stars wie Joa- Herbigs Pro-Sieben-Sendung „Die Bully- ten an der Kinokasse regelrecht ein. Auch chim Fuchsberger und Klaus Kinski werden parade“, aus der auch die „Schuh des „Derrick – Die Pflicht ruft“, die Zei- mit großer Hingabe nachgeäfft, sondern Manitu“-Zwillingsbrüder Abahachi und chentrickfilm-Hommage an einen deut- ebenso neuere Hollywood-Schauerdramen Winnetouch sowie ihr Freund Ranger her- schen TV-Krimihelden, hat in diesem wie „Das Schweigen der Lämmer“. vorgegangen sind. Die Raumfahrer hat- Frühjahr mit 90000 Zuschauern die Erwar- Auch Herbigs „(T)raumschiff Surprise“ ten in der TV-Show während der Zwei- tungen der Produzenten enttäuscht. Da- ist – wie schon „Der Schuh des Manitu“ – Minuten-Sketche allerhand skurrile Aben- für bewies jüngst die Edgar-Wallace-Ver- ein Akt der inbrünstigen Verehrung: Mit teuer zu bewältigen: vom verstopften alberung „Der Wixxer“: Das Parodiege- ähnlich charmanter Leidenschaft, wie sie Raumschiffklo bis zum überraschenden werbe lebt! Herbig und seine Co-Autoren einst an die Besuch des Modemachers Rudolph Mos- hammer, der die neue Frühjahrsuniform übergab. Selbst überrascht von seinem Kino-Me- gahit mit dem „Schuh des Manitu“, ließ Herbig, der einst seine Komikerkarriere als Moderator beim Münchner Sender Radio Gong begonnen hatte, die Fans per Internet abstimmen, welche seiner Sketchreihen als Nächste ins Kino kommen sollte: eine „Manitu“-Fortsetzung, „Sissi – Wechsel- jahre einer Kaiserin“, das „(T)raumschiff“

DEFD oder „Ein Film, wo keiner mit rechnet“. Herbig-Erstling „Der Schuh des Manitu“ So fand der Regisseur ganz einfach her- Erfolgreichster Nachkriegsfilm aus, welcher Stoff das größte Erfolgs- potenzial hat: „Besser kann es doch gar nicht sein – das Publikum wählt sich seinen Film selbst“, sagt Herbig, „im Marketing- Deutsch nennt man das ,Research‘.“ Doch schon bevor es überhaupt Markt- forschung gab auf dem deutschen Kino- markt, galten Klamauk und Humor bereits als stärkste Trümpfe im heimischen Film- geschäft. In Deutschlands Kinogeschichte jagt ein Komödienboom den nächsten, seit die Blüte des Heimatfilms in den fünfzi- ger Jahren verwelkt ist. Zunächst tollte Caterina Valente über die Leinwand, und Vico Torriani jodelte am Gardasee, dann rollte Heinz Erhardt im Käfer südwärts – und die Deutschen klopften sich begeistert auf die Schenkel.

FALCOM MEDIA GROUP AG / RAT PACK / RAT MEDIA GROUP AG FALCOM Auf „Zur Sache, Schätzchen“ und jede

DEFD Wallace-Verulkung „Der Wixxer“ Menge Sexklamauk der Sorte „Liebes- (1966): Goldenes Zeitalter für Parodien Alte Stars mit Hingabe veräppelt grüße aus der Lederhose“ folgten Gerhard

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Polts „Man spricht deutsh“ und Loriots Rice erinnert. Herbig aber beteuert: „Wir „Pappa ante Portas“, „Die Supernasen“ hatten damals, als wir das Drehbuch schrie- und „Otto“, die beiden letzten jeweils ben, nur einen Namen gesucht, mit dessen gleich in mehreren Fortsetzungen. Die von Endung man spielen kann.“ einem Millionenpublikum belachten Herbig ist bekennender Cineast – und das „Werner“-Filme ließen die Kritiker der sieht man seinem Film auch an: Ein schrott- besseren Feuilletons ebenso stöhnen wie reifes Space-Taxi, bei ihm gesteuert von Til die deutsche Beziehungskomödie der Schweiger, zischt auch durch Luc Bessons Neunziger vom „Bewegten Mann“ bis zu „Das fünfte Element“; die Königin Meta- Detlev Bucks „Männerpension“. Die pha bedient herumfuchtelnd einen Compu- Rezensenten ächzten auch in jüngster Ver- ter – wie Tom Cruise in „Minority Report“. gangenheit unter dem Boom von Teenie- Das militärische Sperrgebiet in der Wüste Klamotten wie „Harte Jungs“, „Mädchen von Nevada, in dem Herbigs Film beginnt, Mädchen“ und „Feuer, Eis und Dosen- heißt Area 51 – genau wie in „Independence bier“, der das junge Publikum allerdings in Day“ von Roland Emmerich. Und wie in Raserei versetzte. Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“, der Nur die Ostalgie-Komödien „Sonnen- Mutter aller Science-Fiction-Filme, schwe- allee“ und „Good Bye, Lenin!“ fanden ben immer wieder merkwürdige Gegen- nicht bloß bei einem Millionenpublikum, stände magisch durch den Raum. sondern auch bei der Kritik Anklang: Of- Damit niemand die Zeitreise der Kata- fenbar war vor dem ernsten Hintergrund strophen-Astronauten vorab verreißen der deutsch-deutschen Teilung dann doch kann, ließ der Verleih Constantin bisher ein wenig Spaß erlaubt. nur den ersten von fünf Akten vorführen. Michael Herbig allerdings bekam, als er den „Schuh des Manitu“ 2001 in die Ki- nos brachte, von vielen Kri- tikern der großen Feuille- tons nicht mal Verrisse. Man ignorierte ihn einfach – und staunte dann über den gigantischen Erfolg. Das Abenteuer der Besat- zung des „(T)raumschiff Sur- prise“, die aus dem Weltall der Zukunft auf Zeitreise ins Mittelalter verschlagen wird, geht nun unter ganz ande- ren Bedingungen an den Kinostart. Verglichen mit dem eher schmalen Vier-

Millionen-Budget von „Der / CINETEXT JAHNKE Schuh des Manitu“ ist dies- Komödie „Otto – Der Film“ (1985): Von Millionen belacht mal auch viel Geld im Spiel: Neun Millionen Euro hat die Science-Fic- Außerdem habe man auch Angst vor Pira- tion-Komödie gekostet, vor allem wegen terie, behauptet Herbig, schließlich seien der vielen digitalen Effekte. schon vor dem Start vom „Schuh des Ma- Während in der „“ beispiels- nitu“ Filmausschnitte im Internet zu sehen weise noch ein Raumschiffmodell um einen gewesen. Damals allerdings hielt das 11,7 Wasserball flog, ist es nun ein am Compu- Millionen Menschen nicht davon ab, ins ter gebasteltes Gefährt, das erstaunliche Kino zu gehen. Ähnlichkeit mit einem männlichen Ge- Kürzlich hat sich bei Michael „Bully“ schlechtsteil hat. Herbig ein amerikanischer Verleih gemel- Überhaupt ist der Humor des Films, ty- det, der endlich den „Schuh des Manitu“ ins pisch „Bully“ Herbig, meist dreist puber- US-Kino bringen will. Synchronisiert ist der tär: Mr. Spuck wirft Käpt’n Kork vor, er Film zwar schon, aber bisher wollte ihn nur habe sich „doch nur hochgebumst“, das ein einziges Festival in den USA zeigen. Raumschiff hat einen „Marderschaden“ Die Amerikaner, erzählt Herbig, wollten und fliegt mit „Mopsgeschwindigkeit“: Das die Western-Blödelei mit „fünf bis sechs seien „0,9888 Endlosschleifchen Lichtge- Kopien in Los Angeles herausbringen, das schwindigkeit“, erklärt Herbig. finde ich schon wieder lustig“. Das sei zwar Manche Gags scheinen gar auf politi- noch nicht „spruchreif“, aber falls es dazu sche Brisanz abzuzielen: So stapft zu Be- kommt, dann „setze ich meine Mannschaft ginn des Films eine Gruppe hochrangiger ins Flugzeug und schaue mir mit denen Militärs durchs Bild. Auf ihren Namens- den Film in Amerika an“. schildern steht „Blickfeld“, „Reisfeld“ und Dann ist Herbig dem Oscar, von dem er „Baumfeld“– was doch sehr an den US- schon so lange träumt, ein Stück näher ge- Verteidigungsminister Donald Rumsfeld kommen. Zumindest räumlich. und die Sicherheitsberaterin Condoleezza Wolfgang Höbel, Marianne Wellershoff

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