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Sport FUSSBALL „Die Deutschen sind schlagbar“ Nirgendwo wird Fußball so konsequent als Entertainment betrieben wie in den USA. Damit die Dollarmillionen Rendite abwerfen, muß das Massenpublikum gewonnen werden – am besten durch einen Erfolg bei der Weltmeisterschaft. enn Patrioten die Revolution aus- 18 Millionen amerikanische Kinder spie- rufen, müssen sie gute Gründe len inzwischen Fußball, und die Einwan- Whaben. Für die Familie Kraft wa- derer aus Mexiko, Spanien oder Deutsch- ren die Gründe bestechend. land lieben die fremde Disziplin ohnehin – Fußballspieler, argumentierte Robert der Markt ist gigantisch. Kraft auf einer dieser Familiensitzungen, Der Mann, der nun die beiden Ebenen kosten nur ein paar Dollar; sie regen weiße, verbinden, also die Retortenliga mit Lei- wohlerzogene Kinder zum Konsum an; sie denschaft versorgen und Big Business aus lasten auch im Sommer ein Stadion aus, in dem Breitensport machen soll, heißt Steve Major-League-Soccer-Spiel in East Rutherford (New dem die Football-Profis nur im Winter spielen; und weil plin und der Schnelligkeit sie im Vergleich zu denen so des schwarzen Sprinters ha- sanft und gewaltfrei übers ben“. Das Resultat sei der Spielfeld laufen, machen sie „perfekte Fußballer“. nicht mal den Rasen kaputt. Doch weil die Amerikaner Mehr wußte Mister Kraft, vorher noch Punkte für das 56, einer der reichsten Män- Erreichen der zweiten Run- ner Bostons, nicht über Fuß- de holen müssen, bräuchte ball; aber weil er außerdem, die Truppe dringend ein tak- so spotten Fußballfreunde in tisches System und ein Neuengland, Jobs für zwei bißchen mehr als den „ur- Söhne finden wollte, bei de- amerikanischen Willen“, wie nen diese nicht den Konzern Sampson das nennt. In ruinieren würden, kaufte er Wahrheit wirkt angesichts sich ein Fußballteam. der Vorrundengegner Jugo- Und darum spielen jetzt / SPORTIMAGE IMAGES ACTION slawien und Deutschland in der warmen Jahreszeit die Amerikanische Fans: Fußball als fünften Sport der Nation etablieren schon der Gedanke an das Fußballer von New England Achtelfinale absurd. Revolution und in den trüberen Monaten Sampson und ist der Nationaltrainer.Wür- Sampson, 41, hat schließlich keine per- die Football-Profis von den New England de seine Mannschaft bei der Weltmeister- fekten Fußballer, sondern immer noch Eric Patriots im Foxboro Stadium. Daß die An- schaft in Frankreich in der Vorrunde aus- Wynalda, der vor Jahren in Bochum und hänger der Revolution „Fuck the Patriots“ scheiden, vielleicht sogar gegen Iran Saarbrücken mehr neben als in das Tor auf Transparente schreiben, interessiert verlieren, wäre das „verheerend“ für den traf; und Alexi Lalas, den Rockstar mit dem Robert Kraft nicht besonders: Beide Mann- Geschäftsgang, sagt Doug Logan, 55, Ziegenbart, der 500000 Dollar im Jahr mit schaften und die Immobilie gehören ihm. Generalmanager der MLS. Käme sie ins Werbung macht, sich selbst für einen Kraft versucht das, was alle tun, die Geld Achtelfinale, wäre es gerade okay. „Dreckskerl“ hält und noch langsamer in die nordamerikanische Fußball-Liga, die Denn spätestens 2010, eher früher, hat läuft als bei der letzten WM. Immerhin Major League Soccer (MLS), gesteckt ha- Verbandspräsident Alan Rothenberg pro- kann Sampson auch auf ein paar Talente ben: Er schlachtet eine Subkultur aus und phezeit, werden die Amerikaner erstmals wie Eddie Pope, den Verteidiger aus Wa- macht Geschäfte damit. Fünf Millionen Weltmeister. Und selbst der Niederländer shington, und Claudio Reyna setzen, der Dollar hat er für die Liga-Lizenz ausgege- Thomas Rongen, 41, im System von Ajax beim VfL Wolfsburg die Spielregie führt. ben. „Eine Investition in die Zukunft“, sagt Amsterdam aufgewachsen und nun Trai- Und natürlich auf Tom Dooley, 37. er, „und sie wird sich gewaltig lohnen.“ ner der New England Revolution sowie Der spielte etliche Jahre beim 1. FC Kai- Die Geschäftsleute und Konsortien in Sampsons Assistent, glaubt an die Schmelz- serslautern, bis er sich rechtzeitig zur WM den zwölf MLS-Städten gehen davon aus, tiegel-Theorie: Wenn der Sport der weißen 1994 an seinen amerikanischen Vater erin- daß sie nur das übliche Netz von Spon- Vorstadtkinder erst die Ghettos in New nerte, die US-Staatsbürgerschaft annahm soring, Werbespots („This stuff kicks“), York erreiche, „werden wir das einzigarti- und endlich auch Nationalspieler wurde. Fernsehverträgen und neuen Stadien über ge Gemisch aus südamerikanischem Ge- Dooley ist mittlerweile heimisch gewor- eine wachsende Bewegung ziehen müssen. fühl, italienischer Stärke, deutscher Diszi- den, hat sich in Columbus (Ohio) „ein 170 der spiegel 23/1998 C. TROTMAN / DUOMO C. TROTMAN Jersey): „Südamerikanisches Gefühl, italienische Stärke, deutsche Disziplin und die Schnelligkeit schwarzer Sprinter“ gemütliches Haus am Golfplatz“ gekauft Mittelschicht, die Väter vor allem, über- bevor sie ein gutes Wort über Fußball sa- und will später College-Trainer in Kalifor- zeugen. Die schalten jedoch immer noch gen“; nur der Titelgewinn würde die Skep- nien werden. Der Libero gilt als Idol und Baseball ein und hassen Fußball, sagt MLS- tiker bekehren. Kamerad – er erklärt den Jungen, wer Oli- Commissioner Logan, „weil viele Ameri- Ihr Spiel heißt „Soccer bashing“ (Fuß- ver Bierhoff und was ein Außenrist ist. kaner diesen Sport von anderen lernen ball prügeln), weil es „amerikanischer ist, Weil er sich im Aufbautraining mit dem müssen und nicht dominieren“. Genau die- Fußball zu hassen, als Apple pie zu essen Modemittel Kreatin vollpumpte, das ihn se Leute sitzen in den Redaktionen und oder einen Pickup zu fahren“ („USA To- nicht stärkte, sondern für viele Faserrisse in Fernsehsendern und „müßten wegsterben, day“). Profi-Sport ist auch in Amerika eine der Wade sorgte, ist auch er seltsam schlapp. Welt der Männer, die sich darüber defi- Und da die Mannschaft „keine Gemein- niert, daß alle jene Statistiken und Fein- schaft“ mehr sei wie 1994 bei der WM in der heiten des Baseballs lieben, welche die Heimat, sondern längst eine Ansammlung Frauen und die Immigranten nicht mal ka- „kleiner Stars“, hält er es durchaus für mög- pieren. Wenn also Mädchen und Mexika- lich, daß die USA das erste WM-Spiel gegen ner den Fußball mögen, so ist das ideolo- Deutschland 0:7 verlieren“. gisch eher kontraproduktiv. Um das zu verhindern, hat Trainer Und so haben ABC und ESPN für die Sampson sein Team in Portland (Oregon) Fernsehrechte der MLS zwar fünf Millio- nahe der Heimat des Ausrüsters Nike, ver- nen Dollar bezahlt, in seinem täglichen sammelt, wo er ihm einredet, daß „die „SportsCenter“ meldet der Sportkanal die Deutschen immer schwach in ein Turnier Ergebnisse aber nur selten. Damit ABC das starten und absolut schlagbar sind“. Endspiel in der vorigen Saison übertrug, Sampson hat nie professionell gespielt, verrät Randy Bernstein, 38, MLS-Vizeprä- bloß eine viertklassige College-Mannschaft sident für Marketing, mußte die Liga für trainiert und den Job erst gekriegt, nach- 450000 Dollar zwei Stunden Sendezeit kau- dem alle berühmten Trainer abgesagt hat- fen und zusätzlich die Produktion bezahlen. ten. Die Spieler mögen ihn, weil er den Die Quoten von Live-Übertragungen liegen Egozentriker John Harkes rauswarf und zwischen Truck-Rennen und Wasserski, was ansonsten leise daherkommt; doch man- auch daran liegt, daß zum Beispiel die Sen- che der Männer von Nike, die Geld vom dungen des Sunshine TV Network in Flori- Baseball abgezogen haben und nun 120 da ziemlich lausig sind: In den Pausen lesen Millionen Dollar in Profiliga und Verband die Reporter selber die Werbetexte vor. pumpen, halten ihn für einen Weichling. Besser sind auch die Spiele nicht. Als Ihr Problem ist das Ergebnis von Markt- Tampa Bay Mutiny gegen die Columbus forschungen, das die WM so wichtig und sie Crew spielt, laufen die „Here we go“- selbst ziemlich nervös macht: Um Fußball Schlachtgesänge scheppernd vom Band, neben Baseball, Basketball, Eishockey und die Cheergirls frieren, und die Hälfte des Football als fünften Sport der Nation zu AP Stadions ist mit bunten Planen bedeckt, etablieren, bräuchte die MLS nicht die Kin- Nationalspieler Wynalda (v.) was sie hier „downsized capacity“ nen- der und die Latinos; die Liga müßte die „Eine Ansammlung kleiner Stars“ nen. Dooley ist verletzt, und darum ist der der spiegel 23/1998 171 Sport einzige Könner auf dem Platz der schwe- der 240 Profis; sie zahlt 24000 Dollar Min- dische Torwart Thomas Ravelli – aber der destlohn und gestattet pro Mannschaft ma- ist inzwischen 38 und wirft sich nicht mehr ximal 1,6 Millionen Dollar Lohnausgaben. gern in den Dreck. Ist einer so gut wie der kolumbianische Lieber schimpft Ravelli 90 Minuten lang. Nationalspieler Carlos Valderrama, dann „Gewöhnungsbedürftig“, sagt er nach entscheidet Gulati, daß irgendein Sponsor der Niederlage, sei dieses letzte Engage- mit ihm einen eigenen Vertrag abschließt – ment seiner Karriere. So etwas wie At- dafür hat er Valderrama dann von Tampa mosphäre existiere deshalb nicht, meint nach Miami delegiert, als dort ein neues Claudio Reyna, 24, „weil viele amerikani- Team auf den Markt geworfen wurde. So sche Zuschauer einen guten 40-Meter-Paß kam auch Alexi Lalas von New England ins gar nicht bemerken und nicht auf die Idee desinteressierte New York. kommen zu klatschen“. Sie halten lieber Den Spielern behagt das System der Diet Coke und Hot dog in den Händen künstlich unterdrückten Gehälter nicht, und gehen zum Klo, während der Spiel- aber die MLS ist sicher, daß sie die anste- zug läuft, der das einzige Tor bringt. henden Prozesse gewinnt – sie hat die teu- Um zumindest „die Zielgruppe zu er- reren Anwälte. Und Gulatis Chef Logan weitern“ und nicht nur „wenige Fußball- findet seinen sozialistischen Fußball-Kon- Puristen in diesem Land“ (Logan) zu be- zern ohnehin nicht so unmenschlich: „Wir geistern, haben die MLS-Manager das Spiel sind doch nur wie Daimler-Benz und neh- mit dem Segen des Weltverbandes Fifa ver- men einen Ingenieur aus der einen Fabrik ändert. Insofern, sagen Fifa-Leute, sei Ame- heraus und schicken ihn zur nächsten.“ rika ein Test für den Rest der Welt. Bei Weil die Major League Soccer, anders als Fouls wird die Uhr angehalten, und nach europäische Clubs, auf Tradition keine exakt 90:00 Minuten ist Schluß – so etwas kennt der amerikanische Fan vom Basketball.