Faculteit Letteren & Wijsbegeerte

Melissa Rosseel

Das Bild vom Fall der Berliner Mauer in der flämischen Presse

Masterproef voorgedragen tot het behalen van de graad van

Master in de Meertalige Communicatie

2015

Promotor Dr. Geert Stuyckens Vakgroep Vertalen Tolken Communicatie

VORWORT

Das Schreiben dieser Masterarbeit wäre nie so reibungslos verlaufen ohne die Hilfe einiger Menschen, denen ich gern dafür danken möchte. Erstens möchte ich mich bei meinem Betreuer, Dr. Geert Stuyckens, für die wertvolle Begleitung beim Schreiben meiner Masterarbeit bedanken. Er stand mir immer beratend und unterstützend zur Seite, auch während seiner Rehabilitation. Zweitens danke ich meiner Familie für ihre Unterstützung. Zum Schluss möchte ich mich gern bei meiner Freundin Alma Skrijlej bedanken. Sie wohnt bereits einige Jahre im deutschen Essen und sie hat mir als Muttersprachlerin beim Nachlesen dieser Masterarbeit gut geholfen.

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG ...... 4 2 GESCHICHTE DEUTSCHLANDS NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG ...... 5 2.1 Nachkriegsjahre ...... 5 2.1.1 Kalter Krieg ...... 6 2.1.2 Marshallplan ...... 7 2.1.3 Währungsreform ...... 7 2.1.4 Gründung der Bundesrepublik (BRD) ...... 8 2.1.5 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ...... 8 2.2 Deutschland: zwei Staaten ...... 9 2.3 Der Bau der Berliner Mauer ...... 11 2.4 1961 - 1989: im Bann der Berliner Mauer ...... 14 2.5 Der Fall der Berliner Mauer ...... 16 3 DAS BILD ÜBER DEUTSCHLAND ...... 18 4 FRAMING ...... 21 4.1 Definitionen von Framing ...... 21 4.2 Die Analyse von Frames ...... 22 4.3 Framing devices und reasoning devices ...... 25 5 FORSCHUNGSFRAGESTELLUNG ...... 27 6 ABGRENZUNG FORSCHUNGSMATERIAL ...... 28 6.1 Forschungseinheiten ...... 28 6.2 Datensammlung ...... 29 7 FORSCHUNGSMETHODE ...... 31 8 FORSCHUNGSERGEBNISSE ...... 33 8.1 Einleitung: Die Geschichte wird nicht gelöscht ...... 33 8.2 Frames ...... 35 8.2.1 Frame 1 Ossis und Wessis, noch nicht ein Volk ...... 35 8.2.2 Frame 2 verdorrte Landschaften ...... 41 8.2.3 Frame 3 DDR-Helden in der Vergessenheit (außer Gorbatschow) ...... 47 8.3 Das Volk war der echte Held ...... 51 8.4 Deutschland heutzutage ...... 52 8.5 Besprechung Forschungsergebnisse ...... 54 8.6 Tabelle mit reasoning devices ...... 58 9 SCHLUSSFOLGERUNG ...... 59 10 BIBLIOGRAPHIE ...... 63 11 ANHANG ...... 65 Anhang 1 Alle Zeitungsartikel aus dem Korpus ...... 65 Anhang 2 Tabelle mit den meist vorkommenden Wörtern aus den Wortfrequenzlisten ...... 70

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1 EINLEITUNG

Die Berliner Mauer, das Symbol des Kalten Krieges, verkörperte 28 Jahre lang die Spaltung zwischen Ost- und Westberlin, zwischen der kommunistischen DDR und der kapitalistischen Bundesrepublik und zwischen Ost- und Westeuropa. Der Fall der Mauer war nicht nur ein Höhepunkt in der europäischen Geschichte, sondern dieser hatte auch weltweit einen großen Einfluss. Nach 1989 verschwand aber in Ostdeutschland die Euphorie des Falls des verhassten antifaschistischen Schutzwalls schnell. Die Ungleichheit zwischen Ost- und Westdeutschland war groß und es stellte sich heraus, dass die sogenannten blühenden Landschaften, die der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl den Ostdeutschen versprochen hatte, eine Illusion waren. Deutschland hatte nach dem Fall der Berliner Mauer den Traum der Deutschen Einheit, aber die Wiedervereinigung lief nicht wie am Schnürchen, weder in der Politik, noch beim Volk. Trotz dieser Schwierigkeiten wird in Deutschland bis heute dieses Ereignisses festlich gedacht. So zogen im Jahre 2014 Millionen von Deutschen und Touristen in die Hauptstadt für den fünfundzwanzigsten Gedenktag. Das Ereignis von 1989 wird nie rückgängig gemacht und inspiriert weiterhin viele Menschen wie mich, darüber zu schreiben.

Kapitel 2 vermittelt einen Überblick der Geschichte von Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Fall der Berliner Mauer. Im Kapitel 3 wird das Bild über Deutschland heutzutage besprochen. Dieses Kapitel basiert auf dem Buch Dominant Duitsland von Dirk Rochtus. Kapitel 4 beschreibt das Konzept Framing. Im Forschungsteil dieser Masterarbeit wird nämlich in den flämischen Qualitätszeitungen De Standaard und De Morgen nach vorherrschenden Frames in Bezug auf den Mauerfall gesucht. Gamson & Modigliani (1987 zitiert in Matthes & Kohring 2008, S. 264) betrachten Frames als "a central organizing idea or story line that provides meaning to an unfolding strip of events". Ein Frame legt fest, wie die Leser die Realität betrachten sollen. Das 5. Kapitel umfasst einerseits die Forschungsfrage und andererseits drei Hypothesen. Im 6. und 7. Kapitel wird das Forschungsmaterial abgegrenzt bzw. die Methodologie besprochen. Das 8. Kapitel enthält die Forschungs- ergebnisse, in dem die gefunden Frames aus der Analyse des Zeitungskorpus nach Zeitung und Jahr besprochen werden. Das 9. und letzte Kapitel dieser Masterarbeit ist die Schlossfolgerung, in dem die wichtigsten Ergebnisse zusammengefast werden und eine Antwort auf die Fragestellung formuliert wird.

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2 GESCHICHTE DEUTSCHLANDS NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG

2.1 Nachkriegsjahre

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1945 war es deutlich, dass das Dritte Reich militärisch, politisch und ökonomisch völlig zerstört war (Tyrions, 2009). Historiker beschreiben diese Situation als Stunde Null. Auf der Konferenz von Jalta (im Februar 1945) wurde die Beteiligung von Deutschland besprochen. Der Sowjetführer Stalin, der amerikanische Präsident Roosevelt und der britische Premierminister Churchill hatten sich auf dieser Konferenz entschlossen, dass Deutschland völlig besetzt und das Naziregime ausgeschaltet werden sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde das Land in drei Besatzungszonen aufgeteilt. Die Rote Armee, also die Sowjets, besetzte den Osten Deutschlands einschließlich der Hauptstadt Berlin. Die Briten besetzten den Norden und die Amerikaner den Süden Deutschlands. Mit der Zustimmung von Stalin wurde aus einem Teil des britischen und amerikanischen Sektors auch noch eine französische Besatzungszone gebildet. Die Hauptstadt Berlin wurde ebenfalls in vier Sektoren aufgeteilt. Die Aufteilung Deutschlands hat später zum Bau der Berliner Mauer geführt. Berlin befand sich nämlich inmitten der Sowjetzone. Deswegen musste man durch diese Zone, um die alliierten Sektoren zu erreichen. An der Spitze jeder Zone wurde ein Kommandant angestellt, der die absolute Macht in seiner Zone hatte. Es war die Absicht, dass die vier Kommandanten zusammenarbeiten würden, um den wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau Deutschlands zu regeln. Auf diese Weise wurde der Alliierte Kontrollrat gebildet. Dieser Kontrollrat einigte sich im Hinblick auf eine gemeinsame Deutschlandpolitik: Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Dezentralisierung, Dekartellisierung der Wirtschaft und Demokratisierung (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Diese Prinzipien wurden auf der letzten großen Konferenz der Alliierten in Potsdam (vom 17. Juli bis zum 2. August 1945) bestätigt (Tyrions). Die Teilnehmer dieser Konferenz waren erneut Stalin und Churchill. Präsident Roosevelt war inzwischen gestorben und wurde von Harry Truman ersetzt. Auffällig war, dass trotz der Tatsache, dass die Franzosen eine Besatzungszone bekommen hatten, sie nicht in Potsdam vertreten waren. Auf der Konferenz in Potsdam wurde auch die Oder-Neiße-Grenze besprochen. Die Alliierten hatten sich entschlossen, dass die Westgrenze von Polen bis zu diesen zwei Flüssen verschoben werden solle. Das bedeutete, dass alle Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze unter die Verwaltung der polnischen

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Regierung kamen (Lehmann, 1991). Das Ergebnis waren Millionen Heimatvertriebene, die in die westlichen - alliierten - Besatzungszonen vertrieben wurden.

2.1.1 Kalter Krieg

Es war ursprünglich die Absicht, dass die vier Besatzungsmächte für Deutschland eine gemeinsame Verwaltung gründen würden (Tyrions, 2009). Da jeder Besatzer jedoch nach seinem eigenen Verfahren und seinen eigenen politischen Interessen handelte, hatte man es nicht geschafft, dieses Ziel zu erreichen. Auch die Gegensätze zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion hatten zugenommen. Während die Amerikaner für längere Zeit in Europa blieben und in ihrem eigenen Sektor einen kapitalistischen Staat organisierten, hatte Stalin die Idee, in der Sowjetzone einen kommunistischen Staat zu gründen. Churchill war sich der kommunistischen Drohung bewusst, aber Westeuropa glaubte ihm zuerst nicht. Noch vor dem Ende des Krieges hatte Stalin jedoch einige ergebene Kommunisten, wie , der später der erste Parteisekretär der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands), der Kommunisten in Ostdeutschland, sein würde, nach Deutschland geschickt. Ulbricht begann sofort mit der Wiederherstellung der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands). Es war deutlich, dass das politische Programm eine revolutionäre Arbeiterpartei nach sowjetischem Vorbild war. Einige Tage nach der Wiederherstellung der KPD wurde auch die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) wiederhergestellt. Beide Parteien bildeten endlich eine Einheitspartei, die SED. Nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen osteuropäischen Ländern wurden kommunistische Regierungen gegründet. Diese Länder waren die sogenannten Satellitenstaaten. Die Westmächte hingegen bauten eine demokratische Gesellschaft auf (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Der Gegensatz zwischen dem Osten (dem Kommunismus) und dem Westen (dem Kapitalismus) nimmt ab 1946 immer mehr zu und die Teilung Deutschlands beginnt sich abzuzeichnen. Die fiktive Trennlinie zwischen dem kommunistischen Osten und dem kapitalistischen Westen wurde durch kilometerlangen Stacheldraht, Wachposten und Wachtürme konkretisiert: der Eiserne Vorhang (http://www.koude-oorlog.nl). Dieser Eiserne Vorhang verhinderte, dass die Einwohner des Ostens in den Westen fliehen konnten. Die Einwohner aus dem Westen durften nur unter strengen Bedingungen die Grenze überqueren.

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2.1.2 Marshallplan

Die USA entwickelte 1947 den Marshallplan, nach Außenminister George Marshall genannt, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Westeuropa zu beschleunigen (http://www.koude- oorlog.nl). Die USA bot allen europäischen Ländern Geld, auch diesen in Osteuropa, aber Stalin lehnte die angebotene Hilfe ab (Tyrions, 2009). Diese Ablehnung war nicht unbegründet, weil der Marshallplan ein Teil der Containment-Politik von Präsident Truman war. Mit der Containment-Politik, auch die Eindämmungspolitik genannt, wollte die USA nämlich den wachsenden Einfluss des Kommunismus eindämmen. Der Marshallplan dauerte vier Jahre.

2.1.3 Währungsreform

Trotz des Marshallplans brauchte die deutsche Wirtschaft noch einen Schubs (Tyrions, 2009). Nach dem Krieg war die Reichsmark wertlos geworden. Dadurch entstanden der Schwarzmarkt und der Tauschhandel. An Stelle der wertlos gewordenen Reichsmark wird im Jahre 1948 die Deutsche Mark eingeführt (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Die Währungsreform bedeutete vor allem einen neuen Beginn, weil sie die Gründung eines westdeutschen Staates vorbereitete (Tyrions). Sie war der Anfang des Wirtschaftswunders. Das heißt, dass die westdeutsche Wirtschaft riesig wuchs und damit auch der Wohlstand: In der Bundesrepublik gab es die ersten Fernseher, neue Häuser, die Westdeutschen reisten erneut, die Löhne erhöhten sich um zehn Prozent, die Anzahl der Autos stieg... Die Sowjetunion reagierte mit der Einführung einer eigenen Währung. Am 23. Juni hatte Deutschland zwei Währungen und am nächsten Tag schlossen die Sowjets alle Zugänge zu Berlin ab, d.h. die Sowjets reagierten mit einer Blockade aller Land- und Wasserverbindungen nach Westberlin (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Die 2,1 Millionen Westberliner konnten nur noch durch Flugzeuge versorgt wurden. Der US- Militärgouverneur Lucius D. Clay organisierte deswegen eine Luftbrücke. Bis Mai 1949 sahen die Westberliner massenhaft amerikanische und britische Flugzeuge, die sie mit Lebensmitteln versorgten. Durch diese Heldentat bekamen diese Flugzeuge den Namen Rosinenbomber. Diese Berlin-Blockade wird auch als der erste Höhepunkt des Kalten Krieges betrachtet.

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2.1.4 Gründung der Bundesrepublik (BRD)

Die wachsenden Gegensätze zwischen den westlichen Alliierten und der Sowjetunion machten schnell deutlich, dass eine Vereinigung der vier Zonen schwierig zu realisieren war (Tyrions, 2009). Der Parteichef der Sozialdemokraten (SPD), Kurt Schumacher, spielte in dieser politischen Uneinigkeit eine wichtige Rolle. Er war nicht nur ein Verfechter der deutschen Einheit, sondern auch ein Antikommunist. Er wollte vor allem, dass Westdeutschland eine neutrale Macht in der Mitte von Europa würde und nicht von den Amerikanern oder Sowjets gesichert würde. Seine Haltung verursachte Konflikte mit Parteimitgliedern wie Otto Grotewohl. Der größte politische Gegner von Schumacher war Konrad Adenauer, der ehemalige Bürgermeister von Köln und Vorsitzende des preußischen Staatsrats. Er hatte nach dem Krieg die CDU gegründet (Christlich Demokratische Union). Adenauer war sich von der Tatsache bewusst, dass eine Teilung Deutschlands unvermeidlich geworden war. Wegen des Kalten Krieges war Westdeutschland interessant für ein Bündnis mit den westlichen Alliierten. Adenauer wählte eine Westbindung, um von den Besatzern unabhängig zu werden. Auf einer Konferenz in London im Februar 1948 stimmten die drei westlichen Alliierten überein, dass Deutschland eine föderale Staatsform bekommen sollte.

Mit den "Frankfurter Dokumenten" forderten die Westmächte die Ministerpräsidenten der Länder am 1. Juli 1948 auf, die Gründung eines westdeutschen Staates einzuleiten (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Daraufhin wurde ein Grundgesetz erarbeitet, das am 8. Mai 1949 von dem Parlamentarischen Rat angenommen wurde. Der Parlamentarische Rat trat am 1. September 1948 in Bonn unter seinem Präsidenten Konrad Adenauer zusammen und das Grundgesetz trat am 23. Mai 1949 in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland war damit gegründet.

2.1.5 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)

Auch aus der sowjetischen Besatzungszone entstand 1949 ein deutscher Staat. Im Jahre 1947 forderte die SED eine Volkskongressbewegung. Einige Monate später kam ein zweiter Volkskongress zusammen und aus dieser Volkskongressbewegung ging der erste Deutsche Volksrat hervor, der eine Verfassung ausarbeitete; diese trat am 7. Oktober 1949 in Kraft (http://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre). Zwei Monate später würden die Wahlen für einen dritten Volkskongress stattfinden, aber die Kommunisten wollten kein Risiko mehr eingehen. Deswegen wählte der dritte Volkskongress im Mai 1949 einen zweiten Volksrat,

9 der sich zur provisorischen Volkskammer erklärte, und Otto Grotewohl mit der Regierungsbildung beauftragte. Damit war die DDR als zweiter deutscher Staat gegründet, eine kommunistische Diktatur nach sowjetischem Vorbild.

2.2 Deutschland: zwei Staaten

Die Bundesrepublik

Bei den ersten Bundestagswahlen in der Bundesrepublik Mitte August 1949 wählten ungefähr 24 Millionen Westdeutscher zum ersten Mal ein Parlament (Tyrions, 2009). Die Christ- demokraten (CDU/CSU) unter Führung Konrad Adenauers waren die großen Gegner des Kommunismus und des Sozialismus und verteidigten die alten christlichen und deutschen Werte sowie die soziale Marktwirtschaft. Die Sozialdemokraten (SPD) unter Führung Kurt Schumachers verteidigten die alten sozialistischen Prinzipien, die Solidarität und die Arbeiter. Sie wollten, dass der Staat mehr Einfluss auf die Industrie und auf das Bankensystem hätte. Adenauer beschuldigte die SPD, das System der Sowjetzone auch in der Bundesrepublik einführen zu wollen. Einen Monat später wählte der Bundestag Adenauer als ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik mit einer Mehrheit von einer Stimme. Die SPD wurde damit eine Oppositionspartei.

Die deutschen Politiker wollten so schnell wie möglich ihre Souveränität zurückgewinnen (Tyrions, 2009). Die Alliierten (Großbritannien, Frankreich und die USA) hatten nämlich immer noch das Entscheidungsrecht über u.a. militärische Angelegenheiten. Sie kontrollierten außerdem die ausländische Politik der Bundesrepublik. 1951 wurde die Bundesrepublik bereits Mitglied des Europarats. In demselben Jahr war die Bundesrepublik auch einer der Gründerstaaten der EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl). Adenauer wollte unbedingt Mitglied der EGKS sein, weil er auf diese Weise wieder die Kontrolle über die Kohlebergwerke und die Stahlindustrie im Ruhrgebiet hatte. 1957 unterzeichnete Westdeutschland, so wie die anderen Mitgliedstaaten der EGKS, die Römischen Verträge. Auf diese Weise wurde die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) gegründet und so entstand ein gemeinsamer Markt. In demselben Jahr hatte Adenauer die absolute Mehrheit im Bundestag und das bedeutete den Höhepunkt seiner Macht. Adenauer beschäftigte sich auch bereits lange Zeit mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Nach dem Krieg hatten die Alliierten Deutschland völlig abgerüstet. Aber durch den Einfall des kommunistischen

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Nordkoreas ins freie Südkorea brauchte der Westen die militärische Unterstützung der Bundesrepublik. Die Angst vor Deutschland änderte sich in Angst vor dem Kommunismus. Im Jahre 1952 wurde die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) gegründet. Die Bundesrepublik bekam von den anderen westeuropäischen Ländern die Möglichkeit, sich an der EVG zu beteiligen, um sich auf diese Weise gegen einen Einfall der Sowjetunion zu verteidigen. Adenauer wollte sich gern daran beteiligen, weil Westdeutschland auf diese Weise wieder ein bisschen mehr Souveränität bekam. Die EVG war sehr umstritten, auch in der Bundesrepublik. Die SPD war nämlich stark gegen diesen Plan, weil sie fürchten, dass die EVG den Gegensatz zwischen Ost und West noch mehr vergrößern würde. Trotz aller Kritik wurde Westdeutschland im Jahre 1955 Mitglied der NATO (Nordatlantikpakt-Organisation). Dank diesem Zutritt konnte die Bundesrepublik endlich wieder eine eigene Armee gründen, die Bundeswehr.

Die DDR

Anfang der fünfziger Jahre entwickelte auch die DDR sich zu einem selbständigen Staat, der aber immer noch von Moskau beherrscht wurde (Tyrions, 2009). Die DDR war für Stalin wichtig, um sein Ziel, d.h. dafür sorgen, dass Deutschland nie mehr eine Drohung für die Sowjetunion sein würde, zu erreichen. Der größte Teil Deutschlands blieb aber eine Drohung und deswegen entwickelte Stalin eine doppelte Politik. Einerseits stimmte er zu, dass die DDR einen eigenen Staat gründen konnte, aber andererseits wollte er seinen Einfluss in ganz Deutschland erweitern. Im Jahre 1952 schlug er vor, die zwei Teile Deutschlands wieder zusammenzubringen, unter der Bedingung, dass das wiedervereinigte Deutschland neutral sein würde. Die Wiedervereinigung wollte vor allem Vorbeugen, dass die Bundesrepublik Mitglied der EVG sein würde.

Im Oktober 1950 fanden auch in der DDR die ersten Wahlen statt (Tyrions, 2009). Die Verteilung der Sitze in der Volkskammer wurde aber bereits im Voraus festgelegt. Wie es in einem demokratischen Staat sein sollte, hatte die DDR ein Parlament und eine Regierung. In der Wirklichkeit hatte aber die kommunistische Partei alle Macht. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), auch kurz die Partei genannt, beherrschte nämlich das ganze gesellschaftliche und öffentliche Leben der DDR. Nichts wurde realisiert ohne die Zustimmung der SED. Die Bevölkerung hatte dazu ein Lied erfunden, das mit den folgenden Wörtern beginnt: "Die Partei, die Partei, die hat immer recht." Das Zentralkomitee und vor

11 allem sein Generalsekretär, der wichtigste Mann der Partei, hatte eigentlich die echte Macht über die ganze DDR. Nur drei Männer haben diese Funktion erfüllt: Walter Ulbricht, und Egon Krenz.

Republikflucht

Von ihrer Gründung 1949 an wuchsen die beiden deutschen Staaten schnell auseinander (Tyrions, 2009). Die Grenze zwischen beiden Ländern wurde offiziell "Staatsgrenze der DDR zur Bundesrepublik Deutschland" genannt. Anfangs gab es noch keine Wachtürme oder Barrikaden, aber das alles änderte sich im Jahre 1952, wenn der Westen den Vorschlag Stalins (ein neutrales Deutschland) abgelehnt hatte. Vor allem der Reiseverkehr zwischen Ost und West wurde gebremst. Zum Schluss wurden der kommunistische Osten und der kapitalistische Westen durch den Eisernen Vorhang getrennt (http://www.koude-oorlog.nl). Im Jahre 1955 war es für die ganze Welt deutlich, dass es in Deutschland zwei deutsche Staaten gab und dass die Wiedervereinigung weit weg war. Auch der neue Sowjetchef Chruschtschow erkannte 1955 diese Situation in Deutschland an, aber er wollte, dass die sozialistischen Errungenschaften der DDR bewahrt bleiben sollten. 1955 war aber in Westdeutschland das Jahr des Wirtschaftswunders. Die große Folge dieses Wirtschafts- wunders in den fünfziger Jahren war vor allem der Auszug der Ostdeutschen, die sogenannte . Sie wussten, dass sie in der Bundesrepublik mehr Arbeitsmöglichkeiten hätten und dort ein besseres Leben haben könnten. Zwischen 1949 und 1961 flohen ungefähr 2,6 Millionen Menschen aus der DDR, vor allem Jugendliche und Gebildete. Die SED konnte nur mit drastischen Maßnahmen den Auszug beenden.

2.3 Der Bau der Berliner Mauer

Im Sommer '61, am 13. August, da schufen wir die Grenze, und keiner hat's gewußt. Klappe zu, Affe tot, endlich lacht das Morgenrot. (Hammer et al., 1981)

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Im Gegensatz zur DDR war die Bundesrepublik blühend, wohlhabend, sozial stabil und eine wachsende militärische Macht (Taylor, 2006). Die antikommunistischen Westdeutschen waren kämpferisch gegenüber der DDR. Während seiner Fernsehansprache am 25. Juli 1961 warnte J.F. Kennedy die Kommunisten, dass der Westen dazu bereit sei, Risiken zu nehmen, um die Stadt Berlin zu verteidigen. Er erklärte auch, dass Berlin das Muster für den Mut und die Willensstärke des Westens geworden sei. Berlin war nicht nur die Stadt, wo die USA, Großbritannien und Frankreich anwesend waren, sondern auch die NATO und die Einwohner von Berlin. Die Nachricht von Kennedy an den Osten war also deutlich: Wenn der Zugang zu Westberlin beschränkt würde oder die westlichen Sektoren eingenommen würden, dann würde der Westen kämpfen. Es war vor allem Chruschtschow, der Parteichef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), der auf diese Drohungen reagierte. Er wies darauf hin, dass der Krieg, den Kennedy scheinbar machen wollte, ein Nuklearkrieg sein würde und ganz Europa zerstören würde. Die Reaktion von Chruschtschow schloss sich an die Kampagne Ulbrichts an, weil dieser Westberlin abgrenzen wollte. Der Anlass dieser Kampagne war die große Anzahl der Ostberliner, die in den Westen flohen. Viele Fabriken und Büros waren leer durch ihren Auszug. Niemand wusste, welche Absicht das DDR- Regime hatte, aber die Bevölkerung der DDR fürchtete, vor allem nach dem Unterscheiben des Friedenvertrags zwischen der Sowjetunion und Ostdeutschland, dass alle Zugänge in dem Westen geschlossen würden. Nach dem Unterschreiben des Friedenvertrags wollte das SED- Regime nämlich alle Luft- und Landwege von und nach Berlin unter Kontrolle bringen, um auf diese Weise unter anderem die Fluchtwege abzuschließen. Auf die Frage einer Journalistin der Frankfurter Rundschau ("Bedeutet die Gründung einer freien Stadt, dass eine Staatsgrenze beim Brandenburger Tor errichtet werden würde?") auf einer Pressekonferenz in Ostberlin, antwortete der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht (http://www.lpb- bw.de/bau_der_mauer.html):

Ich verstehe Ihre Frage so: Dass es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR mobilisieren, um eine Mauer aufzurichten, ja? Eh, mir ist nicht bekannt, dass eine solche Absicht besteht, da sich die Bauarbeiter in der Hauptstadt hauptsächlich mit Wohnungsbau beschäftigen und ihre Arbeitskraft voll eingesetzt wird. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.

Die Anzahl der Flüchtlinge wuchs immer stärker (Taylor, 2006). Ulbricht wusste, dass die Situation in der DDR sich verschlechterte, und deswegen kam das Leben in der Republik ins Gedränge und würde bald zu einer Explosion führen. Chruschtschow und sein Oberbefehlshaber in Deutschland, Jacubowsky, hatten die Landkarte von Deutschland studiert

13 und die Folgen der Grenze zwischen den östlichen und westlichen Sektoren besprochen. Es war Chruschtschow, der die Zustimmung gegeben hatte, die Grenzübergänge in Berlin zu schließen. Ulbricht hatte bereits einen detaillierten Plan, wie er die Grenze abschließen wollte: Stacheldraht und Zäune würden heimlich nach Berlin gebracht werden, die wichtigsten grenzüberschreitenden Eisenbahnhöfe sollten gemauert werden und das alles an einem Sonntag. Es war Erich Honecker, der Sicherheitssekretär des Zentralkomitees der SED, der diese Operation, den Bau der Berliner Mauer, koordinieren musste. Es war die Absicht, dass nicht nur die westlichen Großmächte, sondern auch die eigene DDR-Bevölkerung überrascht würde. Vor dem offiziellen Befehl zum Bau der Mauer war es wichtig, dass die Schließung der Grenze so aussah, als ob sie eine defensive Aktion des Warschauer Pakts wäre. Der Warschauer Pakt war von 1955 bis 1991 ein Militärbündnis des Ostblocks unter Führung der Sowjetunion. Auf diese Weise war es für den Westen deutlich, dass die ganze kommunistische Welt die Operation des Baus der Mauer unterstützte. Ulbricht wies Chruschtschow darauf hin, dass die offene Grenze und der größere Wohlstand in Westdeutschland das ostdeutsche Regime dazu zwang, den Lebensstandard der eigenen Bevölkerung zu erhöhen. Sobald die Ostdeutschen in ihrem Land eingesperrt waren und nicht mehr in den Westen gehen konnten, konnte das Regime sich auf Einfachheit und Einschränkungen zu Lasten der Konsumenten konzentrieren, ohne sich Sorgen um die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung zu machen. Viele DDR-Bürger waren sich der Tatsache bewusst, dass es Zeit war zu fliehen. Am 11. August 1961 wurde die Volkskammer, das DDR-Parlament, einberufen, um alle notwendigen Maßnahmen für den Mauerbau zu genehmigen. In der Nacht vom 12. August begann die Schließung der Grenze. Die ganze Grenze entlang standen alle zwei Meter Wachposten, um Fluchtversuche zu vermeiden, während Grenztruppen, paramilitärische Milizen und Bauarbeiter die Straßen mit Stacheldraht, Zäunen und Betonblöcken verbarrikadierten. Von den 81 Grenzübergängen mussten 68 abgeschlossen werden und auch mussten alle 193 Straßen, die Ost- und Westberlin verbanden, geschlossen werden. 12 U- und S-Bahnlinien wurden bei den Grenzen abgeschnitten und 10 Bahnhöfe an oder in der Nähe der Grenze wurden geschlossen. Am 13. August 1961 war die Berliner Mauer gebaut, und Honecker hatte seinen größten organisatorischen Triumph erreicht.

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2.4 1961 - 1989: im Bann der Berliner Mauer

Für die Mehrheit der Bevölkerung kam eine Flucht nicht in Frage und sie sah sich deswegen nach dem Mauerbau gezwungen, mit der SED-Herrschaft zu leben (Hertle, 1998). Die SED hatte die Verfügungsgewalt über Ausbildungs- und Studienplätze, Arbeitsplätze, Wohnungen, Ferienreisen usw. Die Staatssicherheit griff ein, wenn jemand sich oppositionell oder widerständig verhielt. Nach dem Mauerbau wurden Besuchsreisen und Übersiedlungen in die Bundesrepublik fast vollständig verhindert. Im Jahre 1963 aber begannen Abgeordnete des Berliner Senates mit der DDR zu verhandeln, um für die Westberliner Besuchsrecht zu organisieren, so dass sie ihre Familie in der DDR besuchen konnten (Tyrions, 2009). Aus diesem Grund wurde am 17. Dezember 1961 das Passierscheinabkommen unterzeichnet. Dieses Passierscheinabkommen bedeutete eine Wende in der westdeutschen Politik gegenüber der DDR. Die Aufteilung Deutschlands war eine Tatsache, und diese konnte man besser erkennen und die Folgen für die Bevölkerung eindämmen. Bis 1966 gab es verschiedene Arten von Passierscheinabkommen: eine Übereinkunft für Weihnachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten. Ab 1966 konnte keine Übereinkunft mehr erreicht werden. Nur im Falle von "dringenden Familienangelegenheiten" wurden DDR-Bürgern Besuchsreisen in die Bundesrepublik oder nach Westberlin gestattet (Hertle). Die Reisegründe wurden 1972 auch auf Geburten, Eheschließungen, lebensgefährliche Erkrankungen und Sterbefälle von westdeutschen Verwandten beschränkt.

In Westdeutschland bedeutete der Mauerbau für Bundeskanzler Konrad Adenauer den Anfang vom Ende (Tyrions, 2009). Nur neun Tage später hatte er den Mut, sich in Westberlin sehen zu lassen. Der Bürgermeister von Westberlin, Willy Brandt, reagierte hingegen sofort. Er unterbrach seine Wahlkampagne, um bei seinen Bürgern in der Stadt zu sein. Dank dieser Haltung war Brandt (SPD) der große Sieger der Wahlen im Jahre 1961. Im Oktober 1963 hatte Adenauer sein Amt niedergelegt und Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders, wurde den neuen Bundeskanzler (CDU/CSU). Im Jahre 1965 bildete Erhard eine Koalition mit der liberalen FDP (die Freie Demokratische Partei). Die Bundesrepublik, und auch ganz Europa, wurde damals von einer Wirtschaftskrise betroffen. Die FDP war nicht mit der Antwort Erhards auf die Krise einverstanden und so endete die Koalition im Oktober 1966. Kurt Kiesinger wurde der neue Bundeskanzler der neuen Koalition, der sogenannten Großen Koalition: CDU/CSU und SPD. Brandt wurde Außenminister und bereitete seine Ostpolitik unter dem Slogan "Wandel durch Annäherung" vor. Eine Annäherung an die DDR und die

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Sowjetunion war aber nicht möglich mit den Christendemokraten in der Regierung. Als 1969 die Sozialdemokraten von der SPD die großen Sieger der Bundestagwahlen waren, konnten die SPD und FDP eine Koalition mit Brandt als Bundeskanzler bilden. Auf diese Weise konnte Brandt, zusammen mit seinem Strategen Egon Bahr, seine Ostpolitik durchführen, deren wichtigstes Ziel es war, die Beziehungen mit dem kommunistischen Ostdeutschland und mit Moskau zu verbessern. Vorsicht war aber durchaus geboten, um die Beziehungen mit den USA und Westeuropa nicht in Gefahr zu bringen. Die Ostpolitik war ein großer Erfolg und 1971 bekam Brandt den Friedensnobelpreis. Es stellte sich aber später heraus, dass seine idealistischen Vorhaben unrealistisch waren. Nach der Entlassung Brandts wurde Helmut Schmidt der neue Bundeskanzler. Anfang der siebziger Jahre musste er die erste Ölkrise unter Kontrolle haben und im Ausland war man neidisch gegenüber dem wachsenden deutschen Export.

In der DDR ersetzte Erich Honecker 1971 Ulbricht als Parteichef der SED (Tyrions, 2009). Er proklamierte die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik". Für ihn war die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage eine Bedingung für bessere soziale Einrichtungen. Der Lebensstandard und die Kaufkraft der Ostdeutschen mussten sich unbedingt erhöhen, um die Bevölkerung zufrieden zu halten und die Produktivität zu steigern. Zwischen 1970 und 1975 hatten die DDR-Bürger den höchsten Lebensstandard gegenüber allen Ostblockländern. Obwohl in der DDR der Unterricht und das Gesundheitswesen ausgezeichnet waren, tausende Wohnungen gebaut oder renoviert wurden, die Löhne stiegen usw., gab es noch viele Beschränkungen. Außerdem wurde jeder DDR-Bürger von der , der Staatssicherheit, scharf im Auge behalten. Alle Ostdeutschen wussten, dass sie bespitzelt wurden, und das sorgte dafür, dass sie ein unangenehmes Leben in der DDR hatten.

Anfang der 1980er hatten fast alle Familien in der DDR einen Kühlschrank, eine Waschmaschine und einen Fernseher (Tyrions, 2009). Trotz dieser Ereignisse lebte die DDR in einer Illusion des Wohlstands und musste dadurch immer mehr Produkte einführen. Diese Lage hat zu mehreren Krisen geführt, wobei die DDR mehr Geld ausgeben musste. Die DDR kannte einen großen Geldmangel und bat andere Länder, ihr Geld zu leihen, wodurch die DDR eine enorme Schuld hatte. Im Herbst 1989 war die wirtschaftliche Lage in der DDR katastrophal geworden.

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2.5 Der Fall der Berliner Mauer

Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer, das Symbol des Kalten Krieges. Diese Mauer war über Jahrzehnte der greifbarste Beweis für die Spaltung zwischen Ost- und Westberlin, zwischen der DDR und der Bundesrepublik und zwischen Ost- und Westeuropa (Tyrions, 2009).

Es war Politbüro-Mitglied1 Schabowski, der während einer Pressekonferenz verkündete, dass alle DDR-Bürger ohne Bedingungen, d.h. ohne Zulassung oder Visum, aus der DDR reisen konnten und nicht obligatorisch zurückkehren mussten (Knack, 2014). Die Beschränkungen für das Reisen in den Westen waren damit aufgehoben. Diese Regelung sollte eigentlich erst am folgenden Tag in Kraft treten. Doch Schabowski unterlief ein Missgeschick. Auf eine Frage eines Journalisten, wann diese neue Maßnahme in Kraft treten würde, antwortete Schabowski zögernd "Das trifft nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich". Diese Mitteilung war jedoch von den westlichen Presseagenturen anders verstanden worden (Tyrions, 2009). Associated Press und Reuters teilten der Welt mit, dass die Mauer offen war. Durch die Mitteilung dieser Presseagenturen hat die Tagesschau in der ARD (der westdeutsche TV-Sender) den deutschen Bürgern auch angekündigt, dass die Mauer offen war. Die DDR-Leitung war sich jedoch noch nichts bewusst. Gegen 9 Uhr 15 hatten sich am Grenzübergang der Bornholmer Straße bereits fünfhundert bis tausend DDR-Bürger versammelt. Die Grenzwächter waren total überfordert. Sie ließen einige Hitzköpfe die Grenze überqueren, aber so dachte die Masse, dass die Grenze offiziell geöffnet war. Die Nachricht über die "Öffnung der Mauer" verbreitete sich inzwischen weltweit. Gegen 22 Uhr bekommt auch Egon Krenz, Politiker der SED, diese Nachricht. Er hatte nur zwei Optionen: Entweder konnte er die Grenzen mit Gewalt sofort schließen lassen, oder er konnte die Grenzen geöffnet lassen. Er hatte sich entschlossen abzuwarten. In der DDR versuchte man mit aller Macht, die Bürger davon abzuhalten, bis an die Grenze zu gehen. Die Mühe war vergebens, spätestens als die westdeutsche Tageschau in der ARD mitteilte, dass der 9. November ein historischer Tag war und die Grenzen offen waren. Tausende DDR-Bürger haben die Grenzposten an der Bornholmer Straße überlaufen. Gegen Mitternacht waren alle Grenzübergänge zwischen Ost- und Westberlin geöffnet. Die Mauer war gefallen.

1 Das Politbüro ist das höchste Organ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und dadurch Machtzentrum der DDR.

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Während der ganzen Nacht blieb es an der politischen Seite der DDR still (Tyrions, 2009). Das kommunistische Regime war noch hinten den Tatsachen zurück geblieben. Am nächsten Morgen hatte die Nachricht auch Moskau erreicht. Der sowjetische Botschafter Kotsjemassov forderte Egon Krenz auf, Gorbatsjov alles zu erklären. Am Nachmittag stellte man in Moskau fest, dass die Ereignisse in Berlin eine inländische Angelegenheit der DDR waren. Das bedeutete, dass die Sowjetunion nicht militärisch in der DDR eingreifen würde.

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3 DAS BILD ÜBER DEUTSCHLAND

In diesem Kapitel wird das Bild über Deutschland aus einer flämischen Perspektive besprochen. Das Kapitel basiert auf dem Buch Dominant Duitsland von Dirk Rochtus (2013). Als Deutschland 1871 ein Kaiserreich wurde, betrachteten die anderen europäischen Großmächte das vereinigte und stärkere Deutschland als eine Bedrohung und eine Gefahr. Die zwei Weltkriege haben die Versuche von Deutschland, eine mächtige Wirtschaft in Europa zu werden, vereitelt. Heutzutage stellen sich viele dieselbe Fragen wie Rochtus: Dominiert Deutschland Europa heute dank der Eurokrise? Existiert der deutsche Drang zu herrschen nicht nur in der Einbildung Europas?

Deutschland ist geografisch in der Mitte Europas situiert und ist deswegen schon lange Zeit eine gefürchtete Macht für die anderen europäischen Großmächte. Vor dem Ersten Weltkrieg haben diese versucht die Macht Deutschlands zu mäßigen anhand von Diplomatie, Allianzen und Rüstungsbegrenzung, und nach dem Zweiten Weltkrieg anhand von Westbindung, d.h. anhand der Integration der Bundesrepublik in die Europäischen Gemeinschaft, die spätere Europäische Union und die NATO, zu bändigen. Als Deutschland nach dem Fall der Berliner Mauer den Traum der deutschen Einheit hatte, diskutierten der französische Präsident François Mitterrand und die britische Premierministerin Margaret Thatcher miteinander über die Frage, wie sie die größere und stärkere Bundesrepublik am besten im Zaum halten konnten. Mitterrand bevorzugte Einbindung, weil mehr Deutschland auch mehr Europa, mehr Integration und das Zustandekommen einer Wirtschafts- und Währungsunion bedeuten würde. Deutschland würde seine politische Souveränität zurückbekommen, aber seine monetäre abgeben. Das war der historische Deal zwischen Mitterrand und Kohl: Die deutsche Einheit im Tausch für den Euro. Thatcher distanzierte sich von der Eurozone, weil sie fürchtete, dass Deutschland die Wirtschafts- und Währungsunion dominieren würde.

Eurokrise

Einige Jahre vor der Eurokrise haben die südeuropäischen Länder gierig deutsche Produkte gekauft. Dank des Exports konnte Deutschland in den ersten Jahren nach der Gründung der Währungsunion seine eigene schwache Binnennachfrage kompensieren. Da Deutschland viel Wert auf Währungsstabilität legte und die Inflation niedrig hielt, spielte das Land eine dominierende Rolle innerhalb der Währungsunion. Die Bewunderung für Deutschland ist

19 groß, nicht nur für seinen Fleiß und seine Disziplin, sondern auch für seine konkreten politischen Maßnahmen. Das Bild eines starken Deutschlands wird durch die Einwanderungs- welle aus Südeuropa bestätigt. Viele junge Menschen aus Spanien, Portugal, Italien und Griechenland lernen Deutsch und so ist Deutschland wieder der kulturelle und wirtschaftliche Magnet wie vor der Naziperiode geworden.

Nation

Seit den Ereignissen des Dritten Reiches ist das Wort "Nationalismus" in Deutschland Tabu geworden. Nationalismus wird in Deutschland mit nationaler Selbstsucht, Chauvinismus und Rassismus gleichgesetzt. Hitler wollte aus dem Konzept, dass bestimmte rassisch definierte Großmächte die dominierende Rolle in einer bestimmten Region oder in einem bestimmten Kontinent sein mussten, wie zum Beispiel Deutschland in Europa oder Japan in Ostasien, die deutsche Nation zu einem Imperium ausbauen. Die Abneigung gegen die Nation führt manchmal aus zu Hass. Ein Beispiel davon war das Ereignis am 10. April 2013 an der Berliner Universität. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wollte über die Bundeswehr und ihren Beitrag zur "Kohäsion in der Gesellschaft" sprechen. Sein Vortrag wurde aber von Dutzenden linken Studenten unterbrochen, die den Minister ausbuhten. Sie brüllten "Nie wieder Deutschland!" und "Deutschland ist Scheiße!".

Europa

Wenn von der Rolle Deutschlands in Europa die Rede ist, gibt es immer die Diskussion ob Deutschland in die Richtung eines europäischen Deutschlands oder eines deutschen Europas geht. Mit anderen Wörtern, wird Deutschland ein Land wie die anderen europäischen Länder werden und so dieselben europäischen Regeln und Gesetze einhalten oder wird Deutschland sich erneut als die einige Großmacht in Europa manifestieren wollen? In seiner seit langem erwarteten Rede am 22. Februar 2013 hielt der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck die Angst von vielen in Europa gegenüber Deutschland für überzogen. Er steht ganz in der Tradition der Europapolitik der Bundesrepublik. Gauck betonte, dass mehr Europa ein europäisches Deutschland bedeutete. Die Erfahrungen mit dem deutschen Nationalismus sorgten dafür, dass Politiker wie Gauck sich für noch mehr innere Vereinheitlichung innerhalb von Europa aussprechen, z.B. auf finanzieller und wirtschaftlicher Ebene, aber auch auf der Ebene der Außenpolitik, Ökologie, Einwanderung und Gesellschaft.

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Europa war ursprünglich als Projekt gedacht, den Nationalismus zu besiegen, aber heutzutage besteht die Gefahr, dass Europa selbst nationalistisch wird und dabei keine Konkurrenz duldet. Diese Art von Europa ist zum Glück noch nicht erreicht und die Nationen spielen heutzutage immer mehr oder weniger ihre Rolle. Deutschland dominiert, weil es in Europa den größten Einfluss auf die wirtschaftlichen Integrationsprozessen und den institutionellen Rahmen ausübt. Aber die deutsche Dominanz ist nicht etwas, nach dem die Deutschen selbst bewusst streben. Laut Rochtus existiert sie nur in den Köpfen der Europäer.

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4 FRAMING

4.1 Definitionen von Framing

Dieses Kapitel umfasst eine theoretische Grundlage für die eigentliche Untersuchung, die sich mit der Frage befasst, welches Bild vom Berliner Mauerfall in den flämischen Zeitungen De Standaard und De Morgen in unterschiedlichen Jahren vermittelt wird, mit anderen Worten, wie der Berliner Mauerfall in diesen Zeitungen geframet wird.

In den letzten Jahren ist die Framing-Theorie der meist verwendete Forschungsansatz im Bereich der Kommunikationswissenschaft (Bryant & Miron, 2004, zitiert in Van Gorp, 2007, S. 60). Die Herkunft des Framing-Konzeptes liegt aber in der kognitiven Psychologie von Barlett (1932) und in der Anthropologie von Bateson (1955/1972). Auch andere Disziplinen, wie die Soziologie, Wirtschaft, Linguistik und Politikforschung, haben sich schnell mit dem Framing-Konzept beschäftigt. In dieser Masterarbeit wird Framing im Bereich der Kommunikationswissenschaft und Medien besprochen.

Das Konzept Framing zeigt, wie die Kommunikation von Informationen, z.B. durch eine Nachricht, das Bewusstsein der Menschen beeinflusst (Entman, 1993, S. 51-52). Weiter haben Frames mindestens vier Positionen im Kommunikationsprozess: der Sender, der Text, der Empfänger (z.B. der Leser) und die Kultur. Die Nachrichter machen bewusst oder unbewusst Urteile anhand von Frames. Der Text enthält Frames, in denen Schlüsselwörter, Stereotypen usw. vorhanden sind, die Tatsachen oder Urteile verstärken. Diese Frames beeinflussen die Gedanken und Konklusionen der Empfänger (z.B. der Leser). Zum Schluss kann Kultur als eine empirisch nachweisbare Reihe gemeinsamer Frames definiert werden, die im Diskurs und in der Kognition der meisten Menschen angesiedelt sind (Entman, 1993).

Laut Matthes (2009, S. 350) gibt es zwei Typen von Definitionen für Framing. Der erste Typ sind allgemeine Definitionen, die das Konzept Framing ohne klare Richtlinien als eine operationalization beschreiben. So definiert Gitlin (1980, S. 6) Frames als "principles of selection, emphasis, and presentation composed of little tacit theories about what exists, what happens, and what matters". Gamson & Modigliani (1987, zitiert in Matthes & Kohring, 2008, S. 264) betrachten Frames als "a central organizing idea or story line that provides meaning to an unfolding strip of events". Laut Matthes & Kohring (2008) stehen diese zwei

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Definitionen beim Verstehen des Framing-Verfahrens zentral, aber sie führen nicht zu einer praktikablen Definition von Medienframes. Der zweite Typ sind Definitionen, die operationelle Richtlinien spezifizieren, d.h. was Frames im Allgemeinen machen, wie Probleme definieren, moralisch urteilen und Hilfsmittel unterstützen. Laut Matthes & Kohring (2008) sind solche Definitionen praktikabler und deswegen haben diese Autoren für ihre Untersuchung die Definition von Entman gewählt:

To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described (Entman,1993, p. 52).

Das bedeutet, dass ein Frame vier Funktionen hat: Probleme definieren, deren Ursachen feststellen, moralisch urteilen und zum Schluss Lösungen vorschlagen. Diese praktikable Definition wird auch in dieser Masterarbeit verwendet.

4.2 Die Analyse von Frames

Medienframes organisieren die Welt nicht nur für Journalisten, die über die Welt berichten, sondern auch für uns, die ihren Berichten vertrauen (Gitlin, 1980). Laut Gitlin (1980, S. 7) sind Medienframes "persistent patterns of cognition, interpretation, and presentation, of selection, emphasis, and exclusion, by which symbol-handlers routinely organize discourse, whether verbal or visual". Frames ermöglichen Journalisten, große Mengen an Informationen schnell und routinemäßig zu verarbeiten. Frames sind unvermeidlich und Journalisten regulieren die Produktion von Frames. Beim Analysieren von Frames sind die folgenden Fragen wichtig zu beachten: Welches Frame gibt es hier? Warum dieses Frame? Welche Muster werden durch dieses Frame geteilt?

Laut Matthes (2009) ist es beim Analysieren von Frames wichtig zu wissen, ob (1) die Analyse textbasiert oder zahlenbasiert ist, ob (2) die Frames induktiv oder deduktiv sind, ob (3) die Codierung manuell oder mithilfe eines Computers automatisiert erfolgt, und ob (4) Techniken zur Datenreduktion verwendet werden, um Frames aufzudecken. Die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der beiden Wertigkeiten dieser vier Merkmale können zu verschiedenen methodologischen Ansätzen führen. Matthes & Kohring (2008, S. 259-263) unterscheiden fünf verschiedene Ansätze, um Medienframes zu analysieren.

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Die erste Methode (Matthes & Kohring, 2008, S. 259) ist der hermeneutische Ansatz. Forscher versuchen in ihren Studien, Frames zu interpretieren, indem sie Medientexte mit weiteren kulturellen Elementen in Verbindung bringen. Diese qualitative Methode hat als Vorteil, dass die meisten Studien gut dokumentiert sind. Der Nachteil ist aber, dass es ziemlich schwierig ist, zu überprüfen, wie die Frames aus dem Material extrahiert worden sind.

Die zweite Methode (S. 260) ist der linguistische Ansatz. Studien, die diese Methode verwendet haben, haben Frames durch die Analyse der Auswahl, der Anordnung und der Struktur spezifischer Wörter und Sätze in einem Text identifiziert. Die Grundidee dieser Methode ist, dass spezifische Wörter die Bausteine von Frames sind (Entman, 1993). Der detaillierteste linguistische Ansatz ist dieser von Pan & Kosicki (1993). Diese Autoren unterscheiden vier strukturelle Dimensionen, die die Bildung von Frames beeinflussen (Scheufele, 2006): (a) syntaktische Strukturen oder Muster in den Anordnungen von Wörtern oder Sätzen (Syntax), (b) skript-Strukturen, die auf das allgemeine Nachrichtenwert eines Ereignisses hinweisen, sowie die Absicht um Nachrichten und Veranstaltungen an das Publikum zu kommunizieren, die ihre begrenzte sinnliche Erfahrungen übersteigen (Script), (c) thematische Strukturen, die die Tendenzen der Journalisten reflektieren um kausale Erklärungen aufzulegen oder durch Beobachtungen mit dem direkten Zitat einer Quelle zu verbinden (Thema) und (d) rhetorische Strukturen, die auf die "stilistischen Auswähle der Journalisten im Hinblick auf ihre beabsichtigten Wirkungen" hinweisen (Rhetorik). Diese zweite Methode hat als Vorteil, dass die Medientexte systematisch und detailliert analysiert werden. Der Nachteil ist aber die Komplexität der Methode.

Der manuelle holistische Ansatz ist die dritte Methode (S. 260). Mit dieser Methode kommen Frames nach einer qualitativen Analyse einiger neuen Texte zustande und danach werden diese Frames als holistische Variablen codiert, d.h. sie werden in einem sogenannten Codebuch definiert und werden dann in einer quantitativen Inhaltsanalyse codiert. Genau wie in der hermeneutischen Methode hängt die Gültigkeit dieser Methode vor allem von der Transparenz ab, wie Frames extrahiert worden sind. Außerdem, wenn die Forscher die Kriterien für die Identifikation von Frames nicht definieren, dann entsteht das Risiko, dass Untersuchungsframes und nicht die gewünschten Medienframes extrahiert werden.

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Die vierte Methode (S. 261) ist der automatisierte Ansatz, d.h. Frames werden durch einen Computer gefunden. Miller (1997, zitiert in Matthes & Kohring, 2008, S. 261) schlägt dabei das sogenannte "Frame mapping" vor. Laut Entman (1993) steht bei diesem Ansatz die Idee im Mittelpunkt, dass Forscher versuchen, Frames zu identifizieren, indem sie spezifischen Wortschatz in Texten untersuchen. Miller (1997) beschreibt "Frame mapping" als eine Methode, die nach bestimmten Wörtern sucht, die in einigen Texten gemeinsam auftreten und in anderen Texten nicht. Wörter, die gemeinsam in Texten auftreten, werden anhand eines Clusteralgorithmus identifiziert. Der Vorteil dieser Methode ist die Objektivität im Extrahieren. Diese Methode hat aber auch drei Nachteile. Erstens, diese Methode nimmt an, dass ein Wort und ein Satz in allen Kontexten immer dieselbe Bedeutung haben. Laut Conwell (2006, zitiert in Matthes & Kohring, 2008, S. 262) sind Menschen aber besser in der Lage, unterschiedliche Bedeutungen zu analysieren. Zweitens, die Analyse dieser Methode beschränkt sich nur auf elektronische Texte. Drittens, einige Studien, die diese Methode benutzt haben, haben nicht immer verdeutlichen können, wie die Frames gefunden wurden.

Die Frames aus den ersten vier Methoden sind induktiv. Der induktive Ansatz umfasst die Analyse einer Nachricht mit offenem Blick, um die Reihe von möglichen Frames versuchen zu zeigen, beginnend mit sehr flüchtigen definierten Vorurteile von diesen Frames (Semetko & Valkenburg, 2000). Es gibt aber auch einige deduktive Studien, die vor allem Frames aus der Literatur ableiten und in einer standardisierten Inhaltsanalyse codieren. Der deduktive Ansatz beinhaltet, dass einige Frames als inhaltanalytischen Variablen vorgegeben werden, die überprüfen wie Frames in den Nachrichten auftreten. So werden zum Beispiel in einer herausragenden deduktiven Untersuchung von Semetko & Valkenburg (2000) fünf Frames unterschieden (S. 95-96): das Konfliktframe, das Human-Interestframe, das Wirtschaftsframe, das Verantwortlichkeitsframe und das Moralframe.

Alle fünf Ansätze haben Überschneidungen (Matthes & Kohring, 2008). So nutzen z.B. viele Untersuchungen eine Mischung von induktiven und deduktiven Untersuchungsstrategien. Die fünf Ansätze helfen zu verstehen, was Frames sind und wie diese gemessen werden können. Das Problem laut Van Gorp (2007) ist aber, dass es oft nicht klar ist, welche Elemente in einem Zeitungsartikel oder in einer Nachricht vorhanden sein sollen, um die Existenz eines Frames zu bezeichnen. Auch Gamson (1989, zitiert in Matthes & Kohring, 2008, p. 263) erkennt dieses Problem. "We know from years of content analysis that it is difficult, if not impossible, to get adequate reliability with such a genotypic category as a frame."

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4.3 Framing devices und reasoning devices

Literatur über Framing vermittelt den Eindruck, dass Frames in verschiedenen Bereichen in der Kommunikation wahrgenommen werden können: im Bewusstsein der Medienmacher und der Zielgruppe, im Medieninhalt und in der Kultur (Entman, 1993). Van Gorp (2007) weist darauf hin, dass Frames überall anwesend sind, aber niemand weiß genau, wo sie anfangen und enden. Deswegen weist er auf Goffman (1974, 1981) hin, der sagt, dass "Frames are a central part of a culture and are institutionalized in various ways". Das heißt, dass Kulturen Überzeugungen, Codes, Mythen, Stereotypen, Werte, Normen, Frames usw. haben, die im kollektiven Gedächtnis einer Gruppe oder einer Gesellschaft geteilt werden. Obwohl Individuen allein nicht in der Lage sind, diese kulturellen Phänomene zu ändern, verwenden sie diese kulturellen Phänomene genau so, wie die Medien diese in ihrem Medieninhalt verwenden und ihrem Publikum präsentieren.

Während des Frameprozesses sind Frames in dem Medieninhalt eingebettet, d.h. Journalisten stellen die Nachricht so auf, dass viele Elemente auf das Frame verweisen (Van Gorp, 2007). Jedes Frame, das ein Journalist in einem Text verwendet hat, kann als ein "Frame Package", ein Bündel von logischen organisierten Devisen, repräsentiert werden. Solch ein Package bietet eine Reihe von verschiedenen Symbolen, die das Kern-Frame und die Positionen in Kurzform vorschlagen und die es ermöglichen, das Package als Ganzes mit einem geschickten Metapher, Schlagwort oder anderen symbolischen Devisen zu zeigen (Gamson & Modigliani, 1989).

Das Frame zeigt sich im Medieninhalt über verschiedene sogenannte framing devices. Dieser englische Begriff wurde 1983 von Gamson und Lasch entwickelt und bezieht sich auf Wortwahlen, Metaphern, Beispiele, Beschreibungen, Argumente und visuelle Bilder. Alle Devisen werden anhand von einem zentralen Thema zusammengehalten und bilden so ein "Frame Package" mit einer kohärenten Struktur. Frames umfassen nicht nur framing devices, sondern auch reasoning devices. Laut Gamson & Modigliani (1989) weisen framing devices darauf hin, wie man über ein Problem denken soll und reasoning devices rechtfertigen was dagegen getan werden soll. Reasoning devices sind explizite und implizite Aussagen, die Rechtfertigungen, Ursachen und Folgen in einer zeitlichen Reihenfolge behandeln und auf diese Weise das "Frame Package" ergänzen (Gamson & Lasch, 1983; Gamson & Modigliani, 1989, zitiert in Van Gorp, 2007, S. 64). Diese reasoning devices betreffen die vier Funktionen

26 eines Frames, die in der Definition von Entman (1993) erklärt werden. Gamson & Modigliani (1989) sprechen aber nur über drei reasoning devices: die Wurzeln oder Ursprung (d.h. eine Ursachenanalyse), die Konsequenzen (d.h. ein bestimmter Effekt) und die Versuchung zu Prinzip (d.h. eine Reihe von moralischen Ansprüchen).

Der Zusammenhang zwischen Framing und reasoning devices in einem Text einerseits und in dem konkreten Frame andererseits kommt während der Interpretation einer Nachricht durch den Journalisten oder das Publikum zustande (Van Gorp, 2007). Das "Frame Package" schlägt eine Definition, eine Erklärung, ein Problem und eine Beurteilung des Ereignisses vor, und dies resultiert in einigen logischen Ergebnissen, zum Beispiel wer für ein Problem verantwortlich ist. Auf diese Weise bieten die Medien dem Publikum nicht nur Informationen über ein Ereignis, sondern auch darüber, wie dieses Ereignis interpretiert werden soll. Deshalb gehört Framing zur Metakommunikation. "(...) the frame specifies the relationship between a number of connected elements in a text on the basis of which an issue or a topic may be defined and understood" (Bateson, 1955/1972, zitiert in Van Gorp, 2007, S. 65).

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5 FORSCHUNGSFRAGESTELLUNG

Auf der Grundlage eines kurzen Überblicks der Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und einer theoretischen Grundlage des Framings, lautet die zentrale Forschungsfragestellung dieser Masterarbeit: Welches Bild vom Berliner Mauerfall wird in den flämischen Zeitungen De Standaard und De Morgen in unterschiedlichen Jahren, d.h. in den Jahren 1999, 2004, 2009 und 2014, vermittelt? Diese vier Jahre sind Intervalle gegenüber 1989. Das heißt, sie stehen für zehn, fünfzehn, zwanzig bzw. fünfundzwanzig Jahre nach dem Berliner Mauerfall.

Neben der Forschungsfragestellung gibt es auch einige Hypothesen. 1. In De Morgen wird, wegen der eher linken Ausrichtung der Zeitung, die Berliner Mauer als ein negativeres Ereignis für die Ostdeutschen geframet werden. 2. De Standaard wird, wegen der eher rechten Ausrichtung der Zeitung, positiver über Westdeutschland berichten als De Morgen. 3. Die Berichterstattung über das Ereignis von 1989 wird sich im Laufe der Jahre inhaltlich unterscheiden.

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6 ABGRENZUNG FORSCHUNGSMATERIAL

6.1 Forschungseinheiten

De Standaard

De Standaard wurde in Flandern lange Zeit als die einzige Qualitätszeitung betrachtet. Als De Morgen sich aber vor einigen Jahren auch mehr und mehr als eine qualitativ hochwertige Zeitung profilierte, war der Wettbewerb zwischen beiden Zeitungen unvermeidlich. De Standaard wurde anfänglich vom Verlagshaus Corelio herausgegeben. Mitte 2013 entstand das Mediahuis, eine Fusion von Corelio und Concerto. Deswegen gibt es heutzutage zwei Mediengruppen in Flandern: Mediahuis und De Persgroep. De Standaard wird jetzt vom Verlagshaus Mediahuis und De Morgen vom Verlagshaus De Persgroep herausgegeben.

De Standaard wurde von höheren sozialen Gruppen in Flandern gelesen. Ihr Leserkreis war jahrelang relativ alt, aber in den letzten Jahren gibt es eine Verjüngung der Leser. Im Allgemeinen ist der Leserkreis älter im Vergleich zum Leserkreis der Zeitung De Morgen. De Standaard ist immer eine ausgesprochene pro-flämische Zeitung gewesen. So prangte das Symbol AVV/VVK ("Alles für Flandern, Flandern für Christus") mehr als 80 Jahre auf der Titelseite der Zeitung. 1999 strich die Zeitung das Symbol. Der damalige Chefredakteur Peter Vandermeersch beschrieb das Symbol als "eine Fahne, unter der die Zeitung nicht ins 21. Jahrhundert eingehen konnte" (De Bens & Raeymaeckers, 2007). Die Auflage der Zeitung De Standaard im März 2014 war 100.769 Zeitungen (http://www.mensenrecht.be/node/4669). Der heutige Chefredakteur ist Karel Verhoeven.

De Morgen

1885 wurde Vooruit und 1914 Volksgazet gegründet, zwei sozialistische Parteizeitungen (De Bens & Raeymaeckers, 2007). Im Jahre 1978 wurden beide Zeitungen zu einer nationalen Zeitung, De Morgen, verschmolzen; Paul Goossens war damals Chefredakteur. Man wollte nämlich eine neue Zeitung lancieren, ein "progressives Tagesblatt für Flandern". Der Betrieb hatte 1986 Konkurs gemacht, aber kurz danach wurde die AG De Nieuwe Morgen gegründet, die die Zeitung, dank der Unterstützung von Lesern und Sympathisanten, erneut publizieren konnte. 1989 wurde De Morgen vom Verlaghaus De Persgroep herausgegeben. De Morgen

29 wurde am meisten in Antwerpen und vor allem von höheren sozialen Gruppen gelesen. Die Auflage im März 2014 war 53. 429 Zeitungen (http://www.mensenrecht.be/node/4669). Der heutige Chefredakteur ist Yves Desmet.

6.2 Datensammlung

Diese Untersuchung umfasst zwei verschiedene Teile: die ideologische Orientierung der Zeitungen einerseits und die ideologische Orientierung der Zeit andererseits. Das bedeutet, De Morgen wird eher als eine linke, sozialistische Zeitung betrachtet. Die ideologische Orientierung von De Standaard ist komplizierter. De Standaard war lange Zeit die Zeitung für die flämischen Katholiken, aber heutzutage ist diese Zeitung weder völlig links noch völlig rechts ausgerichtet. Deswegen wird in dieser Masterarbeit von einem Spectrum gesprochen, wobei De Standaard mit einer eher rechten Ausrichtung als De Morgen bezeichnet wird.

Der Fall der Berliner Mauer wird in vier unterschiedlichen Jahren vermittelt: 1999, 2004, 2009 und 2014. Diese vier Jahre stehen für zehn, fünfzehn, zwanzig bzw. fünfundzwanzig Jahre nach dem Berliner Mauerfall. Vor allem in diesen Jahren wurde des Berliner Mauerfalls gedacht. Es war ursprünglich die Absicht auch Zeitungsartikel aus 1994 zu analysieren, aber De Standaard und De Morgen haben ihre Archive erst seit 1998 veröffentlicht.

Die Berliner Mauer war am 9. November 1989 gefallen und deswegen wurden alle Zeitungsartikel in den vier Jahren im Monat November versammelt. Die meisten relevanten Zeitungsartikel über dieses Ereignis wurden nämlich im November geschrieben. Das ganze Korpus umfasst 64 Zeitungsartikel: 29 aus De Morgen und 35 aus De Standaard. Alle Zeitungsartikel wurden aus der Datenbank Gopress Academic versammelt mit den Stichwörtern "Berlin" AND "Mauer". Abbildung 6.1 zeigt die Anzahl der versammelten Zeitungsartikel.

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Anzahl Zeitungsartikel

14 12 10 8 6 De Standaard 4 De Morgen

Zeitungsartikel 2 0 Anzahl der versammelten 1999 2004 2009 2014 Jahr (Monat November)

Abbildung 6.1 Die Anzahl der versammelten Zeitungsartikel

Aus Abbildung 6.1 zeigt sich, dass in den Jahren 1999 und 2009 mehr Zeitungsartikel über das Thema geschrieben wurden als in den Jahren 2004 und 2014. Das bedeutet, dass die Presse lieber über die Gedenkfeier der Berliner Mauer zehn und zwanzig Jahre nach dem Fall berichtet hat als über die nicht runden Jahrestage. Aus Abbildung 6.1 stellt es sich auch heraus, dass vor allem De Morgen wenig Zeitungsartikel über die Berliner Mauer fünfzehn und fünfundzwanzig Jahre nach dem Fall publiziert hatte.

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7 FORSCHUNGSMETHODE

Für diese Masterarbeit wird eine induktive qualitativ-interpretierende Inhaltsanalyse angewendet. Diese Inhaltsanalyse ist eine Kombination von zwei methodologischen Ansätzen von Matthes & Kohring (2008, S. 259-263), Medienframes zu analysieren und zu interpretieren, dem hermeneutischen und dem linguistischen Ansatz. Im ersten Teil der Analyse (die hermeneutische Methode) werden kulturhistorische Elemente analysiert. Der zweite Teil (die linguistische Methode) umfasst zwei Forschungsschritte. Erstens werden mit dem Programm TextSTAT Wortfrequenzlisten generiert (siehe Anhang 2). Das heißt, ich werde erst Wortfrequenzlisten aller Artikel machen, dann die meist vorkommenden Wörter2 (aus den Wortfrequenzlisten) in den Artikeln markieren, und danach werde ich die Artikel lesen, der Kontext der markierten Wörter ansehen und sie mit dem Kontext derselben Wörter in anderen Artikeln vergleichen. Mit dem Kontext meine ich eine Anzahl von Sätzen vor und nach dem Satz mit dem Wort aus der Wortfrequenzliste. Ist der Kontext eines Wortes in allen Artikeln derselbe, oder nicht? Gibt es einen Unterschied im Kontext eines Wortes zwischen den Artikeln von De Morgen und De Standaard? Zweitens wird eine Analyse der spezifischen Wörter, die die Bausteine von Frames sind, gemacht. Das bedeutet, dass im Medieninhalt nach Elementen mit einem Frame, den sogenannten framing devices, gesucht wird. Es wird dabei auf die Wortwahl, sowie auf bestimmte Metaphern, Beispiele, Beschreibungen, Argumente und visuelle Bilder geachtet. Im zweiten Teil der Analyse wird nicht nur analysiert, wie die framing devices angewendet werden, sondern auch in welchem Kontext sie auftauchen.

Van Gorp (2007) spricht von einem "Frame Package". Das bedeutet, dass Frames nicht nur framing devices, sondern auch reasoning devices umfassen. Diese reasoning devices betreffen die vier Funktionen eines Frames, die in der Definition von Entman (1993) erklärt werden (siehe 4.1). In dieser Masterarbeit wird also nach einer Problem-Definition, einer Ursache, einem moralischen Urteil und einer Lösung gesucht.

Um die framing devices zu identifizieren wird der Kodierungsprozess von Van Gorp (2006: 104-106) angewendet, der in drei Phasen verlief: offen kodieren, axial kodieren und selektiv kodieren. Van Gorp gibt für das offene Kodieren fünf strukturellen Dimensionen eines Textes

2 Wörter die mindestens dreimal in einem Artikel stehen, werden als relevant betrachtet.

32 an, aber in meinem Kodierungsprozess werden die versammelten Zeitungsartikel anhand der vier von Pan & Kosicki (1993) unterschiedenen strukturellen Dimensionen analysiert. Mit diesen Dimensionen sind die syntaktische Struktur, die skript-Struktur, die thematische Struktur und die rhetorische Struktur gemeint (siehe 4.2). In der Phase des axialen Kodierens wurde die Information aus den Zeitungsartikeln auf einer Achse mit unterschiedlichen Diskurslinien gesetzt. In der letzten Phase, d.h. in der des selektiven Kodierens, werden die Feststellungen des offenen und axialen Kodierens in einem Framematrix zusammengebracht.

Das folgende Kapitel enthält die Forschungsergebnisse. Alle Daten und Ergebnisse kommen aus den versammelten Zeitungsartikeln des Zeitungskorpus. Die Zahl, die in einem Absatz hinter einem Zitat oder einem Satz steht, stimmt mit der Zahl, die jeder Artikel bekommen hat, überein. Jeder Artikel ist einfach in der Anlage 1 zu finden.

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8 FORSCHUNGSERGEBNISSE

Dieses Kapitel umfasst zuerst eine Einleitung. Danach folgt die Besprechung der drei gefundenen Frames. Neben diesen drei Frames sind auch zwei interessante Beobachtungen entdeckt worden. Diese Beobachtungen können als frameähnliche Denkrahmen bezeichnet werden, aber da beide Erkenntnisse nicht ausführlich in beiden Zeitungen besprochen waren, werden sie nicht als ein Frame betrachtet, sondern als ein interessantes Ergebnis an sich. In dieser Masterarbeit wird ein Frame nämlich als ein Frame bezeichnet, wenn es inhaltlich auf beide Zeitungen abzielt. Das ist nicht der Fall mit den zwei Erkenntnissen. Außerdem muss laut Cappella & Jamieson (1997) ein Frame vielfach in der Berichterstattung vorkommen, um als ein Frame betrachtet werden zu können. In dieser Masterarbeit handelt es sich um die Berichterstattung der beiden Zeitungen.

8.1 Einleitung: Die Geschichte wird nicht gelöscht

Angela Merkel: "Die Ereignisse von 1989 zeigen, dass die Welt sich zum Besseren ändern kann. Ungeachtet einer Wand der Diktatur, der Gewalt oder der Ideologien, solche Wände können immer eingerissen werden." (Artikel 3, 2014, DM)

1999 war der zehnte Jahrestag des Falls der Berliner Mauer (Artikel 6, 1999, DM). Mehr als 28 Jahre hatte die gehasste Mauer die Stadt in zwei Teile geteilt. Das Volk ging massenhaft zum Brandenburger Tor, dem Symbol von Berlin. 2009, 20 Jahre nach dem Fall, hielt die Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Rede am Brandenburger Tor. Alle 27 Staats- und Regierungschefs der Mitglieder der Europäischen Union waren beim offiziellen Fest anwesend. Die Ehrengäste waren: der ehemalige Bundeskanzler Kohl, Gorbatschow und der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten George W. Bush Sr. Anlässlich der Gedenkfeier wurde 2009 eine Mauer von 1000 Dominosteinen mit Friedensbotschaften und Freiheitsslogans gebaut (Artikel 9, 2009, DS). Der Domino-Effekt, ein Hoffnungsbild, stand für die vielen mutigen Individuen, die den Fall ermöglicht hatten (Artikel 6, 2009, DS). Sie waren die Hauptpersonen von 1989, die diese symbolische Mauer umgeworfen hatten (Artikel 7, 2009, DS). Die Gedenkfeier erlebt ihre Apotheose mit dem Fest der Freiheit.

Auch 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, die Mauer der Schande, die die ganze DDR-Bevölkerung in einem Freiluftgefängnis festhielt, wurde an dieses Ereignis immer noch erinnert. Beim Einheitsfest standen Frieden und Freiheit zentral (Artikel 3, 2014, DM).

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Zehntausende Menschen betrachteten die sogenannte Lichtgrenze mit 7 000 erleuchteten Ballons über einen Abstand von 17 Kilometern.

Auf Deutsch sagt man: "Hinterher ist man immer schlauer." (Artikel 2, 2014, DS). Das bedeutet, das man im Nachhinein gut reden hat. Eine große Anzahl der Menschen sagt, dass sie das ganze Ereignis mehr oder weniger kommen gesehen hat. Aber niemand hat es tatsächlich gesehen: nicht die Spione, nicht die Experten, nicht die Politiker... Natürlich gab es einige, die davon überzeugt waren, dass die Mauer einmal fallen und Deutschland wiedervereinigt würde, aber wann und vor allem wie, das hat jeden überrascht.

Der Fall der Mauer wird immer das Ende des Kalten Krieges, das Ende der Ost-West- Konfrontation, die vor fünfzig Jahren die Weltbühne beherrschte, den Beginn der Vereinigung des großen Europas und in diesem Kontinent den einzigen großen Machtwechsel, der keine Millionen Toten forderte, symbolisieren (Artikel 8, 2009, DS). Es wird auch eine der seltenen Revolutionen bleiben, bei denen das Volk wirklich Regimewände umgeworfen hatte.

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8.2 Frames

Jedes gefundene Frame wird mit einer inhaltlichen Besprechung analysiert. Nach dieser Besprechung folgt eine Tabelle mit den Framing Devices, d.h. die Sprachelemente, die verwendet sind, um das Frame auszubauen.

8.2.1 Frame 1 Ossis und Wessis, noch nicht ein Volk

8.2.1.1 Analyse 1999

De Morgen

"Wir müssen uns nicht mit der westlichen Überrumplung abfinden, die Wiedervereinigung nach dem westdeutschen Rezept ist das Undemokratischste, was nach dem Fall passieren konnte." (DM, Artikel 1)

Zehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sind die Gewinner und die Verlierer auf der Straße deutlicher sichtbar (Artikel 9). Obwohl alle Deutschen nach dem Fall reisen dürfen und Meinungsfreiheit haben, sind es aber vor allem die Ostdeutschen, die sich dessen bewusst sind, was sie gewonnen oder verloren haben. So haben sie ihre Freiheit, Geschäfte, Autos und Ferien gewonnen (Artikel 1), aber sie haben auch viel verloren. So haben die Ostdeutschen haben mit Arbeitslosigkeit (vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und an der polnischen Grenze) und sozialen Unterschieden zu kämpfen (Artikel 9). Viele Ostdeutsche ziehen in den Westen um, aber sie fühlen sich dort unerwünscht. Der Westen ist für sie ein anderes Land, wo sie sich von den Westdeutschen kolonisiert fühlen (Artikel 4). Sie haben kein Heimatsgefühl und werden im Westen als zweitrangige Bürger betrachtet. Die Atmosphäre ist verwirrend und angespannt. Auffallend ist auch, dass 60 % der Wessis zehn Jahre nach dem Fall noch nie in den Osten gereist sind (Artikel 9). Westdeutsche gehen nicht in ostdeutsche Diskotheken und umgekehrt, es gibt kaum Mischehen und wenn zwei gleichwertige Kandidaten (ein Ostdeutscher und ein Westdeutscher) sich bewerben, wird immer ein Wessi gewählt. Es sind außerdem auch die Wessis, die immer die Gedenkfeier organisieren und dominieren.

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De Standaard

Laut Schröder ist Deutschland immer noch eine verteilte Nation (Artikel 12). Nach einer Umfrage (Artikel 10) sind 70 % der Ostdeutschen der Meinung, dass 1989 ihnen mehr Vorteile als Nachteile gegeben hat, aber ebenso viele Ossis sind unzufrieden mit dem Zusammenleben mit den Westdeutschen und erwarten, dass die Lage sich nur verschlechtern wird. "Wir werden als zweitrangige Bürger behandelt", sagte Politikerin Emmrich von der postkommunistischen PDS. Im Westen protestiert man: "Arbeiten wie bei Honecker, leben wie bei Kohl!", heißt das Buch von Thomas Roethe, Soziologe der Universität Hannover. Laut ihm bekommen die Ossis dieselben Chancen, aber sie sind faul. Es gehe um Betrug und Selbstbetrug: Die Ossis wollten ohne Anstrengung leben und gleichzeitig die Rolle des Opfers spielen. Um die psychologischen Folgen des Kommunismus hinter sich zu lassen, sollten sie aufhören zu jammern und endlich selber das Zepter in die Hand nehmen. Die Ossis haben nämlich gelernt, mehr über die Arbeit zu diskutieren statt selber zu arbeiten. Der alte Bundeskanzler Willy Brandt hatte 1989 gesagt: "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört." Aber auch bei den Westdeutschen steigt der Unglaube: Die Hälfte von ihnen beschwert sich über das Zusammenleben mit den Ossis.

Viele Ossis sind frustriert (Artikel 10). Obwohl die Änderungen in den anderen zentral- europäischen kommunistischen Ländern auch enorm waren, wartete in Deutschland ein reicher, allwissender Bruder, der das ganze Land beherrschen wollte. Infolge der Frustration sind viele Ossis deutlich nach rechts gerückt. Ein gegenseitiges Einvernehmen entsteht erst, wenn die Westdeutschen neugieriger auf den Osten, auf seine Geschichte und sein Volk werden (Artikel 12).

8.2.1.2 Analyse 2004

De Morgen

Der Abend des 9. November 1989 war eine Völkerwanderung (Artikel 1). Es entstanden Löcher in der Berliner Mauer. Der Eiserne Vorhang fiel und Ost und West schlossen sich in die Arme. Aber 15 Jahre später ist Deutschland immer noch nicht wirklich ein Ganzes, weil die ehemalige DDR den alten Bundesländern um Meilen hinterher hinkt.

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De Standaard

Die ostdeutsche Bevölkerung ist seit dem Fall von 15 Millionen auf 13,5 Millionen gesunken (Artikel 3). Der Grund ist die niedrige Geburtenrate und die Abwanderung junger Menschen in die alten Bundesländer. Was die ostdeutsche Zufriedenheit betrifft, gibt es einen Generationsunterschied. Im Sommer 2004 haben Demonstranten in Ostdeutschland gegen die Sozialreformen der Schröderregierung demonstriert. Die meisten waren zwischen 40 und 50 Jahre alt, die sogenannte verlorene Generation, weil sie zu alt ist, um sich anzupassen. Die ostdeutschen Jugendlichen unter 30 sind aktiver, unabhängiger und stärker freiheitsorientiert als ihre Altersgenossen im Westen. Die Folge ist eine Abwanderung der DDR-Jugend in den Westen.

Obwohl Willy Brandt hoffnungsvoll meinte, da wachse zusammen, was zusammengehöre, sind die Probleme der Wiedervereinigung in Ostdeutschland größer als erwartet (Artikel 3). Das Wachstum schreitet nur langsam voran. Es gibt aber noch Menschen, die an eine deutsche Wiedervereinigung glauben. So hatte das Berliner Stadtmagazin Zitty, anlässlich des fünfzehnten Jahrestages des Berliner Mauerfalls, eine Version mit zwei unterschiedlichen Covern herausgebracht: In West-Berlin "Tausend gute Gründe, den Osten zu lieben" und in Ost-Berlin "Tausend gute Gründe, den Westen zu lieben". Laut Zitty sollte die Wiedervereinigung endlich als positiv betrachtet werden.

8.2.1.3 Analyse 2009

De Morgen

20 Jahre nach dem Mauerfall gibt es kaum noch Unterschiede zwischen Ost und West (Artikel 4). Man sieht sie nicht mehr an Autos, Kleidung, U-Bahnen oder Geschäften. Aber nicht alle Unterschiede sind verschwunden. So gibt es eine größere Arbeitslosigkeit im Osten in Berlin, wo knapp 20 % der Bürger arbeitslos sind. In den letzten zwanzig Jahren sind zehntausende Ostdeutschen in den Westen gegangen. Dadurch verloren viele ostdeutsche Städte 20 bis 30 % ihrer Bewohner. Diese Städte werden jetzt oft Schrumpfstädte genannt.

Laut einer neuen Umfrage wollen 12 % der Deutschen die Berliner Mauer zurück (Artikel 9). Die Hälfte der Ostdeutschen ist der Meinung, dass mehr Ungerechtigkeit gibt als vor der

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Wiedervereinigung. So klagt ein Drittel der Ostdeutschen über seinen Lebensstandard. Der Aufbau der neun Bundesländer hat in den letzten zwanzig Jahren 1,3 Billionen Euro gekostet und gegen 2019 werde es in Bezug auf Löhne und Renten so gut wie keine Unterschiede mehr geben. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt, der Prozess der deutschen Wiedervereinigung sei noch nicht fertig, aber die zwei Teile Deutschlands hätten sich in zwei Jahrzehnten aufeinander zu entwickelt (Artikel 12).

De Standaard

Ein ehemaliger DDR-Grenzwächter hat lange Zeit gezögert, nach Westdeutschland umzuziehen, aber er fühlte sich heimatverbunden (Artikel 5). Laut ihm haben viele Ältere Schwierigkeiten sich anzupassen, aber die meisten Ostdeutschen wollen die DDR nicht zurück. Sie vermissen vor allem das Gefühl, eine große Familie zu sein. In Ostdeutschland hatten die Menschen nämlich ein enges Band, aber im Westen gibt es kaum menschlichen Kontakt. Der äußere Schein, z.B. einen BMW zu fahren, ist im Westen wichtiger. Auch die jüngere Generation in Ostdeutschland ist 20 Jahre nach dem Mauerfall sehr westdeutsch geworden. Sie hat keinen Respekt mehr vor Berufen wie dem des Mauers, aber sie will nur noch Manager werden oder von dem Arbeitslosengeld leben.

8.2.1.4 Analyse 2014

De Standaard

Viele ehemalige DDR-Bürger sind heutzutage Westler geworden (Artikel 1). Ihnen fehlen jedoch einige Elemente aus dem Osten, die nicht so schlecht waren. Die Ostdeutschen kommunizierten miteinander auf eine direkte und offene Art und Weise, und waren ihren Freunden sehr treu. Auch die Kinderbetreuung, das Schulsystem, die Erziehung und die Stellung der Frau waren im Osten besser. Im Osten war es nämlich selbstverständlich, dass Frauen auch außer Haus tätig waren und gleiche Rechte hatten. In der Bundesrepublik war man aber lange Zeit sehr konservativ. Die Konfrontation mit der Realität des Westens war sehr groß, weil das idealisierte Bild der vernünftigen, starken und engagierten Westdeutschen nicht stimmte. Viele Ostdeutsche waren also nach dem Fall der Mauer enttäuscht über den Westen und schätzten den Osten mehr.

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Ost und West hat aber keine Bedeutung mehr für die Generation, die nach dem Mauerfall geboren wurde (Artikel 1). Das gilt aber nicht für die sogenannte Dritte Generation, d.h. die dritte und letzte Generation der DDR-Bürger. Diese Generation wurde in der DDR geboren, aber wurde in dem vereinigten Deutschland erwachsen. Die Angst, die Verzweiflung der damaligen Zeit machte einen großen Eindruck auf diese Generation. Sie hatten es damit schwer, dass ihre Eltern ihre Arbeitsplätze verloren und alle Ostdeutschen Westdeutsche werden mussten.

40

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Duitsers zijn lui Duitsers zijn - Duitsers verstandige sterke en sterke Duitsers verstandige - Nu groeit samen, wat samen hoort. samen wat samen, Nu groeit " verstandhouding (wederzijdse) beste de hadden tijd meer "Met wat

Sonstiges leven bij Honecker, zoals "Werken bij Kohl." zoals "Oost - - - 2 systemen de van dingen worden." kunnen samengevoegd misschien "Het geïdealiseerde beeld dat alle alle dat beeld "Het geïdealiseerde

West niet." klopte zijn, mensen geëngageerde

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zich bekeren zich Verben jammeren in plaats van werken hinken achterop hinken opener communiceren

- z -- --

gefrustreerd >< vreugde euforie trouw

Adjektive - - bezorgd - - conservatief

tweederangsburgers verliezers thuisgevoel geen generatie verloren generatie derde de rechten gelijke betweters winnaars werkloosheid verschillen sociale volksverhuizing hervormingen sociale groeiproces langzaam Substantive ------

-

Frame 1 Frame Ostdeutsche Westdeutsche Problem (Lösung) Abbildung 8.1 Framing device von Ossis und Wessis, noch nicht ein Volk.

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8.2.2 Frame 2 verdorrte Landschaften

8.2.2.1 Analyse 1999

De Morgen

"Der westdeutsche Bundeskanzler Kohl hat blühende Landschaften in der DDR versprochen: Die sozialistische Staatsökonomie würde durch einen wohlhabenden freien Markt ersetzt werden. Zehn Jahre später ist der Osten eine wirtschaftliche Wüste." (DM, Artikel 10)

Die Ostdeutschen zeigen ihren Verdruss: Keine Arbeit mehr, die Fabriken sind geschlossen. Die Westdeutschen betrachten aber ihre Volksgenossen als klagend, überempfindlich und initiativarm (Artikel 1). Zehn Jahre lang haben die Ostdeutschen auf die blühenden Landschaften gewartet, die der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl versprochen hatte. Die Ostdeutschen glauben, dass die Wiedervereinigung zu schnell gekommen war und dass sie nicht die Zeit gehabt haben, das Wertvolle ihres Sozialismus in das wiedervereinigte Deutschland mitzunehmen. Die Ängste, die sie bei der Wende hatten, sind teilweise Wirklichkeit geworden: viele Menschen fühlen sich betrogen, die Strukturen der alten Gesellschaft sind weg, das Arbeiterparadies ist eine Ruine geworden...

Nach dem Fall der Berliner Mauer riefen die Ostdeutschen "Wir sind das Volk" (Artikel 4). Jetzt wissen viele Ostdeutsche nicht mehr, ob sie noch etwas zu feiern haben. Niemand will die Mauer und die Reisebeschränkungen wieder, aber auf dem Alexanderplatz hängt jetzt ein Spruchband mit den Worten "Wir waren das Volk". Die Euphorie über die Wiedervereinigung ist vorbei und die tägliche Realität besteht noch nicht aus blühenden Landschaften, wie Kohl sie nach dem Fall versprochen hatte. Zehn Jahre nach dem Mauerfall hat die ehemalige DDR nämlich immer noch nicht den Weg zum Wirtschaftswunder von Ludwig Erhard gefunden (Artikel 10). So werden die Ostdeutschen für dieselbe Arbeit weniger bezahlt als die Westdeutschen. Im Osten arbeitet man 43,5 Stunden pro Woche gegenüber 38 Stunden pro Woche im Westen (Artikel 9). Der Westen will nicht mehr für das Gesundheitswesen und die Auszahlung im Osten bezahlen, und der Osten will gleiche Arbeitslöhne.

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Das größte Problem ist die Tatsache, dass niemand im Osten Kapital hat: nicht die Familien, nicht die Betriebe, nicht die Kommunen (Artikel 9). So sind 10 % der Geschäfte im Besitz der Ostdeutschen, die übrigen 90 % sind eingegangen oder an die Westdeutschen verkauft. Auch hat die ehemalige DDR ihren ganzen Markt im alten Ostblock an die Westdeutschen verloren. Ein Grund für diesen wirtschaftlichen Untergang war die Einführung der Deutschen Mark (Artikel 10). Die Güter der DDR wurden nicht mehr gekauft, weil sie viermal teurer geworden waren.

De Standaard

Auf den ersten Blick scheint der Kampf um die Freiheit gewonnen (Artikel 5). Schröder will mithilfe von staatlicher Unterstützung gleiche Lebensumstände erreichen (Artikel 12). So soll die finanzielle Hilfe für den Osten die Infrastruktur verbessern, den anfangenden Betrieben helfen und den Jugendlichen helfen, eine Arbeit zu finden. Die Westdeutschen beschweren sich aber über die hohen Steuern. Die ostdeutschen Arbeiter versuchen sich an die Änderungen anzupassen, aber sie sind die großen Verlierer (Artikel 5). Sie haben mit Arbeitslosigkeit sowie mit der Diskrepanz zwischen den Ostblocklöhnen und den westlichen Preisen zu kämpfen.

8.2.2.2 Analyse 2004

De Morgen

Fünfzehn Jahre nach dem Mauerfall versucht ganz Deutschland zu realisieren, was der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt meinte mit den Worten: "Nun soll zusammenwachsen, was zusammen gehört." (Artikel 2). Das Zusammenwachsen ist noch immer nicht gelungen und es gibt in der ehemaligen DDR sicher noch nicht die blühenden Landschaften, die Helmut Kohl versprochen hatte. Das heißt, ein Ostdeutscher verdient für dieselbe Arbeit immer noch weniger als ein Westdeutscher. Die Arbeitslosigkeit ist immer noch größer im Osten und deswegen haben viele Ostdeutsche Heimweh nach der Vergangenheit. Fast niemand will jedoch die DDR oder die Mauer zurück.

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De Standaard

Die Ostdeutschen machen sich Sorgen um ihre heutige sozialwirtschaftliche Situation (Artikel 3). Die Westdeutschen (Besserwessis) haben aber in den Osten investiert und deswegen wird Ostdeutschland oft das Jammertal genannt (Jammerossis) (Artikel 1). Laut einem Forscher, Klaus Schröder, haben die Ossis wenige Gründe zum Klagen. Am Anfang der Wiedervereinigung begannen die ostdeutschen Haushalte nämlich ungefähr auf demselben Niveau eines durchschnittlichen Haushaltes in Westdeutschland Ende der fünfziger Jahre. Mitte der neunziger Jahre waren die ostdeutschen Haushalte ungefähr auf dem westdeutschen Niveau des Jahres 1992. Der Wohlstand in Ostdeutschland hat in 30 Jahren stark zugenommen.

In Lübz, einem kleinen Städtchen in Ostdeutschland, hat man nach der Wiedervereinigung alle möglichen Subventionen für Sanierung, Wiederaufbau usw. benutzt (Artikel 2). Außerdem hat man dort versucht, ein Geschäftsgebiet auszubauen, aber die westdeutschen Betriebe haben ihr Interesse an Ostdeutschland verloren. "Am Anfang konnten wir die Westdeutschen mit billigen Grundstückspreisen und Arbeitskräften locken, jetzt gehen sie dafür nach Polen."

8.2.2.3 Analyse 2009

De Morgen

Niemand will die DDR zurück, aber 20 Jahre nach dem Mauerfall sind viele ehemalige DDR- Bürger der Meinung, dass ein Element des ehemaligen Systems besser war als heutzutage: Die DDR hat keine Arbeitslosigkeit (Artikel 4). Jetzt ist Krisenzeit und viele Arbeiter werden entlassen. Die Ostdeutschen haben wegen der harten wirtschaftlichen Realität Heimweh nach der DDR.

Laut Geert Van Istendael, einem Journalisten, der am Tag des Mauerfalls in Berlin war, ist die ostdeutsche Industrie Anfang der neunziger Jahre fast völlig zusammengebrochen (Artikel 4). Die Betriebe, die die Wende unbeschadet überstanden haben, waren selten. Nach der Wende gab es nur noch veraltete Betriebe und geringe Investitionen. Außerdem bedeutete die

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Einführung der Westmarke am 1. Juli 1990 eine Katastrophe für den ostdeutschen Markt. An einem Tag wurden die ostdeutschen Produkte nämlich viermal teurer und dadurch verlor die DDR ihre traditionellen Absatzmärkte in Zentraleuropa und Russland. "Es ist sehr schwierig, in einem Gebiert, wo die Industrie verschwunden ist, erneut eine Industrie zu errichten." Der Kapitalismus hat sich also siegreich der Ostealgie (z.B. Geschäfte, die Produkte aus dem Osten verkaufen, wie etwa den Rotkäppchen-Sekt) bemächtigt.

Laut Merkel ist die deutsche Wiedervereinigung immer noch nicht fertig, d.h. die alten und die neuen Bundesländer stehen wirtschaftlich noch nicht auf gleicher Höhe: "Es gibt immer noch strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland und das ist eine dauerhafte politische Herausforderung. Wenn wir den gleichen Lebensstandard im ganzen Land erreichen wollen, dann müssen wir immer noch dafür kämpfen." (Artikel 12). Die Arbeitslosigkeit in der ehemaligen DDR ist immer noch doppelt so hoch. Die Deutschen aus den beiden ehemaligen Landesteilen sollten immer noch zur Finanzierung der Vereinigung beitragen.

De Standaard

Eine ebenso ergreifende Euphorie wie vor 20 Jahren war nicht da (Artikel 9). Laut Merkel ist die Wiedervereinigung Deutschlands immer noch nicht fertig und die Unterschiede zwischen

Ost und West sollten beschleunigt aufgearbeitet werden.

Die Berliner Zeitung veröffentlichte einige Statistiken über die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland: Das Aufarbeiten des Rückstandes geht sehr langsam, weil die Arbeitslosigkeit im Osten immer noch höher ist und das durchschnittliche Einkommen dort niedriger ist (Artikel 7). Junge Menschen ziehen immer noch weg und in den Regionen, die früher die DDR bildeten, ist die Bevölkerung seit 1990 um 8 % geschrumpft. Diese Mauer ist offenbar schwierig zu überwinden.

Westdeutschland wurde immer als die freie Welt betrachtet (Artikel 6). Genau wie die anderen Länder hinter dem Eisernen Vorhang, verhielt die DDR sich wie ein modaler europäischer Staat aus den 30er Jahren. Die nationale Sicherheit war eine Obsession und nirgendwo im Straßenbild gab es Werbung. Der Unterschied zwischen der kommunistischen Diktatur und der kapitalistischen Wirtschaft war immer enorm. 1989 war Westdeutschland die

45 zweitstärkste Wirtschaft der Welt, die mit der stabilsten Währung und einen unerschöpflichen Staatshaushalt gesegnet war.

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. -

" . sind das Volk" >< "Wir Wir Wir Sonstiges Oost in Hun interesse verloren. Duitsland en grondprijzen Goedkope Polen. in arbeidskrachten " Westerse "Oostbloklonen, De strijd om de vrijheid de De strijd om das Volk" waren prijzen

investeren hoge (over klagen

Verben - - belastingen)

z , angstig , euforie >< , euforie

Adjektive overgevoelig, klagerig, initiatiefarm, gefrustreerd realiteit, dagdagelijkse heimwee

en zijn ruïnes ruïnes zijn en

levensomstandigheden

kloof

Substantive overheidssteun economische woestenij economische jammerossi's jammerdal besserwessi's geldstroom arbeidersparadijz werkloosheid kapitaal geen staatseconomie socialistische een nog steeds Duitsland markt vrije gelijke -

------natie verdeelde - -

-

Frame 2 Frame Ostdeutsche Westdeutsche Problem Ursache Lösung Abbildung 8.2 Framing device von verdorrten Landschaften.

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8.2.3 Frame 3 DDR-Helden in der Vergessenheit (außer Gorbatschow)

8.2.3.1 Analyse 1999

"Wenn die Kleinen, die geschossen haben, verhaftet werden, sollen auch diejenigen, die Befehle gaben, verurteilt werden." (DM, Artikel 1)

De Morgen

Egon Krenz war das letzte DDR-Staatsoberhaupt nach Erich Honecker und wurde deswegen auch der Kronprinz von Honecker genannt (Artikel 2). Er war aber nur 44 Tage an der Macht. Der Prozess gegen Krenz ist eine Abrechnung mit seiner DDR-Vergangenheit. Er ist zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden, aber er hat Berufung eingelegt. Er versetzt der von den Westdeutschen geführten Justiz einen Seitenhieb: "Ich weiß, dass ich wegen des DDR-Bildes verurteilt worden bin. Das ist eine Rückkehr zum Kalten Krieg." (Artikel 3). Krenz spricht von Rache der Sieger: "Westdeutschland liefert die Richter und Ostdeutschland die Angeklagten." (Artikel 2). Aber laut des Gerichtes sind die Toten an der Mauer durch die politische Führung zu rechtfertigen. Krenz war einer von ihnen und der Hauptverantwortliche in der DDR. Der Richter will keine Ausnahme für ihn machen, weil viele Mitglieder des Politbüros bereits verurteilt sind. Das Politbüro ist das höchste Organ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Krenz ist aber der Meinung, dass er nicht bestraft werden kann, weil er der Mann zu sein behauptet, der die Mauer öffnen ließ: "Statt des Schießbefehls zu geben, habe ich dafür gesorgt, dass die DDR-Bürger in den Westen gehen konnten." Er prahlt, dass im Herbst 1989 dank ihm kein Blut in den Straßen der DDR-Städte geflossen sei. Heutzutage ist er arbeitslos, hat er keinen Personalausweis (um eine Republikflucht zu vermeiden) und lebt er von den Erträgen seiner Bücher.

Nicht nur Krenz, sondern auch der andere Hauptverantwortliche Michail Gorbatschow ist zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden (Artikel 3). Der damalige Wortführer des Politbüros ist mitschuldig an dem Tod von vier DDR-Bürgern, die einige Monate vor dem Fall in den Westen zu fliehen versuchten. Gorbatschow wird aber als der Einzige betrachtet, der die Mauer eingerissen hatte (Artikel 4). Er hatte vorausgesagt, dass in Ostdeutschland Reformen notwendig waren, um eine Katastrophe zu vermeiden. Er hatte Recht: Die DDR- Führung und die Mauer waren gefallen. Gorbatschow kritisiert die Verurteilung von DDR-

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Führern: "Es ist merkwürdig, dass man genau jetzt die Menschen der DDR-Führung verurteilt, die vor zehn Jahren die Entscheidung getroffen haben, die Mauer abzubrechen." (Artikel 6).

De Standaard

"Vielleicht hat das Politbüro den Grenzwächtern an der Mauer nie einen Schießbefehl gegeben, aber Menschen wie Krenz trugen die Verantwortung." (DS, Artikel 1)

Zehn Jahre nach dem Mauerfall leben die meisten Führer der ehemaligen DDR in der Vergangenheit. (Artikel 7).

Egon Krenz, der Kronprinz von Honecker genannt, führte 1989 die DDR (Artikel 9). Einen Tag vor dem zehnten Geburtstag wird er zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt. Er wird als der Verantwortliche für die Toten an der Mauer und am Eisernen Vorhang betrachtet. Krenz hat aber Berufung eingelegt, weil laut ihm der Mauerfall ohne Blutvergießen verlief.

Erich Honecker und der Stasi-Chef Mielke sind nach der Wende aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands ihrer Strafe entkommen (Artikel 9). Honecker, auch der Architekt der Mauer genannt, ist nach dem Mauerfall durch Russland nach Chile geflohen, um der Justiz zu entgehen (Artikel 7). Er ist 1994 in seinem Exilort in Chile gestorben (Artikel 9). Mielke lebt an den Rollstuhl gefesselt in einem Wohnhaus in Ost-Berlin.

8.2.3.2 Analyse 2004

De Morgen

Egon Krenz war der letzte kommunistische Führer von Ostdeutschland (Artikel 1). Er ersetzte Erich Honecker im Jahre 1989, der in demselben Jahr zurücktreten musste. 1997 wurde Krenz wegen des Erschießens der Flüchtlinge an der ehemaligen Berliner Mauer zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt. 2003 wurde er aus dem Gefängnis entlassen und jetzt lebt er in dem Ferienort Dierhagen.

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Günter Schabowski war Mitglieder des ostdeutschen Politbüros und kündigte im Jahre 1989 versehentlich die Öffnung der Grenzen an. Er wurde wegen des Schießens zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, aber er wurde innerhalb eines Jahres wieder freigelassen und wendete sich vom Kommunismus ab. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl war 1999 in einem Skandal, der sogenannten CDU-Spendenaffäre, verwickelt. Jetzt ist Kohl wieder auf der politischen Bühne und gibt ab und zu Vorträge über den Erfolg und das Scheitern der Wiedervereinigung.

8.2.3.3 Analyse 2009

De Morgen

Laut Merkel war der 9. November 1989 der beste Tag aus der jüngeren Geschichte Deutschlands (Artikel 12). Sie sagte zu Gorbatschow folgende lobenswerte Worte: "Sie haben damals mutige Sachen geschehen lassen und das war viel mehr, als wir erwarten konnten. Ich danke Ihnen herzlich dafür. Dank Ihnen wachst jetzt eine neue Generation freier Menschen, die in der Europäischen Union eingebettet sind. Es hat sich gelohnt, dafür zu kämpfen und deswegen ist es heute ein schöner Tag für Deutschland." Aber Gorbatschow sagte: "Das Volk war der echte Held." (Artikel 1).

8.2.3.4 Analyse 2014

De Standaard

Das alte Regime in Ost-Berlin konnte nicht weitermachen (Artikel 2). Gorbatschow war der Einzige, der dazu bereit war, nicht nur zu einer radikalen Reform zu ermutigen, sondern auch zu einer friedlichen Revolution.

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veroordeeld (3 jaar) veroordeeld bekritiseert gevlucht gestorven Verben een (6 en veroordeeld half jaar)

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werkloos verontwaardigd strijdvaardig Adjektive medeplichtig

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staatshoofd -

Verdienste woordvoerder Politbureau Politbureau woordvoerder gevangenisstraf Muur sloper (eigenlijke) onderscheiding:

Substantive laatste DDR laatste gevangenisstraf DDRafrekening schandaal voordrachten - - - - het van Trap Bijzondere Orde Kruisde Grote van van Chili in ballingschap

- - - - -

Frame 1 Frame Krenz Gorbatschow Honecker Kohl Abbildung 8.3 Framing Device von DDR-Helden in der Vergangenheit (außer Gorbatschow).

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8.3 Das Volk war der echte Held

George Bush Sr.: "Die Ereignisse, an die erinnert wurde, begannen nicht in Bonn, Moskau oder Washington, sondern in den Herzen der Menschen, deren Rechten zu lange verweigert wurden." (Artikel 1, 2009, DM)

Das ehemalige DDR-Volk hatte 2009 gemischte Gefühle bezüglich der 20. Gedenkfeier in Berlin (Artikel 13, 2009, DM). In den ehemaligen DDR-Städten gingen die Einwohner früher als die Berliner auf die Straße und legten damit den Grundstein für den Fall des Regimes und für die deutsche Wiedervereinigung. Sie ließen es nicht zu, dass Berlin sich mit fremden Federn schmückt. So haben Plauen, Dresden und Leipzig ihre eigene Gedenkfeier gehabt: "Als Berlin noch schlief, wurden in unseren Straßen Demonstranten bereits niedergeschlagen." Leipzig wird oft als die Heldenstadt betrachtet und Plauen als die erste echte Widerstandsstadt gegen das Honecker-Regime. "In Plauen entstand der erste Funke, der zum Brand führte und die DDR erhitzte, einen Tag vor Dresden und zwei Tage vor Leipzig." Das Volk demonstrierte für das Anrecht auf Demonstration, auf Pressefreiheit, auf freie demokratische Wahlen und auf Reisefreiheit. Die erste große Massendemonstration war in der Heldenstadt Leipzig, wo jeden Montag mehr als 300 000 Menschen in den Straßen demonstrierten. Die Wochen vor dem Fall der Berliner Mauer waren aber auch in Berlin unruhig. So gab es am 21. Oktober 1989 Demonstrationen im ganzen Land unter dem Motto "Wir sind das Volk" (Artikel 3, 2009, DM). Am 4. Oktober gab es die größte Demonstration in der DDR auf dem Alexanderplatz. Laut des Präsidenten der deutschen Konferenz für Bischöfe, Robert Zollitsch, setzte der Ruf der Menge nach Freiheit dem DDR-Staat ein Ende (Artikel 12, 2009, DM).

Die Mauer öffnete sich endlich, weil die DDR-Bürger ihre Politiker dazu gezwungen hatten (Artikel 5, 2009, DM). Das Volk der DDR wurde mit unglaublichem Mut überrumpelt. Die Menschen haben die Mauer abgebrochen, nicht die Politiker. "Wir sind das Volk" war der Schrei der DDR-Bürger. Sie wollten eine demokratische Republik (Artikel 8, 2009, DM).

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8.4 Deutschland heutzutage

Obwohl die Westdeutschen nach den Ereignissen von 1989 als der große Sieger betrachtet werden, hat Deutschland heutzutage eine Bundeskanzlerin, Angela Merkel, die im Osten aufgewachsen ist. Nie hatte Deutschland einen Bundeskanzler, der beim Volk so viel Vertrauen genoss. Das ist die Ironie der Geschichte (Artikel 1, 2014, DS).

Im Jahre 2009 war die Bundeskanzlerin Angela Merkel die erste deutsche Regierungschefin, die die Einladung akzeptierte, in Paris des Waffenstillstandes zu gedenken (Artikel 12, 2009, DS). Sarkozy: "Ihr Besuch ist ein Zeichen von außergewöhnlicher Freundschaft. Jeder Franzose weißt, dass diese Freundschaftsgeste sehr wichtig ist." Merkels Besuch war ein symbolischer Akt der Versöhnung. Merkel feierte zusammen mit Sarkozy das Ende des Ersten Weltkrieges und den zwanzigsten Jahrestag des Falls der Berliner Mauer. "Beide Daten, sowohl das Ende des Ersten Weltkriegs als auch der Fall der Berliner Mauer - ein Ereignis, das für mich persönlich von enormer Bedeutung war - erinnern uns daran, wie wichtig unser Einsatz für Frieden und Freiheit ist. Wir müssen unsere Werte wie Demokratie und Menschenrechte auch weiterhin verteidigen. Wir müssen uns weiterhin für die europäische Solidarität und für eine starke Partnerschaft mit den USA einsetzen. Das ist unsere Aufgabe." Bundeskanzlerin Merkel sagte, dass Deutschland Frankreichs Freundschaft gerne erhalten wird. Sie äußerte ihre Dankbarkeit für die Geschichte, die diese Freundschaft ermöglicht hatte.

Der französische Präsident Mitterrand und die britische Premierministerin Thatcher hatten 1989 eine sehr negative Einstellung und hätten die deutsche Wiedervereinigung am liebsten verhindert (Artikel 8, 2009, DM). Aus humanitären Gründen waren sie froh, dass die Mauer gefallen war, aber sie wollten kein großes Deutschland, weil sie den Wettbewerb und das Entstehen einer anderen Großmacht in Europa fürchteten. Das neue Deutschland ist keine Bedrohung für Europa geworden, es wurde eine Großmacht, verankert in der demokratischen Tradition unseres europäischen Kontinentes. Es ist auch eine wirtschaftliche Macht, die wie jedes Land unter der globalen Finanzkrise leidet, aber der wichtigste Handelspartner aller seiner Nachbarländer ist. Deutschland ist der größte Nettozahler der Europäischen Union und die treibende Kraft der EU, von der niemand noch Angst haben sollte. Das beweist Deutschland bereits mehr als 25 Jahre lang.

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1989 wird auch oft als das neue 1789 betrachtet: Ein Wendepunkt, der nachher auch ein Referenzpunkt geworden ist. In den letzten 25 Jahren hat dieser Wendepunkt Deutschland politisch das Beste gegeben (Artikel 2, 2014, DS). Das Ereignis von 1989 hat das Europa, das wir heutzutage kennen, mit all seinen Freiheiten und Fehlern ermöglicht. Nirgendwo in der Welt wurde der Einfluss des Berliner Mauerfalls nicht gefühlt. Außerdem ist der Fall eine Metapher für unsere Zeit geworden. Vor allem die westlichen Politiker nutzen das Ereignis, um über Freiheit zu sprechen. So sagte Barack Obama während seines Dankeswortes in Chicago 2008: "Eine Mauer fiel in Berlin." Er sprach über die Wunder in der Vergangenheit, die Wunder von heute und diese, die noch kommen würden. Auch Hillary Clinton lobte die Mauer 2010 während ihrer Rede über die Freiheit des Internets: "Die Berliner Mauer war das Symbol einer geteilten Welt und diese hinterließ ihre Spuren in einer ganzen Epoche."

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8.5 Besprechung Forschungsergebnisse

Die drei Frames Ossis und Wessis, noch nicht ein Volk; verdorrte Landschaften und DDR- Helden in der Vergangenheit (außer Gorbatschow) finden sich in beiden flämischen Zeitungen.

De Morgen

Bei der Analyse des ersten Frames hat sich herausgestellt, dass De Morgen die Ostdeutschen als die großen Opfer betrachtet. Sie haben nach dem Fall der Berliner Mauer ihre Freiheit gewonnen, aber sie haben auch viel verloren. De Morgen betont dabei vor allem die Arbeitslosigkeit und die sozialen Unterschiede. Die Westdeutschen werden negativ als Herrscher bezeichnet, die ihre östlichen Landsleute als zweitrangige Bürger betrachten. Im Laufe der Jahre sind die großen Unterschiede zwischen dem Osten und dem Westen verschwunden, aber im Jahre 2009, zwanzig Jahre nach dem Fall, wies De Morgen darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit im Osten immer noch groß war. Viele ostdeutsche Städte verloren dadurch ihre Bewohner, dass sie in den Westen gingen. In den vier untersuchten Jahren schrieb De Morgen vor allem über die Ostdeutschen, die die größten Nachteile nach dem Fall erfahren haben. Die ehemalige DDR hat bis heute Schwierigkeiten, dem Westen beizukommen. Deswegen ist der Prozess der deutschen Wiedervereinigung unter anderem wegen der Arbeitslosigkeit und der Ungerechtigkeit immer noch nicht fertig. Dieses Frame in De Morgen wurde in den Artikeln von 1999, 2004 und 2009 gefunden, nicht in denen von 2014.

Auch in der Analyse des zweiten Frames, verdorrte Landschaften, bezeichnet De Morgen die Ostdeutschen als Opfer. Der westdeutsche Bundeskanzler Helmut Kohl hatte ihnen nach dem Mauerfall blühende Landschaften versprochen, aber zehn Jahre später war dieses Versprechen noch nicht eingelöst. Die Euphorie über die Wiedervereinigung war schnell vorbei und die Ostdeutschen fühlten sich verlassen. De Morgen schrieb über die Ungerechtigkeit, weil die Ostdeutschen zum Beispiel für dieselbe Arbeit weniger als die Westdeutschen bezahlt werden. Der Osten hat aber auch zwei andere Probleme: Niemand im Osten hat Kapital und die ehemalige DDR hat ihren ganzen Markt im alten Ostblock an die Westdeutschen verloren, u.a. durch die Einführung der Deutschen Mark. Im Jahre 2004, fünfzehn Jahre nach dem Mauerfall, hat sich diese Situation noch nicht verbessert. Auch im Jahre 2009, zwanzig Jahre

55 nach dem Mauerfall, blieben die Ostdeutschen mit der harten wirtschaftlichen Realität konfrontiert. Laut Merkel ist die deutsche Wiedervereinigung immer noch nicht fertig und die Deutschen aus beiden ehemaligen Landesteilen sollten immer noch zur Finanzierung der Vereinigung beitragen. Dieses Frame in De Morgen wurde in den Artikeln von 1999, 2004 und 2009 gefunden, nicht in denen von 2014.

De Morgen schenkt, vermutlich wegen der linken Ausrichtung der Zeitung, dem dritten Frame mehr Aufmerksamkeit als De Standaard. Im Jahre 1999, zehn Jahre nach dem Mauerfall, standen vor allem Egon Krenz und Michail Gorbatschow im Mittelpunkt. Beide DDR-Helden wurden damals nämlich zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Westdeutschland wird dadurch aber in ein schlechtes Licht gestellt: "Westdeutschland liefert die Richter und Ostdeutschland die Angeklagten." Obwohl Gorbatschow auch an dem Tod von DDR-Bürgern mitschuldig war, bezeichnet De Morgen ihn als einen Helden. Er wird nämlich als der Einzige betrachtet, der die Mauer abgebrochen hatte, weil er vorausgesagt hatte, dass Reformen in Ostdeutschland notwendig waren. Im Jahre 2009, zwanzig Jahre nach dem Mauerfall, schrieb De Morgen über Merkel, die auch zu Gorbatschow aufsieht und ihm lobenswertigen Worten zuschrieb, wie "Sie haben damals mutige Sachen geschehen lassen". Dieses Frame in De Morgen wurde in den Artikeln von 1999, 2004 und 2009 gefunden, nicht in denen von 2014.

Neben diesen drei Frames war es bei der Analyse auffällig, dass De Morgen das Volk als den echten Helden von 1989 betrachtet. Während der Gedenkfeier im Jahre 1999, 2004, 2009 und 2014 standen immer viele nationale und internationale Politiker zentral und das führte bei der ehemaligen DDR-Bevölkerung zu gemischten Gefühlen. In den ehemaligen DDR-Städten kam das Volk viel früher als die Berliner auf die Straße und demonstrierte für Pressefreiheit, Reisefreiheit usw. Vor allem Leipzig wird dabei als Heldenstadt betrachtet. De Morgen betont in ihren Artikeln, dass sich die Mauer endlich öffnete, weil die DDR-Bürger ihre Politiker dazu gezwungen hatten. Diese Beobachtung ist interessant, weil sie inhaltlich die eher linke, sozialistische Ausrichtung von De Morgen bestätigt. Diese Beobachtung wurde nur in De Morgen in den Artikeln von 2009 gemacht.

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De Standaard

Obwohl De Standaard in ihren Artikeln betont, dass viele Ostdeutsche mit dem Zusammenleben mit den Westdeutschen unzufrieden sind und sich oft als zweitrangige Bürger fühlen, sieht die Zeitung die Situation auch aus einem westlichen Blickwinkel an. Das heißt, die Westdeutschen beschweren sich auch über das Zusammenleben mit den Ossis, die, laut den Westdeutschen, zu viel klagen und zu wenig ihre jämmerliche Situation meistern. Im Jahre 2004 wies De Standaard auf einen Generationsunterschied hin. Es ist nämlich vor allem die ältere Generation, Menschen zwischen 40 und 50, die Schwierigkeiten erfahren, sich anzupassen. Die Jugendlichen unter 30 sind laut De Standaard aktiver und unabhängiger. Diese sind zwanzig Jahre nach dem Fall sehr westdeutsch geworden. Dadurch gibt es eine Abwanderung der Jugend in den Westen. Aus der Analyse von 2014 hat es sich gezeigt, dass viele ehemalige DDR-Bürger heutzutage Westler geworden sind. Ihnen fehlen aber einige Elemente aus dem Osten die nicht so schlecht waren, wie die Kinderbetreuung und das Schulsystem. Wie De Morgen, betont auch De Standaard, dass die Wiedervereinigung ein langsamer Wachstumsprozess ist. Dieses Frame wurde in De Standaard in allen untersuchten Jahren gefunden.

Bei der Analyse des zweiten Frames hat sich herausgestellt, dass, im Gegensatz zu De Morgen, die jämmerliche Situation der Ostdeutschen nicht in den Artikeln von De Standaard vorgeht. So versuchte im Jahre 1999 der ehemalige Bundeskanzler Schröder mithilfe von staatlicher Unterstützung gleiche Lebensumstände zu erreichen. De Standaard anerkennt die Probleme und die Nöte der Ostdeutschen, berücksichtigt aber auch die Westdeutschen, die sich über die hohen Steuern beschweren. Die Westdeutschen haben nämlich viel in den Osten investiert und dadurch wird der Osten oft das Jammertal genannt. Im Jahre 2009, zwanzig Jahre nach dem Mauerfall, betont De Standaard, dass der Osten immer noch mit Arbeitslosigkeit und Abwanderung junger Menschen zu kämpfen hat. De Standaard idealisiert aber den Westen als die freie Welt. Das heißt, dass De Standaard mit dem Kapitalismus als Ideal auf den großen Unterschied zwischen dem Kommunismus und dem Kapitalismus hinweist. Westdeutschland war nämlich 1989 die zweitstärkste Wirtschaft der Welt. Dieses Frame in De Standaard wurde in den Artikeln von 1999, 2004 und 2009 gefunden, nicht in denen von 2014.

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De Standaard schrieb, vermutlich wegen der rechten Ausrichtung der Zeitung, weniger über das dritte Frame als De Morgen. Im Jahre 1999, zehn Jahre nach dem Mauerfall, schrieb die Zeitung u.a. über Egon Krenz und Erich Honecker und wie diese ehemaligen DDR-Helden jetzt in der Vergangenheit leben. Im Jahre 2014 schrieb De Standaard aber auch Lobesworte über Gorbatschow und anerkannte, dass er der Einzige war, der dazu bereit war, zu einer radikalen Reform im Osten zu ermutigen. Dieses Frame in De Standaard wurde in den Artikeln von 1999, 2004 und 2014 gefunden, nicht in denen von 2009.

Außerdem schenkt De Standaard in ihren Artikeln auch dem heutigen Deutschland Aufmerksamkeit. In der Literatur (Kapitel 3) wurde über den französischen Präsidenten Mitterrand und die britische Premierministerin Thatcher gesprochen, die zusammen überlegt hatten, wie sie die größere und stärkere Bundesrepublik nach dem Mauerfall am besten im Zaum halten konnten. Deutschland ist heute wieder eine Großmacht, aber keine Bedrohung für Europa mehr. Deutschland ist auch eine wirtschaftliche Macht in Europa geworden und das entspricht nicht dem historischen Deal zwischen Mitterrand und Kohl (deutsche Einheit im Tausch für den Euro). Es war damals nämlich die Abmachung, dass Deutschland seine monetäre Souveränität im Tausch gegen politische Souveränität abgeben würde. Es war aber nicht abzusehen, dass Deutschland heutzutage die Wirtschafts- und Währungsunion dominieren würde. Laut Rochtus existiert die Angst vor der deutschen Dominanz aber nur in den Köpfen der Europäer. Deutschland ist wieder eine Großmacht geworden, unter anderem dank Bundeskanzlerin Angela Merkel. De Standaard ist dabei auch voll des Lobes über Merkel, die einzige Bundeskanzlerin, die beim Volk so viel Vertrauen genießt und die sich bemüht, sich mit Frankreich zu versöhnen. De Standaard betont auch, dass das Ereignis von 1989 das heutige Europa mit allen seinen Freiheiten erst ermöglicht hat. Diese Erkenntnis ist interessant, weil sie inhaltlich die eher rechte Ausrichtung von De Standaard bestätigt. Diese Erkenntnis wurde vor allem aus den Artikeln von 2009 und 2014 in De Standaard gewonnen.

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8.6 Tabelle mit reasoning devices

Problem-Definition Ursache moralisches Lösung Urteil Ossis und Die Ossis erfahren seit dem Die wirtschaftliche Die Wessis sollen Sie müssen Wessis, noch Mauerfall viele Nachteile, Lage in der DDR war die Ossis nicht als harmonisch mit nicht ein Volk z.B. Arbeitslosigkeit, und vor dem Mauerfall zweitrangige einander zusammen- ziehen deswegen katastrophal. Bürger betrachten. leben, um die deutsche massenhaft in den Westen Wiedervereinigung zu um. fördern. verdorrte Das Versprechen Kohls, Die Ostdeutschen Der Westen soll Die Deutschen aus Landschaften blühende Landschaften für werden für dieselbe den Osten weiter- beiden ehemaligen die Ossis, ist nicht eingelöst Arbeit weniger als hin staatlich Landesteilen sollten und die Ostdeutschen die Westdeutschen unterstützen, um immer noch zur bleiben mit der harten bezahlt. gleiche Lebens- Finanzierung der wirtschaftlichen Realität Im Osten gibt es kein umstände zu deutschen konfrontiert. Kapital und keinen erreichen, und Wiedervereinigung Absatzmarkt mehr. soll weiterhin im beitragen. Osten investieren. DDR-Helden DDR-Helden wie Egon Sie sind mitschuldig Gorbatschow / in der Krenz und Michail an dem Tod von wurde ungerecht Vergangen- Gorbatschow wurden zu DDR-Bürgern. verurteilt, weil er heit (außer einer Freiheitsstrafe als Einzige die verurteilt. Mauer eingerissen Gorbatschow) hatte.

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9 SCHLUSSFOLGERUNG

Der Fall der Berliner Mauer war eines der wichtigsten Ereignisse in der europäischen Geschichte, derer bis heute festlich gedacht wird. Das Ziel dieser Masterarbeit war es, ein Bild davon zu bekommen, wie der Standpunkt zu diesem einflussreichen Ereignis sich im Laufe der Jahre entwickelt hat. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde in zwei flämischen Qualitätszeitungen, De Morgen und De Standaard, in vier unterschiedlichen Jahren eine induktive qualitativ-interpretierende Inhaltsanalyse durchgeführt. Das heißt, in dieser Masterarbeit stehen der zehnte (1999), der fünfzehnte (2004), der zwanzigste (2009) und der fünfundzwanzigste Jahrestag (2014) des Mauerfalls zentral. Die Medien beeinflussen in hohem Maße die Meinung der Menschen. Deswegen wurde in dem Forschungsteil untersucht, wie der Fall der Berliner Mauer in De Morgen und De Standaard vermittelt oder geframet wurde. Es hat sich nämlich aus der Literatur herausgestellt, dass das Framing-Konzept zeigt, wie die Kommunikation von Informationen, z.B. durch eine Nachricht, das Bewusstsein der Menschen beeinflusst (Entman, 1993, S. 51-52). Neben der Forschungsfrage gibt es auch drei Hypothesen:

1. In De Morgen wird, wegen der eher linken Ausrichtung der Zeitung, die Berliner Mauer als ein negativeres Ereignis für die Ostdeutschen geframet werden. 2. De Standaard wird, wegen der eher rechten Ausrichtung der Zeitung, positiver über Westdeutschland berichten als De Morgen. 3. Die Berichterstattung über das Ereignis von 1989 wird sich im Laufe der Jahre inhaltlich unterscheiden.

Erstens wurde nach dominanten Frames über den Mauerfall gesucht. Nach der Analyse der Zeitungen wurden drei Frames entdeckt: Ossis und Wessis, noch nicht ein Volk; verdorrte Landschaften und DDR-Helden in der Vergangenheit (außer Gorbatschow). Beim ersten Frame handelt es sich um die schwierige Beziehung zwischen den Ostdeutschen und den Westdeutschen seit dem Mauerfall. Das zweite Frame behandelt die wirtschaftliche Landschaft nach der Wiedervereinigung, und beim dritten Frame geht es um die ehemaligen DDR-Helden und was mit ihnen nach dem Mauerfall passiert ist. Daneben sind aus der Analyse der Zeitungen auch zwei interessante Erkenntnisse hervorgegangen, die auf den Nenner Das Volk war der echte Held bzw. Deutschland heutzutage gebracht werden können.

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Da beide Beobachtungen nicht ausführlich in beiden Zeitungen besprochen waren, wurden sie nicht als ein Frame betrachtet, sondern als ein interessantes Ergebnis an sich. In dieser Masterarbeit wird ein Frame nämlich als ein Frame bezeichnet, wenn es inhaltlich auf beide Zeitungen abzielt. Das ist nicht der Fall mit den zwei Erkenntnissen.

Zweitens wurde untersucht, wie die Zeitungen sich im Hinblick auf die Frames unterscheiden. Es hat sich aus der Analyse der drei Frames in beiden Zeitungen herausgestellt, dass De Morgen und De Standaard nicht immer auf einer Wellenlänge waren. So bezeichnet De Morgen für das erste Frame die Ostdeutschen vor allem als Opfer, während De Standaard die Situation auch aus einem westlichen Blickwinkel ansieht. De Standaard kann die hohe Arbeitslosigkeit im Osten aber nicht leugnen. Beide Zeitungen einigen sich, dass die deutsche Wiedervereinigung ein langsamer Wachstumsprozess ist. Beim zweiten Frame handelt es sich um das Versprechen des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl: blühende Landschaften für den Osten. De Morgen betont in ihren Artikeln vor allem die Enttäuschung der Ostdeutschen. Die Ostdeutschen werden zum Beispiel für dieselbe Arbeit weniger als die Westdeutschen bezahlt. Auch gibt es im Osten kein Kapital und keinen Absatzmarkt mehr. De Standaard schreibt dagegen über die Mühe des Westens. Mithilfe von staatlicher Unterstützung will der Westen gleiche Lebensumstände erreichen und der Westen investiert auch im Osten. Das dritte Frame ist vor allem in De Morgen gefunden. Diese Zeitung schreibt insbesondere über die ehemaligen DDR-Helden Egon Krenz und Michail Gorbatschow, die von dem Westen gestraft wurden. De Morgen betont, dass Gorbatschow als der große Held betrachtet wird, weil er damals die Fäden in der Hand hielt und dadurch als Einziger die Mauer eingerissen hatte. De Standaard schenkt diesem Frame weniger Aufmerksamkeit, spricht aber auch Worte des Lobes für Gorbatschow aus. Aus der Analyse dieser drei Frames kann geschlossen werden, dass die ersten zwei Hypothesen stimmen. Wegen der vielen Nachteile für die Ostdeutschen wird die Berliner Mauer in De Morgen tatsächlich als ein negativeres Ereignis für sie geframet. De Standaard berichtet dagegen, wegen ihrer eher rechten Ausrichtung, positiver über Westdeutschland. Der Zusammenhang zwischen den Frames und der ideologischen Orientierung der beiden Zeitungen ist nicht zwingend, sondern eine persönliche Interpretation der Tatsachen. Außerdem ist die ideologische Orientierung von De Standaard kompliziert. De Standaard war lange Zeit die Zeitung für die flämischen Katholiken, aber heutzutage ist diese Zeitung weder völlig links noch völlig rechts ausgerichtet. Deswegen wird in dieser Masterarbeit von einem Spektrum gesprochen, wobei

61 einerseits De Standaard als eine Zeitung mit einer eher rechten Ausrichtung bezeichnet wird und andererseits De Morgen als eine linke, sozialistische Zeitung.

Aus der Analyse der Zeitungen sind auch zwei interessante frame-ähnliche Denkrahmen hervorgegangen: Das Volk war der echte Held und Deutschland heutzutage. Es war vor allem De Morgen, die, wegen der eher linken Ausrichtung der Zeitung, über den einen Denkrahmen schrieb und De Standaard, wegen der eher rechten Ausrichtung der Zeitung, über den anderen. De Morgen betrachtet das Volk als den echten Helden von 1989, der viel früher als die Berliner auf die Straße ging und für ihre Rechte demonstrierte. Während der Jahrestage wurden nationale und internationale Politiker, wie der Held Gorbatschow, gefeiert, aber De Morgen betont in ihren Artikeln, dass die Mauer sich endlich erst öffnete, weil die mutigen DDR-Bürger ihre Politiker quasi dazu gezwungen haben. Der zweite Denkrahmen wurde in De Standaard gefunden. Rochtus (2013) beschreibt die Angst vor Deutschland als einer erneuerten (wirtschaftlichen) Großmacht. Es hat sich aus der Analyse der Artikel herausgestellt, dass Deutschland heutzutage tatsächlich eine dominierende Rolle innerhalb Europa und der Währungsunion spielt, aber das Land ist keine Bedrohung mehr. Deutschland ist wieder die treibende Kraft in Europa, versucht aber vor allem nicht nur ein guter Handelspartner für seine Nachbarländer zu sein, sondern auch sich mit ihnen auszusöhnen. De Morgen, die Zeitung mit der eher linken, sozialistischen Ausrichtung, weist auf das Volk hin, das der echte Held des Ereignisses 1989 war, und De Standaard, die Zeitung mit der eher rechten Ausrichtung, betont die erneuerte Macht von Deutschland innerhalb Europa. Die beiden Beobachtungen sind deshalb interessant, weil sie sich in der jeweils anderen Zeitung nicht machen lassen und so inhaltlich die allgemein angenommene ideologische Orientierung der jeweiligen Zeitung noch einmal zu bestätigen scheinen.

Drittens wurde ein Unterschied zwischen den vier untersuchten Jahren aufgedeckt. Die drei Frames kamen in den beiden Zeitungen vor allem in den Artikeln von 1999, 2004 und 2009 vor, aber weniger in denen von 2014. Das bestätigt die dritte Hypothese. Eine logische Erklärung ist, dass die Zeitungen im Jahre 2014, fünfundzwanzig Jahre nach dem Mauerfall, vor allem über das heutige Deutschland schreiben. Die Wiedervereinigung ist ein langer Prozess und laut Bundeskanzlerin Angela Merkel wird der Prozess der deutschen Wiedervereinigung noch einigen Jahren dauern. Die Unterschiede zwischen Ost und West sind kaum noch da: Man sieht sie nicht mehr an Autos, Kleidung, U-Bahnen oder Geschäften und die Städte im Osten sind wiederaufgebaut. Die zwei Teile Deutschlands haben sich

62 aufeinander zu entwickelt, aber es gibt immer noch keine Einheit. So ist die Arbeitslosigkeit im Osten immer noch höher und das Einkommen niedriger, und die Ostdeutschen fühlen sich immer noch zweitrangige Bürger.

Aus dieser Masterarbeit kann gefolgert werden, dass der Fall der Berliner Mauer nicht nur Anlass zu Vorteilen, wie Reisefreiheit und Meinungsfreiheit, sondern auch zu vielen Nachteilen gegeben hatte. Vor allem die Ostdeutschen haben viele Schwierigkeiten erfahren, sich anzupassen. Der Prozess der deutschen Wiedervereinigung ist noch nicht abgeschlossen und es wird noch einige Jahre dauern, bis auf allen gesellschaftlichen Ebenen eine Gleichwertigkeit zwischen den Ossis und Wessis erreicht werden wird.

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10 BIBLIOGRAPHIE

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11 ANHANG

Anhang 1 Alle Zeitungsartikel aus dem Korpus

De Morgen 1999

1. Tien jaar na de Wende, of hoe de Ossi’s hun arbeidersparadijs verkwanselden voor wat bananen en een handvol marken (Samstag 6/11)

2. Laatste DDR-staatshoofd riskeert jaren cel (Montag 8/11)

3. DDR-kopstukken krijgen alsnog celstraffen (Dienstag 9/11)

4. Nog niet één land (Dienstag 9/11)

5. De man die de Muur deed opengaan (Dienstag 9/11)

6. ‘Met het hoofd omhoog de wereld tegemoet’ (Dienstag 9/11)

7. Berlijn viert tien jaar zonder Muur (Mittwoch 10/11)

8. Ik, Antje, kindspion voor de Stasi (Mittwoch 10/11)

9. Duitsers zijn van elkaar vervreemd zoals Vlamingen en Walen op bezoek bij een DDR-Belg in oostelijk Berlijn (Freitag 12/11)

10. ‘In het beste geval zijn er bloeiende oases’ (Samstag 20/11)

11. ‘Duitsland en Duitsland zijn één, alleen ik ben nog verscheurd’ (Samstag 27/11)

De Standaard 1999

1. Een paadje langs de Berlijnse muur (Donnerstag 4/11)

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2. Heldenstad Leipzig blikt weemoedig terug op ‘89 (Donnerstag 4/11)

3. Opening Berlijnse Muur blijft onbegrijpelijke “vergissing” (Donnerstag 4/11)

4. Oost-Duitsers verlangen sociale rechtvaardigheid (Freitag 5/11)

5. De strijd om de vrijheid win je nooit (Samstag 6/11)

6. Herrie over sprekers bijgelegd (Samstag 6/11)

7. Meeste DDR-kopstukken wachtte vergetelheid (Samstag 6/11)

8. Gewone burgers kunnen aanvraag indienen om hun eigen dossier, als er een bestaat, in te kijken (Montag 8/11)

9. DDR-leider Krenz gaat achter tralies (Dienstag 9/11)

10. Scheidingslijn leeft voort in hoofden van vele Duitsers (Dienstag 9/11)

11. Amerikaanse ambassade stelt Duitse vriendschap op de proef (Mittwoch 10/11)

12. Schröder belooft Duitse kloof te dichten (Freitag 12/11)

De Morgen 2004

1. Waar zijn ze nu ? (Mittwoch 10/11)

2. Op 9 november 1989 kwamen er gaten in het ijzeren gordijn (Mittwoch 10/11)

De Standaard 2004

1. Demografische correctie in het jammerdal (Mittwoch 10/11)

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2. Het stadje dat alles juist deed (Mittwoch 10/11)

3. Muur in je hoofd (Samstag 13/11)

4. Schieten tot ze op de Muur zaten (Samstag 13/11)

5. Bij de Wehrmacht zat je veilig (Samstag 13/11)

De Morgen 2009

1. Ex-wereldleiders vieren val Berlijnse Muur (Montag 2/11)

2. Een halve dag onderweg voor een reis van 80 meter (Samstag 7/11)

3. De hete herfst van 1989 (Samstag 7/11)

4. Geert van Istendael over zegevierend kapitalisme, het Ampelmännchen en dat éne voordeel van de DDR (Samstag 7/11)

5. De onstuitbare stormloop op de ‘muur van de schande’ (Samstag 7/11)

6. Winfried Freudenberg (32) was op 8 maart 1989 …. (Samstag 7/11)

7. (20) was op 6 februari 1989…. (Samstag 7/11)

8. Frank Schlömer herbeleeft de Duitse eenmaking (Montag 9/11)

9. Vandaag twintig jaar geleden ging de Berlijnse Muur open (Montag 9/11)

10. Dominomuur met een Belgisch tintje (Dienstag 10/11)

11. Twijfel over verhaal ‘Sarkozy de Berlijnse Muurhakker’ (Dienstag 10/11)

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12. Euforie en nostalgie in Berlijn (Dienstag 10/11)

12. De revolutie begon niet in Berlijn (Dienstag 10/11)

De Standaard 2009

1. ‘De Muur viel niet. De grenzen gingen open’ (Montag 2/11)

2. ‘Het was mijn land niet’ (Dienstag 3/11)

3. Het werk van de GEEST (Donnerstag 5/11)

4. ‘In Rusland zagen we de DDR als een kleurrijk paradijs’ (Freitag 6/11)

5. ‘Elke nacht hoopte je niet te moeten schieten’ (Samstag 7/11)

6. Te grote stad zonder geld (Samstag 7/11)

7. De Muur valt opnieuw (Montag 9/11)

8. Kijken we nu verder dan muur ? (Montag 9/11)

9. ‘Jouw moed maakte dit alles mogelijk’ (Dienstag 10/11)

10. TV-SELECTIE (Dienstag 10/11)

11. Waar was Nicolas Sarkozy ? (Dienstag 10/11)

12. Merkel in Parijs is teken van “uitzonderlijke vriendschap” (Donnerstag 12/11)

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De Morgen 2014

1. Hoe de Muur Poetin en Merkel tekende voor het leven (Samstag 8/11)

2. Muur gevallen. Brood gekocht. Koffie gedronken. Naar huis gegaan (Samstag 8/11)

3. Ballonnen doen Berlijnse Muur herrijzen (Montag 10/11)

De Standaard 2014

1. ‘West-Duitsland is ook heel hard veranderd. Dat vergeet men vaak’ (Dienstag 4/11) A3

2. Duitsland in het klein (Freitag 7/11) A4

3. Waar zijn de 89’ers ? (Samstag 8/11)

4. ‘Dromen kunnen uitkomen’ (Montag 10/11)

5. Geschiedenis is onvoorspelbaar (Montag 10/11)

6. Bitsige strijd om vier kastanjes en de waarheid (Samstag 29/11)

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Anhang 2 Tabelle mit den meist vorkommenden Wörtern aus den Wortfrequenzlisten

DM DS 1999 Muur Muur Jaar Berlijn DDR DDR Ex-DDR 1989 Berlijn Krenz Krenz Oost-Duitsers West-Duitsers Wessi Oost-Duitsers Honecker November Reizen 2004 Muur Oost-Duitsers 1989 Muur Krenz Jaar Duitsland Jongeren DDR DDR Subsidies 2009 Muur Muur Berlijn Berlijn 1989 1989 DDR DDR Gorbatsjov Gorbatsjov Kohl West-Berlijn Eenmaking Communisme Thatcher Europa Rechten Geschiedenis November Oost-Duitsland Oost-Duitsers 2014 Muur Muur DDR DDR Schabowski 1989 Krenz rechten Merkel westen November oosten Oost-Duits Europa