DER EINFLUSS VON KAUSALKETTEN AUF DIE VORSTELLUNG VON AGENTIVITÄT

Eine empirische Untersuchung in Anlehnung an die jüngere Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese am Beispiel der Medienberichterstattung zur Skandalbank Hypo Alpe Adria

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades eines

Masters der Allgemeinen und Angewandten Sprachwissenschaft (MA)

eingereicht von

Linda Prossliner, BA

bei Univ.- Prof. Dr. Manfred Kienpointner

Institut für Sprachen und Literaturen Philologisch-kulturwissenschaftliche Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Innsbruck, April 2016

Abstract

Beeinflussen Kausalketten unsere Vorstellung von Agentivität? - Eine konkrete Frage, welche sich in die Teildisziplin der kognitiven Linguistik einordnen lässt. Die jüngste Forschung zu Sapir-Whorf- Hypothese macht es sich zum Ziel, ihre Fragestellungen so präzise als möglich einzugrenzen und die von ihr untersuchten Phänomene nicht mehr ins Licht der zu stark verallgemeinernden Begriffe „Sprache“ und „Denken“ zu stellen, sondern jegliche Abhängigkeitsrelationen unter verschiedensten Blickwinkeln zu betrachten, sowie die beiden Pole „Sprache“ und „Denken“ in ein Kontinuum aus unzähligen Teilbereichen und Facetten zu verwandeln, um in der Folge lediglich zwei, exakt eingegrenzte Teilaspekte miteinander in Verbindung zu bringen und somit präzise und standhafte Ergebnisse formulieren zu können. Die US-amerikanische Forscherin Lera Boroditsky, eine der bedeutendsten Forscherinnen der Gegenwart, stellt mit ihren Experimenten zur Sapir-Whorf-Hypothese das Paradebeispiel einer Forschung dar, welche versucht, sprachliche Teilaspekte mit den verschiedensten Dimensionen der menschlichen Erfahrung wie Raum, Zeit, Bewegung sowie Kausalität und Verantwortlichkeit miteinander in Beziehung zu setzen und darin vorkommende Beeinflussungsmechanismen zu untersuchen. Die Wahrnehmung von Verantwortlichkeit, von handelnden Personen, von der Absichtlichkeit ausgeführter Handlungen sowie Fragen der Schuldzuweisung und deren Beeinflussung durch unterschiedlich verwendete Satzmuster sollen den roten Faden dieser gesamten linguistischen Arbeit darstellen. Welche Rolle dabei die Medien mit ihrem gezielten Einsatz diverser Satzmuster und unterschiedlicher Aufmerksamkeitsstrategien einnehmen, soll zudem noch einen wichtigen Platz in dieser Arbeit einnehmen: Medienwirkungsmechanismen, Rezeptionsmodelle, Framing-Effekte, aber auch kognitive Situationsmodelle der Informationsaufnahme bei RezipientInnen sowie einige neurowissenschaftliche Betrachtungen zur Funktion unseres Gedächtnisses sollen die hier diskutierte Fragestellung aus interdisziplinärer Perspektive beleuchten. Kausalketten stellen auch in der Medienberichterstattung ein beliebtes Mittel dar, um die Aufmerksamkeit der MediennutzerInnen auf bestimmte Ereignisaspekte zu lenken: Kann die Konfrontation mit Kausalketten demnach wirklich dazu führen, dass LeserInnen, beeinflusst durch verschiedene Informationsfilterungsmechanismen, den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit weg von der handelnden Person und demnach weg von Konzepten wie Verantwortlichkeit und Schuld setzen? Die Antwort scheint in Anbetracht der klar eingegrenzten Hypothese dieser Arbeit relativ eindeutig zu sein: LeserInnen scheinen bei einer Konfrontation mit Kausalketten stark dazu zu neigen, die für einen Schadensfall verantwortliche Person zu vergessen. Wie das genau abläuft, wird sich auf den folgenden 260 Seiten zeigen.

II

Inhaltsverzeichnis

ABSTRACT ...... II

INHALTSVERZEICHNIS ...... III

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...... VI

TABELLENVERZEICHNIS ...... VIII

VORWORT UND DANKSAGUNG ...... IX

1 EINFÜHRUNG ...... 1

2 BEGRIFFSEINGRENZUNGEN ZUR FORMULIERUNG DER HYPOTHESE ...... 4

2.1 AGENS, AGENTIVITÄT UND AGENS-ACTIO-SCHEMA ...... 4 2.2 KAUSALKETTEN ...... 7

2.3 AUSGANGSHYPOTHESE ...... 8 2.3.1 Forschungsfragen ...... 9 2.3.2 Ziele dieser Untersuchung ...... 11

3 GRUNDLEGENDES ZUR SAPIR-WHORF-HYPOTHESE ...... 12

3.1 BEGRIFFSBESTIMMUNGEN ZUM THEMENKOMPLEX SPRACHE – DENKEN - KULTUR ...... 14 3.1.1 Sprachtypus, Sprachsystem, Sprachnorm und Rede nach Eugenio Coseriu ...... 14 3.1.2 Alltagssprache und Fachsprache ...... 17 3.1.3 Weltbild und Weltanschauung ...... 18 3.1.4 Sprache und Denken: Zwei Auffassungen ...... 19 3.1.5 Zum Verhältnis zwischen Sprache und Kultur ...... 21 3.1.5.1 Universalismus ...... 22 3.1.5.2 Relativismus ...... 23 3.1.6 Semiotische, strukturelle und funktionale Relativität ...... 26 3.2 SPRACHLICHE RELATIVITÄT: EINE ALTE DEBATTE ...... 27 3.2.1 Wilhelm von Humboldt (1767-1835) ...... 27 3.2.2 Ludwig Wittgenstein (1889-1951) ...... 28 3.2.3 Franz Boas (1858-1942) ...... 29 3.2.4 Edward Sapir(1884-1939) ...... 30 3.2.5 Benjamin Lee Whorf (1897-1941) ...... 32

III

4 DIE FORSCHUNG NACH WHORF ...... 37

4.1 ÜBERPRÜFUNGSVERSUCHE ZUM SPRACHBEZOGENEN WELTBILDGEDANKEN: DIE FORSCHUNG DER 1950ER BIS 1980ER JAHRE ...... 37

4.2 DIE NEUERE UND NEUESTE FORSCHUNG (1980ER BIS HEUTE) ...... 40 4.2.1 Zentrale Unterscheidungsmerkmale der neueren und neuesten Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese ...... 44 4.2.2 Die neueste Forschung: Lera Boroditsky ...... 49 4.2.2.1 Raum, Zeit und Bewegung ...... 50 4.2.2.2 Menschliche Beziehung, Agentivität, Verantwortlichkeit und Kausalität ...... 52

4.3 EINIGE ZENTRALE BEGRIFFSEINGRENZUNGEN FÜR DIESE ARBEIT ...... 71 4.3.1 Sprache ...... 71 4.3.2 Denken ...... 71 4.3.3 Erläuterungen zu der in dieser Untersuchung angewandten Annäherungsmethode ...... 73

5 MEDIENWIRKUNG UND MEDIENREALITÄT ...... 75

5.1 WARUM WIRKEN MEDIEN? ...... 76 5.2 DER MENSCH IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN MEDIENPRODUKTION UND

MEDIENREZEPTION: EIN INTERDISZIPLINÄRER BEITRAG ZUR MEDIENANTHROPOLOGIE...... 81 5.2.1 Einflussfaktoren auf die sprachliche Gestaltung journalistischer Beiträge und mögliche Auswirkungen auf die Wirklichkeitskonstruktion bei RezipientInnen ...... 83 5.2.2 Framing ...... 89 5.2.3 Einige medienwissenschaftliche, psychologische, neurowissenschaftliche und evolutionstheoretische Ansätze zur Aufmerksamkeit ...... 92 5.2.4 Kognitive Verarbeitungs- und Situationsmodelle für Medienstimuli ...... 98 5.2.5 Das Gedächtnis ...... 106

5.3 INTENTIONALE AKTEURINNEN VERSUS KAUSALITÄT IN DER MEDIENBERICHTERSTATTUNG ...... 108

6 EINIGE BETRACHTUNGEN ZUR KAUSALITÄT ...... 112

6.1 GRUNDLEGENDES: WANN FRAGEN WIR NACH KAUSALERKLÄRUNGEN? ...... 112 6.1.1 Begriffsdefinitionen ...... 113 6.1.2 Ursache und Wirkung: Traditionelle Kausalkonzepte ...... 114 IV

6.1.3 Wie erforschen wir Kausalzusammenhänge? ...... 118

6.2 ZENTRALE CHARAKTERISTIKA DES KAUSALEN VORGANGES ...... 121 6.2.1 Innersprachliche Kausalität: Strukturelle und semantische Betrachtungen zur Kausalität ...... 127 6.2.1.1 Syntaktische Ausdrucksmöglichkeiten ...... 127 6.2.1.2 Semantische Ausdrucksmöglichkeiten: Die Theta-Rollen Ursache und Agens ...... 129 6.2.2 Kausalketten als Beispiele für indirektes Verursachen ...... 133 6.3 KAUSALITÄT UND HANDLUNG ...... 136

7 EMPIRISCHE ANALYSE ZUR DARSTELLUNG VON HANDELNDEN PERSONEN IN DER MEDIENBERICHTERSTATTUNG AM BEISPIEL DER SKANDALBANK HYPO-ALPE ADRIA ...... 142

7.1 AUSGANGSHYPOTHESE ...... 143

7.2 ERLÄUTERUNGEN ZUR ANGEWANDTEN METHODE UND DARSTELLUNGSFORM ...... 145 7.3 EIN KLEINER ÜBERBLICK BEZÜGLICH DER AUSWAHL VERSCHIEDENER SKANDALE FÜR DIE

LINGUISTISCHE UNTERSUCHUNG: SCHLÜSSELEREIGNISSE ...... 148 7.4 ANALYSEN ...... 153 7.4.1 Bilanzfälschung infolge von Spekulationsverlusten ...... 154 7.4.2 Kulterers gesetzeswidriger Positionswechsel in den Aufsichtsrat ...... 163 7.4.3 Spekulation mit toxischen Wertpapieren ...... 171 7.4.4 Der Handel mit Spam-Aktien ...... 178 7.4.5 Insider-Geschäfte beim Verkauf der Hypo an die BayernLB ...... 185 7.4.6 Versteckte Parteifinanzierung: Die Causa Birnbacher ...... 192 7.4.7 Vergabe von faulen Krediten: ...... 199 7.4.8 Schuldenerlass für FPÖ-Politiker ...... 204

8 ÜBERPRÜFUNG DER EMPIRISCHEN DATEN: EINE FALLSTUDIE ...... 210

8.1 EXPERIMENTDURCHFÜHRUNG ...... 210 8.1.1 Erläuterungen zur angewandten Methode ...... 210 8.1.2 Grundmodell des Fragebogens ...... 211 8.1.3 TeilnehmerInnen ...... 218 8.1.4 Material/Software ...... 222

V

8.1.5 Datenerhebung und Kodierung ...... 223

8.2 ERGEBNISSE DER STUDIE ...... 225 8.2.1 Prozentuelle Verteilung der Antwortauswahl für Gruppe A im Überblick ...... 226 8.2.2 Prozentuelle Verteilung der Antwortauswahl für Gruppe B im Überblick ...... 230 8.2.3 Signifikanz der erhaltenen Werte ...... 235 8.2.3.1 Signifikanzwerte für Gruppe A: Durchführung des Chi-Quadrat-Tests ...... 235 8.2.3.2 Signifikanzwerte für Gruppe B: Durchführung des Chi-Quadrat-Tests ...... 238

8.3 DISKUSSION ...... 240

9 SCHLUSSÜBERLEGUNGEN ...... 242

QUELLEN ...... 248

ANHANG ...... 264

Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNG 1: BEZIEHUNGEN UNTERSCHIEDLICHER GESICHTSPUNKTE VON „SPRACHE“ NACH

COSERIU. ABBILDUNG MODIFIZIERT ÜBERNOMMEN AUS COSERIU (1992:254)...... 15 ABBILDUNG 2: DIE VIER STRUKTURIERUNGSEBENEN DER FUNKTIONELLEN SPRACHE NACH

COSERIU (1992:293). ABBILDUNG MODIFIZIERT ÜBERNOMMEN...... 17 ABBILDUNG 3: PENTAMODALES WIRKUNGSMODELL NACH MERTEN. MODIFIZIERT

ÜBERNOMMEN AUS MERTEN (1999:359)...... 80 ABBILDUNG 4: SELEKTIONS- UND FRAMINGPROZESSE VON NACHRICHTEN DURCH MEDIEN UND

REZIPIENTINNEN. ABBILDUNG ÜBERNOMMEN AUS UNZ/SCHWAB (2004:517)...... 91 ABBILDUNG 5: KAUSALKETTEN ALS AUSLÖSER VON MECHANISMEN DER SELEKTIVEN

AUFMERKSAMKEIT...... 98 ABBILDUNG 6: DIE FOKUSSIERUNG VON HANDELNDEN PERSONEN IN SÄTZEN NACH DEM

AGENS-ACTIO-SCHEMA...... 98 ABBILDUNG 7: GRUNDMODELL DER MENSCHLICHEN INFORMATIONSVERARBEITUNG.

ABBILDUNG ÜBERNOMMEN AUS SCHWAN/HESSE, 2004:74...... 107 ABBILDUNG 8: DAS HEMPEL-OPPENHEIM-SCHEMA, MODIFIZIERT ÜBERNOMMEN AUS FREY (1981:61)...... 119

VI

ABBILDUNG 9: SCHEMA DER ALLTAGSSPRACHLICHEN KAUSALARGUMENTATION, MODIFIZIERT

ÜBERNOMMEN AUS KIENPOINTNER (1992:344)...... 139 ABBILDUNG 10: ANALYSESCHRITTE IN DER UNTERSUCHUNG VON AUTHENTISCHEN

BEISPIELSÄTZEN FÜR AGENS-ACTIO-SÄTZE UND KAUSALKETTEN...... 146 ABBILDUNG 11: GRUNDSCHEMA DER ZERLEGUNG VON KAUSALKETTEN...... 146

ABBILDUNG 12: VERTEILUNG DES BILDUNGSSTANDES DER TEILNEHMERINNEN IN GRUPPE A...... 220

ABBILDUNG 13: VERTEILUNG DES BILDUNGSSTANDES DER TEILNEHMERINNEN IN GRUPPE B...... 220

ABBILDUNG 14: VERTEILUNG DES BILDUNGSSTANDES DER TEILNEHMERINNEN IN GRUPPE A UND GRUPPE B...... 221

ABBILDUNG 15: FORMEL FÜR DIE BERECHNUNG DER ERWARTETEN WERTE NACH DER CHI- QUADRAT-STATISTIK...... 225

ABBILDUNG 16: FORMEL FÜR DEN CHI-QUADRAT-TEST ZUR ERRECHNUNG DER SIGNIFIKANZ...... 225

ABBILDUNG 17: EXCEL TABELLE MIT PUNKTEVERGABEN FÜR GRUPPE A...... 236 ABBILDUNG 18: EXCEL-TABELLE MIT PUNKTEVERGABEN UND GESAMTSUMMEN FÜR GRUPPE A...... 236 ABBILDUNG 19: DURCHFÜHRUNG DES CHI-QUADRAT-TESTS FÜR GRUPPE A IN EXCEL...... 237

ABBILDUNG 20: EXCEL-TABELLE MIT PUNKTEVERGABEN FÜR GRUPPE B...... 238 ABBILDUNG 21: EXCEL-TABELLE MIT PUNKTEVERGABEN UND GESAMTSUMMEN FÜR GRUPPE B...... 238 ABBILDUNG 22: DURCHFÜHRUNG DES CHI-QUADRAT-TESTS FÜR GRUPPE B IN EXCEL...... 239

ABBILDUNG 23: EXCEL-TABELLE MIT ANTWORTEN DER TEILNEHMERINNEN 1-30 AUS GRUPPE A...... 264

ABBILDUNG 24: EXCEL-TABELLE MIT ANTWORTEN DER TEILNEHMERINNEN 31-60 AUS GRUPPE A...... 264

ABBILDUNG 25: EXCEL-TABELLE MIT ANTWORTEN DER TEILNEHMERINNEN 1-30 AUS GRUPPE B...... 265 ABBILDUNG 26: EXCEL-TABELLE MIT ANTWORTEN DER TEILNEHMERINNEN 31-60 AUS GRUPPE B...... 265

VII

Tabellenverzeichnis

TABELLE 1: EIN VERGLEICH DER KRITERIEN FÜR KAUSALITÄT ZWISCHEN SCHELLENS (1985)

UND TITZE (1981)...... 125 TABELLE 2: GEGENÜBERSTELLUNG ZWISCHEN DESKRIPTIVEN KAUSALSCHEMATA UND

KRITERIEN FÜR KAUSALITÄT...... 126 TABELLE 3: GRUNDMODELL DES FRAGEBOGENS...... 213

TABELLE 4: DURCHSCHNITTSALTER UND GESCHLECHT DER TEILNEHMERINNEN AN DER STUDIE...... 220

TABELLE 5: BEOBACHTETE HÄUFIGKEITSWERTE FÜR DIE ABHÄNGIGE VARIABLE "AGENSERKENNUNG" IN GRUPPE A...... 230

TABELLE 6: BEOBACHTETE HÄUFIGKEITSWERTE FÜR DIE ABHÄNGIGE VARIABLE "AGENSERKENNUNG" IN GRUPPE B...... 234

VIII

Vorwort und Danksagung

Die Linguistik fasziniert mich. Vor allem fasziniert mich daran, dass ich mich mit dem, was die Menschen ausmacht, beschäftigen darf. Die Kunst der Sprache, das Zusammenfügen von Worten, von Wortgruppen. Diese wundervolle Möglichkeit aus einem endlichen Inventar an Wortmaterial, unendlich Vieles schaffen zu können. Die Bedeutung von Wörtern. Die unterschiedlichen Bedeutungszuschreibungen. Der Einsatz von bestimmten Äußerungen in speziellen Kontexten. Die Form und Gestalt der Wörter, ihre Lautungen, ihre Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte, ihre Veränderungen. Der Einfluss von Wörtern, Wortgruppen, Sätzen, Texten und Sprachen auf unser alltägliches Leben, auf unsere Sicht der Welt.

All dies ist so faszinierend, dass ich es, paradoxerweise, mit Worten fast nicht beschreiben kann. Ich möchte mich bei all den Menschen bedanken, die meine Liebe zum Wort begriffen haben. Und wo sonst, wenn nicht an der philologisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät, hätte ich dieser Liebe am besten Ausdruck verleihen können?

Ein großes Dankeschön geht an meine Eltern, die mich seit dem ersten Tag meines Linguistikstudiums unterstützt haben. Danke, liebe Mutter Constanze, dafür, dass Du meine Begeisterung für dieses wundervolle Studium die ganze Zeit über geteilt hast und mir sowohl emotional als auch finanziell zur Seite gestanden hast. Danke, lieber Vater Otto, der Du mir nie allzu detaillierte Fragen über mein Studium gestellt hast, sondern mir einfach vertraut hast und Dir immer sicher warst, dass ich das Richtige tue. Danke, liebe Schwester Marion, für deine stets enthusiastische Haltung gegenüber meiner Person und all dem, was ich mache.

Danke auch Dir, lieber Max, der Du seit acht Jahren an meiner Seite stehst, mir immer zuhörst und versuchst mitzureden und meine Begeisterung zu teilen. Ich danke Dir für Deine Liebe und Deine wertvolle Unterstützung.

IX

An dieser Stelle möchte ich mich auch bei Professor Kienpointner bedanken, der mich in den letzten fünf Jahren mit so viel linguistischem Wissen und Begeisterung für die Linguistik bereichert hat und stets viel Geduld gezeigt hat, wenn es darum ging, meine viel zu langen schriftlichen Arbeiten zu lesen (leider fällt auch diese Arbeit unter die eben genannte Kategorie).

Ich bedanke mich auch bei Frau Mag. Irina Windhaber für ihre wertvolle Unterstützung bei der statistischen Auswertung der Daten. Ein weiteres großes Dankeschön geht auch an Dott. Mario Casale, MA., der mir immer und überall weiterhilft, egal worum es geht, und der so nett war, mir noch zusätzliche Testpersonen für meine Studie zu organisieren.

Da Tiere für mich genauso wichtig sind wie Menschen, möchte ich mich auch noch bei meinen zwei wunderschönen Katzendamen Jeanny und Frida für ihren moralischen Beistand der letzten Monate bedanken, welcher mir durch zahlreiche Schnurr- und Streicheleinheiten versüßt wurde.

An dieser Stelle angelangt, personifiziere ich auch noch die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und bedanke mich bei ihr, dass ich hier sein darf, in der Hoffnung, sie nie mehr wieder verlassen zu müssen (zumindest nicht in den nächsten 50 Jahren).

Danke Euch allen.

Linda

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1 Einführung

Die Relation zwischen Sprache, Denken und Weltbild stellt eines jener Themen dar, welche in verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen diskutiert werden. So sind es etwa die Disziplinen Philosophie, Psychologie, Ethnologie, Anthropologie und nicht zuletzt die Sprachwissenschaft, die im Laufe der Wissenschaftsgeschichte immer wieder erneut versucht haben, eine Antwort auf diese Frage zu liefern. Dabei ist es gut vorstellbar, dass dieses fruchtbare Forschungsgebiet gleichsam auch eine Vielzahl von auseinandergehenden Standpunkten mit sich gebracht hat. In dieser Arbeit soll es darum gehen, zu untersuchen, inwiefern Medien unsere Wahrnehmung des Weltgeschehens, genauer gesagt unsere Konzeptualisierung von Personen, welche in der Medienberichterstattung durch ihre jeweiligen Handlungen ihren Platz einnehmen, beeinflussen. Ob wir den für ein bestimmtes Ereignis verantwortlichen AkteurInnen nun völlige Verantwortlichkeit zuweisen oder ob wir sie nur als Mitwirkende innerhalb einer Reihe von kausal aufeinander bezogener Ereignisse wahrnehmen, hat sehr viel mehr mit der Art und Weise der jeweiligen Satzkonstruktion zu tun, als wir zunächst vermuten würden. Ausgangspunkt für diese Untersuchung war ein von der US-amerikanischen Forscherin und Assistenzprofessorin Lera Boroditsky durchgeführtes Experiment zum Themenschwerpunkt Kausalität und Verantwortlichkeit. Sie stellte ganz richtig fest, dass durch unterschiedliche Weisen der sprachlichen Darstellung eines Jagdunfalls, etwa durch den Einsatz der Passivform oder durch die Tilgung des Agens, auch unterschiedliche Perspektiven des Geschehens bei den RezipientInnen entstehen können. Nicht zuletzt versuchte sie auch aufzuzeigen, dass der Einsatz von Kausalketten vor allem dazu führte, der für ein Ereignis verantwortlichen Person einen geringeren Grad an Verantwortlichkeit zukommen zu lassen. An dieser Stelle kam mir die Idee, selbst solche Kausalketten in der Medienberichterstattung anhand eines Korpus zu sammeln und daraufhin zu untersuchen und zu überlegen, inwiefern solche Konstruktionen die Vorstellung von Agentivität bei den LeserInnen beeinflussen können. Diese Arbeit sollte demnach ein Beitrag zur neueren Forschung zur Sapir-Whorf- Hypothese sein, welcher sich nach ihren wichtigsten Grundsätzen ausrichten sollte. In Kapitel 2 möchte ich dafür einige wichtige Begriffe, wie Agens, Agentivität, Agens-Actio-Schema und Kausalketten definieren, um sodann zur Formulierung meiner Ausgangshypothese und zur Festlegung der zentralen Forschungsfragen, die in dieser Arbeit beantwortet werden sollen, überzugehen. 1

In Kapitel 3 sollen einige ganz grundlegende Begriffe wie Sprache, Denken und Weltbild in ihrem umfangreichen Bedeutungsspektrum dargestellt werden und versucht werden, sie letztendlich auf ganz konkrete Teilaspekte hin zu reduzieren, um den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit und somit das hier untersuchte Beeinflussungsverhältnis so präzise als möglich einzugrenzen. Des Weiteren sollen in diesem Kapitel auch noch einige der wichtigsten theoretischen Ansätze zur Sprache-Denken-Debatte geliefert werden, um die hier durchgeführte Untersuchung in einen passenden theoretischen Rahmen einbetten zu können. In Kapitel 4 sollen die Ziele und Methoden der neueren Forschung ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden, vor allem, um das in dieser Arbeit durchgeführte Experiment auf der Grundlage der wichtigsten Charakteristika der jüngsten Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese auszuführen. Insbesondere sollen hierbei die von der US- amerikanischen Forscherin Lera Boroditsky in den letzten 15 Jahren durchgeführten Experimente zur Kausalität und Verantwortlichkeit genauer geschildert werden, nicht zuletzt, um den Grundgedanken der hier formulierten Arbeitshypothese noch besser vor Augen zu führen. Kapitel 5 soll uns einige aufschlussreiche Hintergrundinformationen aus dem Bereich der Medienwissenschaft liefern, um überhaupt den grundlegenden Mechanismus der Medienwirkung auf RezipientInnen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten zu können. Hierbei soll es nicht an interdisziplinären Verbindungen zu anderen Forschungsbereichen wie etwa der Anthropologie und der Neurolinguistik fehlen, um besser auf eventuelle kognitive Mechanismen einzugehen, die die Grundlage unserer Aufmerksamkeit und demnach der Filterung von Informationen, welche uns tagtäglich von den Medien geliefert werden, darstellen sollen. Außerdem sollen auch unterschiedliche sprachliche Strategien thematisiert werden, welche von JournalistInnen eingesetzt werden, um bestimmte Ereignisaspekte hervorzuheben und somit unterschiedliche Bilder des Geschehenen bei den RezipientInnen auszulösen. In Kapitel 6 werde ich einige grundlegende Definitionen von Kausalität liefern und genauer auf die Begriffe der Ursache und Wirkung eingehen. Des Weiteren werde ich auch versuchen, eine Liste von Kriterien für das Vorhandensein von Kausalität aufzustellen, um so die zentralsten Charakteristika dieser in so vielen Wissenschaftsdisziplinen behandelten Thematik aufzuzählen. In diesem Kapitel werde ich auch nochmals gesondert auf den Begriff der

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Kausalketten eingehen und darin vor allem mithilfe der Präsentation ihrer Besonderheiten versuchen, mögliche Gründe für die Abschwächung des Konzepts der Verantwortlichkeit und der Vorstellung von Absichtlichkeit und Handlung zur Stützung meiner Ausgangshypothese zu liefern. Kapitel 7 soll den Beginn des empirischen Teils dieser Arbeit darstellen: Als Paradebeispiel für unterschiedliche Darstellungen von handelnden Personen in der Medienberichterstattung werden hierzu acht spezielle Themenbereiche bezüglich der Hypo Alpe Adria-Skandale ausgewählt. Die vorwiegend aus österreichischen und deutschen Online-Medien entnommenen authentischen Beispielsätze sollen hierfür in zwei Gruppen eingeteilt werden: Zum einen in einen Typ 1 der Satzbildung nach dem simplen Agens-Actio-Schema, also Sätze bestehend aus einem Subjekt als Agens im Nominativ, einem finiten Verb und einem oder mehreren direkt oder indirekt betroffenen Objekten. Zum anderen werden die Sätze in einen Typ 2 der Satzbildung nach dem komplexeren Muster einer Kausalkette mit unterschiedlichen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Kettenelementen eingeteilt. Diese Unterteilung soll vor allem analysepraktische Gründe haben. Dadurch werde ich im weiteren Fortschreiten nämlich genauer untersuchen, inwiefern sich die Vorstellung einer handelnden Person zu ein-und demselben Thema durch das jeweils unterschiedlich eingesetzte Satzmodell verändern könnte. Für die Analyse der Kausalketten werde ich konstant nach einem von mir selbst erstellten Analyseschema vorgehen. Die darin vorgenommene Zerlegung in Einzelbestandteile der Kette soll vor allem dazu dienen, den LeserInnen besser veranschaulichen zu können, inwiefern solche Konstruktionen beim Lesen der Sätze von der handelnden Person ablenken könnten. In Kapitel 8 möchte ich 16 der hier gefundenen Beispielsätze verwenden und daraus einen Fragebogen für meine Studie erstellen, um zu überprüfen, ob die von mir hypostasierte Reaktion auf solche Kausalketten entweder zu bestätigen, zu modifizieren oder gegebenenfalls auch zu widerlegen ist. Zum Abschluss sollen alle wichtigen Ergebnisse aufgelistet werden und in der Folge in einigen übersichtlichen Tabellen und Graphiken zum besseren Verständnis dargestellt werden.

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2 Begriffseingrenzungen zur Formulierung der Hypothese

Die in dieser Arbeit durchgeführte linguistische Untersuchung soll sich auf der allgemeinsten Ebene mit der Frage beschäftigen, ob unterschiedliche syntaktische Konstruktionen unterschiedliche kognitive Mechanismen der Aufmerksamkeit bewirken. Sinn und Zweck der hier präsentierten empirischen Analyse und der Fallstudie soll also die Beschreibung des Einflusses besonderer syntaktischer Strukturen auf die Filterung von Informationen bei unterschiedlichen RezipientInnen sein. Auf der konkreteren Ebene möchte ich versuchen, die für die gesamte linguistische Arbeit relevante Forschungsfrage zu beantworten, die folgendermaßen lauten soll: Beeinflussen Kausalketten unsere Vorstellung von Agentivität? Um nun zur Formulierung meiner Ausgangshypothese zu kommen, erscheint es mir vorab wichtig, die zentralsten Begriffsfelder, welche für diese Untersuchung relevant sind, zu definieren. Deshalb möchte ich in einem ersten Schritt die Termini „Agens“, bzw. „Agentivität“, „Agens-Aktio-Schema“ sowie „Kausalketten“ abgrenzen.

2.1 Agens, Agentivität und Agens-Actio-Schema

Das linguistische Wörterbuch von Lewandowski (1984:31) liefert für den Begriff „Agens“ die folgende Definition: „Agens (lat. agere: Handeln). Handelnde ‚Person‘, Urheber, Ausgangsgröße einer Handlung oder Tätigkeit, die in den indoeurop. Sprachen durch den Nominativ, in Passivsätzen durch den Ablativ, Instrumental oder Dativ (mit oder ohne Präposition) zum Ausdruck gebracht wird.“ (Lewandowski, 1984:31).

Man versteht demnach unter „Agentivität“ die Rolle einer handelnden Ausgangsgröße, welche an eine Tätigkeit geknüpft ist (s. auch die Kapitel 6.2.1.2, 6.2.2 und 6.3). Im engeren Sinne handelt es sich hierbei um ein Konzept einer semantischen Rolle (auch: thematische Rolle), welches ab den 1960er Jahren erstmals Beachtung fand, vor allem deshalb, weil die von Noam Chomsky im Jahre 1965 präsentierte generative Transformationsgrammatik (Aspects of a Theory of Syntax) die Syntax in den Mittelpunkt der Sprachbeschreibung stellte und der Semantik eine eher untergeordnete Rolle zuschrieb. Ein Versuch, der Semantik größere Bedeutung zuzuschreiben stammt beispielsweise von Charles Fillmore und seiner Kasusgrammatik (auch: Theta-Theorie, Funktionale Grammatik, Semantische Valenz; vgl. Bußmann, 2008:322ff.). Die Kasusgrammatik ist eine im Rahmen der generativen Transformationsgrammatik entwickelte Ebene der Satzbeschreibung unter

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semantischem und syntaktischem Aspekt, welche als Kritik zu Chomskys Standard-Theorie erarbeitet wurde (vgl. Lewandowski, 1990:515f.). Sie besagt, dass der einfache Satz aus einem Verb und einer oder mehreren Nominalphrasen besteht, wobei jede dieser Nominalphrasen durch eine bestimmte Kasusrelation an das Verb gebunden ist (vgl. Fillmore, 1971:30). Fillmore schlug hierfür eine Unterscheidung zwischen grammatischen Oberflächenkasus (Nom., Gen., Dat., Akk.) und semantischen Tiefenkasus (Agentiv, Instrumental, Dativ, Faktitiv, Lokativ und Objektiv) vor (vgl. Fillmore, 1971:34ff.). Die semantische Rolle „Agentiv“ trägt beispielsweise die Merkmale [+belebt, +menschlich, + Agens] (vgl. Lewandowski, 1984:32) und steht folglich für den „belebten [Animate], wahrgenommenen verantwortlichen Urheber der Tätigkeit oder Handlung“ (Fillmore, 1971:34). Beispielsweise steht John in dem Satz „John opened the door“ (ebd.:35), im Nominativ und trägt die Rolle Agentiv, da er als belebter, wahrgenommener verantwortlicher Urheber dieser Handlung fungiert. In dem Satz „The key opened the door“ (ebd.), steht the key auf der Oberfläche zwar auch im Nominativ, auf der Tiefenebene besetzt er allerdings die Rolle Instrumental („Der Kasus der unbelebten Kraft oder des Objekts, das in der Tätigkeit oder dem Zustand, die durch das Verb beschrieben werden, eine Rolle spielt“; Fillmore, 1971:34). Den Rollen bei Fillmore sind schließlich auch konzeptuell-kognitive und pragmatische Merkmale zuzusprechen, vor allem, da auf der kognitiven Ebene unterschiedlichen Bedeutungen auch unterschiedliche Szenen zugeordnet werden, welche eine Art Orientierung bezüglich der Funktionen unterschiedlicher Satzglieder schaffen. Aus diesem Grund besteht die Aufgabe der Semantik für Fillmore in einer Analyse von kognitiven Szenen, welche durch Sätze überhaupt erst geschaffen werden (vgl. Lewandowski, 1990:517f.).

Die Definition von Bußmann (2008:14) fasst obige Gedanken zum Konzept der „Agentivität“ passend zusammen: „Semantische Rolle des Urhebers, bzw. Verursachers einer Handlung, die in Nominativsprachen wie dem Dt. […] im Allgemeinen durch das Subjekt des Satzes syntaktisch realisiert wird: Sie schreibt einen Roman. Im Passiv wird das A. mit Hilfe eines Obliquenkasus […] oder einer Präpositionalphrase ausgedrückt, vgl. von ihr in Der Roman wurde von ihr geschrieben.“ (Bußmann, 2008:14).

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Bußmann (2008:14) liefert für den Agentivitätsbegriff zudem drei zentrale Merkmale: a) Willkürlichkeit, bzw. Intentionalität und die damit zusammenhängende Bewusstheit und Belebtheit, welche in Opposition zum Instrumentalis oder zur Kraft (force) steht (vgl. Fillmores Beispielsatz, 1971:39; John opened the door vs. The wind opened the door). b) Verursachung einer Veränderung c) Aktive Beteiligung, welche im Gegensatz zum sog. Experiencer psychischer Verben steht (vgl. Fillmore, 1971:34).

Ähnlich sind die von Dowty (1991:568ff.) in seiner Festlegung eines „Proto-Agens-Begriffs“ gelieferten Merkmale eines Agens, welche wie folgt lauten: a) Volitionalität b) Verursachung c) Bewusstheit sowie Wahrnehmung d) Bewegung (i.S. einer aktiven Beteiligung)

Die indoeuropäischen Sprachen (SVO-Sprachen) folgen also einer klassischen Satzstruktur, dem sog. „Agens-Actio-Schema“ (actor-action-goal), wobei es sich um eine Satztypologie nach Bloomfield (1933:330) handelt. Bußmann (2008:15) definiert sie wie folgt: „Bezeichnung für den in den meisten ideur. Sprachen als häufigsten Grundtyp vorkommenden vollständigen Aussagesatz, dessen zweigliedriges Minimum aus der Angabe des Handlungsträgers (Agens) und der ihm zugeschriebenen Handlung (Actio) besteht […]. (Bußmann, 2008:15).

Lewandowski (1984:31f.) zufolge, ermöglicht diese Satzstruktur „Aussagen nur nach einem durch diese Sprachen vorgegebenen Schema […], das formal als ein-oder zweistelliger Funktionsraster mit Subjekt und Prädikat erscheint und inhaltlich als notwendiger Zusammenhang von Agens (Täter, Handelnder) und Aktio (Handlung, Tätigkeit) interpretiert wird (besonders in Verbindung mit einem Objektakkusativ oder einer Richtungsangabe). (Lewandowski, 1984:31f.).

Lewandowski (ebd.) gelangt somit zu dem Schluss, dass ein deutscher Satz durch seine spezielle Grundstruktur eine Interpretation der „Wirklichkeit“ nahelegt, laut welcher alles Sein, Geschehen und Handeln subjektgebunden ist.

Ähnliches hierzu schreibt auch Helmut Gipper (1972:40):

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„Wir finden es natürlich, daß z.B. belebte Wesen, von denen Handlungen ausgehen, in unseren Sätzen die Stelle des sogenannten Subjekts einnehmen und daß die von ihnen bewirkten Aktionen mit Hilfe verbaler Formen in Prädikatsfunktion ausgedrückt werden. Schon sind wir bei dem vieldiskutierten Subjekt-Prädikat- bzw. Agens-Actio- Schema eines sehr häufigen Satztypus, der wiederholt als typisch für die indoeuropäischen (aber auch für andere) Sprachen hingestellt worden ist.“

2.2 Kausalketten

Auf der allgemeinsten Ebene steht Kausalität für einen Vorgang einer Ursache-Wirkungs- Beziehung, bzw. eines Verursachens (vgl. Ritter/Gründer, 1976:70ff.).1 Ein Ereignis kann in ein Netz von Ursache-und Wirkungsbeziehungen eingeflochten sein: Dieses Netz nennt man auch „Kausalkette“. Auch in einer Kette von Kausalzusammenhängen, einer sog. „Kausalkette“ (s. auch Kapitel 6, v.a. 6.2.2), herrscht eine Ursache-Wirkungsbeziehung vor. Ein Element gilt zwar meistens als Auslöser der Kette, das darauf folgende Ereignis stellt aber bereits sowohl die Wirkung des auslösenden Ereignisses, als auch die Ursache für das nachfolgende Ereignis dar. Aus diesem Grund gelten die Ereignisse in einer Kausalkette wechselseitig sowohl Ursache als auch Wirkung. Ein Vorgang bewirkt demnach einen anderen, welcher wiederum selbst einen weiteren Vorgang auslöst und zwar so lange, bis der Endpunkt der Kette erreicht ist. In einer Kausalkette ist es von zentraler Bedeutung, dass die Ursachen zeitlich streng nacheinander gereiht und voneinander abhängig sind (vgl. ebd.). Zusammenfassend können die wichtigsten Voraussetzungen für das Vorhandensein einer Kausalkette folgendermaßen aufgelistet werden: - Es bedarf eines Auslösers, bzw. Ausgangsereignisses. - In einer Kausalkette gelten alle Elemente sowohl als Ursache für das Folgeereignis als auch als Wirkung des vorherigen Ereignisses mit Ausnahme des Ausgangsereignisses, das allein die Verursacherrolle übernimmt. - Alle Ursachen der Kette sind zeitlich streng nacheinander gereiht und stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis.

1 Da das Thema „Kausalität“ ein sehr umfangreiches ist, werde ich es in Kapitel 6 nochmals gesondert ausführen. Die hier präsentierte Begriffseingrenzung soll demnach lediglich einer ersten ganz groben Orientierung dienen, um alle, für die Formulierung der Ausgangshypothese notwendigen Begriffe eingrenzen zu können.

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2.3 Ausgangshypothese

Die Grundannahme, von welcher ich in dieser Arbeit ausgehe, ist die folgende:

Auf der einen Seite sollten LeserInnen, welche simple Aktivsätze lesen, die nach dem Agens- Actio-Schema gebildet sind und aus Subjekt, Verb und einem oder mehreren Objekten bestehen, wie z.B. A tötet B, tendenziell dazu neigen, ihre Aufmerksamkeit nach dem Lesen dieser Sätze auf die eine Handlung ausführende Person zu legen, wenn sie danach gefragt werden, was passiert ist.

Auf der anderen Seite sollten Sätze, die durch lange Kausalketten erweitert sind, wie etwa: Letztlich ist A derjenige, der B betätigte, welcher C abfeuerte, welche D traf, bei den LeserInnen eher die Tendenz hervorrufen, ihren Fokus nach dem Lesen der Sätze auf andere Handlungsumstände zu legen. Somit sollten RezipientInnen beim Lesen von Kausalketten dazu neigen, die für ein Ereignis verantwortliche Person auf der kognitiven Ebene nicht notwendigerweise als die zentralste Information einzustufen, wenn sie danach gefragt werden, was passiert ist.

Da die Untersuchung dieser Hypothese durch wissenschaftliche Parameter erfolgen soll, möchte ich diese Grundannahme dementsprechend nach einem gültigen Schlussschema der klassischen zweiwertigen Aussagenlogik, dem Modus Ponens, äußern:2

• Schlussregel/These: Wenn LeserInnen einen simplen, bloß aus Subjekt, Verb und Objekt bestehenden Aktivsatz lesen, der nach dem Agens-Actio-Schema gebildet ist, setzen sie den Fokus ihrer Aufmerksamkeit auf das Agens einer Handlung. • Prämisse: LeserInnen lesen einen simplen, bloß aus Subjekt, Verb und Objekt bestehenden Aktivsatz, der nach dem Agens-Actio-Schema gebildet ist. • Konklusion: LeserInnen setzen ihren Fokus auf das Agens einer Handlung.

2 Der Modus ponens stellt eines der Schemata der klassischen zweiwertigen Aussagenlogik dar. Weitere Schemata wären etwa Modus Tollens, Hypothetischer Syllogismus und Disjunktiver Syllogismus. Es handelt sich hierbei um gültige Schemata, d.h., dass aus wahren Prämissen notwendigerweise auch eine wahre Konklusion folgen muss. Für eine genauere Ausführung zu den verschiedenen Schlussschemata der klassischen zweiwertigen Aussagenlogik verweise ich auf das Werk von Kienpointner (1992:48ff.); siehe auch 19ff., 30ff., 43 ff., 50, 85, 106 ff. 114, 134, 161, 243 ff., 247f. 8

Weiters: • Schlussregel/These: Wenn LeserInnen einen komplexen, aus langen Kausalketten bestehenden Satz lesen, dann legen sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Aspekte und Umstände der Handlung und nicht auf das Agens. • Prämisse: LeserInnen lesen einen komplexen, aus langen Kausalketten bestehenden Satz. • Konklusion: LeserInnen setzen ihren Fokus auf andere Aspekte der Handlung und nicht auf das Agens.

Abstrakt formuliert lässt sich diese Ausgangshypothese nach der Schlussregel des Modus Ponens wie folgt darstellen:

• p  q • p • q

Sollten in der hier durchgeführten empirischen Untersuchung, insbesondere aber in der Fallstudie, hoch signifikante Ergebnisse für diese Hypothese sprechen, so ließe sich die Annahme eines Einflusses der strukturellen Ebene von Sprache auf einen besonderen Bereich der kognitiven Erfassung und Hierarchisierung von eingehender sprachlicher Information aufrechterhalten, bzw. bestätigen.

2.3.1 Forschungsfragen

In dieser Arbeit soll versucht werden, auf die folgenden Forschungsfragen einzugehen und sie mithilfe von Sekundärquellen und empirischem Untersuchungsmaterial eingehend zu beantworten:

- Welche zentralen Neuerungen sind für die Methoden und Ziele der neueren und neuesten Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese im Vergleich zu den Ansätzen Whorfs charakteristisch? - Wie sollen Begriffe wie Sprache, Denken und Wirklichkeit in Bezug auf diese empirische Untersuchung definiert und adäquat eingegrenzt werden, um relevante und präzise Aussagen hinsichtlich ihrer aufeinander wirkenden, beeinflussenden Mechanismen formulieren zu können? 9

- Gibt es bereits ähnliche Forschungen zur Beeinflussung der kognitiven Wahrnehmung von Agentivität durch besondere syntaktische Konstruktionen? - Welche Rolle spielen Medien in der Konstruktion von Wirklichkeit? - Wie lassen sich kognitive Mechanismen der Aufmerksamkeit aus einem evolutionstheoretischen und medienanthropologischen Blickwinkel beschreiben und inwiefern können solche Beschreibungen für die hier durchgeführte empirische Analyse relevant sein? - Inwiefern beeinflussen konkrete sprachliche Muster der Medienberichterstattung unsere Wahrnehmung von Ereignissen und handelnden Personen? - Wie lassen sich Konzepte der Kausalität unter linguistischem Gesichtspunkt definieren? - Welche sind die zentralen Charakteristika von Kausalketten und warum kann das Lesen solcher Satzmuster dazu führen, dass wichtige Elemente des Satzes auf der kognitiven Ebene einfach getilgt werden? - Lassen sich mithilfe einer Fallstudie relevante und präzise Daten und Fakten bezüglich eines möglichen Einflusses langer kausaler Konstruktionen in der Berichterstattung auf die Wahrnehmung von Agentivität aufstellen? - Wird die Grundannahme des Einflusses unserer Sprache auf unser Denken durch die in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse eher abgeschwächt oder gestärkt?3 - Wie können hier aufgestellte Thesen wiederum in den Rahmen der neueren und neuesten Forschungen zur Sapir-Whorf-Hypothese eingeordnet werden?

Diese konkreten Forschungsfragen, welche den roten Faden dieser gesamten linguistischen Arbeit darstellen sollen, möchte ich nun in den folgenden Kapiteln mithilfe von Sekundärquellen beantworten. Sie sollen einen adäquaten theoretischen Rahmen für die in Kapitel 7 präsentierten Belege schaffen.

3 Ich verwende die Begriffe Sprache und Denken in diesen anfänglichen Fragestellungen noch in sehr verallgemeinernder Weise; ich werde in den Kapiteln 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4 aber versuchen, diese Konzepte besser einzugrenzen und demnach versuchen, sie in Bezug auf die hier durchgeführte Untersuchung angemessen zu definieren.

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2.3.2 Ziele dieser Untersuchung Die Sapir-Whorf-Hypothese erfuhr in den letzten sieben Jahrzehnten unterschiedlich starke Rezeption, Modifikation und Erweiterung. Die hier durchgeführte Untersuchung soll sich auf der allgemeineren Ebene an der Fragestellung nach dem Zusammenhang zwischen „Sprache“ und „Denken“ im weitesten Sinne orientieren, im engeren Sinne soll sie sich aber nach den zentralen Charakteristika der jüngsten Forschung zur Hypothese richten und im Idealfall als wertvoller Beitrag zu dieser bis in die Gegenwart vieldiskutierten Fragestellung des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Sprache und Denken betrachtet werden. Für ihre Durchführung sollen in den Kapiteln 3, 4, 5 und 6 ein breites Spektrum an nötigen Hintergrundinformationen geliefert werden, um einen adäquaten theoretischen Rahmen für jegliche Analyseschritte zu erhalten und um alle erzielten Ergebnisse der Studie mit dem zuvor präsentierten theoretischen Material in Einklang bringen zu können.

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3 Grundlegendes zur Sapir-Whorf-Hypothese In diesem Kapitel, welches einige wichtige Hintergrunddaten zur Sapir-Whorf-Hypothese liefern soll, möchte ich zunächst zentrale Begriffe, wie Sprache als Sprachtypus, als Sprachsystem, als Sprachnorm und als Rede, wie es der rumänische Sprachwissenschaftler Eugenio Coseriu vorschlägt, differenzieren, um mögliche Beeinflussungsmechanismen von Seiten der Sprache genauer eingrenzen zu können. Nicht zuletzt möchte ich dadurch aufzeigen, dass die Frage nach dem Einfluss von Sprache auf verschiedene Phänomene, wie Kultur, Alltag, Denken, Wirklichkeit u.v.m. zunächst mit äußerster Vorsicht gestellt werden muss, zumal vorab zumindest der Versuch getätigt werden sollte, die verschiedenen, aufeinander einwirkenden Bereiche so genau als möglich einzugrenzen. Es macht schließlich einen großen Unterschied, ob man sich in dem leider oftmals zu stark verallgemeinernden Begriff Sprache auf das Sprachsystem mit Lexikon, auf die Sprachnorm oder auf die konkrete Ebene der Realisierung des Systems im Diskurs oder Text bezieht. Zudem muss aber auch der Bereich, von welchem ausgegangen wird, dass er diesem (wie auch immer definierten) sprachlichen Bereich ausgesetzt ist und durch ihn beeinflusst wird, als Begriff präzise abgegrenzt wird, zumal es nicht dasselbe ist, wenn sich ein Begriff wie Wirklichkeit auf das Leben im Alltag einer bestimmten Sprechergemeinschaft oder auf spezielle Kontexte bezieht, und es macht erst recht einen großen Unterschied, ob sich der Begriff Denken auf eine bestimmte Lebensweise, eine bestimmte Kultur, eine Ideologie oder etwa auf kognitive Fertigkeiten und Mechanismen der Aufmerksamkeitsgenerierung bezieht. Wir müssen also versuchen, Kriterien zu finden, um den Forschungsgegenstand besser einzugrenzen, denn nur auf diese Weise ist es auch unter Berücksichtigung des Faktums, dass über solch umfassende Konzepte wie „Sprache“, „Denken“ und „Wirklichkeit“ bereits ganze Bibliotheken gefüllt worden sind, möglich, möglichst unanfechtbare Aussagen zu formulieren.4 Des Weiteren möchte ich einige wichtige Persönlichkeiten ansprechen, welche sich mit dem Themenkomplex der Relation und des Einflusses zwischen verschiedenen Teilbereichen des

4 Ich bin mir dessen bewusst, dass selbst mein Streben nach einer Abgrenzung dieser sehr umfassenden und vielseitigen Begriffe wie Sprache, Denken, Wirklichkeit, Kultur u.ä. sowie eine Diskussion darüber selbst schon die Gefahr läuft, in einen Zirkel überzugehen. Allerdings bevorzuge ich es, zumindest den Versuch zu tätigen, zu verdeutlichen, dass im Umgang mit solchen Konzepten und in der Aufstellung von Hypothesen hinsichtlich beeinflussender Mechanismen äußerste Vorsicht geboten sein sollte, sofern man nicht willig ist, präzise Eingrenzungen auf bestimmte Teilbereiche dieser weitläufigen Begriffe vorzunehmen.

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Sprachlichen und solchen des Denkens und der Wirklichkeit auseinandergesetzt haben: Hierfür möchte ich kurz einige Ansätze bedeutender Philosophen wie etwa Ludwig Wittgenstein ansprechen sowie einen starken Fokus auf die sprachwissenschaftliche Herangehensweise an den Themenkomplex, die letztendlich als Sapir-Whorf-Hypothese in die Forschungsgeschichte eingegangen ist, thematisieren. Zu diesem Zweck werde ich kurz die zentralsten Gedanken der „Vorreiter“ zur Sapir-Whorf-Hypothese, Wilhelm von Humboldt sowie Franz Boas präsentieren, um sodann zu den etwas radikaleren Ansätzen von Edward Sapir und letztlich zu den kühnen Thesen von Benjamin Lee Whorf zu kommen. Hierbei sei allerdings angemerkt, dass diese einführende Darstellung hauptsächlich dazu dienen soll, eine wertvolle Vergleichsbasis für die in den weiteren Kapiteln präsentierten zentralen Charakteristika zur neueren Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese darstellen soll. Aus diesem Grund empfehle ich, dieses einführende Kapitel lediglich als groben Überblick zu den wichtigsten Aspekten bezüglich des Themenkomplexes Sprache und Denken anzusehen, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit gelegt werden soll. Ich werde trotzdem versuchen, für alle meine Erläuterungen auf Sekundärliteratur zu verweisen, in welcher die hier angesprochenen Fragenkomplexe genauer ausgeführt werden. Ich werde in diesen einführenden Kapiteln den Fokus bewusst auf die neuere und die neueste Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese setzen ( Kap. 4). Der Hauptgrund hierfür ist die Tatsache, dass diese wissenschaftliche Arbeit letztlich in ihren Grundzügen nach den zentralen Charakteristika der neuesten Forschung ausgerichtet werden soll. Mein Vorbild für diese Untersuchung war und ist die US-amerikanische Forscherin und jetzige Associate- Professorin für kognitive Psychologie an der University of San Diego, Lera Boroditsky. Sie hat zahlreiche Experimente zu Phänomenen wie Zeit, Raum, Bewegung, Kausalität und menschliche Beziehungen sowie zur Beeinflussung dieser Bereiche durch die jeweils verwendete Sprache durchgeführt. Insbesondere werde ich auf Boroditskys Experimente zu den Themenbereichen Kausalität und Verantwortlichkeit eingehen, da diese für den hier behandelten Untersuchungsgegenstand von zentraler Bedeutung sind.

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3.1 Begriffsbestimmungen zum Themenkomplex Sprache – Denken - Kultur Die Relation zwischen Sprache, Denken und Weltbild stellt eine Fragestellung dar, welche in den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen diskutiert wird. So sind es etwa die Philosophie, die Psychologie, die Ethnologie, die Anthropologie und nicht zuletzt die Sprachwissenschaft, die im Laufe der Wissenschaftsgeschichte immer wieder erneut versucht haben, eine Antwort auf diese Frage zu liefern. Dabei ist es gut vorstellbar, dass dieses fruchtbare Forschungsgebiet gleichsam auch eine Vielzahl von auseinandergehenden Standpunkten mit sich gebracht hat (vgl. Kienpointner, 1998:87). Will man sich diesem Themenkomplex aus linguistischer Perspektive nähern, so ist es aber letztendlich unerlässlich, den Begriff Sprache etwas genauer in seine Teilbereiche abzugrenzen.

3.1.1 Sprachtypus, Sprachsystem, Sprachnorm und Rede nach Eugenio Coseriu Die Beziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit, bzw. zwischen Sprache und Weltbild sieht je nach sprachlicher Ebene unterschiedlich aus. Ich möchte in diesem kurzen Kapitel einige zentrale sprachtheoretische Unterscheidungen nach Eugenio Coseriu (1992:293ff.) präsentieren, ohne welche sich meines Erachtens keine präzisen Aussagen über die hier diskutierte Relation zwischen Sprache und Denken machen lassen. Coseriu unterscheidet zunächst zwischen drei Sprachebenen und bezeichnet Sprache als universelle, historische und individuelle Tätigkeit. Universell ist sie deshalb, weil es sich um eine genuin menschliche Tätigkeit handelt: Alle normalen und erwachsenen Menschen sprechen (vgl. Coseriu, 1992:250). Außerdem spricht jedes menschliche Wesen individuell, da Sprache keine „Tätigkeit ist, die ‚im Chor‘ erfolgt“ (Coseriu, 1992:250). Zudem erscheint eine Sprache immer als historisch bestimmt, und zwar als Einzelsprache. Ferner merkt Coseriu (1992: 254f.) auch zu Recht an, dass jede dieser Ebenen nochmals aus unterschiedlichen Blickwinkeln heraus definiert werden können: Je nachdem, ob Sprache auf der universellen, der historischen oder der individuellen Ebene als Tätigkeit, als Wissen oder als Produkt angesehen wird, ergeben sich natürlich auch unterschiedliche Definitionen von „Sprache“: „Denn wer die Sprache als die Zeichen verwendende (oder hervorbringende bzw. schaffende) ‚Tätigkeit‘ definiert, betrachtet sie gerade als Tätigkeit, bzw. als Sprechen. Wer sie dagegen als ‚Sprechvermögen‘ (oder ‚Ausdrucksvermögen‘) definiert, der betrachtet sie als Wissen oder ‚Fähigkeit‘. Und eine Definition […] -‚Sprache ist die

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Gesamtheit der Sätze‘-, bezieht sich natürlich auf die Sprache als ‚Produkt‘. (Coseriu, 1992:254).

Coseriu fasst diese Beziehungen in der folgenden Übersicht zusammen: Gesichtspunkte Tätigkeit Wissen Produkt Ebenen universell Sprechen im elokutionelles Gesamtheit des allgemeinen Wissen „Gesprochenen“ historisch konkrete Sprache einzelsprachliches (abstrakte Sprache) Wissen individuell Diskurs expressives Wissen „Text“ Abbildung 1: Beziehungen unterschiedlicher Gesichtspunkte von „Sprache“ nach Coseriu. Abbildung modifiziert übernommen aus Coseriu (1992:254).

Der traditionelle Gegenstand der Sprachwissenschaft ist die historische Ebene der Sprache, welche gleichsam auch diejenige der sprachlichen Bedeutungen und Funktionen ist (vgl. Coseriu, 1992:266f.). Der eigentliche Bereich dieser sprachlichen Funktionen ist die sog. „funktionelle Sprache“ als die „in den Diskursen funktionierende Sprache“ (Coseriu, 1992:267).5 Coseriu unterscheidet hierbei zwischen zwei Arten von Techniken der funktionellen Sprache. Diese lauten wie folgt: a) eigentliche, bzw. virtuelle Technik (des Sprachwissens) b) realisierte Technik Unter die virtuellen Techniken des Sprachwissens werden von Coseriu drei Strukturierungsebenen gezählt: - das Sprachsystem - die Sprachnorm

5 Coseriu (1992:267ff.) führt hier noch die Begriffe der „Kenntnis der Sprache und der Sachen“, der „Sprache und Metasprache“, der „Synchronie und Diachronie“, der „freien Sprachtechnik und wiederholten Rede“ und der „Architektur und Struktur der Sprache“ genauer aus. Ich werde diese Erläuterungen zu den ersten vier Begriffspaaren an dieser Stelle nicht miteinbeziehen, da es das Ausmaß der Arbeit wohl deutlich überschreiten würde und werde mich lediglich auf seine Ausführungen zur „Struktur der Sprache“ (System, Norm, Typus und Rede) konzentrieren, da sie bezüglich der Sapir-Whorf-Hypothese von größerer Relevanz sind.

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- der Sprachtypus Die vierte Strukturierungsebene, welche Coseriu in den Bereich der realisierten Technik zählt, ist: - die Rede Der Begriff des Sprachsystems wird als die Ebene der sprachlichen Oppositionen definiert. Diese Ebene enthält demnach all das, was in einer funktionellen Einzelsprache distinktiv ist und was also, wenn es nicht so wäre, in der jeweiligen Einzelsprache eine andere, bzw. keine Funktion hätte (vgl. Coseriu, 1992:298). Die Sprachnorm ist hingegen die Ebene der traditionellen Fixierung der Möglichkeiten, die uns das System bietet, bzw. kann sie auch als eine erstarrte Sprechtechnik bezeichnet werden (vgl. Kienpointner, 1998:94). Coseriu zufolge ist die Sprachnorm aber umfassender als das Sprachsystem: Sie beinhaltet zudem auch noch nicht-funktionelle Aspekte, wohingegen das System lediglich die distinktiven Züge enthält, welche eine klare Identifizierungsfunktion in der jeweiligen Einzelsprache übernehmen.6 Andererseits bezeichnet Coseriu aber das Sprachsystem als offener, da es auch all das umfassen kann, was in einer Sprache möglich sein könnte, obgleich es in deren Norm nicht realisiert wird. Es kann also auch nicht Realisiertes beinhalten, wodurch ein Mehr an Möglichkeiten eröffnet werden kann und der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind (vgl. Coseriu, 1992:299). Der Sprachtypus stellt nach Coseriu (1992:301) die funktionelle Einheit und Kohärenz der unterschiedlichen Sektoren eines Sprachsystems dar. Der Sprachtypus umfasst also funktionelle Prinzipien und technische Kategorien einer Sprache. Dazu gehören etwa Funktionstypen, Unterscheidungskategorien sowie deren charakteristische Oppositionen und Strukturen. Allerdings kann der Sprachtypus auch mehreren Sprachsystemen zugeordnet werden. Die Rede fasst Coseriu (1992:297) als die Ebene der Realisierung eines Sprachsystems, bzw. einer einzelsprachlichen Technik im Text oder Diskurs zusammen.

6 Coseriu (1992:198) liefert hierfür als Beispiel den Unterschied des stimmhaften und stimmlosen intervokalischen s im Toskanischen, welcher funktionell ist, da es dort bestimmte signifiants voneinander unterscheidet und somit zum System gehört. Im Norditalienischen gibt es diese Unterscheidung nicht, da das s dort generell zwischen Vokalen stimmhaft gemacht wird. Hierbei ist die Stimmhaftigkeit also nicht in den Bereich des Sprachsystems zu rechnen, sondern sie gehört einfach zur Norm.

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Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Coserius Begriffe der Sprachnorm und des Sprachsystems mit Saussures langue vergleichbar sind, wohingegen die Rede in groben Zügen Saussures parole entspricht. Der Terminus Sprachtypus besitzt dagegen keine Entsprechung bei Saussure (vgl. Coseriu, 1992:294). Die folgende, aus Coseriu (1992:293) übernommene Abbildung soll obige Kerngedanken bezüglich dieser sprachtheoretischen Unterscheidung nochmals graphisch verdeutlichen:

eigentliche/virtuelle Technik 4 Sprachtypus des Sprachwissens 3 Sprachsystem 2 Sprachnorm Funktionelle Sprache

realisierte Technik 1 Rede

Abbildung 2: Die vier Strukturierungsebenen der funktionellen Sprache nach Coseriu (1992:293). Abbildung modifiziert übernommen.

Vor diesem Hintergrund kann unsere Sprache unser Denken, unsere Handlungen und Tätigkeiten, unsere Lebensform und unsere Auffassung der Wirklichkeit sicherlich weitgehend prägen, jedoch aber vielmehr auf der Ebene der Norm oder auf der Ebene der konkreten Realisierung des Systems im Diskurs oder Text, als auf der Ebene des Systems einer Einzelsprache selbst (vgl. Kienpointner, 1996:492).

3.1.2 Alltagssprache und Fachsprache Die obigen sprachtheoretischen Unterscheidungen nach Coseriu stellen eine wichtige Voraussetzung für eine adäquate und an wissenschaftlichen Kriterien orientierte Beschreibung eines möglichen Einflusses unserer Sprache auf unser Denken dar. Allerdings ist mir eine weitere Unterscheidung, die zwei weitere Sprachebenen betrifft, wichtig. Es handelt sich hierbei um die Differenzierung zwischen Alltagssprache und Fachsprache. An dieser Stelle möchte ich eines von Whorfs berühmten Beispielen für den Einfluss der jeweils verwendeten Sprache auf unser Denken anführen. Das Beispiel zeigt, dass die Verwendung von Alltags- und Fachsprache auch zu unterschiedlichen (mitunter lebensbedrohlichen) Handlungen und Schlussfolgerungen verleiten kann. Whorf war in den 1920er Jahren als Feuerversicherungs- Sachverständiger tätig. Er nahm an, dass die alltagssprachliche Redeweise von „empty gasoline drums“ zu einem Brand führte, da eine solche Redeweise nicht darauf aufmerksam 17

machen würde, dass sich in diesen Tonnen explosive Gase und Flüssigkeiten befinden würden. Demnach würde eine solche alltagssprachliche Ausdrucksweise zu lebensbedrohlichen Handlungen führen, nämlich, dass Arbeiter Zigarettenstummeln in die leeren Tonnen schmeißen würden, da wohl das verwendete Adjektiv „empty“ gewissermaßen auf das Nicht-Vorhandensein von Gefahr hinweisen sollte (vgl. Whorf, 1939:135ff.). Des Weiteren berichtet Whorf über einen Brand in einer Brennerei für Methylalkohol: Die Destillierkolben wurden mit einer Kalksteinmasse isoliert, die als „spun limestone“ (gerührter Kalkstein) bezeichnet wurde. Die Bezeichnung mit dem Suffix –stein suggerierte keinerlei Gefahr (da Stein normalerweise nicht entflammbar ist) und demnach wurde auch keinerlei Vorsorge getragen, um diese Masse vor einem Brand zu schützen. Es geschah aber tatsächlich, dass sich diese Isoliermasse entzündete, da die alltagssprachliche Verwendung des Wortes Stein nicht auf die Umwandlung des Kalziumkarbonats (Kalkstein) in brennbares Kalziumazetat verweist (vgl. Whorf, 1939:136, vgl. Hajnal, 2011: 99f.). Allerdings ist hierbei auch zu kritisieren, dass Whorf in seinen Analysen manchmal Alltagssprache und Fachsprache, bzw., wie Kienpointner (1998:89) anmerkt, „Sprachwissen und enzyklopädisches Wissen“ vermischt. Allerdings ist zu seiner Verteidigung auch anzumerken, dass er durchaus auch die Unterschiede zwischen alltagssprachlichen und fachsprachlichen Varietäten anspricht (vgl. Kienpointner, 1998:93).

3.1.3 Weltbild und Weltanschauung An dieser Stelle erweist es sich auch von zentraler Bedeutung, den Begriff des Weltbildes etwas genauer einzugrenzen, zumal er eng mit jenem Begriff des Denkens, bzw. dem der Wirklichkeit gekoppelt ist. Der Ausdruck Weltbild findet vor allem im Alltag häufige Verwendung, jedoch sollte, wie Kienpointner (1998:89) zu Recht bemerkt, zumindest zwischen einem Weltbild im Sinne einer alltagssprachlich vermittelten und allgemeinen kognitiven Erfassung der Welt (Weltsicht) und zwischen einem Weltbild im politischen, religiösen und ideologischen Sinn unterschieden werden (Weltanschauung), da sich die jeweiligen Sektionen einer Einzelsprache wie System, Norm und Rede schließlich auch nicht auf das Weltbild als ein- und denselben Begriff beziehen.7

7 Auf ähnliche Weise verweist auch Gipper (1972:47) auf die Notwendigkeit einer klaren Unterscheidung zwischen (wissenschaftlichen) Weltbildern und (ideologischen) Weltanschauungen.

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Die Rede und die Sprachnorm können unterschiedlichen Einfluss auf ideologische, politische oder religiöse Aspekte einer Weltanschauung haben, weswegen ich dieses Abhängigkeitsverhältnis als ein normatives Verhältnis einordnen würde. Das Sprachsystem gibt lediglich sehr allgemeine Bedingungen für den Sprachgebrauch vor und aus diesem Grund beschränkt sich sein Einfluss wohl eher auf kognitive Kategorien der Wahrnehmung der Welt, im Sinne einer allgemeinen Weltsicht, weswegen ich dieses Abhängigkeitsverhältnis eher als ein deskriptives bezeichnen würde. Ein gutes Beispiel hierfür wären das Vorhandensein einer differenzierten Palette an Farbadjektiva ( Kap. 4.1).

3.1.4 Sprache und Denken: Zwei Auffassungen Die zahlreichen Schwierigkeiten in der Findung von Antworten, die sich mit der Frage nach dem Abhängigkeitsverhältnis Sprache-Denken beschäftigen, wurden bereits in den obigen Punkten angedeutet. Diesen Überlegungen folgend, könnte es fast zwecklos erscheinen, die Frage überhaupt zu diskutieren. Ronald Langacker (1976:355) scheint dabei in seiner Feststellung „analyzing the relation between language and thought is a bit like trying to embrace a cloud“, nicht ganz Unrecht zu haben. Antworten auf die Frage nach der Beziehung zwischen Sprache und Denken hängen zum einen davon ab, was alles unter „Sprache“ verstanden werden kann (vgl. Kap. 3.1.1 f.) und zum anderen hängen sie auch davon ab, was alles unter „Denken“ gemeint sein kann, denn, wie Gipper (1992:29) sehr richtig schreibt: „Wenn man sich darüber einig wäre, was ‚Sprache‘ und was ‚Denken‘ ist, dann brauchte die Frage, ob es ein Denken ohne Sprache gibt, nicht mehr gestellt zu werden.“ In den obigen Kapiteln wurde bereits versucht, den Begriff „Sprache“ einzugrenzen (vgl. Kap. 3.1.1, 3.1.2). Eine grundlegende Frage, die sich bezüglich der Relation Sprache-Denken stellt, ist wohl jene, ob nun das Denken und das Sprechen als Einheit im Sinne eines einzigen, ineinander gekoppelten Vorgangs angesehen werden sollen, oder ob umgekehrt Denk-und Sprechvorgänge als getrennte Abläufe betrachtet werden sollen. Auch heute noch besteht kein Konsens über die diese Frage. Die eine Position, welche vor allem in der Philosophie, in der Psychologie und in der kognitiven Linguistik vertreten wird, beschreibt Sprache als allgemeine Sprachfähigkeit, welche gemeinsam mit dem Denken Teil ein- und desselben Vorgangs ist. Man spricht in diesem Falle auch von einer monistischen Auffassung von Sprache und Denken (vgl. Gipper, 1992:29). Diese Theorie lässt sich bereits in frühen sprachphilosophischen Ansätzen finden (vgl. Gardt, 2001), aber auch heutige Ansätze 19

plädieren für diese Sprache-Denken-Einheit (vgl. Carruthers, 2008:397; Hinzen, 2012:641ff.).8 Die andere Position, welche besonders in den Naturwissenschaften überwiegt, betrachtet Sprache und Denken als zwei verschiedene, voneinander getrennte Vorgänge, wobei das Denken als primär eingestuft wird, da es sich unmittelbar auf Geistes- und Sachgegenstände richtet. Diese dualistische Auffassung versteht Sprache lediglich als ein sekundäres Mittel der Verständigung und Mitteilung (Gipper, 1992:30).9 Schließlich sind auch zahlreiche vermittelnde Positionen denkbar, wie etwa jene von Adam Schaff (vgl. Gipper, 1992:222), wonach „Sprache und Denken beim Menschen eine untrennbare Einheit bilden, ohne jedoch miteinander identisch zu sein.“ Auch Franzen (1995:263f.) schlägt als Lösung eine vermittelnde Position vor, laut welcher Sprache und Denken zwar zwei verschiedene Vorgänge sind, welche aber trotzdem immer gleichzeitig ablaufen. Er stellt dafür ein Entwicklungsschema dar, welches mit Station 1 („ein bisschen Denken“) beginnt, die wiederum mit „ein bisschen Sprache“ (Station 2) aufgrund des Bedürfnisses „kategorial Erworbenes zu fixieren, besser handhabbar zu machen“, gekoppelt wird. Darauf folgt die Weiterentwicklung zu einer höheren Stufe (Station 3: „etwas mehr Denken“), welche demzufolge ja sprachabhängig ist, da sie auf Station 2 basiert. Auch diese Station wird mit einer weiteren Station (Station 4: „etwas mehr Sprache“) verknüpft, um letztendlich in die höchsten Stufen („noch etwas mehr Denken“ und „noch etwas mehr Sprache“) zu gelangen. Diesem Schema zufolge sind die verschiedenen sprachlichen Elemente eine Art Katalysatoren und regen eine Übernahme weiterer kognitiver Strukturen an, weswegen sie natürlich das Denken in Einzelindividuen oder ganzen Gruppen anregen, prägen und beeinflussen (vgl. Franzen, 1995:263f.).

8 Interessanterweise verweisen Bepperling und Härtl (2013:161) darauf, dass dieser Ansatz der Gleichsetzung von Sprache und Denken sowohl mit einer universalistischen, als auch mit einer relativistischen Sichtweise verträglich ist, was die ganze Diskussion noch verzwickter gestaltet. Für eine ausführlichere Darstellung hierzu s. Bepperling/Härtl (2013:161ff.).

9 Gipper (1992:29f.) verweist hier auf das Werk des ungarischen Psychologen Révész, der die Begriffe monistisch und dualistisch in seiner sprachpsychologischen Studie zum Ursprung von Sprache verwendet. Ich werde an dieser Stelle nicht genauer auf diese Differenzierung eingehen, da es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Für genauere Informationen zu Révész Sprachbegriff vgl. Révész (1954).

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Viele Denkleistungen hängen zwar sicherlich von einem vorgängigen sprachlichen Element ab, was für das Thema des linguistischen Relativismus natürliche eine wichtige Rolle spielt, allerdings ist aber auch anzumerken, dass nicht alle Leistungen ihrerseits notwendigerweise sprachlicher Natur sind (vgl. Franzen, 1995:265).

3.1.5 Zum Verhältnis zwischen Sprache und Kultur Die Diskussion um das Prinzip der sprachlichen Relativität ist keineswegs durch Kohärenz gekennzeichnet. Immer wieder werden neue Versuche getätigt, die Sapir-Whorf-Hypothese umzuformulieren, umzuinterpretieren, zu beweisen oder zu widerlegen, wobei ein klarer Zusammenhang zwischen all diesen Ansätzen nicht so einfach zu erkennen ist (vgl. Werlen, 1989:200). Des Weiteren erscheint es mir wichtig anzumerken, dass das Linguistic Relativity Principle (=LRP) insbesondere in der späteren Forschung der Jahrzehnte nach Whorfs Tod, zwei Lesearten erfahren hat. Werlen (1989:160) merkt zu Recht an: „Man kann ihn [Whorf] eher kulturbezogen oder eher kognitiv lesen. Ethnologen neigen natürlich dazu, seine Hypothese als eine über den Bezug zwischen Kultur und Sprache zu sehen […] Für die kognitive Interpretation dagegen ist die Sprache ein Faktor, der die Kognition kausal beeinflußt. Wie bei der Behandlung Whorfs zu erwähnen war, ist seine eigene Position doppeldeutig wegen der Verwendung von ‚habitual‘ als Modifikator von ‚thought‘.“ (Werlen, 1989:160).

Man kann Whorf demzufolge gesamt gesehen auf zwei Weisen interpretieren: Sprache (language) beeinflusst das Denken (thought) oder Sprache (language) beeinflusst die Kultur (habitual thought). Wie Werlen (ebd.) also richtig erkannt hat, wird man Whorf wohl je nach Forschungsschwerpunkt und nach der jeweiligen Disziplin deuten, innerhalb welcher die Relation eines klar definierten sprachlichen und kulturellen, bzw. kognitiven Bereichs untersucht werden soll. In unterschiedlichen Ansätzen zu der hier diskutierten Abhängigskeitsrelation sind die Grenzen zwischen Kultur und Denken allerdings fließend, weil es in vielen Fällen sicherlich nicht einfach ist, die beiden Phänomene getrennt voneinander zu sehen ( Kap. 3.2). Whorf ist dieser Frage so gesehen durch die Verwendung des modifizierenden, attributiven Adjektivs habitual elegant ausgewichen und hat der zukünftigen Forschung somit genügend Spielraum für unterschiedliche Lesearten gelassen. So vielfältig, komplex und mannigfaltig die unterschiedlichen Beiträge zu diesem Themenkomplex aber auch sein mögen, ist zumindest festzuhalten, dass sich im Zusammenhang zwischen Sprache und Kultur auf der allgemeinsten Ebene zwei

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grundlegende Positionen festmachen lassen, welche ich an dieser Stelle kurz erläutern möchte.

3.1.5.1 Universalismus Auf der einen Seite gibt es in der Sprachwissenschaft Versuche, universale Prinzipien zu erforschen, durch welche alle Manifestationen menschlicher Sprache repräsentiert und von anderen Phänomenen abgegrenzt werden können (vgl. Chomsky, 1986, zit. nach Broschart, 2007:35). Dieser Position des Universalismus zufolge überwiegen also die Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Einzelsprachen, weswegen kulturelle Einflüsse prinzipiell nicht in die Sprache und in ihre Strukturen einfließen können. Somit kann Sprache auch keine Einwirkung auf das Denken von Individuen haben. Seit den 1960er Jahren hat das sprachwissenschaftliche Interesse an der Sapir-Whorf- Hypothese mit dem Aufkommen des linguistischen Nativismus durch einen starken sprachuniversalistischen Trend, der durch Noam Chomskys „Generative Grammatik“ aufkam tatsächlich stark abgenommen (vgl. Hajnal, 2011:101). Dieser Position zufolge wird Sprache als ein universales und angeborenes Regelwerk verstanden, welches Sprachwissen beinhaltet, und es einem Kind überhaupt ermöglicht, eine Sprache zu erwerben und ihre Regeln verstehen zu können (vgl. Chomsky, 1986). Außerdem geht Chomsky davon aus, dass die Vielfalt an Sprachen nur an der Oberfläche existiert und durch die Parametrisierung von universalen Prinzipien erst beschreibbar wird (vgl. Chomsky, 1981b, zit. nach Broschart, 2007:32f.). Zudem ist es durch den universalen „Sprachalgorithmus“ auch möglich, eine unendliche Menge an Sätzen zu bilden, was nicht zuletzt auch die Fähigkeit von Kindern erklärt, zu wissen, ob eine Äußerung den Sprachregeln entspricht oder nicht, und zwar unabhängig davon, ob sie jene Äußerung in der Form schon einmal gehört haben oder nicht (vgl. Chomsky, 1957, 1965, 1980, zit. nach Broschart, 2007:33). Gegen diesen Universalismus sind vor allem in den letzten 20 Jahren gewichtige Stimmen erhoben worden, wobei die Sapir-Whorf-Diskussion die Form der Kontroverse „Universalismus versus Relativismus“ erhielt (vgl. Hajnal, 2011:101).10

10 An dieser Stelle möchte ich nochmals anmerken, dass ich diese Kontroverse nicht näher ausführen werde, da sie den Rahmen dieser Arbeit wohl in erheblichem Maße sprengen würde. Für eine aktuelle Kritik am Nativismus verweise ich auf den Artikel von Stephen Levinson (2003) sowie auf den Artikel von 22

3.1.5.2 Relativismus Auf der anderen Seite existiert die Position des Relativismus, laut welcher die Unterschiede zwischen verschiedenen Einzelsprachen und Kulturen in den Vordergrund gestellt werden. In dieser dem Universalismus völlig entgegengesetzten Position wird also davon ausgegangen, dass die Verschiedenheiten einzelner Sprachen und Sprachsysteme von zentraler Bedeutung sind und dass diese sich somit auch auf unterschiedliche Weise auf die jeweilige Kultur und auf das Denken der Mitglieder einer jeweiligen Sprachgemeinschaft auswirken können. Dieser linguistische Relativismus erlebte seine Blütezeit in den 1950er Jahren (vgl. Franzen, 1995:250). Auch Gipper (1972:143) stellt diese beiden Ansätze als grundlegende Ziele sprachwissenschaftlicher Arbeit dar. Allerdings schlägt er zumindest teilweise die Position eines gemäßigten Universalismus, bzw. eines gemäßigten Relativismus vor, welche wohl hinsichtlich der Schwierigkeit in der Beantwortung der grundsätzlichen Frage nach dem Rangverhältnis der beiden Forschungsziele als plausibelster Mittelweg einzustufen ist: „Das Gemeinsame kann zunächst nur postuliert werden. Es bedarf daher gar keiner Frage, daß die Erforschung der Einzelsprachen, also die Ermittlung des Besonderen, als eine legitime Aufgabe der Sprachwissenschaft anerkannt werden muß – ja, man wird sogar sagen dürfen, daß diese Arbeit als eine notwendige Vorstufe auf dem Wege zur Ermittlung des Gemeinsamen zu betrachten ist.“ (Gipper, 1972:143).

Allerdings zeigt sich in dem folgenden Zitat Gippers letztendlich doch eine versteckte Präferenz, die Erforschung der Unterschiede in den Vordergrund zu stellen, obgleich er eine vermittelnde Position zwischen gemäßigtem Universalismus und Relativismus als Möglichkeit offen lässt: „Aber die Erforschung der Besonderheiten und Verschiedenheiten der einzelnen Sprachsysteme kann auch schon an sich sinnvoll sein, also auch ohne die weiterführende Intention verallgemeinernder Folgerungen. Denn die einzelnen Sprachen stellen Realitäten dar, ohne die das Zusammenleben der verschiedenen Menschengruppen kaum vorstellbar ist. Das macht sie als Forschungsgegenstände schon an sich interessant und wertvoll. Die Frage nach dem Rangverhältnis beider Forschungsziele, demjenigen, das auf die Ermittlung des Gemeinsamen gerichtet ist, und dem, das dem Besonderen gilt, ist also gar nicht ohne weiteres zu entscheiden. Es wird vom speziellen Erkenntnisinteresse und nicht zuletzt von der jeweiligen

Levinson/Evans (2009). Ein etwas älterer Beitrag, in welchem das Universalismus-Relativismus-Problem genauer geschildert wird, ist das Werk von Pinxten (1976).

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Forschungslage abhängen, welcher Fragestellung der Vorzug gegeben wird.“ (Gipper, 1972:143f.).

Zu Recht merkt auch Franzen (1995:250f.) an, dass die ganze Sapir-Whorf-Diskussion durch die Abgrenzung Universalismus-Relativismus auf einen zu einfachen Nenner gebracht wird. Die Fragen, die sich hinsichtlich dieses Themenkomplexes ergeben, sind schließlich zwei: zum einen besteht die Frage nach den Verschiedenheiten und Gemeinsamkeiten von Sprachen und zum anderen die Frage nach der Abhängigkeit oder Unabhängigkeit des Denkens von der Sprache, wobei diese beiden Fragen auch quer zueinander liegen können und nicht notwendigerweise in paralleler Richtung verlaufen müssen. Tendenziell ist es aber doch so, dass sich die Verschiedenheit der Sprachen mit einer Sprachabhängigkeitsthese verbinden lässt. Die Erforschung einer Wechselwirkung zwischen Sprache und Denken sowie zwischen Sprache und Kultur (und in einem weiteren Sinne auch Nation und Gesellschaft) ist sicherlich ein wichtiges Forschungsproblem, für welches ich abschließend noch drei zentrale Positionen ansprechen möchte.

3.1.5.2.1 Position 1: Humboldt, Sapir, Whorf und Leo Weisgerber Zum ersten wäre die Position zu nennen, welche von Wilhelm von Humboldt, Edward Sapir, Benjamin Lee Whorf und dem deutschen Sprachwissenschaftler Leo Weisgerber (vgl. Helbig, 1989:122f.; Werlen, 1989:109ff., Gipper, 1992:236) vertreten wurde. Dieser Auffassung zufolge beeinflusst die jeweilige Einzelsprache eine Kultur, eine Gesellschaft oder Nation. Die Kultur ist jedoch keineswegs einseitig kausal durch die jeweilige Einzelsprache determiniert, sondern vielmehr ist auch eine Rückwirkung von Seiten der Kultur auf die in einer Gesellschaft oder Nation gesprochene Sprache anzunehmen, wie Whorf in dem folgenden Zitat auch zu Recht zugibt: „There is no causal connection, in either direction, between language and (non-linguistic) cultural features.“ (Whorf/Trager, 1996:267).

3.1.5.2.2 Position 2: Karl Marx und Adam Schaff Zum zweiten ist eine weitere Position denkbar, laut welcher die Sprache lediglich als sekundäres Phänomen angesehen wird, das von der jeweiligen ökonomischen Beschaffenheit einer bestimmten Gesellschaft anhängig ist (vgl. Helbig 1989:129). Eine solche marxistische Auffassung eines möglichen Einflussverhältnisses wurde beispielsweise auch vom polnischen

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Philosophen Adam Schaff geteilt. Die zu Denken und Handeln befähigten Organismen werden hierbei als „Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ definiert (Schaff, 1964:159). Diese gesellschaftlichen Verhältnisse sowie alle gesellschaftlichen Praxen sind in der Sprache aufbewahrt und werden den Mitgliedern der Gesellschaft durch sie vermittelt. Das Denken wird mit der Sprache gleichgesetzt, da sich das Denken letztlich immer innerhalb sprachlicher Parameter bewegt und somit betrachte jedes Individuum „die Welt durch eine gesellschaftliche Brille und überschaue sie gedanklich“ (Schaff, 1964:163, zit. nach Gipper, 1972:70). Allerdings ist auch hier wiederum ein rückwirkender Einfluss von Seiten der Sprache auf die Gesellschaft anzunehmen (vgl. Schaff, 1964:163; Gipper:1972:42ff.,64ff., Gipper, 1992:221ff.).

3.1.5.2.3 Position 3: Rudolf Steiner Zum dritten ist noch eine vermittelnde Position anzuführen, laut welcher Sprache vielfältige Rollen einnehmen kann, je nachdem, ob sie im kulturellen Leben, auf der Ebene des Staates oder der Wirtschaft Verwendung findet. So schlägt der Philosoph Rudolf Steiner (1922:296) vor, zwischen verschiedenen Lebensbereichen zu differenzieren, um ein mögliches Wirkungsverhältnis zwischen Sprache und all diesen Bereichen zu beschreiben: Steiner weist der Sprache hierbei in Bezug auf das kulturelle Leben die Rolle einer kreativen Tätigkeit zu, denn sie erfährt im kulturellen Leben keine Restriktionen. Auf dieser Ebene ist Sprache ein Mittel, um etwa auf höheren Stufen abstrakt zu denken, um das Denken zu emanzipieren (vgl. Gipper, 1972:248). In Bezug auf den Sektor Wirtschaft beschreibt Steiner die Sprache als Fremdling, da sie in vielen Fällen gar keinen Gebrauch findet und oftmals als Barriere empfunden wird. Letztlich beruht die Sprache für Steiner im staatlichen Leben auf Konventionen (vgl. Steiner, 1922:296).

Als kurzes Zwischenfazit könnte man an dieser Stelle festhalten, dass es also zunächst einmal als globale Strategie wichtig ist, auf die Rückbezüglichkeit der Einflüsse zu verweisen. Des Weiteren sollte das Beeinflussungsverhältnis etwas konkreter beschrieben werden und somit genau eingegrenzt werden, welche Aspekte von „Sprache“ und von „Denken“ in welcher Relation zueinander stehen (vgl. Franzen, 1995:262).

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3.1.6 Semiotische, strukturelle und funktionale Relativität Bisher wurden einige ganz grundlegende Begriffseingrenzungen hinsichtlich wesentlicher Konzepte zum Themenkomplex Sprache-Kultur-Denken gemacht. Sie sollten gleichsam eine gute Basis für jeglichen Versuch der wissenschaftlichen Untersuchung der Hypothese sein: Gerade in einem Gebiet, das sich mit so umfassenden Konzepten, wie „Wirklichkeit“, „Denken“ und „Sprache“ beschäftigt, erscheint es umso wichtiger, empirische Untersuchungen dazu möglichst präzise auszulegen und keine Gesamtanalysen, sondern Analysen klar eingegrenzter sprachlicher und kognitiver Teilbereiche zu präsentieren, sowie eine klar definierte außersprachliche Realität als Orientierungsmaßstab heranzuziehen, um Beobachtungen zur postulierten Hypothese möglichst exakt formulieren zu können. Lucy (1996:38ff.; 1997:292) schlägt eine weitere Begriffseingrenzung vor, welche die Beschaffenheit der Relativität selbst, also die Art und Weise der Beziehung zwischen Sprache und Denken auf der allgemeinsten Ebene, beschreiben soll. Lucy (ebd.) unterscheidet hierbei zwischen drei Typen von sprachlicher Relativität.

1. Auf der allgemeinsten Ebene ist die semiotische Relativität zu nennen “The first, or semiotic, concerns how speaking any natural language at all may influence thinking. The question is whether having a code with a symbolic component (versus one confined to iconic-indexical elements) transforms thinking. If so, we can speak of a semiotic relativity of thought [Herv. L.P.] with respect to other species lacking such a code.” (Lucy, 1997:292).

Es geht hierbei also um die allgemeine Sprachfähigkeit, welche als genuin menschliche Eigenschaft bezeichnet wird und dadurch Einfluss auf das Denken nimmt. Diese Fähigkeit unterscheidet die Menschen also von allen anderen Spezies.

2. Die zweite Ebene bezieht sich auf die Frage, ob eine konkrete Einzelsprache (z.B. Hopi vs. Englisch) mit ihren morphosyntaktischen Eigenschaften das Denken über die Realität der Individuen beeinflusst. In diesem Fall spricht Lucy (1997:292) von struktureller oder klassischer sprachlicher Relativität: “The second, or structural, level concerns how speaking one or more particular natural languages (e.g. Hopi versus English) may influence thinking. The question is whether quite different morphosyntactic configurations of meaning affect thinking about reality. If so, we can speak of a structural relativity of thought [Herv. L.P.] with respect to speakers using a different language. This has been the level traditionally associated with the term linguistic relativity […].” (Lucy, 1997:292).

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3. Die dritte Ebene bezeichnet Lucy (1997:292) als funktionale oder diskursive Relativität. Sie beschreibt den Einfluss einer bestimmten Varietät (z.B. Basic variety versus high variety) durch diskursive Strategien auf das Denken: “The third, or functional, level concerns whether using language in a particular way (e.g. schooled) may influence thinking. The question is whether discursive practices affect thinking either by modulating structural influences or by directly influencing the interpretation of the interactional context. If so, we can speak of a functional relativity of thought [Herv. L.P.] with respect to speakers using language differently. This level has been of particular interest during the second half of this century with the increasing interest in discourse-level analyses of language and can, therefore, also be conveniently referred to as discursive relativity.” (Lucy, 1997:292).

Nach all diesen für die Untersuchung relevanten Begriffsklärungen möchte ich an dieser Stelle noch einen kurzen historischen Rückblick über die zentralsten Ansätze zu der hier diskutierten Relation präsentieren.

3.2 Sprachliche Relativität: Eine alte Debatte Welche Beziehung besteht zwischen Sprache, Denken, Kultur und außersprachlicher Wirklichkeit? Um dieses einführende Kapitel zur Sapir-Whorf-Hypothese den Anforderungen dieser Arbeit entsprechend abzuschließen, möchte ich diese Frage kurz unter Einbeziehung der wichtigsten Ansätze zum Themenkomplex Sprache und Denken diskutieren. Die hier präsentierten Erläuterungen zu den unterschiedlichen Positionen werden von mir bewusst nur in ihren Grundzügen erfasst. Trotzdem erscheint es mir angemessen, in einem einführenden Kapitel zur Sapir-Whorf-Hypothese solch wichtige Namen wie Wittgenstein, Boas, Humboldt, Sapir und Whorf zumindest anzusprechen und ihre zentralsten Ansätze bezüglich des hier diskutierten Abhängigkeitsverhältnisses vorzubringen.

3.2.1 Wilhelm von Humboldt (1767-1835) Wilhelm von Humboldt hebt den engen Zusammenhang zwischen Nation und Sprache hervor, wobei er unter Nation auch das einzelne Individuum versteht. Gerade dieser Zusammenhang führte ihn zum Sprachstudium (vgl. Werlen, 1989:54f.). Der Einfluss zwischen einem Individuum, bzw. der Nation und der Sprache, wird hierbei aber nicht als einseitig, sondern vielmehr als wechselseitig charakterisiert. Die Form des Denkens innerhalb einer Nation wird in der Sprache als Weltansicht greifbar, wobei einer jeden Wahrnehmung immer auch

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Subjektivität beigemischt ist (vgl. Werlen, 1989:55). Demnach vermittelt uns laut Humboldt (1998:186) eine jede Sprache eine jeweils eigene Perspektive der Wahrnehmung der Welt: „Da aller objectiven Wahrnehmung unvermeidlich Subjectivität beigemischt ist, so kann man, schon unabhängig von der Sprache, jede menschliche Individualität als einen eignen Standpunkt der Weltansicht betrachten. […] und da auch auf die Sprache in derselben Nation eine gleichartige Subjectivität einwirkt, so liegt in jeder Sprache eine eigenthümliche Weltansicht. Wie der einzelne Laut zwischen den Gegenstand und den Menschen, so tritt die ganze Sprache zwischen ihn und die innerlich und äußerlich auf ihn einwirkende Natur.“ (Humboldt, ÜVS, 1998:186).

Demzufolge bedeutet für Humboldt die Erlernung einer Fremdsprache gleichsam die „Gewinnung eines neuen Standpunktes der bisherigen Weltansicht“, da „jede Sprache das ganze Gewebe der Begriffe und die Vorstellungsweise eines Theils der Menschheit enthält“ (Humboldt, ÜVS, 1998:187). Der Erwerb einer neuen Sprache kann also unsere Weltsicht bereichern und uns unterschiedliche kognitive Perspektiven eröffnen, da sich in den Sprachen der Erde eine breite Fülle von Weltansichten verbirgt, welche wir auf kreative Art und Weise entdecken können (vgl. Humboldt, 1820:27). Ein dritter zentraler Gedanke Humboldts ist die grundsätzliche Ausdrucksfähigkeit aller Sprachen, denn „jede Sprache besitzt die Geschmeidigkeit, Alles in sich aufnehmen und Allem wieder Ausdruck aus sich verleihen zu können. Sie kann dem Menschen niemals, und unter keiner Bedingung, zur absoluten Schranke werden.“ (Humboldt, ÜVS, 1998:365). Wie stark also nun wirklich eine Einzelsprache das Denken determiniert, ist angesichts der Tatsache, dass Humboldt grundsätzlich von einem dynamischen Wechselverhältnis zwischen Sprache und Nation, bzw. Sprache und Weltansicht, ausgeht, schwierig zu sagen. Sprache steht dem Individuum zwar zur Verfügung und beeinflusst es damit, gleichzeitig ist sie aber sein Produkt und wird von ihm beeinflusst (vgl. Werlen, 1989:61).

3.2.2 Ludwig Wittgenstein (1889-1951) In seiner berühmten Aussage „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ definiert Wittgenstein (1922:5.6) die Sprache als schier unüberwindbare Schranke. Überdies ist für ihn die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke allein durch ihren Gebrauch bestimmt, denn „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“ (Wittgenstein, 1975:41, §43). Dieser Definition zufolge ist also weder ein Denken noch eine Wirklichkeit über den Sprachgebrauch hinaus möglich (vgl. Vossenkuhl, 2003:142f., zit. nach Hajnal, 2011:99). 28

Der Sprachgebrauch wird durch die Regeln eines Sprachspiels bestimmt, wobei ein solches Sprachspiel jedoch nur gemeinsam mit den außersprachlichen Tätigkeiten gegründet werden kann (vgl. Wittgenstein, 1975:19, § 7). In dieser Definition wird also die Wichtigkeit einer Einbettung von Sprache in den jeweiligen Kontext in den Vordergrund gestellt. Gerade die Einbettung einer Einzelsprache in konkrete Handlungen und Tätigkeiten kann die Wahrnehmung der Welt bedingen und formen (vgl. Wittgenstein, 1998:141), und zwar viel stärker als das System einer Einzelsprache alleine, da das System nur ganz allgemeine Gebrauchsbedingungen vorgibt und grundsätzlich also frei formbar ist, wohingegen erst in Verbindung mit einem bestimmten Kontext fixe Gebrauchsregeln entstehen. Diese Gebrauchsregeln können je nach Ausmaß der Fixierung mehr oder weniger für eine Sprachgemeinschaft verbindliche Weltanschauungen hervorbringen (vgl. Kienpointner, 1998:95). Hinsichtlich der in Kapitel 3.1.1 gelieferten Definitionen von Sprache ist schließlich anzumerken, dass „die Grenzen der Sprache“ auf verschiedene Weise die „Grenzen der Welt“ bestimmen: je nachdem, ob das Sprachsystem betrachtet wird, das lediglich eine allgemeine Weltsicht nahelegt, oder ob der Einfluss von der Norm ausgeht, die Ideologien und Weltanschauungen konserviert, oder ob es schließlich die Rede ist, in welcher solche Ideologien reproduziert werden.11

3.2.3 Franz Boas (1858-1942) Franz Boas war wohl das erste Glied einer Entwicklung, bzw. eines Denkens, das zunächst durch Edward Sapir und letztendlich durch Whorf radikalisiert worden ist (vgl. Werlen, 1989:125). Franz Boas, der in Deutschland Physik und Geographie studiert hatte und als Begründer der amerikanischen Anthropologie gilt, befasste sich mit Indianersprachen und versuchte in seinem Handbook of American Indian Languages von 1911 die Begriffe „Sprache“, „Denken“ und das wechselseitige Verhältnis zwischen Sprache und Denken zu beschreiben. Er beschreibt Sprachen und Kulturen hierbei als „historische Gebilde, die in keiner Abhängigkeit voneinander stehen.“ (Werlen, 1989:126). Es gäbe lediglich ein allgemeines Inventar von Elementen, aus dem die unterschiedlichen Kulturen einzelne

11 An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich nicht mehr weiter auf Wittgensteins Tractatus eingehen werde, da dies wohl das Ausmaß der Arbeit sprengen würde. Für eine weiterführende Lektüre empfehle ich ein aktuelles Werk von Holm Tetens (2009).

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auswählen und in Verbindung mit anderen Elementen zu einer unterschiedlichen Interpretation gelangen. Boas versteht das artikulierte Sprechen als Sprache, womit er eine deutliche Artikulation von Lauten meint, da jede Sprache Gebrauch von nur wenigen begrenzten Lauten macht und damit aber eine unendliche Menge an Lautäußerungen produzieren kann (vgl. Werlen, 1989:127). Die Lautgruppen tragen eine Bedeutung als Ganzes und können, je nach der Lebensweise und den speziellen Bedürfnissen einer bestimmten Kultur, unterschiedlich stark klassifiziert werden: man denke etwa an die vielen verschiedenen Sequenzen im Inuit für „Schnee“ (vgl. Boas, 1911:25f., zit. nach Werlen, 1989:128). Boas setzt also eine kulturelle Notwendigkeit als Voraussetzung für eine sprachliche Klassifikation an und unterstreicht dabei aber auch die Wichtigkeit der Selektion in einer Einzelsprache, denn eine jede Sprache wählt unbewusst immer nur einen Teil eines „Gesamtkonzepts“ aus – was er aber nicht mit einer Restriktion von kognitiven Fähigkeiten gleichsetzt, denn er betont immer wieder seine Position der Vorurteilslosigkeit gegenüber anderen Kulturen und spricht in einem sehr pragmatischen Sinne von konkreten Bedürfnissen einer Gruppe, welche in der jeweiligen Einzelsprache ausgedrückt werden. Boas Konzept ist also zusammengefasst gesagt keinesfalls deterministisch, sondern er geht von der grundsätzlichen Ausdrucksfähigkeit einer jeden Kultur aus, ein Grundgedanke, der auch bei Humboldt wiederzufinden ist. Jede Sprache und jede Kultur ist eine Größe, die aus universellen Inventaren selegiert und je nach kulturellen Bedürfnissen angepasst wird (vgl. Werlen, 1989:130ff.).

3.2.4 Edward Sapir(1884-1939) Edward Sapir wird oftmals als „der eigentliche Vater der Whorfschen Sprachauffassung bezeichnet (Gipper, 1972:56)“. Vor allem zeichnete sich der Sprachwissenschaftler, Ethnologe und Schüler von Franz Boas durch die Präzision und Leichtigkeit aus, mit der er seine Feldforschungen im Bereich der Indianersprachen durchführte. Viele dieser Sprachen wurden von ihm zum ersten Mal beschrieben (vgl. Werlen, 1989:132f.). Gerade durch die große Fülle an durchgeführten empirischen Studien gelangte Sapir zu der Einsicht, dass eine Sprachgemeinschaft stets in der Art ihres Verhaltens und Erkennens durch die jeweilige gesprochene Sprache beeinflusst wird (vgl. Gipper, 1972:56). Bezüglich der Relation zwischen Sprache und Denken, bzw. zwischen Sprache und Wirklichkeit lassen sich folgende zentrale Thesen Sapirs aufstellen:

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Sprache ist zunächst als ein fixes System von Sprachgewohnheiten, sprachlichen Regeln und festen Wendungen anzusehen, in welchem die Individuen einer Sprachgemeinschaft erzogen werden, wobei gewisse Sprachgewohnheiten gleichsam deren Art der Wahrnehmung der Welt bedingen: „It would be possible to go on indefinitely with such examples [The stone falls vs. Der Stein fällt vs. la pierre tombe vs. saxum cadit, Herv. L.P.] of incommensurable analyses of experiences in different languages. The upshot of it all would be to make very real to us a kind of relativity that is generally hidden from us by our naϊve acceptance of fixed habits of speech as guides to an objective understanding of the nature of experience.” (Sapir, 1968:159).

Dieser Auffassung zufolge akzeptiert ein jedes Individuum einer Sprachgemeinschaft von Anfang an fixe Sprachgewohnheiten und meint dadurch naiverweise, seine Welterfahrung auf objektive Weise in Worte fassen zu können. Die sprachliche Relativität bleibt aber aufgrund dieser fast automatischen Annahme von festen Redewendungen und sprachlichen Strukturen im Verborgenen. Des Weiteren ist Sprache ein gesellschaftliches Produkt und somit ein Spiegel sozialer Wirklichkeit: „Language is a guide to ‘social reality’. […] Human beings do not live in the objective world alone, nor alone in the world of social activity as ordinarily understood, but are very much at the mercy of the particular language which has become the medium of expression for their society. It is quite an illusion to imagine that the language is merely an incidental means of solving specific problems of communication or reflection. The fact of the matter is that the ‘real world’ is to a large extent unconsciously built up on the language habits of the group […] We see and hear and otherwise experience very largely as we do because the language habits of our community predispose certain choices of interpretation. (Sapir, 1968:162).

Aufgrund der Verschiedenheiten zwischen den Sprachsystemen, nehmen die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft die Welt auf unterschiedliche Weise wahr: „No two languages are ever sufficiently similar to be considered as representing the same social reality.“ (Sapir, 1968:162). Für Sapir kann es demzufolge kein Denken ohne Sprache geben. Das Denken kann zwar schon über die Sprache hinausgehen, jedoch immer nur durch die Sprache erfolgen (vgl. Sapir, 1972:15f.). Man kann Sapir eine eingeschränkte Determinationshypothese zuschreiben, welche auch Raum für Abschwächungen zulässt: Zwar ist ein Denken ohne Sprache nicht möglich, jedoch kann das Denken seinerseits schon über die Sprache hinausgehen und sie verändern. Somit 31

können auch kulturelle Bedürfnisse zu Veränderungen in der Sprache leiten (vgl. Gipper, 1972:136ff.).

3.2.5 Benjamin Lee Whorf (1897-1941) Das von Benjamin Lee Whorf vertretene Relativitätsprinzip, laut welchem einzelsprachliche Strukturen unsere Weltsicht maßgebend beeinflussen, gehört wohl zu einer der häufigsten diskutierten Thesen bis in die Gegenwart (vgl. Kienpointner, 1998:87).12 Benjamin Lee Whorf stieß genau genommen als Außenseiter zur Linguistik: Er hatte am famosen Massachusetts Institute of Technology Chemical Engeneering studiert und war Zeit seines Lebens als Feuerversicherungsangestellter tätig. Vielleicht war es aber gerade seine Rolle als „Außenseiter“, welche ihm die Kühnheit verlieh, sich an die Formulierung solch gewagter Thesen zu trauen, denn: „Als Außenseiter bewahrte er sich jenen Mut zur Formulierung kühner Hypothesen, vor denen der Fachgelehrte zurückschreckt, und zwar umso mehr, je tiefer er in einen Problemkreis eindringt“ (Gipper, 1972:7). Bereits Edward Sapir, der Kenner zahlreicher Indianersprachen, hatte sein Interesse auf die bis zu der Zeit kaum beachtete uto-aztekische Hopi-Sprache gelenkt. Sie wird von ca. 6.000 Sprechern gesprochen, die in einem Dutzend kleiner Pueblo-Dörfer auf den drei großen Tafelbergen, den sog. Mesas, nordöstlich von Arizona wohnen (vgl. Gipper, 1972:7).13 Diese in mehrere Dialekte aufgegliederte Sprache weicht nicht nur von den Strukturen der indoeuropäischen Sprachen ab, sondern sie lässt sich auch durch gewisse Besonderheiten von den anderen Indianersprachen Nordamerikas unterscheiden. Diese Eigenarten waren es, die Whorf faszinierten: insbesondere war es die Raum- und Zeitauffassung dieser Sprache, welche Whorf zur Formulierung seiner kühnen Thesen veranlasste (vgl. Gipper, 1972:7f.).14

12 Für genauere Ausführungen zum Linguistischen Relativitätsprinzip (=LRP) verweise ich zudem noch auf entsprechende Beiträge in den Sammelbänden von Pinxten (1976) und Helbig (1989:148ff.) sowie auf Literaturübersichten in Gipper (1972:77ff.), Malotki, (1983:1ff.), Lucy (1992a:69ff.), (2011:53ff.), Lee (1996:14ff.) und auf weitere Übersichten in Kienpointner (1998:87ff.).

13 Ethnologue (2015) gibt einem Zensus von 2010 zufolge eine Sprecherzahl von 6.780 Sprechern für die gefährdete Hopi-Sprache an.

14 Whorfs wichtigste Aufsätze, die zunächst in unterschiedlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden und welche ich an dieser Stelle der Vollständigkeit halber kurz anführen möchte, sind die folgenden: „An American Indian 32

Im Zentrum von Whorfs Ausführungen steht hierbei die Betonung der Verschiedenheit der Sprachstruktur des Hopi im Vergleich zu den „Sprachgewohnheiten“ des Standard Average European (Gipper, 1972:8). Hierbei fehlt es nicht an stetigen Bemühungen, den engen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken und demnach die Besonderheiten des Hopi herauszustreichen. Dies bewerkstelligt Whorf nicht zuletzt durch kreative Zeichnungen und Beispiele von begrifflichen Analysen bestimmter Sachverhalte. Whorfs Ansicht, dass das Hopi ein anderes Weltbild enthält, wird insbesondere in seinen Aufsätzen „The relation of habitual thought and behavior to language“ und „An American Indian model of the universe“ angesprochen (vgl. Gipper, 1972:8f.). Die Auffassung, laut welcher das Denken bei allen Individuen im Prinzip auf die gleiche Art und Weise verläuft und somit den Gesetzen einer allgemeinen Logik gehorcht, wobei die unterschiedlichen Sprachen also nur Ausdruck des Gedachten sind, lehnt Whorf ab. Vielmehr vertritt er die These, dass die Grammatik einer jeden Sprache die Gedanken formt: Da ein Mensch in der Regel nur eine Sprache spricht, wird er also von dieser Sprache beeinflusst und ist ihr sozusagen ausgeliefert. Nur wer mehrere Sprachen spricht, verfügt demnach auch über mehrere Möglichkeiten, die Welt zu sehen und zu begreifen und kann vergleichen und wählen (vgl. Gipper, 1972:9). Whorf sieht also den jeweiligen sprachlichen Hintergrund als nötige Bedingung der Interpretation der Welt: BeobachterInnen können innerhalb ihres eigenen Sprachsystems die Relativität ihres jeweiligen Weltbildes nicht erkennen, denn „erst die Relativierung auf ein anderes Sprachsystem macht […] die Eigenbewegung (hier die Sprachabhängigkeit) erkennbar“. (Werlen, 1989:152). Aus diesen Grundgedanken ergibt sich Whorfs Formulierung eines linguistischen Relativitätsprinzips. Da aber bereits von seinem Lehrer Edward Sapir ähnliche Thesen hervorgebracht wurden, ist dieses linguistische Relativitätsprinzip generell als Sapir-Whorf- Hypothese in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen. Die folgenden zwei Passagen stellen Whorfs Formulierungen eines LRP treffend dar:

model of the universe“ (ca. 1936); „The punctual and segmentative aspects of verbs in Hopi“ (1936); „Grammatical categories“ (1937); „Discussion of Hopi linguistics“ (1937); „Some verbal categories of Hopi“ (1938); „The relation of habitual thought and behavior to language“ (1939); „Science and linguistics“ (1940); „Linguistics as an exact science“ (1940); „Languages and logic“ (1941); „Language, mind, and reality (1941); „The Hopi language, Toreva dialect“. In: Hoijer (1946); Für eine ausführliche Erläuterung zu den einzelnen Arbeiten Whorfs, siehe auch Gipper (1972:8ff.) und Whorf (1956): Selected Writings.

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„We are thus introduced to a new principle of relativity, which holds that all observers are not led by the same physical evidence to the same picture of the universe, unless their linguistic backgrounds are similar, or can in some way be calibrated.“ (Whorf, 1956:214). “The phenomena of language are background phenomena, of which the talkers are unaware or, at the most, very dimly aware […] These automatic, involuntary patterns are not the same for all men but are specific for each language and constitute the formalized side of the language, or its ‘grammar’ – a term that includes much more than the grammar we learned in textbooks of our school days. From this fact proceeds what I have called the ‘linguistic relativity principle’, which means, in informal terms, that users of markedly different grammars are pointed by their grammars toward different types of observations and different evaluations of externally similar acts of observation, and hence are not equivalent as observers but must arrive at somewhat different views of the world.” (Whorf, 1956:221).

Menschen, die also Sprachen mit unterschiedlichen Grammatiken sprechen, werden gerade durch diese Grammatiken zu unterschiedlichen Beobachtungen äußerlicher Gegebenheiten gelangen und somit unterschiedliche Weltsichten annehmen.15

Das Musterbeispiel für Whorfs Beweisführung ist die Darstellung der Raum- und Zeitauffassung des Hopi. Vorweg muss aber zumindest angemerkt werden, dass Whorf in seinen Analysen in der Terminologie nicht konstant zu sein scheint (vgl. Gipper, 1972:10). Da in den klassischen SAE-Sprachen – so klassifiziert Whorf die gut studierten europäischen Sprachen - zeitliche Aspekte vor allem durch das Verbalsystem ausgedrückt werden, fand Whorf es zunächst besonders außergewöhnlich, dass sich das Hopi-Verb in dieser Hinsicht in beträchtlichem Maße von den uns geläufigen Kategorien unterscheidet: „After a long study and analysis, the Hopi language is seen to contain no words, grammatical forms, constructions or expressions that refer directly to what we call ‚time‘, or past, present or future […]. Hence, the Hopi language contains no reference to ‘time’, either explicit or implicit.” (Whorf, 1956:57f.).

“Verbs have no ‘tenses’ like ours, but have validity-forms (‘assertions’), aspects, and clause-linkage forms (modes), that yield even greater precision of speech. The

15 Whorf differenziert hier jedoch nicht genau zwischen einer allgemeinen, im Alltag vermittelten Weltsicht, einem wissenschaftlichen Weltbild und einer ideologisch motivierten Weltanschauung. Außerdem unterscheidet er auch nicht genau zwischen Sprache als System und Sprache als Rede. Dieser sprachtheoretische Kritikpunkt gehört wohl zu einem der häufigsten Einwände gegen Whorfs Formulierung des LRP. Vgl. dazu auch Kienpointner (1998:89).

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validity-forms denote that the speaker (not the subject) reports the situation (answering to our past and present) or that he expects it (answering to our future) or that he makes a nomic statement (answering to our nomic present).” (Whorf, 1956:144f.).

Es gibt also obigen Aussagen zufolge im Hopi keine Tempora, sondern lediglich Gültigkeitsformen, Aspekte und Modi. Die Gültigkeitsformen zeigen an, ob SprecherInnen die Situation berichten (was unserer Gegenwart und Vergangenheit entspricht) oder ob SprecherInnen eine Situation erwarten (was wiederum unserer Zukunft entspricht) oder ob sie eine nomothetische Feststellung machen (was unserer nomothetischen Gegenwartsform entspricht). Die Aspekte bezeichnen Grade der Dauer und die Modi hingegen stehen für Relationen von Gliedsätzen (vgl. Whorf, 1963:85). Genauso gebe es im Hopi keine Raummetaphern für zeitliche Größen, wie es sie etwa in den SAE-Sprachen gibt (vgl. Whorf, 1956:145f., Whorf, 1963:86f.). Des Weiteren werden im Hopi Plurale und Kardinalzahlen „nur für Dinge benutzt, welche eine gegenständliche Gruppe bilden können. Es gibt keinen imaginären Plural. An seiner Stelle werden Ordinalzahlen, verbunden mit dem Singular, verwendet (vgl. Whorf, 1963:80). „Sie blieben zehn Tage“ würde dann etwa zu „sie blieben bis zum elften Tag“, werden (ebd., vgl. auch Whorf, 1956:140). Die Thesen Whorfs wurden im Laufe der darauffolgenden Jahrzehnte zum Brennpunkt zahlreicher Diskussionen, wobei LinguistInnen wie Helmut Gipper (1972), Ekkehart Malotki (1979, 1983) und Andrea Stahlschmidt (1983) in der späteren Forschung seine Thesen relativiert und teilweise widerlegt haben. Whorfs folgenschwerste Behauptung war wohl diejenige, dass es im Hopi überhaupt keine Zeitbezüge gäbe (vgl. Whorf, 1956:57f.). Entgegen dieser Annahme steht aber mittlerweile fest, dass es im Hopi ein zweistufiges Tempussystem gibt, wobei eine Unterscheidung zwischen Futur (durch Anhängen eines Suffixes –ni) und Nicht-Futur (ohne Suffix) gemacht werden kann (vgl. Gipper, 1972:223ff.; Malotki, 1983; Stahlschmidt, 1983:605ff.). Allerdings wird diese Opposition auch durch die modale Opposition ‚faktisch‘ versus ‚nicht-faktisch‘ überlagert (vgl. Stahlschmidt, 1983:398ff.), was zumindest Whorfs (1946:176) Erklärung nahekommt, dass es im Hopi eher Gültigkeitsgrade von Aussagen als Zeitstufen (sog. „validity forms“) gibt. Des Weiteren existieren entgegen der Annahme Whorfs (1956:146) im Hopi zahlreiche Raum-Metaphern für zeitliche Größen: Ekkehart Malotki führt in seinem Werk (1983:27ff.) ganze Kapitel von Pronominaladverbien, Verben, Substantiven und Postpositionen an, die zum einen eine raumbezogene Grundbedeutung besitzen, zum anderen aber auch 35

metaphorisch für zeitliche Größen stehen. Ein Beispiel hierfür wäre etwa der Lokator, bzw. das Pronominaladverb ep, in der Bedeutung „da“, wobei es aber auch „zu diesem Zeitpunkt, an diesem Tag“ bedeuten kann (vgl. Malotki, 1983:27). Außerdem lieferte Malotki (1983:523ff.) auch viele Beispiele, welche Whorfs Behauptung widerlegen, Zeiteinheiten könnten im Hopi nicht durch Kardinalzahlwörter repräsentiert werden (vgl. Whorf, 1956:140). Nichtsdestotrotz ist anzumerken, dass Whorf in verschiedenen Teilen seines Werks seine Thesen auch etwas abschwächt, wodurch sicherlich haltbarere Auslegungen seines LRP ermöglicht werden. Seine Beschreibung des Hopi mag zwar in einigen Stellen revisionsbedürftig sein, allerdings kann man sie wohl als eine enorme deskriptive Leistung bezeichnen (vgl. Kienpointner, 1998:92).

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4 Die Forschung nach Whorf

In diesem Abschnitt soll es darum gehen, einen groben Überblick über die Rezeption der Gedanken Whorfs in den sieben Jahrzehnten nach seinem Tod zu liefern. Die unterschiedlichen Versuche zur Überprüfung des LRP nach Whorf lassen sich in zwei große Annäherungsweisen eingliedern: Beginnend ab den 1950er Jahren sind von Seiten vieler Linguisten Versuche getätigt worden, Whorfs Hypothese auf verschiedenste Weisen empirisch zu überprüfen. Allerdings erschwerte der zu diesem Zeitraum durch Chomsky aufkommende Nativismus ( Kap. 3.1.5.1) viele der Versuche, die Hypothese auf eine solide Basis zu stellen, wodurch das linguistische Interesse an ihr zunächst einmal für einige Jahrzehnte merklich abnahm (vgl. Hajnal, 2011:101). Ab den 1980er Jahren erfuhr die Sapir-Whorf-Hypothese aber tatsächlich einen neuen Aufschwung, wobei grundlegende Veränderungen hinsichtlich der exakteren empirischen Überprüfung und der besseren Eingrenzung der Hypothese zu aussagekräftigeren Ergebnissen führte (vgl. Hajnal, 2011:102f.).

4.1 Überprüfungsversuche zum sprachbezogenen Weltbildgedanken: Die Forschung der 1950er bis 1980er Jahre

Um über die Entwicklungen in den Jahrzehnten nach dem Tode Whorfs zu sprechen, ist im Allgemeinen zunächst einmal sicherlich Helmut Gippers (1964, 1972) Bemühung zu nennen, die Sapir-Whorf-Hypothese zu verifizieren. Zum anderen sind auch die Arbeiten von Andrea Stahlschmidt zum Verbalsystem des Hopi und jene von Ekkehart Malotki (1979: Hopi-Raum und 1983: Hopi-Time) anzuführen, auf welche ich bereits in Kapitel 3.2.5 eingegangen bin.16 1954 gab Sapirs Schüler, der US-amerikanische Linguist und Anthropologe Harry Hoijer, den Sammelband Language in Culture heraus, in welchem die unterschiedlichen Interpretationen Whorfs anhand der Dokumentation einer im März 1953 gehaltenen interdisziplinären Konferenz diskutiert werden (vgl. Werlen, 1989:160f.). In diesem Band sind Papers und Diskussionen von TeilnehmerInnen und VertreterInnen verschiedenster

16 Zusätzlich möchte ich auch noch auf einen interessanten Beitrag aus den 1990er Jahren zu den uto-aztekischen Sprachen vom US-amerikanischen Linguisten Wick R. Miller (1992) hinweisen sowie auf das erste Hopi- Englisch–Wörterbuch, welches unter der Zusammenarbeit des Linguisten Kenneth C. Hill, dem Hopi Universitätsprofessor und Anthropologen Emorj Sekaquaptewa und der Linguistin Mary Black (1998) an der University of Arizona entstanden ist.

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Forschungsdisziplinen, die sich dem LRP auf ganz unterschiedliche Weise annähern, zu finden. Die Positionen gehen hierbei weit auseinander: Manche unterstützen das LRP, manche schwächen es ab, andere Linguisten weisen darauf hin, dass semantische Probleme schwierig zu beschreiben sind (vgl. Werlen, 1989:161f.).17 Auch ist Hoijers Paper „The Sapir Whorf Hypothesis“ als weiterer wichtiger Beitrag zum LRP zu nennen. Er demonstriert die Sapir-Whorf-Hypothese am Beispiel des Navaho und gibt hierfür mehrere Tests vor, wobei er Sprache als eine Möglichkeit bezeichnet, „Arten von Erfahrungen für ihre Sprecher zu definieren; psychologische und biologische Universalien werden vorausgesetzt, aber von der Sprache geprägt“ (Werlen, 1989:163f.).18 Hoijer (1954:102) zieht in seinen Analysen und Tests zwar schon Parallelen zwischen Sprache und bestimmten Aspekten der Kultur, ohne aber eine Komponente als Voraussetzung für die andere zu betrachten. Trotz der hier vorgeschlagenen Tests, herrschte in den frühen fünfziger Jahren aber eine große Tendenz, die Sapir-Whorf-Hypothese in den Forschungsgebieten der kognitiven Psychologie zu überprüfen. Unterschiedliche Versuche und empirische Analysen führten somit zur Psycholinguistik und dort zum Umschwung vom Relativismus zum Universalismus. Vor allem wurde dieser Wandel durch die damals bevorzugte Diskussion um die Farbwörter ausgelöst, welche etwa mit den Namen von Roger W. Brown, Eric H. Lenneberg, Brent und Paul Kay in Verbindung gebracht wird (vgl. Werlen, 1989:158). Interessanterweise weist der Forscher Franklin Fearings in seinem Beitrag zur oben diskutierten Konferenz (1954:78) darauf hin, dass Whorfs Thesen sich auf die Konzeptualisierung und somit auf die Begriffsbildung stützen und weniger auf die Perzeption. Werlen (1989:163) merkt daraufhin zu Recht an, dass es erstaunlich ist, „daß die meisten Versuche zur Überprüfung der Whorf-Hypothese anhand der Perzeption von Farben gemacht wurden, also in einem Bereich, den Whorf gerade nicht in seine These einschloß.“

17 Aus Gründen der Prägnanz kann ich hier nicht weiter ins Detail gehen, für eine ausführlichere Darstellung der Diskussion innerhalb der Konferenz von 1953 vgl. Hoijer (1954) und Werlen (1989:160ff.).

18 Hoijer (1954:98ff., zit. nach Werlen, 1989:164) schlägt hier einige zentrale Schritte für das Testen der Hypothese vor: 1. Struktur der Sprache bestimmen. 2. Semantisches System bestimmen. 3. Unterschiede zwischen aktiven und nichtaktiven strukturalen Kategorien feststellen. 4. Aus den aktiven strukturalen Kategorien sind die Arten des Sprechens („fashions of speaking“) zu ermitteln.

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Eine der ersten Farbstudien, die versuchte, die Sapir-Whorf-Hypothese zu beweisen, stammt von Roger Brown und Eric Lenneberg (1954) und erschien unter dem Titel A Study in Language and Cognition. Hierbei zogen die beiden Forscher SprecherInnen des Zun͂ i, einer isolierten Sprache, welche in New Mexiko gesprochen wird, heran. Diese Sprache verfügt nicht über die Farbbezeichnung „orange“. Das Experiment hat gezeigt, dass Native Speakers des Zun͂ i, einer Sprache mit weniger differenzierten lexikalischen Strukturen, Schwierigkeiten hatte, Übergangsbereiche im Farbspektrum genau zu unterscheiden, da sie in den Rekognitionstests gelb und orange ständig verwechselten, was bei Native Speakers des Englischen nicht der Fall war. Sie bewiesen damit, dass es einen Einfluss des Lexikons auf die kognitive Fähigkeit der Farberkennung geben musste (vgl. Werlen, 1989:166). Auf ähnliche Ergebnisse stießen in der Folge auch die Forscher Paul Kay und Brent Berlin (1984) in ihrer Untersuchung des Tarahumara, einer uto-aztekischen Sprache, welche in New Mexiko gesprochen wird. SprecherInnen des Tarahumara sollten hierbei auf die Diskrimination von grün und blau untersucht werden. Da sie aber nur ein Farbwort für grün und blau zusammen besitzen („grue“), hatten sie Schwierigkeiten, den Übergangsbereich zwischen blau und grün zu unterscheiden.19 Die Annahme eines Einflusses des Lexikons einer Einzelsprache auf die Fähigkeit der Farberkennung wurde jedoch durch das Buch Basic Color Terms von Brent Berlin und Paul Kay (1969), das evolutionistisch und universal ausgerichtet ist, grundlegend verändert (vgl. Werlen, 1989:173, Lucy, 1997:299f.). Die beiden Autoren untersuchten insgesamt 89 Sprachen und kamen dabei zum folgenden Schluss: „A total universal inventory of exactly eleven basic color categories exists. […] The eleven basic color categories are white, black, red, green, yellow, blue, brown, purple, pink, orange and grey“ (Berlin/Kay, 1969:2). Zusätzlich geben die Autoren noch fünf Kriterien für das Vorhandensein eines Grundfarbwortes sowie auch eine bestimmte Reihenfolge an, welche in Form implikativer Universalien formuliert sind. Auch Sprachen mit lediglich drei Basisfarbwörtern besitzen beispielsweise immer die Fokalfarben schwarz, weiß und rot. Berlin/Kay (1969:2ff.) interpretierten diese Universalien evolutionär, denn jede Sprache muss zu einem gewissen

19 Für eine ausführlichere Darstellung des Experiments, vgl. Werlen (1989:177f.) und Kay/Kempton (1984:65ff.).

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Zeitpunkt eines der von ihnen vorgeschlagenen Stadien besitzen und gleichzeitig alle früheren Stadien enthalten.20 Die Forschungen von Berlin/Kay stellen also aufgrund ihrer Annahme von Universalien eine Herausforderung für die Sapir-Whorf-Hypothese dar. Die spätere, auf Berlin/Kay (1969) aufbauende Forschung hat gezeigt, dass einige Modifizierungen vonnöten waren: Insbesondere schlug man für den Blau-Grün-Bereich eine neue Kategorie vor, da viele Sprachen einen Ausdruck für die zusammengesetzte Kategorie mit zwei fokalen Bereichen haben, nicht zuletzt stellte man auch fest, dass es auch Sprachen mit mehr als elf Basistermen gibt (vgl. Werlen, 1989:176). Eine zusätzliche Veränderung der Hypothese ergab sich etwa durch den Versuch von Kay/Mc Daniel (1978:639): Sie bezogen die neurophysiologische Forschung sowie die „fuzzy set theory“, die Theorie der „unscharfen Mengen“ ein. Sie kamen zu dem Schluss, dass Farben wie weiß, schwarz, rot, grün, gelb oder blau, neurophysiologisch gesehen als wichtige Farben gekennzeichnet sind; diesen sechs Basistermen stehen zusammengesetzte Terme gegenüber (wie etwa „grue“). Sie erreichten so eine verbesserte schematische Darstellung der Evolution von Basisfarbwörtern (vgl. Werlen, 1989:176).

4.2 Die neuere und neueste Forschung (1980er bis heute)

Ab den 1980er Jahren wurde das Interesse an der Sapir-Whorf-Hypothese durch Forschungen in der kognitiven Psychologie und der kognitiven Linguistik wieder erweckt. Die Gründe für das erneute Interesse an der Hypothese liegen jedoch nicht nur in den Zweifeln am linguistischen Nativismus, sondern auch an verbesserten empirischen und psycholinguistischen Methoden (vgl. Härtl, 2009). Seit der sog. kognitiven Wende beschäftigt sich eine Vielzahl von Untersuchungen empirisch mit dem hier diskutierten Abhängigkeitsverhältnis. An dieser Stelle sind etwa George Lakoff und Mark Johnson (1980) mit ihrer kognitiven Metapherntheorie zu nennen. Dieser Theorie zufolge erscheinen Metaphern als Elemente diskursiv erzeugter und weltbildprägender sprachlicher Phänomene besonders herausragend; insbesondere wird aber der enge Zusammenhang zwischen Metaphern und menschlichem Denken und Handeln betont, denn Metaphern stellen „grundlegende Verfahren des

20Für eine ausführlichere Auflistung der oben genannten Kriterien und Reihenfolgen, siehe Berlin/Kay (1969:2ff.).

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menschlichen Denkens“ dar (Werlen, 1989:204) und können somit „als ein Teil des kognitiven Vermögens des Menschens“ angesehen werden (Werlen, 1989:208f.). Allerdings wird hier die konkrete Frage, ob nun ein Mensch den Strukturen seiner Sprache ausgeliefert ist, nicht diskutiert. Entscheidende Forschungsbeiträge zu den Zahl- und Mengenbezeichnungen wurden in den 1990er Jahren vom US-amerikanischen Linguisten und Psychologen John Lucy erbracht, welcher zurzeit William Benton Professor am Department of Comparative Human Development sowie am Department of Psychology der University of Chicago ist (vgl. „Lucy“ Homepage, 2015). John Lucy (1992b:46ff.) hat sich unter anderem mit dem yukatekischen Maya, einer Indianersprache, welche im östlichen Teil der Halbinsel Yukatan gesprochen wird, auseinandergesetzt. Dass die Sprachen der Welt verschiedene Methoden besitzen, um Mengen und Zahlen zu bezeichnen, ist uns vielleicht bekannt. Indogermanische Sprachen wie etwa das Englische, besitzen dafür eine Kategorie „Numerus“, wobei sie die Mengen durch ein obligatorisches Pluralaffix bezeichnen. Diese Sprachen unterscheiden also zwischen zählbarem Individualbegriff und nicht zählbarem Mengenbegriff (vgl. Hajnal, 2011:104). Das Yucatec aber kennt keine obligatorische Pluralbezeichnung, weder für unbelebte Substanzen noch unbelebte „Implemente“ (Geräte, Behälter). Ein Pluralaffix gibt es in dieser Sprache nur für belebte Objekte, aber auch hier ist es nur fakultativ. Lucy (1992b:46ff.) konnte in seinem Experiment zeigen, dass SprecherInnen des Yucatec im Vergleich zu SprecherInnen des Englischen bei Bildbeschreibungen dargestellte Objekte gesamt gesehen zahlenmäßig weniger spezifizierten. Insbesondere fiel aber auf, dass Native Speakers des Yucatec Implemente und unbelebte Substanzen (für welche sie eben kein Pluralaffix besitzen) zahlenmäßig nicht spezifizierten. Um bezüglich des Numerus doch Klarheit zu schaffen, kennt das Yucatec aber die sog. Numeralklassifikatoren. Wird ein neutrales Substantiv gemeinsam mit einem Zahlwort verwendet, ergänzt ein Numeralklassifikator das Zahlwort (vgl. Lucy, 1997:298). Lucy (1992b:87ff.) konnte auch nachweisen, dass das Yucatec, das also keine obligatorische Pluralbezeichnung kennt, Begriffe in seinem Lexikon eher hinsichtlich des Materials semantisch definiert. Dagegen sind Begriffe in Sprachen wie dem Englischen, das zwischen zählbarem Individualbegriff und nicht-zählbarem Mengenbegriff unterscheidet, semantisch hinsichtlich Form und Gestalt verankert (vgl. Lucy, 1992b:87ff., zit. nach Hajnal, 2011:105).

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In den 1990er Jahren wurden überdies wichtige Beiträge bezüglich des Einflusses von Sprache auf die Erfahrung von Raum durchgeführt. Vor allem möchte ich an dieser Stelle Stephen Levinson anführen, der am Max Planck Institut für Psycholinguistik in Nijmegen zahlreiche Forschungen bezüglich der Beziehung zwischen Kultur, Sprache und Kognition durchführt (vgl. „Levinson Home“, 2015).21 Lucy (1997:300) merkt in seinem Beitrag zu Levinson zu Recht an: „Space was chosen as a domain because it has been widely regarded as invariant within philosophical, psychological, and linguistic circles and yet appeared to exhibit cross-linguistic variation.” (Lucy, 1997:300). Bereits Whorf (1956:158) ging aber von einem gemäßigten Einfluss von Sprache auf die Erfahrung von Raum aus: „Probably the apprehension of space is given in substantially the same form by experience irrespective of language […] but the concept of space will vary somewhat with language”. (Whorf, 1956:158). Levinson (2003:19) bestätigt diese Annahme nicht nur, sondern unterstreicht die besondere Rolle der Sprache als potentieller Einflussfaktor auf unsere Raumerfahrung: „However, it turns out that we have drastically underestimated the potential for human language difference in this area. Languages just do turn out to use fundamentally different semantic parameters in their categorization of spatial relations – different coordinate systems, different principles for constructing such coordinate systems, yielding different categorizations of ‘same’ and ‘different’ across spatial scenes. […] The claim explored here in detail is that such linguistic differences have surprisingly far-reaching cognitive effects.” (Levinson, 2003:19).

Die Konzeption von Raum, welche durch ein In-Beziehung-Setzen von Objekten entsteht, erfolgt in den Sprachen der Erde auf unterschiedliche Weisen. Levinson (2003:35ff.) führt hierfür die Begriffe des relativen, intrinsischen und absoluten Orientierungsrahmens ein, welche drei grundlegende Möglichkeiten darstellen, um Objekte in den Sprachen der Welt miteinander in Beziehung zu setzen. SprecherInnen des Englischen verwenden tendenziell relative Rahmen und orientieren sich in der Beschreibung der Relation zwischen zwei Objekten an der eigenen Sprechposition. Sie würden demnach beispielsweise sagen: „He‘s to the left of the house“. SprecherInnen des Guugu Yiimithir, einer Australsprache, welche zur Pama-Nyunganischen Familie gehört und welche Gebrauch von einem absoluten Orientierungssystem macht, würden sagen: „He’s

21 Levinson ist Professor für vergleichende Sprachwissenschaft und Direktor des Max Planck Instituts für Psycholinguistik in Nijmegen.

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north of the house.“ In einer Sprache mit intrinsischem Orientierungssystem, wie etwa dem Totonac, welches zu den Totonac-Sprachen gehört und in Mexiko gesprochen wird, würde man dagegen sagen: „He’s in front of the house“, da das Objekt (house) das Zentrum ihres Koordinatensystems darstellt (vgl. Levinson, 2003:40ff.). In einem seiner Rotationsexperimente konnte Levinson (2003:132f.) den Einfluss des Sprachgebrauchs auf die Kognition, bzw. auf die Memorierbarkeit zudem noch beweisen: Personen wurden vor einen Tisch (Tisch 1) gestellt, auf welchem sich als visueller Reiz ein Pfeil befand, der gemäß relativem Orientierungssystem nach rechts zeigte. Nach einer 180°-Drehung der Untersuchungspersonen mussten diese von zwei Pfeilen auf Tisch 2 wieder denselben Pfeil auswählen, wobei SprecherInnen mit dominierendem relativen Orientierungssystem eine „relative Reaktion“ zeigten und, wie erwartet, den rechten Pfeil auswählten. Die SprecherInnen mit dominierendem absolutem Orientierungsrahmen wählten jedoch den nach Norden zeigenden Pfeil aus (vgl. Levinson, 2003:133f.). John Lucys und Stephen Levinsons Beiträge sind Teil einer Forschungsrichtung, die ab den 1980er Jahren einsetzte und einige charakteristische Neuerungen hinsichtlich der experimentellen Versuchsanordnung mit sich brachte. Ab den 2000er Jahren ist die neueste Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese allerdings auch durch eine bemerkenswerte Wissenschaftlerin aus Amerika in erheblichem Ausmaß geprägt worden. Die Rede ist von Lera Boroditsky: Sie hat nicht nur wichtige Experimente zu den Phänomenen der Raum- und Zeiterfahrung gemacht, sondern auch aufschlussreiche Versuche zu den Konzepten der Kausalität und Verantwortlichkeit durchgeführt, welche mir den Anstoß zur Untersuchung in dieser Arbeit gegeben haben. Aus diesem Grund sollen Boroditskys Forschungen nochmals gesondert und etwas ausführlicher in Kapitel 4.2.2 geschildert werden. Was die Beiträge zur neueren und neuesten Forschung von Lucy, Levinson und Boroditsky so eindrucksvoll erscheinen lässt, ist die deutlich erkennbare Bemühung, die bisher „theoretisch wie empirisch nur schwach gestützte Hypothese auf ein solides Fundament zu stellen“ (Hajnal, 2011:102). In den Jahrzehnten zuvor war das Vorhandensein von empirischen Versuchen nämlich eher eine Seltenheit, wie Lucy (1997:294) in seinem Beitrag zur Linguistischen Relativität anmerkt: „Surprisingly, there has been an almost complete absence of direct empirical research through most of the present century – perhaps half a dozen studies up to a decade ago […]. The neglect of empirical work is so conspicuous that it must be regarded as one of the central characteristics of this area of research […]”. (Lucy, 1997:294).

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An dieser Stelle sollen nun die wesentlichen Charakteristika der neueren und neuesten Forschung zur Sapir-Whorf- Hypothese kurz aufzulisten.

4.2.1 Zentrale Unterscheidungsmerkmale der neueren und neuesten Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese Auf der allgemeinsten Ebene verfolgt die neueste Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese das grundlegende Ziel, den Untersuchungsgegenstand auf eine solide Basis zu stellen (vgl. Hajnal (2011:102ff.). Insbesondere sind hierfür die folgenden drei Punkte von zentraler Bedeutung:

1. Zum ersten wurde die Hypothese präziser eingegrenzt. Das impliziert wiederum Folgendes: a) Eine größere Begrenzung der Reichweite verschiedener Phänomene und somit keine Gesamtanalysen von „ganzen“ Sprachen und Kulturen mehr, welche Spielraum für viel Kritik lassen. b) Eine präzisere Eingrenzung des Begriffs „Sprache“ und eine genaue Beschreibung des sprachlichen Teilbereichs, auf welchen sich die jeweilige Untersuchung konzentriert (etwa Sprache als System mit seinen lexikalisch-morphologischen Merkmalen, als Norm oder als Diskurs). c) Eine adäquate Definition des Begriffs „Denken“, bzw. ein klarer Fokus auf den in der Untersuchung relevanten Teilaspekt des außerordentlich vielseitigen Begriffs „Denken“: Dementsprechend kann „Denken“ entweder als unmittelbare Wahrnehmung, als Einordnung dieser Wahrnehmungen in diverse soziokulturelle Muster, als ästhetisches Urteil oder etwa im Sinne einer Speicherung der Wahrnehmungen im Gedächtnis oder als Informationsfilterung definiert werden. d) Eine genauere Eingrenzung des Terminus „Wirklichkeit“, bzw. eine Bezugnahme auf eine auf bestimmte Kontexte eingegrenzte außersprachliche Wirklichkeit: Realität wird nun nicht mehr als absoluter, sondern als relationaler Begriff definiert (z.B. Wirklichkeit für traditionelle, alltägliche oder besondere Kontexte). e) Eine klarere Unterscheidung zwischen semiotischer, linguistischer und funktionaler Relativität ( Kap. 3.1.6) sowie eine exaktere Abgrenzung des Begriffs „sprachliche Relativität“ („linguistic relativity“) von Begriffen wie „sprachliche Diversität“ („linguistic diversity“) oder „kulturelle Relativität“ („cultural relativity“). Lucy (1997:295) schreibt hierzu:

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„[…] linguistic relativity ist not the same as linguistic diversity. Without the relation to thought more generally […], it is merely linguistic diversity.” [Hrv. L.P.] “[…] linguistic relativity is not the same as cultural relativity, which encompasses the full range of patterned, historically transmitted differences among communities. Linguistic relativity proposals emphasize a distinctive role for language structure in interpreting experience and influencing thought.” [Hervorhebung. L.P.].

2. Zum zweiten sind wesentliche Fortschritte bezüglich der experimentellen Versuchsanordnung und der empirischen Untermauerung der Hypothese zu verzeichnen, was wiederum Folgendes mit sich bringt (vgl. Lucy, 1996:48f.): a) Die in der jeweiligen Untersuchung beobachtete kognitive Leistung der getesteten Individuen soll nicht lediglich auf die spezielle Untersuchungssituation beschränkt, sondern auch wirklich repräsentativ für alltägliches, habituelles Verhalten sein.22 b) Die Evidenz aus mindestens zwei Sprachen wird einander gegenübergestellt. c) Als Untersuchungsgegenstand werden zumindest eine oder mehrere übergeordnete morphologische oder lexikalische Kategorie einer Sprache zur Hand gezogen. d) Die Anzahl der untersuchten Sprachen und Kulturen ist enorm angestiegen. e) Die empirischen Daten wurden statistisch besser und exakter ausgewertet.

3. Zum dritten wurde eine klare Typologie von unterschiedlichen Methoden aufgestellt, sich der jeweiligen Ausgangshypothese anhand wissenschaftlicher Parameter zu nähern. John Lucy (1997:295ff.) gibt hierfür drei Möglichkeiten der Annäherung an die Sapir-Whorf- Hypothese an: „Among the studies meeting the above criteria, there have been three approaches to research depending on which among the three key elements at issue (language, reality, thought) serves as the central orientation or point of departure for the investigation: structure-centered, domain-centered and behavior-centered.” (Lucy, 1997:295f.). a) In der Methode der strukturorientierten Annäherung („structure-centered approach“, auch: „language-centered approach“) wird auf unterschiedliche lexikalische Bedeutungsstrukturen und morphologische Kategorien von zwei Einzelsprachen Bezug genommen und daraufhin untersucht, wie solche Unterschiede in der Interpretation der Wirklichkeit reflektiert werden

22 Vgl. nochmals das Beispiel der Raumforschungen von Levinson (2003:40ff.)  Kap. 4.1; Es soll auch bewiesen werden, dass es sich beispielsweise bei der Aussage „He’s to the left of the house“, welche einen relativen Orientierungsrahmen impliziert, um ein alltägliches Wahrnehmungs- und Orientierungsmuster handelt, das also auch außerhalb des speziellen Untersuchungskontexts Anwendung findet.

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(vgl. Hajnal, 2011:103). Für Lucy (1997:296) besitzt diese Annäherungsmethode grundsätzlich den Vorteil der Offenheit für neue Interpretationen der Realität. Andererseits kann es hierbei auch schwierig sein, adäquate Vergleichsbedingungen aufzustellen, da es grundlegend vermieden werden sollte, eine Sprache und deren Wirklichkeitskonstruktion als bevorzugten Bezugsrahmen für die Untersuchung heranzuziehen. Des Weiteren kann Lucy (1997:296) zufolge eine ansteigende Komplexität der linguistischen Analyse zu Vergleichen führen, welche weit über den zu Beginn definierten Untersuchungsgegenstand hinausgehen (z.B. lexikalische Kategorie für die zeitliche Orientierung). Lucys obengenannte Studie ( 4.2) zur Numerus-Markierung im Yucatec Maya stellt ein gutes Beispiel für einen solchen sprach-, bzw. strukturorientierten Annäherungsversuch an die Sapir-Whorf-Hypothese dar. b) In der Methode, die sich an menschlichen Wahrnehmungsfeldern orientiert („domain- centered approach“) geht es um die Frage, wie Bereiche der menschlichen Wahrnehmung in einer Einzelsprache realisiert werden (vgl. Hajnal, 2011:103). Somit zieht eine solche Annäherungsmethode als allererstes ein bestimmtes Wahrnehmungsfeld als universale Basis für die Untersuchung heran und vergleicht dessen unterschiedliche Realisierung in der Folge in mindestens zwei Sprachen miteinander. In einem Experiment, das sich der Sapir-Whorf- Hypothese auf diese Weise annähert, ist es jedoch wichtig, den Versuchspersonen ein-und dieselben Bezugsgegenstand vorzuführen, um wirklich auf Unterschiede zu stoßen, die beispielsweise lexikalische Kategorien betreffen (vgl. Lucy, 1997:298). Hierin liegt gerade die Stärke eines solchen Ansatzes: Seine Exaktheit erlaubt einen präzisen und haltbaren Vergleich unter den Sprachen. Als mögliche Schwäche für diesen Ansatz gibt Lucy (1997:299) aber die Tatsache an, dass der hohe Grad der Fokussierung auf bestimmte Wahrnehmungsfelder möglicherweise zu einer eingeschränkten und verzerrten Sichtweise hinsichtlich des semantischen Potentials einer Einzelsprache führen könnte, denn in einem solchen Ansatz besteht immer die grundlegende Frage, ob eine bestimmter Wahrnehmungsbereich denn nun wirklich als universal ausgelegt wird und alle relevanten Kriterien und Bedeutungen für die Beschreibung dieses Bereichs geliefert worden sind: „[…] the high degree of domain focus […] tends to give a very narrow and distorted view of a language’s semantic approach to a situation. Analysts typically concentrate only on those aspects of meaning that seem relevant to the domain, including or discarding elements of meaning that various languages bring to bear by applying criteria arising from the analysts’ own semantic or cultural understandings of the domain. Thus the key question for any domain-centered approach is how the domain

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has been delineated in the first place and what the warrant is for including or excluding particular forms and meanings.” (Lucy, 1997:299).

Ein gutes Beispiel für einen solchen Ansatz wäre die Untersuchung der Unterschiede in der Bezeichnung für die räumliche Orientierung ( Kap. 4.2) oder die Analyse der lexikalischen Kategorien für Farbbezeichnungen ( Kap. 4.1). c) Die Methode der verhaltensorientierten Annäherung („behavior-centered approach“) zieht als Ausgangspunkt unterschiedliche Verhaltensweisen von Sprachgemeinschaften heran und versucht herauszufinden, ob die Art und Weise ihres Verhaltens eventuell durch Unterschiede in der Sprachstruktur zu erklären sein könnten (vgl. Lucy, 1997:301, zit. nach Hajnal, 2011:103). Die Stärken dieser Annäherungsmethode liegen Lucy (1997:302) zufolge gerade in der Fokussierung auf unterschiedliche Verhaltensweisen: diese Unterschiede beanspruchen nämlich in jedem Fall eine Erklärung. Natürlich kann hierbei die Erklärung, in welcher mit sprachlichen Differenzen argumentiert wird, auch abgelehnt werden; Fakt ist aber, dass an dieser Stelle zumindest nach einer anderen Ursache gesucht werden muss.23 Die Schwäche dieses Ansatzes ist gemäß (Lucy, 1997:302) jedoch sein Ad-hoc-Charakter: „Essentially, this approach ‚selects‘ structural features of the language according to a criterion of presumed relevance to a practical behavior at issue. Often no formal analysis of the language is undertaken and no comparison with other languages is attempted.” (Lucy, 1997:302).

Es scheint, als erfolge die Selektion strukturaler Komponenten von Sprache, die als Ursache für die Verhaltensunterschiede postuliert werden, willkürlich. Außerdem wird in einem solchen Ansatz selten ein Vergleich zu anderen Sprachen gemacht und/oder es fehlt ein drittes Vergleichselement, nämlich jenes einer klar definierten außersprachlichen Realität (vgl. Lucy, 1997:302f.). Whorfs Beispiel der Schilderung des Brandes in einer Brennerei für Methylalkohol würde diesen Ansatz gut beschreiben: Es wurden keine Sicherheitsvorkehrungen geleistet, sondern sogar Zigarettenstummeln in die „leeren Benzintonnen“ geworfen, da sich auf den Destillierkolben keine ausreichende fachsprachliche Bezeichnung befand. Die Unterschiede im Verhalten erklärt Whorf (1956:135ff.) durch die

23 Die in dieser Arbeit durchgeführte Untersuchung richtet sich wohl am ehesten nach diesem Ansatz. Es wird hierbei nämlich davon ausgegangen, dass die eventuelle Tilgung des Agens auf der kognitiven Ebene (beobachtetes Verhalten) auf die Beschaffenheit des sprachlichen zur Verfügung gestellten Materials (in diesem Fall: Kausalketten) zurückzuführen ist.

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Wahl von bestimmten alltagssprachlichen lexikalischen Elementen sowie durch das Fehlen von fachsprachlichen Ausdrücken. Ein weiteres Beispiel für einen verhaltensorientierten Ansatz wäre Alfred Blooms Studie (1981) der kontrastiven Gegenüberstellung des Chinesischen und Englischen und den Schwierigkeiten, die Chinesen mit irrealen Konstruktionen („counterfactuals“) haben, da das Chinesische über keinen Irrealis verfügt. Bloom fand in seiner Studie heraus, dass Native Speakers des Chinesischen Probleme mit irrealen Fragesätzen hatten und diese in signifikant schlechterer Weise auflösten, als SprecherInnen des Englischen (vgl. Werlen, 1989:202f.; Lucy, 1997:302f.).24 Zusammenfassend gesagt, sind für die neuere und neueste Forschung zur Sapir-Whorf- Hypothese also vor allem wesentliche Fortschritte in wissenschaftstheoretischer Hinsicht zu verzeichnen. Wie Bepperling und Härtl (2013:160) richtig anmerken, geht es heute gar nicht mehr um die Beantwortung der Frage nach einem generellen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken, sondern darum, „die Beziehung von sprachlicher und nicht-sprachlicher Kognition in ihrer Komplexität zu erfassen, dabei einen Zusammenhang zwischen einzelnen Komponenten sprachlicher Strukturen und kognitiver Performanz in ganz bestimmten Bereichen aufzuzeigen und daraus Implikationen für die Organisation unseres konzeptuellen Systems zu ziehen.“ (Bepperling, Härtl, 2013:160).

Das größere Maß an Eingrenzung der Hypothese verleiht den aus solchen Untersuchungen resultierenden Schlussfolgerungen zwar einen geringeren Sensationscharakter, vor allem im Vergleich zu Whorfs gewagten Thesen, jedoch sind die Ergebnisse dafür haltbarer und können potentieller Kritik sicherlich besser standhalten. Gerade aus diesem Grund wird es auch mein Ziel in dieser Arbeit sein, gerade diese zentralen Charakteristika als Vorbild für die in den Kapiteln 7 und 8 durchgeführte empirische Analyse heranzuziehen und dadurch einen Beitrag zur neuesten Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese zu leisten. Im folgenden Unterkapitel wollen wir uns nun mit den wichtigsten Forschungen von Lera Boroditsky beschäftigen, welche der in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchung einen adäquaten theoretischen Rahmen verleihen soll.

24 Blooms Experimente wurden aber in der Folge heftig kritisiert, vor allem was die Exaktheit der chinesischen Übersetzungen anbelangte; Au (1983) erhielt bei der Wiederholung dieser Tests mit anderen Testpersonen genau gegenteilige Ergebnisse.

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4.2.2 Die neueste Forschung: Lera Boroditsky Lera Boroditsky, eine der bedeutendsten Forscherinnen der Gegenwart, konnte durch zahlreiche Studien und Experimente, welche sie seit den 2000ern alleine und unter Zusammenarbeit mit KollegInnen durchführt, zeigen, dass Sprache sogar ganz grundlegende Dimensionen der menschlichen Erfahrung wie Raum, Zeit, Bewegung, Kausalität, und menschliche Beziehungen prägen kann (vgl. Boroditsky, 2011b:64). Durch all diese Untersuchungen hat Boroditsky eine Vielzahl an wertvollen Beiträgen zur neuesten Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese geleistet. Boroditsky wurde 1976 in Weißrussland geboren und hat 1996 ihren B.A. in Kognitionswissenschaften (Cognitive Sciences) an der Northwestern University in Illinois mit Auszeichnung erhalten. Im Jahre 2001 erhielt sie ihren PhD für kognitive Psychologie (Cognitive Psychology) an der Stanford University in Kalifornien. Bis 2004 war sie Assistenzprofessorin (Assistant Professor) am Department of Brain and Cognitive Sciences des MIT und in den darauffolgenden neun Jahren (2004-2013) war sie Assistenzprofessorin für Psychologie (Assistant Professor of Psychology) an der Stanford- Universität. Seit dem Jahr 2013 ist Boroditsky außerordentliche Professorin (Associate Professor) für Kognitionswissenschaften (Cognitive Science) an der University of San Diego (vgl. „Lera Boroditsky-Home, curriculum vitae“, 2015).25 Für ihre Forschungen zur Interaktion zwischen Sprache, Kognition und Perzeption, welche interdisziplinäre Züge aufweist und demnach quer durch die Linguistik, die Psychologie, die Neurowissenschaft sowie durch die Anthropologie verläuft, hat Boroditsky zahlreiche Auszeichnungen erhalten.26 Gegenwärtig ist Boroditsky Chefredakteurin der Fachzeitschrift Frontiers in Cultural Psychology und arbeitet an der Fertigstellung eines Buches zu Sprache und Kognition (vgl. „Lera Boroditsky-Home, index“ 2015). Boroditskys Experimente der letzten 15 Jahren sind sehr zahlreich: Ich werde sie an dieser Stelle in die zwei Kategorien a) Raum, Zeit und Bewegung (4.2.2.1) und b) Menschliche Beziehung, Agentivität, Verantwortlichkeit und Kausalität (4.2.2.2) einteilen und zu diesen Kategorien jeweils einige ihrer wichtigsten Experimente beispielhaft präsentieren. Vor allem soll hierbei klar sein, dass der Fokus auf die letztere Kategorie gelegt

25 Bezüglich der Studientitel und der akademischen Positionen habe ich es bevorzugt, die englischen Versionen beizubehalten, um eine evtl. nicht-äquivalente Wiedergabe im Deutschen auszuschließen.

26 Für eine Auflistung aller Auszeichnungen siehe die Sektion „awards“ ihrer Homepage (vgl. „Lera Boroditsky- Home, curriculum vitae“, 2015). 49

werden soll, da Boroditskys Experiment zur Kausalität und Verantwortlichkeit schließlich als Vorbild für die in dieser Arbeit durchgeführte Untersuchung dienen soll.

4.2.2.1 Raum, Zeit und Bewegung Ein erstes wichtiges Experiment, das Boroditsky zusammen mit der Forscherin Alice Gaby aus der Universität Berkeley gemacht hat, betrifft die Raumorientierung der SprecherInnen des Kuuk Thayorre, einer Australsprache, die in Pormpuraaw, einer kleinen Aborigines- Gemeinde in Nordaustralien, gesprochen wird. Das Experiment knüpft einerseits an Levinsons bahnbrechende Forschungen zu absoluten Orientierungssystemen an, andererseits zeigt es aber auch, dass eine Sprache nicht nur unsere Raumerfahrung lenken kann, sondern auch unsere Fähigkeiten, bestimmte Phänomene in eine zeitliche Sequenz einzuordnen (vgl. Boroditsky, 2010a:12; 2010f:1635ff.; 2011b:63f.; 2011c:337f.). In ihrem Experiment haben Boroditsky und Gaby drei Typen von Versuchspersonen, nämlich SprecherInnen des Englischen, des Hebräischen und des Kuuk Thayorre mit Bildern konfrontiert. Diese zeigten einen zeitlichen Ablauf: etwa einen alternden Mann, ein wachsendes Krokodil oder eine Banane, die gegessen wird (vgl. Boroditsky, 2010a:12; 2010f:1635ff.; 2011b:64; 2011c:337f.). Die Versuchspersonen sollten die Bilder auf dem Boden in eine, ihrer Auffassung entsprechende „richtige“ zeitliche Sequenz bringen, wobei jede Testperson zwei Sitzungen mitmachte, in denen sie jeweils in einen andere Himmelsrichtung blickte. Die Ergebnisse zeigten, dass SprecherInnen des Englischen die Bilder immer von links nach rechts anordneten, wohingegen SprecherInnen des Hebräischen die Bilder von rechts nach links disponierten. Das bedeutete für Boroditsky und Gaby, dass die Schreibrichtung einer Sprache einen Einfluss auf die sequentielle Anordnung der Bilder haben musste (vgl. Boroditsky, 2011c:336). Interessanterweise ordneten die SprecherInnen des Kuuk Thayorre die Bilder, sobald sie beispielsweise mit dem Gesicht nach Süden saßen, von links nach rechts an. Saßen sie hingegen mit dem Gesicht nach Norden, ordneten sie die Bilder von rechts nach links an. Diese Anordnung war also nicht zufällig: Die Karten der SprecherInnen des Kuuk Thayorre waren immer von Ost nach West angeordnet (vgl. Boroditsky, 2010a:12; 2010f:1635ff.; 2011b:64). Mit anderen Worten bedeutet das, dass die Native Speakers dieser Australsprache ihre räumliche Orientierung nutzten, um ihre eigene Repräsentation von Zeit zu konstruieren. Somit kamen Boroditsky und Gaby zu dem Schluss, dass Menschen „auf der

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Grundlage der Kenntnisse über den Raum […] andere, komplexere und abstraktere Repräsentationen“ aufbauen (Boroditsky, 2010a:12). Repräsentationen von Zeit, Zahlen, Verwandtschaftsbeziehungen, Ethik und Gefühlen hängen also alle von unseren räumlichen Vorstellungen ab und diese werden von unserer Sprache maßgeblich beeinflusst (vgl. Boroditsky, 2000:1ff; 2011c:333f.). In weiteren Experimenten hat Boroditsky herausgefunden, dass einzelsprachliche Faktoren wie etwa einzelsprachliche Raummetaphern, einen entscheidenden Einfluss auf die Verarbeitung von Zeit-Phänomenen haben (vgl. Boroditsky, 2000:3ff.; Boroditsky & Ramscar, 2002:185ff.; Gentner, Imai & Boroditsky, 2002:543ff.; Boroditsky, Casasanto, 2008:580ff.; Boroditsky, 2011c:334; Boroditsky/Lai, 2013:1ff.).27 Einzelsprachliche Metaphern lenken beispielsweise die Zeiterfahrung: „[…] spatial representations are the source of temporal representations. Abstract domains such as time receive their structure through metaphorical mappings from more concrete experiential domains like space; that is, metaphors create similarity.” (Gentner, Imai & Boroditsky, 2002:557).

Im Englischen und im Deutschen werden beispielsweise horizontale räumliche Metaphern verwendet, um über Zeit zu sprechen (z.B.: „Wir haben das Schlimmste hinter uns“). Im Mandarin werden dagegen vertikale räumliche Metaphern bevorzugt, um über Zeit zu sprechen (vgl. Boroditsky, 2001:10ff.; 2010a:12, 2010c:123f; 2011c:335, Boroditsky/Lai, 2013:1ff.).28 In einem Versuch, in dem Boroditsky SprecherInnen des Englischen einen Punkt in der Luft gezeigt hat und als „hier und jetzt“, bzw. als „heute“ definiert hat und sie daraufhin dazu aufgefordert hat, ein „Gestern“ und ein „Morgen“ anzuordnen, ordneten diese sie fast immer auf einer horizontalen Linie an, wohingegen SprecherInnen des Mandarin diese auf einer vertikalen Linie anlegten (vgl. Boroditsky, 2010a:12). Außerdem haben weitere Studien von Boroditsky (2011c:336; Boroditsky/Lai, 2013:2ff.) ergeben, dass Native Speakers des Mandarin häufiger Metaphern mit stationären

27 Ich werde auf die zahlreichen Experimente Boroditskys zu den Raummetaphern im Einzelnen nicht eingehen, da sie den Umfang dieser Arbeit sprengen würden und für die hier durchgeführte Studie nicht direkt relevant sind. Alle Experimente sind jedoch unter den oben zitierten Quellen zu finden.

28 So ist der „nächste Monat“ im Mandarin beispielsweise der „untere Monat“ (down month), der „vergangene Monat“ dagegen der „obere Monat“ (Boroditsky/Lai, 2013:2).

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BeobachterInnen in einer sich bewegenden Zeitlandschaft benützten, wohingegen SprecherInnen des Englischen Gebrauch von Metaphern mit sich bewegenden BeobachterInnen in einer statischen Zeitlandschaft machten. Nicht zuletzt hat Boroditsky (2010a:12; 2011c:337) herausgefunden, dass SprecherInnen des Englischen und Deutschen von Zeitdauer als von einer Länge sprechen (z.B.: “Das war ein kurzes Gespräch“), wohingegen SprecherInnen des Spanischen oder Griechischen eher von Zeit als von einer Menge sprechen und somit häufiger attributive Adjektive, wie „viel, groß, klein“ verwenden, anstatt solche, wie „lang“ oder „kurz“. In einem weiteren Experiment bestätigte sich diese Annahme durch das Faktum, dass sich Native Speakers des Englischen leichter durch Längeninformationen verwirren ließen, als SprecherInnen des Griechischen, die sich eher durch Mengenangaben verwirren ließen (vgl. Boroditsky, 2010a:12; 2011c:337). Um letztlich noch zu beweisen, dass diese Unterschiede tatsächlich auf die Sprache zurückzuführen sind, hat Boroditsky (2001:17ff.; 2011c:337) durch eine Studie an ihrem Institut 70 SprecherInnen des Englischen beigebracht, Mengenmetaphern zur Beschreibung von Zeitdauern zu verwenden, bzw. sollten sie Ereignisse, wie im Mandarin mit vertikalen Metaphern beschreiben (z.B. „Nixon was president above Clinton“; Boroditsky, 2001:17). Boroditsky (2001:17ff.; 2010a:12; 2011:337) stellte fest, dass die Kognitionsleistung dieser Testpersonen sehr stark jener von Native Speakern des Griechischen oder des Mandarin ähnelten. Somit könnten sprachliche Gesetzmäßigkeiten in der Tat eine kausale Rolle in der Konstituierung einer bestimmten Sicht- und Denkweise haben (vgl. Boroditsky, 2001:20; 2010a:12).

4.2.2.2 Menschliche Beziehung, Agentivität, Verantwortlichkeit und Kausalität Im Jahre 2010 hat Lera Boroditsky gemeinsam mit ihrer damaligen Studentin Caitlin M. Fausey eine sprachvergleichende Studie zum Darstellen von handelnden Personen durchgeführt (vgl. Boroditsky, Fausey et al., 2010d; Boroditsky, Fausey, 2011a; Boroditsky, 2011b).29 In ihrer Studie haben sich Boroditsky, Fausey et al. (2010d:1) die grundlegende Frage gestellt, ob Agentivität ein universaler Zug der menschlichen Erfahrung und somit ein von allen Menschen, unabhängig von ihrer jeweiligen Muttersprache, gleich wahrgenommenes

29 Caitlin Fausey ist mittlerweile Assistant Professor für Psychologie an der University of Oregon (vgl. „Caitlin Fausey-Home, 2015).

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Phänomen ist, oder ob es eher einzelsprachliche Strukturen sind, die die Wahrnehmung von handelnden Personen sowie die Fähigkeit, sich an die für ein Ereignis Verantwortlichen zu erinnern, bestimmen. In einem ersten Experiment haben Boroditsky, Fausey et al. (2010d:1) SprecherInnen des Englischen und des Japanischen in ihrer Beschreibung von absichtlich oder unabsichtlich herbeigeführten Handlungen unter die Lupe genommen. Zunächst gingen die Forscherinnen davon aus, dass Agentivität ein kontextabhängiges Konstrukt ist. Es hängt beispielsweise vom visuellen oder vom sozialen Kontext ab, wie Agentivität aufgefasst wird. Nicht zuletzt kann es sich in der Konzeptualisierung von handelnden Personen und Verantwortlichkeit auch um ein kulturspezifisches Konstrukt handeln: „The role that individuals play in events may depend on notions of agency that are culture-specific […]. What it means to be an ‘agent’ does not appear to be a stable, universal property of events in the world. What people see and believe to be an agent is constructed in context.” (Boroditsky, Fausey et al., 2010d:1).

Die Forscherinnen wollten in diesem Experiment zum einen untersuchen, wie Agentivität durch einzelsprachliche Strukturen konstruiert wird. Zum anderen sollte die Rolle dieser einzelsprachlichen Strukturen in der Beeinflussung der Aufmerksamkeitsgenerierung und Memorierung der für eine Handlung verantwortlichen Personen überprüft werden (vgl. Boroditsky, Fausey et al., 2010d:1f.): „Could patterns in language help shape whether we construe someone as being the agent of an event and whether we attend to and remember who was involved?“ (Boroditsky, Fausey et al. 2010d:2). Tatsächlich hat sich in der von Boroditsky, Fausey et al. (2010d) durchgeführten Studie gezeigt, dass SprecherInnen verschiedener Sprachen sich darin unterscheiden, wie sie Ereignisse beschreiben und dass sich gerade solche einzelsprachliche Konstruktionen auf die Erinnerungsleistung auswirken können. Die Forscherinnen haben hierfür 58 Native Speakers des Englischen und 22 Native Speakers des Japanischen Videos von 16 Ereignissen gezeigt, auf denen Personen entweder absichtlich oder unabsichtlich Handlungen ausführten: Sie ließen beispielsweise Luftballons platzen, zerbrachen Eier oder verschütteten Getränke (vgl. Boroditsky, Fausey, 2010d:3ff.). Jedes der 16 Ereignisse wurde sowohl in der „absichtlichen“ als auch in der „unabsichtlichen“ Version

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gezeigt.30 Außerdem zeigten die Videos von acht Ereignissen (die sowohl absichtlich als auch unabsichtlich herbeigeführt waren) eine Person mit einem schwarzen Hemd und die Videos von weiteren 8 Ereignissen eine Person mit weißem Hemd. Die Testpersonen sollten daraufhin alle Videos, die sie gesehen hatten, beschreiben, indem sie auf die Frage „Was ist passiert?“ (What happened?) antworten sollten. Die Testergebnisse zeigten, dass absichtlich herbeigeführte Handlungen sowohl von den Japanisch- als auch von den Englisch-SprecherInnen durch eine explizite Nennung des Agens beschrieben worden waren. Bei den unabsichtlich herbeigeführten Handlungen zeigte sich jedoch eine größere Diskrepanz zwischen den beiden Gruppen: Native Speakers des Englischen beschrieben diese statistisch signifikant öfter durch eine explizite Nennung des Agens, wohingegen Native Speakers des Japanischen solche unabsichtlich herbeigeführten Handlungen durch unpersönliche Konstruktionen beschrieben, die im Japanischen häufig Verwendung finden.31

30 Beispielsweise war auf einem Video ein Mann zu sehen, der an einem Tisch saß, einen Bleistift in die Hand nahm und ihn absichtlich zerbrach und nachher zufrieden aussah. Auf der unabsichtlichen Version war dagegen ein Mann zu sehen, dessen Bleistift zerbrach, während er schrieb, woraufhin dieser einen überraschten Gesichtsausdruck machte (vgl. Boroditsky, Fausey et al., 2010d:3).

31 Boroditsky, Fausey et al. (2010d:2) weisen darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen transitiv und intransitiv im Japanischen eine wichtige Rolle spielt. Hierbei werden beispielsweise für die transitive und die intransitive Beschreibung ein- und derselben Handlung in vielen Fällen zwei verschiedene Verbformen verwendet, die aus demselben Verbstamm gebildet sind (vgl. Boroditsky, Fausey et al., 2010d:2). Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass das Japanische eine agglutinierende Sprache mit SOV-Basiswortstellung ist, wobei das Subjekt in vielen Fällen optional ist, wenn es z.B. aus dem Kontext ersichtlich ist oder kurz zuvor genannt wurde (es weist also Charakteristika einer Pro-Drop-Sprache auf); demzufolge spielen Verben eine zentrale Rolle, da sie viel Information in sich tragen. Vielleicht sind im Japanischen gerade deshalb auch unpersönliche Konstruktionen sehr beliebt, welche z.B. eingesetzt werden, wenn das Agens entweder unbekannt ist oder nicht von Bedeutung ist, bzw. wenn es lediglich Auslöser für ein (wohl ungewolltes) Missgeschick ist (vgl. Teramura, 1976). Man würde im Japanischen eher sagen „Der Stift fiel zu Boden“ als: „Er warf den Stift zu Boden“, auch wenn es klar ist, wer die Person war, die den Stift zu Boden warf. Verschiedene Studien (vgl. Bohnemeyer et al., 2010; Choi, 2009) haben auch ergeben, dass Native Speakers des Japanischen in solchen Fällen, wo das Agens unbekannt ist oder nur vermutet wird, transitive Konstruktionen eher vermeiden und durch unpersönliche Konstruktionen ersetzen. Diese werden durch die Partikel –ga, ausgedrückt, welche an das affizierte Objekt angehängt wird. Ein Beispiel hierfür wäre die Verbform waru/wareru (als transitive/intransitive Form von „brechen“): Man kann entweder sagen „Tamago-wo wattal“, was so viel wie „Ei ich zerbrach“ = „Ich zerbrach das Ei“ bedeutet, oder man kann diesen Inhalt auch durch eine unpersönliche Konstruktion 54

Aufgrund der hier beobachteten Diskrepanz in der Beschreibung der absichtlich und unabsichtlich verursachten Handlungen wollten Boroditsky, Fausey et al. (2010d:5) ein zweites Experiment durchführen: Sie wollten überprüfen, ob diese Unterschiede in der Sprachstruktur auch Unterschiede in der Erinnerungsleistung der beiden Gruppen bewirkten. Sie befragten dazu 62 Native Speakers des Englischen der Stanford University und 70 Native Speakers des Japanischen aus vier verschiedenen japanischen Universitäten, welche alle monolingual und jünger als 25 Jahren waren, (um eine Abhängigkeit eventueller Unterschiede in der Erinnerungsleistung vom Alter auszuschließen). Alle Testpersonen erhielten zwei nichtsprachliche Aufgabenstellungen, welche deren generelle Erinnerungsfähigkeit bezüglich der Position von Objekten in einem Raum und bezüglich handelnder Personen überprüfen sollte. Die TeilnehmerInnen sollten hierfür keine sprachlichen Beschreibungen machen, da es hierbei erstmals nur um die Überprüfung ihrer Erinnerungsleistung im Allgemeinen gehen sollte (vgl. Boroditsky, Fausey et al., 2010d:5). Die Testpersonen sollten sich an einem Computerbildschirm die Bilder von 15 Objekten ansehen und im darauffolgenden Erinnerungstest zeigen, in welche Richtung diese Objekte wiesen. Zur Überprüfung der Memorierung von handelnden Personen sahen die Testpersonen in einer Enkodierungsphase wiederum dieselben 16 Videos aus Studie 1. In einer zweiten Testphase sahen die TeilnehmerInnen nochmals dieselben Videos, allerdings kam hier ein neuer, dritter Täter dazu, welcher die jeweiligen zuvor gesehenen Handlungen ausführte. Nach jedem gesehenen Video der zweiten Testphase erhielten die Testpersonen einen Erinnerungstest mit der Frage „Who did it the first time?“, worauf sie dann entweder den Knopf für den „white-shirt man“ oder den „black-shirt man“ drücken mussten (vgl. Boroditsky, Fausey et al., 2010d:6). Bezüglich der absichtlich verursachten Handlungen zeigten die Ergebnisse eindeutig, dass sich beide Gruppen gut an die handelnden Personen erinnerten. Bei unabsichtlichen Ereignissen waren es aber, wie vermutet, die Native Speakers des Englischen, die sich besser an die darin vorkommenden Personen erinnerten. Somit ergab sich für die SprecherInnen des Japanischen abhängig vom Intentionalitätsgrad der jeweiligen Handlungen eine größere Diskrepanz in ihrer Erinnerungsleistung. Die Ergebnisse des vorherigen allgemeinen Objekt- Memorierungstests sollten die Daten aus dem Erinnerungstest an handelnde Personen noch wiedergeben, indem man die Partikel –ga an das betroffene Objekt anhängt: „Tamago-ga waretal“, was soviel wie „Ei zerbrach“ = „Das Ei zerbrach“, bedeutet (vgl. Boroditsky, Fausey et al., 2010d:2).

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zusätzlich untermauern, oder besser gesagt beweisen, dass die Unterschiede in der Erinnerungsleistung nicht an einem generellen Erinnerungsdefizit lagen, sondern wirklich an den Sprachstrukturen. Das Gesamtergebnis beider Studien hat also Boroditskys, Fauseys et al. (2010d) Ausgangshypothese bestätigt. SprecherInnen des Englischen und Japanischen nannten bei absichtlich verursachten Ereignissen immer ein Agens. Bei unabsichtlich herbeigeführten Handlungen hat sich hingegen der Einfluss der jeweiligen Sprachstruktur auf die Nennung von handelnden Personen gezeigt: SprecherInnen des Japanischen nannten bei solchen Ereignissen kaum ein Agens und erinnerten sich auch im Memorierungstest kaum an die beteiligten Personen (vgl. Boroditsky, Fausey et al 2010d:6f.). Wie die Forscherinnen aber auch zu Ende ihres Beitrages zu Recht anmerken, sind die hier beobachteten Unterschiede natürlich nicht ausschließlich durch Unterschiede in der Sprachstruktur zu erklären. Es kann durchaus auch kulturell bedingt sein, dass man, in als unangenehm empfundenen Situationen, in denen etwas ungewollt passiert (z.B. eine Vase fällt zu Boden), seine Aufmerksamkeit etwa aus Höflichkeit nicht direkt auf die Person lenkt, welche das Missgeschick verursacht hat. Vielmehr ist von einem engen Zusammenspiel zwischen verschiedenen kulturellen und sprachlichen Faktoren auszugehen, welche solche Unterschiede überhaupt bewirken, bzw. kann Sprache wohl nicht als isoliert von der Kultur betrachtet werden. Vielmehr sollte man von einem vielschichtigen Gewebe an diversen kulturellen und sprachlichen Komponenten ausgehen, welche den Alltag sowie unterschiedliche Sicht- und Denkweisen beeinflussen (vgl. Boroditsky, Fausey et al. 2010d:7). Sprache und Kultur können also nicht als getrennt voneinander betrachtet werden: „Languages, of course, are cultural creations: they are incredibly intricate and structured tools that we shape and hone to suite our needs. Building a culturally- important pattern into a linguistic system is a terrific way to ensure its longevity across generations, ensure universal distribution within the culture, and provide a constant cognitive support system for maintaining the cultural value in the moment.” (Boroditsky, Fausey et al., 2010d:9).

In einer dritten Studie konfrontierten Boroditsky, Fausey et al.(2010d:7) Native Speakers des Englischen mit sog. „Prime sentences“, bestehend aus Gegensatzpaaren von agentiven und nicht-agentiven Sätzen. Sie gingen nämlich davon aus, dass die Konfrontation mit vielen unpersönlichen Konstruktionen (z.B. „The toast burned“) die Englischsprechenden dazu verleiten sollte, ihre Aufmerksamkeit vom Agens wegzulenken und dass die Konfrontation

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mit Sätzen, in denen ein Agens genannt wird (z.B. „He burned the toast“), ihre Aufmerksamkeit wiederum auf die handelnde Person lenken sollte (vgl. Boroditsky, Fausey et al. 2010d:7). Ziel war es also, die Rolle einer „temporären Manipulation” des sprachlichen Umfeldes aufzuzeigen: „It is therefore useful to examine the role of a relatively ‘temporary manipulation’ of the language environment.“ (Boroditsky, Fausey et al., 2010d:7). An der Studie nahmen 65 Native Speakers des Englischen teil, von welchen 33 die sog. „agentive primes“ erhielten und 32 die „non-agentive primes“. Die TeilnehmerInnen erhielten wiederum drei Aufgaben: zum ersten sollten sie den Objekt-Orientierungserinnerungstest durchführen (siehe Studie 2), zum zweiten einen sog. „linguistic priming task“ durchführen, in welchem sie insgesamt 24 Sätze hörten, welche entweder alle agentiv („He burned the toast“) oder alle nicht-agentiv („The toast burned“) waren. Die Testpersonen mussten, nachdem sie den jeweiligen Satz gehört hatten, auf einem Computerbildschirm das jeweils korrekte Bild dazu anklicken (z.B. ein Stück Brot und ein verbranntes Stück Brot). Am Ende erhielten die Testpersonen einen Überraschungs-Erinnerungstest und wurden dazu aufgefordert, von den soeben gehörten Sätzen so viele Sätze als möglich niederzuschreiben. Zum dritten mussten die TeilnehmerInnen wiederum den Erinnerungstest (siehe Studie 2 „What happened?“) durchführen (vgl. Boroditsky, Fausey et al. 2010d:7f.). Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die von den Forscherinnen angenommenen Reaktionen zutrafen. Jene TeilnehmerInnen, welche die „agentive primes“ erhielten, erinnerten sich besser an die für ein Ereignis verantwortlichen Personen. Der allgemeine Memorierungstest zu Beginn der Studie untermauerte dieses Ergebnis wiederum, indem er bestätigte, dass die Unterschiede in der Erinnerungsleistung der beiden Gruppen nicht mit allgemeinen Schwächen in der Erinnerungsfähigkeit zusammenhingen (vgl. Boroditsky, Fausey et al., 2010d:8). Die Forscherinnen konnten hiermit also beweisen, dass auch das momentane linguistische Umfeld beeinflussen kann, wie gut sich jemand daran erinnert, wer was getan hat. Diese Studien haben gezeigt, dass ein wichtiger Teil unserer Kognition wie etwa unsere Erinnerungsleistung, anfällig für kulturelle Einflüsse zu sein scheint. Einzelsprachliche Muster, die schließlich als Teil der Kultur anzusehen sind, lassen also Schlüsse hinsichtlich bestimmter Muster in der Erinnerung an handelnde Personen voraussagen. „[…] causal events may require more cognitive construal […] and therefore be especially susceptible to linguistic and other cultural influences. Given the critical role of eye-witness memory performance in many settings (e.g. criminal trials), it is 57

important to undercover under which circumstances cultural experience guides how people encode and remember facts.” (Boroditsky, Fausey et al., 2010d:9).

Die Ergebnisse, die Boroditsky, Fausey et al. (2010d:8ff.) durch diese Studien erhielten, sind von großer Bedeutung: Die Erinnerungsleistung von Augenzeugen spielt im Alltag sicherlich eine große Rolle und kann im Extremfall sogar darüber entscheiden, ob man unrechtmäßig angeklagt oder freigesprochen wird. Des Weiteren ist die Aufmerksamkeit und Erinnerung daran, wer was getan hat, fundamental für das Konstrukt der Agentivität, welches seinerseits wiederum große Bedeutung für die menschliche Kognition und Motivation hat (vgl. Boroditsky, Fausey et al., 2010d:8). Nicht zuletzt sollte die Rolle von Sprache als Bewahrerin kultureller Normen in den Vordergrund gestellt werden. Boroditsky, Fausey et al. (2010d:9) merken zu Recht an, dass solche unpersönlichen Konstruktionen, die sich in Sprachen wie dem Japanischen durchgesetzt haben, auch als kulturelle Normen betrachtet werden: In der japanischen Kultur ist es Norm, der Höflichkeit halber, die für ein Missgeschick verantwortlichen Personen nicht ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Unpersönliche Konstruktionen wären in diesem Sinne eine Art „linguistic looking away-pattern“: „This linguistic norm would support, reinforce, preserve and distribute the visual ‚looking away‘-norm.” (Boroditsky, Fausey et al., 2010d:9). In der Folge haben Boroditsky und Fausey (2011a) eine ähnliche Studie mit Native Speakers des Spanischen und ihrer Beschreibung von intentionalen und nicht-intentionalen Handlungen im Vergleich zu jenen Beschreibungen von Native Speakers des Englischen durchgeführt (vgl. Boroditsky, Fausey et al. 2010d:7ff., Boroditsky, Fausey, 2011a:150ff.). Für diese Studie wurden 68 Native Speakers des Englischen und 29 Native Speakers des Spanischen befragt. Alle Testpersonen waren alle monolingual. Sie erhielten wiederum 16 Videos in absichtlicher und unabsichtlicher Version. Diesmal war in acht der Videos eine Person mit blauem Hemd und in den restlichen acht Videos eine Person mit einem gelben Hemd zu sehen (vgl. Boroditsky, Fausey, 2011a:151f.; Boroditsky, 2011b:65). Die TeilnehmerInnen mussten wiederum die Frage „What happened?“ (bzw. im Spanischen „¿Qué pasó?“) beantworten. Boroditsky und Fausey (2011a:152) kodierten die Beschreibungen wiederum als agentiv („He popped the balloon“) und als nicht-agentiv („The balloon popped“), wobei sich in dieser Studie sogar eine weitere nicht-agentive Beschreibung in Form einer Kausalkette beobachten ließ („Someone was doing X and then Y happened“):

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„[…] in which the agent was linguistically separated from a change-of-state event that was described intrasitively“ (Boroditsky, Fausey 2011a:152). Auch in diesem Experiment hat sich schließlich gezeigt, dass Native Speakers des Spanischen nach demselben Muster wie Native Speakers des Japanischen verfahren: In der Beschreibung der absichtlich herbeigeführten Ereignisse verfuhren alle Testpersonen, unabhängig von ihrer Muttersprache, auf dieselbe Weise: Sie beschrieben absichtlich verursachte Ereignisse meist als Handlungen, für die die jeweiligen Personen verantwortlich waren und sie erinnerten sich auch fast immer an die TäterInnen: „Speakers of all three languages described intentional events agentively, saying things such as ‚He popped the balloon‘, and all three groups remembered who did these intentional actions equally well.“ (Boroditsky, 2011b:65). Jedoch zeigte sich bei den unabsichtlich herbeigeführten Ereignisse eine signifikante Diskrepanz zwischen den Beschreibungen der Native Speakers des Englischen und jenen des Spanischen: Letztere beschrieben nämlich diese unabsichtlich verursachten Ereignisse kaum als Handlungen (vgl. Boroditsky, Fausey, 2011a:153; Boroditsky, 2011b:65). Für Boroditsky und Fausey stand jedenfalls fest, dass die Ursache für solche statistisch signifikanten Unterschiede in den Beschreibungen der Native Speakers des Spanischen im Vergleich zu Englisch-Muttersprachlern wiederum in der Sprachstruktur zu finden sein musste. Boroditsky (2011b:64) schreibt hierzu Folgendes: „The American public is rarely impressed with such linguistic wiggling because nonagentive language sounds evasive in English, the province of guilt-shirking children and politicians. English speakers tend to phrase things in terms of people doing things, preferring transitive constructions like ‘John broke the vase’ even for accidents. Speakers of Japanese or Spanish, in contrast, are less likely to mention the agent when describing an accidental event.” (Boroditsky, 2011b:64).

Unpersönliche Konstruktionen, mit denen versehentlich herbeigeführte Handlungen ohne Nennung eines Agens beschrieben werden können, werden im Spanischen durch das Enklitikon se gebildet. „Se rompiò el florero“ würde dementsprechend wörtlich „Sich zerbrach die Vase“ bedeuten, womit also keine Nennung des Agens erfolgt. In der darauffolgenden Studie haben Boroditsky und Fausey (2011a:153ff.) wiederum überprüft, ob sich daraus auch Unterschiede in der Erinnerungsleistung ergeben. Dafür wurden 113 Native Speakers des Englischen und 109 Native Speakers des Spanischen unter 25 Jahren befragt. Diese mussten wiederum, wie in Studie 2 von Boroditsky, Fausey et al. (2010d:5ff.), einen allgemeinen Erinnerungstest bezüglich der Orientierung von Objekten an

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einem Computerbildschirm durchführen und zum zweiten wiederum an einen sog. „eye- witness memory-test“ teilnehmen. Auch in dieser Studie wurden ähnliche Ergebnisse, wie in Boroditskys, Fauseys et al. Untersuchung zum Japanischen (2010d) gewonnen. Personen, die absichtlich Handlungen verursachten, wurden von beiden Gruppen erinnert. Die an unabsichtlichen Ereignissen beteiligten Personen wurden allerdings zu einem Großteil von Englischsprechenden erinnert, wohingegen SprecherInnen des Spanischen sich kaum an diese erinnerten (vgl. Boroditsky, Fausey 2011a:154f.). Unsere Fähigkeit, uns an Ereignisse zu erinnern scheint also zu einem gewichtigen Teil durch einzelsprachliche Konstruktionen beeinflusst zu sein. Zudem gehen Boroditsky und Fausey (2011a:155) davon aus, dass Ereignisse, welche ursächlich aufeinander zurückzuführen sind (im Sinne von „A bewirkt B“) im Grunde genommen viel komplexer sind, als man zunächst vermuten würde. Während der Beobachtung eines absichtlich oder unabsichtlich herbeigeführten Ereignisses müssen AugenzeugInnen binnen weniger Millisekunden unbewusst hunderte an Informationen integrieren und filtern. Beispielsweise werden Basisinformationen zum Ablauf des Geschehens mitberücksichtigt: Hat eine Person den Luftballon angefasst, bevor er geplatzt ist, ist der Luftballon von alleine geplatzt, wie ist die Absicht der in die Handlung involvierten Person zu interpretieren, wusste sie überhaupt, dass ein Luftballon da war, gedachte sie, den Luftballon anzufassen oder war sie überrascht, durch das, was passiert ist, usw. Die reine Beobachtung solcher Ereignisse erfordert somit ein bedeutendes Maß an kognitiver Leistung. Boroditsky und Fausey (2011a:155) sind der Auffassung, dass gerade dieses Bedürfnis, unbewusst so viel Information zum Handlungsablauf selbst miteinzubeziehen, die Folge mit sich bringen könnte, dass bestimmte Aspekte sprachlichen und kulturellen Einflüssen unterliegen: „[…] causal events […] require more cognitive construal. […] The need to integrate many different types of information to construe an event may leave some events especially susceptible to linguistic and cultural influences. Of course, many of the events and outcomes we observe and reason about in everyday life are far more complex than popping a balloon or breaking a pencil and may be even more strongly influenced by patterns in language.” (Boroditsky, Fausey, 2011a:155).

Die beiden Forscherinnen werfen außerdem die interessante Frage nach den Mechanismen der Einwirkung von sprachlichen Konstruktionen auf die Erinnerung auf. Zum einen gehen sie

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davon aus, dass Menschen in der Beobachtung eines Ereignisses immer auch unbewusst und ganz spontan eine sprachliche Beschreibung der beobachteten Situation generieren: „People spontaneously generate subvocal descriptions of events“ (Boroditsky, Fausey, 2011a:155), auch wenn diese Personen gar nicht dazu aufgefordert werden, eine sprachliche Beschreibung des Ereignisses zu liefern. Dieser Auffassung zufolge wäre Sprache und Denken als untrennbare Einheit zu betrachten. Zum anderen gehen die Forscherinnen davon aus, dass Sprache einen Einfluss auf die Erinnerungsleistung haben könnte, da sie gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Handlung formt und lenkt, was gerade in den hier angeführten Studien der Fall war: „These findings suggest that our eye-witness memory for events may be influenced by the languages we speak. Speakers of different languages remember different things about the same events. Whether or not we are likely to remember who did what appears to pattern with how such events are normally described in our language community.” (Boroditsky, Fausey, 2011a:156).

Ich habe in Kap. 4.2.1 (1.e)) bereits die für die neuere und neueste Forschung zentrale Unterscheidung unterschiedlicher Ansätze zur Überprüfung der Sapir-Whorf-Hypothese nach Lucy (1997:295) angesprochen. Als wichtige Voraussetzung zur empirischen Überprüfung der Hypothese durch die neuere Forschung hebt Lucy (ebd.) allerdings die Wichtigkeit eines intersprachlichen Vergleichs hervor: „[…] linguistic relativity is not the same as any influence of language on thought [Herv. L.P.]. Without the relation to differences among languages, we just have a common psychological mechanism shared by all (an effect at the semiotic level). […] Thus, in evaluating research, it is important to ask whether the various components of the hypothesis have all been represented and appropriately filled. Most existing research fails in this regard and therefore cannot address the hypothesis directly and decisively (Lucy, 1997:295).

Dieser Definition von Lucy (ebd.) zufolge, wäre eine Überprüfung des Einflusses eines bestimmten Bereichs von Sprache auf die Konzeptualisierung ohne einen gleichzeitigen Vergleich mit einer oder mehreren Sprachen kein adäquater Beitrag, um die Sapir-Whorf- Hypothese direkt anzusprechen. Boroditsky scheint das aber nicht so eng zu sehen: Sie hat durchaus auch Versuche durchgeführt, in welchen sie einen bestimmten Aspekt von Sprache und dessen Einfluss auf einen gewissen Bereich des Denkens untersucht hat, ohne dabei aber

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gleichzeitig auch einen intersprachlichen Vergleich durchzuführen (vgl. Boroditsky, Fausey, 2010b; Boroditsky, 2011b). In einem weiteren Experiment zusammen mit Caitlin Fausey, wollte Boroditsky (2010b) untersuchen, welche Auswirkungen sprachliches Framing auf einen für den Alltag bedeutenden Beziehungsaspekt hat. Boroditsky und Fausey (2010b:644ff.) stellten sich dazu zunächst einmal die grundlegende Frage, nach welchen Kriterien wir entscheiden, wer die Schuld für einen jeweiligen Unglücksfall trägt und auf welche Weise diese Person bestraft werden soll. Sie gingen davon aus, dass sprachliche Beschreibungen wesentlich dazu beitragen, die Kriterien für eine solche Entscheidung festzulegen: „Could the linguistic descriptions of an event influence how much we blame the people involved?“ (Boroditsky, Fausey, 2010b:644). Können unterschiedliche Beschreibungen ein- und desselben Unglücksfalls die Zuweisung von Schuld und Verantwortung und somit den Grad der jeweils als „angemessen“ empfundenen Bestrafung beeinflussen? Die beiden Forscherinnen wollten zudem noch überprüfen, ob Sprache schließlich sogar Einfluss auf unsere Einschätzung der finanziellen Haftbarkeit nehmen kann: „Could language also influence how financially liable we think a person is for any resulting damage?“ (Boroditsky, Fausey, 2010b:644). In dieser Untersuchung wurde sprachlichem Framing prinzipiell eine einflussreiche Rolle zugeschrieben: Um diese zu überprüfen, sollte bewusst mit allgemein bekannten Schadensfällen gearbeitet werden, welche einerseits durch eine stark agentive Sprache und andererseits durch nicht-agentive Sprache wiedergegeben werden. Boroditsky und Fausey (2010b:644) definierten hierzu die Kategorie der „agentiven Beschreibungen“ („agentive descriptions“) als transitiven Satz, in welchem eine Person als Satzsubjekt im Nominativ agiert und eine Veränderung bewirkt (z.B. „Timberlake ripped the costume“). Die Kategorie der nicht-agentiven Beschreibungen definierten Boroditsky und Fausey (ebd.) als intransitiven Satz, in welchem kein Agens vorkommt, das eine Veränderung bewirkt (z.B. „The costume ripped“). Für die beiden Forscherinnen stand fest, dass dieser Kontrast zwischen agentiver und nicht-agentiver Sprache vor allem im Alltag gewichtige Folgen mit sich bringen kann, insbesondere was den gerichtlichen Alltag anbelangt (vgl. Boroditsky, Fausey, 2010b:644). Eine Reihe von Studien hat bereits belegt, dass die Verwendung von agentiver Sprache vor Gericht häufiger zu Schuldurteilen geführt hat als die Verwendung von nicht-agentiver Sprache (vgl. „Old Bailey Proceedings Online, 2015).

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Boroditsky und Fausey (2010b:645ff.) führten für die Überprüfung ihrer Forschungsfrage insgesamt drei Studien durch. An Studie 1 nahmen 236 StudentInnen der Stanford-Universität teil; diese sollten Berichte über einen Brand in einem Restaurant lesen, welcher einen Vermögensschaden zur Folge hatte. Es ging in allen Berichten um eine Mrs. Smith und ihre Involvierung in den Brand. Daraufhin sollten die TeilnehmerInnen verschiedene Beurteilungen zu den involvierten Personen machen, indem sie eine Frage bezüglich der Schuldzuweisung und eine Frage bezüglich der zu entrichtenden Entschädigung beantworten mussten. 116 der TeilnehmerInnen bekamen die Berichte mit vorwiegend agentiven Sachverhaltsbeschreibungen vorgelegt und 120 Personen lasen die nicht-agentiven Versionen der Berichte (vgl. Boroditsky, Fausey, 2010b:645). Wie erwartet zeigte sich in den Ergebnissen ein direkt proportionaler Einfluss agentiver Sprache auf den Grad der Zuweisung von Schuld. Die Testpersonen, welche die agentiven Versionen lasen, wiesen, auf einer Skala von 1 bis 7, Mrs. Smith mehr Schuld zu und setzten einen höheren Haftungsbetrag an, als die TeilnehmerInnen, welche die nicht-agentiven Versionen gelesen hatten.32 Nachdem sich ein klarer Zusammenhang zwischen der verwendeten Sprache und dem Grad an Zuweisung von Schuld gezeigt hat, wollten Boroditsky und Fausey (2010b:646ff.) in einer zweiten Studie noch genauer überprüfen, ob die Einflüsse von Sprache auf die Einstufung der Finanzverbindlichkeit lediglich indirekter Natur sind (im Sinne von Sprache beeinflusst den Grad der Schuldzuweisung und dieser wiederum die Entscheidung über die Geldstrafe) oder ob sie nicht doch auch direkt wirken (die verwendete Sprache beeinflusst das angesetzte Ausmaß der als angemessen empfundenen Schadensersatzzahlung): „That is, the effect of language on financial liability might be indirect, such that language influences blame, which then determines punishment. Could language directly impact judgments of financial liability? […] A direct impact of language on sentencing would be an important applied result.“ (Boroditsky, Fausey, 2010b:645f.).

Diese Frage sollte in Studie 2 untersucht werden: 179 Stanford-StudentInnen wurden befragt, wovon 91 die agentive Version und 88 die nicht-agentive Version des Brandes lasen. Zusätzlich erhielten die TeilnehmerInnen in diesem Experiment aber auch noch

32 Boroditsky und Fausey (2010b:645) schreiben hierzu Folgendes: „A subtle difference in language causes a big difference in dollars: Participants who got the agentive report ruled that Mrs. Smith should pay $247 (36%) more in fines […] than did participants who got the nonagentive report.”

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Beschreibungen von Schuldzuweisungen, welche entweder niedrig, mittelstark oder stark waren.33 Daraufhin mussten die TeilnehmerInnen über die Höhe des Finanzaufkommens für den entstandenen Schaden entscheiden. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass der Grad der Schuldzuweisung direkt proportional zur Höhe des Finanzaufkommens war. Testpersonen, welche die starke Schuldzuweisung erhielten, wiesen Mrs. Smith im Allgemeinen eine höhere Schadensersatzzahlung zu. Auch hier zeigte sich aber ein Einfluss der Sprache: Agentive Beschreibungen gingen wiederum mit der Zuweisung einer größere Haftungssumme einher (vgl. Boroditsky, Fausey, 2010b:646). Somit stand für die Forscherinnen fest, dass die Faktoren Schuldzuweisung und sprachliches Framing Einfluss auf das Ausmaß der Zuteilung einer Entschädigungssumme nahmen: „Guilt and linguistic framing independently influenced how much someone was required to pay for accidental property damage. Increasing assigned blame led to greater financial liability and agentive framing led to greater financial liability than did nonagentive framing.“ (Boroditsky, Fausey, 2010b:646).

Wie Boroditsky und Fausey (ebd.) richtig bemerken, waren die Informationen, welche die Testpersonen erhielten, ausschließlich sprachlicher Natur. Man könnte sich an dieser Stelle zu Recht fragen, ob der jeweilige beobachtete Effekt großteils deshalb eingetreten ist, weil Sprache als einzige Informationsquelle fungierte, um sich ein Urteil über den Grad der Schuld und die angemessene Entschädigungszahlung zu machen. Demgegenüber werfen die beiden Forscherinnen jedoch ein, dass ein großer Teil der Informationen über einen Unglücksfall auch im Alltag sprachlicher Natur ist, obwohl es auch visuelles Informationsmaterial gibt, wie z.B. Video- und Bildmaterial, das unsere Einschätzung über das Ausmaß an Verantwortlichkeit entscheidend beeinflussen kann. Nicht zuletzt ist es auch unser Hintergrundwissen über einen bestimmten Sachverhalt, welches unseren Grad der Schuldzuweisung beeinflussen kann, insbesondere wenn es sich um ein Schlüsselereignis handelt, über das in den Nachrichten der ganzen Welt berichtet wird.

33 Somit wurden die Gruppen wie folgt aufgeteilt: a) agentive Beschreibung + schwache Schuldzuweisung, b) agentive Beschreibung + mittelstarke Schuldzuweisung, c) agentive Beschreibung + starke Schuldzuweisung, d) nicht-agentive Beschreibung + schwache Schuldzuweisung, e) nicht-agentive Beschreibung + mittelstarke Schuldzuweisung, f) nicht-agentive Beschreibung + starke Schuldzuweisung.

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In ihrer dritten Studie gingen Boroditsky und Fausey (2010b:645ff.) einen Schritt weiter: Sie wollten untersuchen, ob unterschiedliche sprachliche Beschreibungen auch dann noch Einfluss auf das Ausmaß der Schuldzuweisung hatten, wenn die Testpersonen bereits gut über einen Vorfall Bescheid wussten und bereits Video- und Bildmaterial dazu gesehen hatten. Als Beispiel dafür diente ihnen der öffentlich bekannte „wardrobe malfunction“- Vorfall des Superbowl 2004.34 An der Studie nahmen 589 Personen teil. Ein Teil der Testpersonen erhielt einen Text über den Vorfall zu lesen, ein anderer Teil der TeilnehmerInnen erhielt einen Text und sah daraufhin ein Video zum Skandal-Auftritt und ein dritter Teil der Befragten sah zuerst das Video und erhielt danach den Text zum Lesen. Was die zu lesenden Texte betrifft, erhielten ca. die Hälfte der TeilnehmerInnen eine agentive Textversion und die andere Hälfte eine nicht-agentive Textversion (vgl. Boroditsky, Fausey, 2010b:647). Daraufhin mussten die Testpersonen die Frage beantworten, ob ihrer Meinung nach jemandem die Schuld für diesen Vorfall zugewiesen werden sollte oder ob es nur zufällig passiert ist und sie mussten für die drei Kategorien „Chance“, „Jackson“ und „Timberlake“ einen Prozentsatz der Schuldzuweisung angeben. Nicht zuletzt mussten die TeilnehmerInnen auch einen konkreten Betrag einer Schadensersatzzahlung angeben, welche CBS, Jackson und Timberlake dafür entrichten sollten (vgl. Boroditsky, Fausey, 2010b:647f.). Die Ergebnisse der Studie haben klar gezeigt, dass der Einfluss der sprachlichen Beschreibung von ganz zentraler Bedeutung zu sein scheint: Unabhängig davon, ob die Testpersonen nun ein Video gesehen hatten oder nicht, unabhängig davon, ob der Text vorher oder nachher gelesen wurde, die agentiven Versionen hatten wiederum denselben Einfluss auf den Grad der Schuldzuweisung und auf das Ausmaß der Einschätzung von Schadensersatzzahlungen wie in den Studien 1 und 2. Sprachliche Information scheint also in der Tat im Alltag einen enormen Stellenwert einzunehmen und ist somit als maßgebender Einflussfaktor auf die Wahrnehmung von Ereignissen und verantwortlichen Personen nicht wegzudenken: „In real-world contexts, visual evidence of accidents is rarely presented in the absence of linguistic framing. These results suggest that the form of this framing guides punishment”. (Boroditsky, Fausey, 2010b:648).

34 Dieser Auftritt von Justin Timberlake und Janet Jackson wurde von vielen US-amerikanischen Medien als Skandal wahrgenommen: In der Halbzeitpause des 38. Super Bowls am 1. Februar 2004 wurde Jacksons rechte Brust von Timberlake entblößt (vgl. https://www.youtube.com/watch?v=npF1lkKEM9o).

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Ein weiteres Experiment zum Thema Kausalität und Verantwortlichkeit hat gezeigt, dass unsere Sprache auch Einfluss darauf nimmt, wie wir Ereignisse beschreiben und wie gut wir uns daran erinnern, wer was getan hat. In diesem Experiment ging es Boroditsky nicht so sehr darum, die unterschiedlichen Vorstellungen von Agentivität durch unterschiedliche Sprachen in den Vordergrund zu stellen, sondern sie wollte vielmehr zeigen, wie stark sich unterschiedliche Konstruktionen ein- und derselben Sprache auf der syntaktischen Ebene auf unsere Memorierung von handelnden Personen auswirken (vgl. Boroditsky, 2010a:12; 2011b:64).35 Alle Vorgänge, selbst wenn sie nur einen Bruchteil einer Sekunde lang andauern, sind viel komplexer, als es vielleicht erscheinen mag: Es gibt viele unterschiedliche Weisen, sie sprachlich darzustellen und es ist in der Tat nicht immer so einfach, solche Handlungen zu rekonstruieren und zu deuten (vgl. Boroditsky, 2011b:64). Als Beispiel zur Darstellung der Komplexität von Ereignissen zog Boroditsky (2010a:12; 2011b:64) einen Jagdunfall heran, bei welchem der frühere US-Vizepräsident Dick Cheney am 11.02.2006 seinen Freund Harry Whittington, einen amerikanischen Rechtsanwalt aus Austin (Texas), während einer Wachteljagd in Kenedy County (Texas), mit einer Schrotflinte versehentlich angeschossen hatte. Whittington suchte angeblich nach einem abgeschossenen Vogel, während Cheney nach einer Wachtel Ausschau hielt, welche sich in Richtung von Whittington begab. Cheney wollte diese Wachtel abschießen und traf dabei seinen Freund Whittington: „Whittington downed a bird and went to retrieve it. While he was out of the hunting line, another covey was flushed and Cheney swung on a bird and fired, striking Whittington in the face, neck and chest.“ („Texas Parks and Wildlife Department report”, 2006). Beide Beteiligten bezeichneten den Vorfall im Nachhinein als Unfall. Nur wenige Tage später erlitt Whittington einen leichten Herzanfall, welcher durch die Kugel, welche ihn in der Nähe seines Herzens getroffen hatte, ausgelöst wurde (vgl. Bumiller, Kornblut, 2006).

35 Dieses Experiment von Boroditsky soll als Vorlage für die in dieser Arbeit durchgeführte Untersuchung dienen. Es weicht zwar wiederum etwas von den nach Lucy (1997:295) genannten zentralen Voraussetzungen zur Überprüfung der Sapir-Whorf-Hypothese ab, da hier ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Sprachen fehlt, allerdings vertrete ich die Auffassung, dass auch solche Untersuchungen, welche nur eine einzige Sprache betreffen, als wertvoller Beitrag zur Sapir-Whorf-Hypothese betrachtet werden können. Der Einsatz verschiedener syntaktischer Konstruktionen und deren Auswirkung auf die Erinnerungsleistung wurde bisher noch kaum untersucht, weswegen sich dieses Gebiet als besonders fruchtbar für zukünftige Forschung eignet (vgl. Boroditsky, 2010a:12).

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Erstaunlicherweise entschuldigte sich Whittington nach dem Unfall in einer Pressekonferenz bei Cheney: „My family and I are deeply sorry for everything Vice President Cheney and his family have had to deal with. We hope that he will continue to come to Texas and seek the relaxation that he deserves." (NBC-News.com, 2006). Boroditsky (2010a:12; 2011b:64) fand in ihren Analysen heraus, dass der Unfall in den US- amerikanischen Medien auf ganz unterschiedliche Weisen beschrieben wurde; sie stellte beispielsweise die folgenden Sätze einander gegenüber: (1) Cheney shot Whittington. (2) Whittington got shot by Cheney. (3) Whittington got peppered pretty good. (4) Ultimately I’m the guy who pulled the trigger that fired the round that hit Harry. (5) He heard a bird flush, and he turned and pulled the trigger and saw his friend get wounded.

Bei genauerer Betrachtung der Sätze fällt auf, dass sich diese in ihrer äußeren Form, obwohl sie sich eigentlich auf ein-und denselben Vorfall beziehen, sehr stark voneinander unterscheiden und die an dem Unfall beteiligten Personen in ein unterschiedliches Licht rücken. Betrachtet man Satz (1) Cheney shot Whittington („Cheney erschoss Whittington“), so lässt sich hier zunächst einmal eine simple SVO-Argumentstruktur feststellen, in welcher ein Subjekt im Nominativ (Cheney), ein finites Verb (shot) und ein direktes Objekt (Whittington) vorliegen. Durch eine solche syntaktische Anordnung, welche dem klassischen Agens-Actio- Schema entspricht ( Kap. 2.1), wird Cheney als Täter, bzw. als unmittelbare Ursache („direct cause“) und Whittington als die direkt betroffene Größe, bzw. als Opfer dargestellt (vgl. Boroditsky, 2010a:12; 2011b:64). In Satz (2) Whittington got shot by Cheney („Whittington wurde von Cheney angeschossen“) liegt ein Vorgangspassiv vor. In einer solchen Konstruktion wird das Opfer (Whittington) als Subjekt im Nominativ ins Zentrum des Satzes gestellt, worauf die passive Verbform (got shot) folgt und der eigentliche Täter (Cheney) in Form eines Dativobjekts mit vorangestellter Präposition (by) in den Hintergrund tritt. Im Vergleich zu Satz (1) ist der Grad der Verantwortlichkeit in einer solchen Passivkonstruktion also bereits geringer. In Satz (3) Whittington got peppered pretty good („Whittington bekam eine Schrotladung ab“) bleibt der Täter vollkommen unbekannt. Es kommt also kein Agens vor, sondern eher eine

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„force“, die von außen einwirkt, wobei die Passivbildung wiederum das Opfer (Whittington) in den syntaktischen Mittelpunkt rückt. In dem von Cheney selbst geäußerten Satz (4) Ultimately I’m the guy who pulled the trigger that fired the round that hit Harry („Letztlich bin ich derjenige, der den Abzug betätigte, welcher die Ladung abfeuerte, die Harry traf”) wird eine lange Ereigniskette zwischen den eigentlichen Täter (Cheney) und das Ergebnis der Handlung gestellt. In diesem Paradebeispiel einer langen Kausalkette scheint die Verantwortlichkeit fast vollkommen unterzugehen, obwohl sich Cheney selbst als Auslöser an den Beginn der Kette stellt. In einer solchen Konstruktion wird die Schuld auch deshalb verringert, da jede einzelne Komponente der Kausalkette einen Teil der Verantwortlichkeit zu tragen scheint: So ist beispielsweise das eigentliche Agens (Cheney) für die Betätigung des Abzuges (trigger) verantwortlich (I’m the guy, who pulled the trigger) und dieser Abzug wiederum dafür „verantwortlich“, dass die Ladung abgefeuert wird (the trigger, that fired the round) und letztlich ist die Ladung dafür „veranwortlich“, dass Harry getroffen wurde (the round, that hit Harry). Cheney ist somit nur das erste Element einer langen Kette von ursächlich aufeinander zurückführbaren Ereignissen und tritt als Hauptverantwortlicher in den Hintergrund.36 Betrachtet man diesen Satz nochmals genauer, so ist auch festzustellen, dass hier mehrere Ereignisse zugrunde liegen.37 Für ein besseres Verständnis dieses Gedankengangs möchte ich die verschiedenen Ereignisse der Kette hier nochmals kurz auflisten:

36 Ich habe hier die prädikativen Adjektive „verantwortlich sein“, die sich auf Gegenstände beziehen, unter Anführungszeichen gesetzt, da das Verantwortlich-Sein in der Regel auf menschliche Wesen bezogen wird.

37 An dieser Stelle möchte ich auf einen Beitrag des US-amerikanischen Linguisten und Professor für Linguistik und Philosophie an der Universität Bufalo verweisen (vgl. Talmy-Homepage, „curriculum vitae“, 2015). Leonard Talmy (1976:81ff., zit. nach Wildgen, 2008:105f.) erläutert den Begriff der Agentivität anhand des folgenden Satzes: (1) I killed the snail. Dieser einfache Satz kann durch explikative Paraphrasen erweitert werden: (2) I killed the snail by doing something to it. (3) I killed the snail by hitting it with my hand. (4) The snail died as a result of my hand hitting it. Durch eine semantische Partikularisierung ergibt sich folgender Satz: (5) I killed the snail by hitting it with a stick. Auch hierzu ist eine analytische Paraphrase möglich: (6) The snail died as a result of a stick hitting it. Ähnlich wie in dem oben angeführten Beispielsatz einer Kausalkette, liegen auch diesem Satz mehrere Ereignisse zugrunde: 68

1) Ich betätigte den Abzug (I pulled the trigger). 2) Der Abzug feuerte die Ladung ab (The trigger fired the round). 3) Die Ladung traf Harry (The round hit Harry).

LeserInnen eines solchen Satzes werden also zunächst einmal mit drei Ereignissen konfrontiert. Es sollten demnach auf der kognitiven Ebene zumindest drei Bilder von Ereignissen vorgestellt werden, wobei beispielsweise auf die Frage „Was ist passiert?“, bewusst und unbewusst entschieden werden muss, welche Information die wichtigste ist: In diesem Fall muss es also notwendigerweise zu einem Filterungsprozess kommen, in welchem die zentralste Information ausgewählt wird. Die für eine Handlung verantwortliche Person kann in einem solchen Filterungsprozess auch untergehen, da zum einen zumindest die Möglichkeit besteht, die Aufmerksamkeit auf andere Aspekte der Handlung, bzw. auf eine der Teilhandlungen zu legen. Zum anderen kann das Agens in einer solchen Konstruktion auch in den Hintergrund gelangen, da es aufgrund der Satzlänge vom Ergebnis der Handlung getrennt zu sein scheint.38 Außerdem wird hier selbst in der Schilderung der einzelnen Ereignisse mit Relativsätzen gearbeitet, welche bewirken, dass der Grad der Verantwortlichkeit verringert wird. Cheney hätte genauso gut sagen können: I pulled the trigger, stattdessen sagte er aber: I’m the guy, who pulled the trigger; so verfährt er in dem Stil weiter und sagt: The trigger, that fired the round, und nicht etwa: The trigger fired the round; ebenso verhält er sich in der Schilderung des letzten Teilereignisses. Cheney spricht von: The round, that hit Harry, und nicht etwa von The round hit Harry. Solche Relativkonstruktionen erzeugen also zusätzlich noch eine syntaktische Distanz zwischen Personen und ihren Handlungen. Boroditsky, (2010a:12; 2011b:64) nennt des Weiteren einen vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush geäußerten Satz (zit. nach Marshall, 2014:182): He heard a bird flush, and he turned and pulled the trigger and saw his friend get wounded. („Er hörte einen Vogel auffliegen, drehte sich um, drückte den Abzug und sah, dass sein Freund verwundet war.“).

(a) The snail died, (b) as a result of the stick hitting it, (c) as a result of my hand manipulating the stick. Im Falle von Satz (6) liegt demnach eine Kausalkette vor, an deren Ursprung (c) ein Handeln des Agens bezogen auf ein Objekt steht (vgl. Wildgen, 2008:106).

38 Ich werde die hier angesprochenen Filterungsprozesse in den Kapiteln 5.2 und 5.3 aus einer medienlinguistischen sowie neurowissenschaftlichen Sicht genauer ausführen.

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Auch hier liegen wiederum mehrere Ereignisse zugrunde: 1) Ein Vogel flog auf (He heard a bird flush). 2) Er drehte sich um (He turned). 3) Er drückte den Abzug (He pulled the trigger). 4) Er sah, dass sein Freund verwundet war (He saw his friend get wounded).

Der erste Vorgang, der hier geschildert wird, ist der Flügelschlag des Vogels, welcher Auslöser von weiteren drei Teilhandlungen ist, die letztlich zur Verletzung von Whittington führen. In diesem Satz wird also der Täter (Cheney) fast zum bloßen Zeugen verwandelt, da er nicht einmal mehr als Auslöser der Kette auftritt, sondern seine Handlung lediglich als Folge ausgelegt wird (Grund: He heard a bird flush; Folge: He turned and pulled the trigger). Unterschiedliche syntaktische Konstruktionen können also trotz Repräsentation ein- und desselben Ereignisses unterschiedliche Vorstellungen von handelnden Personen, deren Verantwortlichkeit und Schuldanteil mit sich bringen (vgl. Boroditsky, 2010a:12; 2011b:64). Die Gründe für eine geringere Fokussierung auf das Agens könnten also zusammengefasst die folgenden sein: a) Das Vorhandensein von mehreren Teil-Ereignissen innerhalb der Handlung und die daraus resultierende Aufspaltung der vollen Verantwortung auf einzelne Elemente der Kausalkette. b) Die sprachliche Darstellung dieser Teil-Ereignisse durch Relativsätze, um syntaktische Distanz zwischen den Verursachenden und den daraus resultierenden Ereignissen zu erzeugen. c) Die Satzlänge, welche es bewerkstelligt, dass das Agens vom Resultat der Handlung getrennt wird und ihm somit ein geringerer Grad der Verantwortlichkeit zugewiesen wird.

Bevor diese beiden einführenden Kapitel zur Sapir-Whorf-Hypothese abgeschlossen werden, soll aus Gründen der Prägnanz nochmals versucht werden, eine passende Definition der wichtigsten Begriffe, mit denen in dieser Untersuchung operiert wird, zu liefern. Damit soll abschließend nochmals klar vor Augen gelegt werden, welche Aspekte von „Sprache“; von „Denken“ und von „Wirklichkeit“ die in dieser Arbeit formulierte Ausgangshypothese betreffen. Nicht zuletzt soll aufgrund der oben erhaltenen Hintergrundinformationen auch verdeutlicht werden, durch welche Annäherungsmethode meine hier durchgeführte Studie einen Beitrag zur Sapir-Whorf-Hypothese erbringen soll.

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4.3 Einige zentrale Begriffseingrenzungen für diese Arbeit

4.3.1 Sprache In Kapitel 3.1.1 habe ich bereits eine Definition unterschiedlicher Ebenen von Sprache nach Coseriu (1992) präsentiert. In der zentralen Forschungsfrage, welche zu Beginn der Arbeit formuliert worden ist („Beeinflussen Kausalketten unsere Vorstellung von Agentivität?“  Kap. 2.3) wird eine klare Eingrenzung auf die bestimmte syntaktische Form „Ketten von Kausalzusammenhängen“ gelegt. Wenn hier also die Rede vom Einfluss der „Sprache“ auf das „Denken“ ist, so sind damit in diesem Kontext solche Kausalketten ( Kap. 2.2) gemeint.

4.3.2 Denken Ich habe bereits in Kapitel 3.1.4 gezeigt, dass eine Definition des Begriffs „Denken“ eine fast unüberbrückbare Hürde zu sein scheint: „Denken“ ist als Begriff an sich schwer definierbar, denn, wie bereits Gipper (1992:102) zu Recht bemerkt hat, sind „alle Merkmale, die man für das Denken anführen könnte, […] ihrerseits ebenso erklärungsbedürftig wie das Denken selbst.“ In einem Versuch einer Eingrenzung des Begriffs auf eine Hypothese lässt sich demnach also nichts anderes tun, als einige zentrale Merkmale zu nennen, die dann aber auch nicht weiter begründet werden können (vgl. ebd.). Betrachten wir nochmals die in Kapitel 2.3 präsentierte Ausgangshypothese und die dazu formulierte Forschungsfrage („Beeinflussen Kausalketten unsere Vorstellung von Agentivität?“), so wird nun klar, dass der Ausdruck „Vorstellung“ synonym mit „Denken“ verwendet wird und die folgenden Aspekte miteinbezieht: - „Vorstellung“ ist zunächst einmal eine geistige Tätigkeit, welche auf höhere Lebewesen beschränkt ist.39 - „Vorstellung“ steht synonym zu „Konzeptualisierung“, da der Begriff in diesem Kontext auf mentale Repräsentationen von handelnden Personen Bezug nimmt. - „Vorstellung“ ist gleichsam das Produkt einer bestimmten mentalen „Beleuchtung“ von subjektiv wichtigen Aspekten und somit das Ergebnis einer Fokussierung auf

39 Gipper (1992:102) schließt in seiner Definition auch höhere Säuger, wie z.B. Pongidae (Menschenaffen) unter die Kategorie „höherer Lebewesen“ ein. Meine Definition, in welcher es allerdings um das Lesen von konkreten Sätzen geht, die die Vorstellung von handelnden Personen beeinflussen, soll sich aber ausschließlich auf die Spezies Homo Sapiens beziehen.

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spezielle Teilbereiche, welche auch unter dem Begriff der „Aufmerksamkeit“ fassbar wird. Der Begriff „Vorstellung“ umfasst somit auch notwendigerweise eine Filterung sowie eine Hierarchisierung von Informationen auf der konzeptuellen Ebene. - Durch das Lenken der Aufmerksamkeit auf spezielle Teilbereiche und die Filterung von Informationen äußert sich schließlich unsere „Vorstellung“ von Verantwortlichkeit und Schuld auch in unserer Fähigkeit, uns an handelnde Personen zu erinnern. Eine für diese Untersuchung adäquate Definition des Begriffs „Denken“ muss also die folgenden zentralen Merkmale miteinbeziehen: a) Der Begriff „Denken“ soll auf der allgemeinsten Ebene als geistige Tätigkeit verstanden werden, welche auf höhere Lebewesen beschränkt ist (vgl. Gipper, 1992:102). b) In diesem Kontext soll „Denken“ auch synonym mit dem Ausdrücken „Vorstellung“ und „Konzeptualisierung“ ( Kap. 5.2.3) benützt werden, da es darum geht, unser Bild von handelnden Personen, von Verantwortlichkeit und Schuld (auf der konzeptuellen Ebene) zu untersuchen. c) Zudem soll „Denken“ in diesem Zusammenhang mit den Begriffen „Aufmerksamkeit“ und „Informationsfilterung“ ( Kap. 5.2.3) gleichgesetzt werden, da das Lesen von Kausalketten notwendigerweise auch kognitive Filterungsprozesse mit sich bringt. d) Des Weiteren soll „Denken“ hier auch synonym mit den Begriffen „Erinnerungsleistung“ und „Memorierung“ ( Kap. 5.2.3) aufgefasst werden, da die für diese Untersuchung hypostasierte Reaktion ja in der Annahme besteht, dass das Lesen langer Kausalketten eine schlechtere Memorierung von handelnden Personen zur Folge haben sollte.

Ich definiere „Denken“ in diesem speziellen Untersuchungskontext folglich als eine auf Menschen beschränkte geistige Tätigkeit, durch welche Bilder von durch Aufmerksamkeitsgenerierungsprozessen bewusst und unbewusst gefilterten Informationen auf der konzeptuellen Ebene entstehen und hierarchisiert werden und demnach unterschiedlich memoriert werden.

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4.3.3 Erläuterungen zu der in dieser Untersuchung angewandten Annäherungsmethode Die Methode, durch welche in dieser Arbeit versucht wird, eine Annäherung an die Sapir- Whorf-Hypothese zu erzielen, lässt sich auf der Basis der von Lucy (1997:292f.) präsentierten Möglichkeiten zur Erforschung der Hypothese darstellen. Am ehesten scheint die hier durchgeführte Untersuchung wohl einer modifizierten Variante des von Lucy (1997:301f.) beschriebenen „behavior-centered Approachs“ zu entsprechen: Diesem Ansatz zufolge werden unterschiedliche Verhaltensweisen von Sprachgemeinschaften herangezogen und es wird versucht herauszufinden, ob die Art und Weise ihres Verhaltens eventuell durch Unterschiede in der Sprachstruktur zu erklären sein könnten (vgl. etwa Boroditskys Experimente zum Spanischen, Japanischen und Englischen in Kap. 4.2.2.2).40 In der hier entworfenen Studie bilden zwar nicht die unterschiedlichen Verhaltensweisen den Ausgangspunkt, sondern unterschiedliche Satztypen (Sätze nach Agens-Actio-Schema versus Kausalketten). Für diese unterschiedlichen Satztypen werden allerdings zentrale Unterschiede im Verhalten hypostasiert (eine bessere Memorierung von handelnden Personen nach dem Lesen von Agens-Actio-Sätzen auf der einen Seite sowie eine schlechtere Memorierung von handelnden Personen nach dem Lesen von Kausalketten). Unterschiedliche Satztypen sollten dementsprechend auch unterschiedliche Verhaltensweisen zur Folge haben (ähnlich wie in Boroditskys Experiment zur Zuweisung von Schuld, Verantwortlichkeit und Schadensersatzzahlungen in Kap. 4.2.2.2).

Da diese Analyse schließlich auch als Beitrag zur Medienwirkungsforschung betrachtet werden kann, möchte ich zuletzt noch einige zentrale Analyseschritte präsentieren, um die hier durchgeführte Untersuchung daran ausrichten zu können. Leffelsend et al. (2004:52) zufolge können Medienwirkungen nach verschiedenen Aspekten analysiert werden:41 a) nach unterschiedlichen beeinflussten Variablen wie etwa Einstellungen, Meinungen, Wissen, mentalen Repräsentationen, Erinnerungsvermögen (kognitive Ebene), Gefühle, Emotionen (emotionale Ebene), Verhalten, Handeln (konative Ebene);

40 Ich spreche deshalb von „modifizierten“ Ansatz, da in meiner Studie die sprachlichen Strukturen den Ausgangspunkt bilden und nicht etwa die unterschiedlichen Verhaltensweisen; diese werden aber im Idealfall (bei Bestätigung meiner Anfangshypothese) die klare Folge der unterschiedlichen Sprachstrukturen sein.

41 Diese Auflistung wurde durch einige weitere Ausführungen dazu aus Vorderer/Schramm (2002:120) erweitert.

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b) nach vermittelnden Prozessen, welche bewusst oder unbewusst sein können, c) nach unterschiedlichen Wirkungsebenen, wie etwa die individuelle oder die gesellschaftliche Ebene; d) nach der zeitlichen Erstreckung der Wirkung; sie können beispielsweise kurz-, mittel-, oder langfristig auftreten: Als kurzfristige Wirkungen gelten etwa direkte kognitive und emotionale Reaktionen auf präsentierte Medieninhalte, wohingegen es sich bei mittelfristigen Wirkungen um Lernprozesse und Wissensaneignung handelt. Schließlich betreffen langfristige Wirkungen eine überdauernde Beeinflussung von Einstellungen.

Auf dieser Grundlage soll der Fokus dieser Untersuchung a) hinsichtlich der Variable auf die kognitive Ebene (mentale Repräsentation, bzw. Erinnerung) gesetzt werden, b) bezüglich des vermittelnden Prozesses auf unbewusste Prozesse gelegt werden, c) die Wirkungsebene betreffend, auf die individuelle Ebene ausgerichtet sein und d) in Hinsicht auf die zeitliche Erstreckung der Wirkung auf kurzfristige Wirkungen, also auf unmittelbare kognitive Reaktionen gelegt werden.

An dieser Stelle ist der Grundstein der für die Kapitel 7 und 8 folgenden empirischen Analysen gelegt. Als weitere nötige Hintergrundinformationen sollen im folgenden Kapitel einige für diese Analyse relevante Themenschwerpunkte zur Disziplin der Medienwissenschaft präsentiert werden, wobei der Fokus vor allem auf medienanthropologische und medienlinguistische Komponenten gelegt werden soll. Des Weiteren soll, um die hier diskutierte Fragestellung eingehend behandeln zu können, eine interdisziplinäre Verknüpfung mit der Disziplin der Neurolinguistik nicht fehlen.

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5 Medienwirkung und Medienrealität

Die Frage nach der Realitätsdarstellung in den Massenmedien wird von der kommunikationswissenschaftlichen Forschung schon seit vielen Jahrzehnten diskutiert. Dabei ist es in erster Linie unstrittig, dass die Wirklichkeit von den Medien nicht spiegelbildlich abgebildet wird (vgl. Jackob, 2012:21). Was allerdings strittig ist, ist die Frage nach den Gründen der Wirkungen von Medien: Warum wirken Medien überhaupt ( Kap. 5.1) und wie könnte man diese Wirkungen in ein adäquates wissenschaftliches Beschreibungsmodell einordnen? Welche Rolle spielen hierbei die MediennutzerInnen ( Kap. 5.2)? Handelt es sich im Falle der oft divergierenden Sachverhaltsdarstellungen in unterschiedlichen Medien um das Produkt einer subjektiven und unbewussten Informationsauswahl von Seiten der JournalistInnen oder eher um eine Verdeckung absichtlicher Manipulationen ( Kap. 5.2.1)? Durch welche Mechanismen gelangen die von den Medien gelieferten Informationen ins Zentrum der Aufmerksamkeit ( Kap. 5.2.3)? Wie lässt sich die Art dieser Informationsaufnahme auf der kognitiven Ebene beschreiben ( Kap. 5.2.4) und warum werden bestimmte Informationen von den RezipientInnen als „wichtig“ eingestuft und erinnert, andere Informationen jedoch als nebensächlich empfunden ( Kap. 5.2.5)? Nicht zuletzt soll in diesem Kapitel die Frage diskutiert werden, welche unterschiedlichen Rollen die für ein Ereignis verantwortlichen Personen in der Medienberichterstattung spielen können und warum Kausalität gerade für die Medienberichterstattung von zentraler Wichtigkeit ist ( Kap. 5.3). Insbesondere soll in all diesen Fragen die besondere Rolle der sprachlichen Darstellung, wie etwa die syntaktische Anordnung der Argumente, die Satzlänge und der Einsatz von Kausalbeziehungen herausgestrichen werden.

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5.1 Warum wirken Medien?42

Medien sind der Treibstoff einer Wissensgesellschaft, welche sich spätestens seit den 1990er Jahren als Informations- und Mediengesellschaft begreift. Die Frage nach der Medienwirkung tritt zunächst einmal deplatziert in einer Gesellschaft auf, in der unterschiedlichste Formen von technisch ermöglichter Kommunikation wie Print, Fernsehen, Radio oder Internet omnipräsent zu sein scheinen (vgl. Uhl, 2009:27). Eine ganz wichtige, aber leider oft übersehene Medienwirkung besteht in der Mediennutzung, weswegen es an dieser Stelle erstmals sinnvoll erscheint, die Motive zur Mediennutzung zu ergründen (vgl. Bonfadelli, 2015:26). Winterhoff-Spurk (2004:49) liefert eine Liste von Beweggründen für die Nutzung von Medien, worunter er etwa McQuail (1983) anführt, welcher „das Informationsbedürfnis, das Bedürfnis nach persönlicher Identität, das Bedürfnis nach Integration und sozialer Interaktion sowie das Unterhaltungsbedürfnis“ als mögliche Motive zur Mediennutzung auflistet. Die Beantwortung der Frage nach der Mediennutzung scheint also mehrere Möglichkeiten offen zu lassen und immer wieder aufs Neue interpretierbar zu sein. Allerdings eröffnet sich hierbei noch die Problematik einer impliziten Annahme von (ausschließlich) bewussten Motiven, obwohl es im Grunde genommen keine Gewissheit darüber gibt, dass oben beschriebene psychische Mechanismen bewusst sind (vgl. Uhl, 2009:46). Durch das Aufkommen von immer mehr Medien wird ihr Einfluss auf die Wirklichkeitskonstruktion und somit ihre Wirkung stetig zunehmen (vgl. Merten, 1999:252). Der Wirkungsbegriff ist aus den Naturwissenschaften entlehnt und nimmt auf eine Ursache- Folgen-Relation Bezug, wobei die Folgen meist als Veränderungen beschrieben werden (vgl. Merten, 1999:340). Viel grundlegender erscheint jedoch die folgende Frage: „Warum wirken Medien überhaupt?“ Zunächst lässt diese Frage eine offensichtliche Antwort vermuten: „Medien wirken, weil sie interessieren, informieren und unterhalten und das Weltbild und die Handlungen ihrer Nutzer

42 Ich möchte darauf hinweisen, dass hier aus Gründen der Prägnanz ausschließlich einzeln ausgewählte Themenschwerpunkte und Ansätze verschiedener Medienwirkungsmodelle präsentiert werden. Ziel dieses Kapitels sollte die Auswahl einzelner Theorien und Forschungsansätze sein, die einen passenden theoretischen Rahmen für diese linguistische Arbeit liefern sollten. Für eine umfassendere Diskussion möchte ich auf die umfangreiche Literatur zu diesem Thema verweisen, darunter etwa Merten (1999), Mangold (2004), Bonfadelli (2004; 2015), Jäckel (2005), Uhl (2009:35ff.) und Jackob (2012).

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beeinflussen.“ (Uhl, 2009:27). Allerdings weist Uhl auch zu Recht darauf hin, dass eine solche Erklärung nicht zwischen Ursache und Wirkung unterscheidet, denn „dass Medien interessieren, informieren und unterhalten ist bereits Teil der Medienwirkung und nicht ihre Ursache“ (Uhl, 2009:27). Die Findung einer Ursache für diese zunächst so simpel erscheinende Frage ist demnach nicht so einfach und liefert bei einer allzu oberflächlichen Behandlung der Fragestellung eine Tautologie. Ist diese Frage aber auch noch so ungeklärt, so lässt sich in ihr trotzdem eine Grundlage finden, welche festzustehen scheint und in den letzten Jahrzehnten zur Entwicklung unterschiedlicher theoretischer Ansätze geführt hat: Medien wirken, und die Wirkungen auf ihre NutzerInnen lassen sich aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Medien interessieren, informieren und unterhalten; sie sind Teil jenes individuellen Erlebens aufgenommener Inhalte, welche sowohl positiv als auch negativ rezipiert werden, sie können im Extremfall sogar unsere Weltanschauung ( Kap. 3.1.3), unsere Einstellungen gegenüber einem Sachverhalt und unsere Handlungen beeinflussen. Eine Wirkung ist also immer da, wenn sich auf der Einstellungs- und Verhaltensebene Beobachtungen machen lassen, welche auf dem Vorhandensein eines Stimulus begründet werden können (vgl. Jäckel, 2002:66). Gerade solche Stimuli werden versucht, anhand sog. Rezeptionsmodelle erklärt zu werden. Die Frage, welche auf der allgemeinsten Ebene von einem solchen Rezeptionsmodell beantwortet werden sollte, lautet gemäß Uhl (2009:34): „Wie nehmen Menschen Medieninhalte wahr und welche Konsequenzen erwachsen daraus für ihre Weltsicht und ihre Handlungen?“43 Die ab den 1930er Jahren beginnende Massenkommunikationsforschung ging hierbei noch von – aus heutiger Sicht – wohl zu stark simplifizierenden Rezeptionsmodellen aus: Solche Ansätze gehen auf der einen Seite von einem von äußeren Einflüssen mehr oder weniger unabhängigen Medienangebot aus, welches auf der anderen Seite von passiven, dem Medium ausgelieferten RezipientInnen genutzt wird (vgl. Uhl, 2009:34).

43 Ich habe bereits im obigen Absatz den Terminus „Weltanschauung“ genannt, da ich der Ansicht bin, dass mediale Inhalte vor allem subjektive Einstellungen und Wertungen beeinflussen können, ein Abhängigkeitsverhältnis also, welches sich auf der Basis der in Kapitel 3.1.3 gelieferten Informationen zu den wichtigen Abgrenzungen zwischen „Weltsicht“ und „Weltanschauung“ wohl besser unter dem Begriff der „Weltanschauung“ beschreiben lässt, als unter jenem der allgemeinen „Weltsicht“, welches hier in Uhl (2009:34) Anwendung findet.

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Ab den späten 1940er Jahren wurden die für die Nachrichtenforschung zentralsten Fragestellungen in einer bis in den heutigen Tag aktuellen Formel, der sog. Lasswell-Formel (1948) zusammengefasst: Wer sendet welche Nachricht zu welchem Publikum mit welchem Effekt? (Who says what in which channel to whom and with what effect?) Ein Beispiel für ein simples Modell, welches zu Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Medien steht, ist das Stimulus-Response-Modell, bzw. Reiz- Reaktions-Modell (vgl. Vorderer/Schramm, 2002:123; Jäckel, 2002:67; Uhl, 2009:35; Merten, 1999:54f.; 342ff.; Merten, 2013:102ff.; Bonfadelli, 2015:35ff.) der behavioristischen Psychologie. Dieses Modell betrachtet Medien als „Technologien, deren Reize zwingend und in gesetzmäßiger Weise Reaktionen hervorrufen“ (Uhl, 2009:35), wobei sich RezipientInnen diesem Einfluss also gar nicht entziehen können, bzw. das Publikum dieser Massenkommunikation als „undifferenzierte Masse“ erscheint (Jäckel, 2002:68) und in völlig passiver Art und Weise diesem deterministischen Einfluss unterliegt. Die Grundannahme dieses Ansatzes lautet also wie folgt: Sobald ein bestimmter Stimulus (S) mittels eines Mediums (M) auf RezipientInnen (R) einwirkt, so werden diese in der Folge immer ein bestimmtes, vorhersehbares Verhalten aufweisen (vgl. Uhl, 2009:35). Die Schwächen eines solchen behavioristisch ausgelegten Ansatzes wurden aber bereits in den späten 1930er Jahren deutlich. Die erste empirisch durchgeführte Studie, welche bewies, dass Menschen Medieninhalten nicht auf dieselbe Weise ausgeliefert sind, war die unter der Leitung von P. Lazarsfeld im Jahre 1940 durchgeführte Studie zur Präsidentenwahl in Ohio (vgl. Lazarsfeld et al., 1969; vgl. Merten, 1999:361ff.; Bonfadelli, 2015:212ff.). Sie zeigte, dass Menschen zwar in Kontakt mit Medieninformationen standen, dass sie diesen aber keineswegs sklavisch ausgeliefert waren. Das Modell wurde als Two-step flow of Communication, bzw. als Zweistufenfluss der Kommunikation bekannt, da Lazarsfeld in seiner Studie herausgefunden hatte, dass sich Personen in ihren Wahlentscheidungen nicht ausschließlich von den Massenmedien beeinflussen ließen (im Sinne eines Stimulus- Response-Modells), sondern dass sie sich auch von anderen Personen, sog. Meinungsführern, Rat einholten (vgl. Merten, 1999:361ff.). Ein weiterer wichtiger Ansatz in der Medienwirkungsgeschichte ist derjenige von Elisabeth Noelle Neumann und ihrer Schweigespirale (vgl. Bonfadelli, 2015:234ff.). Hierbei nehmen Medien eine bedeutende Rolle in der Interaktion zwischen einzelnen Individuen und der Gesellschaft ein, denn von ihnen geht meist ein gewisser Druck hin zu gesellschaftlicher

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Konformität aus: Dem Individuum ist es schließlich wichtig, sich nicht zu isolieren und es kann demnach sein Urteil nötigenfalls auch umformen, sollte es der Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts dienen (vgl. Noelle-Neumann, 1979:169ff; zit. nach Uhl, 2009:52). Die Durchschlagskraft eines Mediums ist demnach umso stärker, „je weniger es den schützenden Mechanismus der selektiven Wahrnehmung zulässt“ (Bonfadelli, 2015:235). Ein anderes Modell der Medienwirkung ist jener des Agenda-Settings, bzw. der Thematisierung nach Maxwell McCombs/ Donald Shaw (1972): In diesem Medienwirkungsansatz wird der Fokus nicht so sehr auf mediale Einflüsse und auf deren Übermittlung von Überzeugungen und Einstellungen gelegt, sondern vielmehr auf das An- die-Tagesordnung-Setzen eines bestimmten Themas durch die Medien (vgl. Unz/Schwab, 2004:510; Bonfadelli, 2015:181ff.). Die Medien bestimmen also nicht, was wir über ein bestimmtes Thema denken, sondern sie bestimmen vielmehr, worüber wir überhaupt nachdenken. Sie haben somit die Macht, bestimmte Themen ins Zentrum der Aufmerksamkeit der KonsumentInnen zu rücken (vgl. Rössler, 1997).44 „Zwar haben die Massenmedien wenig Einfluß auf (Veränderung von) Richtung oder Stärke von Einstellungen. Aber es kann unterstellt werden, daß die Massenmedien den Markt (der Themen) für politische Kampagnen bestimmen, der seinerseits die Stärke von Einstellungen gegenüber politischen Themen beeinflußt“ (McCombs/Shaw 1972: 177; zit. nach Merten, 2013:110).

Sind diese Modelle auch noch so verschieden, so ist aber zumindest von einem Minimalkonsens auszugehen, laut welchem sich die Wirkungsmechanismen in einer abstrakten Definition folgendermaßen darstellen lassen (Uhl, 2009:49f.): „Phänomen A steht zu Phänomen B in der Relation R, was beinhaltet, dass das Auftreten von Phänomenen A in einer spezifischen Weise R mit dem Auftreten von Phänomen B zusammenhängt. Dieses Aufeinanderbezogensein von A und B bewegt sich dabei im Kontinuum zwischen den Extremen einer vollkommenen Unabhängigkeit und eines strengen Determinismus […]. (Uhl, 2009:49f.).

Aus heutiger Sicht finden vielmehr konstruktivistisch ausgerichtete Wirkungsmodelle Verwendung, wie etwa das von Merten vorgeschlagene Modell (vgl. Merten, 1999:354ff.). Seiner Theorie zufolge sind die Wirkungen von Kommunikation trimodal:

44 Während des US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes 1968 in Chapel Hill (North Carolina) erfragten McCombs/Shaw das Wissen über die wichtigsten politischen Themen bei 100 bislang unentschlossenen WählerInnen, wobei sich zeigte, dass diese Themen (Publikums-Agenda) sehr stark mit den Themen in der Medienberichterstattung (Medien-Agenda) zusammenhingen (vgl. Merten, 2013:110ff.). 79

„Demgemäß kann die Feststellung von Wirkungen nicht an der absoluten Größe (Stärke) der wirkenden Kommunikation festgemacht werden, sondern an der Konstellation von internem und externem Kontext, in dem sie rezipiert werden, denn diese beiden Faktoren erzeugen die für das Informationsangebot (den ‚Stimulus‘) notwendige Selektivität.“ (Merten, 1999:355).

In einem solchen Modell sind Wirkungen also an drei Faktoren geknüpft und zwar an das Informationsangebot (Stimulus), an die subjektiven Erfahrungen, persönlichen Einstellungen und an das Wissen der RezipientInnen (interner Kontext) sowie an die Kommunikationssituation, an Werte und an soziale Normen (externer Kontext). Zusätzlich spielen Faktoren, wie Reflexivität (Erwartungen vor der Kommunikation als sog. „Feed- forward“), Selektivität (gezielte Auswahl bestimmter Aussagen, bedingt durch Erwartungen), und Reaktivität (Feedback) eine bedeutende Rolle, wodurch das Modell in ein „pentamodales Wirkungsmodell“ erweitert wurde (vgl. Merten, 1999:357f.).

Abbildung 3: Pentamodales Wirkungsmodell nach Merten. Modifiziert übernommen aus Merten (1999:359).

Im weiteren Fortschreiten dieser Arbeit soll klar werden, dass nur eine interdisziplinäre Zusammenschau zwischen Disziplinen wie Linguistik, Medienwissenschaft, Anthropologie und Neurowissenschaft eine erschöpfende Antwort auf die hier diskutierte Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Rezeption medialer Inhalte mit ihren speziellen sprachlich- strukturellen Merkmalen (in diesem Fall: Kausalketten versus Agens-Actio Schemata) und dem individuellen Verhalten (in diesem Fall: Fokussierung versus Nichtfokussierung des Agens) liefern kann. Im folgenden Kapitel sollen nun schrittweise alle theoretischen Hintergrundinformationen aus den oben genannten Teildisziplinen präsentiert werden. Das Kapitel beginnt mit einigen medienanthropologischen Betrachtungen und soll dann mehrere 80

medienlinguistische sowie neurowissenschaftliche Erkenntnisse präsentieren, um die hier diskutierte Fragestellung aus einer Vielzahl an Blickwinkeln beleuchten zu können.

5.2 Der Mensch im Spannungsfeld zwischen Medienproduktion und Medienrezeption: Ein interdisziplinärer Beitrag zur Medienanthropologie

Erklärungen von Medienwirkungs- und Rezeptionsmodellen benötigen auch eine anthropologische Komponente. Sie ermöglicht es auf einer allgemeinen Ebene, regelhafte Zusammenhänge in der Mensch-Umwelt-Interaktion zu beschreiben. In einem spezielleren Sinne können durch sie Aussagen über die menschliche Kognition gemacht werden (vgl. Uhl, 2009:72). Eine gegenseitige Abhängigkeit von Rezeptionsmodellen, Wirkungsmechanismen und Anthropologie scheint demnach für eine erschöpfende Beschreibung der Beziehung zwischen Individuum und Medien von zentraler Bedeutung zu sein. Uhl (2009:73) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Medienanthropologie“ als eine der zahlreichen Teildisziplinen innerhalb der Medienwissenschaft, welche im Gegensatz zur klassischen Anthropologie auch empirische Ansätze und naturwissenschaftliche Schlüsse zulässt. Vor allem erlauben solch interdisziplinäre Ansätze greifbarere und handlungsrelevantere Aussagen hinsichtlich des Umgangs des Individuums mit seiner Umwelt zu formulieren. Allerdings sollte an dieser Stelle auch angemerkt werden, dass eine weitere Vielzahl an Erkenntnissen anderer Fachgebiete in eine solche medienanthropologische Komponente miteinfließt: Die Erforschung des menschlichen Verhaltens sollte Erkenntnisse aus der Gehirnforschung sowie aus der Psychologie bis hin zur Soziologie beinhalten (vgl. Uhl, 2009:74).45

45 Uhl (2009:75ff.) weist zu Recht darauf hin, dass jeglicher Gebrauch des Begriffes „Anthropologie“ stark verallgemeinernd ist und mit Missverständnissen verbunden sein kann. Das rührt vor allem daher, dass diese Disziplin im Laufe der Wissenschaftsgeschichte unterschiedlichen Diskursen und Wissenschaftsbereichen zugeteilt worden ist. So gibt es etwa eine philosophische Anthropologie, eine Völkerkund (Ethnographie), eine biologische Anthropologie oder eine Sozialanthropologie. Der für diese Arbeit verwendete Begriff „Anthropologie“ soll hier aber explizit auf die Mensch-Medien-Interaktion ausgerichtet sein und demnach, wie von Uhl (2009:73) vorgeschlagen, als „Medienanthropologie“ verstanden werden, wobei trotzdem oben genannte Teilaspekte aus anderen Wissensdisziplinen wie Neurowissenschaft, Psychologie und Soziologie nicht fehlen können.

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Die wichtigste Aufgabe der Medienanthropologie ist es, die Beziehungen zwischen Menschen und Medien zu beschreiben und zu versuchen, nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen (vgl. Uhl, 2009:201). Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftsdisziplinen ist in diesem Falle unerlässlich, denn: „Nur im Kontext eines über die Mediennutzung hinausgehenden Modells der kognitiven Potentiale und Mechanismen des Menschen ist ein angemessener und produktiver Umgang mit der vorliegenden Fragestellung möglich. Diese strukturbedingt unausweichliche – und auf den ersten Blick nicht immer ersichtliche – anthropologische Positionierung bestimmt die theoretische Einbettung des jeweiligen Rezipientenmodells und dessen interdisziplinäre Anschlussfähigkeit.“ (Uhl, 2009:87).

Innerhalb dieser anthropologischen Diskussionen spielen insbesondere Erkenntnisse aus der Hirnforschung eine bedeutende Rolle, denn gerade im Gehirn entsteht menschliches Verhalten. Da das Gehirn keine „einförmige Masse“ ist, sondern „vielmehr einen modularen Aufbau“ besitzt (Spitzer, 2002b:341), ist es möglich, eine große Zahl an unterschiedlichen Wahrnehmungs-, und Verarbeitungsvorgängen auf der neuronalen Ebene zu untersuchen. Zu Recht merkt Uhl (2009:201) aber auch an, dass Phänomene wie die menschliche Wahrnehmung und Reizverarbeitung sowie das durch diese Stimuli verursachte Verhalten auch nicht verstanden werden können, ohne einige evolutionstheoretische Grundlagen dieser Verarbeitungsmechanismen zu liefern. Auf diese Weise findet eine Verbindung zwischen geistes- und naturwissenschaftlichen Betrachtungen statt und es ist beispielsweise möglich, das Konzept der Handlung mit all den kognitiven Mechanismen, welche deren Erfassen bewerkstelligt, zu beschreiben (vgl. ebd.). Nicht zuletzt weist Uhl (2009:221) auf den statistischen Charakter von medienanthropologischen Aussagen hin: „Auf Grund der vorliegenden Komplexität des Untersuchungsgegenstandes ist es dabei wichtig, ausdrücklich auf den in vielen Fällen statistischen Charakter evolutionär medienanthropologischer Aussagen hinzuweisen. Statt starker, binärer Kausalkopplungen, nach denen auf A entweder immer oder nie ein B folgt, liegen graduelle Zusammenhänge vor, die angeben mit welcher Wahrscheinlichkeit B auf A folgt oder anders gesagt, wie groß der Einfluss eines Ereignisses A ist, dass es in der Folge zu B kommt.“ (Uhl, 2009:221).

Ziel dieser Arbeit soll es schließlich auch sein, solch graduelle Zusammenhänge herauszuarbeiten und so Schritt für Schritt der Beantwortung der zentralen Forschungsfrage näher zu kommen.

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Dieses Kapitel zur Medienanthropologie soll nun noch durch einige Ansätze zum linguistischen Framing durch JournalistInnen sowie zu möglichen Einflussfaktoren auf die Gestaltung von Medienberichten erweitert werden, um es schließlich durch einige Beiträge aus dem Bereich der Neurowissenschaft abzuschließen.

5.2.1 Einflussfaktoren auf die sprachliche Gestaltung journalistischer Beiträge und mögliche Auswirkungen auf die Wirklichkeitskonstruktion bei RezipientInnen Die Nachrichtenproduktion zielt insbesondere darauf ab, einen möglichst realistischen Ausschnitt der Welt mit allen Ereignissen der Umwelt zu präsentieren. Aufgrund der enormen Anzahl von Geschehnissen, ist es natürlich notwendig, bestimmte Ereignisse auszuwählen. Hierbei stellen sich grundlegende Fragen: Wie werden Geschehnisse dargestellt? Inwiefern stellen Nachrichten die Realität dar? Da solche Produktionsprozesse durch den Menschen ausgeführt werden, erlangen solche Fragen nicht nur aus sprachwissenschaftlicher, sondern auch aus anthropologischer, psychologischer und nicht zuletzt aus philosophischer Sicht Bedeutung (vgl. Unz/Schwab, 2004:497). Zudem wirft die vieldiskutierte Problematik der „objektiven Berichterstattung“ eine ganze Reihe an Fragen auf, welche philosophischer Natur zu sein scheinen (vgl. Jackob, 2012:22ff.): Gibt es überhaupt eine „objektive Berichterstattung“ bzw. kann man überhaupt von einer „Realität“ sprechen, die man mit jener in den Medien dargestellten „Realität“ vergleichen kann, und kann der Mensch überhaupt eine „objektive“ Realität wahrnehmen? So groß die Divergenz in den unterschiedlichen Beantwortungsversuchen zu diesen grundlegenden Fragen zu sein scheint, ist man sich zumindest darüber einig, dass es eine lange Liste an potentiellen Einflussfaktoren auf die Auswahl der Themen sowie auf die sprachliche Gestaltung journalistischer Beiträge gibt, welche durchaus dazu beitragen, dass der in den jeweiligen Berichten dargestellte Sachverhalt auf eine bestimmte Perspektive ausgerichtet ist und somit nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit präsentiert, bzw. ein – je nach Beitrag – unterschiedliches Bild der „Wirklichkeit“ bei den RezipientInnen hervorruft. Die Objektivitätsnorm scheint innerhalb des Journalismus wohl das am schwierigsten realisierbare Qualitätskriterium zu sein (vgl. Neuberger/Kapern, 2013:147). JournalistInnen sind vielmehr sog. „Gatekeeper“, eine Art Schleusenwärter, die darüber entscheiden, welche Themen und Ereignisse besondere Aufmerksamkeit verdienen und es wert sind, berichtet zu werden (vgl. Neuberger/Kapern, 2013:101; Unz/Schwab, 2004:498f.). 83

Die sog. Gatekeeping-Forschung untersucht gerade solche Auswahlprozesse durch JournalistInnen, für welche auch Nachrichtenwertfaktoren, d.h. bestimmte Eigenschaften von Ereignissen eine Rolle spielen. Hierbei wird angenommen, dass bestimmte Nachrichtenfaktoren, bzw. Ereignismerkmale der Grund für eine mehr oder weniger hohe Beachtungswürdigkeit dieser Geschehnisse sind (vgl. Unz/Schwab, 2004:499; vgl. Jäckel, 2002:206ff.). Plasser und Lengauer (2010) schreiben JournalistInnen und demnach Medien eine bedeutende Machtfunktion zu; diese konstituiere sich jedoch nur durch unterschiedliche Beeinflussungsmechanismen aus den Bereichen Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft. Gerade solche Einflussfaktoren werden in der Diskussion um die Macht der Medien oft unterschätzt: Man sollte auch auf die potentiellen Einflussfaktoren aufmerksam machen, die die JournalistInnen erst dazu bringen, gewisse Themen auszuwählen und andere nicht. Einige Bereiche, welche direkt und indirekt auf die Medienberichterstattung einwirken, sind etwa Politik und Wirtschaft. So können sich etwa Werbebudgets, Presseförderung, Einflüsse auf Gremien, Einflüsse auf Eigentümer oder auf Marktregeln sowie der Zugang zu Quellenmaterial und Information auf die Themenwahl auswirken. Nicht zuletzt orientieren sich JournalistInnen in der Auswahl und Gestaltung ihrer Beiträge an den Erwartungen und Stimmungslagen des Massenpublikums (vgl. Plasser/Lengauer, 2010:61ff.). In einer ihrer Studien haben Plasser und Lengauer (2010:66f.) zudem herausgefunden, dass JournalistInnen sich auf die Frage nach ihrem beruflichen Selbstverständnis hinsichtlich der wichtigsten zu leistenden Aufgabe, zu einem Großteil (88% der insgesamt 154 innenpolitischen JournalistInnen) als „BeobachterInnen“ definieren. Gerade ein solches Rollenverständnis impliziert wohl, dass journalistische Beiträge notwendigerweise immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit präsentieren und dass sich eine Fokussierung auf unterschiedliche Aspekte eines Sachverhalts auch sprachlich unterschiedlich darstellt. Hierbei macht es sich die Teildisziplin der linguistischen Medienwissenschaft zur Aufgabe, die Darstellungsformen und den Sprachgebrauch in den Medien zu untersuchen, darunter vor allem auf die medial-kommunikativen und medienspezifischen Bedingungen im Einsatz bestimmter Sprachformen aufmerksam zu machen, sowie auf die spezielle Funktionalität journalistischer Sprachformen zu verweisen (vgl. Lüger, 1995:22ff.). Bereits Lüger (1995:23) spricht in seinem Kapitel zu linguistisch orientierten Untersuchungen im journalistischen Sprachgebrauch von einer wachsenden „Tendenz zur Verkürzung der

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Satzlänge“ (ebd.), bzw. von einem „Rückgang der Satzgefüge“ und einer beträchtlichen „Zunahme von Einfachsätzen“ (Lüger, 1995:24). Für die Erklärung solcher Unterschiede, welche den syntaktischen Aspekt journalistischer Sprachformen betreffen, erwähnt Lüger (1995:26f.) die notwendige Erforschung der Produktionsbedingungen (z.B. Zeitdruck), welche hinter der jeweiligen Sprachwahl und der Wahl der syntaktischen Anordnung der Informationen durch JournalistInnen stecken. Gerade solche Produktionsbedingungen, unter welchen in den meisten Fällen die „Notwendigkeit, auf engem Raum möglichst viel an Information zu geben“ steht (Lüger, 1995:26), können uns aufschlussreiche Hinweise bezüglich der sprachlichen Darstellung liefern. In den meisten Fällen durchlaufen Texte vor ihrer Veröffentlichung auch eine Vielzahl an Prüfungsinstanzen. Gerade das Vorhandensein einer solchen Kette von Bearbeitungsinstanzen stellt einen der möglichen Gründe für eine hohe Auftretenshäufigkeit bestimmter sprachlicher Strukturen in Reportagen, Korrespondentenberichten und ähnlichen Beiträgen dar, welche sozusagen als „Rohmaterial für Kürzungen und Reformulierungen dienen“ (Lüger, 1995:47). In vielen Fällen können inhaltliche Resümierungen nämlich auch eine Verdichtung der Informationen und demnach auf der syntaktischen Ebene auch eine Verkürzung der Satzlänge zur Folge haben (vgl. Lüger, 1995:47). Zudem spielt sicherlich auch das Kontextwissen der Leserschaft eines bestimmten Mediums und eines bestimmten inhaltlichen Beitrages eine bedeutende Rolle in der sprachlichen Gestaltung der Berichte: Je größer das Hintergrundwissen um ein bestimmtes Ereignis, desto eher herrscht wohl die Tendenz, Information zu verdichten, bzw. als gegeben vorauszusetzen (vgl. Lüger, 1995:47).46 Lüger (1995:49) geht außerdem von einer Orientierung an Publikumsinteressen und dem vermuteten Wissensstand der LeserInnen aus. Das Bestreben, die Gestaltung eines Beitrages nach den sprachlichen Gewohnheiten oder Erwartungen der Leserschaft auszurichten, stellt demnach einen weiteren möglichen Faktor für die Art der sprachlichen Gestaltung eines Berichtes dar:

46 Zu dieser Kategorie wäre beispielsweise die aktuelle, periodische Berichterstattung zu sog. „Schlüsselereignissen“ ( Kap. 7.3) zu zählen, welche bei der Leserschaft gewisse Kenntnisse aus zeitlich früheren Ereignissen voraussetzt.

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„Je nach (vermutetem) Wissensstand des Empfängers werden Sachverhalte mehr oder weniger detailliert dargestellt, die einzelnen Informationen unterschiedlich angeordnet, gewichtet und versprachlicht, Begründungen und Erklärungen gegeben oder nicht.“ (Lüger, 1995:49).

Eine solche Textgestaltung kann demzufolge als „Antizipation möglicher Rezipientenreaktionen“ angesehen werden, in welcher eine Textproduzentin, ein Textproduzent „bei dem Versuch der kommunikativen Realisierung eines gegebenen Zieles Einschätzungen im Hinblick auf Wissen, soziale und institutionelle Zugehörigkeit, ideologische Haltung, kulturelle Zugehörigkeit, Situationseinschätzung u.ä. des Rezipienten vornimmt, mögliche Reaktionen auf seinen kommunikativen Beitrag beim Rezipienten antizipiert, so formuliert, daß er möglichen Reaktionen (vor allem potentiell negativen) zuvorkommt“ (Zimmermann, 1984:131f.; zit. nach Lüger, 1995:49).

Neben den politischen Einflüssen, in denen es etwa um Einschränkungen der Medienfreiheit durch Regierungen und Politiker geht (etwa durch persönliche Vereinnahmungsversuche, Angebote von Informationsdetails, gezielte Informationsverweigerung oder Privilegierungen des Zugangs an Informationen, vgl. Plasser/Lengauer, 2010:57f.), nennen Neuberger/Kapern (2013:102f.) noch eine weitere Reihe an potentiellen Einflussvariablen auf das journalistische Handeln: - Ökonomische Einflüsse durch Markt- und Publikumsforschung, Werbung und Profiterwartungen. - Professionelle Einflüsse durch das professionelle Umfeld, KollegInnen, ethische Konventionen des Journalismus, redaktionseigene Prinzipien, Journalistenverbände und medienrechtliche Beschränkungen. - Referenzgruppen, wie etwa das Publikum, konkurrierende Medienunternehmen oder das private Umfeld (Bekannte, Freunde und Verwandte). - Prozedurale Einflüsse durch Abläufe der Nachrichtenproduktion, Standards und der zeitliche Druck sowie der Mangel an Ressourcen. - Organisationale Einflüsse durch die Geschäftsleitung, Vorgesetzte, RedakteurInnen und EigentümerInnen der Mediengesellschaften.

Der Entwicklungstrend der Linguistik, ab den 1970er Jahren neben den Kernforschungsbereichen der Lexik und Grammatik auch noch die Pragmatik miteinzubeziehen, hat auch die sprachwissenschaftliche Medienforschung berührt. Diese 86

pragmatische Wende bewirkte einen neuen Kommunikationsbegriff, welchem zufolge Medienbeiträge als komplexe Handlungszusammenhänge angesehen werden und nicht lediglich als „Gefäße für die Übertragung von Information oder Inhalten“ (Bucher, 1999:213). Diese handlungstheoretische Betrachtungsweise eröffnet außerdem die Möglichkeit, Befunde zur Syntax unter einer funktionalen Perspektive zu beleuchten (vgl. ebd.). An dieser Stelle erscheint es noch angemessen, den Begriff der sprachlichen Äußerungen unter einem pragmatischen Aspekt auszuführen, welchem zufolge sie „zielgerichtete Aktivitäten“ sind, „die sowohl eine thematische als auch eine kommunikative oder intentionale Orientierung aufweisen“ (Lüger, 1995:50). Lüger (ebd.) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen einer intentionalen und einer inhaltlichen Komponente (Textintention, bzw. Textfunktion und Textinhalt, bzw. Textthema) der sprachlichen Äußerung. Die Intentionalität ist Lüger (ebd.) zufolge ein weiterer wichtiger Steuerungsfaktor, welcher die journalistische Textgestaltung beeinflusst, indem bewusst bestimmte lexikalische und syntaktische Mittel ausgewählt werden. Heinemann und Viehweger (1991:89) schreiben dazu: „Textproduktion ist stets eine intentionale Tätigkeit, die ein Sprecher entsprechend den Bedingungen, unter denen ein Text produziert wird, ausführt und durch die sprachliche Äußerung dem Adressaten zu verstehen zu geben versucht.“ (Heinemann/Viehweger, 1991:89).

Anders gesagt kann ein journalistischer Beitrag also je nach dem kommunikativen Wert, der vermittelt werden soll, unterschiedlich gestaltet sein: Beispielsweise kann die intentionale Qualität eines Textes in der Faktendarstellung oder Informationsvermittlung bestehen. In einem solchen Fall werden in syntaktischer Hinsicht tendenziell wohl eher simple Sätze nach dem Agens-Actio-Schema eingesetzt werden und etwa Angaben zu den Handlungsbeteiligten, Ausführungen zu Geschehensausschnitten sowie zeitliche und räumliche Bestimmungen geliefert werden, um darüber zu informieren, dass ein Ereignis stattgefunden hat und wer die Verantwortlichen für das jeweilige Geschehen waren (vgl. Lüger, 1995:52). Des Weiteren kann die Textintention aber auch evaluativer und meinungszentrierter Natur sein. In einem solchen Fall können die Sätze bereits in komplexerer Form erscheinen: So können etwa wertende Adjektive oder Verben vorkommen, die auf eine bestimmte Position verweisen, es können bestimmte Konstruktionen gewählt werden, um die berichteten Ereignisse in einen Kausalzusammenhang zu setzen und um zu bewerten, was sich beispielsweise aus der Sichtweise der TextproduzentInnen an Folgen ergibt (vgl. ebd.). Lüger 87

(1995:61f.) spricht in diesem Zusammenhang von der Hierarchisierung sprachlicher Handlungen: „In Abhängigkeit von den verfolgten Zielen werden sprachliche Handlungen meist zu größeren, hierarchisch geordneten Sequenzen verknüpft; ‚hierarchisch‘ heißt dabei, dass es übergeordnete/dominierende und untergeordnete/subsidiäre Handlungen gibt.“ (Lüger, 1995:61).

Texte sind also in Kommunikationszusammenhänge eingebettet, können als Mittel zur Erreichung unterschiedlicher Ziele dienen und können demnach auch unterschiedliche Komplexitätsgrade aufweisen (vgl. Lüger, 1995:62). Es wird hier bereits klar, dass es also rein formal mehrere Möglichkeiten gibt, über ein Ereignis zu berichten und dass die Intentionalität, welche eine Wahl bestimmter Ausdrucksformen und syntaktischer Mittel impliziert, natürlich auch darauf Einfluss nehmen kann, wie ein berichtetes Ereignis letztendlich rezipiert wird. Ob man sich nun daran erinnert, wer was getan hat oder ob man eher dazu neigt, die kausale Verknüpfung anderer Handlungsumstände ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, scheint also sicherlich auch mit der bewussten und unbewussten Wahl der Gestaltung eines journalistischen Beitrages zusammenzuhängen. Lüger (1995:62ff.) geht in seiner Ausführung zu Textintentionen von einem Textverständnis aus, welches einen Text „als einen Kommunikationsakt mit einer zentralen Botschaft“ ansieht und für welches also, unabhängig davon, ob der Text nun aus einer einzigen Handlung oder einer Sequenz von Handlungen besteht, angenommen wird, „dass sich wenigstens eine Handlung als übergeordnet interpretieren läßt“ (Lüger, 1995:62). Mit anderen Worten bedeutet dies also, dass es bei der Rezeption eines Textes notwendigerweise immer zu einer Art Filterungsprozess kommen muss, gemäß welchem eine als „zentral“ aufgefasste Information als konstitutiv für den gesamten Textinhalt betrachtet wird.47 Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass es eine lange und durchaus erweiterbare Liste an potentiellen Einflussfaktoren auf die sprachliche Gestaltung von Medienberichten gibt.

47 Ausgehend von diesem Konzept einer Abfolge sprachlicher Handlungen, lassen sich vor allem durch den Intentionalitätsfaktor unterschiedliche Textsorten klassifizieren. So sind etwa informationsbetonte, kontaktorientierte, meinungsbetonte, auffordernde oder instruierend-anweisende Texte einige der wichtigsten Textklassen. Für eine ausführlichere Darstellung journalistischer Textsorten siehe Lüger (1995:77ff.).

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5.2.2 Framing Ich möchte an dieser Stelle einige grundlegende Informationen zum Framing liefern, da es eine nicht unbedeutende Rolle in der Gestaltung eines Wirklichkeitsbildes durch die Medienberichterstattung spielt. Das Konzept „Frame“, bzw. die damit zusammenhängenden Begriffe „Schema“ (Rahmen), „Skript“ oder „Map“ wurden seit den 1970er Jahren in unterschiedlichen Disziplinen der Sozialwissenschaft entwickelt. Darunter wäre etwa die „Frame Analysis“ von Erving Goffman (1980) zu nennen. Das Grundkonzept des Schema-Konzepts besteht in der Annahme, dass ein Individuum immer nur einen Bruchteil der einströmenden Information aufnehmen und verarbeiten kann. Aus diesem Grund bedarf es schnell verfügbarer Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Speicherungsroutinen (vgl. Bonfadelli, 2015:196f.). Das Schema-Konzept wird etwa in der kognitiven Psychologie verwendet, um die Informationsverarbeitung und die Organisation des Gedächtnisses zu erklären. Für die Speicherung und Identifikation von bestimmten Informationen werden nur einige wenige zentrale Attribute herbeigezogen, während beispielsweise andere als unwichtig eingestuft werden. Man spricht in der Medienwissenschaft auch von sog. Nachrichten-Schemata (news frames), welche aus unterschiedlichen Dimensionen bestehen (vgl. Bonfadelli, 2015:197): Das Ereignis (was?), die AkteurInnen (wer?), der Ort (wo?), die Zeit (wann?), die Ursachen (warum?) und die Folgen (welche Auswirkungen?) In der Nachrichtenproduktion kommt es sehr häufig zu einem bewussten oder unbewussten Einsatz von kontextuellen Hinweisreizen. Für ein- und dasselbe Ereignis können beispielsweise verschiedene Einleitungen oder bewusst ausgewählte Details ausgewählt werden. Somit kommt es zur Konstruktion eines bestimmten Bedeutungsumfeldes, welches die Aufmerksamkeit der RezipientInnen auf gewisse Aspekte des Geschehnisses lenkt. Ein solches Einbetten von Ereignissen in ein Bedeutungsumfeld, durch welches spezielle Aspekte der Realität ausgewählt und betont werden, und in welchem sog. Medien-Frames einen Einfluss auf die individuellen Frames der RezipientInnen haben, wird auch Frame-Setting genannt (vgl. Unz/Schwab, 2004:500; Bonfadelli, 2015:199). Es geht hierbei also um eine Reihe von Schritten, mithilfe derer JournalistInnen „Ursachen und Verantwortlichkeiten eines Problems aufzudecken und die rechtlichen, ethischen und moralischen Implikationen darzustellen suchen. Die wichtigsten Elemente des Framings sind die bewusste oder unbewusste Zuschreibung von Verantwortlichkeit und das Entwickeln von Lösungsempfehlungen. Journalist/inn/en 89

nutzen Informationen, um das Publikum zu leiten: Themen werden mit einem Hinweis, wer oder was verantwortlich ist und welche Lösungen empfohlen werden, eingeführt.“ (Unz/Schwab, 2004:500).

Medien sind somit nicht nur Themensetzer, sondern sie entscheiden darüber hinaus auch, aus welcher Perspektive ein bestimmtes Thema behandelt werden soll und welche Aspekte somit ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangen oder im Hintergrund bleiben sollen (vgl. Bonfadelli, 2015:196). Die wirkungsbezogene Framing-Forschung geht davon aus, dass gerade die Art der Nachrichtenpräsentation beeinflusst, wie Individuen über bestimmte Themen, Ereignisse und Personen denken und davon erinnern: Das rührt daher, dass bestimmte mentale Konzepte während der Medienrezeption aktiviert werden, welche dann leichter verfügbar sind (vgl. Unz/Schwab, 2004:516). Ein solcher Prozess ist vergleichbar mit jenem der Aktivierung kognitiver Schemata, wie etwa dem Scenario Mapping and Focus-Ansatz oder dem Elaboration Likelihood-model, auf welche ich nochmals gesondert in Kapitel 5.2.4 eingehen werde. In der Framing-Forschung geht es darum, herauszufinden, wie Medien-Frames von den MediennutzerInnen übernommen werden und welche Folgen sich daraus für die Wahrnehmung, für die Meinungsbildung und für das Verhalten ergeben (vgl. Bonfadelli, 2015:196).48 Iyengar (1991:67) konnte anhand der Durchführung einer Reihe von Studien eine Beeinflussung von Verhalten bei RezipientInnen durch Media-Frames empirisch nachweisen. Dabei hat sich gezeigt, dass episodische Frames, welche konkrete Personen und Einzelhandlungen präsentieren, zu gezielten Schuldzuweisungen führten, welche konkrete Individuen betrafen. Dahingegen führte der Einsatz von thematischen Frames, welche Ereignisse in einen komplexeren und abstrakteren Zusammenhang stellten sowie den Fokus auf die Hintergründe und Bedingungen von Ereignissen setzten, eher dazu, von der Schuldfrage abzulenken und somit die Frage nach der Verantwortlichkeit aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten: „Taken together, the five experiments indicate that network news stories can affect how people attribute responsibility for poverty and race inequality. Episodic framing

48 Für eine ausführlichere Darstellung zum Framing verweise ich auf das Werk von Dahinden (2006), welches die Wurzeln dieses Theorieansatzes thematisiert und eine Reihe an Studien zum Framing innerhalb der Kommunikations- und Medienwissenschaft präsentiert.

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of poverty increased attributions of individualistic responsibility, while thematic framing increased attributions of societal responsibility.” (Iyengar, 1991:67).

Solche Ergebnisse sind letztendlich auch für die in dieser Arbeit durchgeführte Untersuchung von Belang, da eine klare Parallele zu der hier präsentierten Ausgangshypothese vorzuliegen scheint: Sätze nach dem Agens-Actio-Schema sollten eher zur Fokussierung von verantwortlichen Personen führen, wohingegen Kausalketten, welche ihren Fokus auf andere Handlungsumstände setzen, vielmehr von der Frage nach der Verantwortlichkeit ablenken sollten.

Die folgende Abbildung soll die Kapitel 5.1.1 und 5.1.2 präsentierten Kerngedanken nochmals abschließend zusammenfassen:

Abbildung 4: Selektions- und Framingprozesse von Nachrichten durch Medien und RezipientInnen. Abbildung übernommen aus Unz/Schwab (2004:517).

Als kurzes Zwischenfazit für diesen Abschnitt kann also Folgendes gesagt werden: Nachrichten gelten für das Publikum als „korrekte Berichterstattung über das Weltgeschehen“ (Unz/Schwab, 2004:503). Medienberichte sind aber kein bloßer Spiegel des Weltgeschehens, sondern vielmehr sind JournalistInnen durch professionelle Standards, subjektive und institutionelle Normen und durch ihr soziales Umfeld in der sprachlichen Gestaltung der Nachrichten beeinflusst. An dieser Stelle sind nun die Grundlagen gesetzt, um einige Erkenntnisse aus dem Bereich der Neurowissenschaft sowie einige evolutionstheoretische Betrachtungen bezüglich des Ablaufs von Aufmerksamkeitsprozessen zu liefern.

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5.2.3 Einige medienwissenschaftliche, psychologische, neurowissenschaftliche und evolutionstheoretische Ansätze zur Aufmerksamkeit Nachrichten intendieren gemäß ihres Informationsauftrages, „dass das Publikum sie aufmerksam verfolgt“ und „die Information versteht und behält“ (Unz/Schwab, 2004:497). Eine solche Absicht scheint allerdings vielmehr ein niemals vollständig zu erreichendes Ideal zu sein, als der Wirklichkeit zu entsprechen. Durch die sog. kognitive Wende in der Psychologie sind Informationsverarbeitungsprozesse von Individuen ins Zentrum des Forschungsinteresses gerückt (vgl. Unz/Schwab, 2004:498). Die Erforschung von Nutzungsmotiven von Seiten der psychologisch orientierten Medienwirkungsforschung begann bereits in den 1970er Jahren. Auf der einen Seite wurde der Fokus hierbei auf unterschiedliche Aspekte der Befriedigung impliziter und unbewusster Bedürfnisse gelegt, welche sich aus der jeweiligen psychischen und sozialen Situation entwickeln (vgl. Leffelsend et al., 2004:56). Auf der anderen Seite wollte man versuchen, Bedingungen herauszufinden, welche die Effektivität von Medienbotschaften beeinflussen. Seitdem ist klar: Menschen nutzen die Medien sehr selektiv; das betrifft die Medienwahl und die Aufmerksamkeit, aber auch die Wahrnehmung und die Interpretation des rezipierten Inhalts selbst (vgl. Unz/Schwab, 2004:505). Die Fragen, welche für diesen Abschnitt von Belang sind, sind die folgenden: Was spielt sich überhaupt in unserem Gehirn ab, wenn wir bestimmten Elementen unsere Aufmerksamkeit schenken? Was bewegt uns dazu, unsere Aufmerksamkeit einem bestimmten Medium zu schenken und wie verarbeiten wir die darin befindlichen Informationen, bzw. was erinnern wir davon?49 Für die Beantwortung dieser Fragen scheint es unerlässlich, Ergebnisse aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen wie Medienwissenschaft, Psychologie und Neurowissenschaft einzubringen.

49 Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich verschiedene Definitionen des Begriffs „Aufmerksamkeit“, bzw. unterschiedliche Theorien dazu lediglich in ihren wichtigsten Zügen ansprechen werde und dabei vor allem Ergebnisse aus der Neurowissenschaft und Psychologie sowie einige evolutionstheroetische Ansätze präsentieren werde. Das Kapitel sei allerdings nicht als vollständig erachtet: Die große Anzahl an Beiträgen zum Mechanismus der Aufmerksamkeit würde den Umfang dieser Arbeit deutlich sprengen. Für ausführlichere Darstellungen verweise ich auf die Werke von Karnath/Thier (2006) und Pritzel et al. (2003).

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Um uns nun der ersten Frage zu widmen, soll der Begriff der Aufmerksamkeit zunächst aus einer evolutionstheoretischen sowie neurowissenschaftlichen Perspektive beleuchtet werden. Das Phänomen der Aufmerksamkeit, welches ja gerade für den Medienkontext von zentraler Bedeutung ist, wird laut Uhl (2009:136) meist „in unreflektierter Weise als gegeben hingenommen“. Es herrscht hierbei nämlich eine fehlende Sensibilität gegenüber der Frage nach den neurophysiologischen Mechanismen vor. Uhl (2009:109) zufolge greift das menschliche Gehirn in Prozessen der Aufmerksamkeitsgenerierung auf evolutionär bewährte kognitive Mechanismen zurück, welche er jedoch als „individuell höchst dynamisches System“ bezeichnet (Uhl, 2009:109). Karl Gegenfurtner (2003:78) beschreibt die Aufmerksamkeit als „einen Scheinwerfer, der alle Objekte im Scheinwerferlicht besonders beleuchtet, während alles andere in gleichem Maße vernachlässigt wird und eventuell überhaupt nicht ins Bewusstsein gelangt.“ Ich möchte also zunächst davon ausgehen, dass eine zutiefst kompetitive Situation bestehend aus unterschiedlichen neurophysiologischen Mechanismen die Basis einer jeden Informationsaufnahme bildet. Insbesondere scheint es für JournalistInnen und für ihren jeweiligen Beitrag enorm wichtig zu sein, die Aufmerksamkeit in einem kommunikativen Kontext, der durch Konkurrenz geprägt ist, zu nutzen (vgl. Uhl, 2009:136). Die Aufmerksamkeit ist als individueller Zustand das Produkt einer neuronalen Informationsverarbeitung. Individuen sind grundsätzlich in der Lage, sich für etwas zu interessieren, was in einem entsprechenden Verhalten resultiert. Diese Fähigkeit der Fokussierung auf bestimmte Teilbereiche hat sich in der Stammesgeschichte als nützlich erwiesen (vgl. ebd.). Pritzel (et al., 2003:457) schreiben hierzu Folgendes: „Aufmerksamkeit ist eine komplexe, biologisch betrachtet für das Überleben eines Individuums notwendige Fähigkeit. Sie dient dazu, einzelne Reizmerkmale zu einer sinnvollen ‚Gestalt‘ zu integrieren, um Handlungen zu steuern, bzw. im weitesten Sinne Informationsverarbeitung und Verhaltensanpassung zu regulieren, und wir verbinden mit allen Reizen, denen wir unsere Aufmerksamkeit widmen, bewusst oder unbewusst die Erwartung, dass sie uns bei der Auseinandersetzung mit unserer Umwelt dienlich sein könnten.“ (Pritzel et al., 2003:457).

Da es sich um einen Steuerungsmechanismus handelt, wird auch von selektiver Aufmerksamkeit gesprochen. Hierbei handelt es sich um einen psychologischen Mechanismus, laut welchem Reize, auf welche unsere Wahrnehmung gerichtet ist, verbessert

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werden, wohingegen die Wahrnehmung der Reize, welche nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, erschwert wird (vgl. Uhl, 2009:137). Die meisten psychologisch orientierten Ansätze zur Erklärung von Aufmerksamkeitsprozessen betrachten Aufmerksamkeit als Regelwerk, welches aus Filtern zur Reduktion der Umweltinformation besteht. Hierbei werden unterschiedliche Filter im Gehirn postuliert, welche durch eine Kapazitätsbegrenzung allerdings nur eine gewisse Informationsmenge bewältigen können (vgl. Pritzel et al., 2003:457f.). Informationen können vor ihrer „Bearbeitung“ in einem solchen Filter durch eine Art „sensorisches Kurzzeitgedächtnis“ konserviert werden, woraufhin ausgewählt werden kann, welche Information behalten werden soll. Allerdings werfen solche Ansätze psychologischer Natur auf neurowissenschaftlicher Ebene mehr Fragen auf, als sie zu beantworten vermögen: An welchen Stellen im Gehirn sollte schließlich nach solchen Filtern und Puffern gesucht werden? (Pritzel et al., 2003:458).50 Manfred Spitzer (2002b:146) weist zu Recht darauf hin, dass der Begriff „Aufmerksamkeit“ im alltäglichen Sprachgebrauch einen unscharfen Charakter aufweist, da er genau genommen für drei unterschiedliche Hirnaktivitäten steht: Wachheit oder Vigilanz, selektive Aufmerksamkeit und Konzentration. Auf der neuroanatomischen Ebene lassen sich diese Begriffe aber deutlich voneinander unterscheiden: „Die Vigilanz wird automatisch von sehr alten Zentren im Hirnstamm geregelt; die Zentren zur Steuerung des Scheinwerfers der selektiven Aufmerksamkeit liegen im Parietalhirn, dem Thalamus und dem Mittelhirn. Die Fähigkeit zur Konzentration auf das Wesentliche und zum Ausblenden von jeweils irrelevanten Reizen ist hingegen vor allem im Frontalhirn lokalisiert.“ (Spitzer, 2002b:146).

Es ist also vor allem der Vorgang der selektiven Aufmerksamkeit, der im Alltag allgemein als „Aufmerksamkeit“ bezeichnet wird. Davon abhängig, auf welche Teilaspekte der eingehenden Sinnesdaten sich unsere Aufmerksamkeit richtet, werden unterschiedliche Hirnareale aktiviert oder treten in den Hintergrund. Spitzer (2002a:146) liefert hierfür das folgende Beispiel:

50 Die Grundlage für alle gegenwärtigen Ansätze, welche das Vorhandensein von Filtern postulieren, ist die „Filtertheorie“ von Broadbent (1958), laut welcher man nur eine Nachricht zu einer bestimmten Zeit (semantisch) verarbeiten kann; diese Nachricht wird durch einen Filtermechanismus auf der Basis von physikalischen Merkmalen ausgewählt, wohingegen andere Nachrichten abgeblockt werden. Für eine genauere Ausführung hierzu siehe Müller/Krummenacher (2003:240ff.).

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„Wer gerade auf die Farbe der ihn umgebenden Dinge achtet, der aktiviert Bereiche in der Großhirnrinde, die für die Verarbeitung von Farbe zuständig sind. Wendet er sich demgegenüber den Bewegungen der Dinge der Außenwelt zu, so aktiviert er Bereiche, die für die Analyse von Bewegungen zuständig sind.“ (Spitzer, 2002a:146, zit. nach Uhl, 2009:138).

Pritzel et al. (2003:461) zufolge wird auch dem Thalamus große Beachtung geschenkt: Er ist nämlich als „Informationsverstärker“ geeignet. Als die sog. „corticale Trias“ der selektiven Aufmerksamkeit gelten der inferiore Parietallappen, der präfrontale Cortex und der cinguläre Cortex.51 Wie Uhl (2009:138) richtig anmerkt, belegt ein solcher Vorgang, welcher die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung steuert, dass Menschen sich seit jeher in einer sog. information- overload-Situation befinden und zwar auch ohne Mediengesellschaft. „Das Informationsangebot der menschlichen Umwelt ist nicht erst seit heute, sondern war zu jeder Zeit größer als die darauf gerichteten Verarbeitungskapazitäten. Aufmerksamkeit und Interesse sind somit kognitive Werkzeuge, die sich zum Umgang mit dieser quantitativen Überforderung herausgebildet haben.“ (Uhl, 2009:138).

Unsere ganze Umwelt bietet uns also weitaus mehr Stimuli, als unsere Sinnesorgane überhaupt aufnehmen können, „das heißt, aus der Gesamtmenge der eingehenden Information […] muss ständig die relevante Teilmenge ausgewählt werden, um effizientes und störungsfreies Handeln zu ermöglichen“ (Müller/Krummenacher, 2003:239). Ähnlich verhält es sich auch beim Lesen eines Textes: „Eine intensive Lektüre schließt ein aufmerksames Beobachten der sonstigen Umwelt aus – und auch wenn man die ganze Seite auf einmal in den Blick nehmen kann, so ist es unvermeidlich (zumindest für alle Leser, die dem Autoren bekannt sind) für eine gewinnbringende Lektüre, die Wörter in weitgehend linearer Abfolge in ihrer Bedeutung wahrzunehmen und zu verarbeiten.“ (Uhl, 2009:212).

Man könnte also analog dazu, Situationen, in denen LeserInnen mit Kausalketten konfrontiert werden, als solche information-overload-Situationen betrachten. Hierbei müssen LeserInnen notwendigerweise Informationen filtern und hierarchisieren sowie unbewusst entscheiden, welche Information für sie wichtig ist und im Gedächtnis behalten werden soll.

51 Für eine ausführlichere Darstellung zu den erforschten Hirnregionen, welche für Aufmerksamkeitsprozesse zuständig sind, siehe Pritzel et al. (2003:460ff.).

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Im Laufe der Evolution hat die Notwendigkeit, um knappe Ressourcen zu konkurrieren, auch zu einem Selektionsdruck auf kognitive Mechanismen geführt. Die Folge davon war sowohl eine Automatisierung von „Wichtig-Unwichtig-Unterscheidungen als auch […] eine schnelle Umsetzung spezifischer Stimulusinputs in adäquate Verhaltensweisen.“ (Uhl, 2009:212f.). JournalistInnen scheinen gerade solche ursprüngliche Mechanismen für ihre Zwecke zu nutzen, um durch bestimmte sprachliche Konstruktionen jeweils unterschiedliche kognitive Mechanismen bei ihren NutzerInnen zu aktivieren. Man kann also sagen, dass der menschliche Umgang mit Medieninhalten auf einem evolutionär entstandenen Mechanismus zur Herstellung und Lenkung von Aufmerksamkeit besteht (vgl. Uhl, 2009:140f.). Beleuchtet man den Begriff der Aufmerksamkeit nun noch aus medienwissenschaftlicher Perspektive, so kann man sie auch als begrenzte kognitive Ressource der RezipientInnen verstehen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von Ökonomie der Aufmerksamkeit (Bonfadelli, 2015:116). Was bewegt uns aber dazu, unsere Aufmerksamkeit einem bestimmten Medium, bzw. einem bestimmten Inhalt zu schenken und was erinnern wir davon? Studien von Bonfadelli (2000; 2015) haben ergeben, dass das Interesse an Nachrichten relativ hoch ist; trotzt des hohen Interesses behalten MediennutzerInnen allerdings nur wenig von den Nachrichten. Menschen nutzen die Medien sehr selektiv: „Sie sind selektiv in der Medienwahl, in der Aufmerksamkeit, in der Wahrnehmung und der Interpretation“ (Unz/Schwab, 2004:505). Unz und Schwab (2004:505) zufolge werden beispielsweise Nachrichten, welche für Individuen eine hohe persönliche Relevanz haben, auch besser im Gedächtnis behalten. Zudem verfolgen Menschen solche Mitteilungen, welche mit ihrer eigenen Meinung übereinstimmen, aufmerksamer (vgl. Unz/Schwab, 2004:505; vgl. auch Bonfadelli, 2015:147). Faktoren wie persönliche Relevanz, bzw. die Bestätigung der eigenen Meinung, scheinen also für das Bevorzugen bestimmter Inhalte und für ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeitsgenerierung von Belang zu sein. Des Weiteren nennen Unz und Schwab (ebd.) aber auch die Faktoren Rezeptionsmotivation und persönliche Voraussetzungen wie etwa Bildung und Vorwissen sowie psychische, kulturelle und soziale Merkmale der

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RezipientInnen als Determinanten für die Wahrnehmung, Verarbeitung und Interpretation von Medieninhalten.52 Was die Erinnerungsleistung betrifft, so sind Unz und Schwab (2004:506) der Ansicht, dass Nachrichten mit hohem Nachrichtenwert, also mit einer Vielzahl an Nachrichtenfaktoren ( Kap. 5.2.1) auch generell besser erinnert werden. Nicht zuletzt werden auch Framing-Effekte ( Kap. 5.2.2) als mögliche Ursachen dafür genannt, wie MediennutzerInnen Nachrichten erinnern, bzw. was sie davon erinnern, denn je nachdem, wie eine Nachricht sprachlich präsentiert wird und welche kognitiven Schemata durch Frames aktiviert werden, wird natürlich auch indirekt die Aufmerksamkeit der RezipientInnen auf bestimmte Aspekte des Geschehens gelenkt. Als Fazit für diesen Abschnitt kann also Folgendes gesagt werden: „Menschen wenden sich selektiv den Medien zu, sie richten bewusst oder unbewusst ihre Aufmerksamkeit nur auf bestimmte, individuell relevante Aspekte, sie interpretieren Inhalte selektiv auf der Basis ihrer Bedürfnisse, Interessen, Erfahrungen und erinnern Mitteilungen innerhalb ihrer individuellen mentalen Konzepte. (Unz/Schwab, 2004:507).

Auf Grundlage dieser Hintergrunddaten könnte die Ausgangshypothese auch noch präziser definiert werden: Besondere Sprachstrukturen, in diesem Fall Kausalketten könnten Mechanismen der selektiven Aufmerksamkeit zur Folge haben. Das Vorhandensein von Kausalketten könnte einer information-overload-Situation ähneln, weswegen LeserInnen bewusst und unbewusst Aufmerksamkeitsmechanismen aktivieren. Im Gegensatz dazu sollte die Konfrontation mit Sätzen nach dem Agens-Actio-Schema vielmehr eine Konzentration auf das Wesentliche (z.B. Wer sind die Verantwortlichen?) bewirken. Diesen Gedanken möchte ich abschließend noch anhand eines Schemas darstellen:

52 Unz/Schwab (2004:507) sprechen auch das Vorkommen von Erinnerungsfehlern an: Beispielsweise kann es aufgrund des Vorwissens zu Erinnerungsfehlern kommen, wenn etwa durch das Vorwissen über die Rolle der Regierung in der Gewährung von Darlehen fälschlicherweise der Regierung anstatt einer Privatbank die aktive Rolle zugeschrieben wird.

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Kausalketten Mechanismen der Konkrete Ebene selektiven Aufmerksamkeit

besondere Art „Scheinwerfer“, syntaktische Fokussierung auf Strukturen der Erklärung Teilbereiche Aneinanderreihung von sprachlicher Information

Abstrakt: „Sprache“ Abstrakte Ebene Abstrakt: „Denken“

Abbildung 5: Kausalketten als Auslöser von Mechanismen der selektiven Aufmerksamkeit.

Agens-Actio-Schemata Konzentration auf das Konkrete Ebene „Wesentliche“

Kurze Subjekt- Fokussierung des Verb-Objekt-Sätze Agens (A). wie A tötet B. Erklärung

Abstrakt: „Sprache“ Abstrakte Ebene Abstrakt: „Denken“

Abbildung 6: Die Fokussierung von handelnden Personen in Sätzen nach dem Agens-Actio-Schema.

Der Realitätsausschnitt, welche durch MediennutzerInnen konstruiert wird, ist also immer das Ergebnis zwischen dem, was durch die Medien vermittelt wird und was individuell an Informationen verarbeitet wird. Diese Verarbeitung von Stimuli auf der kognitiven Ebene soll im folgenden Abschnitt noch eingehender thematisiert werden.

5.2.4 Kognitive Verarbeitungs- und Situationsmodelle für Medienstimuli In den obigen Kapiteln haben wir bereits gesehen, dass Individuen nicht als rein passive EmpfängerInnen von Medieninhalten angesehen werden können, sondern vielmehr durch ihr bewusst und unbewusst gesteuertes Verhalten entscheiden, welche Inhalte sie empfangen, verarbeiten und memorieren wollen (vgl. Leffelsend et al., 2004:53). 98

Für die ab den 1970er Jahren beginnende Erforschung von kognitiven Medieneffekten war vor allem eine Identifikation der kognitiven Verarbeitungsprozesse, welche zwischen Medienbotschaft und ihrer Wirkung stehen, von Relevanz (vgl. Leffelsend et al., 2004:58). Hinsichtlich der Verarbeitung von Medienstimuli auf der kognitiven Ebene spricht Uhl (2009:209ff.) von zum Teil bewussten und zum Teil unbewussten Mechanismen, welche introspektiv nicht vollkommen erschlossen werden können. Vieles kann durch empirische Untersuchungen überprüft werden, letztendlich bleibt aber immer ein bestimmter Bereich offen, nämlich jener der unbewussten Mechanismen, welche innerhalb eines Individuums wirken und dazu führen, dass Informationen gefiltert und hierarchisiert werden. Einfach ausgedrückt bedeutet diese Aussage, dass die wissenschaftliche Rekonstruktion von Rezeptions- und Verarbeitungsvorgängen notwendigerweise immer auch mit dem subjektiven Erleben verbunden werden muss. Unser kognitives System verhält sich gegenüber Medieninhalten ebenso selektiv und bedürfnisbezogen wie den Umweltinformationen gegenüber und es werden solche Ereignisse bevorzugt in die mentale Repräsentation einbezogen, welche sich innerhalb eines „roten Fadens von Ursache-Wirkungsbeziehungen befinden“ (Schwan/Hesse, 2004:88). Schwan und Hesse (2004:82ff.) zufolge kann es unter Umständen zu Verstehens- oder Speicherungsproblemen kommen, falls die kognitive Kapazität überschritten wird. Eine solche Überschreitung hängt von diversen Faktoren ab, u.a. von: - der Komplexität des Medieninhaltes, welche sich aus der Anzahl und der Interdependenz der zu memorierenden Inhaltselemente ergibt, - den verfügbaren kognitiven Ressourcen der RezipientInnen, - der für die kognitive Verarbeitung verfügbaren Zeit. Das Faktum, dass die menschliche Informationsverarbeitung eine Funktion des Gehirns ist, führt hierbei wiederum zu der Frage, welche speziellen Leistungen dieses Organ bezüglich der Informationsverarbeitung erbringt. An dieser Stelle scheinen aber für eine Erklärung einer kognitiven Repräsentation von rezipierten Inhalten besonders die Sinnesorgane von Bedeutung zu sein, denn erst durch unsere Wahrnehmung „entstehen neuronale Aktivierungsmuster als kognitive Repräsentate für einwirkende Stimuli, von denen auf gegebene Umweltaspekte zurück geschlossen wird.“ (Uhl, 2009:146).53

53 Für eine genauere Ausführung zur neuronalen Verarbeitung und Vernetzung im Gehirn während der Informationsaufnahme siehe Uhl (2009:148ff.) sowie Roth (2003:14ff.).

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Sinnesorgane sind aber lediglich als „Anpassungen an Lebensräume und deren stimulatorische Gegebenheiten“ anzusehen (Uhl, 2009:154). Es geht hierbei natürlich nicht darum, die Welt so zu erfassen, wie sie „wirklich“ ist, da ohnehin nur ein kleiner Wirklichkeitsausschnitt unsere Sinnesorgane erregen kann, bzw. auch nur ein kleiner Teil dessen, was in der Welt passiert, für unsere Lebensführung relevant ist (vgl. Uhl, 2009:155). Eine solche konstruktivistische Aussage lässt sich auch gut mit der hier formulierten Hypothese in Einklang bringen: Wir nehmen letztendlich einen sprachlichen Beitrag zuallererst durch unsere Sinnesorgane wahr. Wir lesen einen Text, und um unser Textverständnis überhaupt erst im Gehirn zu aktivieren, muss er zuerst über unsere Augen wahrgenommen werden. Sinnesorgane sind somit der erste Schlüssel und eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sprachliche Information überhaupt erst kognitiv verarbeitet werden kann und in der Folge eine bestimmte mentale Repräsentation eines Sachverhalts entstehen kann. Uhl (2009:155ff.) zufolge ist die sensuelle Auseinandersetzung mit der Umwelt ein aktiver Prozess, welcher sich durch eine Standardbeschreibung nachzeichnen lässt. Zu Beginn steht immer ein Umweltphänomen, das auf eines unserer Sinnesorgane wirkt. Die Rezeptoren des jeweiligen Sinnesorgans verstärken und transformieren den Reiz und übersetzen ihn sodann in einen Erregungszustand, welcher wiederum auf sensorische Nerven übertragen wird und zu den sinnesspezifischen Gehirnzentren gelangt. Nun wird der Sinneseindruck bewusst (vgl. Uhl, 2009:157). Der eigentliche Wahrnehmungsprozess wird auch als Transduktion bezeichnet (vgl. Gegenfurtner, 2003:33). In der Konfrontation mit einem journalistischen Beitrag, welchen wir durch unsere Lesefähigkeit wahrnehmen, wird also bezüglich der hier formulierten Hypothese angenommen, dass Unterschiede in der Satzlänge auch Unterschiede in der Informationswahrnehmung und Informationsverarbeitung zur Folge haben. Ein simpler Satz nach dem Agens-Actio-Schema, wie etwa X erschießt Y, wird bereits a priori von den LeserInnen anders wahrgenommen, als eine lange Kausalkette, wie etwa Letztlich war X derjenige, der den Abzug betätigte, welcher die Ladung abfeuerte, die Y traf. Da im ersten Beispiel nur wenige Lexeme vorkommen, die aufgrund ihrer geringen Anzahl sofort wahrgenommen und memoriert werden können, wird diese Information direkt gespeichert und auch so erinnert.54 Im zweiten Fall ist der Wahrnehmungsprozess schon ein

54 Zur Erinnerungsleistung unseres Gehirns siehe Abschnitt 5.2.5. 100

anderer: Bei bloßer optischer Betrachtung des Satzes, wird auf Anhieb seine Länge wahrgenommen, und man weiß, dass aus diesem Satz wohl nur gewisse Informationen erinnert werden können. Das Lesen spielt also als visuelle Fähigkeit, welche nur durch die Sinneswahrnehmung unserer Augen bewerkstelligt werden kann, für die kognitive Repräsentation von rezipierter sprachlicher Information eine zentrale Rolle. Christmann (2004:420) definiert das Lesen als eine „aktive (Re-)Konstruktion von Informationen, bei der die Rezipient/inn/en […] Textinhalte aufeinander beziehen und aktiv-konstruktiv in ihre Wissensstruktur einfügen.“ Zihl (2003:80) zufolge sind für die Entwicklung der Lesefähigkeit Hirnareale rekrutiert worden, welche für die visuelle Pars-pro-toto Erkennung zuständig sind. Konkret ist aber ein Gesichtsfeldausschnitt nötig, der auch als Lesefenster bekannt ist. Dieses ermöglicht „die simultane Aufnahme eines längeren Textausschnittes und bildet die Grundlage für die regelrechte und kontinuierliche Weiterführung der Fixation“. (Zihl, 2003:80; zit. nach Uhl, 2009:175).55 Nach einer Vorverarbeitung wird der sprachliche Input in einem Areal verarbeitet, das visual word form area genannt wird und zuständig für die Gestalt von Wörtern ist. Es liegt in der Nähe des Gesichtsareals und ist auf eine bestimmte Gruppe von Wahrnehmungsobjekten spezialisiert. Die sprachliche Information geht darauf in den Temporallappen über, wo dann das eigentliche Sprachverstehen im Wernicke-Zentrum stattfindet (vgl. Spitzer, 2002a:245f.). Ein interessantes Faktum hinsichtlich der Wahrnehmung und der Memorierung von eingehender sprachlicher Information findet sich hierbei in Roth (1996:229f.), denn „Reize, die mit Gedächtnisinhalten und deren Bewertungskomponenten verglichen werden, […] gehen in der Folge in die bewusste Wahrnehmung ein.“ Aus einer solchen Perspektive könnte vielleicht auch die exaktere Fokussierung von handelnden Personen in Agens-Actio-Sätzen betrachtet werden. Diese Struktur lässt sich aus einer evolutionslinguistischen Sichtweise als ursprünglich und natürlich ansehen. Jackendoff (2002:249) bezeichnet nämlich die Struktur des Agent First, Focus Last als ganz ursprünglich und als sog. Überbleibsel einer hypothetischen Proto-language: „I suggest, then, that Agent First, Focus Last, […] are ‘fossil

55 Unter „Fixationen“ versteht man die unterschiedlichen Haltepunkte beim Lesen (vgl. Christmann, 2004:422).

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principles’ from protolanguage, which modern languages often observe and frequently elaborate.” (Jackendoff, 2002:249).56 Aufgrund ihres fast universalen und natürlichen Charakters könnte eine solche Struktur auch beim Lesen als „vertraut“ identifiziert werden und demnach, wie Roth (1996:229f.) es schildert, besser und direkter in die bewusste Wahrnehmung eingehen und somit eine größere Fokussierung von handelnden Personen mit sich bringen. Bei Kausalketten hingegen sind die visuellen Reize zunächst einmal so zahlreich, dass es bereits beim Lesen zu einem Prozess der Informationsfilterung kommt: Hierbei kann es also geschehen, dass weitere genannte Umstände wie etwa die eine Handlung bedingenden Umstände erinnert werden, und nicht etwa die eine Handlung ausführende Person. Schwan/Hesse (2004:87f.) zufolge wird der in Medienberichten präsentierte Inhalt von den MediennutzerInnen in ein mentales Situationsmodell überführt, also in eine Art „mentale Simulation“ des geschilderten Sachverhalts. Die kognitiven Repräsentationen können unterschiedliche Grade der Komplexität aufweisen und beinhalten beispielsweise Informationen über Ort und Raum, Zeit, Kausalität, Absichten und Motive der ProtagonistInnen in Form von Allgemeinwissen aus dem Langzeitgedächtnis. In der Kommunikationswissenschaft spricht man auch von sog. Rezipienten-Frames (vgl. Bonfadelli, 2015:118; s. auch  Kap. 5.2.2). Hierbei kann auch das Ausmaß der kognitiven Ressourcen, welches RezipientInnen für die Verarbeitung des Medieninhalts einsetzen, bis zu einem bestimmten Grad willentlich beeinflusst werden. Salomon (1984) hat dieses Phänomen untersucht und hierfür die Bezeichnung Amount of Invested Mental Effort, bzw. das Akronym AIME als Abkürzung dafür eingesetzt. In einer empirischen Studie konnte er zeigen, dass RezipientInnen bei unterschiedlichen Medien ein jeweils unterschiedliches Maß an kognitivem Aufwand einsetzten, welches seinerseits mit dem Verstehen und Behalten der Medieninhalte

56 Der US-amerikanische Linguist Derek Bickerton (1990) hat entscheidende Beiträge zur Entstehung einer „Proto-Language“, also einer sog. Zwischenstufe zwischen evolutionären Vorstufen und den modernen Ausprägungen von Sprache, geleistet. Ihm zufolge muss unsere Sprache aus einem System zur mentalen Repräsentation hervorgegangen sein. Nach diesem Modell einer Proto-Language werden lexikalische Einheiten erlernt und zunächst ohne eigentliche Syntax zu Aussagen kombiniert. Eine eigentliche Syntax mit einer Argumentstruktur, welche ja die Voraussetzung für Syntax ist, kommt erst in einem letzten Entwicklungsschritt dazu. Für eine ausführlichere Darstellung zur Protosprache siehe Bickerton (1990:130ff.; 164ff.) und Jackendoff (2002:231ff.).

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zusammenhing. Hierbei fand er heraus, dass beispielsweise Texte stärker als audiovisuelle Medien elaboriert werden (vgl. Salomon, 1984:648ff.; zit. nach Schwan/Hesse, 2004:84). In diesen Zusammenhang passt auch ein kognitives Modell, das eigentlich in der Teildisziplin der Argumentationstheorie, bzw. der Psychologie anzusiedeln ist: Es ist das sog. Elaboration Likelihood Modell von Richard E. Petty und John T. Cacioppo (1986). Hierbei handelt es sich um eines der einflussreichsten psychologischen Modelle zur Einstellungsänderung und Persuasion. Es wird auch als „Zwei-Prozess-Modell“ bezeichnet, da es eine Einstellungsänderung auf zwei möglichen Routen postuliert (Trepte/Reinecke, 2013:127). Die beiden Routen unterscheiden sich darin, mit welcher Intensität eine persuasive Botschaft etwa aus diversen Medienformaten elaboriert, d.h. kognitiv verarbeitet wird (vgl. Petty/Cacioppo, 1986). Hierbei wird zwischen einer zentralen und einer peripheren Route der Informationsverarbeitung unterschieden, wobei die Botschaft in der ersteren intensiv verarbeitet und mit Vorwissen verbunden wird. Vor allem sind dabei die Qualität und die Stärke der Argumente von Bedeutung. In der peripheren Route hingegen ist der kognitive Aufwand der RezipientInnen gering und es findet nur eine schwache Auseinandersetzung mit den Argumenten statt. Anstatt starker Argumente sind in dieser Route eher periphere Hinweisreize wie etwa Auftreten, Attraktivität und Glaubwürdigkeit der KommunikatorInnen von zentraler Wichtigkeit (vgl. Trepte/Reinecke, 2013:128). Die beiden Routen sind am ehesten als Kontinuum der Elaborationsstärke von Botschaften vorzustellen, nicht als sich ausschließende Kategorien (vgl. Petty/Cacioppo, 1986:7ff.). Determinierend für den Intensitätsgrad der Verarbeitung dieser Informationen sind laut Petty/Cacioppo (1986:81ff.) die Fähigkeit und Motivation zur Elaboration, welche wiederum durch eine Reihe von Faktoren wie Personeneigenschaften, Situationseigenschaften, die wahrgenommene persönliche Relevanz einer Botschaft sowie das Wissens- und Denkbedürfnis, beeinflusst werden. Je stärker die Elaboration, desto stärker ist demnach auch das Ausmaß der Einstellungsänderung (vgl. Trepte/Reinecke, 2013:128f.). Die Grundgedanken dieses Modells lassen sich, Trepte/Reinecke (2013:130) zufolge „problemlos auf Medienbotschaften übertragen und ermöglichen ein besseres Verständnis des Wechselspiels zwischen Prozessen der Informationsverarbeitung, den Inhalten der Botschaft und der Fähigkeit und Motivation der Rezipienten zur Elaboration, die in ihrer Kombination medieninduzierte Einstellungsänderungen erklären können.“ (Trepte/Reinecke, 2013:130).

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Wollen MedienproduzentInnen also eine maximal persuasive Wirkung ihrer Botschaften erzielen, so müssen sie zuerst einmal abschätzen, ob bei den RezipientInnen eher eine Bereitschaft zur zentralen, elaborativen Informationsverarbeitung besteht, oder ob eher eine periphere Verarbeitung von Informationen anzunehmen ist (vgl. Dahinden, 2006:101). In dem sog. Limited-Capacity-Modell von Annie Lang (2009) wird dagegen auf die begrenzte Kapazität (limited capacity) kognitiver Verarbeitungsprozesse verwiesen, welche um einen gemeinsamen und begrenzten Ressourcenpool konkurrieren. Es geht hier vor allem um Rekodierungs- und Speicherungsprozesse, welche zu Ressourcenkonflikten führen können (vgl. Schwan/Hesse, 2004:86). Es gibt Medienbeiträge, welche gleiche Inhalte mit einer unterschiedlichen Nutzungseffizienz präsentieren können: Eine hohe Nutzungseffizienz bedeutet, dass nur ein kleines Ausmaß an kognitivem Aufwand vonnöten ist, um dem Inhalt eine Information zu entnehmen und im Arbeitsgedächtnis zu behalten (vgl. Schnotz/Bannert, 1999). In einem solchen Fall kommen Ressourcenkonflikte sehr selten vor, denn dem kognitiven System werden „hinreichende Kapazitäten für Elaborations- und Speicherungsprozesse“ gewährt (Schwan/Hesse, 2004:86). Analog dazu könnte man also Beiträge, in denen vorwiegend Sätze nach dem Agens-Actio-Schema vorzufinden sind, als Beiträge mit hoher Nutzungseffizienz und geringem kognitivem Aufwand definieren. Auf der anderen Seite führen Beiträge mit einer geringen Nutzungseffizienz aufgrund ihrer großen Fülle an miteinander konkurrierenden Informationen auf der kognitiven Ebene zu Ressourcenkonflikten und zu einer schwächeren Erinnerungsleistung: „Belastungen und Fehler ergeben sich für das kognitive System nicht nur bei umfangreichen Inhalten, die es verarbeiten muss, sondern gleichermaßen auch bei komplexen Ketten kognitiver Operationen, die auf solche Inhalte angewendet werden.“ (Schwan/Hesse, 2004:91).

Medienberichte, welche etwa zum selben Inhalt die Form von Kausalketten für ihre Schilderung der Sachverhalte bevorzugen, sollten demnach zu einem solchen Ressourcenkonflikt, bzw. zu einer kognitiven Belastung führen. Auch Bonfadelli (2015:118f.) spricht von einer Abhängigkeit der kognitiven Belastung von medialen Faktoren wie etwa der Wort- und Satzlänge sowie der Satzkomplexität. An dieser Stelle möchte ich noch auf einen interessanten Ansatz von Sanford und Garrod (1981; Garrod, 1995; Sanford/Garrod, 1982; Sanford/Moxey, 1995; hier: Sanford/Garrod 1998) verweisen, welcher zeigt, dass RezipientInnen Textinhalte mit Gedächtnisinhalten verbinden. Dieser sog. Scenario mapping and focus-Ansatz geht von zwei 104

Gedächtnispartitionen aus: Zum einen von einem expliziten Fokus, der momentan relevante Diskursinhalte enthält, und zum anderen von einem impliziten Fokus, der automatisch aktiviertes Hintergrundwissen in Form sog. Szenarios beinhaltet. Die beiden Partitionen sind dynamisch, denn ihre Inhalte lassen sich mit neu einfließendem sprachlichem Input verändern (vgl. Sanford/Garrod, 1998:161ff.). Als statische Partitionen des Gedächtnisses dienen das episodische Gedächtnis für bisherige Textinhalte sowie das semantische Gedächtnis mit dem gesamten Allgemeinwissen einer Person (vgl. Garrod, 1995:5). Bedeutende aktuelle Diskursinhalte wie etwa ProtagonistInnen werden im expliziten Fokus jeweils durch ein Token symbolisch repräsentiert. Szenarios im impliziten Fokus sind hingegen aus Repräsentationen von Situationen des semantischen Gedächtnisses zusammengesetzt. Beispielsweise würde das Lesen des Satzes „Harry was driving to London“ (Sanford/Garrod, 1998:162) dazu führen, dass Harry und London ein Token im expliziten Fokus erhalten, wohingegen im impliziten Fokus ein Szenario der Situation Jemand fährt mit dem Auto irgendwo hin, aktiviert werden würde, welches also das Hintergrundwissen zu dieser Situation umfasst: “As a concrete example, consider the sentence "Harry was driving to London." In explicit focus, we would posit that there are tokens for Harry and London, whereas the scenario in implicit focus would be something akin to a verb schema for drive.” (Sanford/Garrod, 1998:162f.).

Einfach ausgedrückt wird hierbei also relevante Textinformation mit relevantem Hintergrundwissen verknüpft und es entsteht ein Situationsmodell des sprachlichen Inputs. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Konfrontation mit Kausalketten erklären: Bei einer Kausalkette müsste man dem SMF-Ansatz zufolge etwa im expliziten Fokus jeweils ein Token für handelnde Personen oder Größen annehmen, im impliziten Fokus wäre man aber mit einer Fülle von Szenarios konfrontiert. Im Falle des von Boroditsky angeführten Beispielsatzes (Letztlich bin ich derjenige, der den Abzug betätigte, welcher die Ladung abfeuerte, die Harry traf) wäre jeweils ein Token für die handelnden oder wirkenden Personen oder Größen (ich, Cheney) gegeben, bzw. wäre man im impliziten Fokus aber gleichzeitig mit mehreren Szenarios konfrontiert: Ein Abzug wird getätigt, eine Ladung wird abgefeuert und eine Person wird angeschossen. Nun könnten diese unterschiedlichen Szenarios natürlich wieder zu einem einzigen Szenario zusammengeführt werden (jemand wird angeschossen), um auf der kognitiven Ebene das Bild zu erhalten, das beim Lesen des Satzes entsteht. Man weiß ja schließlich aus Erfahrung, dass jemand im Normalfall, um 105

angeschossen zu werden, erst durch eine Waffe, die zuvor betätigt worden ist, verletzt werden konnte, und man setzt also diese kausale Aufeinanderfolge implizit voraus. Die kognitive Anstrengung, diese einzelnen Szenarios zu aber verbildlichen oder zu einem einzigen Szenario zusammenzufassen, könnten es womöglich bewirken, dass sich LeserInnen am Ende nicht mehr an das Agens erinnern oder vorsichtiger formuliert, dass es für sie nicht mehr von primärer Wichtigkeit ist, wer die Handlung ausgeführt hat. Monika Suckfüll (2004:261) drückt diesen Filterungsprozess passend aus: „Es steht außer Frage, dass der menschliche Organismus, beständig konfrontiert mit einer komplexen, veränderlichen Umwelt, über Filterungsprozesse verfügen muss, die ihm erlauben, aus der Fülle der Informationen die wesentlichen zu entnehmen und diejenigen, die nicht unmittelbar relevant erscheinen, auszublenden oder allenfalls beiläufig zu registrieren.“ (Suckfüll, 2004:261).

Um die in diesem Kapitel gelieferten Informationen zur kognitiven Verarbeitung von Medienbotschaften noch zu vervollständigen, sollen im folgenden Abschnitt noch einige neurowissenschaftliche Betrachtungen zum menschlichen Gedächtnis präsentiert werden.

5.2.5 Das Gedächtnis Für die Informationsaufnahme und ihre Speicherung sowie für einen späteren Abruf dieser Informationen können verschiedene Gedächtnisprozesse unterschieden werden. Die Aufnahme von Informationen, mit welcher wir uns in den bisherigen Kapiteln beschäftigt haben, stellt gleichsam auch die Grundlage für eine spätere Speicherung und Erinnerung dar (vgl. Pritzel et al., 2003:412). Hierzu sind, wie bereits in Kap. 5.2.4 geschildert worden ist, funktionierende Sinnessysteme unentbehrlich. Pritzel et al. (2003:409) zufolge wird das Gedächtnis üblicherweise entlang der Zeitachse in ein Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis eingeteilt. Das Ultrakurzzeitgedächtnis (auch Echogedächtnis oder ikonisches Gedächtnis genannt), umfasst eine Zeitspanne von wenigen Millisekunden, in welcher Wahrnehmungserfahrungen kurz abgespeichert werden. Das Kurzzeitgedächtnis wird hingegen als Speicher beschrieben, welcher Informationen mit einer Dauer von wenigen Sekunden bis höchstens einigen Minuten abgespeichert werden. Die Aufnahmekapazität des Kurzzeitgedächtnisses ist eingeschränkt, denn es können ca. sieben (±2) Informationseinheiten aufgenommen und kurzfristig behalten werden (vgl. Pritzel et al., 2003:409). Falls die angebotene Informationsmenge dieses Limit erreicht, kommet es zu Filterungsprozessen im Gehirn ( Kap. 5.2.3). Die gefilterte Information kann aus dem

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Kurzzeitgedächtnis dann entweder ins Langzeitgedächtnis kommen oder gar nicht weiter verarbeitet werden; im letzteren Fall geht diese dann wieder verloren. Das Langzeitgedächtnis ist dagegen bezüglich seiner Aufnahmekapazität theoretisch unbegrenzt. Zudem fungiert das sog. Arbeitsgedächtnis als eine Art Schnittstelle zwischen dem Kurz- und dem Langzeitgedächtnis; es hat zwei primäre Aufgaben: Es muss neu eingehende Informationen verarbeiten und gleichsam aber auch bereits gespeicherte Informationen zur Verfügung stellen (vgl. Pritzel et al., 2003:409). Im Arbeitsgedächtnis finden u.a. die in Kap. 5.2.3 angesprochenen Aufmerksamkeitsprozesse statt.57 Unsere Sinnesorgane ermöglichen uns eine bewusste und reflexive Auseinandersetzung mit der Welt: Einem Teil der Umgebungsinformationen wird mittels Aufmerksamkeitsprozessen ( Kap. 5.2.3) Beachtung geschenkt und sie werden sodann in einem temporären Speicher, dem sog. Arbeitsgedächtnis enkodiert. Ein weiterer Teil der Informationen wird schließlich in das Langzeitgedächtnis übertragen, in welchem eine dauerhafte Kodierung in Form mentaler Repräsentationen erfolgt (vgl. Schwan/Hesse, 2004:74). Ein Grundmodell der menschlichen Informationsaufnahme durch die Sinnesorgane mit darauffolgender Abspeicherung im Arbeits- oder Langzeitgedächtnis kann wie folgt aussehen:

Abbildung 7: Grundmodell der menschlichen Informationsverarbeitung. Abbildung übernommen aus Schwan/Hesse, 2004:74.

57 Pritzel et al. (2003:414ff.) nennen noch fünf Unterkategorien des Langzeitgedächtnisses: Das episodische Gedächtnis, in welchem Erlebnisse des eigenen Lebens abgespeichert sind, das semantische Gedächtnis, welches Fakten umfasst, die jederzeit abgerufen werden können, das perzeptuelle Gedächtnis, welches uns das Erkennen von Gegenständen aufgrund von Bekanntheitsurteilen ermöglicht, weiters das sog. Primingsystem, das für eine Wiedererkennungsleistung zuständig ist, sowie das prozedurale Gedächtnis, das vor allem motorische Fertigkeiten beinhaltet. Für eine ausführlichere Darstellung zu den Grundlagen des Gedächtnisses siehe Pritzel et al. (2003:403ff.) sowie Buchner (2006:437ff.) und Spitzer (2002b:115ff.).

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Um das Kapitel zur Medienwirkung und Medienrealität abzuschließen, soll an dieser Stelle noch eine zentrale Frage diskutiert werden: Warum spielen gerade Agentivität und Kausalität in der Medienberichterstattung eine so wichtige Rolle?

5.3 Intentionale AkteurInnen versus Kausalität in der Medienberichterstattung

Die Aufmerksamkeit ist ein wertvolles Gut, weswegen MedienproduzentInnen natürlich stets darum bemüht sein müssen, das Interesse ihrer RezipientInnen zu wecken. Es leuchtet demzufolge ein, dass Informationen in einem solchen konkurrenzgeprägten Kontext gezielt eingesetzt werden müssen, um den gewünschten Effekt zu erhalten. Ein sparsamer Umgang mit Informationen impliziert natürlich, dass der Fokus auf die wichtigsten Elemente eines Ereignisses gelegt wird. Die Fragen, wer, wo, wann, wie, was getan hat, stellen hierbei sicherlich die zentralsten Informationen dar, welche in einem Medienbeitrag nicht fehlen dürfen. Man spricht in der Medienwissenschaft auch von sog. Nachrichten-Schemata (news frames  Kap. 5.2.2), welche aus unterschiedlichen Dimensionen bestehen: Das Ereignis (was?), AkteurInnen (wer?), Ort (wo?), Zeit (wann?), Ursachen (warum?) und Folgen (welche Auswirkungen?) (vgl. Bonfadelli, 2015:197). Dass sich viele MedienproduzentInnen in der Gestaltung ihres Beitrags hauptsächlich nach solchen Schemas richten und darin natürlich die Information „Wer sind die TäterInnen?“ in den Mittelpunkt des Geschehens setzen, scheint also aufgrund des immer stärker konkurrenzgeprägten Medienkontexts, in welchem RezipientInnen meist kurze und prägnante Informationen geliefert bekommen wollen, keine Seltenheit zu sein. Uhl (2009:275) schreibt zu Recht, dass ein Medieninhalt, um von den MedienrezipientInnen als Handlung begriffen zu werden, intentionale AkteurInnen aufweisen muss, wobei Intentionalität nicht notwendigerweise an Menschen als TrägerInnen geknüpft sein muss, sondern durch verschiedene AkteurInnen verkörpert werden kann. Uhl (2009:276) beschreibt die Zuschreibung von Intentionalität als kognitiven Filter, „der einem adäquaten Umgang mit einer sowohl aus größtenteils statischen Dingen als auch aus Akteuren bestehenden Umwelt dient.“ Diese Umwelt erfordert strategisch, dass „die verfügbare Aufmerksamkeit primär auf vorhandene intentionale Akteure gerichtet wird“ (Uhl, 2009:276).

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Aus diesem Grund bevorzugen natürlich viele Medien die Präsentation von Geschehnissen, in welchen intentionale AkteurInnen die zentrale Komponente sind, da Handlungen nur dort stattfinden können, wo etwa ProtagonistInnen, Menschen und, TäterInnen bestimmte Ziele verfolgen und Handlungen ausführen. Medieninhalte, welche eine solche Grundcharakteristik nicht befolgen, werden, Uhl (2009:280) zufolge, nicht nur als „langweilig, sondern viel entscheidender als ohne Handlung und damit prinzipiell uninteressant angesehen.“ Die Fokussierung auf Agentivität ist demnach in der Medienberichterstattung ein unerlässlicher Schritt, um von einem Großteil der NutzerInnen überhaupt wahrgenommen zu werden. Laut Uhl (2009:267f.) müssen Medieninhalte aber auch Veränderungen, bzw. Neues darbieten, um für ihre NutzerInnen interessant zu sein: „Wirkung entfaltet ein Medieninhalt nur dann, wenn dieser in der Umweltrepräsentation potentieller Rezipienten Auswirkungen hat, die Aufmerksamkeit erregen. Diese kognitive Bevorzugung von Veränderungen und Neuigkeiten […] hat ihren Ursprung darin, dass es prinzipiell Veränderungen sind, die neue Handlungsoptionen und –erfordernisse schaffen und neue Einblicke in potentiell handlungsrelevante kausale Verknüpfungen der jeweiligen Umwelt bieten.“ (Uhl, 2009:267f.).

Es sind vor allem neue Informationen, die ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangen, denn die menschliche Wahrnehmung ist bereits auf ihrer physiologischen Ebene darauf ausgerichtet, sich auf Veränderungen zu konzentrieren, wohingegen konstante Reize, die sich ständig wiederholen, in den Hintergrund gesetzt werden (vgl. Uhl, 2009:268). Der Begriff der Kausalität ist in der Auseinandersetzung mit den Medien deshalb von zentraler Wichtigkeit, da durch ihn eine innere Kohärenz beschrieben wird, welche RezipientInnen von Medienprodukten erwarten. Uhl (2009:270) merkt zu Recht an, dass erfolgreiche Medienprodukte nicht wahllos Stimulusabfolgen präsentieren, sondern Reihungen von Ereignissen, Handlungen und Geschehnissen, welche ursächlich aufeinander zurückzuführen sind: „Relevante Medienrezeption – belegt durch Verkaufszahlen oder Einschaltquoten – kommt nur da zustande, wo Inhalte ursächliche Verkettungen von Taten und Ereignissen bieten.“ (Uhl, 2009:270). Außerdem sei der Sinn für Ursache und Wirkung von den menschlichen Individuen bereits in einer sehr frühen Phase ihrer Entwicklungsgeschichte herausgebildet worden. Die menschliche Kognition sei in einer durch kausale Wechselwirkungen geprägten Umwelt

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darauf ausgelegt, Kopplungen zwischen Objekten und Ereignissen sowohl zu erkennen als auch aktiv danach zu suchen und für die Verhaltenssteuerung zu nutzen (vgl. Uhl, 2009:273). Uhl (ebd.) setzt gerade dieses Faktum mit der Tatsache gleich, dass Menschen sich bevorzugt solchen Medieninhalten zuwenden, welche eine starke Ursache-Wirkungsstruktur aufweisen. Menschen reagieren also vor allem auf solche Stimulusabfolgen mit erhöhter Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund gibt es auch zahlreiche Medienprodukte, welche ihren NutzerInnen vorzugsweise Netzwerke von kausal miteinander verknüpften Ereignissen präsentieren (vgl. Uhl, 2009:274). Medieninhalte zielen hierbei natürlich darauf ab, ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit bei Ihren NutzerInnen zu erzielen: „Die Attraktivität wird dabei meist durch zeitliche Komprimierung gesteigert: Anstatt Ereignisse in den Abständen aufeinander folgen zu lassen, in denen sie ausserhalb des Mediums stattfinden, bzw. zu erwarten sind, werden die Veränderungen in geraffter Form dargeboten, wobei statische und weniger dynamische Zwischenphasen ausgeblendet werden. Stellt man eine solche kausale Abfolge abstrahiert als A  B  C dar, so liegt der Schwerpunkt medialer Repräsentation nicht auf den Zeiträumen in denen die einzelnen Elemente bestehen, sondern auf den Übergängen zwischen den verschiedenen Zuständen der kausalen Abfolge.“ (Uhl. 2009:274).

Es scheint also festzustehen, dass viele Medienprodukte, um erfolgreich zu sein, vor allem die Präsentation von Veränderungen und kausalen Zusammenhängen ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Auf dieser Basis ist es demnach auch vorstellbar, dass LeserInnen von Beiträgen, in denen der Kausalitätsfaktor in den Vordergrund gestellt wird, ihre gesamte Aufmerksamkeit bewusst oder unbewusst auf einige dieser „Zwischenphasen“ legen und demnach etwa ein kleiner bedingender Zwischenfaktor als relevant eingestuft und eingehender fokussiert und erinnert wird, als beispielsweise die für einen bestimmten Vorfall verantwortliche Person. Keil (2000:265) schreibt in seinem Beitrag zur Kausalität außerdem, dass sich Medien sehr häufig der Struktur „Nicht X, sondern Y“ bedienen, vor allem wenn es um Debatten über eine „eigentliche Ursache“ für ein bestimmtes Ereignis geht. Ein Beispiel hierfür wäre: „Ursächlich für das Abreißen der Bugklappe war nicht die unterdimensionierte Ausführung der Beschläge, sondern die überhöhte Fahrtgeschwindigkeit der Fähre.“ (Keil, 2000:265).

Eine solche Struktur bedarf allerdings auch einer sorgfältigen Interpretation: Es bedeutet nämlich nicht, dass in diesem Fall Faktor X fehlen hätte können, sondern vielmehr, dass es, 110

selbst bei Anwesenheit von X, noch den Faktor Y benötigt hat, um den Effekt überhaupt auszulösen. Der starke Einfluss, den eine bestimmte Anordnung der Informationen im Satz auf unsere Kognition, unsere Vorstellung von Ursachen und Verantwortlichen hat, wird erst klar, sobald man hierfür ein spiegelbildliches Argument anführt und X und Y vertauscht: Auch Y hätte in Abwesenheit von X für das Ergebnis nicht ausgereicht. Aus dieser Sichtweise sei X als Ursache anzunehmen (vgl. Keil, 2000:265f.). Stellt man solche Schilderungen von Sachverhalten nun in noch komplexere Zusammenhänge, indem etwa noch eine, zwei oder mehrere Zwischenstadien, bzw. Teilursachen und Teilwirkungen genannt werden, entstehen Kausalketten. Welchen Einfluss eine solche Masse an Informationen auf die LeserInnen haben kann, ist an dieser Stelle vorstellbar: Kausalketten scheinen in der Medienberichterstattung ein nicht unbeliebtes stilistisches Mittel zu sein, um die Aufmerksamkeit der LeserInnen auf bestimmte Ereignisaspekte zu lenken; dass hierbei in manchen Fällen das Agens in den Hintergrund gestellt wird, erscheint auf der Basis dieser Argumentation also durchaus vorstellbar. Nachdem nun eine sehr umfangreiche theoretische Basis für die in den Kapiteln 7 und 8 erfolgende empirische Analyse ausgelegt worden ist, wollen uns im folgenden Kapitel nun noch eingehender mit dem Konzept der Kausalität befassen.

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6 Einige Betrachtungen zur Kausalität

Bedenkt man, dass zur Kausalitätsproblematik seit Aristoteles von zahlreichen Logikern sowie von Physikern eine nahezu endlose Menge an Literatur hervorgebracht wurde, erscheint es an dieser Stelle offensichtlich, dass der Gegenstand in einer solchen Arbeit höchstens anhand einiger exemplarisch ausgewählter Charakteristika dargestellt werden kann. Eine erschöpfende und detaillierte Diskussion der Kausalitätsproblematik ist aufgrund des enormen Umfangs dieser in so vielen unterschiedlichen Wissensdisziplinen diskutierten Thematik demnach wohl kaum möglich. (vgl. Kienpointner, 1992:329). Der Berg an Literatur, welcher zur Kausalitätsproblematik hervorgebracht wurde, kann selbst nach jahrelangem Studium von einem Einzelnen nicht überblickt werden kann. Nicht zuletzt hängt die Behandlung eines so vielschichtigen und komplexen Themas wie „Kausalität“ immer auch vom aktuellen Wissensstand und von den aktuellen Begriffssystemen ab, welche zu einem bestimmten Zeitraum von der Wissenschaft bereitgestellt werden. Nichtsdestotrotz soll hier versucht werden, einführend zumindest einige repräsentative Grundzüge von Kausalität zu präsentieren ( Kap. 6.1), darunter fallen etwa einige grundlegende Begriffsdefinitionen ( Kap. 6.1.1), insbesondere die Definition der Begriffe „Ursache“ und „Wirkung“ ( Kap. 6.1.2) sowie die Frage nach der Erforschung von Kausalzusammenhängen. In der Folge soll etwas näher auf die Kausalrelation im engeren Sinne eingegangen und zentrale Kriterien für das Vorhandensein von Kausalität präsentiert werden ( Kap. 6.2). Darunter fällt auch die Nennung von wichtigen sprachlichen Mitteln wie etwa Verben und Konnektoren ( Kap. 6.2.1), welche Kausalität markieren. Des Weiteren sollen in diesem Zusammenhang aber auch die zentralsten Charakteristika von Kausalketten aufgelistet werden ( Kap. 6.2.2). Nicht zuletzt soll auch noch der Begriff der Agentivität mit dem Kausalitätsgedanken in Verbindung gebracht werden und Konzepte wie „Handlung“ und „Planung“ in das Kausalitätskonzept eingebettet werden (  Kap. 6.3).

6.1 Grundlegendes: Wann fragen wir nach Kausalerklärungen?

In seinem Artikel zum Kausalproblem schreibt Hans Titze (1981:30) Folgendes: „Die Frage nach dem Warum ist der Beginn des philosophischen Fragens überhaupt. Wenn man einen Vorgang zu verstehen glaubt, hat man […] die Ursache oder den Grund erkannt. Ursachen zu suchen ist die Methode der Einzelwissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften.“

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Das Bedürfnis des Fragens nach dem Warum scheint also ein für die Menschheit notwendiges Bedürfnis zu sein, das von höchster Bedeutung ist. Trotzdem gehen die Auffassungen, was die Existenz eines Kausalprinzips anbelangt, auseinander: Einige behaupten, nichts könne ohne Ursache geschehen, andere wiederum erkennen das Kausalprinzip aufgrund seiner Unbeweisbarkeit und Nicht-Hinterfragbarkeit nicht an (vgl. Titze, 1981:30). Warum und wann fragen wir überhaupt nach Kausalerklärungen? Frey (1981:56) versucht uns hierfür in seinem Beitrag eine Antwort zu liefern: „Wir fragen […] immer dann nach Ursachen und suchen nach einer Kausalerklärung, wenn etwas eintrifft, das unseren Erwartungen zuwiderläuft.“ In dieser Aussage wird Kausalität als Eigenschaft definiert, welche zumindest einen leichten Gegenpol zu willkürlichen, geplanten und intentionalen Handlungen darstellt. Die Kausalfrage hat nach Frey (1981:59) außer den „enttäuschten Erwartungen“ auch eine weitere Wurzel: Neben der epistemischen Wurzel hat eine Kausalfrage auch einen moralisch-ethisch-juristischen Ursprung, denn „wer nach Schuld fragt, muß auch nach verursachenden Handlungen fragen.“ (ebd.). Die Frage nach dem Wesen der Kausalität erscheint auf den ersten Hinblick eine einfache zu sein: Allerdings ist sie viel komplexer, da sie im Rahmen unterschiedlicher Begriffssysteme gestellt werden kann und sich die Antworten demnach voneinander unterscheiden können. Hinter der Frage „Was ist Kausalität?“ scheint sich also noch eine Vielzahl an weiteren Fragen zu verbergen (vgl. Posch, 1981:9). Diese sollen im Kapitel 6.1.2 kurz diskutiert werden. Als Grundlage für diese Diskussion sollen zunächst aber noch einige ganz zentrale Begriffe, welche für die Diskussion um die Thematik „Kausalität“ von Bedeutung sind, definiert werden ( Kap. 6.1.1).

6.1.1 Begriffsdefinitionen In diesem Abschnitt möchte ich eine kurze Auflistung der wichtigsten Begriffe rund um die Kausalitätsdebatte machen. Die Definitionen der folgenden Begriffe wurden aufgrund ihrer knappen und verständlichen Ausführung aus Titze (1981:32f.) übernommen:

- Das sog. Kausalproblem bezeichnet das Problem der Zusammenhänge zwischen zwei oder mehreren Vorgängen, Begriffen oder Zuständen; es ist also der Gesamtkomplex der im Folgenden definierten Begriffe. - Der Kausalbegriff ist der Allgemeinbegriff, der sich auf das Kausalproblem als Ganzes und auf seine Teile bezieht.

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- Der kausale Vorgang ist ein kontinuierlicher, zeitlich gerichteter und realer Übergang von einem Zustand in einen anderen Zustand. - Kausalität ist die Bedingung für die Entstehung eines solchen kausalen Vorganges. - Determinanten sind die Bestandteile einer Ursache. - Kausalgesetz ist der nach bestimmten, meist mathematisch formulierten Gesetzen erfolgende Übergang von einem Zustand in den anderen, welcher Voraussagen ermöglicht. - Das Kausalprinzip steht für ein Prinzip, laut welchem jeder Zustand sich nur durch eine Ursache verändern kann. - Der Grund ist das logisch und ontologisch zu einem Zustand Gehörende, das deren Möglichkeit in sich enthält. - Die Folge ist der sich aus dem Grunde ergebende logische und ontologische Zustand. - Die Ursache ist die Beeinflussung eines in sich ausgeglichenen Zustandes in einen weniger ausgeglichenen Zustand. - Die Wirkung ist der Ausgleich eines durch die Ursache gestörten, nicht mehr ausgeglichenen Zustandes. Grund und Folge sind von Ursache und Wirkung zu trennen ( Kap. 6.1.2). Die zentralen Begriffe der Ursache und Wirkung sollen im folgenden Punkt noch ausführlicher dargestellt werden.

6.1.2 Ursache und Wirkung: Traditionelle Kausalkonzepte Eng mit der Frage nach dem Wesen der Kausalität ist auch die Frage nach der sog. Ursache gekoppelt. Was ist überhaupt eine Ursache? David Hume (in: Wiesing, 2007:103) definiert die Ursache als „einen Gegenstand, dem ein anderer folgt, wobei allen Gegenständen, die dem ersten gleichartig sind, Gegenstände folgen, die dem zweiten gleichartig sind (an object, followed by another, and where all the objects, similar to the first, are followed by objects similar to the second).“

In der Ausgabe von 1756 wurde zudem noch der folgende Satz hinzugefügt: „Wobei, wenn der erste Gegenstand nicht bestanden hätte, der zweite nie ins Dasein getreten wäre (where, if the first object had not been, the second never had existed).“ (Hume, in: Wiesing, 2007:103).

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Die sog. Erscheinung der Ursache geht durch einen „gewohnheitsmäßigen Übergang“ in die „Idee der Wirkung über“. (ebd.). Auf dieser Grundlage gelangt Hume zu einer weiteren Definition der Ursache. Er bezeichnet sie nun als „einen Gegenstand, dem ein anderer folgt und dessen Erscheinen stets das Denken zu jenem andern führt (an object, followed by another, and whose appearance always conveys the thought to that other).“ (Hume, in: Wiesing, 2007:103).

Posch (1981:10f.) verweist bezüglich dieser Humeschen Definition bereits auf eine erste grundsätzliche Problematik: Kann überhaupt auf sinnvolle Weise von einem Gegenstand ausgegangen werden, welcher sozusagen “kausalfrei” ist und als „Basis“ für eine solche Ursache-Wirkungsrelation angesetzt werden kann? Diese sog. „Basis“ könnte doch genauso gut selbst das Resultat einer Ursache-Wirkungsbeziehung sein. Wenn wir von einem Gegenstand ausgehen, so gehen wir natürlich immer von einem identifizierbaren Objekt aus, welches wiederum, um überhaupt identifizierbar zu sein, selbst in einem Ursache- Wirkungsschema stehen muss. Dieser Überlegung zufolge würde ein solcher Versuch einer Definition des Konzepts „Ursache“ in einem Zirkel enden. Eine weitere Problematik nennt Posch (1981:13ff.) in der Tatsache, dass eine Ursache als Gegenstand aufgefasst wird. Vielmehr schlägt er die Auffassung der Ursache als Ereignis vor: „Spielt uns möglicherweise unsere Alltagssprache einen Streich, wenn wir Sätze, wie ‚Der Stein zertrümmerte die Fensterscheibe‘ hernehmen und dann den Stein als ‚die Ursache‘ herausdestillieren: ein Stein ist zweifellos ein Gegenstand. Es liegt jedoch näher, zwei Vorgänge anzunehmen: das Fliegen des Steins und das Zerbrechen der Fensterscheibe.“ (Posch, 1981:13).

Auch Davidson (1990:214ff.) teilt die Annahme, dass nur Ereignisse in kausalen Beziehungen stehen können. Trotzdem scheint das Kausalproblem nicht gelöst zu sein: Anstatt des „kausalfreien Gegenstandes“ wird nun von einem „kausalfreien Ereignis“ als Basis der Kausalrelation ausgegangen: „Wenn wir die Humesche Definition umformulieren und eine Ursache ‚ein Ereignis‘ nennen, ‚welches ein anderes zur Folge hat, wobei alle dem ersten ähnlichen Ereignisse solche, die dem zweiten ähnlich sind, zur Folge haben‘, laden wir uns alle Schwierigkeiten der Ereignisdiskussion auf. Es muß geklärt werden, welche Ereignisse ‚unabhängig‘ voneinander sind, ob die Kausalrelation nur zwischen unabhängigen Ereignissen besteht, ob das bewirkte Ereignis im verursachenden Ereignis ‚eingebettet‘ sein darf usw.“ (Posch, 1981:13).

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Auch Schmidhauser (1995:1) versteht die Kausalrelation als Verknüpfung von zwei Ereignissen oder Sachverhalten, von welchen das zeitlich Frühere als Ursache oder Grund und das zeitlich Spätere als Wirkung oder Folge bezeichnet wird. Sie nennt diese Struktur auch Antecedens-Consequens-Struktur. Diese Asymmetrie und Nichtumkehrbarkeit stellt eines der zentralen Charakteristika von Kausalität dar, auf welche ich noch in Kapitel 6.2 genauer eingehen werde. Schmidhauser (ebd.) definiert die Kausalrelation hierbei als „logische Kategorie“ und versteht darunter, dass zwischen zwei Inhalten zweier miteinander verknüpfter Propositionen ein innerer Zusammenhang besteht. Posch (1981:15f.) verweist aber in der Nennung der dritten Problematik bezüglich der Kausalrelation darauf, dass eine sog. „kausale Notwendigkeit“ nicht mit der logischen Notwendigkeit zusammenfallen darf, denn „A verursacht B“ ist nicht mit „Aus A folgt logisch B“ gleichzusetzen: wenn dem so wäre, dürfte nämlich B keinen anderen empirischen Gehalt als A haben. Das Ursachenereignis hat aber einen unterschiedlichen empirischen Gehalt als das Wirkungsereignis (vgl. Posch, 1981:15). Die vierte Problematik, welche Posch (1981:14ff.) bezüglich der Kausalrelation anspricht, ergibt sich gerade aus der soeben angeführten Frage nach dem Ereignis. Da für den Übergang vom sog. Ursachenereignis zum Wirkungsereignis mehrere Mikroereignisse anzunehmen sind, ergibt sich an dieser Stelle die Frage nach dem Aufhören der Ursache und dem Beginn der Wirkung. Dieses sog. „Mikroproblem der Kausalität“ scheint Posch (1981:15) zufolge wohl ein unlösbares Problem zu sein. Eine aktionistische Definition der Ursache-Wirkungsbeziehung nach Wright (1971) geht hingegen von einem System S aus, in welchem ein bestimmter Zustand α durch ein Verfahren in einen Zustand a übergeht, welcher als Ausgangspunkt einer Ereignisfolge angesehen werden kann. Die Ereignisfolge richtet sich immer nach diesem System, welches kausale Analysen wie „a ist eine notwenige und hinreichende Bedingung für b“, bzw. „a verursacht b“ zulässt (Posch, 1981:17). Diese sog. „kausale Analyse“ ist hierbei also nur auf die Relation zwischen Zustand a und Zustand b anwendbar, nicht jedoch auf die Handlung, welche den Zustand α in den Zustand a überführt. Somit wird gemäß einem solchen aktionistischen Ansatz das Konzept der „Ursache“ besser eingegrenzt: „Wenn nun für das System S gilt: In allen Fällen folgt auf einen Zustand a ein Zustand b (und sonst kein Zustand), dann ist a eine Ursache für b.“ (Posch, 1981:17). Das, was diesen Ansatz „aktionistisch“ macht, ist die Einbeziehung unseres Tuns:

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„p ist eine Ursache relativ auf q, und q ist eine Wirkung relativ auf p dann und nur dann, wenn wir dadurch, daß wir p tun, q herbeiführen könnten, oder dadurch, daß wir p unterdrücken, q beseitigen oder am Zustandekommen hindern könnten.“ (Wright, 1971:70, zit. nach Posch, 1981:17f.).

Nach einem solchen aktionistischen Ansatz fallen zumindest einige der oben genannten Probleme weg: Beispielsweise werden Mikroereignisse in dieser Diskussion nicht berücksichtigt, da lediglich auf Ereignisse innerhalb des jeweiligen Systems Bezug genommen wird. Außerdem ist es für dieses System nicht relevant, ob es eine „vorgängige Kausalität“ gibt, durch welche das System überhaupt erst entstehen konnte und demnach ist es für die Gegenstände oder Ereignisse irrelevant, ob diese „kausalfrei“ sind oder nicht. Eine solche Systemrelativität befreit von vielen Unklarheiten: „Kausalität ist dann systemrelativ notwendig“ (Posch, 1981:19), und ein solcher Notwendigkeitsbegriff geht von einem Zustand q aus, der notwendigerweise einem Zustand p genau dann folgt, wenn es aus der Sicht von p aus keine Alternativen zu q gibt (vgl. ebd.). David Lewis (1973:556ff.) bezieht sich in seiner Lösung des Kausalitätsproblems auf die Humesche Alternativformulierung der Ursache und schlägt hierzu eine kontrafaktische Auffassung von Kausalität vor: „[…] wir stellen uns die Ursache als etwas vor, das einen Unterschied bewirkt, und zwar einen Unterschied zu dem, was ohne die Ursache passiert wäre: Hätte es die Ursache nicht gegeben, dann hätte es auch ihre Wirkungen – zumindest einige und im Normalfall alle – nicht gegeben.“ (Lewis, 1981:104).

Wenn die Ursache also nicht dagewesen wäre, wäre die Wirkung nicht eingetreten (Where, if the first object had not been, the second never had existed. Hume, in: Wiesing, 2007:103). Diese kontrafaktische Auffassung, welche auch von Lyon (1967) und Mackie (1974) geteilt wurde, beschreibt den singulären Kausalsatz als dann wahr, wenn gilt (Keil, 2000:273): (1) Die Einzelereignisse X und Y sind geschehen, und (2) Wäre X nicht geschehen, so wäre auch Y nicht geschehen.58

Diese kontrafaktische Aussage analysierte Lewis genauer in seinem Beitrag zum Kausalitätsproblem: Für Lewis ist diese Alternativdefinition nicht eine Definition der Kausalität an sich, sondern vielmehr eine Definition der kausalen Abhängigkeit. Ihm zufolge

58 „If c and e are two actual events such that e would not have occurred without c, then c is the cause of e.” (Lewis, 1973:167).

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muss kausale Abhängigkeit (im Gegensatz zur Kausalität) nicht transitiv sein: wenn e von d kausal abhängig ist (d.h. in diesem Fall wenn d nicht stattgefunden hätte, wäre auch e nicht eingetreten) und d wiederum von c1 kausal abhängig ist, muss e nicht notwendigerweise auch von c1 kausal abhängig sein, denn e hätte auch durch ein anderes Ereignis eintreten können (vgl. Lewis, 1973:558ff.; 1981:113ff.). Zusammengefasst bedeutet das also Folgendes: „Wenn kausale Abhängigkeit besteht, dann besteht Kausalität (causation); nicht immer jedoch, wenn Kausalität besteht, besteht kausale Abhängigkeit.“ (Posch, 1981:20). Kienpointner (1992:330) liefert für die Definition von „Ursache“ auch die Aristotelische Vierteilung von Ursachen im weitesten Sinne, welche ich hier der Vollständigkeit halber noch auflisten möchte: Es wird zwischen formalen, bewirkenden, materiellen und finalen Ursachen unterschieden. Hierbei muss allerdings angemerkt werden, dass der erste Ursachenbegriff, nämlich jener der formalen Ursachen, mit den essentiellen Eigenschaften eines Gegenstandes, seiner sog. Substanz, zusammenfällt und dem Alltagsgebrauch von „Ursache“ eigentlich fern steht. In der alltagssprachlichen Kausalargumentation sind aber die übrigen drei Ursachentypen relevant, obwohl Aristoteles seine „Ursachen“ eher als Einzeldinge und nicht als Ereignisse definiert. Kienpointner (1992:332) sieht hierbei bewirkende Ursachen als hinreichende und notwendige Bedingungen an, wohingegen materielle Ursachen zwar als notwendige, aber nicht unbedingt als hinreichende Bedingungen betrachtet werden. Bei den finalen Ursachen stellt sich laut Kienpointner (1992:333) die Frage, ob diese überhaupt in eine naturgesetzliche Auffassung von Kausalität miteinbezogen werden können. Nicht zuletzt stellt sich hierbei auch die Frage nach dem „Ursachen“-Charakter von Intentionen.59

6.1.3 Wie erforschen wir Kausalzusammenhänge? Die Erforschung von Kausalzusammenhängen stützt sich auf die Beantwortung zweier Arten von Fragen (vgl. Frey, 1981:61). Man kann

1. nach den Ursachen für ein Ereignis fragen und/oder 2. nach generellen Kausalzusammenhängen fragen.

59 Siehe auch den oben genannten aktionistischen Ansatz von Von Wright (1971) sowie eine ausführlichere Darstellung seiner Handlungstheorie (1974) in Kap. 6.2.2.

118

In Fall 1 wird nach einer Kausalerklärung für das unerwartete Ereignis gesucht. In Fall 2 wird wird nach dem gesucht, was allgemein als Kausalgesetz bezeichnet wird. Zur Klärung der ersten Frage führt Frey (1981:61) das Hempel-Oppenheim-Schema an (vgl. Hempel, 1965, zit. nach Frey, 1981:61; vgl. auch Hempel, 1977:6):

(a) Antezedensbedinungen

C1, C2,…, Cn (b) Gesetze (generelle Hypothesen) Explanans

G1, G1,…, Gm

Explanandum E

Abbildung 8: Das Hempel-Oppenheim-Schema, modifiziert übernommen aus Frey (1981:61).

Dieses Erklärungsschema wird als deduktiv-nomologisch bezeichnet: Aus dem Explanans (wörtl.: „Das Erklärende), welches aus den Sätzen (a) und (b) besteht, ist das Explanandum E (wörtl.: „Das zu Erklärende“) deduktiv herleitbar. Unter (a), den Antezedensbedinungen, (auch: Randbedingungen), sind etwa Ereignisse oder Zustände zu verstehen, wohingegen man unter (b), den Gesetzen, allgemeine Sätze versteht, unter denen zumindest ein genereller Kausalzusammenhang ausgedrückt wird (vgl. Frey, 1981:61). Somit bedeutet dies, dass wir, wenn wir gemäß der ersten Frage nach der Ursache für ein Ereignis fragen, sich diese Frage nur beantworten lässt, wenn wir generelle

Kausalzusammenhänge kennen. Eines oder mehrere Ci können hierbei beispielsweise als eine oder mehrere Ursachen für E bezeichnet werden. Frey (1981:62) merkt zudem an, dass die Rückfrage vom Explanandum auf die Antezedenzien rein logisch gesehen keine eindeutig lösbare Aufgabe ist, da es eine logische Tatsache ist, dass man von einer Konklusion nicht auf die Prämisse rückschließen kann. Demnach ist eine Kausalforschung im Grunde genommen nie ganz eindeutig lösbar. Wir können, so Frey (1981:62f.), nie ausnahmslos alle Gesetzmäßigkeiten und Antezedenzien kennen, was vor allem bei Strafprozessen ersichtlich wird. Es können beispielsweise mehrere Ursachen angenommen werden und ob diese nun zusammengewirkt haben, ob eine davon die „gewichtigere“ war oder ob aus verschiedenen Erklärungen nur eine richtig ist, kann in vielen Fällen nicht mit hundertprozentiger Sicherheit gesagt werden. Aus diesem Grund wurde dieses H-O-Schema vor allem in den letzten 30 Jahren vermehr kritisiert.

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Ströker (1992:106f.) merkt in ihrem Beitrag zu den Schwierigkeiten des H-O-Modells zu Recht an, dass es sich um ein Idealschema handelt, welches der Explikation eines logisch- systematischen Erklärungsbegriffes dient. Durch die sog. „pragmatische Wende“ in der Wissenschaftstheorie wurde das Hempel- Oppenheim-Schema, bzw. das Deduktiv-Nomologische Modell (D-N-Modell) vermehrt kritisiert, da die ihm zugrundeliegenden Standards für kausale Erklärungen des Alltags, ja sogar in der wissenschaftlichen Argumentation eigentlich unerfüllbar sind (vgl. Keil, 2000:261). Diesem Schema zufolge sind Ursachen strikt definiert als bestimmte Ereignisse, „sofern sie als singuläre Antecedensdaten des Explanans fungieren, und sie können diese Rolle nur übernehmen, wenn zugleich entsprechende Gesetzesprämissen, und zwar vom Typus der deterministischen Gesetze, verfügbar sind.“ (Ströker, 1992:106). Vor allem wurde die Forderung abgelehnt, dass sich aus einem Explanans ein Explanandum deduzieren lassen muss. Eine pragmatisch-kontextualistische Sichtweise der Erforschung von Kausalzusammenhängen, welche sich in den letzten Jahrzehnten durchgesetzt hat, besagt Folgendes: „Was in einem gegebenen Fall als Erklärung zählt, kann nur relativ zu dem Hintergrundwissen desjenigen bestimmt werden, für den die Erklärung etwas erklärt.“ (Keil, 2000:262). Aus dieser pragmatischen Sichtweise wird also von einem Vorwissen ausgegangen, da jede Erklärung auf einen individuellen und kontextabhängigen Erklärungsbedarf abgeschnitten ist. Aus diesem Grund kann es auf Kausalfragen auch mehrere Antworten geben, da, so Keil (2000:262) „aus dem Wortlaut der Frage nicht eindeutig hervorgeht, worin der aktuelle Erklärungsbedarf besteht.“ Eine Pragmatisierung des Erklärungsbegriffes, wie er soeben vorgeschlagen wurde, ist aber nicht in jedem Fall und unter allen Umständen gegeben. Anderenfalls bräuchten wir keine zweite Grundfrage, um Kausalzusammenhänge zu untersuchen. Was also die Grundfrage 2 betrifft, so ist Folgendes zu sagen: Sie wird als die Hauptfrage der Naturwissenschaften angesehen. Hierin finden wir verschiedene Methoden, um Kausalgesetzmäßigkeiten zu erforschen. Der in diesen Disziplinen festgelegte Kausalbegriff ist fast ausschließlich auf Induktion begründet: Naturphänomene werden miteinander verknüpft, Beobachtungen werden erstellt und diese so durch Verknüpfung entstandenen Fälle als Kausalzusammenhang gedeutet. Um durch Beobachtungen aber kausale Gesetzmäßigkeiten aufzustellen, bedarf es

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bestimmter Handlungsmethoden, deren bekannteste wohl das Experiment ist (vgl. Frey, 1981:64ff.).60

6.2 Zentrale Charakteristika des kausalen Vorganges

In diesem Abschnitt möchte ich zwei Beträge präsentieren, welche eine Aufstellung einer Liste von Kriterien zum Inhalt haben, die allgemein als Grundvoraussetzungen für Kausalität angesehen werden können. Der erste Beitrag zu den zentralen Charakteristika von Kausalität ist argumentationstheoretisch ausgerichtet und stammt von einem einflussreichen Argumentationstheoretiker der Niederlande, Peter Jan Schellens (1985:82ff.). Er führt hierbei Kriterien für das Vorhandensein von Kausalität an und leitet daraus vier grundlegende Bedingungen ab, die im Falle einer Kausalrelation erfüllt sein müssen (zit. nach Kienpointner, 1992:206ff; 330ff.):

1. Das Folgen der Wirkung auf die Ursache muss eine bestimmte Regelmäßigkeit aufweisen. 2. Die Wirkung kann der Ursache nicht vorausgehen, sie muss der Ursache also zeitlich nachfolgen (temporale Asymmetrie von Ursache und Wirkung). 3. Die Ursache muss grundsätzlich veränderbar sein. 4. Unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus) führt das Nichtvorliegen der Ursache gleichsam zum Nichtvorliegen der Wirkung.

Bezüglich des Kriteriums 1 bleibt die Frage, worauf die Regelmäßigkeit in der Kausalargumentation des Alltags ontologisch beruht, außer Acht. In der Philosophie und in der Wissenschaftstheorie sind hierzu unterschiedliche Positionen vertreten worden, wobei Kausalität etwa als eine ontologische Kategorie (Kant) oder als eine „statistisch- probabilistisch zu fundierende Relation (Hume, Mill)“ aufgefasst wurde (Kienpointner, 1992:331). Frey (1981:57) schreibt in seinem Beitrag zur Kausalforschung, dass bereits seit langem klar ist, dass der Kausalnexus nicht nur eine lineare Kette von Ursachen und Wirkungen ist: Soll der Kausalnexus ontologisch verstanden werden, muss auf jeden Fall angenommen werden, dass ein jedes Ereignis als Ursache zahlreiche Wirklungen haben kann, bzw. dass ein Ereignis als Wirkung umgekehrt auch zahlreiche Ursachen haben kann. Eine solche Annahme ist zwar

60 Ich möchte an dieser Stelle nicht genauer auf die Frage 2 eingehen: Für eine ausführlichere Darstellung siehe Frey (1981:66ff.) sowie Mill (1889).

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nicht beweisbar, sie ist aber Teil der sog. „Metaphysik“ der Kausalität. Dahingegen sind in der Alltagsargumentation viele weitere Erklärungen anzunehmen, wie etwa „Schicksal“, „Wunder“ oder „Zufall“ (vgl. Kienpointner, 1992:331). Kriterium 2 ist sicherlich konstitutiv für Kausalität und wird auch dem alltagssprachlichen Gebrauch von Ursache-Wirkungsbeziehungen gerecht, allerdings müssen in diesem Fall systemtheoretische Überlegungen wie etwa jene von Von Wright (1971:76ff.; vgl. Kap. 6.1.2) davon ausgeschlossen werden (vgl. Kienpointner, 1992:331f.). Aus diesem Grund hat Schellens auch ein Schlussschema aufgestellt, welches angibt, wann ein Schluss auf das Vorliegen einer Ursache-Wirkungsbeziehung berechtigt ist (vgl. Schellens, 1985:88, zit. nach Kienpointner, 1992:206). Schellens Vorschlag eines kausalen Vorhersageschemas ist nicht allzu strikt, da er selbst auch eine breitere Auffassung des Begriffs „Ursache“ besitzt, welche auch kollektive oder individuelle Motive als Ursachen zulässt (vgl. Schellens, 1985:91, zit. nach Kienpointner, 1992:207).

A führt (im Allgemeinen) zu B

Ai ist der Fall. Also: Bi ist (wahrscheinlich) der Fall.

Auch bei kausalen Erklärungsschemata liefert Schellens eine striktere Form (wie etwa Schlüsse von Ärzten/Detektiven von Symptomen/Indizien auf Krankheiten/TäterInnen) sowie eine weniger striktere Form (wie etwa Schlüsse von Zeichen, wie dem Vorliegen gewisser Umstände auf Motive, menschliche Eigenschaften, Pläne oder Meinungen):

Bi ist der Fall. A führt (im Allgemeinen) zu B

Also: Ai ist (wahrscheinlich) der Fall

Bi ist der Fall. B ist ein Zeichen von A

Also: Ai ist (wahrscheinlich) der Fall

Unter Bedingung 3 möchte Schellens (1985:83) jene Ursachen ausschließen, welche unabhängig von Veränderungen durch den Menschen bestehen können, wie etwa Naturphänomene, darunter z.B. den natürlichen Verlauf von Flüssen, die aus diesem Blickwinkel betrachtet nur im weitesten Sinne als Ursachen z.B. für Verkehrsprobleme

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anzusehen sind (vgl. Kienpointner, 1992:206). Natürlich ist es immer auch eine Frage der Perspektive, was als „veränderlich“, bzw. „unveränderlich“ bezeichnet werden kann. Kriterium 4 entspricht der oben genannten Kontrafaktizität von Lewis ( Kap. 6.1.2). Hierbei werden von Lewis aber Ursachen und Wirkungen auf solche Ereignisse beschränkt, die durch Naturgesetze determiniert sind. Ballweg (1981:149f.) bringt gegen diese Auffassung den Einwand vor, dass auch bei Nichtvorliegen einer Ursache c1 trotzdem eine Wirkung e eintreten kann, da dieselbe Wirkung e auch durch andere Ursachen (c2, c3) hervorgebracht werden kann. Dies spricht auch Schellens in seiner Auflistung von Kriterien für das Vorliegen von Kausalität an, indem er betont, dass die Punkte 1-4 nicht die, sondern lediglich eine Ursache festlegen (vgl. Kienpointner, 1992:332). Zu den eben genannten Merkmalen schreibt Kienpointner (1992:331), dass die Kriterien 1., 2. und 4. in der Tat alltäglichen Annahmen über Kausalität nahestehen, was auch informelle Befragungen von nicht vorgebildeten SprecherInnen bestätigt haben. Dagegen ist es für Kriterium 3 vor allem schwer zu beurteilen, ob beispielsweise Naturphänomene veränderlich sind oder nicht.

Der zweite hier präsentierte Beitrag von Hans Titze (1981:30ff.) stellt die zentralen Merkmale für das Vorhandensein von Kausalität aus einem physikalischen Blickwinkel dar. Er geht in seiner Darstellung des kausalen Vorganges von einer Dreiteilung zwischen erstem Zustand, Ursache und zweitem Zustand aus (vgl. Titze, 1981:34f.). Wie bereits in Kapitel 6.1.1 angeführt, wird der kausale Vorgang als „Übergang von einem oder mehreren in einen anderen oder mehrere andere Zustände“ (Titze, 1981:33) bezeichnet, wobei Ursache und Wirkung jeweils als „Störung“ und „Ausgleich“ in diesem Prozess verstanden werden ( Kap. 6.1.1). Durch die sog. „Determinante“, welche Bestandteil der Ursache ist, wird ein Ausgangszustand „gestört“ und ist somit nicht mehr ausgeglichen. Darauf passiert dann etwas, das den Gleichgewichtszustand wiederherstellen soll, oder einfach ausgedrückt, die „Wirkung“. Für Titze (1981:35) lässt sich ein kausaler Vorgang somit vereinfacht gesagt als Übergang „von einem gestörten (weniger wahrscheinlichen) in einen ausgeglichenen (wahrscheinlicheren) Zustand“ definieren. Titze (1981:35) zufolge ist jedoch die Art und Weise des hier diskutierten Übergangs phänomenologisch nicht feststellbar; genauso bleibt für ihn die Bewirkung unerkennbar sowie auch die Frage, warum ein Zustand im Falle einer Störung in einen anderen übergehen muss. Trotz der für eine solche Darstellung des kausalen 123

Vorgangs offen bleibenden Fragen, gibt Titze (1981:35) fünf wesentliche Kennzeichen an, die für das Vorliegen von Kausalität charakteristisch sind: 1. Faktizität: Es handelt sich um tatsächliche Vorgänge und nicht um Phantasievorstellungen oder Spekulationen. 2. Verschiedenheit: Damit ein Zustand in einen anderen übergehen kann, müssen sich die beiden Zustände unterscheiden. 3. Zeitlichkeit: Der Vorgang läuft zeitlich ab. 4. Gerichtetheit: Der kausale Vorgang ist immer von einem gestörten nach einem ausgeglichenen Zustand ausgerichtet. 5. Kontinuierlichkeit: Der Übergang ist stetig.

Vergleicht man diese fünf Kriterien mit den nach Schellens (1985:82f.) genannten Kriterien so sind folgende Ähnlichkeiten festzustellen: Schellens Kriterium Nummer 1 (Regelmäßigkeit) ist beispielsweise mit Titzes Kriterien Nummer 4 (Gerichtetheit) und 5 (Kontinuierlichkeit) vergleichbar. Des Weiteren könnte Schellens Kriterium Nummer 2 (die Wirkung kann der Ursache nicht vorausgehen) mit Titzes Kriterium Nummer 3 (Zeitlichkeit) entsprechen. Das Kriterium Nummer 3 nach Schellens (die Ursache muss veränderbar sein) könnte im weitesten Sinne mit Titzes Kriterium Nummer 2 (Verschiedenheit) verglichen werden. Übrig bleiben in dieser Gegenüberstellung einzig und alleine Schellens Kriterium Nummer 4 (wenn keine Ursache vorhanden ist, dann ist auch keine Wirkung vorhanden), welches im weitesten Sinne bei Titzes Auflistung dem Kriterium Nummer 1 (Faktizität) gegenübergestellt werden kann.61

61 In Carrier (1992:83) werden ebenso vier Kriterien für Kausalität aufgelistet: Typisierung (jeweils gleichartige Ereignisse müssen miteinander verbunden werden; Regularität; Einsinnigkeit (= temporale Asymmetrie) und genetischer Prozess (die Kausalrelation beruht auf einem Erzeugungsmechanismus). Aus Platzgründen werde ich an dieser Stelle nicht genauer auf die Punkte in Carrier (1992:83) eingehen.

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Die zentralen Gedanken dieser Gegenüberstellung sollen hier nochmals in einer Tabelle übersichtlicher dargestellt werden:

Schellens (1985:82f.) Titze (1981:35) Kriterium 1: Regelmäßigkeit Kriterium 4: Gerichtetheit Kriterium 5: Kontinuierlichkeit Kriterium 2: temporale Asymmetrie von Kriterium 3: Zeitlichkeit Ursache und Wirkung Kriterium 3: Veränderbarkeit (der Ursache) Kriterium 2: Verschiedenheit (von Ursache und Wirkung) Kriterium 4: Kontrafaktizität Kriterium 1: Faktizität Tabelle 1: Ein Vergleich der Kriterien für Kausalität zwischen Schellens (1985) und Titze (1981).

Schellens Kriterien (1985:82f.) bilden gleichsam das Grundgerüst für jegliche Varianten der kausalen Argumentation aus einer deskriptiven Sichtweise. Kienpointner (1992:336ff.) gibt hierfür die folgenden möglichen deskriptiven Schemata an, welche ich an dieser Stelle noch mit Schellens (1985:82f.) Regeln und Unterscheidung zwischen „Erklärung“ und „Vorhersage“ (vgl. ebd.:77) sowie mit Kienpointners (1992:337) aufgestellter Einteilung von Kausalschemata ergänzen werde. Die Beispiele (a) bis (d) sind hierbei Ursache- Wirkungsschemata, wohingegen die Beispiele (e) bis (h) als Grund-Handlung-Folge- Schemata zu klassifizieren sind.

Varianten deskriptiver Kausalschemata Kausalität nach Schellens (1985:77; 82f.) (vgl. Kienpointner, 1992:336 ff.) (a) Wenn die Ursache vorliegt, tritt die Regel 1 (Regelmäßigkeit);

Wirkung auf. Vorhersage, Schluss von Ursachen auf Die Ursache liegt vor. Wirkungen. Also: Die Wirkung tritt auf. (b) Wenn die Ursache nicht vorliegt, tritt die Regel 4 (Kontrafaktizität); Wirkung nicht auf. Vorhersage, Schluss von Ursachen auf Die Ursache liegt nicht vor. Wirkungen Also: Die Wirkung tritt nicht auf.

(c) Wenn die Wirkung vorliegt, ist die Regel 2 (temporale Asymmetrie von Ursache Ursache vorher eingetreten. und Wirkung); 125

Die Wirkung liegt vor. Erklärung, Schluss von Wirkungen auf Also: Die Ursache ist vorher eingetreten. Ursachen (d) Wenn die Wirkung nicht vorliegt, ist die Regel 2 (temporale Asymmetrie von Ursache Ursache vorher nicht eingetreten. und Wirkung) und Regel 4 (Kontrafaktizität); Die Wirkung liegt nicht vor. Erklärung, Schluss von Wirkungen auf Also: Die Ursache ist vorher nicht Ursachen eingetreten.

(e) Wenn X ein Ziel (nur) durch Handlung Z Regel 1 (Regelmäßigkeit); erreichen kann, wird X Z ausführen. Vorhersage, Schluss von Gründen auf X kann das Ziel (nur) durch Handlung Z Handlungen. erreichen. Also: X wird Z ausführen. (f) Wenn X Handlung Y vollzieht, treten Regel 1 (Regelmäßigkeit); Folgen Z auf. Vorhersage, Schluss von Handlungen auf X vollzieht Handlung Y. Folgen. Also: Folgen Z treten auf. (g) Wenn die Folgen Z einer Handlung Regel 1 (Regelmäßigkeit); vorliegen, ist Y ausgeführt worden. Erklärung, Schluss von Folgen auf Die Folgen Z liegen vor. Handlungen. Also: Y ist ausgeführt worden.

(h) Wenn X Handlung Y vollzieht, hat X Regel 1 (Regelmäßigkeit); einen Grund (ein Motiv) Z dafür. Erklärung, Schluss von Handlungen auf X vollzieht Handlung Y. Gründe. Also: X hat Grund (Motiv) Z dafür. Tabelle 2: Gegenüberstellung zwischen deskriptiven Kausalschemata und Kriterien für Kausalität.

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6.2.1 Innersprachliche Kausalität: Strukturelle und semantische Betrachtungen zur Kausalität Schmidhauser (1995) argumentiert in ihrem Werk Kausalität als linguistische Kategorie für eine semantische Betrachtungsweise des Problemkreises „Kausalität“, da in der Darlegung eines kausalen Zusammenhangs zwischen zwei Sachverhalten vor allem semantische Relationen von zentraler Bedeutung sind. Sie (1995:8ff.) schlägt zudem eine Trennung zwischen „innersprachlicher Kausalität“ und „Kausalität im engeren Sinne“ vor.

6.2.1.1 Syntaktische Ausdrucksmöglichkeiten Für die Festlegung von Kausalität als sprachliche Kategorie, sind vor allem sog. Kausalfeldelemente (z.B. kausale Konjunktionen) von Bedeutung. Persson (1978:265f.) schreibt hierzu Folgendes: „Die Ursache-Wirkungsrelation kann […] als das Ergebnis einer universellen kognitiven Operation aufgefasst werden, die sich auf zwei Sachverhalte bezieht. Die notwendige kognitive Operation umfasst die Feststellung erstens einer zeitlichen Abfolge der Sachverhalte, wobei der Ursache-Sachverhalt dem Wirkung-Sachverhalt vorausgeht, und zweitens einer konditionalen Beziehung zwischen den Sachverhalten. Das sprachliche kausale Element hat eine konnektive Funktion, indem es Propositionen (=Sachverhalte) verbindet. (Persson, 1978:265; zit. nach Schmidhauser, 1995:70).

Es gibt viele verschiedene syntaktische Ausdrucksmöglichkeiten für eine kausale Beziehung: Kausale Nebensätze, aber auch unterschiedliche Morpheme, wie –halber und Präpositionen, wie wegen. Schmidhauser (1995:129ff.) führt hierzu 5 Großklassen von sprachlichen Mitteln (sog. „Kausalfeldelemente“) an, welche eine solche konnektive Funktion aufweisen und Kausalität ausdrücken:62 1. Konjunktionen: Es handelt sich um unveränderliche Worteinheiten, welche als syntaktische Verknüpfungszeichen ohne Satzgliedwert gebraucht werden. Konjunktionen verbinden nur gleichartige Elemente miteinander; man unterscheidet hierbei zwischen koordinierenden und subordinierenden (kausalen) Konjunktionen;

62 Ich werde Schmidhausers Auflistung (1995:129ff.) nur in ihren Grundzügen wiedergeben und demnach nur die großen Klassen mit einigen wenigen Beispielen anführen, ohne dabei Bemerkungen zu jedem Einzelbeispiel zu geben, wie sie es in ihrem Kapitel (S.129-S.189) macht; eine solche Ausführung würde den Rahmen meiner Arbeit sprengen.

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a) denn: Ein Beispiel für eine koordinierende kausale Konjunktion wäre denn, welche nur Hauptsätze miteinander verbindet. Der begründete Sachverhalt muss bei denn immer vor dem begründenden stehen. Beispiel: „Ich habe Hunger, denn ich habe den ganzen Tag nichts gegessen.“ (ebd.:140ff.). b) weil: Syntaktisch gesehen handelt es sich um eine subordinierende Konjunktion. Es ist das einzige Kausalfeldelement, welches direkt attributiv an ein Nomen angeschlossen werden kann: „Eine Beförderung, weil du der Chefin gefällst, ist ausgeschlossen.“ (ebd.:151ff.). c) da: Hierbei handelt es sich ebenso um eine subordinierende Konjunktion, welche also, syntaktisch gesehen, zu weil gehört (ebd.: 153ff.) d) zumal/ zumal da: Bei dieser subordinierenden Konjunktion ist im Gegensatz zu weil, da, eine Spitzenstellung im Satz nicht möglich: „Aus dem Ausflug wird nichts, zumal der Bus kaputt war.“ (ebd.: 167ff.). 2. Proadverbien a) Konjunktionaladverbien: Sie weisen wie alle Adverbien Satzgliedstatus auf; am Satzbeginn können sie auch die Rolle einer koordinierenden Konjunktion einnehmen. Es handelt sich um Elemente, die verweisen; sie spezifizieren aber auch die Relation, in die ein Bezugselement gestellt wird. Konjunktionaladverbien stehen im Consequens, sind aber Platzhalter für das Antecedens-Konjunkt. Beispiele hierfür wären die Konjunktionaladverbien deswegen, deshalb, darum, daher. (ebd.: 132ff.). b) Interrogativadverbien: Es handelt sich um nichtdeklinierbare Fragewörter, welche als Teilklasse der Adverbien angesehen werden. Beispiele hierfür wären weshalb, weswegen, warum: „Er möchte wissen, weshalb du ihn gefeuert hast“. (ebd.:137ff.). c) Relativadverbien: Formal gesehen sind Relativadverbien identisch mit Interrogativadverbien; sie unterscheiden sich von ihnen aber syntaktisch und semantisch (ebd.:139f.). 3. Adpositionen a) Präpositionen: Sie können im Gegensatz zu Konjunktionen, die Sätze oder Teilsätze einleiten, nur Phrasen bilden. Dadurch entstehen kausale Präpositionalphrasen (ebd.:173ff.): a_1) aus/vor: etwas aus Angst vor etw./jmd. tun, etw. aus Liebe zu jmd. tun; vor Freude weinen, vor Kälte zittern; a_2) wegen: Diese Präposition (auch Postposition) kennzeichnet einen Sachgrund allgemein, ohne Rücksicht auf eine zeitliche Verknüpfung: „Er wurde wegen

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Unterschlagung entlassen.“; „Nach dem fünften Stück Kuchen sagte sie Dankeschön, ihrer Figur wegen.“ (ebd.:182). a_3) aufgrund: Diese Präposition findet vor allem in der Wissenschafts- und Verwaltungssprache Verwendung; aufgrund ist möglich, wenn Handlungen, Zustände oder Vorgänge, nicht aber Personen in kausalen PP wiedergegeben werden: „Aufgrund von Untersuchungen/Beweisen kam man zu neuen Ergebnissen.“ (ebd.:184). a_4) dank/mangels: Sie schließen eine Größe an, deren Wirken oder Fehlen ein Geschehen bestimmt: „Dank dem schnellen Eingreifen der Feuerwehr war der Schaden gering.“ (ebd.: 185). b) Postpositionen: Sie regieren ein Substantiv oder ein substantiviertes Pronomen; b_1) halber: Sie kommt bei Substantiven wie Form, Ordnung, Kürze, Vollständigkeit, Deutlichkeit, Einfachheit, Bequemlichkeit vor (ebd.: 186). b_2) zuliebe: Es ist meist ein personenbezogenes Adverbial, durch das ein Geschehen als für jmd. positiv bewertet wird: „Ich lade ihn nur dir zuliebe ein.“ (ebd.:187). b_3) zufolge: Es weist auf eine Veranlassung hin und gibt an, dass etwas die Folge von etwas ist: „Seinem Wunsch zufolge wurde die Feier verschoben“. (ebd.:188). c) Zirkumpositionen: Sie regieren ein Substantiv; c_1) um...willen: „Um seiner Gesundheit willen hat er das Rauchen aufgegeben.“ (ebd.: 189). c_2) von…wegen: Es ist nur noch in wenigen Wendungen erhalten: von Rechts wegen, von Amts wegen. (ebd.:189). Schmidhauser (1995:9) weist zudem darauf hin, dass solche Kausalfeldelemente aber auch in Texten Verwendung finden können, ohne dass durch sie automatisch die Sprachhandlung „Begründen“ entsteht. Andererseits gibt es auch Begründungen, welche ohne ein kausales Element auftreten. (vgl. ebd.:13). Analog dazu sind auch für Kienpointner (1992:343) als „kausal“ bezeichnete Konnektoren, wie etwa „weil“, „da“ oder kausale Proformen wie etwa „deshalb“, „deswegen“, „darum“ in vielen Fällen nicht ausreichend um Kausalschemata intern abzugrenzen, da sie eben nicht nur auf Kausalschemata begrenzt sind.

6.2.1.2 Semantische Ausdrucksmöglichkeiten: Die Theta-Rollen Ursache und Agens In der obigen Ausführung hat sich gezeigt, dass mit „syntaktischer Ausdrucksmöglichkeit“ ein sehr umfassender Bereich gemeint ist: Er umfasst alle formalen 129

Realisierungsmöglichkeiten, welche den Ausdruck eines Kausalbezuges in einer bestimmten Situation ermöglichen (vgl. Schmidhauser, 1995:40). Auf der Basis dieses Gedankenganges, schlägt Schmidhauser (1995:44) vor, zu einem semantischen Ansatz zu greifen. Wir müssen demnach also eine semantische Kategorie des Kausalen definieren. Sie schlägt vor, außer den bereits genannten klassischen Kausalfeldelementen wie kausalen Konjunktionen, Präpositionen usw., auch den verbalen Sektor selbst ins Blickfeld zu nehmen: Die semantische Kategorie des Kausalen wird von Schmidhauser (ebd.) durch das Semem (Merkmal) [caus] beschrieben. Hierzu führt Schmidhauser (1995:44ff.) insgesamt 4 Großklassen von Verben an, welche ein sog. „semantisches Prädikat [caus] aufweisen, und demnach dazu dienen, eine Kausalbeziehung herzustellen: a) Relationsverben (auch: Abstraktverben): Darunter versteht man Verben, welche zwei Sachverhalte aufeinander beziehen. Beispiele hierfür wären etwa Verben wie verursachen, hervorrufen, bewirken, etc. b) Causa-Verben: Hierbei handelt es sich eigentlich um Relationsverben, welche aber nicht zwischen Sachverhalten, sondern zwischen Gegenständen oder Personen stehen; genauer gesagt muss zumindest die Subjektrolle im Aktivsatz von einer Person oder einem Gegenstand eingenommen werden. Causa-Verben können auch „Handlungsverben“ sein, deren „Handlung“ in nichts anderem besteht, als dem Element [caus] (z.B. verursachen, bewirken). Beispiele hierfür wären: Die Radiosendung bewirkte Panik im ganzen Land. Er bewirkte, dass die Verhandlung verschoben werden musste. c) Kausativverben63 c_1) Im engen Sinn: Helbig/Buscha (1986:48f.; 70ff.) ordnen Kausativverben den transitiven Handlungsverben zu. Kausativverben bezeichnen hierbei einen Übergang von Zustand 1 in Zustand 2, wobei in diesem Übergang sowohl ein Aktionselement als auch ein Vorgangselement steckt. Da es also eine Kombination von zwei

63 Persson (1878265f.) besteht auf einer Trennung zwischen „kausal“ und „kausativ“: Er bezeichnet die kausative Struktur als Wiedergabe einer Ursache-Wirkungsrelation, welche aber auch eine Handlungskomponente inkludiert. Sie ist somit komplexer als die kausale Struktur.

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verschiedenen Prädikaten geben kann, sind dafür auch zwei Fragen (für Tätigkeit und Vorgang) möglich. Ein Beispiel hierfür wäre: - Er zerbrach die Tasse. 1. Was tat er?  Er zerbrach die Tasse. (Tätigkeit). 2. Was geschah?  Die Tasse zerbrach. (Vorgang).

Weitere Kausativverben sind etwa ertränken, fällen, schwärzen, Funktionsverbgefüge wie in Gefahr bringen, in Angst versetzen, in Bewegung setzen sowie kausative Nominalprädikate, wie etwas eine schwarze Färbung verleihen (mit kausativem Verhältnis, da „ein Gegenstand unter der Einwirkung eines anderen eine bestimmte Eigenschaft annimmt“, Helbig/Buscha, 1986:354) etc. Diese Zerlegung ist bei nicht- kausativen Verben wie essen, schreiben, schlagen, helfen nicht möglich. c_2) Kausativverben in einem weiteren Sinn: Beispiele hierfür wären etwa die Wand mit Plakaten bekleben, den EmpfängerInnen die Post zuleiten. d) Sonstige Verben mit semantischem Prädikat [caus]: d_1) Mitteilungsverben: mitteilen, sagen, schreiben, verschweigen, anvertrauen, nennen; (Helbig/Buscha, 1986:357). d_2) Gegenstands-Weitergabeverben: geben, nehmen, schenken, verkaufen, borgen, verderben, überlassen, rauben, entwenden, deren semantische Struktur als „X bewirkt, dass Y Z hat“, zu beschreiben ist (ebd.:359). d_3) Verben wie verarbeiten, machen zu, entwickeln zu, umwandeln zu, deren semantische Struktur die allgemeine Form „X bewirkt, Y wird zu Z“ hat (vgl. ebd.:364). d_4) Verben wie jmd. zu etwas verleiten, jmd. auf etwas hinlenken, jmd. für etwas gewinnen; (ebd.). d_5) Verben wie zeigen, vorführen, demonstrieren, etwas präsentieren, etc.: Bei zeigen wäre die abstrakte Formel „X bewirkt, dass Y Z sieht/erkennt.“ (ebd.:165). d_6) Verben wie jmd./einer Sache entgegentreten/begegnen: Ein Satz wie „Wir treten den Gerüchten entgegen“, wäre zu erklären als „Wir bewirken, dass sich die Gerüchte nicht ausbreiten“ (ebd.:343). d_7) Verben, die eine negative kausale Beziehung ausdrücken, wie z.B. scheitern: „Die Aufführung scheiterte an dem Chor“, wäre zu paraphrasieren als „Dass der Chor schlecht sang, bewirkte, dass die Aufführung misslang“ (ebd.:352). 131

Für die oben angeführten Verben gilt also, dass ein semantisches Merkmal [Kausalbeziehung] beteiligt ist. Schmidhauser (1995:67) zufolge ist es also ersichtlich, „dass wir aufgrund der Beschreibung des Verbalrahmens zu einer Unterscheidung zwischen agentiven, nichtkausalen Strukturen (AGENS/VERURSACHER) einerseits und sachverhalts-relationalen, kausalen Strukturen (URSACHE–WIRKUNG) andererseits gelangen.“ (Schmidhauser, 1995:67).

Die Subjektposition muss also entweder mit der semantischen Rolle (Theta-Rolle) Agens, bzw. Ursache belegt sein (vgl. Schmidhauser, 1995:48). Helbig/Buscha (1986:560) unterscheiden Agens und Ursache durch das Merkmal [belebt] für Agens und [unbelebt] für die Ursache-Rolle. Beispielsweise wäre „Der Wind“ in „Der Wind schüttelt die Äste“ als Ursache und nicht als Agens zu verstehen (ebd.:173).64 Die semantische Rolle Ursache kann zudem noch in anderen Kontexten vorkommen: a) Bei Verben des psychischen Vorgangs wie sich über etwas ärgern: „Dass Thomas nicht kommt, ärgert mich“; in diesem Satz wäre dem Subjektsatz „Dass Thomas nicht kommt“ die semantische Rolle Ursache zuzuweisen (vgl. ebd.:174). b) Bei Instrumentalbestimmungen und fehlendem Agens: „Durch den Brand wurde das Dorf verwüstet.“ Hierbei wird der „Brand“ als Ursache angesehen (ebd.:338).

An dieser Stelle soll nun noch der Terminus der Kausalketten in den Rahmen einer klassischen Charakterisierung von Kausalität gestellt werden sowie die wichtigsten syntaktischen Mittel genannt werden, welche für das Zustandekommen einer solchen Kausalkette eingesetzt werden.

64 Allerdings ist hier auch anzumerken, dass eine Unterscheidung aufgrund des Merkmals [belebt] nicht unbedingt in allen Fällen passend erscheint: So können beispielsweise auch unbelebte Elemente die Rolle des „Agens“ im Satz übernehmen; vgl. etwa den Beispielsatz in Schmidhauser (1995:56): Das Auto fährt nach Leipzig). Helbig/Buscha (1986:321) merken aber auch an, dass es weitere Merkmale gibt, um zwischen Agens und Ursache zu trennen: Hierbei wird die Agens-Rolle als Träger eines Vorgangs, bzw. als einen anderen Vorgang verursachend (ebd.), sowie durch die Willkürlichkeit der Steuerung einer Handlung gekennzeichnet (vgl. ebd.).

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6.2.2 Kausalketten als Beispiele für indirektes Verursachen Für Lewis (1973:558ff.) besteht eine Kausalkette c, d, e… dann, wenn d von c kausal abhängig ist und e wiederum von d usw. Ein Ereignis ist die Ursache für ein anderes „wenn eine Kausalkette vom ersten zum zweiten führt“ (Posch, 1981:20). In Davidson (1990:95f.) findet sich eine interessante Aussage, welche das Faktum untermauert, dass im Falle einer Kette von mehreren kausal aufeinanderfolgenden Ereignissen, wie es typischerweise in Kausalketten der Fall ist, die Verantwortlichkeit für das Ergebnis einer Handlung, sofern sich dazwischen mehrere Stadien konstatieren lassen, nicht notwendigerweise auf die handelnde Person fällt, da diese meist nur mit der ursprünglichen, diese Kette auslösenden Handlung in Verbindung gebracht werde und nicht notwendigerweise mit dem Ergebnis der Handlung: „Wir können die Verantwortung oder Haftbarkeit für eine Handlung zwar tatsächlich zur Verantwortung oder Haftbarkeit für ihre Konsequenzen erweitern, doch dies tun wir nicht, indem wir dem Handelnden eine neue Handlung aufbürden, sondern indem wir darauf hinweisen, daß seine ursprüngliche Handlung jene Resultate gezeigt hat.“ (Davidson, 1990:95f.).

Kausalketten eröffnen uns eine andere Perspektive der Konzeptualisierung eines Ereignisses, denn durch die Darstellung als Verkettung von vielen Teilereignissen identifizieren wir die handelnde Person wohl eher als Auslöser und es entsteht ein Gesamtbild, in welchem ein größerer Fokus auf Teilresultate dieser auslösenden Handlung gelegt wird: „Die Kenntnis, daß Handlung a ein bestimmtes Ergebnis hat, erlaubt uns zwar, den Handelnden als Ursache dieses Ergebnisses zu beschreiben, was jedoch bloß eine bequeme Art der Neubeschreibung der Handlung a ist, und mit Bezug auf sie ist es, wie wir gesehen haben, witzlos zu sagen, der Handelnde sei ihre Ursache.“ (Davidson, 1990:98).

Mit anderen Worten ausgedrückt tendieren wir wohl eher dazu, in einer Kausalkette, in welcher ein handelndes Subjekt am Beginn steht und durch eine Teilhandlung eine andere Handlung verursacht, welche wiederum eine weitere Teilhandlung bewirkt usw., die handelnde Person lediglich als Ursache und als verantwortlich für die darauffolgenden Teilhandlung einzustufen und nicht notwendigerweise für das am Ende dieser Kette stehende Ergebnis (vgl. Davidson, 1990:98). Das am Anfang der Kette stehende Subjekt könnte hierbei höchstens als indirekte Ursache, bzw. als indirekter Verursacher des durch die Kausalkette ausgelösten Endergebnisses bezeichnet werden. Keil (2000:289) schildert diesen Gedanken an einem Beispiel: Es sei ein zurückliegendes Ereignis X gegeben; dieses X liegt in der „kausalen Vorgeschichte“ eines 133

Ereignisses Z. Befindet sich zwischen den beiden Ereignissen ein Zwischenereignis Y, so wäre Y sowohl als Wirkung von X als auch als Ursache von Z anzusehen. Wenn die Kausalrelation transitiv wäre, so müsste man aber auch X als Ursache von Z anerkennen: „X  Y, Y  Z ergo X  Z (vgl. Keil, 2000:289). Bei einer längeren Kausalkette aber „sind wir dazu geneigt zu sagen, daß das erste Glied zu weit entfernt vom letzten Glied ist, um als dessen Ursache gelten zu können.“ (Keil, 2000:289). Die traditionelle, unter den Philosophen weitverbreitete Annahme der Transitivität der Kausalrelation scheint also in einigen besonderen Fällen und darunter sicherlich auch im Alltag nicht notwendigerweise zuzutreffen, denn „mit wachsendem kausalem Abstand zweier Ereignisse, die über eine Kette kontrafaktischer Abhängigkeiten miteinander verbunden sind, ‚verdünnt‘ sich der kausale Einfluß des ersten Ereignisses so weit, daß uns das Kausalurteil irgendwann nicht mehr plausibel erscheint.“ (Keil, 2000:289).

Wäre dem nicht so, so könnte man beispielsweise den Flügelschlag eines Schmetterlings als Ursache für einen Wirbelsturm ansehen (ebd.); Man versucht dieses Transitivitätsproblem durch die Einführung von Begriffen wie indirekte Ursache, bzw. indirekte VerursacherInnen zu lösen. Hierbei stellt sich natürlich die Frage, was überhaupt in dem Zeitabschnitt zwischen einer indirekten Ursache und der Wirkung passieren darf oder nicht, bzw. wenn es schon kausaler Zwischenstadien bedarf, um eine bestimmte Wirkung auszulösen, inwiefern können wir überhaupt noch von einem „kausalen Beitrag des ersten Ereignisses“ sprechen? (Keil, 2000:290). Keil (ebd.) zufolge lautet eine Standardantwort dazu, dass „X, Y und Z durch eine Kette kausaler Abhängigkeiten untereinander verbunden sind.“ Auf jeden Fall zeigt sich an solchen Beispielen von Kausalketten, dass Kausalität vor allem im Alltag nicht-transitiv ist. Dies könnte auch eine mögliche Erklärung dafür sein, warum bei solchen Kausalketten die Tendenz vorherrschen könnte, die Aufmerksamkeit vom Agens weg, hin zu anderen Zwischenereignissen und Stufen zu lenken. Das eine Kette auslösende Subjekt könnte, wie im Falle dieser nicht-transitiven Relation als „zu weit entfernt“ vom Ergebnis der Handlung identifiziert und damit als nicht oder nur teilweise verantwortlich für das Endereignis wahrgenommen werden. Keil (2000:290) spricht im Zusammenhang mit der Distanz auch von sog. „Stör-und Interventionsmöglichkeiten“, die zwischen das handelnde Subjekt und das Ergebnis der Handlung treten können. „Je mehr nach dem Eintreten von X noch hätte dazwischenkommen können, was das Eintreten von Z verhindert hätte, desto

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unplausibler erscheint das Kausalurteil X hat Z verursacht.“ (ebd.). Das, was zwischen den Anfangs- und Eckpunkten einer solchen Kette liegt, sind natürlich weitere Ereignisse. Keil (2000:296) folgert aus den obigen Überlegungen, dass die Annahme der Transitivität der Kausalrelation schlecht mit unserer alltäglichen kausalen Urteilspraxis zu vereinbaren ist, er geht sogar noch weiter und bezeichnet sie als „falsch.“ (vgl. ebd.). Tomasello (2006:195ff.) zufolge gibt es immer unzählige Möglichkeiten, um eine einzelne Szene zu beschreiben, jedoch bedarf es dazu nur weniger grundlegender Sprachkonstruktionen auf der Satzebene.65 Es hängt hierbei immer von den Kommunikationszielen der SprecherInnen ab, warum etwa bestimmte Beschreibungen gegenüber anderen bevorzugt werden. Kausalketten können hierbei eines der möglichen Mittel sein, um in der Präsentation eines Ereignisses die Aufmerksamkeit auf andere Handlungsumstände zu lenken. Für die syntaktische Realisierung von Kausalketten ist vor allem der Einsatz von Relativsätzen, welche sich also auf ein bestimmtes, vorausgehendes Substantiv beziehen, bedeutsam. Das zeigt sich beispielsweise an Boroditskys (2011b:64) Beispielsatz (I’m the guy, who pulled the trigger, that fired the round, that hit Harry.). Hierbei hat das Relativpronomen als Einleitewort Satzgliedwert im eingebetteten Satz und es setzt in beiden Gliedsätzen ein identisches Element voraus. Bei der Einbettung wird gerade dieses identische Element (hier z.B.: guy) im eingebetteten Satz durch das Relativpronomen ersetzt, welches somit eine Identitätsbeziehung zu seinem Bezugselement im übergeordneten Satz signalisiert (vgl. Helbig/Buscha, 1986:643).

65 Tomasello (2006:197) liefert hierzu die folgenden Beispiele: Fred zerbrach das Fenster. Der Stein zerbrach das Fenster. Fred zerbrach das Fenster mit einem Stein. Das Fenster zerbrach. Das Fenster wurde zerbrochen. Das Fenster wurde von einem Stein zerbrochen. Das Fenster wurde von Fred zerbrochen. Das Fenster wurde von Fred mit einem Stein zerbrochen. Es war Fred, der das Fenster zerbrach. Es war der Stein, der das Fenster zerbrach. Es war das Fenster, das zerbrach. Es war das Fenster, das zerbrochen wurde.

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6.3 Kausalität und Handlung

Der Zusammenhang zwischen den Konzepten „Kausalität“ und „Handlung“ im weitesten Sinne wurde bereits in Kapitel 6.1.2 in der Anführung des Handlungsansatzes von Von Wright angesprochen. Dieser Zusammenhang soll hier nochmals Thema dieses kurzen Kapitels sein. Allerdings sei auch angemerkt, dass bezüglich dieses Begriffes, nahezu wie für den Problemkreis der Kausalität, in den vielen Jahrhunderten der Wissenschaftsgeschichte unzählige Bibliotheken mit den verschiedensten Ansätzen und Definitionen geschaffen wurden, welche aus den unterschiedlichsten Disziplinen wie Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Sozialwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Soziologie, Politologie, Sprachwissenschaft u.v.m. stammen. Eine erschöpfende Darstellung des Handlungsbegriffes kann demnach nicht Ziel dieser Arbeit sein. Vielmehr sollen nur einige ganz zentrale Gedanken zum Begriff des Handelns präsentiert werden, um sie mit unserem Problemkreis der Kausalität in Verbindung zu setzen. Es scheint trotz der relativ klaren Inhaltsrelation der Kausalität ziemlich stark divergierende Auffassungen menschlichen Handelns zu geben (vgl. Kienpointner, 1992:345). In Persson (1978:266) wird eine Handlung als „der verändernde Eingriff in die Natur definiert, wobei auch die Unterlassung des Eingriffs als Handlung gilt […]. Eine Handlung bezieht sich auf einen Sachverhalt, einen Handlungssachverhalt, der ein Individuum oder Individuen involviert […]. Der Handlungsbegriff wäre nun nicht voll erfasst ohne die Feststellung, dass jeder Handlung eine Ursache-Wirkungs-Relation insofern zugrunde liegt, als eine konditionale Beziehung folgender Art formuliert werden kann: Wenn der Handelnde durch seine Handlung in die Natur nicht eingreifen würde, dann gäbe es auch keine Veränderung.“ (Persson, 1978:266).

Von Wright (1974:91) bestreitet aber, dass Handlungen sowie deren Unterlassungen als „Wirkungen“ von Intentionen in einem naturgesetzlichen Sinne aufgefasst werden können. Eine kausale Erklärung einer Ursache-Wirkungs-Relation im engeren Sinne ist für ihn klar von einer teleologischen Erklärung von Handlungen durch Intentionen zu unterscheiden (vgl. Von Wright, 1974:83, zit. nach Kienpointner, 1992:333). In Von Wrights (1971:70) aktionistischem Ansatz wird der Handlungsbegriff wie folgt definiert: „p ist eine Ursache relativ auf q, und q ist eine Wirkung relativ auf p dann und nur dann, wenn wir dadurch, daß wir p tun, q herbeiführen könnten, oder dadurch, daß wir

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p unterdrücken, q beseitigen oder am Zustandekommen hindern könnten.“ (Von Wright, 1971:70, zit. nach Posch, 1981:17f.).

Handlungen werden Von Wright zufolge eben nicht gesetzmäßig-kausal aus Intentionen abgeleitet, sondern nur „durch die Absichten/Ziele/Zwecke des Agens ‚motiviert‘, bzw. verstanden.“ (Kienpointner, 1992:333). Verstehen wir Handlungen also als Tätigkeiten mit bestimmten Zwecken und Zielen, so wird hier auch gleichzeitig der enge Zusammenhang zwischen Handlung und Kausalität klar, oder um es mit den Worten von Frey (1981:68f.) auszudrücken: „Wir können Ziele und Zwecke nur insofern zu verwirklichen versuchen, als wir ein Wissen darüber haben, welche Folgen, bzw. Wirkungen, unsere unmittelbaren Tätigkeiten haben. […] Wir brauchen also kausale Kenntnisse um Sinne kausaler Gesetzmäßigkeiten, um zweckmäßig und zielgerichtet handeln zu können.“ (Frey, 1981:68f.).

Wenn wir also planen, eine Handlung auszuführen, können wir das nur auf der Grundlage einer bestimmten Prognose machen, eine Prognose darüber, was wir als zukünftiges Ergebnis erwarten (vgl. ebd.). Davidson spricht in diesem Zusammenhang auch von Handlungskausalität (vgl. Davidson, 1990:85). Handlungen sind also stets zweckgerichtet und werden teleologisch erklärt (Von Wright, 1974:93; zit. nach Kienpointner, 1992:333): A beabsichtigt, p herbeizuführen. A glaubt, daß er p nur dann herbeiführen kann, wenn er a tut. Folglich macht sich A dran, a zu tun.

Dieser praktische Schluss kann jedoch nicht an Tatsachen verifiziert werden, denn das Verstehen der Intention ist für die Beurteilung der Prämissen und der Konklusion Voraussetzung (vgl. Von Wright, 1974:109, zit. nach Kienpointner, 1992:333f.). Eine gewisse Zirkularität scheint an dieser Stelle also nicht vermeidbar zu sein: Voraussetzung für das Verstehen und eine teleologische Erklärung von Handlungen ist hierbei die Zugehörigkeit zu kulturellen Gemeinschaften. Dass eine Darstellung von Kausalität und Handeln als zwei Gegenpole wohl eher realitätsfern wäre, wird in Krüger (1992:10ff.) verdeutlicht. Zwischen Kausalität und bewusstem, zielgerichtetem Handeln besteht ein viel engerer Zusammenhang als man vielleicht denken würde: „Wir verfolgen oft von einem interessierenden Ereignis aus die Wirkungsketten nach rückwärts, bis wir zu einer frei handelnden Person gelangen, im Normalfall jedoch 137

nicht durch diese Person hindurch zu noch weiter zurückliegenden Umständen. […] So zu verfahren, hat gute Gründe: Allerlei mag auf eine frei handelnde Person einwirken; wenn sie nur frei ist, wird sie gleichwohl ein realer Verzweigungspunkt des Geschehens, also eine Ursache sein können, die für das, was tatsächlich geschieht, verantwortlich gemacht werden kann.“ (Krüger, 1992:11).

Selbst Von Wright (1971:75) hat den engen Zusammenhang zwischen Kausalität und Handeln dargelegt: „[…] eine Relation zwischen Ereignissen als kausal ansehen heißt, sie unter dem Aspekt einer (möglichen) Handlung ansehen.“ Kausalität und Handlung scheinen diesen Auffassungen zufolge eher als miteinander verknüpfte Elemente zu gelten und sich auf einem Kontinuum zu bewegen, auf welchem eben nicht immer eine klare Grenze gezogen werden kann, sondern vielmehr unterschiedliche Grade von Kausalität, bzw. von Verantwortlichkeit/bewusstem Handeln/intentionalem Durchführen von Handlungen je nach Situation und Kontext angenommen werden können. Ein solcher Gedanke lässt sich auch untermauern, indem man beispielsweise unterschiedliche Handlungsverben betrachtet, welche aber selbst mehr oder weniger kausalen Gehalt in sich tragen ( Kap. 6.2.1). Interessant erscheint an dieser Stelle auch die Handlungsdefinition von Davidson (1990:75ff.): Wo Von Wright eine Handlungsdefinition liefert, in der es vor allem um Absichten, Zwecke und Ziele eines Individuums geht, betrachtet Davidson die Absichtlichkeit zwar als eine hinreichende, aber nicht unbedingt als notwendige Bedingung für das Vorhandensein einer Handlung, denn Absichtlichkeit impliziert zwar ein Handeln, aber umgekehrt muss ein Handeln nicht unbedingt Absichtlichkeit implizieren. Er nennt als Beispiele hierfür das Verschütten von Kaffee, das entweder absichtlich oder unabsichtlich passieren kann, aber trotzdem werden beide als Handlungen bezeichnet. Sobald es aber darum geht, zu entscheiden, wer die UrheberInnen einer bestimmten Handlung, bzw. die VerursacherInnen eines bestimmten Ereignisses sind, so scheint auch in Davidson (1990:77) der Faktor „Absichtlichkeit“ im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen: „Jemand ist der Urheber einer Handlung, sofern sich, was er tut, unter einem Aspekt beschreiben läßt, durch den sein Tun zu einem absichtlichen wird.“ Trotzdem ist es nicht in allen Fällen so einfach zu entscheiden, ob eine Handlung wirklich absichtlich ausgeführt wurde oder nicht, bzw. kann man auch schwer Kriterien aufstellen, anhand welcher man den Absichtlichkeitsgrad von Handlungen messen kann. Es hängt wohl immer vom jeweiligen Kontext, Kulturkreis sowie von zahlreichen Faktoren, die aus dem weltanschauungs- und

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definitorischen Bereich stammen, ab, was als „absichtlich“ oder „unabsichtlich“ definiert wird. Kienpointner (1992:334) weist zu Recht darauf hin, dass gerade Probleme der alltagssprachlichen und juristischen Diskussionen zeigen, dass „ohne ein bestimmtes gruppenspezifisches Verständnis ‚ein und dasselbe‘ äußerlich wahrnehmbare Verhalten als Handlung oder Nichthandlung, als ‚Mord‘, ‚Totschlag‘ oder ‚Notwehr‘ klassifizierbar bzw. bewertbar ist.“ Man sollte demnach zwischen Ursachen und Wirkungen, welche auf naturgesetzlicher Kausalität beruhen und zwischen „Ursachen“ für Handlungen, sog. „Gründen“ und „Folgen“ von Handlungen unterscheiden ( Kap. 6.1.1). Die in Kapitel 6.1.2 genannte finale Ursache von Aristoteles kann auf dieser Basis als „Grund“ für Handlungen angesehen werden (vgl. Kienpointner, 1992:334). In der Kausalargumentation des Alltags geht es sehr selten um natürliche, vom Menschen nicht beeinflusste Ursache-Wirkungsketten. In den meisten Fällen werden solche Ursache- Wirkungsrelationen in Verbindung mit menschlichen Handlungen sowie deren Gründen und Folgen gebracht, welche sie beeinflusst oder ausgelöst haben (vgl. Kienpointner, 1992:344). Kienpointner (ebd.) stellt diesen zentralen Gedanken anhand eines Schemas klar dar:

Gründe ------Handlungen ------Ursachen ------Wirkungen Folgen

Abbildung 9: Schema der alltagssprachlichen Kausalargumentation, modifiziert übernommen aus Kienpointner (1992:344).

Von Wright betrachtet Ursachen im engeren Sinne als Ergebnisse von Handlungen, welche bestimmte Wirkungen hervorrufen, wenn der Mensch nicht eingreift. „Durch das Ausführen oder Unterlassen von Handlungen setzt der Mensch also Ketten von Ursachen und Wirkungen in Gang oder läßt sie ablaufen, ohne in das kausale Geschehen einzugreifen.“ (Kienpointner, 1992:334). Gerade solche Ketten sind die bereits in Kap. 6.1.2 genannten „Systeme“, die durch einen Anfangszustand eine Reihe von Entwicklungsstufen mit einer bestimmten Menge an alternativen Entwicklungsmöglichkeiten sowie einem Endzustand gekennzeichnet sind, worunter auch Prozesse und Ereignisse fallen. Serien von Bedingungsrelationen legen hierbei die Abfolge der Zustände im System fest. Je nach Verkettung ist ein Zustand nun eine hinreichende, eine notwendige oder eine hinreichende und notwendige Bedingung (vgl. ebd.).

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Die aristotelischen Ursachen lassen sich auf dieser Basis nun genauer analysieren: Die bewirkende Ursache stellt eine Kombination zwischen Handlungen eines Agens und die durch das Agens ausgelösten kausalen Ketten mit ihren notwendigen und hinreichenden Bedingungen oder nur mit den hinreichenden Bedingungen dar. Die materielle Ursache stellt eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung dar und bei der finalen Ursache handelt es sich um Gründe, d.h. Intentionen, Ziele und Zwecke. Von Wright (1974:86) trennt auch Reflexhandlungen, also Aktivitäten, denen jegliche Form von Intentionalität fehlt, von Handlungen im engeren Sinne ab. Die Grenze zwischen Ursache-Wirkungs- und Grund- Folge-Relation ist allerdings je nach alltagssprachlicher und wissenschaftlicher Weltanschauung unterschiedlich (vgl. Kienpointner, 1992:335). Laut Kienpointner (1992:344) ist vor allem im Alltag oft nicht ganz klar, ob bestimmte Sequenzen von Ereignissen als Natur- oder als Handlungsprozesse zu verstehen sind. Gerade an dieser Stelle gelangen Probleme der Verantwortlichkeit, der Vorhersehbarkeit und der Zurechnungsfähigkeit ins Spiel (es gibt viele „Facetten“ des Handelns: Handeln unter starken Emotionen, Handeln unter Zwang, oder aufgrund mangelnder oder falscher Informationen, Handeln in gutem Glauben, unabsichtliches Handeln etc.). Dieses Gebiet scheint also reichlich Platz für Meinungsverschiedenheiten zu liefern: Wann ist eine Handlung als absichtlich oder unabsichtlich zu bezeichnen und welche Umstände und Faktoren müssen vorhanden sein, damit einer Person für eine bestimmte Handlung mehr oder weniger Verantwortlichkeit zugeschrieben wird? Hans Lenk (1987:221f.) liefert hierzu den folgenden Handlungsbegriff: „Handlungsbegriffe müssen aus Gründen der Alltagsadäquatheit, der Zuordenbarkeit zu beobachtbaren Feldphänomenen und aus theoretisch-wissenschaftlichen sowie wissenschaftstheoretischen Gründen wenigstens als situations-, kontext- und institutionsabhängige, regelbezogene, normen-, wert- und/oder zielorientierte, systemhaft eingebettete Begriffe des Verhaltens aufgefaßt werden, das zumindest partiell ablaufkontrolliert und/oder teilbewußt oder motiviert ist und einem personalen oder kollektiven Akteur zugeschrieben wird – eben als ein von diesem durchgeführtes Handeln. (Lenk, 1987:221f.).

Trotz der relativ klaren Inhaltsrelation der Kausalität scheint es also doch stark divergierende Auffassungen zu geben. Vor allem sind an dieser Stelle die Interpretabilität menschlicher Handlungen und ihre zugrundeliegenden Intentionen zu nennen, welche viel Platz für unterschiedliche Auffassungen von „Handlung“ schaffen. Ein „weltanschauungneutrales“,

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bzw. „theorieneutrales“ Bild von kausalen Zusammenhängen zu erstellen, scheint demnach eine wohl kaum erreichbare Idealvorstellung zu sein (vgl. Kienpointner, 1992:345).

Es gibt also keine definitive Antwort oder Lösung für das hier diskutierte Kausalproblem. Es können lediglich eine Vielzahl an Lösungsvorschlägen präsentiert werden, welche diese komplexe Fragestellung aus jeweils unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Die Frage nach der Kausalität zerfällt notwendigerweise in ein breiteres Spektrum von Zwischenfragen, welche im Einzelnen wissenschaftlich mehr oder weniger vollständig beantwortet werden können.

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7 Empirische Analyse zur Darstellung von handelnden Personen in der Medienberichterstattung am Beispiel der Skandalbank Hypo-Alpe Adria

In diesem Kapitel soll nun der empirische Teil der Arbeit präsentiert werden. Die grundlegende Frage, welche in dieser Untersuchung auf der allgemeinsten Ebene von Interesse ist, ist zunächst einmal zu überprüfen, ob Medienberichte tatsächlich ein-und dasselbe Geschehen in unterschiedlichen Beiträgen auch sprachlich so unterschiedlich konstruieren, dass sich daraus eventuell unterschiedliche Bilder des Geschehenen ergeben. In einem spezielleren Sinne werde ich in dieser Untersuchung bewusst nach konkreten Beispielen für Medienberichte suchen, in denen Kausalketten als sprachliches Mittel eingesetzt werden, um über einen bestimmten Unglücksfall zu berichten. Hierzu habe ich bewusst ein Thema ausgewählt, in welchem es eine besonders wichtige Rolle spielt, WER WAS getan hat. Da sich die Medienberichterstattung zum Schlüsselereignis Hypo-Alpe-Adria ( Kap. 7.3) aufgrund der enormen Anzahl aufgedeckter Skandale nun schon seit gut zehn Jahren mehr oder weniger konstant hält, schien sich gerade ein solches Thema vorzüglich für meine Analyse zu eignen. Die authentischen Beispiele für längere Kausalketten sollen hierbei einfachen, nach dem Agens-Actio-Schema formulierten Sätzen zu genau denselben Unglücksfällen gegenübergestellt werden. Durch eine solche Gegenüberstellung soll in einem ersten Versuch die zu Beginn dieser Arbeit formulierte Ausgangshypothese besser vor Augen geführt werden. Ich werde die Hypothese dafür in Kapitel 7.1 noch einmal genauer ausformulieren und in Kapitel 7.2 genau schildern, wie ich in der Analyse der Beispiele vorgehen werde. In Kapitel 7.3 sollen einige allgemeine und für die Analyse hilfreiche Hintergrundinformationen zur Skandalbank Hypo Alpe Adria geliefert werden, um den LeserInnen auch ein wenig Hintergrundwissen zu den hier behandelten Skandalen zu liefern, was sicherlich auch ein besseres Verständnis der Analysebeispiele zu Folge hat. In Kapitel 7.4 sollen insgesamt 8 Themen präsentiert werden, zu denen die authentischen Beispiele für Agens-Actio-Sätze und für Kausalketten nach einem bestimmten Analyseschema genauer zerlegt und untersucht werden. Ich werde auch versuchen, für jedes Beispiel eine plausible Erklärung für meine Hypothese zu liefern und begründen, warum in dem jeweiligen Fall die jeweilige Kausalkette auf der kognitiven Ebene zu einer „Tilgung“ des Agens führen könnte. Gerade diese

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Erklärungen sowie die Ausgangshypothese sollen sodann in meinem abschließenden Experiment ( Kapitel 8) entweder bestätigt, modifiziert oder widerlegt werden.

7.1 Ausgangshypothese

Die in dieser Arbeit durchgeführte linguistische Untersuchung soll sich auf der allgemeinsten Ebene mit der Frage beschäftigen, ob unterschiedliche syntaktische Konstruktionen unterschiedliche kognitive Mechanismen der Aufmerksamkeit bewirken. Sinn und Zweck der hier präsentierten empirischen Analyse und der Fallstudie soll also die Beschreibung des Einflusses besonderer syntaktischer Strukturen auf die Filterung von Informationen bei unterschiedlichen RezipientInnen sein. Auf der konkreteren Ebene möchte ich versuchen, die für die gesamte linguistische Arbeit relevante Forschungsfrage zu beantworten, die wie folgt lautet: Beeinflussen Kausalketten unsere Vorstellung von Agentivität? Die Grundannahme, von welcher ich in dieser Arbeit ausgehe, ist die folgende:

Auf der einen Seite sollten LeserInnen, welche einfache Aktivsätze lesen, die aus Subjekt, Verb und einem oder mehreren Objekten bestehen (Sätze nach dem Agens-Actio-Schema), wie z.B. A tötet B, tendenziell dazu neigen, ihre Aufmerksamkeit nach dem Lesen dieser Sätze auf die eine Handlung ausführende Person zu legen, wenn sie danach gefragt werden, was passiert ist.

Auf der anderen Seite sollten Sätze, die durch lange Kausalketten erweitert sind, wie etwa: Letztlich ist A derjenige, der B betätigte, welcher C abfeuerte, welche D traf, bei den LeserInnen eher die Tendenz hervorrufen, ihren Fokus nach dem Lesen der Sätze auf andere Handlungsumstände zu legen. Somit sollten RezipientInnen beim Lesen von Kausalketten dazu neigen, die für ein Ereignis verantwortliche Person auf der kognitiven Ebene nicht notwendigerweise als die zentralste Information einzustufen, wenn sie danach gefragt werden, was passiert ist.

Da die Untersuchung dieser Hypothese durch wissenschaftliche Parameter erfolgen soll, möchte ich diese Grundannahme dementsprechend nach einem gültigen Schlussschema der klassischen zweiwertigen Aussagenlogik, dem Modus Ponens, äußern ( Kap. 2.3):

• Schlussregel/These: Wenn LeserInnen einen simplen, bloß aus Subjekt, Verb und Objekt bestehenden Aktivsatz lesen, der nach dem Agens-Actio-Schema gebildet ist, setzen sie den Fokus ihrer Aufmerksamkeit auf das Agens einer Handlung. 143

• Prämisse: LeserInnen lesen einen simplen, bloß aus Subjekt, Verb und Objekt bestehenden Aktivsatz, der nach dem Agens-Actio-Schema gebildet ist. • Konklusion: LeserInnen setzen ihren Fokus auf das Agens einer Handlung.

Weiters: • Schlussregel/These: Wenn LeserInnen einen komplexen, aus langen Kausalketten bestehenden Satz lesen, dann legen sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Aspekte und Umstände der Handlung und nicht auf das Agens. • Prämisse: LeserInnen lesen einen komplexen, aus langen Kausalketten bestehenden Satz. • Konklusion: LeserInnen setzen ihren Fokus auf andere Aspekte der Handlung und nicht auf das Agens.

Abstrakt formuliert lässt sich diese Ausgangshypothese nach der Schlussregel des Modus Ponens wie folgt darstellen:

• p  q • p • q Im engeren Sinne entspricht das obige Schlussschema einem deskriptiven Grund-Folge- Schema in der Kausalargumentation, da hier ein Schluss von Grund-Handlung-Folge gemacht wird (vgl. Kienpointner, 1992:336ff.). Um mit den Worten Schellens‘ zu sprechen, handelt es sich hierbei um eine „deskriptive Generalisierung“ (Regelmäßigkeit), welche eine Vorhersage von Wirkungen/Folgen darlegt. (vgl. Schellens, 1985:77). Abstrakt kann das hier verwendete Schlussschema wie folgt dargestellt werden (vgl. Kienpointner, 1992:339):

Wenn X Handlung Y vollzieht, treten die Folgen Z auf. (p q) X vollzieht Handlung Y. (p) Also: Die Folgen Z treten auf (q).

In diesem Fall steht X für die LeserInnen, die Handlung Y für das Lesen von Kausalketten und die Folgen Z für die Nicht-Fokussierung des Agens.

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Sollten in der hier durchgeführten empirischen Untersuchung, insbesondere aber in der Fallstudie, hoch signifikante Ergebnisse für diese Hypothese sprechen, so ließe sich die Annahme eines Einflusses der strukturellen Ebene von Sprache auf einen besonderen Bereich der kognitiven Erfassung und Hierarchisierung von eingehender sprachlicher Information aufrechterhalten, bzw. bestätigen.

7.2 Erläuterungen zur angewandten Methode und Darstellungsform

Die hier präsentierten empirischen Beispiele konzentrieren sich auf 8 von mir ausgewählte Themen, bzw. Skandale, welche sich im Zeitraum der letzten elf Jahre ereignet haben und in der Folge aufgedeckt wurden. Jedes einzelne Unterkapitel (7.4.1…7.4.8) soll eine Analyse zu jeweils einem Thema umfassen, wobei die Analyse immer nach ein-und demselben Schema ablaufen soll. In einem ersten Schritt werden einige nötige Hintergrundinformationen zum Skandal selbst geliefert, um den LeserInnen zumindest auch einen groben inhaltlichen Überblick zum Geschehenen zu vermitteln, bzw. damit sie zumindest auf Anhieb wissen, was, wo, wie, wann passiert ist und wer was gemacht hat. In einem zweiten Schritt werden authentische Beispiele für Sätze nach dem Agens-Actio-Schema zu dem jeweiligen Skandal aus diversen Medienberichten angeführt und in der Folge in Schritt 3 kommentiert. In einem vierten Schritt sollen zumindest zwei bis drei authentische Beispiele für eine Kausalkette zum selben Skandal angeführt werden. In einem fünften Schritt soll diese Kausalkette nach einem einheitlichen Schema in ihre Grundbestandteile zerlegt werden, um den LeserInnen die einzelnen „Zwischenstadien“, welche zwischen dem Ausgangs- und dem Endereignis liegen, besser zu veranschaulichen. Hierzu sollen Pfeile von einem Stadium zum nächsten führen, um auch die Übergänge innerhalb der Kette anschaulicher darzustellen. In einem sechsten Schritt sollen dann nochmals die zentralen Elemente der Kausalkette aufgelistet werden, um wirklich zu verdeutlichen und zu begründen, warum eine Fokussierung auf so viele Zwischenereignisse von der für einen jeweiligen Schadensfall verantwortlichen Person ablenken kann. Diese Schritte möchte ich aus Gründen der besseren Übersicht nochmals kurz anhand eines Schemas auflisten:

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Empirische Untersuchung authentischer Beispielsätze aus Medienberichten Schritt 1: Hintergrundinformationen zum Skandal Schritt 2: Sätze nach dem Agens-Actio-Schema Schritt 3: Analyse der Sätze nach dem Agens-Actio-Schema Schritt 4: Kausalketten Schritt 5: Analyse der Kausalketten nach dem Grundschema mit Zerlegung in „Zwischenstadien“ Schritt 6: Auflistung der Grundbausteine der Kausalkette und Begründung für eine mögliche Nicht-Fokussierung des Agens. Abbildung 10: Analyseschritte in der Untersuchung von authentischen Beispielsätzen für Agens-Actio- Sätze und Kausalketten.

Die folgende Abbildung soll das für Schritt 5 erwähnte Grundschema der Zerlegung in einzelne „Zwischenstadien“ bei Kausalketten auf abstrakte Weise darstellen:

I) Agens/VerursacherInnen/Verantwortliche verursachen Ausgangsereignis (Ereignis 1), das führt zu

II) Ereignis 2  wird zum verursachenden Ereignis für

III) Ereignis 3  wird wiederum zum verursachenden Ereignis für

IV) Ereignis 4  wird zum verursachenden Ereignis für

… n) Ereignis n (Endereignis)

Abbildung 11: Grundschema der Zerlegung von Kausalketten.

Zudem möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich in der Analyse der Kausalketten immer Großbuchstaben verwenden werde, um in den Schemata bezüglich der einzelnen Zwischenereignisse (z.B. Ereignis 2… Ereignis n) immer noch zusätzlich zu kennzeichnen, wer das Agens und was die Handlung ist; nicht zuletzt möchte ich dadurch aufzeigen, dass solche Kausalketten eigentlich aus mehreren kleineren Ereignissen bestehen, welche, isoliert betrachtet, immer auch in ein „Agens“ und in eine „Actio“ eingeteilt werden können.

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Für ein besseres Verständnis verweise ich dazu auch nochmals auf den Beispielsatz Boroditskys (2011b:64;  Kap. 4.2.2): Ultimately I’m the guy who pulled the trigger that fired the round that hit Harry. I) I’m the guy (A) who pulled the trigger (B), (A = Agens, B = Actio), Ereignis 1, Ausgangsereignis

II) the trigger (C), that fired the round (D), (C = Agens, D = Actio), Ereignis 2

III) the round (E) that hit Harry (F). (E = Agens, F = Actio), Ereignis 3, Endereignis.

Alle Kausalketten, welche ich in Kapitel 7.4 anführen werde, sollen also genau nach diesem Schema analysiert und zerlegt werden. Für solche Sätze, in denen nur ein Scheinsubjekt vorkommt (z.B. Es gab eine Swap-Geschichte) oder in denen zwar ein Satzsubjekt, nicht aber ein Agens im eigentlichen Sinne vorkommt, sondern das Subjekt die semantische Rolle Ursache einnimmt (vgl. Schmidhauser, 1995:48), habe ich jeweils immer nur einen Großbuchstaben verwendet, welcher in diesem Fall also nur für die jeweilige Handlung stehen sollte.66 Die authentischen Beispielsätze wurden aus diversen Artikeln von insgesamt 19 Online- Medien entnommen. Diese lauten wie folgt: diePresse.com, derStandard.at, Kleine Zeitung.at, Gmx.at, Format.at, Krone.at, Süddeutsche Zeitung.de, Wiener Zeitung.at, Frankfurter Allgemeine Zeitung.de (FAZ.de), Mytoday.at (Finanz- und Wirtschaftsnachrichten), Nachrichten.at, News.at, Profil. at, N-TV.de, ORF.at mit der Rubrik „Kärnten News“, Spiegel.de, StopptdieRechten.at, Kurier.at sowie das Wirtschaftsblatt.at. Ich habe vor allem aus dem Grund Online-Medien bevorzugt, da viele der hier behandelten Skandale bereits mehrere Jahre in der Vergangenheit liegen und es demnach vor allem aus praktischen Gründen viel einfacher war, in Online-Versionen Medienberichte zu den jeweiligen Skandalen zu finden, da diese vor allem auch über Jahre hinweg bestehen bleiben. Insbesondere war es mir auch wichtig, authentische Sätze zu Schadensfällen aus gerade dem Zeitraum zu finden, in welchem die Skandale gerade erst aufgedeckt worden sind. Gerade in

66 Auf die Diskussion, ob das Es als Subjekt/Scheinsubjekt angesehen werden soll, möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. Ich habe mich für meine Analysen dafür entschieden, das Es jedenfalls nicht als Agens zu bezeichnen, da es ja die in Kap. 2.1 angeführten Kriterien für das Vorhandensein eines „Agens“ in dem Sinne nicht erfüllt.

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solchen Kontexten und Situationen gehen JournalistInnen nämlich oft noch vorsichtig mit Informationen um. Zu einem Zeitpunkt, zu welchem man sich vielleicht noch nicht zu hundert Prozent sicher ist, ob nun eine Person X wirklich hauptverantwortlich für einen Schadensfall ist, werden von den Medien oft bewusst vorsichtigere Formulierungen gewählt. In der Tat ließen sich für solche Situationen viele Beispiele für den Einsatz von Kausalketten in der Medienberichterstattung finden. Zuletzt möchte ich auch anmerken, dass es in manchen Fällen nötig war, die von mir gefundenen Kausalketten etwas umzuformulieren, um sie besser in das vorgegebene Analyseschema einzuordnen und den LeserInnen bestmöglich aufzeigen zu können, dass die Schilderung des jeweiligen Sachverhalts auf einer Aufeinanderfolge von mehreren, kausal aufeinander zurückführbaren Ereignissen basiert. Diejenigen Sätze, welche zu Analysezwecken etwas umgestellt worden sind, sind im jeweiligen Kurzbeleg der Quellenangabe mit „vgl.“ markiert (also z.B. vgl. Graber/Schnauder, 2010, derStandard.at) , wohingegen diejenigen Sätze, die 1:1 und Wort für Wort in ihrer linearen Abfolge aus den Medien übernommen worden sind, einfach direkt mit dem Kurzbeleg am Ende versehen sind (z.B. Graber/Schnauder, 2010, derStandard.at).

7.3 Ein kleiner Überblick bezüglich der Auswahl verschiedener Skandale für die linguistische Untersuchung: Schlüsselereignisse

Schadensfälle und Unglücke gehören zu den bevorzugten Berichterstattungsgegenständen und zu einem der am besten erforschten Bereiche in der Medienberichterstattung. Jackob (2012:38) nennt hierfür drei Gründe: Zum ersten handelt es sich hierbei um Themen, die von RezipientInnen als wichtig und besorgniserregend wahrgenommen werden. Zum zweiten weisen solche Themen bestimmte Eigenschaften auf, welche für die Medien besonders beachtenswert sind, denn Verbrechen erzeugen TäterInnen und Opfer und nicht zuletzt lassen sich auch Empathie, Betroffenheit und Emotionen journalistisch gut erzählen. Zum dritten eigenen sich solche Kriminalitätsfälle besonders gut, da ihr Auftreten eine bestimmte Regelmäßigkeit aufweist und somit auch umfassend über sie berichtet werden kann (vgl. Jackob, 2012:38f.). Solche Ereignisse, welche besonders aufsehenerregend sind, und über welche eine ungewöhnlich große Anzahl an Berichten zu einem genau definierten, sehr seltenen oder besonders spektakulären Geschehen verfasst wird, sind auch unter dem Ausdruck

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Schlüsselereignisse bekannt. Ein zentrales Charakteristikum von solchen Ereignissen ist, dass sie die Aufmerksamkeit der JournalistInnen und der RezipientInnen fokussieren, vor allem aber, dass sie Interesse an zusätzlichen Informationen wecken. Schlüsselereignisse stimulieren dadurch eine Kette von Folgeberichten in den Medien, welche nicht nur das Ereignis selbst, sondern auch damit zusammenhängende, ähnliche Ereignisse wie etwa frühere oder thematisch verwandte Geschehen thematisieren (vgl. Jackob, 2012:63). Die Skandale um die Hypo-Alpe-Adria können in diesem Sinne als Paradebeispiel für ein solches Schlüsselereignis angesehen werden. Es handelt sich hierbei sogar um einen ganz besonderen Fall eines Schlüsselereignisses, denn der Fall Hypo Group Alpe Adria, „unterscheidet sich […] schon dadurch von den meisten anderen großen Formencrashs, dass sich inzwischen die Geheimdienste halb Europas, aber auch der USA und Russlands mit der Sache befassen – ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass die Vermischung von Politik, Wirtschaft und organisierter Kriminalität sich längst etabliert hat […].“ (Schneider, 2010:11).

Der Fall Hypo umfasst eine enorme Anzahl an Skandalen, welche in dieser Arbeit bei Weitem nicht allesamt präsentiert werden können. Es ist ohnehin auch nicht Sinn und Zweck dieser Untersuchung, ein vollständiges Bild aller Skandale zu liefern, sondern es soll klar sein, dass hier eine linguistische Untersuchung im Vordergrund steht. Ein erster Gesamtüberblick über alle bis zum Jahre 2010 bekannt gewordenen Skandale stammt von Richard Schneider (2010). Dieses Werk hilft vor allem das Gesamtsystem und seine Zusammenhänge besser zu verstehen. Graber/Schnauder (2015) liefern uns hingegen das zurzeit aktuellste Werk, auf welches ich mich in der Schilderung der einzelnen Skandale in der Folge auch beziehen werde.67

Die Hypo Alpe Adria war ein Kärntner Bankkonzern, welcher im Jahre 1896 als Landeshypothekenanstalt gegründet worden war. In dieser Rolle finanzierte sie zunächst öffentliche Institutionen. Ab 1920 durfte die Anstalt auch Spareinlagen entgegennehmen und ab 1928 übernahm das Land Kärnten die vollständige Haftung. 1982 stieg sie zur

67 In diesem Abschnitt werden nur die zentralsten Hintergrunddaten zum Bankkonzern gegeben, da hier kein vollständiges und komplexes inhaltliches Bild der Geschichte und der Skandale des Bankkonzerns geliefert werden soll, sondern vielmehr untersucht werden soll, wie die Medien einzelne Skandale sprachlich darstellen und welchen Einfluss eine solche sprachliche Konstruktion auf die Schaffung eines Wirklichkeitsbildes des Geschehenen hat.

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Universalbank auf und 1991 wurde sie in die Aktiengesellschaft Hypo Alpe Adria Bank AG umgewandelt (vgl. Graber/Schnauder, 2015:13f.). Bereits zu diesem Zeitraum aber stand die Hypo in einer großen Krise, vor allem durch notleidend gewordene Kredite; überlebensfähig war die Bank damals nur durch eine Garantie des Landes Kärntens. Im Herbst 1992 wurde der damals 38-jährige, aufstrebende Raiffeisenbanker Wolfgang Kulterer zum Vorstandsvorsitzenden gewählt. Kulterer führte die Hypo 14 Jahre lang. Er entschied sich dafür zu expandieren und schaffte es, die Hypo mit einer Bilanzsumme von fast 30 Milliarden Euro zum sechstgrößten Geldhaus Österreichs zu machen (vgl. Graber/Schnauder, 2015:14). Ab 1988 expandierte die Hypo zunächst nach Italien (Udine) und sodann nach Deutschland, Kroatien, Slowenien, Serbien-Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Ungarn sowie nach Liechtenstein. Der größte Anteil des Geschäfts stammte hierbei aus Südosteuropa, denn die Hypo setzte vor allem auf Nachfolgestaaten des zerfallenen Jugoslawiens: Ein Gebiet also, welches nach all seinen Kriegsgräueln nicht geeigneter dafür sein konnte, um Korruption blühen zu lassen (vgl. ebd.:15). Bereits in den 1990er Jahren interessierte man sich für fragwürdige Transaktionen in Kroatien; nichtsdestotrotz wuchs die Bank ständig weiter, und zwar bis zu 30 Prozent jährlich. 1992 kaufte sich auch der Versicherungskonzern Grazer Wechselseitige (heute: Grawe) mit 48 Prozent in die Bank ein. Ab dem Jahre 2007 kam das Aus für Haftungen des Landes Kärnten, durch die das Land bis dahin als Ausfallbürge für die Hypo haftete. Das Haftungsvolumen war bis dahin auf rund 25 Milliarden Euro angestiegen (vgl. ebd.). Anfang 2000 bekam die Hypo durch die Raiffeisen Bezirksbank (RBB) Zuwachs (welche wiederum zu 95% der Grawe gehörte). 1999 und 2000 kam es hierbei zu Verlusten von rund 15 Millionen Euro, da MitarbeiterInnen Kundengelder verspekuliert hatten, woraufhin Kulterer entschloss, die Bilanzen fälschen zu lassen, um den Skandal zu verdecken ( Kap. 7.4.1), und sodann unrechtmäßig in den Aufsichtsrat wechselte ( Kap. 7.4.2). 2000 übernahm die Hypo den Universalbank-Teil der RBB, eine Übernahme, welche vom damaligen Landeshauptmann Jörg Haider beschlossen wurde. In diesem Zeitraum kamen auch immer wieder Gerüchte über eine Finanzierung der FPÖ durch RBB-Konten auf, welche bis heute nicht dementiert werden, nicht zuletzt motiviert durch Haiders Freundschaften mit Aufsichtsräten und Chefs der RBB (vgl. ebd.:16). Haider nützte die Hypo skrupellos als „Selbstbedienungsladen für politische Interessen“ (ebd.:18), und griff in die Entscheidungen der Hypo ein, beispielsweise als er Kulterer zur Kreditvergabe an die marode und private

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steirische Fluglinie überredet ( Kap. 7.4.7). Auf dem Balkan war es Günter Striedinger, der im Jahr 2000 in den Vorstand geholt worden war. Unter der Führung Kulterer/Striedinger wuchs die Hypo auch rasch an – parallel dazu wurden aber unzählige Probleme einfach verschleiert: Die Anzahl ausfallender Kredite stieg stetig, hunderte Millionen von Spekulationsverlusten wurden verschleiert ( Kap. 7.4.3), Kredite wurden im Expansionswahn problemlos vergeben und immer wieder erneuert (da sich die Bank das Geld aus Anleihen des Landes Kärnten verschaffte), Deals wurden verschleiert ( Kap. 7.4.5), nicht vorhandenes Kapital verschafft, und nicht zuletzt war es auch keine Seltenheit, Politikern Schulden zu erlassen ( Kap. 7.4.8). Das Ende der „Ära Kulterer“ begann 2006 infolge von seiner Bilanzfälschung ( 7.4.1). 2010 wurde er wegen Verdachtes auf Untreue, Geldwäsche, Bilanzfälschung und Bildung von kriminellen Vereinigungen in Untersuchungshaft genommen. 2014 meldete er Privatkonkurs an (vgl. ebd.:22f.). Nach Kulterers Bilanzfälschungsskandal 2006 bedurfte es neuer Investoren für eine Kapitalerhöhung der Hypo, außerdem wurde geplant, die Bank an die BayernLB zu verkaufen, was 2007 auch geschah (vgl. ebd.:23f.). Der Mann, der dies binnen kürzester Zeit schaffte, war der deutsche Banker und Vermögensverwalter Tilo Berlin. Er wurde am 1. Juni 2007 Vorstandsvorsitzende der Hypo. Berlin stieg mit seiner Vermögensverwaltungsgesellschaft „Berlin & Co Capital S.á.r.l.“ zunächst in die Hypo ein, indem er Anteile billig kaufte um die Hypo-Mehrheit kurz darauf an die BayernLB zu verkaufen (vgl. ebd.:23;  Kap. 7.4.5). Durch einen solchen Weiterverkauf erzielten Berlin und seine Investoren einen enormen Gewinn. Nachdem die BayernLB 2006 einen enormen Verlust mit dem Kauf der hochverschuldeten österreichischen Bank für Arbeit und Wirtschaft (BAWAG) erlitt, beschloss sie, Anfang Mai 2007 die Mehrheit der Hypo- Anteile für 3,2 Milliarden Euro zu kaufen, da sie einen Kauf der Hypo (vor allem wegen ihrer Niederlassungen in Südosteuropa mit den hohen Bilanzsummen über 25 Milliarden Euro) als gute Strategie der Erweiterung nach Südosteuropa ansah (vgl. ebd.:30ff.; 41ff.). Obwohl die BayernLB die Hypo seit ihrem Kauf immer wieder mit enormen Summen wieder aufzupäppeln versuchte, verfügte die Bank bereits 2009 nicht mehr über das für die Bilanzierung nötige Eigenkapital (vgl. ebd.:50ff.). Die BayernLB forderte Ende 2009 Geld von der Republik, da es sich an dieser Stelle kaum noch als sinnvoll erwies, von Seiten der BayernLB weiteres Kapital in die Bank zu geben (vgl. ebd.:60). Der Vorschlag der Bayern

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lautete wie folgt: Entweder sollte der Mehrheitsanteil der Hypo an die Republik verkauft werden oder sie sollten in Insolvenz gehen. Im Dezember 2009 übernahm die Republik Österreich die Anteile der Hypo und wurde durch ein Verstaatlichungsverfahren zur alleinigen Eigentümerin der Hypo (vgl. ebd.:89f.). Aufgrund des immer fortbestehenden Kapitalbedarfs der Hypo wurde im Juli 2014 mit dem Hypo-Sondergesetz beschlossen, den Konzern zu zerschlagen und die Restbestände in eine Abbaugesellschaft, die sog. Heta Asset Resolution AG, umzuwandeln, was am 30. Oktober 2014 tatsächlich geschah. Es sollte Aufgabe dieser Abbaugesellschaft sein, den notleidenden Teil der verstaatlichten Hypo effektiv und wertschonend zu verwerten (vgl. ebd.:130ff.). Die „Südosteuropa-Töchter“ wurden im November 2014 mit einer Bilanzsumme von 8,5 Milliarden Euro verkauft und gingen an die amerikanische Beteiligungsgesellschaft Advent im Verbund mit der Osteuropabank EBRD (vgl. ebd.:118). Am 1. März 2015 kam es zu einem weiteren folgenschweren Ereignis: Die Heta- Abwicklungseinheit zahlte ihre Schulden nicht mehr, seitdem wird die sog. „Bad Bank Heta“ nun von der Finanzmarktaufsicht abgewickelt, welche einen Zahlungsaufschub bis Ende Mai 2016 verfügt. Insgesamt handelt es sich um mehr als 9,8 Milliarden Euro (vgl. ebd.:130f.). Nach der Notverstaatlichung wurde eine eigene Sonderkommission (SOKO Hypo) zur Aufarbeitung der Hypo-Vergangenheit gegründet. Der Untersuchungsausschuss konnte durch eine im Januar 2015 in Kraft getretene Gesetzesänderung ermöglicht werden. Einige Vorstandsmitglieder wurden mit Abfindungen verabschiedet, andere sitzen nun hinter Schloss und Riegel, es wurden bisher 11 Personen verurteilt, es befinden sich aber im Moment noch weitere 240 Fälle im Ermittlungsstadium; immer wieder treten neue Anklagen und Verurteilungen hervor (vgl. ebd.:222f.). Aber, „was immer die weitere Aufarbeitung zutage bringt, eines ist der Hypo Alpe Adria und ihren Protagonisten aus Wirtschaft, Aufsicht und Politik längst sicher: ihr Platz in der österreichischen Wirtschafts- und Kriminalgeschichte.“ (Graber/Schnauder, 2015:223). Über die vielen Finanz- und Korruptionsaffären der Hypo Alpe Adria wird seit 2004 regelmäßig berichtet. Diese Meldungen reichen von mangelnder Einhaltung der Sorgfaltspflichten, bis hin zu Bilanzfälschungen, Spam-Aktienhandel, dubiösen

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Liegenschaftsverkäufen, versteckter Parteifinanzierung, Schuldenerlass für Politiker, Vergabe von faulen Krediten, bis hin zur Geldwäsche und mafiosen Machenschaften.68

7.4 Analysen

Ich werde in diesem Kapitel insgesamt 8 Themen bzw. Skandale anführen, für welche ich authentische Beispielsätze aus diversen Medienberichten für jeweils Satztyp 1 (Sätze nach dem Agens-Actio-Schema) und Satztyp 2 (Kausalketten) anführen werde. Zudem werde ich nach jedem Satz einen Kurzbeleg der jeweiligen Online-Quelle angeben, aus welcher der Satz stammt. Die einzelnen Schritte, welche ich für jede Analyse durchführen werde, wurden bereits in Kapitel 7.2 aufgelistet. Was die Anzahl der Beispielsätze anbelangt, so ist vielleicht noch anzumerken, dass sie nicht in jedem Analysekapitel gleich ausfiel, da es beispielsweise für einige Themen relativ einfach war, viele unterschiedliche Beispielsätze sowohl für Satztyp 1 als auch für Satztyp 2 zu finden und es sich dagegen für andere Themen eher schwierig erwies, mehrere gute Beispiele zu finden. Wichtig war mir allerdings immer für jedes der 8 Themen mindestens zwei bis drei authentische Beispielsätze pro Satztyp (Agens-Actio-Satz versus Kausalkette) zu finden, da ich für die folgende Studie ohnehin nur jeweils einen Satz pro Thema und pro Satztyp (also insgesamt zwei Sätze pro Thema  2x8 = 16 Sätze gesamt) in den Fragebogen einfügen werde.

68 Da nun schon seit gut elf Jahren in den Medien über die zahlreichen Finanz- und Korruptionsaffären der Hypo berichtet wird, werden in diesem Abschnitt auch ältere Berichte, beginnend bei 2006, als Beispiele für die unterschiedliche Darstellung von handelnden Personen zur Hand gezogen. Dies erfolgte vor allem aus dem Grund, dass manche Fälle ja bereits abgeschlossen sind und demnach gerade dasjenige linguistische Material am wertvollsten ist, welches in den Medienberichten des jeweiligen Zeitraums des Aufkommens eines bestimmten Skandals zu finden ist. Wie oben bereits angemerkt, sollen in dieser Arbeit nicht alle durch die Hypo verursachten, bekannt gewordenen Skandale aufgelistet werden, wobei also nicht unbedingt der Faktor der Aktualität eine Rolle spielt (manche Skandale/Prozesse wurden ja bereits abgeschlossen und angeklagte Personen wieder freigesprochen, bzw. haben diese ihre Haftstrafen bereits abgesessen), sondern vielmehr sollten einzelne, aussagekräftige Abschnitte aus diversen Medienberichten nach linguistischen Kriterien analysiert werden, um eine gute Grundlage für die Bestätigung der in dieser Arbeit formulierten Ausgangshypothese zu erhalten. Diese Arbeit sollte demnach nicht primär zur Hand gezogen werden, um ein vollständiges Bild der Hypo-Skandale zu erhalten. Für eine komplexere und ausführlichere Darstellung der Hypo-Skandale empfehle ich die oben genannten Werke von Schneider (2010) und von Graber/Schnauder (2015).

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Generell ließ sich aber feststellen, dass es (unabhängig vom jeweiligen Thema) einfacher war, Beispiele für Typ 1 (Agens-Actio-Schema) zu finden, wohingegen Kausalketten deutlich seltener in den Medienberichten auftraten.

7.4.1 Bilanzfälschung infolge von Spekulationsverlusten Schritt 1: Im Jahre 2006 wurde bekannt, dass die Hypo Alpe Adria Bank 2004 durch Risikospekulationsgeschäfte einen Verlust von insgesamt 328 Millionen Euro verzeichnen musste (vgl. Graber/Schnauder, 2015:19). Die Kärntner Banker legten damals Geld in komplizierten Swap-Geschäften an, welche sie, KritikerInnen zufolge „selbst nicht so ganz verstanden“.69 Nachdem sie von ihren Geschäftspartnern Lehman Brothers auf die ersten 200 Millionen Euro Verlust hingewiesen und zu einem Nachschuss aufgefordert worden waren, begannen sie die Kontostände zu prüfen und bis sie damit fertig waren, war das Minus bereits auf gut 300 Millionen, 328, um genau zu sein. Daraufhin beschloss Kulterer, diese Verluste nicht als solche zu verbuchen und sie demnach in den Bilanzen nicht zu berücksichtigen (vgl. ebd.:22). Mit anderen Worten ausgedrückt: Er ließ die Bilanzen fälschen. Diese Bilanzfälschung aufgrund der zuvor betriebenen Risikospekulationsgeschäfte kam erst im Jahre 2006 auf, als der Wirtschaftsprüfer der Hypo, Confida Wirtschaftstreuhand GmbH, einen zweiten Prüfer namens Deloitte70 hinzukommen ließ, welcher diese Fälschung entdeckt hatte und daraufhin die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) verständigte. Im April 2006

69 Swap-Geschäfte (aus dem engl. „swap“ = Tausch) werden in vielen Fällen von Profis zur Renditenoptimierung durchgeführt. Es handelt sich hierbei um Wetten, die die zukünftige Marktentwicklung betreffen (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2004:2877). Hierbei werden Zahlungsverpflichtungen und Zahlungsforderungen zwischen zwei Parteien mit dem Ziel ausgetauscht, „relative Vorteile, die eine Partei gegenüber der anderen aufgrund ihrer Stellung an einem bestimmten Markt realisieren kann, zu arbitrieren.“ (Woll, 2008:734). In diesem Fall handelt es sich um Währungswetten, sog. „Currency-Swaps“, also Swaps von aufgenommenen Kapitalbeträgen in verschiedenen Währungen „zu einem heute vereinbarten oder herrschenden Kassa-Kurs zwischen zwei Partnern, die einen unterschiedlichen Zugang zu den nationalen Kapitalmärkten haben.“ (Woll, 2008:734).

70 Eigentlich Deloitte Touche Tohmatsu Limited, sie ist eine Prüfungs- und Beratungsgesellschaft. Deloitte erbringt Dienstleistungen aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Consulting und Corporate Finance für Unternehmen und Institutionen aus allen Wirtschaftszweigen (vgl. Deloitte-Home, 2015).

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erstattete die FMA Anzeige gegen Kulterer wegen Bilanzfälschung (vgl. ebd.). In einem Interview mit der Presse (2007) äußerte sich Kulterer zur Bilanzfälschung wie folgt: Die Presse: Bilanzfälschung kann mit Haft bis zu zwei Jahren bestraft werden. Sollten es zum Prozess kommen, rechnen Sie dann mit einer Gefängnisstrafe?

Kulterer: Das ist für mich undenkbar, weil es keine Absicht und kein bewusstes Handeln war. Entscheiden sollen das die Experten, da werde ich mich nicht hinauslehnen. [Hervorhebung L.P.] (diePresse.com, 2007).

Im November 2008 wurde Kulterer aber tatsächlich vom Landesgericht wegen Bilanzfälschung zu einer Geldstrafe von 140.000 Euro verurteilt (vgl. ebd.:166). Kulterer bekannte sich schuldig, indem er sich aber rechtfertigte, die falsche Bilanzierung sei „ökonomisch richtig, aber rechtlich unrichtig“ gewesen (vgl. Leyendecker/Ott, 2010a).

In der Medienberichterstattung sollten sich hinsichtlich dieses Skandals Sätze nach dem folgenden Agens-Actio-Schema finden lassen:

Agens (A) - Actio (B) Kulterer (A) fälscht Bilanzen (B).71 Kulterer (A)/ verschleiert Spekulationsverluste (B). Die Hypo (A)

Schritt 2: Beispielsätze gemäß TYP 1 (Agens-Actio-Schema) (1) Vorstandschef einer Bank lässt die Bilanz fälschen […]. (Leyendecker/Ott, 2010a, Süddeutsche Zeitung.de).

(2) Kulterer bekannte sich der Bilanzfälschung schuldig. (Klingler, 2013a, Gmx.at).

(3) Ex-Hypo-Chef bekennt sich der Bilanzfälschung schuldig. (diePresse.com, 2008b).

(4) Kulterer hatte die Swap-Verluste der Bank lange Zeit verheimlicht. (diePresse.com, 2015).

71 Dieses Grundmuster (Kulterer fälscht die Bilanzen) entspricht auch Boroditskys Beispiel der Schilderung des Jagdunfalls zwischen Cheney und Whittington ( Kap. 4.2.2): Cheney shot Whittington. Ich werde dieses Muster demnach, wie oben bereits geschildert, als TYP 1 (Agens-Actio-Sätze) bezeichnen. In meinen Analysen werde ich beim Aufschlüsseln der Sätze, insbesondere bei den Kausalketten dabei immer Großbuchstaben (A, B, C etc.) zur Bezeichnung für die zentralen Elemente verwenden (z.B. A für das Agens und B für die von ihm ausgeführte Handlung , darauf C wiederum für das durch diese Handlung verkettete weitere Agens und D für die durch dieses Agens verursachte Handlung etc.; s. unten).

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(5) Kulterer hatte 328 Millionen an Spekulationsverlusten verschleiert. (Nachrichten.at, 2010b).

(6) Die Hypo versuchte ihre Swap-Verluste zu vertuschen. (Klingler, 2013b, Gmx.at).

Schritt 3: Analyse und Kommentar In Beispiel (1) ist der Vorstandschef das Agens (A) des Satzes und tritt formal als Subjekt im Nominativ auf. Die sog. „Actio“ (B), die unmittelbar an das Agens tritt ist (er) lässt die Bilanz fälschen. Genauer gesagt haben wir es hier mit einer lexikalischen Variante einer Kausativkonstruktion durch die periphrastische Umschreibung mit lassen zu tun: Wir haben hierbei eine verursachte Basissituation (die Bilanzen werden gefälscht und zwar auf Anordnung von XY), wobei der Vorstandschef eine Art „Kausator“, bzw. eine übergeordnete Instanz/ein übergeordnetes Agens ist, das die Subjektposition besetzt (vgl. Lehmann, 2013, „Kausation“). Eine solche Konstruktion verleiht diesem Agens auf der semantischen Ebene eine noch größere Handlungs- und Entscheidungsmacht sowie Verantwortlichkeit, weshalb ich für diesen Satz annehme, dass das Agens (der Vorstandschef) beim Lesen sicherlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt wird. In den Beispielen (2) und (3), die, abgesehen vom verwendeten Tempus (bekennt-bekannte) und der anaphorischen Substitution Kulterer – Ex Hypo-Chef, identisch sind, bleibt das Agens (A) immer Kulterer als Subjekt im Nominativ (in Satz (3) anaphorisch substituiert durch Ex- Hypo-Chef), wobei die durch das Agens ausgeführte Handlung (B) mithilfe des Funktionsverbgefüges sich einer Sache schuldig bekennen ausgedrückt wird, welches bereits durch das ihm inhärente Bedeutungsspektrum eine Bestätigung dafür darstellt, dass die Handlung (B) zweifelsohne von dem genannten Agens ausgeführt worden ist. Auch in diesen beiden Sätzen erweist sich der Grad der Verantwortlichkeit als hoch, weswegen ich auch hier annehme, dass die eine Handlung ausführende Person in den Fokus der Aufmerksamkeit gestellt wird. In Satz (4) tritt die Actio (B), in diesem Fall das Verheimlichen der Swap-Verluste, an das Agens (A) Kulterer an (er hatte die Swap-Verluste verheimlicht); als zusätzliche Information tritt noch die temporale Adverbialbestimmung lange Zeit an das Hauptverb. Im sehr ähnlichen Satz Nr. (5) wird die durch das Subjekt im Nominativ (A) (Kulterer) ausgeführte Handlung (B) durch das Verbum verschleiern ausgedrückt (er hatte verschleiert), welches im Vergleich zum obigen Satz eine geringere Intensität zum Ausdruck bringt. In Satz (6) wird m.E. vom Hauptverantwortlichen (Kulterer) etwas abgelenkt, indem allgemein die Hypo als Agens (A)

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angesetzt wird. Zudem bringt das Verbum versuchte zu den Nichtvollzug der Handlung (B) zur Geltung (versuchte zu vertuschen impliziert gewissermaßen: Sie hat es letztendlich nicht geschafft). Die Substitution des Agens (Kulterer – Hypo)72 ändert aber in diesem Falle nichts an der Art und Weise, wie einzelne Elemente eines solchen Satzes beim Lesen aufgenommen und memoriert werden: Das Agens sollte aufgrund der relativen Einfachheit des Satzes und der klaren Einteilungsmöglichkeit in A Agens (Die Hypo) und B Actio (versuchte Swap- Verluste zu vertuschen) klar abgrenzbar, bzw. memorierbar sein.

Schritt 4: Beispielsätze gemäß TYP 2 (Kausalketten) (1) Da hat ein Mitarbeiter mit etwas spekuliert, das er nicht verstanden hat und auch sonst niemand in der Bank. Das bewirkte, dass die Investmentbanken uns über den Tisch gezogen haben […]; die Folge davon war ein Minus von rund 330 Millionen Euro, woraufhin die Wirtschaftsprüfer mitdiskutiert haben, um die Verluste in der Bilanz unterzubringen, was wiederum meinen Fehler bewirkte, die Verluste geheim zu halten und sie in den Bilanzen nicht zu berücksichtigen [Hervorhebung L.P]. (vgl. Krone.at, 2015).73

(2) Der Angeklagte betonte, dass er ausschließlich im Interesse der Bank gehandelt und persönlich daraus keinerlei Vorteil gezogen habe, denn: "Die Bank war mein Kind, und ich habe alles dafür getan, mein Kind zu schützen." Daher habe er in Kauf genommen, dass "in Ansehung der stillen Reserven und der Ertragskraft der Bank der Jahresabschluss 2004 eventuell unrichtig gewesen sein könnte. [Hervorhebung L.P]. (diePresse.com, 2008a).

(3) (Sechs Monate später seien die Swapverluste aufgetaucht, von denen Kulterer nichts gewusst haben will.) Fünf Investmentbanken hätten der Hypo die gleiche Dollar-

72 Ich verstehe Hypo in diesem Zusammenhang als Art Hypernoynm für Kulterer, da die Hypo schließlich auf diesen speziellen Kontext/Zeitraum begrenzt auch Kulterer inkludiert (s. auch Kompatscher, 2015, diePresse.com: „Kulterer war die Hypo.“).

73 Der hier zitierte Abschnitt stammt aus einem Video zum Hypo-U-Ausschuss vom 16.07.2015 und wurde von mir transkribiert. In dem dazugehörigen Artikel (Beitrag aus diePresse.com vom 17.07.2015) wird diese Rechtfertigung Kulterers ähnlich mit den folgenden Worten wiedergegeben: Da habe ein Mitarbeiter mit etwas spekuliert, das er nicht verstanden habe. Auch sonst niemand in der Bank. „Die Investmentbanken haben uns über den Tisch gezogen“, meinte Kulterer. Sein Fehler sei gewesen, die Verluste geheim zu halten. Diesbezüglich gab es doch Neuigkeiten: Kulterer behauptete, dass die Wirtschaftsprüfer mitdiskutiert hätten, um die Verluste in der Bilanz unterzubringen. Sie hatten das stets zurückgewiesen. Dass die Prüfer die Testate zurückgezogen hätten und man dies sofort öffentlich machte, wäre „eine brutalste Schädigung der Bank“ gewesen. (diePresse.com, 2015).

Da mir aber der transkribierte Abschnitt als noch treffenderes Beispiel für eine Schilderung des Sachverhalts in Form einer kausalen Kette erschien, habe ich diesen als Beispiel oben eingefügt.

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Währungswette verkauft und wenn alle fünf Banken das gleiche Produkt verkaufen, dann stimme etwas nicht. Der damals verantwortliche Finanzmanager Christian Rauscher sei leider "so naiv" gewesen, er habe sich "von den Investmentbanken über den Tisch ziehen lassen"; "Diese Produkte hätte er nie kaufen dürfen." Nachdem er [Kulterer] durch den Risikomanager Ende Oktober 2004 von den Verlusten informiert worden sei - der Verlust belief sich letztlich auf 330 Millionen Euro-, habe er "sofort eingegriffen". [Hervorhebung L.P.] (vgl. Krone.at, 2015).

(4) Kulterer hat Verluste in Höhe von rund 330 Millionen Euro verschleiern lassen, verursacht durch Währungswetten, die ein Mitarbeiter betrieben hatte. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Leyendecker/Ott, 2010a, Süddeutsche Zeitung.de).

(5) Der Auslöser für das Strafverfahren nach Paragraf 255 Aktiengesetz waren Währungsspekulationen - übrigens mit der inzwischen in Konkurs gegangenen Investmentbank Lehman Brothers - bei denen der Hypo im Oktober 2004 binnen weniger Wochen 328 Mio. Euro verloren gingen. Der Verlust wurde damals aber nicht in vollem Ausmaß in der Bilanz verbucht, die Banker wollten das Minus auf zehn Jahre verteilt abschreiben. [Hervorhebung L.P]. (vgl. diePresse.com, 2008b).

(6) Kulterer verteidigt sich selbst in einem Interview mit der Presse (diePresse.com, 2007): - Wie sind die Spekulationsverluste in Höhe von 328 Mio. Euro bei der Hypo entstanden?

- Kulterer: Der Verantwortliche in unserem Treasury-Bereich hat sich von Investmentbanken ein Produkt einreden lassen und die Risken nicht erkannt. Der Vorstand hat davon nichts gewusst. Als uns bekannt wurde, dass das Geschäft einen extrem negativen Marktwert entwickelt – es waren ja keine eingefahrenen, sondern nur Bewertungsverluste – haben wir sofort gehandelt. Sogar im Notenbank-Prüfbericht wurde uns bestätigt, dass wir vollkommen richtig reagiert haben. [Hervorhebung L.P]. (diePresse.com, 2007).

Schritt 5: Analyse der Kausalketten (Grundschema) + Schritt 6: Grundbausteine der Kette und Kommentar Satz (1) stellt ein klassisches Beispiel für eine Kausalkette dar, in welcher zwischen einem Anfangs- und einem Endereignis mehrere Zwischenereignisse auftreten, welche ursächlich aufeinander zurückführbar sind. Um diese Kette graphisch besser darstellen zu können, werde ich sie in ihre Einzelteile zerlegen:

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I) Ein Mitarbeiter (A) hat mit etwas spekuliert (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das bewirkte, dass

II) Investmentbanken (C) uns über den Tisch gezogen haben (D) (Ereignis 2), davon war

III) die Folge (E) ein Minus von rund 330 Millionen (F) (Ereignis 3), das wiederum bewirkte

IV) die Aufmerksamkeit der Wirtschaftsprüfer (G) und eine Diskussion über die Unterbringung der Verluste (H) (Ereignis 4), welche bewirkte, dass

V) Kulterer (I) einen Fehler machte (und die Verluste geheim hielt und die Bilanzen fälschte) (J) (Ereignis 5, Endereignis)

Diese Kausalkette besteht demnach aus fünf Ereignissen, von denen Ereignis 1 das die Kette auslösende Ausgangsereignis ist und Ereignis 5 (hier die eigentliche Haupthandlung: Kulterer hat Bilanzen gefälscht) bloß als das Endereignis einer langen Kette von Zwischenereignissen dargestellt wird. Zwischen den Ereignissen 1 und 5 liegen die Zwischenstadien 2, 3 und 4: Die Spekulation des Mitarbeiters (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), hat bewirkt, dass Investmentbanken uns über den Tisch gezogen haben (Folge, Ereignis 2) und das Über-den- Tisch-Ziehen der Investmentbanken (Ereignis 2, Grund) hatte ein Minus von rund 330 Millionen zur Folge (Folge, Ereignis 3), und das Minus von rund 330 Millionen (Ereignis 3, Grund) bewirkte die Aufmerksamkeit der Wirtschaftsprüfer und eine Diskussion über die Unterbringung der Verluste (Folge, Ereignis 4) und die Diskussion über die Unterbringung der Verluste (Ereignis 4, Grund) bewirkte, dass Kulterer einen Fehler machte und sie nicht in den Bilanzen berücksichtigte (Folge, Ereignis 5, Endereignis).

Beim Lesen eines solchen Satzes besteht also die Möglichkeit, dass man eher eines der Zwischenstadien fokussiert und dazu tendiert, Kulterer vielleicht einen geringeren Grad an Verantwortlichkeit zuzuweisen, bzw. ihn gar nicht als das wichtigste Element für die Beschreibung des Sachverhalts betrachtet.

Die Grundbausteine der Kette sind:

Die Spekulation des Mitarbeiters – das Über-den-Tisch-Ziehen der Investmentbanken – das Minus von 330 Mio. – die Aufmerksamkeit/die Diskussion der Wirtschaftsprüfer – Kulterers Fehler (Verschleierung und Bilanzfälschung).

eigentliches Faktum

159

In Satz (2) finden wir eine andere Form einer kausalen Kette vor: Um sie besser verstehen zu können, werde ich wiederum alle Elemente aufschlüsseln:

I) Die Bank war sein Kind (A) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), und deshalb

II) habe der Angeklagte (B) alles dafür getan, um es zu schützen (C) (Ereignis 2), daher

III) habe er (D) im Interesse der Bank gehandelt (E) (Ereignis 3) und deshalb

IV) habe er (F) in Kauf genommen, dass der Jahresabschluss eventuell unrichtig gewesen sein könnte (G) (Ereignis 4, Endereignis)

Die Kausalkette besteht aus 4 Ereignissen, wobei zwischen dem Ausgangsereignis 1, welches in diesem Beispiel eher als Begründung zu verstehen ist (weil die Bank sein Kind war), und dem Endereignis 4 die Zwischenstadien 2 und 3 liegen: Weil die Bank sein Kind war (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), hat der Angeklagte alles dafür getan, um es zu schützen (Folge, Ereignis 2) und weil er alles dafür getan hat, um es zu schützen (Ereignis 2, Grund), hat er im Interesse der Bank gehandelt (Folge, Ereignis 3) und weil er im Interesse der Bank gehandelt hat (Ereignis 3, Grund), hat er auch in Kauf genommen, dass der Jahresabschluss eventuell unrichtig gewesen sein könnte (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Bank – Kind – Schutz – Handeln im Interesse der Bank – in Kauf nehmen, dass der Jahresabschluss unrichtig ist.

eigentliches Faktum

In Satz (3) haben wir zunächst zwei isolierte Ereignisse (Die Investmentbanken haben der Hypo die gleiche Währungswette verkauft und der Finanzmanager C.R. sei leider zu naiv gewesen) welche nur gemeinsam als „Auslöser“ für die darauffolgende Kette anzusehen sind:

I) Fünf Investmentbanken (A) haben der Hypo die gleiche Währungswette verkauft (B) und I) der Finanzmanager Christian Rauscher (A) sei leider so naiv gewesen (B) (Ereignisse 1 und 2, Ausgangsereignisse), deshalb hat

II) er (C) sich von den Investmentbanken über den Tisch ziehen lassen und die Produkte gekauft (D) (Ereignis 3), das bewirkte

160

III) einen Verlust in der Höhe von 330 Millionen Euro (E) (Ereignis 4), welcher wiederum

IV) zum Risikomanager gelangte (F) (Ereignis 5), darauf

V) musste dieser (G) Kulterer darüber informieren (H), (Ereignis 6), was zur Folge hatte, dass

VI) Kulterer (I) sofort eingriff (und die Bilanzen fälschte) (J) (Ereignis 7, Endereignis).

Die Kausalkette besteht aus 7 Ereignissen, wobei zwischen den beiden Ausgangsereignissen 1 und 2, welche als Begründung für die darauffolgende Kette angesehen werden können, und dem Endereignis 7 also insgesamt 4 Zwischenereignisse liegen: Fünf Investmentbanken haben der Hypo die gleiche Währungswette verkauft (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund 1) und der Finanzmanager war leider so naiv (Ausgangsereignis, Ereignis 2, Grund 2), deshalb hat er sich über den Tisch ziehen lassen und die Produkte gekauft (Folge, Ereignis 3) und weil er die Produkte gekauft hat (Ereignis 3, Grund), kam es zu einem Verlust von 330 Millionen (Folge, Ereignis 4) und weil es zu einem Verlust von 330 Millionen kam (Ereignis 4, Grund), kam diese Information zum Risikomanager (Folge, Ereignis 5) und weil diese Information zum Risikomanager gelangte (Ereignis 5, Grund), musste dieser auch Kulterer darüber informieren (Folge, Ereignis 6) und weil das geschah (Ereignis 6, Grund), griff Kulterer sofort ein (und fälschte die Bilanzen) (Folge, Ereignis 7, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Das fragwürdige Angebot der Investmentbanken/die Naivität des Finanzmanagers – Kauf der Produkte – der Verlust von 330 Millionen – das Risikomanagement – die Benachrichtigung Kulterers – der Eingriff Kulterers (Bilanzfälschung).

eigentliches Faktum

Satz (4) steht für eine etwas kürzere kausale Kette:

I) Ein Mitarbeiter (A) hatte Währungswetten betrieben (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das bewirkte

II) Verluste in Höhe von rund 330 Millionen Euro (C) (Ereignis 2), das wiederum bewirkte, dass

III) Kulterer (D) die Verluste hat verschleiern lassen (E) (Ereignis 3, Endereignis).

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In dieser Kette haben wir also insgesamt nur 1 Ausgangsereignis, 1 Zwischen-, und 1 Endereignis: Ein Mitarbeiter hatte Währungswetten betrieben (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), das bewirkte Verluste in Höhe von rund 330 Millionen Euro (Folge, Ereignis 2), die Verluste in Höhe von rund 330 Millionen Euro (Ereignis 2, Grund) bewirkten, dass Kulterer diese hat verschleiern lassen (Folge, Ereignis 3, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Die Währungswetten des Mitarbeiters – die Verluste in Höhe von 330 Millionen Euro – Kulterers Verschleierung der Verluste.

eigentliches Faktum

Satz (5) stellt ebenso eine kürzere Kausalkette dar:

I) Währungsspekulationen mit L.B. (A) waren der Auslöser für das Strafverfahren (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das hatte zur Folge, dass

II) 328 Millionen Euro verloren gingen (C) (Ereignis 2), was zur Folge hatte, dass

III) die Banker (D) das Minus auf zehn Jahre verteilt abschreiben wollten (E) (Ereignis 3), was zur Folge hatte, dass

IV) dieser Verlust nicht in vollem Ausmaß in der Bilanz verbucht wurde (F) (Ereignis 4, Endereignis).

Diese Kausalkette besteht also aus 4 Ereignissen, von welchen zwischen 1, dem Ausgangsereignis und 4, dem Endereignis, die Ereignisse 2 und 3 liegen: Die Währungsspekulationen mit L.B. waren der Auslöser für das Strafverfahren (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), diese hatten zur Folge, dass 328 Millionen Euro verloren gingen (Folge, Ereignis 2), und weil 328 Millionen Euro verloren gingen (Ereignis 2, Grund), wollten die Banker das Minus auf zehn Jahre verteilt abschreiben (Folge, Ereignis 3), und weil die Banker das Minus auf zehn Jahre verteilt abschreiben wollten (Ereignis 3, Grund), wurde der Verlust nicht in vollem Ausmaß in der Bilanz verbucht (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

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Die Grundbausteine der Kette sind: Währungsspekulationen – Verlust von 328 Millionen Euro – Vorschlag, den Verluste auf 10 Jahre verteilt abzuschreiben – Verlust wurde nicht in vollem Ausmaß in der Bilanz verbucht. eigentliches Faktum

Satz (6) lässt sich folgendermaßen entschlüsseln:

I) Der Verantwortliche des Treasury-Bereichs (A) hat sich ein Produkt einreden lassen (B) und er (A) hat die Risiken nicht erkannt (B) (Ausgangsereignisse, Ereignisse 1 und 2), das bewirkte

II) einen negativen Marktwert der Geschäfte (C) (Ereignis 3), das hatte zur Folge, dass

III) wir (D) sofort gehandelt haben (und die Bilanzen gefälscht haben) (E). (Ereignis 4, Endereignis).

In dieser Kette haben wir also insgesamt 4 Ereignisse, von denen die Ereignisse 1 und 2 als Grund, bzw. Ausgangsereignisse für die darauf folgende Kette angesehen werden können: Der Verantwortliche des Treasury-Bereichs hat sich ein Produkt einreden lassen (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund 1) und er hat die Risiken nicht erkannt (Ausgangsereignis, Ereignis 2, Grund 2), das bewirkte einen negativen Marktwert der Geschäfte (Folge, Ereignis 3), und der negative Marktwert der Geschäfte (Ereignis 3, Grund) hatte zur Folge, dass wir sofort gehandelt haben (und die Bilanzen gefälscht haben). (Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Der Verantwortliche des T.B. hat sich ein Produkt einreden lassen und hat Risiken nicht erkannt – negativer Marktwert – wir haben gehandelt (und die Bilanzen gefälscht).

eigentliches Faktum

7.4.2 Kulterers gesetzeswidriger Positionswechsel in den Aufsichtsrat Schritt 1: Nach der Anzeige von Seiten der Finanzmarktaufsicht (FMA) gegen Kulterer, beschloss dieser, aus seiner Position als Vorstandsvorsitzender der Hypo zurückzutreten und stattdessen in den Aufsichtsrat zu wechseln: Er wollte dadurch verhindern, durch die FMA seines Amtes enthoben zu werden. Dieser Positionswechsel war aber ein Schritt, der eine

163

Änderung der Hypo-Satzung voraussetzt und der so nicht durchgeführt werden kann (vgl. Graber/Schnauder, 2015:22). Kulterers Selbsternennung zum Aufsichtsrat war folglich gesetzeswidrig. Er schaffte dies nur, indem er sich am 16. August 2006 von VertreterInnen des BZÖ und der ÖVP den Passus, der einen solchen Schritt strengstens untersagt, aus dem sog. „Corporate Governance Kodex“ streichen ließ.74 (vgl. ORF.at, 2006a). Diesem Passus zufolge hätte er mindestens drei Jahre warten müssen, um einen solchen Positionswechsel durchführen zu dürfen (vgl. ORF.at, 2006a). Am 01. Oktober 2006 befand sich Kulterer bereits an der Spitze des Aufsichtsrats (vgl. Graber/Schnauder, 2015:144).

In der Medienberichterstattung sollten sich hinsichtlich dieses Skandals Sätze nach dem folgenden Agens-Actio-Schema finden lassen:

Agens (A) - Actio (B) Kulterer (A) wechselt (ordnungswidrig) in den Aufsichtsrat (B). Kulterer (A) streicht (ordnungswidrig) einen Passus aus dem C.-G.-Kodex (B). Kulterer (A) umgeht (ordnungswidrig) ein Amtsenthebungsverfahren.

Schritt 2: Beispielsätze gemäß TYP 1 (Agens-Actio-Schema): (1) […] Wolfgang Kulterer zieht am 1. Oktober in den Aufsichtsrat der Bank ein. (Der Standard, 2006).

(2) Kulterer wechselt in den Aufsichtsrat. (Der Standard, 2006).

(3) Hypo-Chef kann nicht in Aufsichtsrat wechseln. (ORF.at, 2006a).

(4) Kulterer wechselte an die Spitze des Aufsichtsrats […]. (Klinger, 2013, Gmx.at).

(5) Kulterer wechselte mit 1. Oktober 2006 an die Spitze des Aufsichtsrats. (Nikbakhsh/Schmid, 2010, Profil.at).

(6) Auffällig war, dass […] Kulterer flink in den Aufsichtsrat als Chef wechselte. (Leyendecker/Ott, 2010b, Süddeutsche Zeitung.de).

74 Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) ist ein Regelwerk, welches Empfehlungen für die Leitung und die Überwachung eines Unternehmens sowie für seine Einbindung in den Kapitalmarkt enthält (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2004:624f.).

164

(7) Chef tritt zurück und wechselt anschließend gelenkig in den Aufsichtsrat. (Leyendecker/Ott, 2010a, Süddeutsche Zeitung.de).

(8) Mit dem Wechsel in den Aufsichtsrat entgeht Kulterer einem Amtsenthebungsverfahren. (ORF.at, 2006b).

Schritt 3: Analyse und Kommentar In Beispiel (1) ist Wolfgang Kulterer das Agens (A) des Satzes und tritt formal als Subjekt im Nominativ auf. Die sog. „Actio“ (B), die unmittelbar an das Agens tritt, ist, (er) zieht in den Aufsichtsrat der Bank ein. Die Sätze (2) und (3) sind formal sehr ähnlich, das Agens (A) bleibt immer Kulterer (in Satz (3) durch Hypo-Chef substituiert), wobei sie sich aber insofern voneinander unterscheiden, als in Satz (2) direkt die Handlung (B) genannt wird (er wechselt in den Aufsichtsrat) und in Satz (3) hingegen auf die Gesetzeswidrigkeit seiner Handlung (B) verwiesen wird. Beim Lesen der beiden Sätze sollten aber keine Probleme in der Memorierung des Agens (A) (Kulterer) auftreten. Ebenso sind die Sätze (4) und (5) formal sehr ähnlich, mit dem einzigen Unterschied, dass in (5) noch eine zusätzliche Information in Form einer Präpositionalphrase (mit 1. Oktober 2006) und in der syntaktischen Funktion einer temporalen Angabe mitgeliefert wird. Das Satzsubjekt im Nominativ, und demnach Agens (A), bleibt immer Kulterer, die von ihm ausgeführte Handlung (B) bleibt ebenso sein Wechsel in den Aufsichtsrat. In Satz (6) wird die in den bisherigen Beispielsätzen gegebene Information in einen Nebensatz, bzw. Sujektsatzes eingebunden, welcher durch eine unpersönliche Konstruktion (Es ist auffällig, dass) eingeleitet wird. Die Verbalhandlung (B) wird hier zudem noch durch das modale Adverb flink spezifiziert, was dem Ganzen einen ironischen Zug verleiht. Satz (7) wird durch den Einsatz des modalen Adverbs gelenkig ebenso ein ironischer Unterton verliehen. Im Gegensatz zu Satz (6) werden dem Satzsubjekt Kulterer (A) hier zwei aufeinanderfolgende Handlungen (B und C) zugewiesen (er tritt zurück und er wechselt in den Aufsichtsrat). In Satz (8) finden wir zwar eine kausale Struktur vor, bedingt durch den Einsatz der Präposition mit (mit dem Wechsel in den Aufsichtsrat). Das Agens (A) bleibt aber immer Kulterer und da der Satz auch sonst nicht komplexer in kausale Abhängigkeiten verkettet ist, ordne ich ihn in diese Gruppe (TYP 1, klassische Agens-Actio- Sätze) ein. Das Lesen der hier angeführten Sätze sollte sich nicht negativ auf die Memorierung des handelnden Subjekts auswirken, da die Sätze an sich keine allzu große Komplexität aufweisen und auch „regelmäßig“ i.S. einer klassischen Agens-Actio-Struktur erscheinen.

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Schritt 4: Beispielsätze gemäß TYP 2 (Kausalketten) (1) Ich wusste, dass wir die Bank nach dieser Swap-Geschichte dringend kapitalisieren mussten. Ich wollte eigentlich auch nicht in den Aufsichtsrat, habe mich aber in letzter Konsequenz dem Wunsch der Mitarbeiter und der Eigentümer gebeugt. [Hervorhebung L.P.] (Nikbakhsh/Schmid, 2010, Profil.at).75

(2) […] durch das Bekanntwerden von 328 Millionen Euro Spekulationsverlusten, die im Herbst 2004 angehäuft wurden, kündigte der Vorstandschef Ende Juli seinen Rücktritt an […] Das von der Finanzmarktaufsicht (FMA) gegen ihn angestrengte Amtsenthebungsverfahren wurde damit eingestellt, worauf Kulterer, wenn auch nicht den Vorschriften entsprechend, an die Spitze des Aufsichtsrates wechselte. [Hervorhebung L.P.]. (vgl. derStandard.at, 2006).

In der ZIB2 äußerte sich Kulterer in einem Interview mit ORF-Moderator Armin Wolf zur Kritik an seinem Wechsel in den Aufsichtsrat. Laut dieser Kritik wird der Wechsel als „unfassbarer, einzigartiger Vorgang“ und als „Gipfel der Absurdität“ bezeichnet. Kulterer rechtfertigt diesen (eigentlich ordnungswidrigen) Schritt mit der Begründung, dass er maßgeblich am Wachstum der Hypo beteiligt war und aufgrund der Nicht-Präsenz an der Börse hier „frei gestaltet“ werden könne. (vgl. ORF-TV-Thek, 2006).

Wolf: Wenn Sie als Vorstand zurücktreten, weil Sie für die Bank eine Belastung sind, warum sind Sie dann als Aufsichtsrat geeignet?

Kulterer:

(3) Ich trete zum Schutz der Bank zurück, weil ein laufendes Verfahren und laufende Berichterstattung sich negativ auf das Bankunternehmen auswirken. […] Ich bin selbst auf die Eigentümer zugegangen und habe gesagt ‚Im Sinne der Bank müssen wir diesen Zustand beenden‘. […] Mir war völlig klar, dass eine Verzögerung des Rücktritts nur zum Schaden der Bank führen kann und daher habe ich mich für den Rücktritt entschlossen. Wir sind noch nicht an der Börse, deswegen können wir hier frei gestalten […] Die Eigentümer haben

75 Diese Aussage stammt aus einem persönlichen Interview mit Kulterer, in welchem er auf die Frage, warum er rechtswidrig in den Aufsichtsrat gewechselt sei, immer wieder versuchte, seinen gesetzeswidrigen Schritt durch eine Kette von Begründungen zu rechtfertigen, er sagte weiters: „Ich hätte kein Problem gehabt, dem Land Kärnten oder der Grazer Wechselseitigen abzusagen. Ich fühlte mich den Mitarbeitern gegenüber verantwortlich und glaubte, es machen zu müssen (das war Schwachsinn). Wenn ich damals gegen einen Baum gefahren wäre, hätte es auch ohne mich weitergehen müssen. Ich lebte in dem Irrglauben, die Bank retten zu müssen […].“ (Nikbakhsh/Schmid, 2010, Profil.at).

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diesen Wunsch an mich herangetragen und es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob sie bei diesem Wunsch bleiben…]. [Hervorhebung L.P.] (vgl. ORF TV-Thek, 2006).

(4) Durch das Bekanntwerden von Spekulationsverlusten in dreistelliger Millionenhöhe hatte Kulterer Ende Juli 2006 seinen Rücktritt bekanntgegeben, ehe er per 1. Oktober 2006 in den Aufsichtsrat der später notverstaatlichten Kärntner Bank einzog. Mit der Rochade wurde das Amtsenthebungsverfahren der FMA gegen Kulterer eingestellt. [Hervorhebung L.P.] (Kleine Zeitung.at, 2015).

(5) Letztlich war es Haider, der im Jahre 2006 den Wechsel Kulterers in den Aufsichtsrat vorangetrieben hatte. [Hervorhebung L.P.] (vgl. diePresse.com, 2015).

Schritt 5: Analyse der Kausalketten (Grundschema) + Schritt 6: Grundbausteine der Kette und Kommentar

In Satz (1) handelt es sich um eine Rechtfertigung durch Kulterer. Er versucht hier seinen eigentlich unrechtmäßigen Positionswechsel zu verteidigen, indem er zwei grundlegende Argumente dafür einbringt und dadurch die Verantwortung für seine Handlung komplett von sich weg weist (Ich wollte eigentlich auch nicht in den Aufsichtsrat). Somit stellt er das Ereignis vielmehr als eine Abfolge von sich kausal bedingenden Ereignissen dar:

I) Es gab eine Swap-Geschichte (A), (Ausgangsereignis, Ereignis 1), deshalb mussten

II) wir (B) die Bank dringend kapitalisieren (C), (Ereignis 2), worauf

III) die Mitarbeiter und die Eigentümer (D) den Wunsch76 geäußert haben (E), (Ereignis 3) und in letzter Konsequenz

IV) habe ich (G) mich diesem Wunsch gebeugt (H). (Ereignis 4, Endereignis).

Zwischen dem Ausgangs- und dem Endereignis (1 und 4) dieser Kausalkette lassen sich insgesamt 2 Zwischenereignisse ansetzen: Es gab eine Swap-Geschichte (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), deshalb mussten wir die Bank dringend kapitalisieren (Folge, Ereignis 2), und weil wir die Bank dringend kapitalisieren mussten (Ereignis 2, Grund), haben die Mitarbeiter und Eigentümer diesen Wunsch geäußert (Folge, Ereignis 3), und weil die Mitarbeiter und Eigentümer diesen Wunsch geäußert haben (Ereignis 3, Grund), habe ich mich diesem Wunsch gebeugt (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

76 Der „Wunsch“ beinhaltet hier natürlich: „Dass ich in den Aufsichtsrat wechsle.“

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Die Grundbausteine der Kette sind:

Swap-Geschichte – Kapitalisierung der Bank – der Wunsch der Mitarbeiter/Eigentümer – meine Beugung diesem Wunsch gegenüber (ich habe meine Position gewechselt)

eigentliches Faktum

In Satz (2) haben wir wiederum eine Kausalkette, welche in die folgenden Stadien zerlegt werden kann:

I) 328 Millionen Euro Spekulationsverluste, die im Herbst 2004 angehäuft wurden, wurden bekannt (A), (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das hatte zur Folge, dass

II) der Vorstandschef (B) Ende Juli seinen Rücktritt ankündigte (C), (Ereignis 2), wodurch

III) das von der FMA gegen ihn angestrebte Amtsenthebungsverfahren eingestellt wurde (D), (Ereignis 3), worauf

IV) Kulterer (E), wenn auch nicht den Vorschriften entsprechend, an die Spitze des Aufsichtsrates wechselte (F). (Ereignis 4, Endereignis).

Diese Kausalkette besteht also aus dem Ausgangsereignis 1, den Zwischenereignissen 2 und 3 und dem Endereignis 4: 328 Millionen Euro Spekulationsverluste, die im Herbst 2004 angehäuft wurden, wurden bekannt, (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), dadurch kündigte der Vorstandschef Ende Juli seinen Rücktritt an, (Folge, Ereignis 2) und weil der Vorstandschef Ende Juli seinen Rücktritt ankündigte (Ereignis 2, Grund), wurde das von der FMA gegen ihn angestrebte Amtsenthebungsverfahren eingestellt (Folge, Ereignis 3), und weil das von der FMA gegen ihn angestrebte Amtsenthebungsverfahren eingestellt wurde (Ereignis 3, Grund), wechselte Kulterer, wenn auch nicht den Vorschriften entsprechend, an die Spitze des Aufsichtsrates (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Das Bekanntwerden der Spekulationsverluste – die Rücktrittsankündigung – die Einstellung des Amtsenthebungsverfahrens – der nicht vorschriftsmäßige Wechsel in den Aufsichtsrat

eigentliches Faktum

168

In Satz (3) lassen sich mehrere Wiederholungen von Begründungen finden, mit welchen sich Kulterer für seinen Rücktritt und seinen Positionswechsel rechtfertigt. Diese Kette lässt sich wie folgt zerlegen:

I) Ich (A) will die Bank schützen (B) (vgl. zum Schutz der Bank) (Ausgangsereignis, Ereignis 1) und

II) ein laufendes Verfahren und laufende Berichterstattung (C) wirken sich negativ auf das Bankunternehmen aus (D) (Ausgangsereignis, Ereignis 2) und

III) ich (E) bin selber auf die Eigentümer zugegangen und habe gesagt im Sinne der Bank müssen wir diesen Zustand beenden (F) (Ausgangsereignis, Ereignis 3) und

IV) mir war völlig klar (G), dass (Ausgangsereignis, Ereignis 4) IV_1) (G_1) eine Verzögerung des Rücktritts (kontrafaktisches Ausgangsereignis 4.1) IV_2) (G_2) nur zum Schaden der Bank führen würde (kontrafaktisches Folgeereignis77 4.2), daraus folgt

V) ich (H) trete zurück (I) (Ereignis 5, Endereignis).

Hierbei handelt es sich also um eine etwas besondere Form einer Kausalkette, da wir hier nicht die klassische Variante haben, in welcher auf ein einziges Ausgangsereignis mehrere Zwischenereignisse folgen, welche gegenseitig ursächlich aufeinander zurückzuführen sind, sondern vielmehr lassen sich in diesem Satz insgesamt 4 Ausgangsereignisse zählen, welche schließlich allesamt Kulterers Handlung begründen/verursachen/rechtfertigen: Ich will die Bank schützen (Ausgangsereignis, Ereignis 1 Grund) und ein laufendes Verfahren und laufende Berichterstattung wirken sich negativ auf das Bankunternehmen aus (Ausgangsereignis, Ereignis 2, Grund) und ich bin selber auf die Eigentümer zugegangen und habe gesagt im Sinne der Bank müssen wir diesen Zustand beenden (Ausgangsereignis, Ereignis 3, Grund) und mir war völlig klar, dass eine Verzögerung des Rücktritts nur zum Schaden der Bank führen würde (Ausgangsereignis, Ereignis 4, Grund), daher habe ich mich für den Rücktritt entschieden (Folge, Ereignis 5, Endereignis).

77 G_1 ist hier als Ursache zu verstehen und G_2 als Folgeereignis. Ich habe diesen Nebensatz ([…], dass eine Verzögerung des Rücktritts nur zum Schaden der Bank führen würde) deshalb eine Stufe tiefer eingeordnet, weil wir innerhalb dieses Gliedsatzes selbst eine solche kausale Abhängigkeit haben.

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Die Grundbausteine der Kette sind:

Schutz der Bank + negative Auswirkungen eines Verfahrens + eigenständiger Zugang zu den Eigentümern + eine Verzögerung, die zum Schaden führen würde - Rücktritt

eigentliches Faktum

Die Kette in Satz (4) lässt sich wie folgt zerlegen:

I) Das Bekanntwerden der Spekulationsverluste (A) (Ausgangsereignis, Ereignis 1) hatte zur Folge, dass

II) Kulterer (B) Ende Juli 2006 seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte (C) (Ereignis 2), dadurch konnte

III) Kulterer (D) in den Aufsichtsrat einziehen (E), (Ereignis 3), das hatte zur Folge, dass

IV) das Amtsenthebungsverfahren der FMA gegen Kulterer eingestellt wurde (F). (Ereignis 4, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 2 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Das Bekanntwerden der Spekulationsverluste (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund) hatte zur Folge, dass Kulterer Ende Juli 2006 seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte (Folge, Ereignis 2), und weil Kulterer Ende Juli 2006 seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte (Ereignis 2, Grund), konnte Kulterer in den Aufsichtsrat einziehen (Folge, Ereignis 3) und weil Kulterer in den Aufsichtsrat einziehen konnte (Ereignis 3, Grund), wurde das Amtsenthebungsverfahren der FMA gegen Kulterer eingestellt (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Verluste - Bekanntgabe des Rücktritts - Wechsel in den Aufsichtsrat - einem Amtsenthebungsverfahren entgehen eigentliches Faktum

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7.4.3 Spekulation mit toxischen Wertpapieren Schritt 1: Am 11. Jänner 2010 wurde bekannt, dass die Hypo durch Spekulation mit toxischen Wertpapieren hunderte Millionen Euro in der Steueroase Jersey verspekuliert hatte.78 Die Hypo hatte erstmals 2001 Fuß auf die Kanalinseln gelegt, begann dort mit einem Investment von 75 Mio. Euro und erhöhte ihre Kapitalbasis 2004 dann um 150 Millionen Euro. In Jersey gründete die Hypo zusammen mit der Deutschen Bank die „Credit Management“- Bank und davon wiederum zwei Tochtergesellschaften, in welche investiert wurde. Die Hypo verfügte mit der Credit Management über eine Art Eigenkapitalmaschine: Jeder Euro, der vom „49-Pozent-Partner“ kam, konnte als volles Eigenkapital ausgewiesen werden. 2007 hat sich das Engagement in toxische Wertpapiere auf 842 Mio. Euro summiert, woraufhin wiederum 400 Mio. Euro in die Credit Management geschossen wurden, 2008 mussten aber erneut 56 Mio. abgeschrieben werden (vgl. Graber/Schnauder, 2010).

Zu diesen Spekulationsverlusten sollten sich in unterschiedlichen Medienberichten die folgenden Grundaussagen finden lassen:

Agens (A) - Actio (B) Die Hypo (A) investiert in toxische Wertpapiere (B). Die Hypo (A) betreibt Spekulation mit toxischen Wertpapieren (B).

Schritt 2: Beispielsätze gemäß TYP 1 (Agens-Actio-Schema) (1) Hypo verspekulierte über Jersey hunderte Millionen. (Graber/Schnauder, 2010, derStandard.at).

(2) Die Kärnten Hypo hat hunderte Millionen über ein Investmentvehikel in Jersey versenkt. (Graber/Schnauder, 2010, derStandard.at).

78 Steueroasen sind Bezeichnungen für Länder, die ein niedriges Steuerniveau haben, weil entweder keine oder nur sehr niedrige Steuern erhoben werden, wie etwa auf den Bermuda-Inseln, auf den Bahamas, in Liechtenstein, Monaco oder der Schweiz. Gerade ein solches Steuerniveau bietet einen Anreiz zur Verlagerung von Einkünften und Vermögen, deshalb gelten Steueroasen auch als sehr attraktiv für Unternehmen (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2004:2808). Zur Definition des Terminus „Toxische Wertpapiere“ siehe folgenden Link: http://www.kas.de/wf/de/71.7136/, Stand: 11.12.2015: „Als toxisch (giftig) werden Wertpapiere bezeichnet, hinter denen Forderungen mit hohem (Ausfall)Risiko stehen. Derartige Hypotheken-Papiere von Kunden mit geringer Fähigkeit, ihre Kredite zurückzahlen zu können (Subprime), wurden in den Jahren 2004 – 2007 von amerikanischen Banken weltweit vertrieben. Sie verursachten und internationalisierten die amerikanische Finanzkrise.“

171

(3) Die Hypo verfügt über ein 19 Milliarden Euro schweres Portfolio an toxischen Wertpapieren und Krediten. (vgl. n-tv.de, 2014).

(4) Die verstaatlichte Bank hat toxische Wertpapiere im Wert von 759 Millionen Euro versteigert. (Spiegel.de, 2009).

Schritt 3: Analyse und Kommentar

In Beispiel (1) ist die Hypo (A) das Agens des Satzes, welches formal als Subjekt im Nominativ auftritt. Die sog. „Actio“ (B), die unmittelbar an das Agens tritt, ist die fehlgeschlagene Spekulation (sie verspekulierte hunderte Millionen). Als Zusatzinformation finden wir hier noch eine modale Angabe in Form einer Präpositionalphrase (über Jersey). Satz (2) setzt Die Kärnten Hypo als Agens (A) an; die Handlung (B) ist die Versenkung hunderter Millionen (sie hat hunderte Millionen versenkt), wobei hier zusätzlich noch eine modale Angabe in Form einer Präpositionalphrase (über ein Investmentvehikel) sowie eine lokale Angabe (in Jersey) als Zusatzinformationen vorkommen. In Satz (3) wird auf ironisch- sarkastische Weise auf den hohen Schuldenberg der Hypo verwiesen: Das Satzagens (A) ist hier wiederum die Hypo; die Handlung, welche an das Agens tritt, ist in diesem Fall der „Besitz“ des eindeutig auf ironisch-sarkastische Weise bezeichneten Schuldenberges (sie verfügt über ein 19 Milliarden schweres Portfolio), wobei hier das Portfolio noch durch die Zusatzinformationen an toxischen Wertpapieren und Krediten attributiv näher spezifiziert wird. In Satz (4) fungiert das Subjekt im Nominativ die verstaatlichte Bank als Agens (A) des Satzes. Die Handlung (B) ist hierbei die Versteigerung der toxischen Wertpapiere, was natürlich impliziert, dass die Bank zuvor mit toxischen Wertpapieren gehandelt hat. Die Präpositionalphrase im Wert von 759 Millionen Euro ist hierbei Attribut zu den Wertpapieren und dient als Zusatzinformation. Das Lesen der hier angeführten Sätze sollte sich nicht negativ auf die Memorierung des handelnden Subjekts auswirken, da die Sätze an sich keine allzu große Komplexität aufweisen und auch „regelmäßig“ i.S. einer klassischen Agens-Actio-Struktur erscheinen.

Schritt 4: Beispielsätze gemäß TYP 2 (Kausalketten) (1) Die Hypo gründete gemeinsam - dem Vernehmen nach mit der Deutschen Bank (und die wiederum über einen Ableger im US-Steuerparadies Delaware) - die HB International Credit Management in Jersey, welche 400 Mio. Euro in zwei Tochtergesellschaften mit den bezeichnenden Namen Carinthia I und II steckte. Die investierten wiederum in Papiere unterschiedlicher Bonität (also toxische Papiere), welche von der Deutschen Bank über zwei

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Sondergesellschaften ausgegeben wurden. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Graber/Schnauder, 2010, derStandard.at).79

(2) 2007 verlor die Credit Management wegen der verfallenden US-Häuserpreise via Kanalinsel 210 Mio. Euro. Hypo und Deutsche Bank schossen 2007 neuerlich 400 Mio. Euro in die Credit Management ein. 2008 ging die Talfahrt weiter, die Hypo musste laut Geschäftsbericht neuerlich 56 Mio. Euro abschreiben. Dazu kamen Verluste aus der Pleite von Lehman Brothers und dreier isländischer Banken, deren Produkte ebenfalls reißenden Absatz fanden. Das Engagement in toxische Wertpapiere hatte sich zu diesem Zeitpunkt auf 842 Mio. Euro summiert. [Hervorhebung L.P.] (Graber/Schnauder, 2010, derStandard.at).

(3) Der Gesetzgeber hat diese Konstruktion beflügelt, weil er den Emissionserlös dieser Vehikel als Kernkapital anerkannte. Daher gilt Jersey aus steuerlichen Gründen als attraktiv für die Aufnahme von Eigenkapital, weshalb sich dort auch österreichische Banken mit Spezialgesellschaften tummeln. Die Hypo setzte erstmals 2001 den Fuß auf die Channel Islands, begab 75 Mio. Euro und wiederholte den Vorgang 2004, um die Kapitalbasis um 150 Mio. Euro aufzufetten. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Graber/Schnauder, 2010, derStandard.at).

(4) Da laut Auskunft der Bank die Emission über die Deutsche Bank durchgeführt wurde, konnte seitens der HBInt den Prüfern keine Liste der Investoren - auch nicht der Erstzeichner - zur Verfügung gestellt werden. Daher war das seit 2005 gedrehte große Rad in Jersey den Prüfern 2007 keine kritische Würdigung wert, womit die Hypo durch die Credit Management jedenfalls über eine Art Eigenkapitalmaschine verfügen und toxischen Wertpapierhandel betreiben konnte. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Graber/Schnauder, 2010, derStandard.at).

(5) Und in einer Aktienspekulation – eingefädelt von der Deutschen Bank über die Steueroase Jersey – verlor die Hypo 500 Millionen Euro. (Trummer/Kischko, 2013, kurier.at).

Schritt 5: Analyse der Kausalketten (Grundschema) + Schritt 6: Grundbausteine der Kette und Kommentar

In Satz (1) scheint der Verlust durch den toxischen Wertpapierhandel, über den berichtet wird, durch die Konstruktion einer Kette von mehreren kausal aufeinanderfolgenden Ereignissen verschleiert zu sein. Die Spekulationsverluste, welche durch Investitionen in toxische Wertpapiere verursacht wurden, werden hier lediglich als „Zwischenstadien“ einer Kette präsentiert, die sich folgendermaßen aufschlüsseln lässt:

79 Unter dem Begriff Bonität ist nach Gabler (2004:511) die Kreditwürdigkeit zu verstehen, „i.e.S. die Qualität eines institutionellen oder individuellen Schuldners, in der Zukunft seinen Schuldendienstverpflichtungen nachzukommen. I.w.S. beruht Bonität auf der Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers, seinen Zahlungen nachzukommen.“

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I) Die Hypo (A) gründete – dem Vernehmen nach mit der Deutschen Bank (und die wiederum über einen Ableger im US-Steuerparadies Delaware) – die HB International Credit Management in Jersey (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), welche dadurch

II) 2 Tochtergesellschaften mit den Namen Carinthia I und II gründen (C) und 400 Mio. Euro in diese Tochtergesellschaften hineinstecken konnte (D) (Ereignisse 2 und 3), dadurch konnte

III) die Deutsche Bank (E) Papiere unterschiedlicher Bonität an diese Tochtergesellschaften ausgeben (F) (Ereignis 4), wodurch

IV) die Tochtergesellschaften (G) in Papiere unterschiedlicher Bonität investieren konnten (und somit mit toxischen Wertpapieren handeln konnten) (H) (Ereignis 5, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 3 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Sie gründeten mit der Deutschen Bank (und diese wiederum über einen Ableger im Steuerparadies Delaware) die HB International Credit Management in Jersey (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), diese konnte dadurch zwei Tochtergesellschaften gründen und 400 Mio. Euro in die zwei Tochtergesellschaften Carinthia I und II stecken (Folgen, Ereignisse 2 und 3) und weil sie diese Tochtergesellschaften gründen und 400 Mio. Euro in die zwei Tochtergesellschaften Carinthia I und II stecken konnte (Ereignisse 2 und 3, Grund), konnte die Deutsche Bank Papiere unterschiedlicher Bonität über diese zwei Sondergesellschaften ausgeben (Folge, Ereignis 4), und weil die DB Papiere unterschiedlicher Bonität über zwei Sondergesellschaften ausgeben konnte (Ereignis 4, Grund), konnten die beiden Tochtergesellschaften in diese Papiere investieren (Folge, Ereignis 5, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Hypo und DB – HB International – Gründung und Investition in 2 Tochtergesellschaften – Ausgabe von Papieren unterschiedlicher Bonität – Investition in toxische Wertpapiere

eigentliches Faktum

Auch in Satz (2) findet sich eine Aneinanderreihung von mehreren, kausal aufeinander zurückführbaren Ereignissen, welche sich folgendermaßen aufschlüsseln lassen:

174

I) Die US-Häuserpreise verfielen (A) (Ausgangsereignis 1, Ereignis 1), das bewirkte, dass

II) die Credit Management (B) 2007 via Kanalinsel 210 Mio. Euro verlor (C) (Ereignis 2), deshalb mussten

III) Hypo und Deutsche Bank (D) 400 Mio. in die Credit Management einschießen (E) (Ereignis 3),

 An dieser Stelle erfolgt ein Abbruch der Kette und es wird ein neues Ausgangsereignis genannt, welches aber wiederum gewissermaßen mit der vorherigen Kette in Verbindung steht

IV) Die Talfahrt ging weiter und es kam zu weiteren Verlusten (F) (Ausgangsereignis 2, Ereignis 4), das hatte wiederum zur Folge, dass

V) das Engagement in toxische Wertpapiere auf 842 Mio. Euro stieg (G) (Ereignis 5, Endereignis).

Diese Kausalkette besteht also aus einem ersten Ausgangsereignis und 2 Folgeereignissen und wird nach einem kurzen Abbruch wiederum mit einem neuen Ausgangsereignis, welches mit der vorherigen Kette verknüpft ist, weitergeführt, und schließlich bis zum Endereignis (Ereignis 5, Investition in toxische Wertpapiere) fortgesetzt: Die US-Häuserpreise verfielen (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), was bewirkte, dass die Credit Management 210 Mio. Euro verlor, (Folge, Ereignis 2) und weil die Credit Management 210 Mio. Euro verlor (Ereignis 2, Grund), mussten die Hypo und die Deutsche Bank 400 Mio. Euro in die Credit Management einschießen (Folge, Ereignis 3) – Abbruch der Kette – Die Talfahrt ging weiter und es kam zu weiteren Verlusten (Ausgangsereignis 2, Ereignis 4, Grund), wodurch das Engagement in toxische Wertpapiere auf 842 Mio. Euro stieg (Folge, Ereignis 5, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

US-Häuserpreise – Verlust von 210 Mio. Euro – Einschuss von 400 Mio. Euro ---- Verluste – toxischer Wertpapierhandel

eigentliches Faktum

175

Satz (3) lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

I) Der Gesetzgeber (A) erkannte den Emissionserlös dieser Vehikel als Kernkapital an (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), deshalb hat

II) er (C) diese Konstruktion beflügelt (D) (Ereignis 2), daher (aus steuerlichen Gründen)

III) gilt Jersey (E) als attraktiv für die Aufnahme von Eigenkapital (F) (Ereignis 3), weshalb

IV) auch österreichische Banken (G) sich dort mit Spezialgesellschaften tummeln (H) (Ereignis 4), das hatte zur Folge, dass auch

V) die Hypo (I) Fuß auf die Channel Islands setzte und 75 Mio. Euro begab (J) (Ereignis 5, Endereignis), V_1) sie (K) wollte die Kapitalbasis um 150 Mio. Euro auffetten (L) (Unterereignis 5.1, Grund), das hatte zur Folge, dass V_2) sie (M) 2004 den Vorgang wiederholte (N) (Unterereignis 5.2, Folge).

Diese Kausalkette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 3 Zwischenereignissen und 1 Endereignis, wobei das Endereignis seinerseits noch aus einen Grund-Folge-Verhältnis: Der Gesetzgeber erkannte den Emissionserlös dieser Vehikel als Kernkapital an (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), deshalb hat er diese Konstruktion beflügelt (Folge, Ereignis 2) und weil er diese Konstruktion beflügelt hat (Ereignis 2, Grund), gilt Jersey aus steuerlichen Gründen als attraktiv für die Aufnahme von Eigenkapital (Folge, Ereignis 3) und weil Jersey aus steuerlichen Gründen als attraktiv für die Aufnahme von Eigenkapital gilt (Ereignis 3, Grund), tummelten sich dort auch österreichische Banken mit ihren Spezialgeschäften (Folge, Ereignis 4) und weil sich dort auch österreichische Banken mit ihren Spezialgeschäften tummelten (Ereignis 4, Grund), setzte auch die Hypo 2001 Fuß auf die Channel Islands und investierte 75 Mio. Euro (Folge, Ereignis 5, Endereignis) und um die Kapitalbasis auf 150 Mio. Euro aufzufetten (Unterereignis 5.1, Grund), wiederholte sie 2004 den Vorgang Unterereignis 5.2, Folge).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Gesetzgeber – Beflügeln der Konstruktion – Attraktivität Jerseys – Spezialgeschäfte österreichischer Banken – Hypo – Investitionen 75 Mio. – 150 Mio.

eigentliches Faktum

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Satz (4) lässt sich in die folgenden Stadien zerlegen:

I) Die Emission wurde über die Deutsche Bank durchgeführt (A) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das hatte zur Folge, dass

II) die HBInt (B) den Prüfern keine Liste der Investoren vorlegen konnte (C) (Ereignis 2), daher

III) war das seit 2005 gedrehte große Rad in Jersey den Prüfern keine kritische Würdigung wert (D) (Ereignis 3), deshalb konnte

IV) die Hypo (E) mit der Credit Management über eine Art Eigenkapitalmaschine verfügen und toxischen Wertpapierhandel betreiben (F) (Ereignis 4, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 2 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Die Emission wurde über die Deutsche Bank durchgeführt (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), das hatte zur Folge, dass die HBInt den Prüfern keine Liste der Investoren vorlegen konnte (Folge, Ereignis 2) und weil die HBInt den Prüfern keine Liste der Investoren vorlegen konnte (Ereignis 2, Grund), war das seit 2005 gedrehte große Rad in Jersey den Prüfern keine kritische Würdigung wert (Folge, Ereignis 3) und weil das seit 2005 gedrehte große Rad in Jersey den Prüfern keine kritische Würdigung wert war (Ereignis 3, Grund), konnte die Hypo mit der Credit Management über eine Art Eigenkapitalmaschine verfügen und toxischen Wertpapierhandel betreiben (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Emission der Deutschen Bank – keine Investorenliste der HBInt – geringes Interesse der Prüfer – Hypos Eigenkapitalmaschine und toxischer Wertpapierhandel

eigentliches Faktum

Satz (5) stellt einen besonderen Fall einer Kausalkette dar. Trotz der prägnanten Formulierung des Beispiels, lässt sich der Satz in mehrere Zwischenstadien aufschlüsseln und aufzeigen, dass es sich auch in diesem Fall um eine Aneinanderreihung mehrerer kausal aufeinanderfolgender Ereignisse handelt:

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I) Jersey ist eine Steueroase (A) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das hat zur Folge, dass

II) Jersey (B) für Unternehmen sehr verlockend ist (C), (Ereignis 2), weshalb

III) Die Deutsche Bank (D) dort eine Aktienspekulation einfädelt (E), (Ereignis 3), das bewirkte, dass

III) die Hypo (G) 500 Mio. Euro verlor (H) (Ereignis 4, Endereignis)

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 2 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Jersey ist eine Steueroase (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), deshalb ist Jersey für Unternehmen sehr verlockend (Folge, Ereignis 2) und weil es für Unternehmen sehr verlockend ist (Ereignis 2, Grund), hat sich auch die Deutsche Bank dort niedergelassen und dort mit Aktien spekuliert (Folge, Ereignis 3), die Aktienspekulation (Ereignis 3, Grund) bewirkte, dass die Hypo 500 Mio. Euro verlor (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Jersey – Steueroase – Attraktivität für Unternehmen – Deutsche Bank –

Aktienspekulation – Verlust Hypo

eigentliches Faktum

7.4.4 Der Handel mit Spam-Aktien Schritt 1: Zu der nahezu unendlichen Liste an Finanz-und Korruptionsaffären sind wohl auch die Aktienspam-Affären der Hypo zu zählen.80 Zwischen 1. November 2006 und 31. August 2007 soll die Hypo Alpe Liechtenstein AG, welche bis Ende 2007 noch hundertprozentige Tochter der Hypo-Group war, mit Spam-Aktien gehandelt haben. Die Hypo Liechtenstein

80 Unter Aktienspam versteht man den Versand von E-Mails (Spam) mit Werbung für eine Aktie, um deren Kurs in die Höhe zu treiben. In diesen E-Mails werden Aktien als „Geheimtipps“ beworben, die hohe Kursgewinne versprechen. Man verweist darin beispielsweise auf geheime Informationen von gut unterrichteten BörsenmaklerInnen, auf das Bevorstehen von Marketing-Kampagnen sowie auf neuartige Erfindungen und Patente des Unternehmens. Es werden zudem fiktive Kursziele genannt und darauf stark empfohlen, die Aktien zu kaufen. Das Hauptziel ist es hierbei natürlich, die vorher günstig erworbenen Papiere nach dem durch millionenfache Werbemails erhofften Kursanstieg mit Gewinn weiter zu veräußern. Es handelt sich zwar um Aktien von echten Unternehmen, allerdings stammen diese aus der zweiten/dritten Reihe des Marktes (sog. „Penny-Stocks“); gerade solche Aktien sind aufgrund ihrer niedrigen Preise anfällig für Spekulationen und Manipulationen (vgl. Siebert, o.J. „Aktien-Spam: Die illegale Abzocke?“).

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wurde deshalb im Jahre 2007 zeitweilig vom Börsenhandel ausgeschlossen (vgl. Baines, 2007). Die Hypo Liechtenstein wollte (mit Verweis auf das Liechtensteiner Bankgeheimnis) nicht angeben, wer den Auftrag für den Spam-Aktienhandel gegeben hatte; aus diesem Grund wurde sie am 20. Mai 2008 „auf immer und ewig“ vom Wertpapier- und Devisenmarkt ausgeschlossen (vgl. Baines, 2008).

In der Medienberichterstattung sollten sich hierzu die folgenden Grundaussagen wiederfinden lassen:

Agens (A) - Actio (B) Die Hypo Liechtenstein (A) handelt mit Spam-Aktien (B). Die Hypo Liechtenstein (A) verkauft Spam-Aktien (B).

Schritt 2: Beispielsätze gemäß TYP 1 (Agens-Actio-Schema) (1) Die Liechtensteiner Alpe Adria Privatbank AG, […] hat […] über bankeigene Konten Millionen von Spam-Aktien gehandelt. (ORF.at, 2008).

(2) Zwischen 1. November 2006 und 31. August 2007 hat die Liechtensteiner Alpe Adria Privatbank AG […] über ihre Konten bei elf kanadischen Investmenthäusern 463 Millionen solch fragwürdiger "Spam-Aktien" von mehr als 50 Börsengesellschaften abgewickelt. (Ritzer, 2010, Süddeutsche Zeitung.de).

(3) […] Im November 2006 steigt die liechtensteinische Hypo-Tochter in Kanada in den Handel mit "Spam-Aktien" ein. (Leyendecker/Ott, 2010a, Süddeutsche Zeitung.de).

(4) Hypo Liechtenstein handelte 2006/2007 in Nordamerika Millionen Schundtitel […]. (Profil.at, 2008).

(5) Die liechtensteinische Hypo-Tochter in Kanada […] jubelt billigst-Aktien via Internet mit Kaufempfehlungen hoch. (Leyendecker/Ott, 2010a, Süddeutsche Zeitung.de).

(6) Eine Liechtensteiner Bank […] hat solch zwielichtige Aktiengeschäfte in Kanada abgewickelt und mutmaßlich über Provisionen daran mitverdient. (Ritzer, 2010, Süddeutsche Zeitung.de).

(7) BayernLB-Tochter hilft beim Abzocken. (Ritzer, 2010, Süddeutsche Zeitung.de).

(8) Eine Liechtensteiner Bank arbeitete mit dubiosen Geschäftemachern zusammen. (Ritzer, 2010, Süddeutsche Zeitung.de).

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Schritt 3: Analyse und Kommentar In den Beispielen (1) und (2) ist die Liechtensteiner Alpe Adria Privatbank AG das Agens (A) des Satzes und tritt formal als Subjekt im Nominativ auf. Die sog. „Actio“ (B), die unmittelbar an das Agens tritt, ist der Handel mit Spam-Aktien (in (1) hat…gehandelt und in (2) hat…abgewickelt). In Satz (1) kommen noch eine Präpositionalgruppe in der Funktion einer modalen Angabe (über bankeigene Konten) sowie ein direktes Objekt Millionen von Spam-Aktien als Zusatzinformationen dazu. In Satz (2) finden wir außer den eben genannten zusätzlichen Angaben noch eine temporale Angabe (zwischen 1. November […] 2007), eine lokale Angabe (bei elf kanadischen Investmenthäusern), eine Dativergänzung (von mehr als 50 Börsengesellschaften) sowie eine attributive Erweiterung des direkten Objektes Spam- Aktien (463 Millionen solch fragwürdiger[…]) vor. In Satz (3) ist die liechtensteinische Hypo- Tochter das Agens (A) und die Handlung ist sie steigt ein in; die valenzgeforderte Ergänzung (in etwas einsteigen) wird hier durch die Präpositionalgruppe in den Handel und deren attributiver Erweiterung mit Spam-Aktien zum Ausdruck gebracht. In den Sätzen (4) – (6) bleibt die Hypo Liechtenstein immer Agens (A) des jeweiligen Satzes. Satz (4) fokussiert als Handlung (B) das Handeln mit Spam-Aktien auf ironisch-sarkastische Weise (sie handelte Millionen Schundtitel). Satz (5) unterstreicht als Actio auf ironisch-sarkastische Weise das „Hochjubeln“ dieser Aktien (jubelt billigst-Aktien via Internet mit Kaufempfehlungen hoch), wobei hier das direkte Objekt Spam-Aktien durch billigst-Aktien ersetzt wurde und zusätzlich noch die modale Angabe via Internet und die Präpositionalphrase mit Kaufempfehlungen vorkommt. In Satz (6) ist die Actio (B) zum einen das Abwickeln dieser Geschäfte und zum anderen das Mitverdienen daran (hat […] abgewickelt und […] daran mitverdient). Die Sätze (7) und (8) sind etwas allgemeiner formuliert: In (7) ist BayernLB-Tochter das Agens (A), womit also nicht direkt auf die Liechtensteiner Bank verwiesen wird, auch die Handlung (B) wird hier etwas vorsichtiger formuliert und es wird lediglich auf die Hilfe beim Betrug verwiesen (hilft beim Abzocken). In Satz (8) ist nur von einer Liechtensteiner Bank als Agens (A) die Rede. Die Actio (B), die hier genannt wird, ist hierbei ihre Zusammenarbeit mit dubiosen Geschäftemachern. Das Lesen der hier angeführten Sätze sollte sich nicht negativ auf die Memorierung des handelnden Subjekts auswirken, da die Sätze an sich keine allzu große Komplexität aufweisen und auch „regelmäßig“ i.S. einer klassischen Agens-Actio-Struktur erscheinen.

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Schritt 4: Beispielsätze gemäß TYP 2 (Kausalketten) (1) Handelsaktivitäten der Liechtensteiner Alpe Adria Privatbank AG, vormals Hypo Alpe- Adria-Bank (Liechtenstein) AG, haben in Nordamerika Ermittlungen der kanadischen Finanzaufsicht British Columbia Securities Commssion (BCSC) ausgelöst, welche ergaben, dass ans Tageslicht kam, dass die Bank, bis Ende 2007 eine hundertprozentige Tochter der Kärntner Hypo Alpe-Adria, zwischen 1. November 2006 und 31. August 2007 über bankeigene Konten bei kanadischen Investmenthäusern 463 Millionen Penny Stocks im Gegenwert von 165 Millionen Dollar gehandelt haben soll - ein nicht unerheblicher Teil der Papiere war zuvor Gegenstand internationaler Spam-Wellen gewesen. Die Transaktionen erfolgten im Auftrag von Kunden, deren Identität das Management mit Hinweis auf das Liechtensteiner Bankgeheimnis nicht preisgeben wollte, woraufhin die Bank mit Sitz in Schaan am 20. Mai dieses Jahres von der BCSC auf alle Zeiten vom Wertpapier- und Devisengeschäft vor Ort ausgeschlossen wurde. [Hervorhebung L.P] (vgl. Profil.at, 2008).

(2) Die Liechtensteiner Hypo soll Konten bei elf kanadischen Investmenthäusern unterhalten haben, über die 463 Millionen Aktien von mehr als 50 Unternehmen gehandelt worden sein sollen. [Das Handelsvolumen: 165 Millionen Dollar.] Rund 40 Millionen dieser Aktien sollen laut BCSC via Spam-Mails beworben worden sein, woraufhin die Bank im August 2007 von der BCSC vorübergehend suspendiert wurde, nun folgte der dauerhafte Ausschluss. [Hervorhebung L.P] (vgl. derStandard.at, 2008).

(3) Angeregt durch die Werbung ließen sich Investoren zum Kauf verleiten und steigerten damit den Börsenkurs der Aktie, wodurch die Versender der Werbung ihre Aktien dann mit Gewinn verkauften, während die verbliebenen Aktionäre auf nahezu wertlosen Papieren sitzen blieben. [Hervorhebung L.P] (vgl. Stahl, 2010, Liechtensteiner Vaterland.li).

(4) Weil sich die Verdachtsmomente wegen Handels von Penny-Stock-Aktien verdichteten, ordnete die FMA im Herbst 2008 eine aufsichtsrechtliche Untersuchung an. Die Ergebnisse dieser Prüfung hätten sowohl Mängel nach dem Bankengesetz als auch im Bereich der Sorgfaltspflichtvorschriften aufgedeckt, heisst es in der Mitteilung. Daher erstattete die FMA im Frühjahr 2009 eine weitere Strafanzeige gegen Beteiligte. […] Die Bank beschloss daraufhin im April 2009 ihre Geschäftstätigkeit in Liechtenstein aufzugeben und freiwillig in Liquidation zu treten [Hervorhebung L.P] (vgl. Stahl, 2010, Liechtensteiner Vaterland.li).

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Schritt 5: Analyse der Kausalketten (Grundschema) + Schritt 6: Grundbausteine der Kette und Kommentar

Satz (1) lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

I) Handelsaktivitäten der Liechtensteiner Alpe Adria Bank (A) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), hatten zur Folge, dass

II) Ermittlungen der kanadischen Finanzaufsicht British Columbia Securities Commission (BCSC) ausgelöst wurden (B) (Ereignis 2), diese bewirkten, dass ans Tageslicht kam, dass

III) die Bank (C) über bankeigene Konten bei kanadischen Investmenthäusern 463 Millionen Penny Stocks im Wert von 165 Millionen Dollar gehandelt haben soll (D), die zuvor Gegenstand internationaler Spam-Wellen gewesen waren (Ereignis 3), das bewirkte, dass

IV) die Bank (E) sich auf das Liechtensteiner Bankgeheimnis berief (F) (Ereignis 4), was zur Folge hatte, dass

V) das Management (G) die Identität der Kunden nicht preisgeben wollte, die den Auftrag für die Transaktionen gegeben haben (H) (Ereignis 5), daher wurde

VI) die Bank auf alle Zeiten vom Wertpapier- und Devisengeschäft vor Ort ausgeschlossen (I). (Ereignis 6, Endereignis)

Diese komplexe Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 4 Zwischenereignissen und 1 Endereignis:

Handelsaktivitäten der Liechtensteiner Alpe Adria Bank (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), bewirkten Ermittlungen der kanadischen FMA (Folge, Ereignis 2) und weil es Ermittlungen der kanadischen FMA gab (Ereignis 2, Grund), kam ans Tageslicht, dass die Bank über bankeigene Konten bei kanadischen Investmenthäusern Penny Stocks im Wert von 165 Mio., die zuvor Gegenstand internationaler Spam-Wellen gewesen waren, gehandelt haben soll (Folge, Ereignis 3), und weil ans Tageslicht kam, dass die Bank Spam-Aktien gehandelt haben soll, berief sie sich auf das Liechtensteiner Bankgeheimnis (Folge, Ereignis 4) und weil sie sich auf das Liechtensteiner Bankgeheimnis berief (Ereignis 4, Grund) gab sie die Identität der Kunden, die den Auftrag für die Transaktionen gegeben haben, nicht

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bekannt (Folge, Ereignis 5) und weil sie deren Identität nicht bekannt gab (Ereignis 5, Grund), wurde sie auf alle Zeiten vom Wert- und Devisenpapiergeschäft ausgeschlossen (Folge, Ereignis 6, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Handelsaktivitäten – Ermittlungen – Handel mit Spam-Aktien – Bankgeheimnis - eigentliches Faktum – Geheimhaltung der Kundenidentität – Ausschluss vom Wertpapier- und Devisengeschäft

Satz (2) lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

I) Die Liechtensteiner Hypo (A) hat Konten bei kanadischen Investmenthäusern unterhalten (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), über die

II) 463 Mio. Aktien von mehr als 50 Unternehmen gehandelt worden sind (C) (Ereignis 2), davon wurden

III) 40 Mio. via Spam-Mails beworben (D) (Ereignis 3), weswegen

IV) die Bank suspendiert und ausgeschlossen wurde (E) (Ereignis 4, Endereignis).

Diese Kette besteht aus 1 Ausgangsereignis, 2 Zwischenereignissen und 1 Endereignis:

Die Liechtensteiner Hypo hat Konten bei kanadischen Investmenthäusern unterhalten (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), dadurch konnten 463 Mio. Aktien von mehr als 50 Unternehmen gehandelt werden (Folge, Ereignis 2) und weil 463 Mio. Aktien von mehr als 50 Unternehmen gehandelt werden konnten (Ereignis 2, Grund), konnten 40 Mio. davon via Spam-Mails beworben werden (Folge, Ereignis 3) und weil 40 Mio. Aktien via Spam-Mails beworben werden konnten (Ereignis 3, Grund), wurde die Bank suspendiert und vom Wert- und Devisenpapiergeschäft ausgeschlossen (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind demnach:

Hypo – Investmenthäuser – Aktien – Spam-Mails – Ausschluss der Bank vom Wertpapierhandel eigentliches Faktum

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Satz (3) lässt sich wie folgt zerlegen:

I) Es gab Werbung für Aktien (A) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das hatte zur Folge, dass

II) Investoren (B) sich zum Kauf verleiten ließen (C) (Ereignis 2), wodurch wiederum

III) der Börsenkurs gesteigert wurde (D) (Ereignis 3), deshalb konnten

IV) die Versender der Werbung (E) die Aktien mit hohem Gewinn verkaufen (F), (Ereignis 4), woraus folgte, dass

V) die Aktionäre (G) auf wertlosen Papieren sitzen blieben (H) (Ereignis 5, Endereignis).

Die Kette besteht aus 1 Ausgangsereignis, 3 Zwischenereignissen und 1 Endereignis:

Es gab Werbung für Aktien (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), deshalb ließen sich Investoren zum Kauf verleiten (Folge, Ereignis 2) und weil sich die Investoren zum Kauf verleiten ließen (Ereignis 2, Grund), wurde der Börsenkurs gesteigert (Folge, Ereignis 3) und weil der Börsenkurs gesteigert wurde (Ereignis 3, Grund), konnten die Versender der Werbung die Aktien mit hohem Gewinn verkaufen (Folge, Ereignis 4) und weil die Versender der Werbung die Aktien mit hohem Gewinn verkaufen konnten (Ereignis 4, Grund), blieben die Aktionäre auf wertlosen Papieren sitzen (Folge, Ereignis 5, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Werbung – Investoren – Kauf – Steigerung Börsenkurs – Verkauf mit hohem Gewinn – Verlust für Aktionäre eigentliches Faktum

Satz (4) lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

I) Penny-Stock-Aktien wurden gehandelt (A) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das hatte zur Folge, dass sich

II) Verdachtsmomente verdichteten (B), (Ereignis 2), was zur Folge hatte, dass

III) die FMA (C) eine Untersuchung anordnete (D) (Ereignis 3), dadurch wurden

IV) Mängel nach dem Bankgesetz und im Bereich der Sorgfaltspflichtvorschriften aufgedeckt (E) (Ereignis 4), das hatte zur Folge, dass

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V) die FMA (F) eine weitere Strafanzeige gegen Beteiligte erstattete (G) (Ereignis 5), was wiederum zur Folge hatte, dass

V) die Bank (H) ihre Geschäftstätigkeit in Liechtenstein aufgab und freiwillig in die Liquidation trat (I). (Ereignis 6, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 4 Zwischenereignissen und 1 Endereignis:

Penny-Stock-Aktien wurden gehandelt (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), das hatte zur Folge, dass sich Verdachtsmomente verdichteten (Folge, Ereignis 2) und weil sich Verdachtsmomente verdichteten (Ereignis 2, Grund), ordnete die FMA eine Untersuchung an (Folge, Ereignis 3) und weil die FMA eine Untersuchung anordnete (Ereignis 3, Grund), wurden Mängel nach dem Bankgesetz und im Bereich der Sorgfaltspflichtvorschriften aufgedeckt (Folge, Ereignis 4) und weil Mängel nach dem Bankgesetz und im Bereich der Sorgfaltspflichtvorschriften aufgedeckt wurden (Ereignis 4, Grund), erstattete die FMA eine weitere Strafanzeige gegen Beteiligte (Folge, Ereignis 5) und weil die FMA eine weitere Strafanzeige gegen Beteiligte erstattete (Ereignis 5, Grund), gab die Bank ihre Geschäftstätigkeit in Liechtenstein auf und trat freiwillig in die Liquidation (Folge, Ereignis 6, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Penny-Stock-Handel – Verdachtsmomente – Untersuchung – Mängel – Strafanzeige – eigentliches Faktum

Aufgabe der Geschäftstätigkeit

7.4.5 Insider-Geschäfte beim Verkauf der Hypo an die BayernLB Schritt 1: Durch einen Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 01. Januar 2010 gelangte ein Verdacht auf Insider-Geschäfte beim Verkauf der Hypo Alpe Adria an die Öffentlichkeit. Die Investorengruppe des Vermögensverwalters und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der HAA ( Kap. 7.3) soll beim Kauf des 9,09%-Anteils an der Bank gewusst haben, dass die Bank nach nur kurzer Zeit von der BayernLB zu einem viel höheren Preis übernommen werden würde. Am 31. Januar 2007 hat es in der Münchner Konzerthalle der BayernLB über diesen Verkauf eine streng geheime Gesprächsrunde gegeben, an welcher sich die Hypo-Manager Wolfgang Kulterer und Werner Schmidt sowie Tilo Berlin, und Vertraute des im Oktober 2008 verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider beteiligt haben. Die Beschuldigten hatten 2010 in einem Untersuchungsausschuss des Kärntner Landtags

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allerdings behauptet, erst ab März 2007 (also nach dem Treffen) vom Interesse der BayernLB an der Bank erfahren zu haben (vgl. Ott, 2010a). Tatsächlich war es aber der Fall, dass Berlin und seine Investorengruppe nach kürzester Zeit ihre Anteile an der HAA mit einem Gewinn von rund 170 Millionen Euro weiterverkaufen konnten (vgl. Graber/Pfluger, 2009).81 2014 wurde Tilo Berlin als Ex-Hypo-Chef zu 26 Monaten Haft verurteilt; ihm wurde vorgeworfen, beim Verkauf der HAA an die BayernLB zentrale Informationen über die Kapitalausstattung der HAA verschwiegen zu haben (vgl. Süddeutsche Zeitung.de, 2014). In der Medienberichterstattung sollten sich hierzu die folgenden Grundaussagen wiederfinden lassen:

Agens (A) - Actio (B) Die Hypo82 (A) betreibt Insidergeschäfte (B). Die Hypo (A) verschweigt ein Geheimtreffen (B). Die Hypo (A) schädigt absichtlich die BayernLB (B).

Schritt 2: Beispielsätze gemäß TYP 1 (Agens-Actio-Schema) (1) Eine Investorengruppe um den Hamburger Vermögensverwalter Tilo Berlin […] steigt mit privaten Investoren bei der Hypo Alpe Adria ein. (Leyendecker/Ott, 2010a, Süddeutsche Zeitung.de).

(2) Investorengruppe, die vor allem aus reichen Familien bestand, konnte ihre Beteiligung an der Hypo Alpe Adria anschließend mit bis zu 150 Millionen Euro Gewinn an die BayernLB weiterverkaufen. (Ott, 2010a, Süddeutsche Zeitung.de).

(3) Eine von Tilo Berlin betreute Investorengruppe soll an diesem Geschäft bis zu 150 Millionen Euro […] verdient haben. (Ott, 2010b, Süddeutsche Zeitung.de).

81 Graber/Schnauder (2015:24) schreiben hierzu Folgendes: „Geld für den Hypo-Deal, der beim Berlin-Team unter dem Codenamen ‚Fort Knox‘ läuft, wird zudem über die sogenannte Investorengruppe Berlin eingesammelt, bei den Reichen und Schönen Österreichs. Ungefähr 50 Leute […] steigen indirekt ein. Insgesamt bringen die Hypo-Investoren rund 645 Millionen Euro auf, sehr lange bleiben sie aber nicht an Bord. Im Mai 2007 schon unterschreiben sie den Vertrag für den Weiterverkauf ihres […] Pakets an die BayernLB – und streichen einen Gewinn von je nach Leseart 150 bis 170 Millionen Euro ein.“

82 Die Hypo gebe ich hier stellvertretend für die in diesen Skandal verwickelten Verantwortlichen Berlin, Kulterer, Schmidt und Haider an.

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(4) Die Investoren konnten dann später ihre Hypo-Anteile mit einem Riesengewinn an die Bayern weiterkaufen. (ORF.at, 2010).

(5) Die Investoren-Gruppe um Berlin verkaufte an die Münchner und machte schätzungsweise 150 Millionen Gewinn. (Leyendecker/Ott, 2010a, Süddeutsche Zeitung.de).

(6) Am Hypo-Deal sollen prominente Investoren verdient haben. (Standard.at, 2010).

(7) Ende Mai dieses Jahres hatten die Eigentümer - Land Kärnten, Grazer Wechselseitige sowie der Investor Tilo Berlin - in einer Blitzaktion insgesamt knapp mehr als 50 Prozent der Bank an die Bayerische Landesbank verkauft. (Fritzl, 2007, diePresse.com).

(8) Haider, Schmidt, Kulterer und Berlin hatten die Geheimtreffen vom Januar und Februar 2007 verschwiegen. (Ott, 2010b, Süddeutsche Zeitung.de).

Schritt 3: Analyse und Kommentar In den Beispielen (1) - (6) ist die Investorengruppe Tilo Berlins das Agens (A) des Satzes und tritt formal als Subjekt im Nominativ auf. Die sog. „Actio“ (B), die unmittelbar an das Agens tritt, ist für Satz (1) der Einstieg der Gruppe in die Hypo-Alpe-Adria und für die Sätze (2) – (6) das Erzielen eines Gewinnes von 150 Millionen Euro. In Satz (1) wird die Investorengruppe zusätzlich durch eine Präpositionalgruppe (um den Hamburger Vermögensverwalter Tilo Berlin) in der Satzgliedfunktion eines Attributs erweitert. Ferner finden wir hier noch eine modale Adverbialbestimmung (mit privaten Investoren) zum Verb einsteigen vor. In Satz (2) kommt ein Attribut zum Agens Berlins Investorengruppe hinzu, welches als Relativsatz auftritt (die vor allem aus reichen Familien bestand). In Satz (7) sind die Eigentümer (Land Kärnten, Grazer Wechselseitige, der Investor Tilo Berlin) das Agens (A) des Satzes und treten formal als Subjekt im Nominativ auf. Die Actio (B) ist hierbei der Verkauf der Hypo an die BayernLB. Die Präpositionalgruppe in einer Blitzaktion ist wohl eine Anspielung darauf, dass der Verkauf womöglich in einer Ausnahmesituation stattgefunden hat, bzw. unter Umständen nicht mit rechten Dingen zugegangen ist und somit zum Schaden der BayernLB erfolgte. In Satz (8) treten Haider, Schmidt, Kulterer und Berlin als Agens des Satzes auf; die durch sie ausgeführte Handlung (B) ist das Verschweigen des Geheimtreffens. Diese Sätze sollten sich beim Lesen nicht negativ auf die Memorierung des Agens auswirken.

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Schritt 4: Beispielsätze gemäß TYP 2 (Kausalketten) (1) Berlin […] hat eine Gruppe von Investoren um sich geschart, weil er bei der Hypo einsteigen wollte. Diese bezahlten für 25 Prozent plus eine Aktie an der Hypo rund 600 Mio. Euro […], eine Summe, für welche Berlin und Co beim Verkauf der Hypo an die BayernLB 750 bis 780 Mio. Euro erhielten. Kein schlechter Schnitt für die Investoren, deren Namen Berlin nicht nennen will. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Schneid, 2010, diePresse.com).

(2) Tilo Berlin brauchte Investoren, diese Investoren - das ist das ‚Who is Who‘ der süddeutschen und österreichischen Industriefamilien – und diese wurden dazu gebracht, bei ihm, also in seinen Fond zu investieren, mit welchem er zunächst einmal diese Dinge kaufen konnte, um sie dann hinterher zu verkaufen und einen Gewinn von rund 150 Millionen Euro zu machen. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Spiegel Online-Video, 2010).

(3) Eine Investorengruppe hatte sich mittels Aktien in die Hypo eingekauft. Nur wenige Zeit später konnte diese durch den Einstieg der BayernLB und den damit zusammenhängenden Wertgewinn überaus gewinnbringend weiterverkaufen, und zwar schon kurz nach Abschluss des Geschäfts. Aus diesem Grund wird Tilo Berlin und seiner Investorengruppe von 46 Personen vorgeworfen, dass sie vorab über die zukünftige Übernahme durch die BayernLB informiert worden seien und somit ein Insider-Geschäft abgewickelt haben. Gegen die beteiligten Personen wird rechtlich ermittelt. [Hervorhebung L.P.]. (vgl. mytoday.at, 2015a, Finanz- und Wirtschaftsnachrichten).

(4) Berlin hat sich kurz vor der mehrheitlichen Übernahme der Hypo Bank durch die BayernLB in die Hypo Bank eingekauft, woraufhin er nach Bekanntwerden der Beteiligung durch die BayernLB die Aktien mit hohem Gewinn weiterverkaufen konnte. […] Deshalb steht nun der Verdacht des Insiderhandels und der Untreue im Raum. [Hervorhebung L.P.] (vgl. mytoday.at, 2015b).

Schritt 5: Analyse der Kausalketten (Grundschema) + Schritt 6: Grundbausteine der Kette und Kommentar

Die Kausalkette in (1) besteht aus den folgenden Stadien:

I) Berlin (A) wollte bei der Hypo einsteigen (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), deshalb

II) hat er (C) eine große Gruppe von Investoren um sich geschart (D) (Ereignis 2), welche

III) für 25% plus eine Aktie 600 Mio. Euro bezahlten (E) (Ereignis 3), eine Summe für welche

IV) Berlin & Co. (F) beim Verkauf der Hypo an die BayernLB 750 bis 780 Mio. Euro erhielten (G) (Ereignis 4), was

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V) kein schlechter Schnitt für die Investoren war (H) (Ereignis 5), deren Namen

VI) Berlin (I) nicht nennen will (J). (Ereignis 6, Endereignis).

Die Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 4 Zwischenereignissen und 1 Endereignis:

Berlin wollte bei der Hypo einsteigen (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), deshalb hat er eine große Gruppe von Investoren um sich geschart (Folge, Ereignis 2) und weil er eine so große Gruppe von Investoren um sich geschart hat (Ereignis 2, Grund), konnten diese für 25% plus eine Aktie 600 Mio. Euro investieren (Folge, Ereignis 3) und weil diese für 25% plus eine Aktie 600 Mio. Euro investieren konnten (Ereignis 3, Grund), konnten Berlin & Co. dafür beim Verkauf der Hypo auch 750 bis 780 Mio. erhalten (Folge, Ereignis 4) und weil Berlin & Co. dafür beim Verkauf der Hypo 750 bis 780 Mio. erhalten konnten (Ereignis 4, Grund), war das kein schlechter Schnitt für die Investoren (und demnach ein Über-den- Tisch-Ziehen der Bayern) (Folge, Ereignis 5) und weil das kein schlechter Schnitt für die Investoren war (= ein Über-den-Tisch-Ziehen der Bayern) (Ereignis 5, Grund), wollte Berlin deren Namen nicht nennen (Folge, Ereignis 6, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Berlin – Hypo-Einstieg – Investoren – 600 Mio.- Investition – 750/780 Mio. – Gewinn/Betrug – Investoren – Namen – Berlin eigentliches Faktum

Satz (2) lässt sich folgendermaßen zerlegen:

I) Tilo Berlin (A) brauchte Investoren (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1)

II) diese Investoren (C) sind das ‚Who is Who‘ der süddeutschen und österreichischen Industriefamilien (D) (Ereignis 2)

III) und diese (Industriefamilien) (E) wurden dazu gebracht, bei ihm zu investieren (F) (Ereignis 3)

IV) also in seinen Fond zu investieren (G) (Ereignis 4), mit welchem

V) er (H) zunächst einmal diese Dinge kaufen konnte (I) (Ereignis 5), um sie

VI) hinterher wieder zu verkaufen (J) (Ereignis 6), wodurch er

VII) er (K) einen Gewinn von rund 150 Millionen Euro machte (L) (Ereignis 7, Endereignis). 189

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 5 Zwischenereignissen und 1 Endereignis:

Tilo Berlin brauchte Investoren (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), diese Investoren sind das ‚Who is Who‘ der süddeutschen und österreichischen Industriefamilien (Ereignis 2), und diese wurden dazu gebracht bei ihm zu investieren (Ereignis 3, Grund) also in seinen Fond zu investieren (Folge, Ereignis 4) und weil sie dazu gebracht worden sind bei ihm und in seinen Fond zu investieren (Ereignis 4, Grund), konnte er zunächst einmal diese Dinge kaufen (Folge, Ereignis 5) und weil er diese Dinge zunächst einmal kaufen konnte (Ereignis 5, Grund), konnte er sie hinterher wieder verkaufen (Folge, Ereignis 6) und weil er sie hinterher wieder verkaufen konnte (Ereignis 6, Grund), konnte er einen Gewinn von rund 150 Millionen Euro machen (Folge, Ereignis 7, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Berlin – Investoren – Industriefamilien – Investition – Berlin – Fond – Kauf –Verkauf von Aktien - Gewinn eigentliches Faktum

Satz (3) lässt sich wie folgt aufschlüsseln:

I) Eine Investorengruppe (A) hatte sich mittels Aktien in die Hypo eingekauft (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), und

I) die BayernLB (C) ist in die Hypo eingestiegen (D), (Ausgangsereignis, Ereignis 2), dadurch

II) ist der Wert der Aktien gestiegen (E), (Ereignis 3) deshalb konnten

III) die Investoren (F) diese gewinnbringend weiterverkaufen (G) (Ereignis 4) und zwar schon kurz nach Abschluss des Geschäfts, deshalb wurde

IV) Tilo Berlin und seiner Investorengruppe vorgeworfen, dass sie ein Insider-Geschäft abgewickelt haben (H) (Ereignis 5)

V) und gegen sie wird rechtlich ermittelt (I) (Ereignis 6, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 2 Ausgangsereignissen, 3 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Eine Investorengruppe hatte sich in die Hypo eingekauft (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund) und die BayernLB ist in die Hypo eingestiegen (Ausgangsereignis, Ereignis 2,

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Grund), deshalb ist der Wert der Aktien gestiegen (Folge, Ereignis 3) und weil der Wert der Aktien gestiegen ist (Ereignis 3, Grund), konnten die Investoren diese gewinnbringend schon kurz nach Abschluss des Geschäfts weiterverkaufen (Folge, Ereignis 4) und weil die Investoren diese gewinnbringend schon kurz nach Abschluss des Geschäfts weiterverkaufen konnten (Ereignis 4, Grund), wurde Tilo Berlin und seiner Investorengruppe vorgeworfen, dass sie ein Insider-Geschäft abgewickelt haben (Folge, Ereignis 5), und weil Tilo Berlin und seiner Investorengruppe vorgeworfen wird, dass sie ein Insider-Geschäft abgewickelt haben (Ereignis 5, Grund), wird gegen sie rechtlich ermittelt (Folge, Ereignis 6, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Investorengruppe – Aktien – BayernLB-Einstieg – Wertanstieg Aktien – Weiterverkauf – Insider-Geschäft – rechtliche Ermittlung eigentliches Faktum

Satz (4) lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

I) Berlin (A) hat sich in die Hypo eingekauft (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1) und

II) die BayernLB (C) hat die Hypo übernommen (D) (Ausgangsereignis, Ereignis 2), das hatte zur Folge, dass

III) Berlin (E) die Aktien mit hohem Gewinn weiterverkaufen konnte (F) (Ereignis 3) daher,

IV) steht nun der Verdacht des Insiderhandels und der Untreue im Raum (G) (Ereignis 4, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 2 Ausgangsereignissen, 1 Zwischenereignis und 1 Endereignis:

Berlin hat sich in die Hypo eingekauft (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund) und die BayernLB hat die Hypo übernommen (Ausgangsereignis, Ereignis 2, Grund), das hatte zur Folge, dass Berlin die Aktien mit hohem Gewinn weiterverkaufen konnte (Folge, Ereignis 3) und weil Berlin die Aktien mit hohem Gewinn weiterverkaufen konnte (Ereignis 3, Grund), steht nun der Verdacht des Insiderhandels und der Untreue im Raum (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Berlin – Hypo - BayernLB-Übernahme – Verkauf der Aktien mit Gewinn – Insiderhandel

eigentliches Faktum

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7.4.6 Versteckte Parteifinanzierung: Die Causa Birnbacher Schritt 1: Nicht nur hat Berlins Investorengruppe beim Verkauf der HAA an die BayernLB einen enormen Gewinn gemacht, sondern es sollen auch mehrere Millionen Euro an die Kärntner Regierungsparteien „Die Freiheitlichen in Kärnten“ (ehem. Kärntner BZÖ) und ÖVP geflossen sein. Insgesamt sollten die Freiheitlichen rund 27 Millionen Euro und die ÖVP rund 13 Millionen Euro erhalten haben (vgl. Schneid, 2010). Auch die unzähligen und sehr großzügigen Kredite an die Freiheitlichen von rund 2,6 Millionen Euro sowie an den BZÖ Parlamentsklub von 892.000 Euro sind erwiesen. Die SPÖ Kärnten erhielt 1,25 Millionen Euro von der Hypo. Das Land Kärnten übernahm unter dem damaligen Landeshauptmann Haider eine Haftung von rund 24,7 Milliarden Euro für die Bank, was dem über Achtfachen des Landesbudgets entspricht (vgl. diePresse.com, 2009). Dafür erhielt das Land Kärnten und somit auch seine Parteien jährlich eine „Haftungsprovision“.83 2003 überwies die Hypo insgesamt 8,2 Millionen Euro an das Land. Bis zum Jahr 2010 wurde damit ein Kredit in der Höhe von rund 58 Millionen besichert. Davon sollen 20 Millionen in den Wahlkampf der Großparteien geflossen sein (vgl. Schnauder, 2010). Zudem habe die Hypo zahlreiche Kredite für parlamentarische Wahlkampagnen finanziert, als sie auf den Balkan expandiert hat (vgl. Pilz, 2007:27f.). Nach der Vorstellung Jörg Haiders sollte, wo immer es auch möglich war, vor allem aber im Zuge des Verkaufs der Hypo an die BayernLB „Geld für die Parteien abgestaubt werden“ (Graber/Schnauder, 2015:43). Diese geplante Parteienfinanzierung lief vor allem über Dietrich Birnbacher, einen Wirtschaftsprüfer aus Villach, welcher als Art „Prozessbegleiter“ beim Verkauf an die BayernLB miteinbezogen wurde. Er sollte ein sechsseitiges Gutachten über die Bank abgeben und dafür vertragsgemäß zwölf Millionen Euro verlangen, woraufhin er dann auf die Hälfte seines Honorars, also 6 Millionen Euro, verzichten sollte, welche in die Parteien fließen sollten: Ein Teil davon sollte in Haiders BZÖ fließen und ein Teil in die ÖVP unter Obmann Josef Martinz (vgl. ebd.).84 Die Summe musste von der Hypo Landesholding

83 Das Land Kärnten wurde also durch Provisionen von der Hypo für das eingegangene Risiko „belohnt“. Allein 2008 flossen 17 Millionen Euro ins Kärntner Landesbudget und noch mehr: Haider hat sich die Provisionen sogar vorweg für mehrere Jahre überweisen lassen (vgl. Graber/Schnauder, 2015:87).

84 Dieser Akt ging unter dem Stichwort „Patriotenrabatt“ in die österreichische Wirtschaftsgeschichte ein (vgl. Graber/Schnauder, 2015:167). 192

an Birnbacher ausgezahlt werden; später fand ein Gerichtsverständiger heraus, dass die Arbeit Birnbachers um das 30-Fache zu viel bezahlt worden ist, er taxierte sie nämlich mit einem Betrag von 240.000 Euro (vgl. ebd.). Birnbacher und Martinz wurden in der Folge wegen Verdachts auf Untreue angezeigt. Birnbacher hat am 04. Juli 2012 vor Gericht gestanden, Geld an Martinz überwiesen zu haben; Zahlungen an das BZÖ konnten aufgrund Haiders plötzlichem Unfalltod am 11.10.2008 nicht stattfinden (vgl. ebd.). Martinz trat am selben Tag als ÖVP-Landesobmann zurück und gestand ebenso den Vorgang der illegalen Parteienfinanzierung. Martinz erhielt eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren, Birnbacher erhielt drei Jahre (vgl. derStandard.at, 2012a).85

In der Medienberichterstattung sollten sich hierzu die folgenden Grundaussagen wiederfinden lassen:

Agens (A) - Actio (B) Die Hypo (A) finanziert illegal Regierungsparteien (B). Birnbacher/Martinz/Haider (A) finanzieren Regierungsparteien (B).

Schritt 2: Beispielsätze gemäß TYP 1 (Agens-Actio-Schema) (1) Die Hypo Alpe Adria war recht offen für Kredite an politische Parteien. (Schnauder, 2010, Standard.at).

(2) Hypo öffnete Geldhahn für Parteien. (Schnauder, 2010, Standard.at).

(3) Die gestrandete Kärntner Bank vergab recht großzügige Kredite an die politischen Parteien. (Schnauder, 2010, Standard.at).

(4) Sechs Millionen Euro Beraterhonorar soll Dietrich Birnbacher eingesackt haben. Klingler, 2013b, Gmx.at).

85 In einer offiziellen Stellungnahme sagte Martinz: „Es tut mir leid, dass ich mich auf das System Haider eingelassen habe. Es war persönlich und politisch ein Fehler, den ich zutiefst bereue. Ich habe innerhalb der ÖVP alleine gehandelt und übernehme auch die alleinige Verantwortung dafür. Ich stand unter dem enormen Druck, die Parteifinanzen sanieren zu müssen. Noch heute werde ich in den Parteigremien meinen Rücktritt als Obmann der ÖVP Kärnten und meinen Parteiaustritt bekannt geben.“ [Hervorhebung L.P.] (vgl. ORF.at, 2012b).

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(5) Martinz habe beim Hypo-Deal Gelder in die ÖVP-Kassa abgezweigt. (Klingler, 2013b, Gmx.at).

(6) Sowohl Birnbacher als auch Martinz gestanden im Verfahren Parteienfinanzierung. (Klingler, 2013b, Gmx.at).

(7) Birnbacher gab am Mittwoch vor Gericht Parteienfinanzierung zu. (Kleine Zeitung.at, 2012)

(8) Martinz habe sich in Wien kundig gemacht, welche Möglichkeiten man zur verdeckten Parteienfinanzierung habe. (Klingler, 2013b, Gmx.at).

(9) Haider ließ sich auch Haftungsprovisionen im Voraus ausbezahlen. (Nachrichten.at, 2010a).

(10) […] Er [Birnbacher] und der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hätten nach der Abwicklung des Hypo-Verkaufes die Idee entwickelt, dass etwas an die Parteien gehen soll. (Kleine Zeitung.at, 2012).

Schritt 3: Analyse und Kommentar In den Beispielen (1) - (3) ist die Hypo, bzw. die Bank das Agens (A) des Satzes und tritt formal als Subjekt im Nominativ auf, wobei alle drei Sätze einen leicht sarkastisch-ironischen Unterton aufweisen. Die in Satz (1) beschriebene Handlung (B) ist das auf leicht ironische Weise ausgedrückte „Offensein“ für Kredite, wobei dieses Verb die valenzbedingte Ergänzung eines Präpositionalobjekts erfordert (für Kredite). Am Präpositionalobjekt hängt zudem noch eine weitere Präpositionalgruppe in der Funktion eines Attributs (an politische Parteien). Satz (2) stellt eine Ellipse dar, das Agens ist hier Hypo und die Handlung (B) das Öffnen des Geldhahns, das durch ein Akkusativobjekt (für Parteien) ergänzt wird. In Satz (3) wird das Agens (A) die Kärntner Bank durch das attributive Adjektiv gestrandet genauer definiert. Die Actio (B), wird hier durch das Verb vergeben ausgedrückt. Auch hier handelt es sich um die Vergabe von Krediten an politische Parteien. In den Sätzen (4) bis (8) sind jeweils Birnbacher oder Martinz das Agens (A) des Satzes. Die in Satz (4) beschriebene Handlung ist Birnbachers „Einsacken“ von Geldern. Satz (5) beschreibt als Handlung (B) das Abzweigen von Geldern. Das Verb in Satz (6) ist gestehen, die dazugehörige valenzbedingte Ergänzung wird durch das Akkusativobjekt Parteienfinanzierung vertreten. Die Handlung (B) in Satz (7) wird durch das Verb zugeben und dessen valenzbedingter Ergänzung im Akkusativ (Parteienfinanzierung) ausgedrückt. In Satz (8) wird als Handlung (B) das Sich-Kundig machen angeführt, aber auch hier bedarf es einer valenzbedingten Ergänzung (welche Möglichkeiten man zur verdeckten Parteienfinanzierung habe), demnach ist die Actio (B) 194

auch in diesem Fall die verdeckte Parteifinanzierung. Das Agens von Satz (9) ist Haider, die Handlung (B), die hier ausgedrückt wird, ist: er ließ sich ausbezahlen, wobei das Akkusativobjekt Haftungsprovisionen hierbei eine obligatorische Ergänzung darstellt. Zusätzlich finden wir hier noch die Adverbialbestimmung im Voraus in Form einer Präpositionalgruppe als zusätzliche Information vor. In Satz (10) sind Birnbacher und Haider Agens (A) des Satzes, wobei die beschriebene Handlung (B) eine Idee entwickeln ist, welche aber ebenso eine weitere Ergänzung erfordert, welche hier in Form eines Attributsatzes erscheint (dass etwas an die Parteien gehen soll); demnach ist auch hier die eigentliche Actio die Finanzierung von Parteien. Keiner dieser hier angeführten Beispielsätze sollte beim Lesen zu Schwierigkeiten in der Memorierung des handelnden Subjekts führen.

Schritt 4: Beispielsätze gemäß TYP 2 (Kausalketten) (1) Die Hypo Alpe Adria nahm in der Vergangenheit Geld billig auf, das vom Land Kärnten gedeckt wurde, womit sie zu einer Geldverteilungsmaschine der besonderen Art werden konnte, weshalb sie in den zwölf Jahren vor 2008 jedes Jahr um mindestens 20 Prozent gewachsen ist. Daher konnte sie ihr Geld vorzugsweise in Kredite zur Parteifinanzierung stecken. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Mußler, 2011, FAZ.de).

(2) Birnbacher habe die Beratungsleistung als Einzelunternehmer und ohne Hilfskräfte in nur einem Monat erbracht. Daher habe er, anders als Investmentbanken, keinen Käufer für die Bank finden müssen und keinen Kaufpreis ermittelt, weswegen seine Arbeit maximal 200.000 Euro wert sei. „Das war eine rechtsgrundlose Zahlung“, mit welcher in der Folge Parteien finanziert wurden. [Hervorhebung L.P.] (vgl. ORF.at, 2012a).

(3) Haider und Martinz haben eine Tonnenlast auf Birnbachers Schultern gelegt. Daher sei es „eine megakomplexe und hoch anspruchsvolle Leistung“ gewesen. Sie brachte auch Geheimhaltung und enormen Zeitdruck mit sich, was den Auftrag zusätzlich erschwerte. […] Das endete darin, dass Birnbacher dem Finanzamt noch 5,4 Millionen Euro an Ertragssteuern schuldig ist. [Hervorhebung L.P.] (vgl. ORF.at, 2012a).

(4) Im Sommer 2008 hatte Martinz Birnbacher angekündigt, dass er ihm "etwas herunterreißen" werde. In der Folge sollte Birnbacher eine vermeintliche Rechnung über 35.000 Euro plus Umsatzsteuer bezahlen. Die Rechnung legte die Anwältin von Martinz, Astrid Wutte-Lang, und zwar für "Rechtsberatung im Zusammenhang mit Medienberichterstattung". Da das einwandfrei funktioniert hatte, übergab Birnbacher bei einer Weihnachtsfeier in Villach weitere 65.000 Euro in einem Kuvert. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Kleine Zeitung.at, 2012).

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Schritt 5: Analyse der Kausalketten (Grundschema) + Schritt 6: Grundbausteine der Kette und Kommentar

Satz (1) lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

I) Die Hypo (A) nahm in der Vergangenheit Geld billig auf (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das

II) das Land Kärnten (C) deckte (D) (Ausgangsereignis, Ereignis 2), das hatte zur Folge, dass

III) sie (E) zu einer Geldverteilungsmaschine der besonderen Art werden konnte (F) (Ereignis 3), weshalb

IV) sie (F) in den 12 Jahren vor 2008 um mindestens 20 Prozent gewachsen ist (G) (Ereignis 4), und daher hat

V) sie (H) ihr Geld vorzugsweise in Kredite zur Parteifinanzierung gesteckt (I) (Ereignis 5, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 2 Ausgangsereignissen, 2 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Die Hypo nahm in der Vergangenheit Geld billig auf (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), das vom Land Kärnten gedeckt wurde (Ausgangsereignis, Ereignis 2, Grund), und weil es vom Land Kärnten gedeckt wurde (Ereignis 2, Grund), konnte sie zu einer Geldverteilungsmaschine der besonderen Art werden (Folge, Ereignis 3) und weil sie zu einer Geldverteilungsmaschine der besonderen Art werden konnte (Ereignis 3, Grund), ist sie in den 12 Jahren vor 2008 um mindestens 20 Prozent wachsen (Folge, Ereignis 4) und weil sie in den 12 Jahren vor 2008 um mindestens 20 Prozent gewachsen ist (Ereignis 4, Grund), hat sie dieses Geld (dank der Deckung durch das Land Kärnten) in Kredite zur Parteifinanzierung gesteckt (Folge, Ereignis 5, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Hypo – billige Geldaufnahme – Kärnten – Deckung – Geldverteilungsmaschine – Wachstum – Kredite für Parteien

eigentliches Faktum

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Satz (2) besteht aus den folgenden Stadien:

I) Birnbacher (A) habe die Beratungsleistung als Einzelunternehmer erbracht (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), daher

II) musste er (C) keinen Käufer finden/keinen Kaufpreis ermitteln (D), (Ereignis 2), deshalb war

III) seine Arbeit maximal 200.000 Euro wert (E) (Ereignis 3), weswegen dies

IV) eine rechtsgrundlose Zahlung war (F) (Ereignis 4), mit welcher in der Folge

V) Parteien finanziert worden sind (G) (Ereignis 5, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 3 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Birnbacher habe die Beratungsleistung als Einzelunternehmer erbracht (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), daher musste er auch keinen Käufer finden/keinen Kaufpreis ermitteln (Folge, Ereignis 2) und weil er keinen Käufer finden/keinen Kaufpreis ermitteln musste (Ereignis 2, Grund), war seine Arbeit maximal 200.000 Euro wert (Folge, Ereignis 3) und weil seine Arbeit maximal 200.000 Euro wert war (Ereignis 3, Grund), war das eine rechtsgrundlose Zahlung (Folge, Ereignis 4), mit welcher Parteien finanziert worden sind Folge, Ereignis 5, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Birnbacher – Einzelunternehmer – Käufer/Kaufpreis – Arbeit 200.000 Euro – rechtsgrundlose Zahlung eigentliches Faktum

Satz (3) lässt sich in die folgenden Stadien zerlegen:

I) Haider und Martinz (A) haben eine Tonnenlast auf Birnbacher gelegt (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), daher sei es

II) eine megakomplexe und hoch anspruchsvolle Leistung gewesen (C) (Ereignis 2), diese hatte zu Folge

III) Geheimhaltung und enormen Zeitdruck (D) (Ereignis 3), die

IV) den Auftrag noch zusätzlich erschwerten (E) (Ereignis 4), was letztlich darin endete, dass

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V) Birnbacher (F) dem Finanzamt schließlich noch 5,4 Millionen an Ertragssteuern schuldig war (G) (Ereignis 5, Endereignis).

Diese Kette besteht aus 1 Ausgangsereignis, 3 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Haider und Martinz haben eine Tonnenlast auf Birnbacher gelegt (Grund, Ausgangsereignis, Ereignis 1), daher ist es eine megakomplexe und hoch anspruchsvolle Leistung gewesen (Folge, Ereignis 2) und weil es eine megakomplexe und hoch anspruchsvolle Leistung gewesen ist (Ereignis 2, Grund), hatte diese auch Geheimhaltung und enormen Zeitdruck zur Folge (Folge, Ereignis 3) und weil diese auch Geheimhaltung und enormen Zeitdruck zur Folge hatte (Ereignis 3, Grund), wurde der Auftrag noch zusätzlich erschwert (Folge, Ereignis 4) und weil der Auftrag noch zusätzlich erschwert wurde (Ereignis 4, Grund), endete es letztlich darin, dass Birnbacher dem Finanzamt noch 5,4 Millionen an Ertragssteuern schuldig war (Folge, Ereignis 5, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Haider/Martinz – Tonnenlast – Birnbacher – komplexe Leistung – Zeitdruck – Erschweren des Auftrags – 5,4 Millionen Ertragssteuern eigentliches Faktum

Satz (4) lässt sich in die folgenden Stadien aufteilen:

I) Im Sommer 2008 hatte Martinz (A) Birnbacher angekündigt, dass er ihm etwas herunterreißen würde (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das hatte zur Folge, dass

II) Birnbacher (C) eine vermeintliche Rechnung über 35.000 Euro plus Umsatzsteuer bezahlen sollte (D) (Ereignis 2), welche

III) die Anwältin von Martinz (E) für Rechtsberatung im Zusammenhang mit Medienberichterstattung auslegte (F) (Ereignis 3), und da das einwandfrei funktioniert hatte, kam es dazu, dass

IV) Birnbacher (G) weitere 65.000 Euro an Martinz bei einer Weihnachtsfeier in Villach übergab (H). (Ereignis 4, Endereignis)

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 2 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Im Sommer hatte Martinz Birnbacher angekündigt, dass er ihm etwas herunterreißen würde (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), das hatte zur Folge, dass Birnbacher eine

198

vermeintliche Rechnung über 35.000 Euro plus Umsatzsteuer bezahlen sollte (Folge, Ereignis 2) und weil er eine vermeintliche Rechnung über 35.000 Euro plus Umsatzsteuer bezahlen sollte (Ereignis 2, Grund), legte die Anwältin von Martinz eine Rechnung für Rechtsberatung im Zusammenhang mit Medienberichterstattung aus (Folge, Ereignis 3) und weil die Anwältin von Martinz eine Rechnung für Rechtsberatung im Zusammenhang mit Medienberichterstattung auslegte und das alles einwandfrei funktioniert hatte (Ereignis 3, Grund), übergab Birnbacher bei einer Weihnachtsfeier in Villach weitere 65.000 Euro an Martinz (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Martinz – Birnbacher – Rechnung 35.000 Euro – Anwältin – einwandfreies Funktionieren – 65.000 Euro eigentliches Faktum (Parteifinanzierung)

7.4.7 Vergabe von faulen Krediten: Styrian Spirit Schritt 1: Die Hypo vergab immer wieder leichtfertig und ohne ausreichende Sicherstellung unzählige Kredite. In den Jahren 2006-2007 stiegen allein die Wertberichtigungen für faule Kredite von 17,5 auf 53 Millionen Euro. 2009, als die Hypo verstaatlicht wurde, explodierten sie auf 237 Millionen Euro (vgl. Graber/Schnauder, 2015:22). Im Jahre 2013 betrug der Abbauteil der Hypo mehr als 10 Milliarden Euro, wovon ein Großteil durch faule Kredite verschuldet wurde, v.a. in Osteuropa, aber auch in Österreich. Im Jahre 2013 wurde Wolfgang Kulterer wegen Untreue zu 2,5 Jahren Haft verurteilt, weil er zusammen mit dem ehemaligen Hypo-Österreich Vorstand Gert Xander und einem Prokuristen 2005 an die marode Fluglinie Styrian Spirit einen Kredit von 2 Millionen Euro vergeben hatte, und zwar ohne Sicherstellungen und trotz aller Warnungen vor der maroden Finanzlage der Fluglinie (vgl. Kleine Zeitung.at, 2011). Die Styrian Spirit erlitt, wie zu erwarten, eine finanzielle Bruchlandung, woraufhin die Hypo auf 2 Millionen Euro Schaden sitzen blieb. Allerdings ist auch anzumerken, dass es Jörg Haider war, der Kulterer immer wieder dazu bewegt hatte, den Kredit an die Fluglinie zu vergeben: Er wollte dadurch die Kärntner Wirtschaft beleben. Haider hatte Kulterer dafür auch eine Landesgarantie versprochen, die aber nie gekommen ist (vgl. Graber/Schnauder, 2015:18; 167). In der Medienberichterstattung sollten sich hierzu die folgenden Grundaussagen wiederfinden lassen:

199

Agens (A) - Actio (B) Die Hypo (A) gewährte der Styrian einen Kredit (B). Kulterer (A) verursachte einen 2-Millionen-Euro Schaden (B).

Schritt 2: Beispielsätze gemäß TYP 1 (Agens-Actio-Schema) (1) Kulterer hatte der maroden Fluglinie einen Kredit gewährt, trotz mangelnder Bonität und fehlender Sicherheiten. (Kramer, 2014, Format.at).

(2) Kulterer hat einen Zwei-Millionen-Euro-Kredit an die später in Konkurs gegangene Fluglinie Styrian Spirit vergeben. (Klingler, 2013a, Gmx.at).

(3) Die beiden Ex-Manager hatten der maroden Fluglinie Styrian Spirit 2005 einen unbesicherten Kredit über zwei Millionen Euro gewährt. (Wiener Zeitung.at, 2013).

(4) […] Haider […] vergatterte […] die Hypo-Alpe-Adria der maroden Styrian Spirit einen Blanko-Kredit über zwei Millionen Euro zu geben. (derStandard.at, 2013).

(5) Kulterer soll die Hypo durch leichtfertige Kreditvergaben um Millionen Euro geschädigt haben. (Klingler, 2013a, Gmx.at).

(6) Die beiden Männer hatten die Bank mit einer unbesicherten Kreditvergabe an die marode Fluglinie Styrian Spirit wissentlich geschädigt. (ORF.at, 2013).

Schritt 3: Analyse und Kommentar In den Sätzen (1) und (2) ist Kulterer das Agens (A) des Satzes und tritt formal als Subjekt im Nominativ auf. Die in den beiden Sätzen beschriebene Handlung (B) ist die unbesicherte Kreditvergabe an die marode Fluglinie (vgl. hatte einen Kredit gewährt, trotz mangelnder Bonität). Das Verb in Satz (1) ist gewähren, dazu kommt die obligatorische Ergänzung im Akkusativ (einen Kredit). In Satz (2) finden wir das Verb vergeben vor, auch hierzu kommt wiederum die obligatorische Akkusativergänzung (Kredit), wobei diese zusätzlich noch durch eine Substantivgruppe in attributiver Funktion erweitert wird (Zwei-Millionen-Euro). In Satz (3) ändert sich nur das Agens (A), es ist nicht Kulterer, sondern die beiden Ex-Manager. Die Actio (B) wird durch das Verb gewähren beschrieben; auch hier finden wir wiederum die obligatorische Ergänzung im Akkusativ vor, welche zum einen durch ein attributives Adjektiv (unbesichert) und zum anderen durch die Präpositionalgruppe in attributiver Funktion (über zwei Millionen Euro) näher bestimmt wird. In Satz (4) ist Haider das Agens (A) des Satzes; die Handlung (B) wird durch das Verb vergattern ausgedrückt. Hierzu kommt die obligatorische Ergänzung im Akkusativ (die Hypo-Alpe-Adria) und die eigentliche Handlung (der maroden Styrian Spirit einen Blanko-Kredit über zwei Millionen Euro zu geben). In Satz 200

(5) ist Kulterer das Agens (A) des Satzes. Die Handlung (B) wird durch das Verb schädigen ausgedrückt. Dazu finden wir das Akkusativobjekt die Bank und als zusätzliche Informationen noch zwei Präpositionalgruppen in adverbialer Funktion (durch leichtfertige Kreditvergaben um Millionen Euro). In Satz (6) sind die beiden Männer das Agens (A), die Actio (B) bleibt dieselbe wie in Satz (5). Zusätzlich finden wir hier noch die Informationen mit einer…Kreditvergabe in Form eines Dativobjekts sowie eine weitere Präpositionalgruppe als Ergänzung zum Substantiv Kreditvergabe (an die marode Fluglinie Styrian Spirit). Keiner dieser hier angeführten Beispielsätze sollte beim Lesen zu Schwierigkeiten in der Memorierung des handelnden Subjekts führen.

Schritt 4: Beispielsätze gemäß TYP 2 (Kausalketten)

(1) Die Styrian musste saniert werden. Haider hatte dafür eine Gruppe steirischer Investoren um den damaligen Magna-Chef Siegfried Wolf und dessen HGI-Gruppe gefunden. Diese investierten in die Styrian, woraufhin dann auch das Ok von der Bank kam, einen Kredit über 2 Millionen Euro an die Fluglinie zu vergeben. Die Styrian Spirit ging kurz darauf pleite, das Geld war in zwei Tagen aufgebraucht und da die Investoren dank Haider finanziell aus dem Schneider waren, blieb der Schaden bei der Bank. [Hervorhebung L.P.] (vgl. derStandard.at, 2013).

(2) Haider äußerte den Wunsch, der Styrian Airways einen Kredit einzuräumen, woraufhin Kulterer eine öffentliche Garantie dafür verlangte. Haider hatte diese Garantie versprochen und so kam es, dass die Hypo Alpe-Adria zwischen September und Oktober 2005 der Styrian Kreditlinien über insgesamt zwei Millionen Euro eingeräumt hatte - auf Anordnung von Kulterer, der wiederum auf ausdrücklichen Wunsch des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider handelte, der dafür eine öffentliche Garantie in Aussicht stellte, die nur nie kam, weshalb die Bank auf dem Schaden sitzen blieb. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Punz, 2013, Profil.at).

(3) Zweifellos war Styrian Airways ein Sanierungsfall. Deshalb habe ich von Herrn Haider eine Ausfallshaftung verlangt, die er mir zugesichert hat. Mehrfach habe ich diese Garantie eingefordert, doch sie hat sich ständig verzögert, weshalb ich den Kredit inzwischen genehmigt hatte. Jeder andere Chef einer Landesbank, der von seinem Landeshauptmann mit solch einer Situation konfrontiert wird, würde sagen: Okay, dieser Kredit geht in Ordnung. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Punz, 2013, Profil.at).

201

Schritt 5: Analyse der Kausalketten (Grundschema) + Schritt 6: Grundbausteine der Kette und Kommentar

Satz (1) lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

I) Die Styrian musste saniert werden (A) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), daher hatte

II) Haider (B) eine Gruppe steirischer Investoren gefunden (C) (Ereignis 2), das hatte zur Folge, dass auch

III) die Bank (D) das OK für einen 2 Millionen Euro Kredit gab (E) (Ereignis 3), welcher

IV) in nur zwei Tagen aufgebraucht war (F) (Ereignis 4), was zur Folge hatte, dass

V) die Styrian (G) erneut pleiteging (Ereignis 5), was wiederum zur Folge hatte, dass

VI) der Schaden (H) an der Bank haften blieb (I) (Ereignis 6, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 4 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Die Styrian musste saniert werden (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), deshalb hat Haider eine Gruppe steirischer Investoren gefunden (Folge, Ereignis 2) und weil Haider eine Gruppe steirischer Investoren gefunden hat (Ereignis 2, Grund), gab auch die Bank das Ok für einen Zwei-Millionen-Euro-Kredit (Folge, Ereignis 3), welcher aber in nur zwei Tagen aufgebraucht war (Folge, Ereignis 4) und weil er in nur zwei Tagen aufgebraucht war (Ereignis 4, Grund), ging die Styrian erneut pleite (Folge, Ereignis 5) und weil die Styrian erneut pleiteging (Ereignis 5, Grund), blieb der Schaden an der Bank haften (Folge, Ereignis 6, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Styrian – Sanierung – Haider – Investoren – Bank – Kredit – Pleite – Schaden – Bank eigentliches Faktum

Satz (2) lässt sich in die folgenden Stadien zerlegen:

I) Haider (A) äußerte den Wunsch, dass der Styrian ein Kredit eingeräumt würde (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das hatte zur Folge, dass

II) Kulterer (C) eine öffentliche Garantie dafür verlangte (D), (Ereignis 2), woraufhin

III) Haider (E) die Garantie versprach (F), (Ereignis 3), weswegen

202

IV) die Hypo (G) zwischen September und Oktober 2005 der Styrian Kreditlinien über zwei Millionen Euro eingeräumt hatte (H) (Ereignis 4) doch leider

IV) kam die Garantie nie (G), (Ereignis 5) weswegen

V) der Schaden an der Bank hängen blieb (H) (Ereignis 6, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 4 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Haider äußerte den Wunsch, der Styrian Airways einen Kredit einzuräumen (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), das hatte zur Folge, dass Kulterer eine öffentliche Garantie dafür verlangte (Folge, Ereignis 2) und weil Kulterer eine öffentliche Garantie dafür verlangte (Ereignis 2, Grund), versprach Haider diese Garantie (Folge, Ereignis 3) und weil Haider diese Garantie versprach (Ereignis 3, Grund), hatte die Hypo Alpe-Adria zwischen September und Oktober 2005 der Styrian Kreditlinien über insgesamt zwei Millionen Euro eingeräumt (Folge, Ereignis 4), doch leider kam diese Garantie nie (Folge, Ereignis 5) und weil diese Garantie nie kam (Ereignis 5, Grund), blieb der Schaden an der Bank hängen (Folge, Ereignis 6, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind:

Haider – Kredit Styrian – Kulterer – Garantie – Haiders Versprechen – Krediteinräumung Styrian – Garantie – Pleite – Schaden/Bank eigentliches Faktum

Satz (3) lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

I) Styrian Airways war ein Sanierungsfall (A), (Ausgangsereignis, Ereignis 1), deswegen habe

II) ich (B) auch von Herrn Haider eine Ausfallshaftung verlangt (C) (Ereignis 2), weswegen

III) er (D) sie mir zugesichert hat (E), (Ereignis 3), daher habe

IV) ich (F) diese Garantie mehrfach eingefordert (G), (Ereignis 4),

V) doch sie hat sich ständig verzögert (H), (Ereignis 5), weshalb

VI) ich (I) den Kredit inzwischen genehmigt habe (J) (Ereignis 6, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 4 Zwischenereignissen und 1 Endereignis:

203

Styrian Airways war ein Sanierungsfall (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), deswegen habe ich auch von Herrn Haider eine Ausfallshaftung verlangt (Folge, Ereignis 2), und weil ich auch von Herrn Haider eine Ausfallshaftung verlangt habe (Ereignis 2, Grund), hat er mir diese zugesichert (Folge, Ereignis 3) und weil er sie mir zugesichert hat (Ereignis 3, Grund), habe ich diese Garantie mehrfach eingefordert (Folge, Ereignis 4), doch sie hat sich ständig verzögert (Folge, Ereignis 5) und weil sie sich ständig verzögert hat (Ereignis 5, Grund), habe ich den Kredit inzwischen genehmigt (Folge, Ereignis 6, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Styrian Airways Sanierungsfall – ich (Kulterer) – Ausfallshaftung – Zusicherung – Einforderung – Verzögerung - Kreditgewährung

eigentliches Faktum

7.4.8 Schuldenerlass für FPÖ-Politiker Schritt 1: Der Hypo sind nicht nur die Vergabe von unzähligen faulen Krediten oder die Finanzierung von politischen Parteien vorzuwerfen: Sie hat sogar Politikern Schulden erlassen. Dies geschah beispielsweise im Jahre 1997. Dem FPÖ-Nationalrat Heinz Anton Marolt wurden damals von der Hypo umgerechnet 2,18 Millionen Euro Schulden (damals 30 Millionen Schilling) erlassen. Aus diesem Grund wurde 2010 gegen Kulterer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet (vgl. Kleine Zeitung.at, 2010).

In der Medienberichterstattung sollten sich hierzu die folgenden Grundaussagen wiederfinden lassen:

Agens (A) - Actio (B) Die Hypo (A) erlässt Marolt Schulden (B), bzw. Marolt (A) bittet Hypo um Schuldennachlass (B).

Schritt 2: Beispielsätze gemäß TYP 1 (Agens-Actio-Schema)

(1) Demnach habe sich der Vater der Dschungelcamperin auf Kosten der Hypo Alpe-Adria saniert. (Sankholkar, 2014, Format.at).

(2) Die Hypo zahlte üppige Kultur-und Veranstaltungsförderung an Marolt und verzichtete auf 2,18 Millionen Euro. (Sankholkar, 2014, Format.at).

(3) Die Bank […] erließ Marolt 30 Millionen Schilling Schulden. (News.at, 2010). 204

(4) Die Hypo-Bank soll unter seiner Leitung dem ehemaligen Politiker und Hotelier Heinz Marolt 30 Millionen Schilling an Schulden erlassen haben. (Kleine Zeitung.at, 2010).

(5) Die Kärntner Landesbank hat in den 90er Jahren dem damaligen FPÖ-Politiker und Hotelier Heinz Marolt 30 Millionen Schilling an offenen Krediten nachgelassen. (News.at, 2010).

(6) Es handelte sich dabei um einen Betrag von 2,18 Millionen Euro, den die Bank dem Kärntner Hotelier Heinz Marolt in den neunziger Jahren nachgelassen hat. (Wirtschaftsblatt.at, 2014).

(7) Hypo verschenkte 30 Millionen an FPÖ-Politiker. (Stopptdierechten.at, 2010).

Schritt 3: Analyse und Kommentar In Satz (1) ist der Vater der Dschungelcamperin Agens (A) des Satzes und tritt formal als Subjekt im Nominativ auf. Die Actio (B) wird durch das Verb sich sanieren zum Ausdruck gebracht. Als zusätzliche Information kommt noch die Präpositionalgruppe auf Kosten der Hypo als modale Adverbialbestimmung dazu. In den Sätzen (2) bis (7) ist die Hypo (bzw. die Kärntner Landesbank, die Bank) das Agens (A) der jeweiligen Sätze. In Satz (2) wird die Handlung durch die Verben zahlen und verzichten ausgedrückt. Hinzu kommen hier jeweils die obligatorischen Ergänzungen als Akkusativobjekt (Kultur-und Veranstaltungsförderung) und als Präpositionalobjekt (auf 2,8 Millionen Euro). In den Sätzen (3) bis (6) wird die Handlung (B) durch die Verben nachlassen und erlassen ausgedrückt. Dazu kommen zwei obligatorische Ergänzungen als Dativobjekt (dem ehemaligen Politiker und Hotelier Heinz Marolt) und als Akkusativobjekt (30 Millionen Schilling Schulden, bzw. 2,18 Millionen Euro Schulden). Als zusätzliche Information finden wir auch die Präpositionalgruppe in den neunziger Jahren in der Funktion einer temporalen Adverbialbestimmung vor. Die Actio in Satz (7) wird durch das Verb verschenken ausgedrückt, wobei als obligatorische Ergänzung das Akkusativobjekt 30 Millionen und als weitere Angabe das Präpositionalobjekt an FPÖ- Politiker dazukommt. Keiner dieser hier angeführten Beispielsätze sollte beim Lesen zu Schwierigkeiten in der Memorierung des handelnden Subjekts führen.

Schritt 4: Beispielsätze gemäß TYP 2 (Kausalketten) (1) Wie „News“ weiter berichtet, erstellte der Wirtschaftsanwalt Johann Quendler ein Gutachten, das „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Zahlungsunfähigkeit“ feststellte. Logische Konsequenz wäre eigentlich ein Insolvenzantrag durch die Bank gewesen. Ein solcher Insolvenzantrag scheint die Bank jedoch abgeschreckt zu haben und sie 205

reagiert völlig anders: sie saniert das Unternehmen und den zukünftigen Politiker dadurch, dass sie auf insgesamt 30 Millionen Schilling verzichtet (15 Millionen als Schuldnachlass, 15 Millionen als Besserungskapital). Damit konnte das neue FPÖ-Sternchen Marolt ohne Belastung durch eine drohende Insolvenz in die Haidersche Umlaufbahn eingebracht werden, um nach kurzer Zeit wieder zu verglühen. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Stopptdierechten.at, 2010).

(2) Für die Staatsanwaltschaft Klagenfurt prüfte Gutachter Josef Schima das „Finanzierungsgeschäft Marolt“, für welches er ein Sachverständigengutachten vom 9. August 2013 erstellte. Daraus ergab sich, dass sich der Vater der Dschungelcamperin durch die Hypo Alpe-Adria sanieren wollte. Im Kern geht es um Kredite von rund sieben Millionen Euro, die die Hypo in den 90er-Jahren an die Hoteliersfamilie vergab, obwohl der Betrieb laut Gutachten „rechnerisch überschuldet“ war und die Bilanzen von 1992 bis 1994 ein „deutlich negatives Eigenkapital“ zeigten. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Sankholkar, 2014, Format.at).

(3) Marolt hatte FPÖ-Kontakte, die wirkten: Die Hypo stellte nie einen Konkursantrag. Demnach musste sie üppige „Kultur-und Veranstaltungsförderung“ an Marolt zahlen und auf 2,18 Millionen Euro verzichten. Darauf folgte ein Gutachten, welches besagte: „Die Gewährung des Nachlasses bzw. die Umwandlung in Besserungskapital (...) war wirtschaftlich nicht vertretbar“. […]„Ein Schaden in Höhe von insgesamt 30 Milllionen Schilling (Anm.: 2,18 Millionen Euro) wurde damit in Kauf genommen.“ Das hätte verhindert werden können. [Hervorhebung L.P.] (vgl. Sankholkar, 2014, Format.at).“

Schritt 5: Analyse der Kausalketten (Grundschema) + Schritt 6: Grundbausteine der Kette und Kommentar

Satz (1) lässt sich folgendermaßen aufschlüsseln:

I) Der Wirtschaftsanwalt (A) erstellte ein Gutachten (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), das

II) Zahlungsunfähigkeit feststellte (C) (Ereignis 2), daraus müsste folgen, dass

III) die Bank (D) einen Insolvenzantrag stellt (E) (Ereignis 3), doch dieser scheint

IV) die Bank abgeschreckt zu haben (F), (Ereignis 4) woraus folgt, dass

V) die Bank (G) völlig anders reagiert und das Unternehmen und den Politiker saniert (Ereignis 5), das hat zur Folge, dass

V) die Bank (H) auf insgesamt 30 Mio. Schilling verzichtet (I) (Ereignis 6), weswegen

206

VI) das neue FPÖ Sternchen Marolt (J) ohne Insolvenzbelastung in die Haidersche Umlaufbahn eingebracht werden konnte, um nach kurzer Zeit wieder zu verglühen (K) (Ereignis 7, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 5 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Der Wirtschaftsanwalt erstellte ein Gutachten (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), dieses Gutachten stellte Zahlungsunfähigkeit fest (Folge, Ereignis 2) und weil dieses Gutachten Zahlungsunfähigkeit feststellte (Ereignis 2, Grund), wäre die logische Folge daraus, dass die Bank einen Insolvenzantrag stellt (Folge, Ereignis 3), doch weil die logische Folge daraus gewesen wäre, dass die Bank einen Insolvenzantrag stellt (Ereignis 3, Grund), scheint dieser Insolvenzantrag die Bank abgeschreckt zu haben (Folge, Ereignis 4) und weil dieser Insolvenzantrag die Bank abgeschreckt zu haben scheint (Ereignis 4, Grund), reagiert die Bank völlig anders uns saniert das Unternehmen und den Politiker (Folge, Ereignis 5), und weil sie das Unternehmen und den Politiker sanieren will (Ereignis 5, Grund), verzichtet sie auf insgesamt 30 Millionen Schilling (Folge, Ereignis 6) und weil sie auf 30 Millionen Schilling verzichtet (Ereignis 6, Grund), kann das neue FPÖ-Sternchen Marolt ohne Insolvenzbelastung in die Haidersche Umlaufbahn eingebracht werden (Folge, Ereignis 7, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Wirtschaftsanwalt – Gutachten – Zahlungsunfähigkeit – Bank – Insolvenzantrag – Sanierung Politiker/Unternehmen – Bank – Verzicht auf 30 Mio. Schilling – Marolt Karriere eigentliches Faktum

Satz (2) lässt sich in die folgenden Stadien zerlegen:

I) Gutachter Josef Schima (A) prüfte das Finanzierungsgeschäft Marolt (B) (Ausgangsereignis, Ereignis 1), für dieses wurde

II) ein Sachverständigengutachten erstellt (C) (Ereignis 2), woraus sich ergab, dass

III) der Vater der Dschungelcamperin (D) sich durch die Hypo sanieren wollte (E) (Ereignis 3), deshalb hat

IV) die Hypo (F) in den 90er-Jahren Kredite von rund 7 Millionen Euro an die Hoteliersfamilie vergeben, obwohl die Bilanzen von 1992 und 1994 ein deutlich negatives Eigenkapital zeigten (G) (Ereignis 4, Endereignis).

207

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 2 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Gutachter Josef Schima prüfte das Finanzierungsgeschäft Marolt (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), für dieses wurde ein Sachverständigengutachten erstellt (Folge, Ereignis 2) und weil ein Sachverständigengutachten erstellt wurde (Ereignis 2, Grund), kam ans Tageslicht, dass der Vater der Dschungelcamperin sich auf Kosten der Hypo sanieren wollte (Folge, Ereignis 3), und weil sich der Vater der Dschungelcamperin durch die Hypo sanieren wollte (Ereignis 3, Grund), hat die Hypo in den 90er-Jahren Kredite von rund 7 Millionen Euro an die Hoteliersfamilie vergeben (Folge, Ereignis 4, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Gutachter – Sachverständigengutachten – Marolt – Sanierung – Hypo – Kredite. eigentliches Faktum

Satz (3) lässt sich in die folgenden Stadien aufteilen:

I) Marolt (A) hatte FPÖ-Kontakte (B), (Ausgangsereignis, Ereignis 1),

II) diese FPÖ-Kontakte wirkten (C) (Ereignis 2), das hatte zur Folge, dass

III) die Hypo (D) nie einen Konkursantrag stellte (E) (Ereignis 3), daraus folgte, wiederum, dass

IV) die Hypo (F) üppige „Kultur-und Veranstaltungsförderung“ an Marolt zahlen und auf 2,18 Millionen Euro verzichten musste (Ereignis, 4), woraufhin

V) ein Gutachten erstellt wurde (G) (Ereignis 5), welches besagte, dass

VI) die Gewährung des Nachlasses bzw. die Umwandlung in Besserungskapital wirtschaftlich nicht vertretbar war (H) (Ereignis 6), woraus folgte, dass

VII) ein Schaden in Höhe von insgesamt 30 Milllionen Schilling in Kauf genommen wurde, welcher verhindert werden hätte können (I) (Ereignis 7, Endereignis).

Diese Kette besteht also aus 1 Ausgangsereignis, 5 Zwischenereignissen und 1 Endereignis: Marolt hatte FPÖ-Kontakte (Ausgangsereignis, Ereignis 1, Grund), diese wirkten (Folge, Ereignis 2), und weil diese Kontakte wirkten (Ereignis 2, Grund), stellte die Hypo nie einen Konkursantrag (Folge, Ereignis 3), und weil die Hypo nie einen Konkursantrag stellte (Ereignis 3, Grund), zahlte sie üppige Kultur- und Veranstaltungsförderung und verzichtete auf 2,18 Millionen Euro (Folge, Ereignis 4) und weil sie üppige Kultur- und Veranstaltungsförderung zahlte und auf 2,18 Millionen Euro verzichtete (Ereignis 4,

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Grund), wurde ein Gutachten erstellt (Folge, Ereignis 5) und weil ein Gutachten erstellt wurde (Ereignis 5, Grund), kam ans Tageslicht, dass die Gewährung des Nachlasses bzw. die Umwandlung in Besserungskapital wirtschaftlich nicht vertretbar war (Folge, Ereignis 6), und weil die Gewährung des Nachlasses bzw. die Umwandlung in Besserungskapital wirtschaftlich nicht vertretbar war (Ereignis 6, Grund), wurde festgestellt, dass ein Schaden in Höhe von insgesamt 30 Milllionen Schilling in Kauf genommen wurde, welcher verhindert werden hätte können (Ereignis 7, Endereignis).

Die Grundbausteine der Kette sind also:

Marolt – FPÖ-Kontakte – Hypos Verzicht auf Konkursantrag – Zahlungen in Höhe von 2,18 Mio. Euro – Gutachten – Unvertretbarkeit – Schaden 2,18 Millionen Euro eigentliches Faktum

209

8 Überprüfung der empirischen Daten: Eine Fallstudie

Dieses Kapitel soll nun der Durchführung meines Experiments gewidmet sein. Es soll hierbei konkret darum gehen, einige der in Kapitel 7 angeführten Beispielsätze bezüglich der von mir definierten abhängigen Variable „Agenserkennung“ zu testen.

8.1 Experimentdurchführung

Für meine Studie habe ich aus den von mir gefundenen Beispielen insgesamt 16 Sätze ausgewählt. Genauer gesagt habe ich zu den behandelten 8 Skandalen genau 8 Sätze nach dem Bildungsmuster TYP 1 (Agens-Actio-Schema) und 8 Sätze gemäß dem Satzmuster TYP 2 (Kausalkette) herausgenommen und diese anhand zweier Fragebögen testen lassen.

8.1.1 Erläuterungen zur angewandten Methode

Aus analysetechnischen Gründen erschien es mir besser, die von mir ausgewählten Beispielsätze mithilfe zweier unterschiedlicher Fragebögen zu testen. Aus diesem Grund habe ich zwei Fragebögen mit jeweils 8 Sätzen erstellt, wobei je 4 Sätze nach Satzmuster 1 (Agens- Actio-Schema) und 4 Sätze nach Bildungsmuster 2 (Kausalketten) eingefügt wurden. Die 4 kurzen Sätze nach Satzmuster 1 (Agens-Actio-Satz) von Gruppe A hatten beispielsweise in Gruppe B ihre Entsprechung in 4 Sätzen nach Satzmodell 2 (Kausalketten). Umgekehrt entsprachen 4 in Gruppe A angeführte Sätze nach Bildungsmuster 2 (Kausalketten) in Gruppe B wiederum 4 Pendants nach Typ 1 (Agens-Actio-Sätze). Genauer gesagt heißt das also, dass in beiden Fragebögen über genau dieselben 8 Skandale berichtet wurde, dass die beiden Gruppen aber zu jedem Thema einen anderen Satztyp zu lesen bekamen. Dies erschien mir als Methode zur Überprüfung der Agenserkennung die beste zu sein, denn durch eine solche Gegenüberstellung sollten signifikante Unterschiede in der Agenserkennung je nach verwendetem Satzmodell noch eindeutiger erkennbar und beschreibbar sein. Sollten sich die TeilnehmerInnen wie von mir vermutet verhalten, so müsste sich beispielsweise Gruppe A nach Lesen ihres ersten Satzes (Satzmuster 1, Agens-Actio-Schema) genau an das Agens erinnern, wohingegen Gruppe B nach Lesen ihres ersten Satzes zu demselben Ereignis (Satzmuster 2, Kausalkette) eine viel unschärfere Vorstellung der handelnden Person haben müsste und demnach eine Antwort auswählen müsste, in der kein explizites Agens genannt wird. In beiden Gruppen sollten also, wenn die in dieser Arbeit formulierte Hypothese zutrifft,

210

nach Lesen eines Satzes zu ein-und demselben Thema, unterschiedliche Mechanismen der Aufmerksamkeit auf der kognitiven Ebene aktiviert werden ( Kap. 5.2, 5.3). Um das Ganze aber trotzdem abwechslungsreich und nicht zu einseitig zu gestalten, wollte ich auch umgekehrt vorgehen und also für Satz 2 (Thema 2) Gruppe A die Kausalkette und Gruppe B den Agens-Actio-Satz vorlegen, sodass jede der beiden Gruppen immer 4 Sätze nach dem Agens-Actio-Schema und 4 Sätze nach dem Kausalketten-Schema zu lesen bekam.

8.1.2 Grundmodell des Fragebogens Ich habe für jeden der angeführten Sätze insgesamt 4 Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Zum einen wurden von mir 2 Antworten mit expliziter Agensnennung vorgeschlagen. Zum anderen wurden den LeserInnen weitere 2 Antworten angeboten, in denen entweder andere Aspekte der Handlung oder im jeweiligen Satz geschilderte Umstände, bzw. sog. „Zwischenstationen“ einer Kausalkette ( Kap. 7.2) genannt wurden. Dies geschah vor allem deshalb, um für alle Sätze ein „gerechtes“ Verhältnis zu schaffen, in welchem die Möglichkeiten der Auswahl einer Antwort mit Agensfokussierung, bzw. ohne Agensfokussierung demnach immer 50:50 standen. Gruppe A erhielt somit beispielsweise in Satz 1 (Agens-Actio-Satz) genau 2 Möglichkeiten, auf eine Antwort mit expliziter Agensnennung zurückzugreifen, sowie 2 Möglichkeiten, in denen weitere Handlungsumstände genannt wurden. Ich gehe in meiner Hypothese also davon aus, dass es, je nach verwendetem Satzmodell (Agens-Actio-Satz versus Kausalkette), einen Unterschied in der Antwortgabe zwischen Gruppe A und Gruppe B gibt.86

Zum besseren Verständnis der obigen Gedanken möchte ich an dieser Stelle ein tabellarisches Grundmodell der beiden Fragebögen einfügen, in welchem nochmals verdeutlicht werden sollte, wie die gesamte Studie aufgebaut worden ist.

86 Ich werde diese Hypothesenkonstellation sowie einige zur statistischen Auswertung nötigen Grundbegriffe genauer in den Punkten 8.1.5 und 8.2 ausführen.

211

GRUPPE A GRUPPE B

Thema 1: Bilanzfälschung Thema 1: Bilanzfälschung

Satz 1) TYP 1 (AA) Satz 1) TYP 2 (KK)

- Antwort 1 (Fokussierung des Agens) - Antwort 1 (Fokussierung des Agens) - Antwort 2 (andere Umstände) - Antwort 2 (andere Umstände) - Antwort 3 (andere Umstände) - Antwort 3 (andere Umstände) - Antwort 4 (Fokussierung des Agens) - Antwort 4 (Fokussierung des Agens)

Thema 2: Unrechtmäßiger Positionswechsel Thema 2: Unrechtmäßiger Positionswechsel

Satz 2) TYP 2 (KK) Satz 2) TYP 1 (AA)

Antworten 1-4 Antworten 1-4

Thema 3: Toxischer Wertpapierhandel Thema 3: Toxischer Wertpapierhandel

Satz 3) TYP 1 (AA) Satz 3) TYP 2 (KK)

Antworten 1-4 Antworten 1-4

Thema 4: Handel mit Spam-Aktien Thema 4: Handel mit Spam-Aktien

Satz 4) TYP 2 (KK) Satz 4) TYP 1 (AA)

Antworten 1-4 Antworten 1-4

Thema 5: Insidergeschäfte Thema 5: Insidergeschäfte

Satz 5) TYP 1 (AA) Satz 5) TYP 2 (KK)

Antworten 1-4 Antworten 1-4

Thema 6: Versteckte Parteifinanzierung Thema 6: Versteckte Parteifinanzierung

Satz 6) TYP 2 (KK) Satz 6: TYP 1 (AA)

Antworten 1-4 Antworten 1-4

Thema 7: Faule Kredite Thema 7: Faule Kredite

212

Satz 6) TYP 1 Satz 6: TYP 2

Antworten 1-4 Antworten 1-4

Thema 8: Schuldenerlass für Politiker Thema 8: Schuldenerlass für Politiker

Satz 6) TYP 2 (KK) Satz 6: TYP 1 (AA)

Antworten 1-4 Antworten 1-4

Gesamt: 4 Agens-Actio-Sätze (AA) und 4 Gesamt: 4 Agens-Actio-Sätze (AA) und 4 Kausalketten (KK) Kausalketten (KK)

Tabelle 3: Grundmodell des Fragebogens.

An dieser Stelle möchte ich auch die beiden Fragebögen einfügen und darin die von mir hypostasierten Antworten markieren (Farbe grün). Zudem füge ich neben die Antworten einen Zahlenwert hinzu, um die Auswertung der Daten zu erleichtern und daraus Signifikanzen zu errechnen. Hierbei wird jeweils den Antworten mit expliziter Agensnennung 1 Punkt zugewiesen, wohingegen die Antworten ohne Agensnennung 0 Punkte erhalten. Dadurch lässt sich nämlich in der Folge eine Tabelle mit den beobachteten Zahlwerten, den sog. „actual, or observed values“ (Rasinger, 2008:145f.) erstellen, um diese dann den sog. „rechnerischen Werten“, bzw. „expected values“ (vgl. Rasinger, 2008:145f.) gegenüberzustellen, woraus sich Signifikanzwerte erstellen lassen, welche sich, unter Berücksichtigung einer Fehlerrate, auf die Nullhypothese H0 beziehen und entscheiden, in wie vielen Fällen der Test (bei Richtigkeit von H0) richtig entscheidet (vgl. Tiemann, 2012:213ff.). Je kleiner der Signifikanzwert ist (i.d.R. legt man einen Standardwert von α = 0,05 fest), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die von mir formulierte Alternativhypothese (H1) zutrifft. Ist der durch die beobachteten 87 Daten erhaltene Signifikanzwert also kleiner als 0,05, wäre meine Hypothese (H1) bestätigt. Außerdem werde ich nach jedem Satz in Klammer entweder AA für Agens-Actio-Satz oder KK für Kausalkette hinzufügen.88

87 Ich werde diesen Gedanken in Punkt 8.1.5 nochmals genauer und anschaulicher ausführen.

88 Anm.: Ich habe diese Modifikationen (Antwortmarkierung, Punkteeintrag und Kommentar zum Satztyp) natürlich nur an dem hier angefügten Fragebogen vorgenommen, um den LeserInnen besser zu 213

FRAGEBOGEN GRUPPE A

Bitte lesen Sie die folgenden 8 Sätze aufmerksam durch und fragen Sie sich daraufhin still: „Was ist passiert?“ Bitte versuchen Sie, wenn möglich, den Satz immer nur 1x genau durchzulesen und sich auf Ihr Gedächtnis zu verlassen.  Danach kreuzen Sie bitte die Antwort an, die das Bild in ihrem Kopf am besten beschreibt. Hinweis: Es gibt KEINE falschen Antworten.  Bitte nur eine Antwort ankreuzen.

1. Vorstandschef einer Bank lässt die Bilanz fälschen. (AA)

o Der Vorstandschef fälscht die Bilanz. (1) o Die Bilanzen werden gefälscht. (0) o Die Bilanzen sind nicht korrekt. (0) o Der Vorstandschef lässt die Bilanz fälschen. (1)

2. Durch das Bekanntwerden von Spekulationsverlusten in dreistelliger Millionenhöhe hatte Kulterer seinen Rücktritt bekanntgegeben, ehe er per 1. Oktober 2006 in den Aufsichtsrat der später notverstaatlichten Kärntner Bank einzog, wodurch das Amtsenthebungsverfahren der FMA gegen Kulterer eingestellt wurde. (KK)

o Spekulationsverluste wurden bekannt. (0) o Kulterer hatte seinen Rücktritt bekannt gegeben. (1) o Kulterer wechselte seine Position. (1) o Das Amtsenthebungsverfahren wurde eingestellt. (0)

3. Durch toxischen Wertpapierhandel hat die Hypo hunderte Millionen in Jersey versenkt. (AA)

o Es geschah in Jersey. (0) o Die Hypo betrieb Handel mit toxischen Wertpapieren. (1) o Die Hypo hat hunderte Millionen versenkt. (1) o Hunderte Millionen wurden versenkt. (0)

4. Handelsaktivitäten der Liechtensteiner Alpe Adria Privatbank AG, vormals Hypo Alpe-Adria-Bank (Liechtenstein) AG, haben in Nordamerika Ermittlungen der kanadischen Finanzaufsicht British Columbia Securities Commssion (BCSC) ausgelöst, welche ergaben, dass ans Tageslicht kam, dass die Bank, bis Ende 2007 eine hundertprozentige Tochter der Kärntner Hypo Alpe-Adria, zwischen 1. November 2006 und 31. August 2007 über bankeigene Konten bei kanadischen Investmenthäusern

veranschaulichen, wie ich in der Auswertung vorgegangen bin. Die Testpersonen erhielten den Fragebogen in unbearbeiteter Form.

214

463 Millionen Spam-Aktien im Gegenwert von 165 Millionen Dollar gehandelt haben soll - ein nicht unerheblicher Teil der Papiere war zuvor Gegenstand internationaler Spam-Wellen gewesen. (KK)

o Die Hypo handelte mit Spam-Aktien. (1) o Ermittlungen der kanadischen Finanzaufsicht wurden ausgelöst. (0) o Die Hypo hat Millionen von Spam-Aktien gehandelt. (1) o Es geschah über bankeigene Konten bei kanadischen Investmenthäusern. (0)

5. Eine von Tilo Berlin betreute Investorengruppe soll an diesem Geschäft bis zu 150 Millionen Euro verdient haben. (AA)

o Eine Investorengruppe hat 150 Millionen Gewinn gemacht. (1) o Ein Geschäft wurde gemacht. (0) o Eine Investorengruppe hat bis zu 150 Euro verdient. (1) o Es gab einen Gewinn von 150 Millionen Euro. (0)

6. Die Hypo Alpe Adria nahm in der Vergangenheit Geld billig auf, das vom Land Kärnten gedeckt wurde, womit sie zu einer Geldverteilungsmaschine der besonderen Art werden konnte, weshalb sie in den zwölf Jahren vor 2008 jedes Jahr um mindestens 20 Prozent gewachsen ist und ihr Geld vorzugsweise in Kredite zur Parteifinanzierung stecken konnte. (KK)

o Das Geld wurde billig aufgenommen. (0) o Die Geldverteilungsmaschine ist gewachsen. (0) o Die Hypo finanzierte Parteien. (1) o Die Hypo stellte Kredite. (1)

7. Die Hypo hat der Fluglinie einen unbesicherten Kredit über zwei Mio. Euro gewährt. (AA)

o Der Fluglinie wurde ein Kredit gewährt. (0) o Die Hypo hat einen Kredit vergeben. (1) o Der Kredit war über 2 Mio. Euro hoch. (0) o Die Hypo hat einen unbesicherten Kredit vergeben. (1)

8. Für die Staatsanwaltschaft Klagenfurt prüfte Gutachter Josef Schima das „Finanzierungsgeschäft Marolt“, für welches er ein Sachverständigengutachten vom 9. August 2013 erstellte. Daraus ergab sich, dass sich Marolt auf Kosten der Hypo Alpe-Adria sanieren wollte. Im Kern geht es um Kredite von rund sieben Millionen Euro, die die Hypo in den 90er-Jahren an die Hoteliersfamilie vergab, obwohl der Betrieb laut Gutachten „rechnerisch überschuldet“ war und die Bilanzen von 1992 bis 1994 ein „deutlich negatives Eigenkapital“ zeigten. (KK)

o Die Hypo vergab Kredite an Marolt. (1) o Ein Sachverständigengutachten wurde erstellt. (0) o Der Betrieb war rechnerisch überschuldet. (0) o Die Hypo vergab Kredite von sieben Millionen Euro. (1)

215

PERSÖNLICHE ANGABEN

1) Ich bin o Männlich o Weiblich

2) Alter

------3) Grad des Hochschulabschlusses: o Matura o Bachelor o Magister o Master o Doktorat o Andere

FRAGEBOGEN GRUPPE B

Bitte lesen Sie die folgenden 8 Sätze aufmerksam durch und fragen Sie sich daraufhin still: „Was ist passiert?“ Bitte versuchen Sie, wenn möglich, den Satz immer nur 1x genau durchzulesen und sich auf Ihr Gedächtnis zu verlassen.  Danach kreuzen Sie bitte die Antwort an, die das Bild in ihrem Kopf am besten beschreibt.

Hinweis: Es gibt KEINE falschen Antworten.  Bitte nur eine Antwort ankreuzen.

1. Da hat ein Mitarbeiter mit etwas spekuliert, das er nicht verstanden hat und auch sonst niemand in der Bank, was bewirkte, dass die Investmentbanken uns über den Tisch gezogen haben; die Folge davon war ein Minus von rund 330 Millionen Euro, woraufhin die Wirtschaftsprüfer mitdiskutiert haben, um die Verluste in der Bilanz unterzubringen, was wiederum meinen Fehler bewirkte, die Verluste geheim zu halten und sie in den Bilanzen nicht zu berücksichtigen. (KK) o Es gab ein Minus von rund 330 Millionen Euro. (0) o Die Verluste sollten in der Bilanz untergebracht werden. (0) o Ich habe die Verluste geheim gehalten. (1) o Ich habe die Bilanzen gefälscht. (1)

2. Kulterer wechselte mit 1. Oktober 2006 an die Spitze des Aufsichtsrats. (AA) o Es geschah am 1. Oktober 2006. (0) 216

o Kulterer wechselte seine Position. (1) o Kulterer wechselte in den Aufsichtsrat. (1) o Die Spitze des Aufsichtsrats wurde bestiegen. (0)

3. Die Hypo gründete gemeinsam - dem Vernehmen nach mit der Deutschen Bank (und die wiederum über einen Ableger im US-Steuerparadies Delaware) - die HB International Credit Management in Jersey, welche 400 Mio. Euro in zwei Tochtergesellschaften mit den bezeichnenden Namen Carinthia I und II steckte, wobei diese wiederum in Papiere unterschiedlicher Bonität (also toxische Papiere) investierten, welche von der Deutschen Bank über zwei Sondergesellschaften ausgegeben wurden. (KK) o 400 Mio. Euro wurden in zwei Tochtergesellschaften gesteckt. (0) o Die Hypo betrieb Wertpapierhandel. (1) o Die Hypo investierte in toxische Wertpapiere. (1) o Es geschah in Jersey. (0)

4. Die Hypo hat über bankeigene Konten Millionen von Spam-Aktien gehandelt. (AA) o Es geschah über bankeigene Konten. (0) o Die Hypo hat mit Spam-Aktien gehandelt. (1) o Millionen von Spam-Aktien wurden gehandelt. (0) o Die Hypo hat Millionen von Spam-Aktien gehandelt. (1)

5. Tilo Berlin brauchte Investoren, diese Investoren - das ist das ‚Who is Who‘ der süddeutschen und österreichischen Industriefamilien – wurden dazu gebracht, bei ihm, also in seinen Fond zu investieren, mit welchem er zunächst einmal diese Dinge kaufen konnte, um sie dann hinterher zu verkaufen und einen Gewinn von rund 150 Millionen Euro zu machen. (KK) o Es wurde in Berlins Fond investiert. (0) o Tilo Berlin hat Gewinn gemacht. (1) o Investoren wurden dazu gebracht, in seinen Fond zu investieren. (0) o Tilo Berlin betrieb Insidergeschäfte. (1)

6. Die Hypo öffnet den Geldhahn für Parteien. o Die Hypo finanziert Parteien. (1) o Die Hypo gibt den Parteien Geld. (1) o Die Parteien werden finanziert. (0) o Der Geldhahn wird geöffnet. (0)

7. Haider äußerte den Wunsch, der Styrian Airways einen Kredit einzuräumen, woraufhin Kulterer eine öffentliche Garantie dafür verlangte. Haider hatte diese Garantie versprochen und so kam es, dass die Hypo Alpe-Adria zwischen September und Oktober 2005 der Styrian Kreditlinien über insgesamt zwei Millionen Euro eingeräumt hatte - auf Anordnung von Kulterer, der wiederum auf 217

ausdrücklichen Wunsch des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider handelte, der dafür eine öffentliche Garantie in Aussicht stellte, die nur nie kam, weshalb die Bank auf dem Schaden sitzen blieb. (KK) o Eine öffentliche Garantie wurde für den Kredit verlangt. (0) o Kulterer hat der Styrian einen Kredit gewährt. (1) o Eine öffentliche Garantie wurde in Aussicht gestellt. (0) o Kulterer hat der Styrian einen unbesicherten Kredit vergeben. (1)

8. Die Bank erließ Marolt 2,18 Millionen Euro Schulden. (AA) o Schulden wurden erlassen. (0) o Die Bank erließ 2,18 Millionen Euro. (1) o Die Bank erließ Marolt Schulden. (1) o Marolt wurden Schulden erlassen. (0)

PERSÖNLICHE ANGABEN

1) Ich bin o Männlich o Weiblich

2) Alter ------3) Grad des Hochschulabschlusses: o Matura o Bachelor o Magister o Master o Doktorat o Andere 8.1.3 TeilnehmerInnen Insgesamt haben an der Studie 120 Personen teilgenommen, darunter 99 Frauen und 21 Männer. 60 Personen erhielten Fragebogen A und 60 Personen bekamen Fragebogen B zugeteilt. Gruppe A bestand aus 11 Männern und 49 Frauen im Alter von 18-56 Jahren. Gruppe B setzte sich aus 10 Männern und 50 Frauen im Alter von 18-72 Jahren zusammen. Wie sich aus den obigen Daten erkennen lässt, war zwar die Beteiligung von Frauen deutlich höher (99 Frauen und nur 21 Männer), allerdings war zumindest die Verteilung zwischen

218

Frauen und Männern innerhalb der beiden Gruppen sehr ähnlich (ca. 50 Frauen und 10 Männer pro Gruppe). Der Abschlussgrad der TeilnehmerInnen reichte von der Matura, bis zum Bachelor, Magister und Master über das Doktorat hinaus. Insgesamt waren es 44 Personen mit Maturaabschluss, 37 Personen mit Bachelorabschluss, 14 Personen, die einen Magister hatten, 13 Personen mit Masterabschluss, 5 Personen mit Doktortitel und 7 Personen, die in die Kategorie „Andere“ fielen.89 In Gruppe A waren es 24 TeilnehmerInnen mit dem Abschluss Matura, 19 mit dem Abschluss Bachelor, 7 mit dem Abschluss Magister, 8 mit dem Abschluss Master und 2 Personen fielen unter die Kategorie „Andere“ (insgesamt also 60 Personen in Gruppe A). In Gruppe B waren es 20 Personen mit dem Abschluss Matura, 18 mit dem Abschluss Bachelor, 7 mit dem Abschluss Magister, 5 mit dem Abschluss Master, 5 mit dem Abschluss Doktorat und 5 Personen fielen unter die Kategorie „Andere“ (gesamt also 60 Personen in Gruppe B). Wie man aus diesen Daten erkennen kann, weisen also beide Gruppen ziemlich ähnliche Merkmale auf: In beiden Gruppen war die Geschlechterverteilung Männer-Frauen ungefähr gleich (50 Frauen und 10 Männer pro Gruppe), beide Gruppen verteilten sich aus quantitativer Sicht auch ziemlich homogen auf die unterschiedlichen Bildungstitel und in beiden Gruppen lag das Durchschnittsalter bei 27,2 Jahren (in Gruppe A lag es bei 25,8 Jahren und in Gruppe B bei 28,6 Jahren).90 Diese Daten möchte ich aus Gründen der besseren Übersicht noch anhand von zwei Graphiken und zwei Tabellen zusammenfassen:

89 Da ich von vornherein geplant hatte, diese Untersuchung nur an StudentInnen durchzuführen, habe ich nur die oben angeführten Bildungstitel als Auswahlmöglichkeiten vorgegeben. Da sich aber gegen Ende der Studie noch einige ProfessorInnen der Universität zur Teilnahme bereit erklärt haben, dürften die wenigen TeilnehmerInnen, welche unter die Kategorie „Andere“ fallen, einfach mit dem akademischen Grad „Professur“ gleichgesetzt werden.

90 Ich habe die TeilnehmerInnen für meine Studie bewusst in dieser Altersklasse ausgewählt, um -ähnlich Boroditskys, Fauseys et al. (2010d) Bestreben in ihren Experimente- bestätigen zu können, dass ein aus der Studie resultierendes „Erinnerungsdefizit“ hauptsächlich auf das Vorhandensein des Satzmodells „Kausalkette“ zurückzuführen ist und nicht etwa auf das hohe Alter. Die einzige Ausnahme hierzu war eine Person aus Gruppe B im Alter von 72 Jahren, die das Durchschnittsalter der Gruppe somit etwas gehoben hat.

219

Gruppe A Gruppe B Gesamtzahl/Mittelwert Durchschnittsalter 25,8 Jahre 28,6 Jahre 27,2 Jahre Geschlecht 49 Frauen 50 Frauen 99 Frauen (82,5%) und (81,67%) und (83,33%) und 21 Männer (17,5%) 11 Männer 10 Männer (18,33%) (16,67%)

Gesamtanzahl TN 60 Personen 60 Personen 120 Personen (100%) (50%) (50%) Tabelle 4: Durchschnittsalter und Geschlecht der TeilnehmerInnen an der Studie.

Grad des Hochschulabschlusses: Matura 24 40%

Bachelor 19 31.67%

Magister 7 11.67%

Master 8 13.33%

Doktorat 0 0%

Andere 2 3.33% n = 60 60

Abbildung 12: Verteilung des Bildungsstandes der TeilnehmerInnen in Gruppe A.

Grad des Hochschulabschlusses:

Matura 20 33.33%

Bachelor 18 30%

Magister/ 7 11.67% Lehramt

Master 5 8.33%

Doktorat 5 8.33%

Andere 5 8.33% n = 60 60

Abbildung 13: Verteilung des Bildungsstandes der TeilnehmerInnen in Gruppe B. 220

Verteilung der Bildungstitel im Gesamtüberblick Gruppe A Gruppe B Gesamtzahl/Mittelwert Abschlussgrad 24 Personen (40%) 20 Personen 44 Personen (36,67%) Matura (33,33%) Abschlussgrad 19 Personen 18 Personen (30%) 37 Personen (30,83%) Bachelor (31,67%) Abschlussgrad 7 Personen 7 Personen 14 Personen (11,67%) Magister (11,67%) (11,67%) Abschlussgrad 8 Personen 5 Personen (8,33%) 13 Personen (10,83%) Master (13,33%) Abschlussgrad 0 Personen 5 Personen (8,33%) 5 Personen (4,17%) Doktorat Anderer Abschluss 2 Personen (3,33%) 5 Personen (8,33%) 7 Personen (5,83%) Gesamtanzahl TN 60 Personen (50%) 60 Personen (50%) 120 Personen (100%) Abbildung 14: Verteilung des Bildungsstandes der TeilnehmerInnen in Gruppe A und Gruppe B.

Es war mir auch deshalb wichtig, in beiden Gruppen „gleiche Verhältnisse“ zu schaffen, um für beide Gruppen dieselben Voraussetzungen als Basis für die Analyse zu schaffen und im Idealfall auch zu bestätigen, dass sich beide Gruppen bei der Konfrontation mit Kausalketten gleich verhalten (und demnach auf eine Antwort mit expliziter Agensnennung verzichten). Wie aus dem obigen Fragebogen ersichtlich wird, wurden die Testpersonen zu Beginn der Studie darum gebeten, die 8 Sätze aufmerksam durchzulesen und sich nach dem Lesen der Sätze leise die Frage „Was ist passiert?“ zu stellen, ähnlich wie in den von Boroditsky (vgl. Boroditsky, Fausey 2011a:152) durchgeführten Experimenten ( Kap. 4.2.2). Vor allem war es für die TeilnehmerInnen von zentraler Bedeutung, sich auf ihr Gedächtnis zu verlassen sowie den jeweiligen Satz immer nur einmal genau durchzulesen und dann eine der vier Antworten auszuwählen, die ihrer Meinung nach die Frage „Was ist passiert?“ am besten beantwortete. Sinn und Zweck der ganzen Studie war es insbesondere, die Testpersonen nicht darüber zu informieren, worum es genau ging, denn nur so konnte es bewerkstelligt werden, dass alle TeilnehmerInnen unvoreingenommen an die Fragen herangehen konnten, vor allem, dass sie sich aber in der Auswahl der Antworten auf ihre individuellen, unbewussten, kognitiven Mechanismen der Informationsfilterung stützen konnten. 221

Gerade aus diesem Grund war es mir auch wichtig, den Fragebogen nicht allzu lang zu gestalten. Da ich verhindern wollte, dass die Aufmerksamkeit der Testpersonen beim Lesen zu stark sinkt, fand ich es am besten, maximal 4 Kausalketten pro Fragebogen anzuführen. Solche Sätze, die, wie ich bereits in den obigen Kapiteln geschildert habe, oft über mehrere Zeilen hinausgehen, stellen die LeserInnen sicherlich vor eine große Herausforderung, insbesondere, wenn sie zusätzlich noch darum gebeten werden, die Sätze aufmerksam durchzulesen und sich auf ihr Gedächtnis zu verlassen. Auch deshalb war es sicherlich von Vorteil, die 16 Fragen auf 2 Gruppen, bzw. 2 Fragebögen zu verteilen.

8.1.4 Material/Software Der Fragebogen wurde mithilfe der speziellen Umfragen-Software „Studentenforschung.de“ erstellt. Mithilfe dieser Software können Studien, Umfragen, Marktuntersuchungen und Fragebögen aller Art online durchgeführt werden.91 Es wurden von mir also die beiden Fragebögen A und B erstellt und dabei immer die beiden Antworten markiert, welche die von mir hypostasierten Antwortmöglichkeiten darstellen sollten. Natürlich war diese Markierung für die TeilnehmerInnen nicht ersichtlich, sondern diente mir lediglich als Hilfe für die Auswertung. Die Gründe, weswegen ich mich für eine Software zur Erstellung des Fragebogens entschieden habe und ihn nicht selbst den Testpersonen ausgehändigt habe, waren die folgenden: - Zum ersten ermöglicht es ein Online-Fragbogen in kurzer Zeit eine große Menge an TeilnehmerInnen zu finden, da er einfach als Link binnen kürzester Zeit an viele Personen versendet werden kann. - Zum zweiten eignet sich ein Online-Fragebogen auch deshalb, weil er auch ganz einfach und schnell auf dem Smartphone ausgefüllt werden kann. - Zum dritten erhält man so alle Ergebnisse ganz schnell im Überblick, denn diese spezielle Software erspart einem die mühsame Datenübertragung in eine Excel-Tabelle, was sich vor allem bei einer großen Teilnehmerzahl (ab 100 Personen) als vorteilhaft erweist. - Zum vierten erstellt die Software automatisch Graphiken mit den Prozentsätzen der gegebenen Antworten, sodass man sofort einen guten Überblick über die Ergebnisse erhält.

91 Der Link zur aktuellen Webseite ist: http://www.studentenforschung.de/. Es ist möglich, sich zu registrieren und in der Folge kostenlose Fragebögen zu erstellen.

222

- Zum fünften erstellt die Software auch eine tabellarische Übersicht mit einer detaillierten Ausführung der Antworten, die jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin gegeben hat. - Zum sechsten erstellt die Software eine eigene Auswertung, welche sie mithilfe der zuvor markierten (hypostasierten) Antworten erzeugt.

8.1.5 Datenerhebung und Kodierung In diesem Abschnitt möchte ich kurz erläutern, wie ich mit den erhaltenen Daten umgehen werde. Zunächst ist einmal zu sagen, dass es in meiner Untersuchung um Abhängigkeiten (Inferenzen) geht (vgl. Tiemann, 2012:11f.). In einem ersten Schritt müssen die von mir erhaltenen Daten einmal gesammelt werden, eine Aufgabe, welche die oben genannte Statistik-Software übernimmt. In einem zweiten Schritt müssen die gesammelten Daten beobachtet werden: So gilt es etwa zu untersuchen, ob es Ähnlichkeiten, bzw. Gesetzmäßigkeiten gibt, die bereits auf den ersten Hinblick durch reines Beobachten der erhaltenen Daten auffallen (deskriptive Statistik, vgl. ebd.). In einem dritten Schritt können die Daten zusammengefasst werden und dafür Prozentzahlen angegeben werden. Um diese Prozentsätze jedoch für eine solche wissenschaftliche Arbeit angemessen interpretieren zu können, ist es unerlässlich, sich mit dem Begriff der Signifikanz auseinanderzusetzen, denn ein Signifikanzwert beinhaltet alle durch die Untersuchung erhaltenen Daten, berücksichtigt aber zusätzlich noch eine Fehlerwahrscheinlichkeit (vgl. Tiemann, 2012:211ff.). Diese Fehlerwahrscheinlichkeit, bezeichnet mit dem Buchstaben α muss vor der Untersuchung und Bestimmung der Signifikanz festgelegt werden und sollte möglichst klein angelegt werden. Ein Standardwert, der sich mittlerweile in vielen statistischen Tests durchgesetzt hat, ist der Wert von α = 0,05 (= 5%). Mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet dies, dass wenn meine Vermutung stimmt, sie mit einer Wahrscheinlichkeit von maximal 5% abgelehnt wird und dass die hier formulierte Entscheidungsregel also nur in 5% der Fälle eine falsche Entscheidung trifft. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Irrtumswahrscheinlichkeit (vgl. Tiemann, 2012:211). Das Signifikanzniveau beträgt dann 95%. Der statistische Test, der hier durchgeführt werden soll, ist also eine Art objektive Entscheidungsregel, welche sich ausschließlich nach der Datenlage richtet (vgl. Tiemann, 2012:213). Zu diesem Zweck ist es auch vonnöten, eine Hypothesenkonstellation zu formulieren:

223

H0, die sog. Nullhypothese, wird der Alternativhypothese H1 gegenübergestellt. Es ist hierbei wichtig, dass die für die Untersuchung geltende Hypothese immer in H1 formuliert wird, denn: „In der Regel versuchen Sie, Ihre Vermutung in die Gegenhypothese zu platzieren und die Hypothese abzulehnen. Denn dann wissen Sie, wie groß der Fehler ist, nämlich α.“ (Tiemann, 2012:213). Das Signifikanzniveau wird dann durch die Formel 1-α berechnet und der erhaltene

Signifikanzwert sagt uns, „in wie viel Prozent der Entscheidungen, wenn H0 stimmt, der Test richtig entscheidet.“ Ist der erhaltene Signifikanzwert (p) also sehr klein (i.d.R. unter 0,05), so bedeutet dies, dass beispielsweise H0 in sehr wenigen Fällen zutrifft, sprich H0 ist widerlegt und somit meine Hypothese (H1) bestätigt (vgl. Tiemann, 2012:213). Je kleiner also der Wert für p, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die von mir formulierte Ausgangshypothese zutrifft. Kuckartz et al. (2010:144) schließen diesen Gedanken mit dem folgenden Satz ab: „Signifikanz bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ergebnis zufällig entstanden ist, also aus der Nullhypothese heraus erklärt werden kann, gering ist.“ Des Weiteren eignet sich für eine solche Untersuchung am besten eine Nominalskala, welche das geringste und einfachste Skalenniveau darstellt (vgl. Kuckartz et al., 2010:16) und einfach ausgedrückt nur die zwei Möglichkeiten ja-nein vorgibt. In diesem Fall wäre es etwa „Agens erkannt“ (ja-nein). Gerade bei solchen Variablen mit Nominalskalenniveau eignet es sich, Zahlenwerte zuzuordnen, wie es bereits im Fragebogen in 8.1.2 aufgezeigt worden ist (mit dem Wert 0 für „Nein“, bzw. „Agens nicht erkannt“ und dem Wert 1 für „Ja“, bzw. „Agens erkannt“). Die abhängige Variable ist hierbei immer „Agens erkannt“, wohingegen das Satzmodell (Agens-Actio-Satz versus Kausalkette) die unabhängige Variable darstellt. Wie groß nun der Zusammenhang zwischen beiden Variablen (abhängiger und unabhängiger Variable) ist, kann am besten mithilfe der sog. Chi-Quadrat-Statistik, bzw. dem χ2-Test ermittelt werden. Der Grundgedanke, der in einem solchen Verfahren steckt, welches sich gerade für diese Untersuchung eignet, ist derjenige, dass rechnerisch erwartete Häufigkeiten und empirisch beobachtete Häufigkeiten miteinander verglichen werden (vgl. Kuckartz et al., 2010:86). Hierzu erstellt man am besten eine sog. 4-Feld-Tafel (auch: Kreuztabelle, Kontingenztafel, vgl. Kuckartz et al., 2010:80), in der man den Zusammenhang zwischen den beiden Variablen darstellt. Es müssen also zwei dieser Kreuztabellen erstellt werden, eine mit

224

den real beobachteten Werten und eine mit den rechnerischen Werten. Die erwartete Häufigkeit (rechnerisch erwartete Werte bei Gültigkeit der Nullhypothese, vgl. Rasinger, 2008 145f.) erhält man, indem man von den real beobachteten Werten die Zeilensummer mit der Spaltensumme multipliziert und sie darauf durch die Gesamtsumme teilt:

Zeilensumme x Spaltensumme Erwartete Häufigkeit = Gesamtsumme

Abbildung 15: Formel für die Berechnung der erwarteten Werte nach der Chi-Quadrat-Statistik.

Um nun einen Signifikanzwert zu erhalten, werden die beiden erhaltenen Werte (real beobachtete Werte und rechnerisch erwartete Werte) aus den beiden Kreuztabellen mithilfe der Chi-Quadrat-Formel miteinander in Beziehung gesetzt und in die Formel eingesetzt (vgl. Rasinger, 2008:146f.). Glücklicherweise gibt es verschiedene Programme, die automatisch mit der Formel arbeiten und uns das Ergebnis für die Signifikanz (p) liefern. Die Formel für den Chi-Quadrat-Test füge ich an dieser Stelle nur aus Gründen der Vollständigkeit ein:

(beobachtete Häufigkeit – erwartete Häufigkeit)2 χ2 = Σ erwartete Häufigkeit

Abbildung 16: Formel für den Chi-Quadrat-Test zur Errechnung der Signifikanz.

Mithilfe des Chi-Quadrat-Tests können wir also eine Aussage darüber machen, ob sich die beobachteten Häufigkeiten signifikant von den rechnerisch erwarten Häufigkeiten (bei Gültigkeit der Nullhypothese, die im Idealfall widerlegt werden soll) unterscheiden und wir können demnach nach einer objektiven Entscheidungsregel Aussagen bezüglich der hier aufgestellten Hypothese machen.

8.2 Ergebnisse der Studie Um nun zur Auswertung der Ergebnisse zu kommen, werde ich in den folgenden Kapiteln zunächst einmal, um den LeserInnen einen Gesamtüberblick der erhaltenen Ergebnisse zu verschaffen, die prozentuelle Verteilung der Antworten für beide Gruppen veranschaulichen. Hierbei werde ich nochmals die zwei von mir hypostasierten Antworten markieren, damit die LeserInnen auf Anhieb erkennen, ob die Antwortauswahl der Testpersonen meiner

225

Vermutung entspricht oder nicht. Darunter werde ich jeweils anmerken, wie viele Personen, bzw. wie viel Prozent der TeilnehmerInnen für jeden Satz jeweils eine Antwort wie von mir erwartet angegeben haben.

8.2.1 Prozentuelle Verteilung der Antwortauswahl für Gruppe A im Überblick 1. Vorstandschef einer Bank lässt die Bilanz fälschen.

Der Vorstandschef fälscht die 11 18.33% Bilanz.

Die Bilanzen werden gefälscht. 5 8.33%

Die Bilanzen sind nicht korrekt. 3 5%

Der Vorstandschef lässt die 41 68.33% Bilanz fälschen. n = 60 60

Für Satz 1 (Typ 1, Agens-Actio-Satz) haben insgesamt 52 von 60 Personen (86,66%) wie erwartet eine Antwort mit Agensnennung ausgewählt.

2. Durch das Bekanntwerden von Spekulationsverlusten in dreistelliger Millionenhöhe hatte Kulterer seinen Rücktritt bekanntgegeben, ehe er per 1. Oktober 2006 in den Aufsichtsrat der später notverstaatlichten Kärntner Bank einzog, wodurch das Amtsenthebungsverfahren der FMA gegen Kulterer eingestellt wurde.

Spekulationsverluste wurden 19 31.67% bekannt.

Kulterer hatte seinen Rücktritt 20 33.33% bekannt gegeben.

Kulterer wechselte seine 8 13.33% Position.

Das Amtsenthebungsverfahren 13 21.67% wurde eingestellt. n = 60 60

Für Satz 2 (Typ 2, Kausalkette) haben insgesamt 32 von 60 Personen (53,34%) wie erwartet eine Antwort ohne Agensnennung ausgewählt.

3. Durch toxischen Wertpapierhandel hat die Hypo hunderte Millionen in Jersey versenkt.

Es geschah in Jersey. 4 6.67%

226

Die Hypo betrieb Handel mit 20 33.33% toxischen Wertpapieren.

Die Hypo hat hunderte 34 56.67% Millionen versenkt.

Hunderte Millionen wurden 2 3.33% versenkt. n = 60 60

Für Satz 3 (Typ 1, Agens-Actio-Satz) haben insgesamt 54 von 60 Personen (90%) wie erwartet eine Antwort mit Agensnennung ausgewählt.

4. Handelsaktivitäten der Liechtensteiner Alpe Adria Privatbank AG, vormals Hypo Alpe-Adria-Bank (Liechtenstein) AG, haben in Nordamerika Ermittlungen der kanadischen Finanzaufsicht British Columbia Securities Commssion (BCSC) ausgelöst, welche ergaben, dass ans Tageslicht kam, dass die Bank, bis Ende 2007 eine hundertprozentige Tochter der Kärntner Hypo Alpe-Adria, zwischen 1. November 2006 und 31. August 2007 über bankeigene Konten bei kanadischen Investmenthäusern 463 Millionen Spam-Aktien im Gegenwert von 165 Millionen Dollar gehandelt haben soll - ein nicht unerheblicher Teil der Papiere war zuvor Gegenstand internationaler Spam- Wellen gewesen.

Die Hypo handelte mit Spam- 19 31.67% Aktien.

Ermittlungen der kanadischen Finanzaufsicht wurden 10 16.67% ausgelöst.

Die Hypo hat Millionen von 28 46.67% Spam-Aktien gehandelt.

Es geschah über bankeigene Konten bei kanadischen 3 5% Investmenthäusern. n = 60 60

Für Satz 4 (Typ 2, Kausalkette) haben insgesamt 13 von 60 Personen (21,67%) wie erwartet eine Antwort ohne Agensnennung ausgewählt.

5. Eine von Tilo Berlin betreute Investorengruppe soll an diesem Geschäft bis zu 150 Millionen Euro verdient haben.

Eine Investorengruppe hat 150 26 43.33% Millionen Gewinn gemacht.

Ein Geschäft wurde gemacht. 4 6.67%

227

Eine Investorengruppe hat bis 25 41.67% zu 150 Euro verdient.

Es gab einen Gewinn von 150 5 8.33% Millionen Euro. n = 60 60

Für Satz 5 (Typ 1, Agens-Actio-Satz) haben insgesamt 51 von 60 Personen (85%) wie erwartet eine Antwort mit Agensnennung ausgewählt.

6. Die Hypo Alpe Adria nahm in der Vergangenheit Geld billig auf, das vom Land Kärnten gedeckt wurde, womit sie zu einer Geldverteilungsmaschine der besonderen Art werden konnte, weshalb sie in den zwölf Jahren vor 2008 jedes Jahr um mindestens 20 Prozent gewachsen ist und ihr Geld vorzugsweise in Kredite zur Parteifinanzierung stecken konnte.

Das Geld wurde billig 14 23.33% aufgenommen.

Die Geldverteilungsmaschine ist 18 30% gewachsen.

Die Hypo finanzierte Parteien. 21 35%

Die Hypo stellte Kredite. 7 11.67% n = 60 60

Für Satz 6 (Typ 2, Kausalkette) haben insgesamt 32 von 60 Personen (53,33%) wie erwartet eine Antwort ohne Agensnennung ausgewählt.

7. Die Hypo hat der Fluglinie einen unbesicherten Kredit über zwei Mio. Euro gewährt.

Der Fluglinie wurde ein Kredit 12 20% gewährt.

Die Hypo hat einen Kredit 7 11.67% vergeben.

Der Kredit war über 2 Mio. 10 16.67% Euro hoch.

Die Hypo hat einen 31 51.67% unbesicherten Kredit vergeben. n = 60 60

Für Satz 7 (Typ 1, Agens-Actio-Satz) haben insgesamt 38 von 60 Personen (63,34%) wie erwartet eine Antwort mit Agensnennung ausgewählt.

228

8. Für die Staatsanwaltschaft Klagenfurt prüfte Gutachter Josef Schima das „Finanzierungsgeschäft Marolt“, für welches er ein Sachverständigengutachten vom 9. August 2013 erstellte. Daraus ergab sich, dass sich Marolt auf Kosten der Hypo Alpe- Adria sanieren wollte. Im Kern geht es um Kredite von rund sieben Millionen Euro, die die Hypo in den 90er-Jahren an die Hoteliersfamilie vergab, obwohl der Betrieb laut Gutachten „rechnerisch überschuldet“ war und die Bilanzen von 1992 bis 1994 ein „deutlich negatives Eigenkapital“ zeigten.

Die Hypo vergab Kredite an 11 18.33% Marolt.

Ein Sachverständigengutachten 8 13.33% wurde erstellt.

Der Betrieb war rechnerisch 29 48.33% überschuldet.

Die Hypo vergab Kredite von 12 20% sieben Millionen Euro. n = 60 60

Für Satz 8 (Typ 2, Kausalkette) haben insgesamt 37 von 60 Personen (61,66%) wie erwartet eine Antwort ohne Agensnennung ausgewählt.

PERSÖNLICHE ANGABEN 1) Ich bin

weiblich 49 81.67%

männlich 11 18.33% n = 60 60

2) Alter ____

3) Grad des Hochschulabschlusses:

Matura 24 40%

Bachelor 19 31.67%

Magister/Lehramt 7 11.67%

Master 8 13.33%

Doktorat 0 0%

Andere 2 3.33% n = 60 60

229

In einem weiteren Schritt sollen diese aus der Datenbeobachtung gewonnenen Erkenntnisse in einer kurzen und übersichtlichen Tabelle zusammengefasst werden:

Agenserkennung für Gruppe A (abhängige Variable) bei unterschiedlichem Satzmodell (unabhängige Variable) A-A-S KK A-A-S KK A-A-S KK A-A-S KK Satz 1 Satz 2 Satz 3 Satz 4 Satz 5 Satz 6 Satz 7 Satz 8 ja 52 Pers. 28 Pers. 54 47 Pers. 51 28 Pers. 38 Pers. 23 Pers. (86,66%) (46,66%) Pers. (78,33%) Pers. (46,67%) (63,34%) (38,34%) (90%) (85%) nein 8 Pers. 32 Pers. 6 Pers. 13 Pers. 9 Pers. 32 Pers. 22 Pers. 37 Pers. (13,34%) (53,34%) (10%) (21,67%) (15%) (53,33%) (36,66%) (61,66%)

Tabelle 5: Beobachtete Häufigkeitswerte für die abhängige Variable "Agenserkennung" in Gruppe A.

Betrachtet man diese Tabelle, so erhält man bereits einen groben Überblick über die Tendenz, die in der Antwortwahl der TeilnehmerInnen von Gruppe A herrschte. Im Großen und Ganzen entsprechen alle Antworten, außer diejenigen in der Kausalkette von Satz 4 meinen Erwartungen (hier trat wider Erwarten eine klare Agensfokussierung in der Antwortwahl auf).

Nun wollen wir uns auch noch ansehen, ob sich die TeilnehmerInnen in Gruppe B bezüglich ihrer Antwortwahl ähnlich verhalten haben.

8.2.2 Prozentuelle Verteilung der Antwortauswahl für Gruppe B im Überblick 1. Da hat ein Mitarbeiter mit etwas spekuliert, das er nicht verstanden hat und auch sonst niemand in der Bank, was bewirkte, dass die Investmentbanken uns über den Tisch gezogen haben; die Folge davon war ein Minus von rund 330 Millionen Euro, woraufhin die Wirtschaftsprüfer mitdiskutiert haben, um die Verluste in der Bilanz unterzubringen, was wiederum meinen Fehler bewirkte, die Verluste geheim zu halten und sie in den Bilanzen nicht zu berücksichtigen.

Es gab ein Minus von rund 330 41 68.33% Millionen Euro.

Die Verluste sollten in der 5 8.33% Bilanz untergebracht werden.

Ich habe die Verluste geheim 8 13.33% gehalten.

Ich habe die Bilanzen gefälscht. 6 10% 230

n = 60 60

Für Satz 1 (Typ 2, Kausalkette) haben insgesamt 46 von 60 Personen (76,66%) wie erwartet eine Antwort ohne Agensnennung ausgewählt.

2. Kulterer wechselte mit 1. Oktober 2006 an die Spitze des Aufsichtsrats.

Es geschah am 1. Oktober 2006. 15 25%

Kulterer wechselte seine 20 33.33% Position.

Kulterer wechselte in den 21 35% Aufsichtsrat.

Die Spitze des Aufsichtsrats 4 6.67% wurde bestiegen. n = 60 60

Für Satz 2 (Typ 1, Agens-Actio-Satz) haben insgesamt 41 von 60 Personen (68,3%) wie erwartet eine Antwort mit Agensnennung ausgewählt.

3. Die Hypo gründete gemeinsam - dem Vernehmen nach mit der Deutschen Bank (und die wiederum über einen Ableger im US-Steuerparadies Delaware) - die HB International Credit Management in Jersey, welche 400 Mio. Euro in zwei Tochtergesellschaften mit den bezeichnenden Namen Carinthia I und II steckte, wobei diese wiederum in Papiere unterschiedlicher Bonität (also toxische Papiere) investierten, welche von der Deutschen Bank über zwei Sondergesellschaften ausgegeben wurden.

400 Mio. Euro wurden in zwei 27 45% Tochtergesellschaften gesteckt.

Die Hypo betrieb 7 11.67% Wertpapierhandel.

Die Hypo investierte in toxische 23 38.33% Wertpapiere.

Es geschah in Jersey. 3 5% n = 60 60

Für Satz 3 (Typ 2, Kausalkette) haben insgesamt 30 von 60 Personen (50%) wie erwartet eine Antwort ohne Agensnennung ausgewählt.

231

4. Die Hypo hat über bankeigene Konten Millionen von Spam-Aktien gehandelt.

Es geschah über bankeigene 5 8.33% Konten.

Die Hypo hat mit Spam-Aktien 28 46.67% gehandelt.

Millionen von Spam-Aktien 5 8.33% wurden gehandelt.

Die Hypo hat Millionen von 22 36.67% Spam-Aktien gehandelt. n = 60 60

Für Satz 4 (Typ 1, Agens-Actio-Satz) haben insgesamt 50 von 60 Personen (83,34%) wie erwartet eine Antwort mit Agensnennung ausgewählt.

5. Tilo Berlin brauchte Investoren, diese Investoren - das ist das ‚Who is Who‘ der süddeutschen und österreichischen Industriefamilien – wurden dazu gebracht, bei ihm, also in seinen Fond zu investieren, mit welchem er zunächst einmal diese Dinge kaufen konnte, um sie dann hinterher zu verkaufen und einen Gewinn von rund 150 Millionen Euro zu machen.

Es wurde in Berlins Fond 3 5% investiert.

Tilo Berlin hat Gewinn 23 38.33% gemacht.

Investoren wurden dazu gebracht, in seinen Fond zu 30 50% investieren.

Tilo Berlin betrieb 4 6.67% Insidergeschäfte. n = 60 60

Für Satz 5 (Typ 2, Kausalkette) haben insgesamt 33 von 60 Personen (55%) wie erwartet eine Antwort ohne Agensnennung ausgewählt.

6. Die Hypo öffnet den Geldhahn für Parteien.

Die Hypo finanziert Parteien. 23 38.33%

Die Hypo gibt den Parteien 23 38.33% Geld.

Die Parteien werden finanziert. 4 6.67%

232

Der Geldhahn wird geöffnet. 10 16.67% n = 60 60

Für Satz 6 (Typ 1, Agens-Actio-Satz) haben insgesamt 46 von 60 Personen (76,66%) wie erwartet eine Antwort mit Agensnennung ausgewählt.

7. Haider äußerte den Wunsch, der Styrian Airways einen Kredit einzuräumen, woraufhin Kulterer eine öffentliche Garantie dafür verlangte. Haider hatte diese Garantie versprochen und so kam es, dass die Hypo Alpe-Adria zwischen September und Oktober 2005 der Styrian Kreditlinien über insgesamt zwei Millionen Euro eingeräumt hatte - auf Anordnung von Kulterer, der wiederum auf ausdrücklichen Wunsch des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider handelte, der dafür eine öffentliche Garantie in Aussicht stellte, die nur nie kam, weshalb die Bank auf dem Schaden sitzen blieb.

Eine öffentliche Garantie wurde 12 20% für den Kredit verlangt.

Kulterer hat der Styrian einen 9 15% Kredit gewährt.

Eine öffentliche Garantie wurde 17 28.33% in Aussicht gestellt.

Kulterer hat der Styrian einen 22 36.67% unbesicherten Kredit vergeben. n = 60 60

Für Satz 7 (Typ 2, Kausalkette) haben insgesamt 29 von 60 Personen (48,33%) wie erwartet eine Antwort ohne Agensnennung ausgewählt.

8. Die Bank erließ Marolt 2,18 Millionen Euro Schulden.

Schulden wurden erlassen. 7 11.67%

Die Bank erließ 2,18 Millionen 16 26.67% Euro.

Die Bank erließ Marolt 31 51.67% Schulden.

Marolt wurden Schulden 6 10% erlassen. n = 60 60

Für Satz 8 (Typ 1, Agens-Actio-Satz) haben insgesamt 47 von 60 Personen (78,34%) wie erwartet eine Antwort mit Agensnennung ausgewählt. 233

PERSÖNLICHE ANGABEN 1) Ich bin

weiblich 50 83.33%

männlich 10 16.67% n = 60 60

2) Alter ____

3) Grad des Hochschulabschlusses:

Matura 20 33.33%

Bachelor 18 30%

Magister/Lehramt 7 11.67%

Master 5 8.33%

Doktorat 5 8.33%

Andere 5 8.33% n = 60 60

Ich werde die hier erhaltenen Daten ebenso in einer Tabelle zusammenfassen:

Agenserkennung für Gruppe B (abhängige Variable) bei unterschiedlichem Satzmodell (unabhängige Variable) KK A-A-S KK A-A-S KK A-A-S KK A-A-S Satz 1 Satz 2 Satz 3 Satz 4 Satz 5 Satz 6 Satz 7 Satz 8 ja 14 Pers. 41 Pers. 30 50 Pers. 27 46 Pers. 31 Pers. 47 Pers. (23,34%) (68,33%) Pers. (83,34%) Pers. (76,66%) (51,67%) (78,34%) (50%) (45%) nein 46 Pers. 19 Pers. 30 10 Pers. 33 14 Pers. 29 Pers. 13 Pers. (76,66%) (31,67%) Pers. (16,66%) Pers. (23,34%) (48,33%) (21,66%) (50%) (55%)

Tabelle 6: Beobachtete Häufigkeitswerte für die abhängige Variable "Agenserkennung" in Gruppe B.

234

Beobachtet man die in der Tabelle erhaltenen Häufigkeitswerte für die Agenserkennung, so lässt sich auch hier auf den ersten Anblick feststellen, dass die TeilnehmerInnen für den Großteil der Antworten wie erwartet geantwortet hat. Eine Ausnahme hierzu bilden die Kausalketten in den Sätzen 3 und 7, in welcher sich die Antwortwahl zwischen Agensfokussierung und Nichtfokussierung die Waage hält.

8.2.3 Signifikanz der erhaltenen Werte Um die oben erhaltenen Ergebnisse nun besser anhand einer objektiven Entscheidungsregel zu untersuchen, welche auch eine Fehlerwahrscheinlichkeit berücksichtigt, werde ich sie an dieser Stelle mithilfe des bereits in Kapitel 8.1.5 genannten Chi-Quadrat-Tests überprüfen.

8.2.3.1 Signifikanzwerte für Gruppe A: Durchführung des Chi-Quadrat-Tests Aus analysepraktischen Gründen habe ich alle Antworten für Gruppe A für meine Auswertung anhand einer Excel-Tabelle zusammengefasst. Hierbei habe ich, wie bereits in Kapitel 8.1 angemerkt, Punkte für die jeweiligen Antworttypen vergeben. Für alle Antworten, für die die TeilnehmerInnen in Gruppe A eine Antwortmöglichkeit mit Agensfokussierung ausgewählt haben, habe ich 1 Punkt vergeben. Umgekehrt habe ich für die ausgewählten Antworten ohne Agensfokussierung 0 Punkte vergeben. Jede Spalte der Tabelle stand für eine der acht Fragen, also waren es insgesamt 8 Spalten und 60 Zeilen für 60 TeilnehmerInnen. Im Zentrum der Tabelle wurden dann die unterschiedlichen Zahlenwerte eingegeben.92 Somit erhielt ich für jede der 8 Spalten eine Endsumme, worauf ich dann all diese Endsummen sowohl für die Agens-Actio-Sätze als auch für die Kausalketten zusammenzählen konnte, um herauszufinden, wie oft das Agens in den jeweiligen Satztypen erkannt wurde oder nicht. Ich werde diesen Gedanken an der folgenden Tabelle besser veranschaulichen:

92 Um eine noch bessere Einsicht in die exakte Antwortauswahl jeder Testperson zu erhalten, werde ich auch die durch meine Statisktiksoftware präsentierte Excel-Tabelle mit der Auflistung aller 120 TeilnehmerInnen, ihrer persönlichen Angaben (Alter, Bildungsstand, Geschlecht) und jeder einzelnen Antwortauswahl für jede der 8 Fragen im Anhang anfügen.

235

Abbildung 17: Excel Tabelle mit Punktevergaben für Gruppe A.

Abbildung 18: Excel-Tabelle mit Punktevergaben und Gesamtsummen für Gruppe A.

Die in Farbe markierten Spaltensummen der obigen Tabelle stehen für die Werte der Agenserkennung in Agens-Actio-Sätzen (Fragen 1, 3, 5 und 7). Umgekehrt stehen die unmarkierten Spaltensummen für die Häufigkeit der Agenserkennung in Kausalketten (Fragen 2, 4, 6 und 8). Zählt man diese Summenwerte zusammen, so erhält man die folgenden Ergebnisse: Insgesamt wurde das Agens in Agens-Actio Sätzen 195 mal (52+54+51+38) von den insgesamt 240 maximalen Möglichkeiten in den 4 vorhandenen Agens-Actio-Sätzen (4 Sätze 236

x 60 TN) erkannt. Demnach bedeutet dies, dass es in 45 Antworten nicht erkannt wurde, trotz Vorhandenseins des Satzmodells „Agens-Actio-Schema“. Auf der anderen Seite wurde das Agens bei Kausalketten im Vergleich dazu nur 126 mal (von insgesamt 240 mal) erkannt und dagegen 114 mal von insgesamt 240 mal nicht erkannt. An dieser Stelle konnte nun der Chi-Quadrat-Test durchgeführt werden, indem obige beobachtete Gesamtsummen in die 4-Feld-Tafel eingetragen wurden, woraus Excel dann automatisch durch Verwendung der Chi-Quadrat-Formel die rechnerischen Werte ausrechnete. Dies sah folgendermaßen aus:

Abbildung 19: Durchführung des Chi-Quadrat-Tests für Gruppe A in Excel.

Der Signifikanzwert, den Excel uns für diese Daten errechnet ist 2,21007E-11. Mit einfachen Worten ausgedrückt bedeutet dies, dass p auf jeden Fall < 0,01 ist und somit weit unter dem Standardwert von 0,05 liegt. Die Ergebnisse sind in diesem Fall eindeutig: Es gibt einen hoch signifikanten Unterschied zwischen den beiden getesteten Datenmengen (Agens-Actio-Sätze versus Kausalketten). Meine Hypothese (H1) ist für Gruppe A bestätigt.

Wäre der Wert größer als 0,05 gewesen, wäre die Nullhypothese (H0: „Es gibt keinen Unterschied in der Agensfokussierung zwischen Agens-Actio-Sätzen und Kausalketten) bestätigt gewesen. Es gilt an dieser Stelle noch zu untersuchen, wie sich die 60 TeilnehmerInnen von Gruppe B verhalten haben. Falls sie sich ähnlich wie die Testpersonen von Gruppe A verhalten haben, würde das für die in dieser Arbeit formulierte Hypothese sprechen und diese somit bestätigen.

237

8.2.3.2 Signifikanzwerte für Gruppe B: Durchführung des Chi-Quadrat-Tests Auch für Gruppe B wurden die Antworttypen in einer Excel-Tabelle zusammengefasst und je nach Agensfokussierung entweder 0 oder 1 Punkte vergeben. Die Tabelle für Gruppe B sah folgendermaßen aus:

Abbildung 20: Excel-Tabelle mit Punktevergaben für Gruppe B.

Abbildung 21: Excel-Tabelle mit Punktevergaben und Gesamtsummen für Gruppe B.

Die in Farbe markierten Spaltensummen der obigen Tabelle standen hierbei wiederum für die Werte der Agenserkennung in Agens-Actio-Sätzen (Fragen 2, 4, 6 und 8). 238

Umgekehrt standen die unmarkierten Spaltensummen für die Häufigkeit der Agenserkennung in Kausalketten (Fragen 1, 3, 5 und 7). Durch Zusammenzählen dieser Summenwerte erhielt ich die folgenden Ergebnisse: Insgesamt wurde das Agens in Agens-Actio Sätzen 183 mal (41+50+45+47) von den insgesamt 240 maximalen Möglichkeiten in den 4 vorhandenen Agens-Actio-Sätzen (4 Sätze x 60 TN) erkannt. Demnach bedeutet dies, dass es in 57 Antworten nicht erkannt wurde, trotz Vorhandenseins des Satzmodells „Agens-Actio-Schema“. Auf der anderen Seite wurde das Agens bei Kausalketten im Vergleich dazu nur 103 mal (von insgesamt 240 mal) erkannt und dagegen 137 mal von insgesamt 240 mal nicht erkannt.

An dieser Stelle konnte wiederum der Chi-Quadrat-Test durchgeführt werden, indem obige beobachtete Gesamtsummen in die 4-Feld-Tafel eingetragen wurden, woraus Excel dann automatisch durch Verwendung der Chi-Quadrat-Formel die rechnerischen Werte ausrechnete. Dies sah folgendermaßen aus:

Abbildung 22: Durchführung des Chi-Quadrat-Tests für Gruppe B in Excel.

Der Signifikanzwert, den Excel uns für diese Daten errechnet ist 9,99853E-14. Auch in diesem Fall bedeutet dies, dass p auf jeden Fall < 0,01 ist und somit weit unter dem Standardwert von 0,05 liegt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Es gibt auch in Gruppe B einen hoch signifikanten Unterschied zwischen den beiden getesteten Datenmengen (Agens-Actio-Sätze versus

Kausalketten). Meine Hypothese (H1) ist auch für Gruppe B bestätigt.

Beide Gruppen haben sich also wie erwartet in ihrer Konfrontation mit Kausalketten ähnlich verhalten. Beide tendierten dazu, in Agens-Actio-Sätzen eine Antwort mit Agensnennung auszuwählen und schienen hingegen in Kausalketten klar zu zeigen, eine Antwort ohne explizite Agensnennung zu bevorzugen.

239

8.3 Diskussion

Ähnlich wie es Boroditsky, Fausey et al. (2010d:7f.) in ihrer Studie ( Kap. 4.2.2) angestrebt haben, habe auch ich es mir zur Aufgabe gemacht, die Rolle einer „temporären Manipulation“ des sprachlichen Umfelds zu untersuchen. Eine solche „Manipulation“ (in diesem Fall die bewusste Alternation von Satzmodellen) hat hierbei gezeigt, dass damit unterschiedliche Verhaltensweisen in Bezug auf die Agensfokussierung mit einhergingen. Insgesamt haben 120 Personen an der Studie teilgenommen. Die unter Kapitel 8.2.1 aufgelisteten Prozentsätze deuten bereits auf die klare Tendenz hin, nach dem Lesen von unterschiedlichen Satzmodellen (Agens-Actio Sätze versus Kausalketten) unterschiedliche Antworttypen auszuwählen (entweder mit oder ohne Agensnennung). Die Prozentzahlen, welche in den Tabellen 4 und 5 ( Kap. 8.2.1) angeführt worden sind, weisen darauf hin, dass jedenfalls immer eine klare Mehrheit der TeilnehmerInnen genau die von mir hypostasierte Reaktion zeigte: Das Lesen von Agens-Actio-Sätzen führte bei einem Großteil der TeilnehmerInnen zu einer Fokussierung der im jeweiligen Satz genannten handelnden Person, wohingegen sich bei Kausalketten eine klare Mehrheit der Testpersonen dazu entschloss, eine Antwort ohne explizite Agensnennung auszuwählen. Umgekehrt kam es beim Lesen von Agens-Actio- Sätzen selten vor, dass die TeilnehmerInnen eine Antwort ohne Agensfokussierung auswählten, bzw. war es auch kaum der Fall, dass die Testpersonen in Kausalketten eine Antwort auswählten, in welcher eine handelnde Person genannt wurde (siehe Tab. 4 und 5). Die in Kapitel 8.2.3 präsentierten Signifikanzwerte für die oben genannten Ergebnisse bestätigten noch zusätzlich anhand der objektiven Entscheidungsregel der Chi-Quadrat- Statistik, dass die erhaltenen Beobachtungswerte auf die klare Tendenz verwiesen, bei unterschiedlichen Satzmodellen auch unterschiedliche Antworttypen (mit oder ohne Agensnennung) auszuwählen. Die erhaltenen Werte für p lagen hierbei für beide Gruppen weit unter 0,01, was letztendlich bestätigte, dass zwischen Agens-Actio-Sätzen und Kausalketten in der Art der Antwortauswahl eindeutig ein hoch signifikanter Unterschied hinsichtlich der abhängigen Variable „Agenserkennung“ vorlag. Der hier von mir präsentierte Ansatz zur Untersuchung der Sapir-Whorf-Hypothese war in diesem Fall verhaltensorientiert (siehe „behaviour-centered approach“ nach Lucy, 1997:302;  Kap. 4.2.1). Die in dieser Studie erhaltenen Ergebnisse ermöglichen es jedenfalls, die klare

240

Tendenz zu betonen, dass die Konfrontation mit unterschiedlichen Satzmodellen tatsächlich auch eine unterschiedliche Art und Weise der Informationsfilterung zur Folge haben kann. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass einerseits die Fokussierung auf Agentivität in der Medienberichterstattung ein unerlässlicher Schritt zu sein scheint, um von einem Großteil der NutzerInnen überhaupt wahrgenommen zu werden und um ihre Aufmerksamkeit, welche ein wertvolles Gut ist, beispielsweise auf die eine Handlung ausführende Person zu lenken. Weiters ließ sich aber auch klar erkennen, dass auch der Faktor Kausalität in der Berichterstattung von zentraler Bedeutung zu sein scheint, um die Aufmerksamkeit der MediennutzerInnen bewusst oder unbewusst auf bestimmte Handlungsaspekte zu lenken. Dadurch lässt sich in einem weiteren Sinne auch der Schluss formulieren, dass unsere Sprache, genauer gesagt der gezielte Einsatz von bestimmten Satzmodellen auch Einfluss darauf nehmen kann, wie wir Ereignisse beschreiben und wie gut wir uns daran erinnern, wer was getan hat. Zusammenfassend kann also Folgendes gesagt werden: - Die von mir in dieser Arbeit zu Beginn formulierte Ausgangshypothese lässt sich in Anbetracht der obigen Ergebnisse bestätigen. - Es scheint demnach wirklich eine große Tendenz zu bestehen, dass die Aufmerksamkeit der LeserInnen beim Lesen von Kausalketten (TYP 2) oftmals von der handelnden Person weg hin zu anderen Ereignisumständen gelegt wird. - Besonders gut lässt sich das durch den Vergleich mit den analogen Pendants aus TYP 1 beobachten, in welchem lediglich die handelnde Person, das Verb und eines oder einige mehrere betroffene Größen in der Form eines Satzes nach dem Agens-Actio-Modell vorkommen: Daraus lässt sich gut erkennen, auf welche Art und Weise sich unterschiedliche Satzkonstruktionen in der Medienberichterstattung auf die Wahrnehmung von Ereignissen und vor allem auf die Wahrnehmung und Fokussierung von handelnden Personen sowie auf die Zuweisung von Verantwortlichkeit auswirken. - Vor allem scheinen wir solche Kausalketten in der Medienberichterstattung dort vorzufinden, wo eine für ein Ereignis verantwortliche Person ihre Position zu verteidigen, bzw. ihre Handlung zu rechtfertigen versucht oder wo von Seiten der JournalistInnen mit einem höheren Maß an Vorsicht in der Formulierung gearbeitet wird (beispielsweise aufgrund der fehlenden Gewissheit über den/die für einen Schadensfall Verantwortliche/n)

241

- Der Einsatz von Kausalkonstruktionen und Kausalketten könnte demnach in der Medienberichterstattung ein passendes Mittel sein, um von der für ein bestimmtes Ereignis verantwortlichen Person abzulenken oder zumindest den Grad der Absichtlichkeit ihrer durchgeführten Handlung zu verringern.

Es soll letztlich auch klar sein, dass die Annahme, unterschiedliche Satzmodelle (Agens- Actio-Sätze versus Kausalketten) führten zu den oben genannten Unterschieden im Verhalten (Agensfokussierung versus Agenstilgung), nicht als „absolut“ und isoliert verstanden werden sollte: Mit einfachen Worten ausgedrückt bedeutet dies, dass am Rande sicherlich auch mit weiteren Beeinflussungsfaktoren auf die Art und Weise der Antwortwahl gerechnet werden muss. Die Formulierung der für diese gesamte linguistische Arbeit geltenden Hypothese sollte aber auf eine Art und Weise erfolgen, nach welcher zumindest die sprachlichen und kognitiven Teilbereiche, von denen angenommen wurde, dass sie in einem Beeinflussungsverhältnis zueinander standen, möglichst klar und präzise abgegrenzt und definiert wurden. Nur durch eine solch starke Eingrenzung auf sprachliche und kognitive Teilbereiche war es möglich, diese Untersuchung als wertvollen Beitrag zur neuesten Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese zu gestalten.

9 Schlussüberlegungen

Das zentrale Thema dieser auf die neuere Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese aufbauenden Arbeit war die Untersuchung des Einflusses von Kausalketten auf die Vorstellung von handelnden Personen. Dafür wurden in Kapitel 2 zunächst einige zentrale Begriffe wie Agens, Agens-Actio-Schema und Kausalketten definiert, um sodann zur Formulierung einer Ausgangshypothese nach dem logisch gültigen Schlussmuster des Modus Ponens zu gelangen. In Kapitel 3 wurden einige der wichtigsten Begriffseingrenzungen für die Sprache-Denken- Debatte vorgenommen. Dadurch sollte aufgezeigt werden, dass Begriffe wie Sprache, Denken, Wirklichkeit und Weltbild ein sehr breites Bedeutungsspektrum besitzen und dass die Verwendung solcher Termini für Untersuchungen, in denen es um die Überprüfung möglicher Abhängigkeitsverhältnisse zwischen ihnen geht, nur insofern sinnvoll ist, als diese Begriffe vorab zumindest großteils in all ihren Bedeutungsschichten charakterisiert und in der Folge klar und präzise auf einen bewusst ausgewählten Bedeutungsaspekt hin abgezielt werden. Die

242

erhaltenen Ergebnisse sollten dadurch zwar einen geringeren Sensationscharakter als die kühnen Thesen Whorfs aufweisen, jedoch gleichzeitig auch standhafter gegen eventuelle Kritik sein. Des Weiteren wurden in diesem Kapitel einige der wichtigsten theoretischen Ansätze zur Sapir-Whorf-Hypothese präsentiert und demnach wichtige Namen wie Wilhelm von Humboldt, Ludwig Wittgenstein, Franz Boas, Edward Sapir und Benjamin Lee Whorf, welche hinsichtlich der ganzen Sprache-Denken-Debatte nicht unerwähnt bleiben dürfen, angeführt. Um dieser Arbeit einen noch adäquateren theoretischen Rahmen zu verleihen, wurden in Kapitel 4 die zentralsten Charakteristika der neueren Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese präsentiert. Darin sind vor allem die Ziele und Methoden der jüngeren Forschung in den Vordergrund gestellt worden, wobei festzustellen war, dass sich die neuere Forschung vor allem durch eine explizitere Versuchsanordnung sowie durch eine größere Einschränkung auf einzelne sprachliche Teilbereiche auszeichnet. Dies bringt in wissenschaftstheoretischer Hinsicht diverse Vorteile mit sich: Die Analysen können durch die genauere Fokussierung auf bestimmte Teilbereiche mit einer größeren Präzision durchgeführt werden und dementsprechend bringen die erzielten Ergebnisse von solchen Untersuchungen eine viel größere Exaktheit mit sich. Die Kriterien der intersubjektiven Überprüfbarkeit und der Wiederholbarkeit, welche wohl die zentralsten wissenschaftstheoretischen Anforderungen an moderne wissenschaftliche Theorien darstellen, können durch eine solche Forschung erfüllt werden. Als Vorbild für das in dieser Arbeit durchgeführte Experiment dienten mir die Versuche der berühmten US-amerikanischen Forscherin Lera Boroditsky. Vor allem wurde das Beispiel ihrer Analyse zur unterschiedlichen Darstellung eines im Jahre 2006 in den US- amerikanischen Medien berichteten Jagdunfalls, in welchem der Rechtsanwalt Harry Whittington vom damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney unabsichtlich mit einer Schrotflinte angeschossen wurde, von mir als Grundlage für die hier durchgeführten Analysen verwendet. Ziel dieser Arbeit war es, in aktuellen Medienberichten Beispiele für Kausalketten zu finden, um daraufhin in einem Experiment zu überprüfen, ob solche Satzmodelle wirklich unsere Vorstellung von Agentivität, von handelnden Personen und von Verantwortlichkeit beeinflussen können.

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Dafür mussten zunächst noch in Kapitel 5 einige wichtige Hintergrundinformationen aus dem Bereich der Medienwissenschaft erfolgen. Das Thema der Realitätsdarstellung durch die Medien ist in der Kommunikationswissenschaft schon seit Jahrzehnten ein wichtiger Forschungsgegenstand: Dass die Medien die Realität nicht spiegelbildlich abbilden, ist ein weitgehend unstrittiges Faktum. Die Frage nach den Wirkungsmechanismen auf die RezipientInnen wurde in den letzten Jahrzehnten aber immer wieder aus unterschiedlichsten Gesichtspunkten beleuchtet. Simple Rezeptionsmodelle wurden im Laufe der Jahre durch vielschichtigere und komplexere Wirkungsmodelle ersetzt, welche unterschiedliche Aspekte der Informationsaufnahme seitens der NutzerInnen berücksichtigten und somit weitaus realitätsnähere Modelle der Beziehung zwischen MedienproduzentInnen und MedienrezipientInnen schufen. Um die zentrale Rolle des Menschen im Spannungsfeld zwischen Medienproduktion und Medienrezeption noch genauer beleuchten zu können, erfolgte ein weiterer Beitrag zu den diversen kognitiven Mechanismen bei der Aufnahme von Informationen. Es wurde hierbei versucht, gehaltvolle Aussagen bezüglich der menschlichen Kognition und der emotionalen sowie reflexiven Eigenschaften des Menschen zu präsentieren, um die menschliche Informationsverarbeitung als aktiven Prozess darzustellen, in welchem die Umgebungsinformationen im Lichte der Anforderungen, Bedürfnisse und Ziele des Individuums bewertet und adaptiert werden. Die Überleitung zum Konzept der Kausalität erfolgte in Kapitel 6. Wir haben gesehen, dass der Begriff der Kausalität für die Auseinandersetzung mit Medien deshalb wichtig ist, weil er in sehr allgemeiner Weise die innere Kohärenz beschreibt, die RezipientInnen von Medienprodukten erwarten: Erfolgreiche Medienprodukte präsentieren nicht wahllos Veränderungen oder Stimulusabfolgen, sondern Reihungen von Handlungen und Geschehnissen, die in relativ strenger Weise ursächlich aufeinander zurückzuführen sind. Das Prinzip der Kausalität im Sinne einer Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, bzw. zwischen Aktion und Reaktion ist Untersuchungsgegenstand zahlreicher Forschungsfelder geworden. In dieser Arbeit sollte zunächst versucht werden, einige grundlegende Definitionen von Kausalität zu liefern, um sodann auf traditionelle Kausalkonzepte einzugehen und das Phänomen schließlich auch aus einem linguistischen Gesichtspunkt erschöpfend darzustellen. Hierbei wurde insbesondere versucht, Kriterien und zentrale Charakteristika für das Vorhandensein von Kausalität aufzustellen und einige der präsentierten Vorschläge auch

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untereinander zu vergleichen: Hierbei wurden etwa die Kriterien des Argumentationstheoretikers Jan Schellens (1985) als Basis verwendet und in der Folge mit weiteren Ansätzen verglichen. Des Weiteren sollte auch ein Fokus auf den linguistischen Aspekt von Kausalität gelegt werden: Hierzu habe ich einige der wichtigsten syntaktischen Ausdrucksmöglichkeiten für Kausalität angeführt, welche etwa den Einsatz von Konjunktionen, Proadverbien oder Adpositionen beinhalten. Nicht zuletzt wurde auch auf semantische Ausdrucksmöglichkeiten für Kausalität verwiesen und darin etwa die thematischen Rollen „Agens“, bzw. „Ursache“ noch genauer vertieft. Außerdem wurde in diesem Kapitel nochmals gesondert auf die zentralsten Charkteristika von Kausalketten eingegangen und dabei auch auf das Alltagsverständnis von Kausalität verwiesen, laut welchem sich Kausalität oft als nicht-transitiv beschreiben lässt. Gerade dieses Faktum war ein wichtiger Erklärungsansatz für die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Nichtfokussierung des Agens und dem Lesen von Kausalketten. Wie im Falle einer nicht- transitiven Relation, könnte das eine Kausalkette auslösende handelnde Subjekt nämlich als „zu weit entfernt“ vom Ergebnis der Handlung identifiziert werden und somit als nicht oder nur teilweise verantwortlich für das Endereignis wahrgenommen werden. Eng damit verbunden ist auch der Handlungsbegriff, auf welchen in der Folge noch eingegangen wurde. Fragen wie „Wann ist eine Handlung als absichtlich oder als unabsichtlich zu bezeichnen und welche Umstände und Faktoren müssen vorhanden sein, damit einer Person für eine bestimmte Handlung mehr oder weniger Verantwortlichkeit zugeschrieben wird?“, waren nur einige der in diesem Kapitel zur Kausalität diskutierten Fragestellungen. Als Zwischenfazit ließ sich die Feststellung treffen, dass es trotz der relativ klaren Inhaltsrelation der Kausalität doch stark divergierende Auffassungen zu geben scheint, was alles als Handlung gelten kann. Vor allem sind an dieser Stelle die Interpretabilität menschlicher Handlungen und ihre zugrundeliegenden Intentionen zu nennen, welche viel Platz für unterschiedliche Auffassungen des Handlungsbegriffes schaffen, welcher in vielen Fällen mit dem Begriff der „Absichtlichkeit“ in Verbindung gesetzt wird. In Kapitel 7, welches den empirischen Teil eröffnen sollte, diente das Schlüsselereignis Hypo Alpe Adria als Grundlage für die Korpussammlung von authentischen Beispielsätzen für Kausalketten. Insgesamt wurden hierbei acht Themen zu acht Skandalen, welche in den vergangenen elf Jahren mit der Hypo Alpe Adria in Verbindung gebracht wurden, angeführt

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und dabei immer kurz versucht, zu Beginn einige ganz zentrale Hintergrunddaten zum jeweiligen Vorfall zu liefern, um daraufhin jeweils einige authentische Beispielsätze als Grundlage für die empirische Analyse zu präsentieren. Aus strategischen Gründen wurden die von mir gefundenen Sätze in 2 Typen eingeteilt: Typ 1 stand für einfache Agens-Actio-Sätze, die aus einem handelnden Subjekt im Nominativ, einem finiten Verb und einem oder mehreren Objekten bestanden. Typ 2 hingegen stand für komplexere und längere Sätze, welche aus längeren Kausalketten bestanden. Zu ein-und demselben Vorfall wurden demnach immer mehrere Beispielsätze pro Satztyp (Typ 1 und Typ 2) angeführt, um sie in der Folge genauer zu analysieren. Insbesondere habe ich die Sätze des Typs 2, welche ja die eigentliche Grundlage meiner Untersuchung darstellen sollten, genau analysiert und versucht, diese in ihre Einzelbestandteile zu zergliedern, um aufzuzeigen, in welcher Hinsicht in den jeweiligen Sätzen dadurch vom Agens abgelenkt werden könnte. Dazu habe ich ein vorher festgelegtes Analyseschema präsentiert, welches ich auf konstante Weise für die Analyse aller von mir gefundenen Kausalketten angewendet habe. Die acht von mir als Analysebeispiele verwendeten Skandale wurden hierbei aus den Online- Versionen vorwiegend österreichischer und deutscher Printmedien entnommen. Insgesamt waren es 19 Online-Medien. In Kapitel 8 habe ich zur Erstellung des Fragebogens die acht Themen als Grundlage verwendet und bewusst pro Thema jeweils einen geeigneten Satz des Typs 1 und einen Satz des Typs 2 in den Fragebogen eingefügt. Für einen besseren Vergleich habe ich zwei verschiedene Fragebögen erstellt und diese demnach in Gruppe A und in Gruppe B eingeteilt. Gruppe A, bestehend aus 60 Personen, erhielt vier kurze Sätze nach Typ 1 und vier lange Sätze nach Typ 2 und Gruppe B ebenso, wobei sich die kurzen Sätze von Gruppe A jeweils mit den langen Sätzen von Gruppe B hinsichtlich des behandelten Themas decken sollten. Beispielsweise begann Fragebogen A in Satz 1 mit einem Satz nach Typ 1 (Agens-Actio- Satz) und thematisierte den Skandal der Bilanzfälschung von 2006. Satz 1 in Fragebogen B thematisierte ebenso die Bilanzfälschung durch Wolfgang Kulterer von 2006, jedoch nach dem Muster eines Satzes nach Bildungstyp 2 (Kausalketten). In beiden Fragebögen wurde abwechselnd so fortgefahren, wobei am Ende jede Gruppe vier kurze Sätze nach Typ 1 und vier lange Sätze nach Typ 2 zu denselben Themen erhielt. Somit konnte ich bei der Analyse besser vergleichen, wie stark der Einfluss des Satzmodells „Kausalkette“ wirklich auf die Vorstellung von Agentivität ist.

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Die Teilnehmenden wurden in dem Fragebogen von mir darum gebeten, die acht Sätze aufmerksam durchzulesen und sich dann auf ihr Gedächtnis zu verlassen, sobald sie eine der von mir vorgeschlagenen Antwortmöglichkeiten ankreuzten. In den Antworten waren jeweils zwei Typen mit einer expliziten Nennung des Agens, sowie zwei Typen mit einer Fokussierung auf andere im Satz genannte Umstände oder Objekte vorhanden, sodass wirklich alle TeilnehmerInnen in jedem Satz, unabhängig von seinem Bildungstyp (Typ 1 oder Typ 2) dieselben Möglichkeiten hatten, in ihrer Antwort sowohl auf das Agens einer Handlung zu verweisen als auch auf einen anderen im Satz genannten Handlungsumstand. Insgesamt haben 120 Personen einen Fragebogen erhalten. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass eine bedeutende Mehrheit stark dazu neigt, bei Kausalketten die eine Handlung ausführende Person zu vergessen, bzw. sie in den Hintergrund zu stellen. Dagegen zeigten die kurzen Sätze von Typ 1 eine deutliche Fokussierung auf die eine Handlung ausführende Person, was nicht zuletzt durch die erhaltenen Signifikanzwerte aus der Chi-Quadrat-Statistik bestätigt wurde. Die von mir in dieser Arbeit zu Beginn formulierte Ausgangshypothese ließ sich also in Anbetracht der obigen Ergebnisse bestätigen: Es scheint beim Lesen solcher Kausalketten wirklich die Tendenz vorzuherrschen, die Aufmerksamkeit von der handelnden Person weg hin zu anderen bedingenden Ereignissen zu lenken. Anhand dieser Untersuchung sollte ferner auch gezeigt werden, dass die Medien unser Bild der Wahrnehmung der Wirklichkeit und der in dieser Wirklichkeit handelnden AkteurInnen tagtäglich bewusst und unbewusst prägen und verändern.

Diese nach der neueren Forschung zur Sapir-Whorf-Hypothese ausgerichtete Arbeit sollte schließlich dem Zweck dienen, einen anregenden Beitrag zu diesem aus sprachwissenschaftlicher Hinsicht so faszinierenden Forschungsgebiet zu erbringen, für welches uns Whorf und Sapir den Weg geebnet haben.

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Anhang

Abbildung 23: Excel-Tabelle mit Antworten der TeilnehmerInnen 1-30 aus Gruppe A.

Abbildung 24: Excel-Tabelle mit Antworten der TeilnehmerInnen 31-60 aus Gruppe A.

264

Abbildung 25: Excel-Tabelle mit Antworten der TeilnehmerInnen 1-30 aus Gruppe B.

Abbildung 26: Excel-Tabelle mit Antworten der TeilnehmerInnen 31-60 aus Gruppe B.

265

Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister- /Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

Datum Unterschrift