Baumgarten und die Ajatollahs

ISSN 2199-3572 Nr. 10 (26) Oktober 2016/ Elul 5776 – Tishrei 5777 RU NDSCHA U 3,70 € JÜDISCHEUnabhängige Monatszeitung · H erausgegeben von dr. r. Korenzecher „Hate Speech“ gegen „Wir schaffen das!“ Jamim Noraim – Schimon Peres auf israelisch die hohen Feiertage des Jahres Wo bleiben Maas, Kahane, Die neue Rede von Rosch HaSchana und Schwesig und Co.? Benjamin Netanjahu die Feiertage vor der UNO des Monats Tischrej seite 18 seite 10-12 seite 39 KOLUMNE DES HERAUSGEBERS DR. R. KORENZECHER Tränen in den Augen – Wut im Bauch Liebe Leserinnen und liebe Leser, sein, dass es nur mir entgangen ist – aber in diesem Jahr ging mit dem Erscheinen der ich habe von Sigmar Gabriel noch nie ein neuen Ausgabe unserer JÜDISCHEN RUND- Klagelied über den Terror gegen Juden ge- SCHAU der Monat Elul und damit das alte hört. jüdische Jahr 5776 zu Ende. Nach Sonnen- „Er war ein Gewissen der Menschheit.“ untergang des 2. Oktober 2016 begann am GEORGES GOBET, AFP – ließ Manuel Valls, der Premierminister 1. Tag des Monats Tischrei das neue jüdische Frankreichs verlauten. Wie sich sein Ge- Jahr 5777. wissen anfühlt bleibt allerdings sein Ge- Allen jahrtausendealten Anfeindungen heimnis in Anbetracht der Tatsache, dass und Vernichtungsversuchen durch seine al- Jahr für Jahr immer mehr Juden Frank- ten und neuen Feinde zum Trotz folgen auch reich den Rücken kehren und Alija ma- in diesem Jahr Millionen Juden in und chen, da sie ihres Lebens nicht mehr sicher in der ganzen Welt dem ewigen Brauch am sind und der französische Staat so gut wie Rosch-Haschanah-Fest, das in der Thora auch nichts gegen die wachsende, antisemiti- Jom Terua (Tag des Schofarblasens) genannt sche Gewalt unternimmt. wird, wie seit jeher den vertrauten Klang des „Die Welt hat einen großen Staatsmann, Widderhorns Schofar zu hören und für ihre Israel einen seiner Gründungsväter und Lieben und für sich ein glückliches, friedvol- Deutschland einen hochgeschätzten les und ein gesundes, kurzum ein süßes neu- Freund und Partner verloren.“ – bedauer- es Jahr zu erbitten. te Frank-Walter Steinmeier, dessen größte Die Redaktion und ich schließen uns aus Sorge noch vor wenigen Wochen 1.000 ganzem Herzen für unsere Leser und für uns neue Wohnungen in Ost-Jerusalem und alle diesen Wünschen an. Das Neujahrsfest Umgebung galt, statt demT error gegen Rosch Haschanah und die folgenden Tage bis Israel – den die deutsche Regierung durch Jom Kippur stellen für das gesamte jüdische großzügige Hilfsgelder an die „Palästinen- Volk neben der Hoffnung auf das Neue auch sische Autonomiebehörde“ mitfinanziert, eine Zeit der Rechenschaft und der Besin- die daraus den Hinterbliebenen von Ter- nung über das Bisherige, über das Versäumte roristen Rente zahlt. Um nur ein Beispiel und über das Erreichte dar. zu nennen. Auch wir, das Team der JÜDISCHEN RUND- „Ein Licht ist ausgegangen, aber die SCHAU, möchten den Jahresumbruch dazu Hoffnung, die er uns gegeben hat, wird für nutzen, uns rückblickend bei Ihnen, all unse- immer brennen...... Keiner hat über die ren Lesern und Freunden, auf das Herzlichste Jahre hinweg mehr dafür getan als Schi- für Ihre Treue und für Ihren mutmachenden mon Peres, die Allianz zwischen unseren Zuspruch, die Sie uns seit unserem ersten Er- beiden Ländern aufzubauen – eine unzer- scheinen vor über zwei Jahren bewiesen ha- Von Attila Teri ihn gar nicht existieren. Das werden wohl brechliche Allianz, die heute enger und ben, zu bedanken. nicht mal seine größten Widersacher in stärker ist, als sie jemals war“, sagte US- Vor allem Ihnen ist zu danken, dass un- Zugegeben, ich war schon immer nah am Frage stellen. Alles was er tat, sollte dem Präsident Barack Obama, der durch seine sere Leserzahl und unser Wirkungskreis in Wasser gebaut. So ist es kein Wunder, dass Überleben des jüdischen Volkes dienen. gesamte Amtszeit kaum eine Gelegenheit dieser Zeit stetig gewachsen sind. Unseren mich meine Gefühle übermannt haben, Wie immer, wenn es darum geht, ei- ausgelassen hat gegen die israelische Re- aufrichtigen Dank dafür möchten wir daher während der Beerdigung von Schimon nen toten (!) Juden zu betrauern, über- gierung verbal zu schießen. verknüpfen mit der Hoffnung, dass Sie uns Peres, der ich leider nur am Fernsehen aus schwemmte ein Meer von Beileidsbe- „Präsident Schimon Peres hat nie die auch im neuen Jahr 5777 und in der Zukunft der Ferne beiwohnen durfte.S till und leise kundungen und Huldigungen die Welt, Hoffnung auf den Frieden aufgegeben begleiten und uns mit Ihren Anregungen kullerten die Tränen über mein Gesicht. seitdem der letzte Gründervater Israels und nie aufgehört dafür zu arbeiten, und Ihrer aktiven Mitwirkung auch künftig Sie waren weit mehr als nur ein Zeichen seine Augen für immer schloss. Bei seiner diese Hoffnung zurR ealität zu machen. wie bisher die Kraft geben, die wir für unsere des Abschieds von einem geliebten Men- Beisetzung, an der fast alle von der west- ... Wir können sein Andenken nur mit Arbeit brauchen. schen, der zu meiner Familie gehörte, lichen Hemisphäre teilnahmen, die Rang einem täglichen Einsatz für die Versöh- Gleichzeitig möchten wir auch für dieses obwohl ich ihm persönlich nie begegnen und Namen haben, ging es mit der Lob- nung ehren, indem wir seine Vision für Jahr das Versprechen abgeben, weiterhin mit durfte. Er begleitete mein ganzes Leben, hudelei weiter. Staats-, Regierungschefs eine Zweistaatenlösung erhalten und Schaffensfreude, Enthusiasmus und großem wie ein Vater, mit dem man alles teilt. und wichtige Persönlichkeiten saßen mit voranbringen.“ – erklärte die EU-Au- Engagement für Sie, für unsere Zeitung und Freude, Hoffnung,G lück, zugleich auch bedröppelten Gesichtern in der ersten ßenbeauftragte Federica Mogherini.D ie für die jüdische Sache tätig zu bleiben und Trauer, Verzweiflung undA ngst. Dabei Reihe und hielten gefühlvolle Reden. An frühere Genossin der kommunistischen unsere Anstrengung gerade angesichts der habe ich nie in Israel gelebt und bin an sich sich wunderbare Gesten der Anteilnahme. Jugendorganisation Italiens gehörte in zunehmenden Feindseligkeit, der sich die Ju- „nur“ ein säkularer, ungarischer Jude, der Dennoch ertappte ich mich dabei, dass ne- jungen Jahren zu den Verehrern Jassir den in Israel und in vielen Teilen der übrigen in Budapest aufwuchs und seit 38 Jahren ben meiner Trauer, tief in meinem Bauch Arafats. Ich brauche nicht viel Fantasie Welt ausgesetzt sehen, in unserem gemein- in München, der ehemaligen „Hauptstadt langsam die Wut aufstieg, je länger die mir auszumalen, was sie mit „Voranbrin- samen Sinne noch zu verstärken. Seite 2  der Bewegung“ seinen Lebensmittelpunkt Zeremonie dauerte. Und das hatte einen gen“ tatsächlich meinen könnte: eine Österreich 3,70 €; Italien 3,70 €; Schweiz 4,60 CHF; hat. Doch mein Herz schlug schon immer guten Grund. Zweistaatenlösung, koste sie, was sie Luxemburg 3,80 €; Belgien 3,90 €; Niederlande im selben Takt mit Israel und ich fühlte „Ein unabhängiger Geist, eine Orientie- wolle und sei es am Ende die Vernich- 4,50 €; Slowakei 4,50 €; Slowenien 35 KN mich seit meiner Kindheit als Teil des jü- rung in unserer wechselvollen Geschichte, tung des einen, nämlich des jüdischen dischen Volkes. eine feste Größe in den Ambivalenzen von Staates. Es ist natürlich purer Zufall, Der Heimat dieses seltsamen und eigen- Politik, ein Richtungsgeber für Versöh- dass sie auch tatkräftig den Boykott von artigen Haufens, auch „das auserwählte nung.“ – beschrieb ihn Sigmar Gabriel, der israelischen Waren aus dem Westjordan- Volk“ genannt, widmete Schimon Peres vor vier Jahren bei seinem Besuch in Israel land unterstützt. Mehr zu ihrer „neutra- sein ganzes Leben. Mögen einige seiner noch meinte: „Ich war gerade in Hebron. len“ Haltung zum Nahostkonflikt war in Entscheidungen falsch gewesen, oder für Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier der Dezember-Ausgabe 2015 der JÜDI- viele nicht nachvollziehbar sein, eines Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für SCHEN RUNDSCHAU zu lesen. steht fest: vermutlich würde Israel ohne das es keinerlei Rechtfertigung gibt.“ Mag Fortsetzung Seite 2  2 WELT № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Tränen in den Augen – Wut im Bauch Zum Tode von Schimon Peres „In vier Jahren der schrecklichsten der UN-Menschenrechtskommission les dafür tun, dass der jüdische Staat wie kaum jemand sonst dennoch vehe- Gewalt in Syrien, haben mehr als eine 57 Verurteilungen gegen Israel. Ha- vernichtet wird. Denn sie meinen es ment für den Frieden zwischen Juden Viertelmillion Menschen ihr Leben mas, Islamische Dschihad, Boko Ha- zumindest ehrlich. und Arabern ein. Die Erfüllung dieses verloren. Das ist mehr als das Zehnfa- ram, Hisbollah standen nie am Pran- Ob als oberster Waffenbeschaffer des Traumes war ihm zu seinen Lebzeiten che, mehr als zehn Mal so viele wie Is- ger, der sogenannte Islamische Staat jungen jüdischen Staates, Gründer des nicht vergönnt. Denn zum Frieden ge- raelis und Palästinenser, die ihr Leben einmal, und Iran in ganzen 4 Fällen. israelischen Atomprogramms oder als hören bekanntlich immer zwei. in einem ganzen Jahrhundert unseres Versteht man das bei der UN unter Friedenstifter und Vermittler zwischen „Die Araber verlangen gar nichts Konflikts verloren haben. Dennoch Verhältnismäßigkeit? den Welten – hatte der letzte alte Mann von Israel – außer seiner totalen Ver- verabschiedete diese Versammlung Wie soll ich bei so viel Heuchelei aus den Gründerjahren stets nur ein nichtung“, hat Schimon Peres einmal im vergangenen Jahr zwanzig Resolu- und Verlogenheit keine Magenkrämp- Ziel: das Beste für Israel zu erreichen. gesagt. Daran hat sich bis heute nicht tionen gegen Israel, aber nur eine zum fe bekommen? Mir persönlich sind die Mit Waffen und Worten. „Den Frieden viel geändert. Und so sind meine Trä- wilden Schlachten in Syrien.“ – be- Araber, die Schimon Peres verflucht kann man mit leeren Worten nicht ge- nen inzwischen vertrocknet, aber mei- klagte sich Bibi Netanjahu bei seiner und nach seinem Ableben Freuden- winnen, so wie man keinen Krieg ohne ne Wut bleibt. Solange bis die Welt es letztjährigen Rede vor der UN-Voll- tänze veranstaltet haben, erheblich Kanonen gewinnt.“ – lautete einer sei- endlich begreift, dass sie sich um le- versammlung. Zu Recht. lieber, als all die Scheinheiligen, die ner berühmten Sätze. Er war sich der bende, und nicht um tote Juden küm- Zwischen 2006 und 2015 gab es von einen toten Juden beweinen, aber al- Risiken immer bewusst, setzte sich mern soll!

 Fortsetzung von Seite 1

KOLUMNE DES HERAUSGEBERS DR. R. KORENZECHER Wie schon die zurückliegenden Jah- Viele der Stimmen aus Politik und sicht des verbrecherischen iranischen und der „Kauft-nicht-bei-Juden“-Boy- re war auch das letzte Jahr kein ein- Mainstreammedien, die unserer Zei- Mullah-Regimes den Staat Israel in kott israelischer Waren dominierten faches Jahr für das jüdische Volk in tung Paranoia oder gar Scharfmache- Schutt und Asche legen zu wollen und und dominieren die Aktivitäten un- Israel und in der Diaspora. Zwar sind rei vorgeworfenen haben, sind ange- dem jüdischen Volk einen neuen Ho- sere Politik und unserer Mainstream- erfreulicherweise Israel und seine sichts der dramatischen und rasant locaust zu bereiten, halten die EU, die Medien, die der Verunglimpfung Menschen dank der großen Umsicht voranschreitenden Erosion unserer, Administration des erfreulicherweise unliebsamer Islam-Kritiker, Islamisie- und Verteidigungsfähigkeit des jüdi- uns seit Kindertagen vertrauten und im kommenden Jahr endgültig aus rungs-Warner und unerwünschter schen Staates und seiner Regierung liebgewordenen Lebenswelt, zwi- dem Amt scheidenden US-Präsiden- Wahlkandidaten hierzulande und in von einem neuen Angriffskrieg durch schenzeitlich sichtlich leiser geworden ten und Islam-Verstehers B.Hussein den sich zur Präsidentenwahl anschi- die unverändert auf die Vernichtung oder sogar verstummt. Obama und die deutsche Steinmeier- ckenden USA vor der Kritik und Verur- des jüdischen Staates sinnenden un- Bereits jetzt sind die schlimmsten Außenpolitik gegen jede Vernunft an teilung islamischer Straftäter und Ter- versöhnlichen feindlichen Nachbarn Befürchtungen unserer Redakteure dem schändlichen und katastrophalen rorregime den Vorrang geben. der jüdischen Demokratie verschont und Autoren bei weitem übertrof- Atomwaffenbeschaffungs-Deal mit Ein besonders beschämendes Bei- geblieben. fen worden. Dabei ist ein Ende dieser dem Terrorunterstützungs-Regime spiel hierfür liefert die längst zu ei- Aber lebensverachtender Terror schrecklichen Entwicklung, die – falls Iran fest. ner Karrikatur ihres ursprünglichen durch die weltweit nahezu unge- keine fundamentale Änderung der auf Effektlosigkeit im lichterloh bren- Völkerverständigungs-Anliegens, zum bremst expandierende Menschen und dem Islam-Auge einseitig erblindeten nenden Syrien sowie dem gesamten Israelverurteilungs-Sprachrohr islami- jede Menschlichkeit verachtende isla- Politik eintritt – in nicht zu ferner Kon- vom Islam in Brand gesetzten und scher Unrechtsregime und zur mora- mische Aggression hat in Israel und sequenz zu einer Auflösung unserer von dem peinlich-rückgratlos – nicht lischen Farce degenerierte, nahezu in weltweit allzu viele vor allem auch ge- demokratischen Lebenswerte führen zuletzt von unserer Kanzlerin und jeder Hinsicht unnütze UNO. zielt jüdische Opfer gefordert. wird, nicht einmal in Sicht. ihrer mit Kraftausdrücken auf Kriti- Gerade dort hat der israelische Mi- Unfähigkeit, Unbelehrbarkeit, Ap- Nachdem die nahezu tägliche isla- ker werfenden Politclique – hofier- nisterpräsident Benjamin Netanjahu peasement und pseudo-gutmenschli- mische Gewalt trotz fortdauernder ten Machtusurpator und Panislamis- im September, dem Monat des 15. che Borniertheit unserer gegenwärtig unverbesserlicher Versuche unsererer ten vom Bosporus bewusst in Brand Jahrestages des über 3000 – darunter in den USA , in Deutschland und in Politiker und unserer Mainstream- gehaltenen Nahen Osten sowie die auch viele jüdische Todesopfer for- Westeuropa am Interesse und am Wil- Medien kaum noch als Einzelfall oder Verschärfung des vermeidbaren Kon- dernden – islamischen Anschlags auf len ihrer Völker vorbei regierenden, als unglückliche psychische Verirrung fliktes in Osteuropa, kennzeichnen das World Trade Center in New York unsäglichen politischen Führungen, von Einzeltätern kleingeredet werden das vollständige politische Versagen eine wundervolle, von jüdischem Hu- tiefsitzendes antijüdisches Ressenti- kann, versucht uns unsere unsägliche der westlichen Politik von Obama bis manismus und Friedensbereitschaft ment, mangelnder Verteidigungswille Politik nunmehr unter Zurückweisung Steinmeier. getragene, einzigartige, überall viel- unserer jüdisch-christlich abendlän- jeder Kritik und jedes eigenen Ver- Dagegen hindert keine noch so nie- beachtete, nur von den hiesigen dischen, humanistischen Post-Aufklä- schuldens weiszumachen, dass der derträchtige Atrozität der Friedens- Islam-Bevorzugungs-Medien kaum rungskultur, Quasi-Verzicht auf die zwischenzeitlich zum Alltag geworde- unwilligen und -unfähigen Hamas- erwähnte Rede gehalten, die allen Erhaltung und Durchsetzung unserer ne Islam-generierte Terror in unseren und Hisbollah-Verbrecher gegen Israel Menschen guten Willens und gleich demokratischen Rechtsnormen ge- demokratischen Staaten unvermeid- unsere westliche Politik und unsere welchen Glaubens gerade vor dem jü- genüber vor allem islamischen Straftä- barer und Schicksals-gegebener Be- Medien an dem Ritual der nahezu täg- dischen Neujahrsfest und dem 9 Tage tern und dümmlich-suizidale Fast-Auf- standteil unserer veränderten Lebens- lichen Verurteilungen und Schuldzu- später folgenden Versöhnungstag gabe unserer freiheitlichen westlichen welt geworden ist. weisungen gegenüber Israel, der ein- Jom Kippur die Tür zur Verständigung Lebenswerte haben gemeinsam mit Währenddessen nehmen unüber- zigen Demokratie in der Region. mit dem jüdischen Staat und den Ju- einer verantwortungslosen Islam- sehbar und trotzdem immer noch Daran ändert auch nichts der ange- den dieser Welt öffnet. Einlasspolitik zu einem nie da gewe- geleugnet rechtsfreie Räume für isla- sichts seiner offensichtlichen Heuche- Ganz im Sinne dieser historischen senem Ausufern islamischen Terrors mische Straftäter und die Anzahl von lei nahezu Übelkeit erregende Trau- Rede eines großen jüdischen Philan- und einer explosiven Zunahme an ausgedehnten No-Go-Bereichen vor erreden-Exhibitionismus der eigens thropen wünsche ich dem Staat Israel, islamischer Demokratieverachtung, allem für Juden in den deutschen und nach Israel für die Bestattung eines seiner ungeteilten ewigen Hauptstadt Islam-generiertem Judenhass und All- westeuropäischen Städten an Zahl der letzten Gründerväter Israels , des Jerusalem, unseren Lesern und uns al- tag gewordener Israel-Dämonisierung und Umfang schnell zu. verstorbenen Schimon Peres, ange- len für das Neujahrsfest, für Jom Kip- vor allem in den westlichen Ländern Gleichzeitig hat die linkslastige, reisten, vor allem ihre eigene Wichtig- pur und für den gesamten im Monat geführt. mit starkem antijüdischen Vorbehalt keit dokumentierenden internationa- Oktober folgenden jüdischen Fest- Die JÜDISCHE RUNDSCHAU gehörte behaftete Israel-feindliche Pseudo- len Politelite. tagszyklus des Laubhüttenfestes Suk- von Anbeginn zu den wenigen Me- Gutmenschenszene, sympathisierend Auch wenn die anwesenden Grab- koth, des Festes Shmini Azeret und dien, die vor den heute Wirklichkeit begleitet von unseren Fakten-unter- redner dies nur allzu gern ausgeblen- des Bibel-Festes Simchat Thora ein gewordenen Weiterungen hinsicht- drückenden und nahezu alle Kritik als det haben: „Die Araber verlangen gar wundervolles und süßes Neues Jahr lich zunehmender, von unserer deut- „rechts“ und „rassistisch“ diffamieren- nichts von Israel – außer seiner totalen 5777 in Gesundheit, Frieden, Glück, schen und anderen europäischen den Mainstream-Medien, vor allem Vernichtung“, hat der klug voraus- Zufriedenheit und Wohlergehen. Regierungen tatenlos geduldeter, in Deutschland eine wahrhaftige und schauende Mitinitiator der atomaren Mögen Sie, mögen wir alle einge- erst klein- dann schöngeredeter und nicht einmal unprofitable Abschie- Verteidigung Israels richtigerweise schrieben und besiegelt sein im Buch massiv geförderter Islamisierung und bungs-Verhinderungs-Industrie für dargelegt und verinnerlicht. des Lebens. dem folgerichtig erwarteten reakti- islamische Straftäter und Asyl-unbe- Ein Abweichen von diesem Haupt- L'Schana Towa u Metukah – Tikate- vem Rechtsruck sowie dem immer rechtigte Muslime aufgebaut. anliegen der arabischen Nachbarn vu ve Techatemu und Gemar Hatima offenkundiger werdenden Versagen Keinesfalls besser ist es um die in- und weitester Teile des Islam durfte Towa. unserer, den Willen ihrer Wähler per- ternationale Situation der westlichen Schimon Peres, sichrono livracha, lei- Am Israel Chai! vertierenden, westlichen Politführun- Politik bestellt. Trotz der unverhohlen der nicht mehr erleben. Ihr gen gewarnt hat. täglich zum Ausdruck gebrachten Ab- Im Gegenteil: Israel-Diffamierung Dr. Rafael Korenzecher № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 3 Die Atombomben „Little Hillary“ und „Fat Bill“ Der Iran-Deal von heute ist so wertlos wie der Nordkorea-Deal von 1994 Von Daniel Greenfield

Die beiden Atombomben, die auf Japan abgeworfen wurden, trugen die Namen „Little Boy“ und „Fat Man“. Die heutige Welt hat zwei neue Atombomben: Eine heißt „Fat Bill“, die andere „Little Hilla- ry.” Die „Bill Clinton“-Bombe ist die, die die meisten Schlagzeilen macht: Nord- korea testet weiterhin seine Nuklearwaf- fen. Die kommunistische Diktatur führt bereits den fünften Test durch und hat damit eine Explosion erzielt, die fast das Ausmaß der auf Hiroschima abgeworfe- nen Bombe „Little Boy“ erreicht. Nordkorea hat bekanntgemacht, dass es durch diesen Test in der Lage sein wird, standardisierte Atomsprengköp- fe zu produzieren, die „auf strategische ballistische Raketen montiert werden können“, so dass es „nach Belieben viele verschiedene kleinere, leichtere und di- versifizierte Sprengköpfe von größerer Sprengkraft produzieren kann“. Kim will nicht nur eine Atombombe. Er will eine Menge davon. Und bei seiner Herr und Frau Clinton ermöglichen zwei Diktaturen die Atombombe. derzeitigen Geschwindigkeit wird er sie haben. Der Mann, bei dem man sich da- Im Januar 2003 erklärte Nordkorea: bezahlte Rede halten wollte, was das Wie Nordkorea wird der Iran sein ech- für bedanken kann, ist Bill Clinton. „Wir haben keine Absicht, Atomwaffen Ethikbüro des US-Außenministeriums tes Waffenprogramm nebenbei laufen Im Herbst 1994 sagte Clinton dem zu produzieren. Unsere nuklearen Aktivi- aber ablehnte. lassen. Er hat kein Interesse an Atom- amerikanischen Volk, dass sein Deal mit täten beschränken sich derzeit auf fried- Das ist die erste Clinton-Bombe. Sie kraft, sondern an Atomwaffen. Nordkorea dazu beitragen werde, „die liche Zwecke wie die Produktion von trägt den Namen „Fat Bill“. Auch den Nordkorea hat während der gesamten drohende nukleare Proliferation auf der Elektrizität.“ Im April gab es bekannt, im Iran hat Nordkorea mit Nukleartech- Laufzeit des Deals seine wahre Agenda koreanischen Halbinsel zu stoppen“. Besitz von Atomwaffen zu sein. nologie versorgt. Und das ist die andere zur Schau gestellt, indem es ballistische „Nach 16 Monaten intensiver und Nordkoreas Verstöße wurden erst un- Clinton-Bombe. Raketen entwickelt hat. Jetzt schließt es schwieriger Verhandlungen mit Nord- ter Bush öffentlich gemacht. Und so scho- Sie heißt „Little Hillary“. diesen Prozess ab, indem es Atomspreng- korea haben wir eine Vereinbarung ab- ben Clintons Leute, die uns den wertlo- Hillary Clinton war sehr darauf erpicht, köpfe auf diese Raketen setzt. geschlossen, die die Vereinigten Staa- Wie Nordkorea arbeitet der Iran hart ten, die koreanische Halbinsel und die Nordkoreas Aufstieg zur Atommacht an einem ballistischen Raketenpro- Welt sicherer machen wird. Im Rahmen gramm. Und die iranischen ballistischen dieses Abkommens hat sich Nordkorea vollzog sich ganz genauso wie sich Irans Raketen basieren auf nordkoreanischen. bereit erklärt, sein bestehendes Atom- Sie dienen demselben Zweck. Bei seinem programm einzufrieren und internatio- Aufstieg zur Atommacht vollziehen wird. Test im Juli benutzte der Iran die nordko- nale Inspektionen seiner existierenden reanische ballistische Rakete BM-25 Mu- Einrichtungen zu erlauben“, versicherte Heute liefert Nordkorea Raketen an den sudan, die eine Reichweite von 4.000 km Clinton dem Land. hat. Sie basiert auf einer russischen Rake- Er log. Iran, die mit Atomsprengköpfen te, die einen Atomsprengkopf mit einer Der Nordkorea-Deal war ebenso wert- Sprengkraft von einer Megatonne hat. los wie der Iran-Deal seiner Frau. Nord- bestückt werden können. Damit der Iran-Deal glaubwürdig ist, korea hat sich nie an das gehalten, was es müssen wir dem Iran vertrauen, dass er vereinbart hat. Wie der Iran-Deal wurde sen Deal beschert hatten, die Schuld auf dass man ihr den Iran-Deal als Verdienst keine Atombombe will. Hillary hat dafür der Nordkorea-Deal nie vom Senat ratifi- Bushs Leute, weil diese ihr wunderbares anrechnet. Tatsächlich erinnert der wert- gesorgt, dass der Iran weiter Uran anrei- ziert. Das, was „vereinbartes Rahmenab- Abkommen ruiniert hätten. lose Deal, den ihr Boss mit dem atomaren chern darf. Wie ihr Wahlkampfberater kommen“ genannt wurde, war so wenig, Clintons Nordkorea-Deal basierte auf Terrorstaat geschlossen hat, sehr stark an sagt: „Sie sah die Schwierigkeit einer Lö- wie der Name schon sagt. Clintons Leute derselben albernen Prämisse wie der den wertlosen Deal ihres Mannes mit ei- sung mit null Anreicherung.“ wussten, dass Nordkorea ein laufendes Iran-Deal: der Überzeugung, dass das, nem anderen atomaren Terrorstaat. Wie bei ihrer übrigen Politik hat Hil- Urananreicherungsprogramm hatte, aber was Nordkorea in Wahrheit wollte, nicht Selbst die Rhetorik ist die gleiche. Bill lary Clinton schon eine unendliche Zahl sie entschieden sich dazu, die Verstöße Atomwaffen waren, sondern Atomstrom. behauptete in seiner Rede, der Deal mit verschiedener Haltungen zur iranischen gegen die Vereinbarung lieber zu ignorie- Würden wir Nordkorea nur jährlich mit Nordkorea „hängt nicht von Vertrauen Nuklearanreicherung eingenommen. ren, da diese eine politische Schmach für 500.000 Tonnen Heizöl versorgen und ab“. Obama insistierte in seiner Rede dar- Doch hinter verschlossenen Türen war ihren Boss und seine diplomatische Leis- dem kommunistischen Diktator einige auf, dass „dieser Deal nicht auf Vertrauen dies ihre wahre Position. tung waren. leichtere Kernkraftwerke bauen, dann fußt“. Nordkoreas „Fat Bill“-Bombe und Der bereits wertlose Deal wurde würde er jegliches Interesse daran verlie- Außer, dass er es damals tat und heute. Irans „Little Hillary“ sind miteinander schnell noch wertloser, sobald er imple- ren, eine Bombe zu bauen. Der Iran entnimmt seine eigenen Proben verbunden. Die beiden Terrorstaaten, der mentiert war. Wie beim Iran-Deal gab es In einer überraschenden Wendung, die und händigt sie der IAEA aus. Das ist die eine rot, der andere grün, der eine links, innerhalb des Deals geheime Nebenab- niemand hätte erahnen können, begab es Definition von Vertrauen. der andere islamisch, helfen einander. sprachen, von denen einige immer noch sich, dass Nordkorea doch nicht versucht Zwei neue Atomreaktoren werden ge- Ungefähr so, wie Bill Nordkorea und Hil- geheim sind, wahrscheinlich deshalb, hat, seiner Bevölkerung von verängs- baut. Wie im Falle Nordkoreas sollen sie lary dem Iran geholfen hat. weil sie das Ausmaß von Clintons Aus- tigten hungernden Sklaven niedrigere strikt Leichtwasserreaktoren sein. Ge- Als Erbe von zwei Politikern namens verkauf an die kommunistische Diktatur Stromkosten zu bescheren. heime Ausnahmen gestatten es dem Iran, Clinton, die ihr Land ausverkauft haben, enthüllen würden. In Wirklichkeit wollte es eine Bombe. eine unbekannte Menge niedrig angerei- hat die Welt nun die Aussicht auf zwei mit Inspektionen wurden auf unbestimm- Bill Clinton hat Amerika dieselbe Ge- cherten Urans zu lagern, das zu hochan- Atomwaffen bewaffnete Terrorstaaten te Zeit verschoben. Nordkoreas Atom- schichte erzählt wie Obama über den gereichertem waffenfähigen Uran ver- und eine neue Ära des nuklearen Terrors. programm war bekannt geworden, als Iran. Nordkorea würde aus der Isolati- edelt werden kann, sowie heiße Zellen, Wenn die nordkoreanische Bombe in es zuvor sieben Jahre lang Inspektionen on kommen, und „unsere Beziehungen“ die benutzt werden können, um Plutoni- einem Krieg eingesetzt wird, dann wird der IAEA verzögert hatte. Diesmal wei- würden sich entwickeln. um abzuspalten. Und die Vereinbarung sie Bills Bombe sein. Und wenn der Iran gerte es sich, die Inspektionen wieder- Was dies betrifft, so hatte er Recht. läuft übrigens nicht nach 15, sondern Atomwaffen einsetzt, dann ist es Hillarys aufzunehmen, solange bis wir ihnen ein Unsere Beziehungen haben sich zu dem nach elf Jahren aus; ab dann kann der höllische Explosion. Die beiden Clinton- Atomkraftwerk gebaut hätten. Sieben Punkt so weiterentwickelt, dass Nord- Iran seine Anreicherungsrate verdoppeln Bomben zu stoppen, ist vielleicht die Jahre nach dem Deal versuchte die IAEA korea uns nun mit Atomwaffen bedroht, und innerhalb von sechs Monaten den größte Herausforderung für die nationale immer noch, Zugang zu erhalten. Zum von denen er versprochen hatte, dass es Breakout zur Atombombe schaffen. Sicherheit, die ein zukünftiger Präsident Ende hin war der anvisierte Zeitplan für sie nicht besitzen würde. Bills Beziehun- Selbst mit dieser „konservativen“ Zeit- zu gewärtigen hat. vollständige Inspektionen auf 2009 ver- gen zu Nordkorea entwickelten sich bis tafel wird der Iran schneller zur Atom- schoben worden. zu dem Punkt, wo er in Nordkorea eine macht als Nordkorea. Übersetzung von Stefan Frank 4 WELT № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Der erfundene Skandal Interessante Hintergründe zu den australischen Erfindern des Burkini Von Karl Pfeifer

„Burkini“, sagte die Dame im Eissalon am Nebentisch, „ich kann das Wort nicht mehr hören“. Tatsächlich gab es im Sommer 2016 zu einer Zeit, in der Journalisten sich in der Regel über das Sommerloch beklagen, kein häufiger verwendetes Wort als dieses. Alle gu- ten und natürlich tolerant gesinnten Menschen Europas und Nordamerikas regten sich über die „bösen Franzosen“ auf. In Frankreich selbst zog der ehemali- ge „Le Monde“-Journalist und Gründer des „linken“ Medienkonzerns „Media- part“, Edwy Plenel, in den Kampf, um ein von der Australierin Aheda Zanetti vor ungefähr zwölf Jahren erfundenes Kleidungsstück – die Burka für den Strand – zu verteidigen. Er erinnerte an die Badekleider der Französinnen am Beginn des 20. Jahrhunderts, nachdem er schon vor zwei Jahren „seine beiden bretonischen Großmütter“ erwähnte, „die ein Kopftuch trugen“. „Charlie Hebdo“ widmete diesem Islamismus- versteher eine ganze Seite mit Karika- turen, der als „ewiger Demagoge“ pre- digend auf einer Kanzel dargestellt wird. Es artikulierten sich auch all jene für „Religionsfreiheit“, die behaupteten, den Islam könne man nur dann „voll“ ausleben, wenn man sich an die strengs- ten Vorschriften hält und akzeptiert, SAEED KHAN / AFP dass diejenigen Frauen, die weder Bur- Aheda Zanetti präsentiert die von ihr erfundenen Badeanzüge. ka noch Nikab tragen, schlechte Musli- minnen sind. In ihrer Beschwerde gegen das Rat- Verbot des Tragens von Burkini auf- dele es sich lediglich um eine „rechte ideologisches und kulturelles Bild der haus von Cannes, hat das „Kollektiv gehoben werden soll. Dieses Gericht Ablenkung“ der Aufmerksamkeit von Muslime in Frankreich (zu 2/3 sind sie gegen die Islamophobie in Frankreich“ verteidigt ein Konzept der individuel- „den Regierungserfolgen gegen die Ar- französische Staatsbürger) zu geben. (CCIF) aber nicht die Freiheit sich len Freiheit, weil die Aufhebung dieser beitslosigkeit“. Hysterisch wurde die 28% der französischen Muslime so zu kleiden wie es einem beliebt er- nicht leichtfertig beschlossen werden Debatte tatsächlich von den Gegnern schätzen, dass die Scharia den Geset- wähnt, sondern die Religionsfreiheit. darf. des Verbots geführt, die sich gegen die zen der französischen Republik gegen- Als ob die Verschleierung am Strand Doch hier geht es nicht nur um ein 70-80 Prozent der Franzosen wandten, über zu bevorzugen sei. Fast ein Drittel Teil einer Religionsausübung wäre. Kleidungsstück, das von der Religion die im Burkini ein Symbol des radi- der in Frankreich lebenden – niedrig Aheda Zanetti, deren Familie aus vorgeschrieben ist, sondern um eine kalen Islamismus sehen, der vor ihren geschätzt 3 oder 4 Millionen – Musli- Beirut nach Australien kam, als sie zwei me leben also geistig in einem anderen Jahre alt war, hat 2004 nachdem sie Land, die meisten davon junge Men- Burkini und Burqini beim Patentamt I n Sisco, Korsika kam es sogar ohne Burkini schen. angemeldet hatte, stolz erklärt, „Ich Kann das die 70-80 Prozent der habe eine Bescheinigung oder das, was zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Franzosen, die über den wachsenden man eine Fatwah des Muftis nennt, er- Einfluss des Islams besorgt sind, beru- halten.“ Was war geschehen? Eine Familie nordafri- higen? Tatsächlich verdient der selbster- Freilich kann man sich über die 70% nannte Großmufti von Australien, Taj kanischen Ursprungs mit Frauen in Burka der in Frankreich lebenden Muslime Aldin al-Hilali, bekannt zu werden. freuen, die säkular leben wie die ande- Aus Ägypten stammend, ging er 1982 „privatisierte“ einen öffentlichen Strand ren Franzosen. „Zwei Drittel der Mus- mit einem Touristenvisum in Austra- lime denken, dass der Säkularismus lien an Land und es gelang ihm, dieses und griff diejenigen an, die sich ihnen gestattet, seine Religion frei zu leben, während mehrerer Jahre immer wieder bestätigt Hakim El Karoui. Doch mit erneuern zu lassen. 1988 predigte er an näherten oder sie fotografierten. Um die den gegebenen Zahlen über den Säku- der Universität Sydney und beschuldig- larismus dürfte etwas nicht stimmen, te „die Juden“ die Welt zu kontrollieren Lage in Griff zu bekommen, mussten denn 60% der Befragten meinen, 12 „dank der Sexualität, der sexuellen Per- Jahre nach dem das Gesetz beschlos- version, wie auch der Beförderung der 70 Polizisten dorthin beordert werden. sen wurde, mit dem religiöse Symbole Spionage, des Verrats und der Hortung in Schulen verboten wurden, dass die von Geld“. Der Einwanderungsminis- Mädchen den Schleier in der Schule ter versuchte den Hetzer auszuweisen, Herausforderung an die französische Augen in den Städten wütet. Ein Isla- tragen müssten. 48% denken, dass man doch es siegten die sich für die „Mei- Lebensart, die Geschlechterapartheid mismus, der ihrer Meinung nach dem seine religiöse Identität am Arbeits- nungsfreiheit“ stark machenden Poli- nicht toleriert. Dschihadismus Nahrung gibt und platz zeigen muss, 58% der Männer und tiker. War es wirklich klug, als nach dem Frankreich auseinanderreißt, was sie 70% der Frauen treten für das Tragen Am 13. Februar 2004 qualifizierte islamistischen Anschlag in Nizza am nicht wünschen. Denn es geht nicht nur der Vollverschleierung ein. D.h. die er vor den Gläubigen in einer Moschee Abend des 14. Juli, wenig später eine um Religion, sondern um eine Ideolo- Mehrheit der Muslime, die als integ- in Sidon, im Libanon, die Angriffe des salafistische Vereinigung in einem gie, welche Allah und die Scharia über riert in die französische Gesellschaft 11. September 2001 als „Gottes Werk Aqualand einen Tag nur für muslimi- den französischen Gesetzen sehen will. angesehen werden, wollen nicht auf gegen die Unterdrücker“. Doch nichts sche Frauen namens „Alle im Burkini“ Ende September publizierte die fran- dieses Symbol des Brechens mit der geht über die multikulturelle Toleranz veranstalten wollte? zösische Sonntagszeitung JDD eine französischen Gesellschaft verzichten. – Hilali konnte sich in Australien etab- Vielleicht die interessanteste Er- Nachricht über eine Studie des Insti- Die diese Entwicklung kritisch se- lieren. Soviel zum Mufti, der den Burki- klärung für die Burkinidebatte – weil tuts Montaigne, geleitet von Hakim El henden Franzosen, die oft genug auch ni für halal erklärt hat. an eine Verschwörungstheorie an- Karoui, unter dem Titel „Französische den Vornamen, Ahmed, Aicha oder Ra- Am 26. August hat der französische knüpfend – gab der Sekretär der So- Muslime, eine überraschende Untersu- chida tragen, wählen nächstes Jahr ei- Staatsrat, das höchste administrative zialistischen Partei Jean-Christophe chung“. nen Präsidenten und dabei wird dieses Gericht Frankreichs entschieden, dass Cambadelis, als er meinte, bei dieser Es ist das erste Mal, dass eine der- Problem eine wichtige Rolle spielen. in der Ortschaft Villeneuve-Loubet das hysterischen Auseinandersetzung han- art seriöse Untersuchung versucht ein Warum haben einige Bürgermeister № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 5 das Tragen dieses salafistischen Strand- Die australische Tageszeitung „The kleides verboten? Australian“ die diese Reportage eines In Sisco, Korsika kam es sogar ohne australischen Fernsehens als „eine der Burkini zu gewaltsamen Auseinander- journalistischen Ethik entgegengesetz- setzungen. Was war geschehen? Eine FETHI BELAID / AFP te Praxis“ qualifizierte, berichtete auch Familie „nordafrikanischen“ Ursprungs über den Vater der Burkini-tragenden mit Frauen in Burka „privatisierte“ einen Studentin, Ghayath Alshelh, der ein is- öffentlichen Strand und griff diejenigen lamisches Wohlfahrtsprojekt in Sydney an, die sich ihnen näherten oder sie fo- führt, welches die Thesen eines radika- tografierten. Um die Lage in Griff zu be- len Islams propagiert. kommen, mussten 70 Polizisten dorthin Im Studio ließ sich Zeynab über die beordert werden. Feindseligkeit der Franzosen gegen Die Stadtverwaltungen in Südfrank- Muslime aus. Es wurde auch der Poli- reich sorgten sich, es könnte zu Unruhen tologe Dominique Moisi befragt, der kommen. Deswegen hatte der Bürger- das Verbot der Vollverschleierung in meister von Nizza für den Monat August der Öffentlichkeit in Frankreich so be- das Tragen des Burkini verboten. urteilt: „Das ist absurd, das ist gefähr- Das lokale Gericht, dass darüber zu lich, das ein Kampf gegen die Verschie- entscheiden hatte, gab dem Bürger- denheit“. Am Schluß erklärt Zeynab meister Recht: Im Kontext des Not- Alshelh. „Man darf keine Verbindung standes und der jüngsten islamistischen zwischen Terror und Burkini und Ter- Attentate, insbesondere in Nizza, ist die ror und Islam herstellen.“ Art der Bekleidung am Strand, die ihre „The Australian“ resümiert: „Das Religion betont, geeignet Spannungen nächste Mal sollte die Fernsehstation zu schaffen oder zu verschärfen und ris- Seven Zeynab Alshelh finanzieren, da- kiert damit die öffentliche Ordnung zu mit diese ihr Glück in Saudi-Arabien stören. oder dem Iran dabei versucht Frauen Natürlich haben in Frankreich die zu überzeugen ihre Verschleierung ab- Religionsgemeinschaft das Recht ihren Neuerdings ist der Burkini auch an europäischen Stränden zu sehen. zulegen, oder vielleicht könnte ein Spi- Glauben auszuüben. Doch wenn man talsarzt mit einer versteckten Kamera in diejenigen, die man als „zugehörig“ be- einen Strand in Villeneuve-Loubet zu sie gefilmt werden.“ Dies wurde von Ägypten zeigen, wie Ärzte die verbote- trachtet, unter Druck setzt ihren bishe- verlassen, weil anderen Badegäste ih- einem anderen damals Anwesenden ne Klitorisbeschneidung an der großen rigen Lebensstill, wie sie sich kleiden, ren Burkini als Provokation gesehen bestätigt. Mehrheit kleiner Mädchen vornehmen.“ Diese Reportage zeigt kein einziges Doch dazu in Australien befragt, Bild der zwei Frauen und der anderen meinte sie „Ich werde mich nicht in diese M an soll nicht vergessen: stigmatisiert Badenden zusammen, die sie aufgefor- Art von Gefahr begeben, und überhaupt, dert hätten, den Strand zu verlassen. Es die predigen keinen Säkularismus (wie werden nicht die Frauen, die Burka, ging darum, zu verhindern, dass Kin- in Frankreich), sie machen gerade das, der gefilmt werden. was sie sowieso machen wollen.“ Burkini oder Nikab tragen, sondern die aus einer muslimischen Kultur Unterstützen Sie Deutschlands einzige kommenden Frauen, die diese uniformierte Kleidung ablehnen. unabhängige jüdische Zeitung! was sie essen usw. zu ändern, dann gibt hatten. Dieser Badeort liegt nur 15 km es dafür keine Berechtigung. In Frank- von Nizza entfernt, wo am Abend des Abonnieren Sie und schalten Sie Wer- reich wird die Brüderlichkeit zwischen Nationalfeiertags 14. Juli ein islamis- freien und gleichberechtigten Men- tischer Täter 86 Menschen ermordete. schen postuliert und nicht zwischen Diese Geschichte wurde von der fran- bung in der JÜDISCHEN RUNDSCHAU! Religionsgemeinschaften, deren Teile zösischen Presseagentur AFP und den oft eine Segregation und Ungleichheit wichtigsten Medien der Welt verbrei- praktizieren. Klartext: Es geht um eine tet. Doch wie „Nice-Matin“ zwei Tage ultrareaktionäre und totalitäre Form nach der Ausstrahlung berichtete, fand Liebe Leserinnen und Leser, des Islamismus und insbesondere de- eine Mutter, die mit ihrer Familie sich ren politische Provokationen nach dem an diesem Strand befand, etwas mehr Massaker in Nizza am 14. Juli. Dieser als verdächtig. „Mit meinen Kindern islamistische Totalitarismus will den hatten wir uns am Strand hingesetzt, gegründet im Sommer 2014, als Reaktion auf die an- Körper der Frauen kontrollieren und als wir sehen konnten, wie ein paar ihnen eine „Moral“ aufzwingen, der Meter von uns eine Fernsehkamera tisemitischen Demonstrationen in ganz Deutschland, jede Abweichung bestraft. Man soll installiert wurde. Erst nachher kamen setzt sich die JÜDISCHE RUNDSCHAU heute für jüdi- nicht vergessen, stigmatisiert werden ein Mann und zwei Frauen in Burkini, nicht die Frauen, die Burka, Burki- die sich vor das Fernsehteam setzten, sche Belange und für Israel ein wie kein zweites Medi- ni oder Nikab tragen, sondern die aus nachdem sie minutenlang dem Stand um im deutschsprachigen Raum. einer muslimischen Kultur kommen- entlang spazierten.“ den Frauen, die diese uniformierte Also ein Stunt? „Man hat sich diese Kleidung ablehnen. Wenn sich nicht Frage sofort gestellt. Im Übrigen, ha- Die positiven Rückmeldungen aus Deutschland, Ös- verschleiern, einen kurzen Rock oder ben alle Leute am Strand auf die Kame- einen zweiteiligen Badeanzug tragen, ra geschaut.“ terreich, der Schweiz und Israel bestärken uns in unse- das allein Sitzen auf der Terrasse eines Doch das Video des australischen Cafés für gewisse Frauen ein Akt des Kanals geht weiter. Man sieht einen rer Arbeit. sozialen Heldentums wird, dann will Mann zur Kamera gehen und sagen man die Zeichen eines gewalttätigen „Ihr macht eine Kehrtwendung und Totalitarismus nicht zur Kenntnis neh- geht weg“. So wurde die Reportage zu- Dennoch brauchen wir auch Ihre Hilfe: Abonnieren men. Das aber tun all diejenigen, die sammengeflickt, in der dieser Spruch Sie die JÜDISCHE RUNDSCHAU, erzählen Sie in der versuchen, jede Kritik am Islamismus an die Frauen in Burkini gerichtet zu als „Islamophobie“ hinzustellen. sein scheint. Ein Eindruck, der be- Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis von unse- stärkt wird durch eine Ansage im off, rer noch jungen Zeitung! Verschenken Sie Abos und Islamistische Provokation eines die bestätigt: „Wir wurden gezwungen australischen Fernsehkanals wegzugehen, denn die Leute sagten, sie reichen unsere Zeitung weiter! „Nice-Matin“ war die erste französi- werden die Polizei rufen.“ sche Zeitung, die über eine bewusste Aber so war es nicht. „Der Mann auf Denn eine Zeitung wird erst durch ihre Abonnenten Provokation des siebten australischen dem Video ist mein Onkel“, bezeugt Fernsehkanals berichtete. Dieser ein anderer Augenzeuge. „Er hat nicht stark. Auch Deutschland, Österreich und die Schweiz brachte in seinem Sonntagabendpro- gefordert, dass diese drei Personen den brauchen eine selbstbewusste jüdische Stimme! gramm eine 13 Minuten lange Sen- Strand verlassen. Er wandte sich an das dung, in der gezeigt wurde, wie die Kamerateam und bat sie wegzugehen. 23-jährige australische Studentin Zey- Denn es gab Kinder am Strand, darun- Ihre JÜDISCHE RUNDSCHAU-Redaktion nab Alshelh gezwungen worden war, ter unsere und man wollte nicht, dass 6 WELT № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Partnerschaft mit Mord-Sympathisanten Der Fall Joan Davenny

Von Stephen Flatow / JNS.org

Außer jener Gemeinde in Connecticut, wo sie als Lehrerin gearbeitet hat, und ih- WIKIPEDIA rer Familie und ihren Freunden kennen nur wenige den Namen Joan Edelstein Davenny. Joan gehörte zu den Opfern eines Selbstmordbombenanschlags auf einen Bus in der Jerusalemer Innenstadt. Wie es das Schicksal wollte, befand sich Joan nicht in dem Bus, der in die Luft ge- sprengt wurde, dafür aber in einem Bus, der gerade vorbeifuhr und den Großteil der durch die Luft fliegenden Splitter ab- bekam. Joan und drei andere unschuldige Personen wurden bei dem Anschlag er- mordet. Ein paar Nachforschungen über Joan bringen an den Tag, dass sie in San Fran- cisco, Kalifornien, aufwuchs. Darum bin ich schockiert davon, dass eine große Universität in San Francisco eine Part- nerschaft mit einer „palästinensischen“ Universität eingeht, die den Mörder einer Frau aus San Francisco ehrt. Das ist ein empörender Missbrauch von kaliforni- schen Steuergeldern – und ein Schlag ins Gesicht jeder Person, der Frieden und Gerechtigkeit am Herzen liegen. Wie „Campus Watch“, eine Abteilung Campus der San Francisco State University. des „Middle East Forum“, enthüllt hat, ist die San Francisco State University vor Bombenbauer Yahya Ayyash entwickelt im Football oder Lacrosse gegeneinander und Jefferson Airplane herumzuhängen“, zwei Jahren stillschweigend eine Partner- hatte). Vier unschuldige Menschen wur- an. Wäre es nicht bemerkenswert, wenn heißt es im „Northern California Jewish schaft mit der An-Najah Universität im den ermordet, darunter Joan Edelstein die beiden Teenager einmal auf den Rän- Bulletin“. „Wir lebten das Haight-Ashbu- von der Palästinensischen Autonomiebe- Davenny. gen nebeneinander gesessen hätten? ry-Gefühl aus“, erinnert sich die langjäh- hörde kontrollierten Nablus – dem bibli- Joan war eine echte Tochter San Fran- Joan und ihre Familie waren tief ein- rige Freundin Elisabeth Semel. Sie schil- schen Sichem – eingegangen. Seltsamer- dert die Jahre, als sie und Joan „Hippies weise findet sich auf der Internetseite der wurden“. Joan nutzte den jugendlichen Universität so gut wie nichts über diese Vor nicht langer Zeit veranstalteten idealistischen Geist für eine Karriere als Allianz. Anfragen von „Campus Watch“ Lehrerin, Drogenberaterin und AIDS- zu den finanziellen und administrativen die Studenten auf dem Campus eine Aufklärerin. Einzelheiten der Partnerschaft und zu Eine Reihe von Joans Familienangehö- Plänen über ein Studentenaustauschpro- große Ausstellung mit einer selbstgebauten rigen leben immer noch in der Bay-Area. gramm zwischen den beiden Hochschu- Ihr Onkel Maurice etwa ist ein bekannter len ließ SFSU-Präsident Leslie Wong un- Nachbildung der ausgebombten örtlicher Fotograf. Vor drei Jahren wurde beantwortet. seine von der Kritik gefeierte Ausstellung Ich frage mich, ob Wong „Campus Sbarro-Pizzeria in Jerusalem, samt „Bilder von Chinatown: Vier Jahrzehnte Watch“ die kalte Schulter zeigt, weil er der Fotografie“ in San Franciscos chinesi- tief im Innern weiß, dass das Befreunden blutverschmierter Trümmer. schem Kulturzentrum gezeigt. Ich hoffe, mit An-Najah nicht zu rechtfertigen ist. Wong hatte Gelegenheit, sie zu besuchen. Der dortige Campus ist eine berüchtig- ciscos. Ihre Großeltern, George und Pau- getaucht in die bunte Kulturszene des Das Andenken an Joan, die Werte, für te Brutstätte für Hamas-Unterstützer. line Edelstein, gründeten dort im Jahr San Francisco der 1960er Jahre. Joans die sie stand, und der Beitrag, den sie und Vor nicht langer Zeit veranstalteten die 1904 den Tempel Beth Shalom. Der der- Eltern waren enge Freunde des legendär- ihre Familie für ihre Stadt geleistet ha- Studenten auf dem Campus eine große zeitige Standort der Synagoge ist weniger en Rockmusikproduzenten Bill Graham. ben, sollten für jeden Bürger San Francis- Ausstellung mit einer selbstgebauten als acht Kilometer vom Campus der San cos Grund des Stolzes sein. Wong sollte Nachbildung der ausgebombten Sbar- Francisco State University entfernt. Ich jedem seiner Studenten an der San Fran- ro-Pizzeria in Jerusalem, samt blutver- frage mich, ob Wong dort jemals auf dem cisco State University das Beispiel von schmierter Trümmer. So feierten sie Weg zur Arbeit vorbeigekommen ist. Joans Leben als Vorbild ans Herz legen. einen der abscheulichsten Selbstmordan- Joans Eltern, Burt Edelstein und Betty WIKIPEDIA Stattdessen trampelt er auf Joans An- schläge der Hamas. Kahn, waren in San Francisco geboren. denken herum, indem er sich mit einer Die Hamas preist An-Najah als ein Burt war der Inhaber und Betreiber des Universität anfreundet, die die Hamas ver- „Gewächshaus für Märtyrer“. Wie die Kleidungsgeschäfts „Outside In“, das herrlicht, die Terroristengruppe, die sie er- Anti-Defamation League (ADL) berich- lange Zeit an der Ecke Mission Street mordet hat. Als Wong auserwählt wurde, tet, „verherrlichen die Studenten Selbst- / 22. Straße bestand, das es heute aber Präsident der SFSU zu werden, da erklärte mordanschläge und machen Propagan- nicht mehr gibt. Wong wuchs just auf John Gumas, der Präsident der San Fran- da für den Dschihad gegen Israel“; die der anderen Seite der Bucht in Oakland cisco State Foundation, dass er und die an- Campusgruppe „Islamisches Palästina“ auf, sein Vater war Leiter eines National deren Mitglieder des Wahlkomitees Wong sei ein „Anwerber und Zuträger für die Dollar Stores. Ich wäre nicht überrascht, auch wegen seines „Gespürs für soziale Hamas – viele ihrer Mitglieder haben wenn sich Joans Vater und Wongs Vater Gerechtigkeit“ ausgesucht hätten. Doch Selbstmordbombenanschläge verübt“. hin und wieder über den Weg gelaufen Wongs Partnerschaft mit den Cheerlea- Matthew Levitt vom „Washington Insti- wären. dern der Hamas an der An-Najah-Uni- tute for Near East Policy“ merkt an, dass Betty Kahn Edelstein betrieb den be- versität ist etwas, das ich als eine soziale An-Najah bekannt sei für „terroristische liebten Buchladen „Minerva's Owl“ in Ungerechtigkeit bezeichnen würde – und Rekrutierung, Indoktrination und Radi- der Union Street. Ein Intellektueller, wie eine Schande für San Francisco. kalisierung von Studenten“. Wong es ist, hat ihn in all den Jahren, in Es ist eine Ungerechtigkeit, die zu kor- Der Bombenanschlag der Hamas, an denen er in der Nähe lebte, vielleicht ein- rigieren es noch nicht zu spät ist. den sich Bürger San Franciscos am besten mal besucht. Wer weiß, ob er nicht zufäl- erinnern, ist einer, der eine der prominen- ligerweise einmal dort war, als Joan im Stephen M. Flatow, ein Rechtsanwalt in testen jüdischen Familien der Stadt er- Laden ihrer Mutter aushalf. New Jersey, ist der Vater von Alisa Flatow, schütterte. Am 21. August 1995 sprengte Während Wong die Bishop O'Dowd SFSU-Präsident Leslie Wong. die 1995 bei einem vom Iran unterstütz- sich eine Hamas-Selbstmordbomberin Catholic High School in Oakland be- ten palästinensischen Terroranschlag er- namens Sufian Jabarin in einem Bus in suchte, ging Joan zur George Washing- „Die Freundschaft erlaubte es ihr, eine mordet wurde. Jerusalem in die Luft (sie benutzte dafür ton High School in San Francisco. Viel- Anstellung im Fillmore Auditorium zu eine Vorrichtung, die der berüchtigte leicht traten die beiden Schulen einmal bekommen und mit den Grateful Dead Übersetzung ins Deutsche: № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 7 Antisemitinnen, ahoi! Dieses Mal fährt eine Frauen-Flottille gegen Israel Von Alex Feuerherdt Frauen hervorheben, die Auch die islamistische IHH ist wie- im palästinensischen der mit dabei Zwei ausschließlich mit Frauen besetzte Kampf in Gaza, im West- An den „Mujeres Rumbo a Gaza“ betei- Schiffe nehmen derzeit Kurs auf den Ga- jordanland, innerhalb der ligen sich Organisationen aus den USA, zastreifen – um die „palästinensischen“ Grünen Linie und in der Kanada, Australien, Südafrika, Italien, Geschlechtsgenossinnen in deren Kampf Diaspora eine zentrale Spanien, Griechenland, Schweden und gegen den jüdischen Staat zu unterstüt- Rolle spielen“. Seit einem Norwegen. Auch die islamistische „In- zen. Die Unterdrückung von Frauen Jahrzehnt werde Gaza von ternationale Humanitäre Hilfsorgani- durch die Hamas ist für die Aktivistinnen Israel blockiert, und in die- sation“ (IHH) aus der Türkei ist dabei – dagegen nicht der Rede wert. Kein Wun- ser Zeit habe es „zahllose wie schon bei der Gaza-Flottille im Mai der: Ihr Antrieb ist nicht die Gleichbe- Angriffe auf die belagerte 2010, an der sie entscheidenden Anteil rechtigung, sondern der Antisemitismus. Bevölkerung gegeben“, hatte, insbesondere dadurch, dass sie für Eines muss man der „Frauen-Flottille“, wodurch deren Leben „in die Mavi Marmara politisch, organisato- die zurzeit auf den Weg in Richtung Ga- einen Albtraum und einen risch und finanziell verantwortlich war. zastreifen ist, ja lassen: Ihre Initiatorin- fortgesetzten Kampf ver- An Bord der Schiffe befinden sich rund nen und Besatzungsmitglieder tun gar wandelt“ worden sei. 20 Aktivistinnen aus neun Ländern, da- nicht erst so, als verfolgten sie das Ziel, Dass die Hamas im runter neben der Witwe von einem der notleidende Menschen mit Hilfsgütern Gazastreifen ein rigides auf der „Mavi Marmara“ getöteten Isla- zu versorgen. Das war bei dem großen islamistisches Regime misten auch die frühere US-Diplomatin „Free Gaza“-Konvoi, der Ende Mai 2010 etabliert hat, in dem Frau- Ann Wright, eine linke schwedische in den Gewässern vor der Küste von Gaza en massiv unterdrückt Europaabgeordnete, eine spanische und sein Ende fand, noch anders: Damals werden, will man bei den eine neuseeländische Parlamentarierin, hatten einige Schiffe eine erkleckliche „Mujeres Rumbo a Gaza“ die amerikanische Schriftstellerin Nao- Fracht an Bord, die zeigen sollte, dass partout nicht sehen. In ei- mi Wallace, eine emeritierte kanadische die Aktivisten von edler Gesinnung sind nem Text mit dem Titel Soziologieprofessorin und die von Isra- und nichts Anderes wollen, als zu hel- „Palästinensische Frauen el nach Spanien ausgewanderte Zohar fen. Bei dieser Fracht handelte es sich Das Logo der weiblichen Gaza-Flottille. sichtbar machen“ bekla- Chamberlain, der die Rolle der jüdischen allerdings zu einem erheblichen Teil um gen sie zwar die eine oder Kronzeugin der Anklage zufällt. wertlosen und unsachgemäß verpackten sitzende der Organisation „Internatio- andere Ungerechtigkeit seitens der Die Flottille startete am 14. September Schrott wie abgelaufene Medikamente nale Ärzte für die Verhütung des Atom- Gotteskriegerpartei, beschwichtigenvom Hafen in Barcelona aus und legte und gebrauchte Kleidung, also um nichts kriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung“ dann aber, das sei in anderen Teilen bislang Zwischenstopps in Ajaccio auf als Staffage für den propagandistischen (IPPNW), Matthias Jochheim, er habe der Welt schließlich auch nicht besser. Korsika sowie in Messina auf Sizilien ein. Zweck. Worum es ihnen eigentlich zu an Bord der „Mavi Marmara“ lediglich Als wahren Feind machen sie nicht das An allen drei Orten gab es Kundgebungen tun war, hatten die Organisatoren oh- und Solidaritätsveranstaltungen für sie, nehin längst deutlich gemacht, als sie überwiegend getragen von „linken“ und ihre Sprecherin unumwunden zugeben In Barcelona erschien sogar die „palästinensischen“ Organisationen. In ließen: „Bei dieser Mission geht es nicht Barcelona erschien sogar die Bürgermeis- darum, humanitäre Güter zu liefern“ – Bürgermeisterin persönlich, um der terin persönlich, um der antiisraelischen also den „Palästinensern“ zu nutzen –, „es Besatzung ihre guten Wünsche mit auf geht darum, Israels Blockade zu brechen“, antiisraelischen Besatzung ihre guten den Weg zu geben. Wie das Unternehmen also dem jüdischen Staat zu schaden und enden wird – sofern die Schiffe überhaupt denen in die Hände zu spielen, die ihn Wünsche mit auf den Weg zu geben. in die Nähe von Gaza kommen und nicht gerne von der Landkarte tilgen würden. wegen technischer Probleme vorher aufge- Der Hamas-Führer Ismail Haniya hatte ben müssen –, dürfte absehbar sein: Die is- deshalb auch frohlockt: „Wenn die Schif- „ein paar kurze Holzknüppel gesehen, islamistische Patriarchat aus, sondern raelische Marine wird das Durchbrechen fe Gaza erreichen, ist das ein Sieg – und mit denen sich einige der Angegriffenen das „rassistische“ und „kolonialistische“ der Blockade verhindern, die Passagierin- wenn sie von den Zionisten terrorisiert verteidigt haben könnten, mehr nicht“. Israel mit seinen „Besatzungs- und Un- nen vorübergehend nach Israel bringen werden, ist das ebenfalls ein Sieg.“ Zudem habe es an Bord den Konsens terdrückungspraktiken“. Dementspre- und sie schließlich abschieben. Das Ge- Die Flottille wurde bekanntlich von der gegeben, „ausschließlich gewaltfreien, chend richtet sich ihre Solidarität mit schrei über die angebliche Unmensch- israelischen Marine am Durchbruch ge- zivilen Ungehorsam zu leisten“, und es den „Palästinenserinnen“ auch nicht ge- lichkeit und Brutalität der Zionisten wird hindert und aufgebracht, woraufhin auf habe „keine Anhaltspunkte“ dafür ge- dem größten Schiff, der „Mavi Marmara“, geben, „dass dieser Konsens gebrochen militante türkische Islamisten die israeli- wurde“. Das sagte der Frankfurter Arzt schen Spezialkräfte mit Messern, Eisen- wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als das stangen, Äxten und anderem Gerät an- Gegenteil längst bewiesen war. Doch er griffen, eine Konfrontation also bewusst musste nicht befürchten, dafür zur Re- OZER,MUSTAFA AFP herbeiführten. Neun von ihnen wurden chenschaft gezogen zu werden oder auch dabei erschossen. Doch obwohl die un- nur einen Ansehensverlust zu erleiden – friedliche Absicht der Passagiere offen- viel zu gerne glaubte ihm die ganz über- kundig war und der Angriff klar von ihnen wiegend antiisraelische Öffentlichkeit ausging, fiel die Weltöffentlichkeit auf die seine Erzählung. PR-Strategie der „Freedom Flotilla Coa- lition“ herein. Diese Strategie hatte darin Verharmlosung der Unterdrü- bestanden, den Medien vorzugaukeln, ckung von Frauen durch die bei den Getöteten und ihren Mitstreitern Hamas handle es sich um wehr- und arglose Men- Auch die Aktivistinnen der von der schenrechtler, die Kinder, Arme und Ge- „Freedom Flotilla Coalition“ initiierten brechliche im Gazastreifen bloß mit dem Kampagne „Mujeres Rumbo a Gaza“ Nötigsten hätten versorgen wollen, vom (Frauen mit Kurs auf Gaza), die nun un- brutalen israelischen Militär jedoch kalt- terwegs sind, werden entscheidend von blütig und hinterhältig ermordet worden ihrer Feindseligkeit gegen Israel ange- seien. Ausweislich der medialen und po- trieben. Dass sie ihre Schiffe – Zaytouna Demo anlässlich der letzten Gaza-Flottille. litischen Resonanz ging der Plan voll auf: (Olive) und Amal (Hoffnung) heißen Israel wurde einmal mehr weltweit an den sie – nicht mit vermeintlichen Hilfsgü- gen die Geschlechterapartheid, sondern dann wieder groß sein – größer jedenfalls, Pranger gestellt, während man den An- tern beladen haben, liegt deshalb weniger sie gilt ausschließlich dem Kampf gegen als die Empörung über die Unterdrückung greifern die Opferrolle zugestand. daran, dass dafür ohnehin kaum Platz den jüdischen Staat und der vermeint- und Entrechtung von Frauen durch die Möglich wurde dies nicht zuletzt da- wäre. Vielmehr halten die Frauen eine lich heldinnenhaften Rolle der Frauen Hamas jemals war. Aber vermutlich ist ge- durch, dass die Schiffsbesatzungen von derartige Camouflage von vornherein darin. Eine Abgrenzung gegen die ter- nau das auch das Ziel von Feministinnen einem faktischen Bündnis aus europäi- für verzichtbar, schließlich geht es ihnen roristische Hamas erfolgt nicht; ganz im dieses Zuschnitts, deren Motivation nicht schen „Friedens“-Aktivisten und gewalt- ausschließlich um eine demonstrative Gegenteil betonen die Aktivistinnen, sie Geschlechtergerechtigkeit ist, sondern bereiten Islamisten gestellt wurden. Die politische Aktion: Sie wollen, wie sie hätten „zu akzeptieren, dass die Palästi- Antisemitismus. einen deckten und verharmlosten die Ta- selbst sagen, die israelische Blockade des nenser selbst zu entscheiden haben, ob ten der anderen, vereint im Hass auf den Gazastreifens durchbrechen und „die un- sie ihre Sache mit Gewalt oder gewalt- Zuerst veröffentlicht auf MENA- jüdischen Staat. So behauptete seinerzeit bestreitbaren Beiträge sowie den unbe- frei betreiben“. Ein Freibrief selbst für Watch – Der unabhängige Nahost- beispielsweise der stellvertretende Vor- zwingbaren Geist der palästinensischen antisemitische Mordtaten. Thinktank. 8 WELT № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Ishak Alaton – der große jüdisch-türkische Unternehmer ist tot Ein Nachruf von einem Landsmann Von Ekrem Kus sungsansätze anzubieten. Zu den größten Niederlagen in seinen „Was soll ich mit einem Porsche oder Leben wird er es später rechnen, dass er Ferrari? In Istanbul beträgt die durch- es nicht geschafft hat die Sozialdemo - schnittliche Geschwindigkeit von Autos kratie nach schwedischer Prägung in 17,5 km/h. Mehr ist nicht drin.“ die Türkei zu bringen. Sein Partner Dr. Dieses Zitat kann einen, diesen ganz Üzeyir Garih wird ihn immer wieder da- besonderen Menschen, kaum besser ran erinnern, sich nicht in die Politik ein- beschreiben und seine innere Einstel- zumischen, sondern sich auf sein Unter- lung, seine Lebensphilosophie besser nehmertum zu konzentrieren. Er weiß, verdeutlichen. Seine Aufrichtigkeit, Bo- das Garih Recht hatte. Jedoch konnte er denständigkeit und seinen Realitätssinn sich nicht bremsen. Jahrzehntelang setz- könnte kein Biographie besser erklären. te er sich für die Kumpels in den türki- Eigentlich müsste hier unsere Nach- schen Bergwerken am Schwarzmeer ein. ruf zu Ende gehen. Nicht so bei Alaton. Vor etwa 30 Jahren reist er in die Ishak Alaton war nicht nur ein erfolgrei- Gegend und nimmt dort an einer Ver- cher Unternehmer, er war Aufklärer, ein sammlung der Gewerkschaften mit Mahner, einer, der zum Denken anreg- dem Kumpels teil. Als er das Mikrofon te. Immer, wenn man gedacht hat „ach nimmt, wird er von tausenden Men- schon wieder so ein reicher Schnösel“, schen ausgebuht. Er ist Repräsentant kam er mit seinen Einwänden und sei- des Großkapitals. Plötzlich schreit er ins nen revolutionären Lösungensansätzen. Mikrofon „Ruheeeeee!“. Alle sind plötz- Ach ja, eine Biographie über ihn wurde lich still. „Ihr seid Dumm. Wie könnt ihr gibt es auch, geschrieben von Mehmet für so wenig Geld unter Tage gehen und Gündem mit dem Titel „Der notwen- dort Euer Leben riskieren? Seid ihr ver- dige Mann“. Alaton ergänzte das später rückt?“ mit seinem eigenen Buch „Der überflüs- Die Türkei hat sehr hohe Unfallzah- sige Mann“. len unter Tage. Der türkische Bergbau hängt am Tropf des Staates und wird Dazu später mehr. Wir gehen stark subventioniert. Alaton schlägt vor zunächst zu seinen Wurzeln. die Bergwerke dichtzumachen und die Ishak Alaton wurde 1927 in Istanbul Menschen umzuschulen. „Lasst uns hier geboren. Er besuchte das renommierte am Schwarzen Meer Fischfarmen grün- französische St. Michel-Gymnasium im den und wir züchten Fische.“ Und an die Bezirk Şişli, eine damals von französi- Arbeiter direkt: „Wenn ihr gar nichts tut schen Geistlichen geführte Schule. Ala- Ishak Alaton. und zu Hause sitzt und euer Gehalt wird ton stammte aus einfachen Verhältnissen euch jeden Monat überwiesen – sogar und seine jungen Jahre in der jungen tür- er in der Abendschule eine Ausbildung die Sepharden ins Osmanische Reich dann ist das Ganze billiger als jetzt, wo kischen Republik waren eher von Ent- zum Technischen Zeichner. gebracht wurden und schickte zu diesem Ihr unter großer Gefahr einfahrt und behrungen geprägt. Er verließ das Gym- Schweden hatte ihn sehr beeindruckt Zwecke seine Schiffe nach Spanien. Die täglich 10 Stunden arbeitet“. nasium ohne Abschluss, da sein Vater und er stufte dieses Land wegen sei- meisten Sepharden, wie auch die Fami- Später wird er selbst Fischfarmen Hayim Alaton in diesen „grauen Zeiten“, ner Sozialleistungen und wegen seiner lie Alaton, siedelten sich in Saloniki im am Schwarzen Meer errichten. Er lässt wie Alaton sie nannte, die damals übliche Gleichberechtigung als „perfekt“ ein. heutigen Griechenland an, das damals Experten aus Norwegen kommen und „Existenzsteuer“ nicht entrichten konn- Eine neue Welt eröffnete sich ihm als „kleines Jerusalem“ genannt wurde. möchte Lachse züchten. Obwohl die te. Die Familie war eine von 5.000 Nicht- er damals die Jungsozialisten in Schwe- Während des Zweiten Weltkrieges flo- Norweger grünes Licht geben – das muslimen, die von Şişli zum Arbeitslager den kennenlernte. Schulungen bei den hen die Sepharden wieder, diesmal nach Schwarze Meer ist zu warm für die von Aşkale in Anatolien gebracht wur- Lachszucht. Er wird 6-7 Millionen Dol- den. lar in den Sand setzen. Seine zweite Die Existenzsteuer war ursprünglich Die jüdische Gemeinde in der Türkei hat Niederlage, nachdem er 60 Jahre lang für alle Bürger vorgesehen, um die Wirt- erfolglos die Türkei zu einem sozialde- schaft anzukurbeln. In geheimen Sit- genau die umgekehrte Entwicklung wie die mokratischen Land umzufunktionieren zungen wurde sie jedoch zu einer Steuer versuchte. instrumentalisiert, die nur von Nicht- in Deutschland genommen: Statt von 1992 möchte Mehmet Gündem sei- Muslimen entrichtet werden musste. ne Memoiren schreiben. Alaton willigt Damals, in den 1940er Jahren machten 20.000 auf 100.000 zu wachsen, ist sie von ein und sie treffen sich regelmäßig, zwei in Istanbul antisemitische Gerüchte Jahre lang in seinem Büro. Zum Schluss die Runde und in der Presse erschienen 100.000 auf 20.000 geschrumpft. nennt Gündem das Buch „Der notwen- Berichte über „Schwarzmarkt-Juden, dige Mann“. Zinseintreiber, Glücksspieler-Juden“, so schwedischen Jusos bezeichnet er später Konstantinopel. Die Wehrmacht saß ih- Spaeter gibt er die Leitung der Firmen dass diese absichtlich erzeugte antise- als „wertvolles Gepäck fürs ganze Le- nen im Nacken. ab und bereitet sein Rückzug aus dem mitische Stimmung für diese Ungerech- ben“. Alaton und sein Partner gründeten Geschäftsleben und möchte sich „über- tigkeit und für die Verarmung mancher In einem Interview mit der türkischen eine Firma und montierten in den ersten flüssig machen“. Der Nachwuchs hat er- Nicht-Muslime sorgte. Dies betraf vor Tageszeitung „Star“ im Jahre 2000 sagte Jahren Heizungen in Istanbul. Damit folgreich das Steuer übernommen. Ala- allem die Juden. Die „Existenzsteuer“ Alaton „es gehörte schon Mut dazu sich war der Startschuss für eines der be- ton schreibt selbst ein Buch und nennt machte Hayim Alaton zu einem ge- in den 50er Jahren zur Sozialdemokratie kanntesten türkischen Technologieun- das Buch „Der überflüssige Mann“. brochenen Mann und trotzdem liebte zu bekennen.“ ternehmens gegeben. „Seit meinem 65. Lebensjahr versuche er sein Land. Um die Steuerschulden Mit 28 Jahren kehrte Alaton, der 1958 Heute hat das Unternehmen meh- ich überflüssig zu sein. Die Zeit verrinnt zu bezahlen, mussten sie in einem Ar- die Schwedin Margarete von Proschek rere tausend Mitarbeiter auf drei Kon- und in meiner Bibliothek warten unzäh- beitslager im ostanatolischen Aşkale in heiratete, in die Türkei zurück und tinenten und ist neben Klimatechnik, lige Bücher auf mich, die ich noch nie einem Steinbruch arbeiten. Außerdem machte sich mit einem der Opfer der Energie, Inftrastruktur und Bau auch gelesen habe. musste die Familie all ihr Hab und Gut Existenzsteuer, Üzeyir Garih, selbstän- im Tourismus tätig. Alaton ist Gründer Es ist gut, dass ich ab einem gewissen für diese „Steuerschuld“ hergeben. Sein dig und beide legten damit den Grund- mehrerer sozialer Stiftungen und war in Punkt, nicht mehr danach gestrebt habe Bruder wird später das Land resigniert stein ihres heutigen Unternehmensim- den Jahren 1998-2012 Honorarkonsul noch mehr Geld zu verdienen. Gut, das mit den Worten „verflucht sei dieses periums, in einem kleinen Büro in der von Südafrika in Istanbul. Er ist Trä- ich immer ein neugieriger Mensch war. Land“ verlassen und die Kontakte zu Bankenstraße in Karaköy. ger des „Nordstern erster Klasse“ von Gut, das ich zum richtigen Zeitpunkt die ihm nur spärlich aufrechthalten. Die jüdische Gemeinde in der Türkei, Schweden und des „Königlich spani- Firma an Profis übergeben habe. Gut, Zurück in Istanbul arbeitete Alaton einstmals 100.000 Menschen (heute schen Zivilordens“. das mir nur eine Persöhnlichkeit nicht in jungen Jahren beim Volvo-Händler gerade einmal 22.000!), die vornehm- Alaton wurde mal gefragt, wo er seine ausgereicht hat. Gut, das ich mich mit Mehmet Kavala als „Bote für alles“. Hier lich in Istanbul und in Izmir lebte, ge- Heimat sah, in Israel oder der Türkei. Fragen des Allgemeinwohls beschäf- nutzt er den Kontakt zum schwedischen hört den sephardischen Juden an. Die Er sagte wie aus der Pistole geschossen tigt habe. Gut, das ich meinem Partner Konsulat, um eine Wendung in seinem Sepharden sind eine von Iberischen „Natürlich in der Türkei“. Die Liebe zu Üzeyir Garih kennengelernt habe“. jungen Leben herbeizuführen. Der Kon- Halbinsel geflohene Gruppe von Juden, seiner Heimat erbte er von seinem Vater. Gut, das wir dich kennenlernen durf- sul setzte sich für ihn ein und er fängt bei die eine neue Heimat im Osmanischen Diese Heimtliebe bedeutet für ihn, den ten. Gut, das du nicht das Land verlas- einer Lokomotivfabrik in Schweden als Reich fanden. Nach den Pogromen von rastlosen Weltverbesserer, ständig das sen hast und immer daran geglaubt hast. angelernter Schweißer an. Später macht Sevilla 1391 veranlasste der Sultan, das Vorhandene infrage zu stellen und Lö- Überflüssiger Mann Ishak Alaton. № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 9 Antisemitismus ohne Antisemiten Linke Demontage der jüdischen Identität Von Michael Groys rend der Schoah in seinen Abhandlun- gen „Überlegungen zur Judenfrage“ „Mein Gott bewahre mich vor meinen mit dem Dilemma der Juden fast schon Freunden, mit meinen Feinden werde humoristisch auseinander: „Zwischen ich allein fertig.“ Dieses berühmt-be- seinem Gegner und seinem Verteidi- rüchtigte Zitat des französischen Phi- ger steht der Jude ziemlich schlecht da: losophen Voltaire trifft in etwa die Pro- ihm scheint nur die Wahl zu bleiben, ob blematik der Juden in den westlichen er roh oder gekocht verspeist werden Demokratien. Die Feinde der Juden, möchte.“ Trotz dieser Auffassung Sar- also Antisemiten, vor allem solche die tres und der obigen Beschreibung des sich dazu bekennen, existieren in der Verhaltens der Demokraten, kann der öffentlichen Wahrnehmung gar nicht. Jude in einer wehrhaften Demokratie Wenn es solche dann doch mal gibt, schon auf Schutz hoffen. Dazu müs- so sind sie marginalisiert und verpönt. sen die Demokraten im Wesentlichen Wir haben mit anderen Worten also ei- zwei Dinge tun: Erstens sollten sie sich nen Antisemitismus ohne Antisemiten. wirklich für den Juden interessieren Die Juden in der westlichen Welt und zweitens den ehrlichen Willen ha-

sind umgeben von lauter „Freunden“, AFP ben dieser Gruppe von Menschen zu vor allem den Demokraten. Sie kämp- helfen. Dies ist möglich ohne andere zu fen für die Rechte der Juden, weil es vernachlässigen. Menschenrechte seien. Sie sind für den Bernhard Lichtenberg, katholischer Juden, weil sie in ihm den Menschen er- Pfarrer, war ein lebendes Beispiel dafür, kennen und den Juden verbannen wol- dass man sich sehr wohl um die Juden len. Nicht selten sind mir „progressive“ kümmern kann und auch die Christen demokratisch denkende Menschen davor bewahren kann Verbrechen zu begegnet, die eine jüdische Identität begehen. Bei seinen Predigten und vor negieren. Solche, die die jüdische Iden- allem bei seinen Handlungen schaffte tität doch anerkennen, machen immer er beides unter einen Hut zu bringen. wieder den Versuch der Demontage des Toleranz darf keine Ausrede für Un- jüdischen Selbstbewusstseins als ein tätigkeit werden. Man muss sich des- Überbleibsel aus längst vergangen Ta- sen bewusst sein, dass der Kampf ge- gen. Sie haben sich nämlich von Identi- Jean-Paul Sartre: „Dem Juden bleibt nur die Wahl, ob er gekocht oder roh verspeist werden möchte.“ gen Antisemitismus unangenehm sein täten dieser Art befreit…und sind nun wird. Dabei geht es auch nicht um eine was? Antisemiten. nicht ansatzweise vergleichbar mit dem physische Auseinandersetzung mit An- Der Kampf der Demokraten für die Dieses Beispiel aus der Schoah kann Schutz der Juden vor diesem Wahn. tisemiten, sondern mit einem Famili- Rechte der Juden hat Grenzen. Es ist recht schnell auch auf die heutigen Tage Diese gemütliche Argumentation enmitglied am Tisch oder mit einem die eigene Toleranz, die schnell auch übertragen werden, wo viele Politiker vieler Politiker, sie müssten sich um Kollegen auf der Arbeit. Dem Antise- auf die Feinde der Demokratie aus- bei Anschlägen auf jüdische Mitbürger vieles kümmern und vor allem um die mitismus Widerstand zu leisten, muss geweitet wird. Zum Schutz der Juden und Einrichtungen ihre Besorgnis aus- gesamte Menschheit, lässt den Juden nicht immer heißen, physische Gewalt kann der Demokrat sich ja nicht so sprechen, aber daraus nur bedingt Kon- mit seinem Schicksal alleine. Wenn auszuüben und bildlich die Tore von verhalten wie der Antisemit, also pfle- sequenzen folgen. Dieser Einsatz für ich Antisemitismus anprangere, was Auschwitz zu öffnen. Raoul Wallenberg gen westliche Politiker nicht selten die Juden ist meistens leidenschaftslos, nicht unbedingt meine Aufgabe als Be- stellte Pässe aus, Lichtenberg predigte den Gedanken, die Antisemiten ließen ritualisiert und letztendlich unehrlich. troffener ist, wird mir vorgeworfen „zu und der König von Dänemark zog einen sich vielleicht umstimmen oder wür- Die Rechtfertigung dafür ist auch viel“ davon zu sprechen. Es klingt sehr gelben Stern an. Keiner von ihnen fand den ihre Schandtaten bedauern. Diese recht einfach. Wenn die Juden Men- ermüdend über diesen ewigen Hass zu sich mit der Situation ab, alle haben den Hoffnung hätte man spätestens bei den schen sind wie alle anderen, müssen sie sprechen und vor allem ihm Wider- Juden geholfen und auch gleichzeitig Nürnberger Prozessen aufgeben sollen. zwar verteidigt werden, aber in einer stand zu leisten. Die Errichtung von die Menschheit geschützt. Sie haben Ranghohe Nazis und SS-Schergen an Reihe mit allen anderen. An dieser Stel- Denkmälern ist in diesem Sinne einfa- der Menschheit dazu verholfen sich im der Rampe von Auschwitz hatten kein le soll eindeutig nicht Rassismus oder cher. Es sieht gut aus, tut keinem weh moralischen Sinne noch als Menschen Bedauern gezeigt. andere menschenbezogenen Feind- und hilft auch nicht. bezeichnen zu können. Des Weiteren führt diese Denkweise schaften gegeneinander ausgespielt Ich glaube nämlich auch wie Anna zu einer Passivität, die letztendlich töd- werden. Der Antisemit hat aber eben Demokraten sind die neuen Frank an das Gute im Menschen und lich ist. Je länger die Rote Armee für nur einen Feind, mit dem er sich stän- Antisemiten? den einen oder anderen westlichen Po- die Befreiung der Vernichtungslager dig beschäftigt. Die Obsession, mit der Der französische Philosoph Jean-Paul litiker, damit wir Juden nicht ganz allei- gebraucht hatte, desto länger mordeten der Antisemit seinen Hass auslebt, ist Sartre setzte sich schon 1944, also wäh- ne sind.

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Wer bisher nicht verstanden hat, warum Benjamin Netanjahu in Israel so beliebt ist, weil er über diesen Mann immer nur aus der europäischen Presse erfahren hat, sollte sich einmal die Zeit nehmen, nicht nur die Dinge zu lesen, die über ihn gesagt werden, sondern auch mal die Dinge, die er selber sagt. Sie zeigen nämlich, dass er ein Mann des Friedens, der Vernunft und der Zukunft ist. Die folgende Rede hielt er am 22. September 2016 in den Vereinten Nationen. Es ist eine wahrlich grandiose Rede. Ich möchte die Rede wie folgt über- schreiben:

Benjamin Netanjahu erzählt von einem Jewel SAMAD / AFP Witz! „Herr Präsident, meine Damen und Herren, was ich jetzt sage, wird Sie schockieren: Israel hat eine glänzende Zukunft in den Vereinten Nationen vor sich. Ich weiß, es muss Sie überraschen, das ausgerech- net von mir zu hören, da ich Jahr für Jahr an diesem Podium gestanden und die Vereinten Nationen für ihre obsessive Voreingenommenheit gegenüber Isra- el gescholten habe. Die UNO hat jedes schonungslose Wort verdient, bedenkt man das schändliche Tun der Generalver- sammlung, im vergangenen Jahr zwanzig Resolutionen gegen den demokratischen Staat Israel verabschiedet zu haben, aber nur die Summe von exakt drei Resoluti- nun in Asien, Afrika oder in Lateiname- Wassermacht. Wenn wir also eine dursti- können, diese Länder in ihren Bemühun- onen gegen alle anderen Länder auf die- rika, werden Israel als starken Partner er- ge Welt haben, und die haben wir, dann gen zu unterstützen, die eigene Situation sem Planeten. Israel, zwanzig; der Rest kennen im Kampf gegen den Terrorismus gibt es dagegen keinen besseren Verbün- zu verbessern. In Afrika ändern sich die der Welt, drei. von heute und im Entwickeln von Techno- deten als Israel. Dinge! Auch in China, Indien, Russland, Und was ist mit dem Witz, der sich logien von morgen. Wie sieht es mit der Internetsicherheit Japan ändert sich die Haltung zu Israel UN-Menschenrechtsrats nennt und je- Heute pflegt Israel diplomatische Be- aus? Das ist ein Thema, das uns alle be- ebenfalls. Diese mächtigen Nationen wis- des Jahr Israel mehr verurteilt als alle ziehungen zu mehr als 160 Ländern. Das trifft. Israel macht zwar nur ein Zehntel sen, dass Israel trotz der geringen Größe anderen Länder der Welt zusammen? In ist fast doppelt so viel wie zu der Zeit, als eines Prozents der Weltbevölkerung aus, große Veränderungen in vielen, vielen einer Welt, in der Frauen systematisch ich hier vor rund dreißig Jahren als Israels hat aber dennoch im vergangenen Jahr Bereichen bewirken kann, die ihnen vergewaltigt, ermordet und als Sklavin- Botschafter diente. Und diese Beziehun- rund zwanzig Prozent aller weltweit pri- wichtig sind. nen verkauft werden, welches ist wohl das gen werden jeden Tag tiefer und intensi- vaten Investitionen im Bereich der Inter- Aber jetzt werde ich Sie noch mehr einzige Land, das die UN-Kommission ver. Die Führer der Welt wissen immer netsicherheit getätigt. Verdauen Sie diese überraschen. Sie werden feststellen, dass dieses Jahr auserkoren hat, um es für die mehr zu schätzen, dass Israel ein starkes Zahl erst einmal. In der Internetsicher- die größte Veränderung in der Haltung Behandlung von Frauen zu verurteilen? Land mit einem der besten Nachrichten- heit schlägt sich Israel erfolgreich satte zu Israel auch anderswo stattfinden wird, Ja, Sie haben richtig geraten: Israel. Isra- dienste der Welt ist. Aufgrund unserer 200-mal über seiner Gewichtsklasse. nämlich in der arabischen Welt. Unsere el! Israel, wo Frauen Kampfjets fliegen, unerreichten Erfahrung und unseren Somit ist Israel ebenfalls eine globale In- Friedensverträge mit Ägypten und Jor- große Unternehmen und Universitäten bewährten Fähigkeiten im Kampf gegen ternetmacht. Wenn Hacker Ihre Banken, danien sind Stabilitätsanker im sonst leiten, dem Obersten Gericht schon zwei den Terrorismus, suchen viele Ihrer Re- Flugzeuge, Stromnetze und so ziemlich so unsicheren Nahen Osten. Und daher Mal vorstanden und als Sprecherinnen in gierungen unsere Hilfe, um Ihre Länder alle anderen Netzwerke attackieren, bie- sage ich Ihnen noch etwas: Zum ersten der und als Premierministerin sicher zu halten. tet Israel unverzichtbare Hilfe an. Die Re- Mal in meinem Leben, erkennen viele gedient haben. Viele streben danach, von Israels Ein- gierungen der Welt ändern ihre Haltun- andere Staaten in der Region, dass Israel Und der Zirkus geht weiter bei der fallsreichtum zu profitieren, sei es nun gen zu Israel, weil sie wissen, dass Israel nicht ihr Feind ist, sie erkennen vielmehr, UNESCO. Die UNESCO ist als UN- in der Landwirtschaft, im Gesundheits- ihnen helfen kann, ihre Völker zu schüt- dass Israel ihr Verbündeter ist! Unsere Gremium damit beauftragt, das Welt- wesen, in der Wasseraufbereitung, in der zen, zu ernähren und ihr Leben besser zu gemeinsamen Feinde sind der Iran und kulturerbe zu erhalten. Es ist schwer zu Internetsicherheit, der Verarbeitung von gestalten. ISIS. Unsere gemeinsamen Ziele sind glauben, was ich jetzt sage, aber diese großen Datenmengen, der Netzwerker- In diesem Sommer hatte ich die un- Sicherheit, Wohlstand und Frieden. Ich UNESCO verweigerte dem jüdischen glaube daher, dass wir in den kommen- Volk tatsächlich jüngst die in 4.000 Jah- den Jahren zusammenarbeiten werden, ren gewachsene Verbindung zu seiner Die in 4.000 Jahren gewachsene Verbindung um diese gemeinsamen Ziele in offener heiligsten Stätte, dem Tempelberg. Das Zusammenarbeit zu verwirklichen. ist genauso absurd, wie die Verbindung des jüdischen Volkes zu seiner heiligsten Israels diplomatische Beziehungen er- zwischen der Chinesischen Mauer und leben gerade nichts weniger als eine Re- China zu leugnen. Stätte, dem Tempelberg zu leugnen ist volution. In dieser Revolution werden Meine Damen und Herren, wir jedoch nie unsere liebste Allianz und die UNO hat einst als eine moralische genauso absurd, wie die Verbindung unsere tiefste Freundschaft mit den Ver- Instanz begonnen, sie ist aber zu einer mo- einigten Staaten von Amerika vergessen. ralischen Farce verkommen. Sie werden zwischen der Chinesischen Mauer Sie ist die stärkste und großzügigste Nati- jetzt vielleicht denken, wenn es in den Ver- on auf der Erde. einten Nationen um Israel geht, wird sich und China zu leugnen. (Applaus im Saal) nichts mehr ändern, aber da irren Sie sich. Unsere unzertrennliche Verbindung Sehen Sie, all das wird sich ändern und viel weiterung oder der Entwicklung künstli- glaubliche Gelegenheit, diese Verände- mit den Vereinigten Staaten von Ameri- früher als Sie denken. Die Veränderungen cher Intelligenzen, all das Wissen, das die rungen mit eigenen Augen zu sehen und ka geht über Parteien und Politik hinaus. werden sich auch in diesem Saal manifes- Welt in jeder Hinsicht verändert. zwar als ich eine unvergessliche Reise in Sie zeigt sich vor allem in der überwälti- tieren. Wenn Sie wieder zu Hause sind, Sie sollten dies bedenken: Israel ist vier afrikanische Länder tätigte. Es war genden Solidarität, die Israel unter dem werden Ihre Regierungen schon sehr bald weltweit führend in der Wiederaufberei- der erste Afrikabesuch eines israelischen amerikanischen Volk erfährt, eine Un- ihre Haltungen zu Israel verändern und tung von Abwasser. Wir recyceln über Premierministers seit Jahrzehnten. Im terstützung, die sich zur Zeit auf einer das wird früher oder später dafür sorgen, 90% unseres Abwassers. Wie bemerkens- Laufe des heutigen Tages werde ich mich Rekordhöhe befindet und für die wir sehr dass auch Sie Ihre Wahlentscheidungen wert ist das? Nun, das nächste Land auf zudem mit Führern von 17 afrikanischen dankbar sind. über Israel hier in den Vereinten Nationen der Liste recycelt nur etwa 20% seines Ländern treffen, um darüber zu diskutie- Die Vereinten Nationen prangern Isra- überdenken. Immer mehr Nationen, ob Abwassers. Israel ist somit eine globale ren, wie israelische Technologien helfen el an. Die Vereinigten Staaten unterstüt- № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 11 zen Israel. Eine zentrale Säule dieser Un- kommenden Jahren das gute Ansehen Vereinten Nationen schwer aussterben, Der Konflikt tobte schon Jahrzehnte terstützung bei den Vereinten Nationen Israels unter den Nationen der Welt auch sterben palästinensische Gewohnhei- vor der ersten Siedlung, als Judäa, Sa- ist Amerikas konsequente Verteidigung auf das Ansehen Israels unter den Nati- ten noch viel schwieriger aus. Präsident maria und Gaza noch allesamt in arabi- Israels. Ich schätze Präsident Obamas onen in diesem Saal auswirken wird. Abbas hat gerade von diesem Podium scher Hand waren. Seit das Westjordan- Engagement für diese langjährige US- Ich habe sogar so viel Zutrauen, dass ich aus die Balfour-Deklaration angegrif- land und der Gazastreifen in arabischer Politik. Um genau zu sein, das einzige vorhersage, in einem Jahrzehnt von heu- fen. Er bereitet momentan eine Klage Hand sind, werden wir aus diesen Ge- Mal, dass die Vereinigten Staaten wäh- te wird ein israelischer Premierminister gegen Großbritannien vor, aufgrund bieten angegriffen, wieder und wieder rend der Obama-Präsidentschaft ein hier stehen, wo ich jetzt stehe und den der Erklärung von 1917. Das ist fast 100 und wieder. Als wir alle 21 Siedlungen Veto im UN-Sicherheitsrat einbrachten, Vereinten Nationen applaudieren. Jahren her. Da steckt mal jemand in der im Gazastreifen aufgaben und uns gänz- war es ein Veto gegen eine anti-israeli- Aber jetzt frage ich Sie: Warum müs- Vergangenheit fest! Die Palästinenser lich selbst aus den letzten Winkeln Ga- sche Resolution aus dem Jahr 2011. Wie sen wir ein ganzes Jahrzehnt warten? können genauso gut den Iran für die Er- zas verabschiedeten, bekamen wir nicht Präsident Obama zu Recht auf diesem Warum wollen Sie weiter Israel verleum- klärung Nebukadnezars verklagen, der Frieden aus dem Gazastreifen. Wir be- es uns Juden erlaubte, unseren Tempel kamen Tausende von Raketen, die aus in Jerusalem vor 2.500 Jahre wieder auf- dem Gazastreifen auf uns abgefeuert Die „Palästinenser“ können genauso gut zubauen. Oder wo wir schon mal dabei wurden. Dieser Konflikt tobt, weil die sind, warum bringen die Palästinenser Siedlungen, die die Palästinenser nicht den Iran für die Erklärung Nebukadnezars nicht direkt eine Sammelklage gegen anerkennen, folgende Namen tragen: Abraham ein, weil er ein Grundstück in Haifa, Jaffa und Tel Aviv. verklagen, der es uns Juden erlaubte, Hebron kaufte, wo die Väter und Mütter Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des jüdischen Volkes vor 4.000 Jahren der Siedlungen ist eine reale Frage. Sie unseren Tempel in Jerusalem vor begraben wurden? kann und muss in Verhandlungen gelöst (Stille im Saal) werden. Aber in diesem Konflikt ging es 2.500 Jahren wieder aufzubauen. Sie lachen nicht? Es ist nicht absurder nie um Siedlungen oder um die Errich- als die britische Regierung für die Bal- tung eines palästinensischen Staats. Es Podium erklärte, Frieden kommt nicht den? Vermutlich, weil einige von Ihnen four-Deklaration zu verklagen! Meint ging immer schon um die Existenz eines von Erklärungen und Resolutionen der noch nicht begriffen haben, dass die ob- er das ernst? Das wird ernstgenommen jüdischen Staates in irgendeiner Grenze. Vereinten Nationen. sessive Voreingenommenheit gegenüber hier? Meine Damen und Herren, Ich glaube, der Tag ist nicht mehr Israel nicht nur ein Problem für mein Präsident Abbas greift die Balfour- Israel ist bereit, ich bin bereit, über fern, da Israel sich auf viele, viele weitere Land ist, sondern auch ein Problem für Deklaration an, weil sie das Recht des sämtliche endgültigen Fragen zu ver- Länder verlassen können wird, die dann Ihre Länder. Wenn die UNO nämlich jüdischen Volkes zu einer nationalen handeln, bis auf eine Sache: Ich werde mit uns und zu uns unter den Vereinten so viel Zeit damit verbringt, die einzige Heimstätte im Land Israel anerkennt. nie über unser Recht verhandeln, einen Nationen stehen. Langsam, aber sicher, finden die Zeiten, da UN-Botschafter reflexartig Israel verurteilten, ein Ende. Meine Damen und Herren, die automatische Mehrheit gegen Is- rael, die sich heute noch regelmäßig in der UNO einstellt, erinnert mich an die unglaubliche Geschichte von Hiroo Onada. Hiroo war ein japanischer Sol- dat, der im Jahre 1944 auf die Philip- pinen versetzt wurde. Dort lebte er im Dschungel, ernährte sich von der Um- gebung und entzog sich mehrfach Fest- nahmen. Er ergab sich erst im Jahr 1974, rund 30 Jahre nachdem der Zweite Welt- krieg bereits zu Ende war. Jahrzehnte weigerte sich Hiroo zu glauben, dass der Krieg vorbei war. Während sich Hiroo im Dschungel versteckte, schwammen japanische Touristen in Pools ameri- kanischer Luxushotels in der Nähe von Manila. Schließlich erbarmte sich ein ehemaliger Kommandant Hiroos und konnte ihn davon überzeugen, aus sei- nem Versteck zu kommen. Erst da legte Jewel SAMAD / AFP Hiroo seine Waffen nieder. Netanjahu ist optimistisch, dass die zahlreichen israel-feindlichen Mitgliedsstaaten ihr Verhältnis zu dem Land in Zukunft überdenken werden. Meine Damen und Herren, verehrte Delegierte aus so vielen Län- liberale Demokratie im Nahen Osten zu Die Vereinten Nationen unterstützten eigenen und einzigen jüdischen Staat zu dern, verurteilen, hat sie viel weniger Zeit, um die Errichtung eines jüdischen Staates haben. ich habe heute eine Nachricht für Sie: Krieg, Krankheit, Armut, Klimawandel im Jahr 1947, weil sie unser historisches (Anhaltender Beifall im Saal) Legen Sie Ihre Waffen nieder. Der Krieg und all die anderen ernsten Probleme zu und moralisches Recht an einem Land Wow, anhaltender Beifall für den Pre- gegen Israel bei den Vereinten Nationen adressieren, die diesen Planeten plagen. in unserer Heimat anerkannten. Doch mierminister von Israel in der UN-Ge- ist zu Ende! Oder haben Sie das Abschlachten ei- heute, fast 70 Jahre später, weigern sich neralversammlung? Die Veränderung Einige von Ihnen wissen es vielleicht ner halben Million Syrer mit Ihrer Ver- die Palästinenser immer noch, dieses kommt früher als ich dachte. noch nicht, aber ich bin zuversichtlich, urteilung Israels verhindert? Das Israel, Recht anzuerkennen. Sie erkennen we- Hätten die Palästinenser im Jahr 1947 eines Tages, in nicht allzu ferner Zu- das Tausende von verletzten Syrern in der unser Recht auf eine Heimat an, zu dem jüdischen Staat Ja gesagt, hätte es kunft, werden auch Sie die Meldung Krankenhäusern aufgenommen und von Ihrem Präsidenten oder von Ih- behandelt hat. Darunter ist ein Feldla- rem Premierminister erhalten, dass zarett, das meine Regierung auf den Go- Der Konflikt tobte schon Jahrzehnte der Krieg gegen Israel in den Vereinten lanhöhen entlang der Grenze zu Syrien Nationen vorbei ist. Ja, ich weiß auch, gebaut hat. Haben Sie all den an Kränen vor der ersten Siedlung, als Judäa, es könnte noch ein Sturm vor der Ruhe aufgehängten Homosexuellen im Iran kommen. Ich habe hier nämlich wieder durch Ihre Verunglimpfung Israels ge- Samaria und Gaza noch allesamt in die Absicht vernommen, dass später in holfen, dem Israel, wo Homosexuelle diesem Jahr hier in der UNO wieder stolz in unseren Straßen marschieren arabischer Hand waren. Die jüdischen gegen Israel agitiert werden soll. Aber und in unserem Parlament dienen? Ich glaubt hier wirklich jemand ernsthaft, bin stolz darauf, dass sie auch in mei- Siedlungen, die die „Palästinenser“ dass Israel die Vereinten Nationen über ner Likud-Partei sind. Haben Sie den Sicherheitsfragen und nationale Interes- hungernden Kindern in der brutalen nicht anerkennen, heißen Haifa, sen Israels bestimmen lassen wird? Wir Tyrannei Nordkoreas mit Ihrer Dämo- werden die Versuche der Vereinten Na- nisierung Israels geholfen, Israel, dessen Jaffa und Tel Aviv. tionen, Israel Bedingungen zu diktieren, landwirtschaftliches Wissen den Hun- nie akzeptieren, denn wir wissen um die ger in Entwicklungsländern bekämpft? noch unser Recht auf einen Staat und nie einen Krieg gegeben und somit auch Geschichte der Feindseligkeit der Ver- Je früher die Obsession der Vereinten eine eigene Gesetzgebung. Sie erkennen keine Flüchtlinge und keinen Konflikt. einten Nationen gegenüber Israel! Der Nationen mit Israel endet, umso besser. nichts an! Die anhaltende palästinensi- Sobald die Palästinenser zu einem jüdi- Weg zum Frieden führt durch Jerusalem Es ist besser für Israel, besser für Ihre sche Weigerung, den jüdischen Staat in schen Staat Ja sagen, werden wir in der und Ramallah, nicht durch New York. Länder und besser für die Vereinten Na- irgendeiner Grenze anzuerkennen, ist Lage sein, diesen Konflikt ein für alle Aber unabhängig davon, was in den tionen selbst! der wahre Kern des Konflikts. Sie sehen, Mal zu beenden. Nun, genau hier liegt die nächsten Monaten passieren wird, ich Meine Damen und Herren, in diesem Konflikt geht es nicht um die Tragödie. Die Palästinenser sind nicht habe vollstes Vertrauen, dass sich in den wenn schon die Gewohnheiten der Siedlungen. Darum ging es nie. nur in der Vergangenheit gefangen, ihre 12 WELT № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU

Führer vergiften sogar die Zukunft. Ich schrecklichen Tat eines jüdischen Terro- Islams. Die blutige Spur dieses Fanatis- werk aus. Das Terrornetzwerk umspannt möchte Sie einmal bitten, sich den Tag ei- risten. Er lag bandagiert und bewusstlos, mus‘ zieht sich durch alle Kontinente, die mittlerweile alle fünf Kontinenten. Der nes 13-jährigen palästinensischen Jungen während israelische Ärzte rund um die hier vertreten sind. Sie läuft durch Paris springende Punkt ist daher, die Bedro- vorzustellen. Nennen wir ihn Ali. Uhr daran arbeiteten, ihn zu retten. und Nizza, Brüssel und Bagdad, Tel Aviv hung durch den Iran, die uns alle betrifft. Ali wacht vor der Schule auf. Er geht Keine Worte können der Familie dieses und Jerusalem, Minnesota und New York, Sie ist nicht hinter uns, sie liegt noch vor zu seiner Fußballmannschaft trainieren, Jungen Trost bringen. Dennoch, als ich von Sydney bis nach San Bernardino. So uns. In den kommenden Jahren müssen benannt nach Dalal Mughrabi, einem pa- an seinem Bett stand, sagte ich zu seinem viele haben bereits unter dieser Barbarei wir unsere vereinten Kräfte nachhaltig lästinensischen Terroristen, der für den Onkel: „Das ist nicht unser Volk. Das ist gelitten: Christen und Juden, Frauen und gegen die iranischen Aggressionen und Mord an 37 in einem Bus verant- nicht unser Weg.“ Ich ordnete daraufhin Homosexuelle, Jesiden und Kurden und den iranischen Terror bündeln. Wieder wortlich ist. Danach geht Ali zur Schule außerordentliche Maßnahmen an, um viele, viele andere. Den höchsten Preis ein Jahr näher an den Tag, da die Atom- und nimmt dort an einer Veranstaltung Ahmeds Angreifer vor Gericht zu brin- aber zahlen die unschuldigen Muslime. beschränkungen für den Iran aufgehoben teil, finanziert vom palästinensischen Bil- gen. Heute sitzen die jüdischen Bürger Hunderttausende von ihnen wurden un- werden, lassen Sie mich eins klar sagen: dungsministerium zu Ehren Baha Alyans Israels, die beschuldigt werden, den An- barmherzig geschlachtet, Millionen zu Israel wird es dem terroristischen Regime bei, der im vergangenen Jahr drei israeli- griff auf die Familie Dawabsha begangen verzweifelten Flüchtlingen verdammt, im Iran niemals erlauben, Atomwaffen sche Zivilisten ermordet hat. Auf seinem zu haben, im Gefängnis und erwarten ih- zig Millionen brutal unterjocht. Die Nie- zu entwickeln, nicht jetzt, nicht in einem Weg nach Hause, geht Ali an einer hoch ren Prozess. derlage des militanten Islam wird ein Jahrzehnt, niemals! aufragenden Statue vorbei, die erst vor ein Einige werden nun sagen, diese Ge- Sieg für die ganze Menschheit sein, aber (Beifall im Saal) paar Wochen von der palästinensischen schichte zeige, dass beide Seiten ihre vor allem ein Sieg für die vielen Muslime, Meine Damen und Herren, Behörde errichtet wurde, um Abu Sukar Extremisten hätten und beide Seiten glei- die ein Leben ohne Angst suchen, ein Le- ich stehe heute vor Ihnen in einer Zeit, zu ehren, der eine Bombe im Zentrum chermaßen verantwortlich seien für die- ben in Frieden und Hoffnung. da Israels Ex-Präsident Schimon Peres, von Jerusalem zur Detonation gebracht sen scheinbar endlosen Konflikt. Aber Um die Kräfte des militanten Islams um sein Leben kämpft. Schimon ist einer hat, bei der 15 Israelis getötet wurden. Ali Ahmeds Geschichte beweist tatsächlich zu besiegen, müssen wir sie unnachgie- von Israels Gründerväter, einer seiner kommt nach Hause und schaltet den Fern- das genaue Gegenteil. Es zeigt die tiefen big bekämpfen. Wir müssen sie in der kühnsten Staatsmänner und einer sei- seher ein. Er sieht ein Interview mit dem Unterschiede zwischen unseren beiden realen Welt bekämpfen und in der virtu- ner angesehensten Führer. Ich weiß, Sie hochrangigen palästinensischen Beam- Gesellschaften. Während die israelische ellen Welt. Wir müssen ihre Netzwerke schließen sich alle meinem und dem Ge- ten Jibril Rajoub, der sagt, dass, wenn er Führung Terroristen verurteilt, und zerstören, ihre Finanzierungen kappen nesungswunsch des ganzen israelischen eine Atombombe hätte, er sie noch heute zwar alle Terroristen, Araber und Juden und ihre Ideologie diskreditieren. Wir Volks an: Refuah shlemah, Schimon! Auf über Israel hochgehen lassen würde. Ali gleichermaßen, feiern palästinensische können sie besiegen und wir werden sie eine baldige Genesung. schaltet das Radio an und hört Präsident Führer ihre Terroristen. Während in Is- besiegen. Mittelalterlichkeit passt nicht Ich habe stets Schimons grenzenlosen Abbas Berater, Sultan Abu al-Einein, der rael die Handvoll jüdischer Terroristen in in die Moderne. Hoffnung ist stärker als Optimismus bewundert. Mich erfüllt die Palästinenser dies erklärt: „Schlitzt die selbe Hoffnung. Ich bin voller Hoffnung, Kehlen der Israelis auf, wo Ihr sie findet.“ weil Israel in der Lage ist, sich selbst ge- Daraufhin überprüft Ali sein Facebook - Während die israelische Führung Terroristen gen jede Bedrohung zu verteidigen. Ich profil und sieht dort einen kürzlich er- bin voller Hoffnung, weil die Tapfer- schienenen Beitrag von Präsident Abbas‘ verurteilt, und zwar alle Terroristen, Araber keit unserer kämpfenden Männer und Fatah-Partei, wo man das Massaker an elf Frauen unübertroffen ist. Ich bin voller israelische Athleten bei den Olympischen und Juden gleichermaßen, feiern palästinensi- Hoffnung, weil ich die Kräfte der Zivili- Spielen in München als eine „Heldentat“ sation kenne, die letztlich immer über die feiert. Auf YouTube sieht Ali dann einen sche Führer ihre Terroristen. Kräfte des Terrors triumphieren. Ich bin Clip von Präsident Abbas selbst, der sagt: voller Hoffnung, denn im Zeitalter der „Wir begrüßen jeden Tropfen Blut, der in Innovation, floriert Israel, die Nation der Jerusalem verschüttet wird.“ Das ist ein Gefängnissen sitzen, bezahlen die Paläs- Hass. Freiheit ist stärker als Angst. Wir Innovation, wie nie zuvor. Ich bin voller direktes Zitat. Beim Abendessen fragt Ali tinenser Tausende von Terroristen unter schaffen das! Hoffnung, weil Israel unermüdlich daran seine Mutter, was passiert, wenn er einen ihnen. Daher rufe ich Präsident Abbas Meine Damen und Herren, arbeitet, die Situation all ihrer Bürger zu Juden getötet und dafür in ein israeli- auf: Sie haben die Wahl! Sie können wei- Israel schlägt diese schicksalshafte verbessern, für Juden, Muslime, Chris- sches Gefängnis muss. Hier ist, was ihm terhin den Hass schüren, wie Sie es heute Schlacht gegen die Kräfte des militanten ten, Drusen, für alle gleich. Und ich bin die Mutter erzählt. Sie sagt, dass er dafür getan haben, oder Sie können endlich ge- Islam jeden Tag. Wir schützen unsere voller Hoffnung, da ich trotz aller Nein- Tausende von Dollar jeden Monat von gen den Hass vorgehen und mit mir da- Grenzen vor ISIS, wir verhindern, dass sager glaube, dass wir in Israel einen dau- der Palästinensischen Behörde bekommt. ran arbeiten, Frieden zwischen unseren kriegsentscheidende Waffen an die His- erhaften Frieden mit allen unseren Nach- Genauer gesagt sagt sie ihm, desto mehr beiden Völkern zu schaffen. bollah im Libanon geschmuggelt werden, barn schmieden können. Juden er tötet, desto mehr Geld bekommt Meine Damen und Herren, wir vereiteln palästinensische Terroran- (Beifall im Saal.) er. Ach ja, und wenn er aus dem Gefäng- ich höre das Gemurmel. Ich weiß, dass schläge in Judäa und Samaria, bekannt als Meine Damen und Herren, nis kommt, so sagt sie, bekommt Ali noch viele von Ihnen den Frieden aufgegeben Westjordanland, und wir halten die Ha- ich bin zuversichtlich für das, was Isra- einen guten Job in der Palästinensischen haben. Aber ich möchte, dass Sie wissen: mas von Raketenangriffen aus Gaza ab. el schaffen kann, weil ich gesehen habe, Behörde. Ich habe den Frieden nicht aufgegeben. Das ist derselbe Hamasterror, der sich was Israel bisher geschafft hat. 1948 war Meine Damen und Herren, Ich bleibe der Vision von Frieden ver- grausam, unglaublich grausam, weigert, das Jahr der israelischen Unabhängigkeit. das ist alles real! Es passiert jeden Tag, pflichtet, basierend auf zwei Staaten für uns drei unserer Bürger auszuliefern, Unsere Bevölkerung umfasste damals die ganze Zeit. Leider ist Ali kein Einzel- zwei Völker. Ich glaube, so stark wie nie sowie die Leichen der zwei gefallenen 800.000 Menschen. Unser wichtigstes fall. Er repräsentiert Hunderttausende zuvor, dass die Veränderungen in der Soldaten Oron Shaul und Hadar Goldin. Exportgut war Orangen. Die Leute sagten von palästinensischen Kindern, die jeden arabischen Welt uns eine einmalige Gele- Hadar Goldins Eltern, Leah und Simcha damals, wir seien zu klein, zu schwach, zu Moment mit Hass indoktriniert werden, genheit bieten werden, diesen Frieden zu Goldin, sind heute hier bei uns. Sie haben isoliert, zu demographisch unbedeutend, jede Stunde. Das ist Kindesmissbrauch! verwirklichen. nur eine Bitte: Ihren geliebten Sohn in um zu überleben, geschweige denn zu ge- Stellen Sie sich vor, Ihr Kind würde die- Ich lobe Präsident el-Sisi von Ägypten Israel begraben zu können. Alles, worum deihen. Die Skeptiker lagen damals falsch ser Gehirnwäsche unterzogen. Stellen Sie für seine Bemühungen, Frieden und Sta- sie bitten, ist diese einfache Sache: Sie in Sachen Israel. Und die Skeptiker liegen sich vor, wie schwer es für einen kleinen bilität in unserer Region zu fördern. Isra- wollen in der Lage sein, das Grab ihres in Sachen Israel noch heute falsch! Israels Jungen oder ein kleines Mädchen ist, aus el begrüßt den Geist der arabischen Frie- gefallenen Sohns Hadar in Israel besu- Bevölkerung hat sich verzehnfacht. Un- dieser Kultur des Hasses auszubrechen. densinitiative und begrüßt einen Dialog chen zu können. Die Hamas weigert sich. sere Wirtschaft hat sich vervierzigfacht. Manche schaffen es, aber viel zu viele mit den arabischen Staaten, um einen Sie könnte sich nicht weniger interessie- Heute ist unser größtes Exportgut die schaffen es nicht. Wie kann irgendeiner größeren Frieden zu befördern. Ich glau- ren. Ich flehe Sie an, sich an die Seite der Technologie, israelische Technologie, von uns erwarten, dass junge Palästinen- be zudem, um einen breiten Frieden für Familie zu stellen, zu uns, mit allem, was welche weltweit Computer, Handys, Au- ser den Frieden unterstützen, wenn ihre alle zu erreichen, müssen die Palästinen- in unserer Welt anständig ist, um gegen tos und vieles mehr ans Laufen bringt. Führer ihre Gedanken für den Frieden ser ein Teil der Verhandlungen werden. die Unmenschlichkeit der Hamas anzu- Meine Damen und Herren, vergiften? Wir in Israel tun das nicht! Wir Ich bin bereit, sofort Verhandlungen zu gehen, denn die Hamas ist unanständig die Zukunft gehört jenen, die innovativ erziehen unsere Kinder zum Frieden. Wir beginnen, um Frieden zu erreichen und und barbarisch. Die Hamas bricht jede sind. Das ist der Grund, warum die Zu- haben erst vor kurzem ein Pilotprogramm zwar heute, nicht morgen, nicht nächste menschliche Regel, die im Buche steht. kunft Ländern wie Israel gehört. Israel gestartet, meine Regierung hat das getan, Woche, heute! Haut der Hamas dieses Buch um die Oh- möchte Ihr Partner sein, diese Zukunft um das Studium der arabischen Sprache Vor einer Stunde sprach Präsident Ab- ren! zu formen. Daher rufe ich Ihnen allen zu: für jüdische Kinder obligatorisch zu ma- bas hier. Wäre es nicht besser, wenn wir, Meine Damen und Herren, Arbeiten Sie mit Israel zusammen, um- chen, damit wir einander besser verstehen statt aneinander vorbei zu reden, mitei- die größte Bedrohung für mein Land, armen Sie Israel, träumen Sie mit Israel. können, um gemeinsam Seite an Seite in nander reden würden? Präsident Abbas, für unsere Region und letztlich für unse- Träumen Sie von einer Zukunft, die wir Frieden leben zu können. statt hier bei den Vereinten Nationen in re ganze Welt ist und bleibt das militante gemeinsam gestalten, eine Zukunft der Natürlich gibt es in Israel, wie in allen New York gegen Israel zu reden, lade ich islamische Regime im Iran. Der Iran for- atemberaubenden Fortschritte, eine Zu- Gesellschaften, auch Extremisten. Aber Sie herzlich ein, in der Knesset in Jerusa- dert offen Israels Vernichtung, droht den kunft der Sicherheit, des Wohlstands und unsere Antwort auf diese Extremisten lem zum israelischen Volk zu sprechen. Ländern im Nahen Osten und fördert den des Friedens, eine Zukunft der Hoffnung macht den Unterschied! Nehmen Sie nur Ich spreche im Gegenzug gerne zum pa- Terror weltweit. In diesem Jahr hat der für die ganze Menschheit, eine Zukunft, den tragischen Fall von Ahmed Dawab- lästinensischen Parlament in Ramallah. Iran im offenen Bruch der Resolutionen in der Israel selbst bei den Vereinten Na- sha. Ich werde nie vergessen, wie ich nur Meine Damen und Herren, des Sicherheitsrates Raketen abgefeuert. tionen, selbst in diesem Saal, aufgenom- wenige Stunden nach dem Angriff Ahmed während wir in Israel den Frieden mit Der Iran geht aggressiv gegen den Irak, men wird, um unverbrüchlich seinen im Krankenhaus besuchte. Ein war ein all unseren Nachbarn suchen, wissen wir Syrien und Jemen vor. Der Iran ist der vor- rechtmäßigen Platz unter den Nationen kleines Kind, ein Baby und war schwer auch, dass der Frieden keinen größeren derste Unterstützer des weltweiten Terro- einzunehmen. verbrannt. Ahmed war das Opfer einer Feind kennt als die Kräfte des militanten rismus‘ und baut sein globales Terrornetz- Vielen Dank. № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU WELT 13 Jüdische Geldmännchen als polnische Souvenirs Auch nach Ausrottung des polnischen Judentums haben die Stereotype überlebt Von Agata Wojcieszak schauerin, die selbst jüdische Wurzeln hat und den Holocaust überlebte, ei- Deswegen boomen in Polen Figuren nen wesentlichen Unterschied zu den von alten Männern mit in dunklem Ge- Puppen in polnischen Trachten: „Sie wand, mit Bart und großer Nase. Aber entsprechen auch Klischees, gelten in steckt hinter dem Glücksbringer wirk- der Regel aber als positiv, höchstens lich nur Tradition oder auch Antisemi- als amüsant.“ Vielleicht kann man es tismus? damit vergleichen, wenn Bilder und Bernstein, Puppen in farbenfroher Figuren von Polen verkauft würden, Tracht, weiß-rote Magnete mit polni- die beim Autoklauen abgebildet sind. schem Adler und Schnapsgläser – in der Budnicka weiß aber auch, dass viele polnischen Hauptstadt gibt es an jeder Polen „es gar nicht böse meinen“. Für Ecke die üblichen Souvenirs. Sie sind sie gehören die Figuren zur Tradition nicht selten kitschig und etwas über- genauso wie die Tatsache, dass Polen teuert. Mariola Rossa verkauft sie alle und Juden eine gemeinsame Geschich- an ihrem Stand am alten Warschauer te haben, zu der Phasen von Toleranz Stadttor. Doch wer genauer hinschaut, genauso wie solche von Ausgrenzung entdeckt noch weitere Souvenirs: klei- gehörten. Ihr Ende fand sie, als die ne Männerfiguren in dunklen Kleidern, Nationalsozialisten in Polen einfie- mit schwarzen Bärten, Schläfenlocken len. Sie vernichteten fast das gesamte und großen Nasen. Unverkennbar: das jüdisches Leben und damit eine ganze Die einen sehen in den Figuren antisemitische Propaganda, die anderen pro-jüdische Propaganda. Klischeebild osteuropäischer Juden. Kultur, die bis dahin zu Polen gehört Manche von ihnen halten eine Münze hatte. in den Händen. Allein in Warschau waren bis 1939 „In Polen gibt es ein Sprichwort: Wer 30 Prozent der Bevölkerung Juden. Die einen Juden im Flur hat, hat Geld in der Erinnerung an jenes jüdische Leben, Tasche“, erklärt Rossa. Tatsächlich ist wie es einst war, will Ryszard Kucharski der Jude als Glücksbringer – sei es als wachhalten. Seit Jahren schon schnitzt, Holzfigur, Magnet oder Bild – in Polen bemalt und verkauft der pensionierte beliebt. Wer ein Bild von ihm zu Hause Soldat unterschiedliche Figuren, „da- hat und es ganz richtigmachen will – so runter viele mit Bart“, wie er sagt. Er der Brauch – hängt es kopfüber an die könne ein Buch über die Anschuldi- Wand, damit dem Juden das Geld aus gungen schreiben, denen er ausgesetzt der Tasche und den Hausbewohnern wird. „Manche sehen in mir einen Ju- in die Hände fällt. Die Inhaberin des denfeind“ erzählt er, „aber es gibt auch Verkaufsstandes in der Nähe der Stadt- immer wieder Rechte, die mir drohen.“ mauer sieht in diesem Brauch einen Be- Sie sehen in den Figuren jüdische Pro- weis dafür, dass die Polen die Juden lie- paganda und drohten Kucharski, ihm ben: „Wenn sie sie nicht leiden könnten, „dafür die Fresse zu polieren.“ Dabei würden sie sich die Figuren doch nicht wolle er keine politischen Aussagen ins Haus stellen“, so ihr Argument. treffen, sondern lediglich seine Kunst Ein beliebtes Souvenir: Ein jüdisches Holzfigürchen hält eine polnische Münze. Warum es ein Beweis für Sympathie verbreiten. sein soll, wenn ein Volk mit ihren nega- Vielleicht also spiegelt sich das Ver- kompliziert und für Menschen wie Eri- lungen, die die Wissenschaftlerin selbst tivsten Eigenschaften dargestellt wird, hältnis der Polen zu Juden in jenen ca Lehrer faszinierend. Die Professorin feindselig und daher problematisch fin- das kann Krystyna Budnicka nicht Figuren wieder. Vielleicht ist es nicht von der Universität Montréal hat die det: Wenn ein Jude zum Beispiel von nachvollziehen. Hierin sieht die War- nur positiv oder nur negativ, sondern unterschiedlichen Darstellungen von einem Hund gejagt wird. Letztlich aber Juden in ihrem Buch versucht sie, die Figuren und Darstel- „Lucky Jews“ unter- lungen als „wunderbaren Katalysator sucht. Ihr gehe es für Diskussionen“ zu nutzen. Denn nicht in erster Linie erst, wenn Menschen anfangen, offen darum zu urteilen, darüber zu sprechen, was sie in den sondern hinzuschau- jüdischen Figuren sehen und wenn sie en und zu fragen, wie fragen, woher diese Tradition des so- der Jude zum Glücks- genannten Glückbringers kommt, be- bringer für Geld wer- ginnen sie darüber nachzudenken. Auf den konnte, sagt sie. diese Weise, so Lehrers Hoffnung, wür- Eine Erklärung ist, den die Menschen gezwungen, nicht dass es Christen im mehr mit Tradition zu argumentieren, Mittelalter nicht er- sondern sich eine eigene Meinung zu laubt war, Geschäfte bilden. mit Geld zu machen. Am Stand von Mariola Rossa finden Eine andere ist, dass solche Diskussionen nicht statt. „Meine Juden seit jeher ma- einzige Aufgabe als Verkäuferin ist es, gische Kräfte nach- zu verkaufen, was die Kunden verlan- gesagt wurden. „Das gen“, sagt sie knapp. Und zumindest konnten böse, aber die Kunden aus Polen, aber auch die auch gute Kräfte aus anderen osteuropäischen Ländern, sein“, erklärt Lehrer. verlangen nach den Figürchen mit der „So gesehen muss der Münze, die umgerechnet bis zu 20 Euro Jude als Glücksbrin- kosten. Handgeschnitzte Nikoläuse ger tatsächlich nicht oder Frauenfiguren seien eben nicht so negativ gemeint sein.“ beliebt, gibt auch Kucharski zu. Und Er könne aber durch- genau in dem Punkt scheint die Ironie aus genutzt werden, zu stecken: Es sind ausgerechnet die ty- um Stimmung gegen pisch jüdischen Figuren, mit denen die Weitere Souvenirs, die die selben Stereotypen bedienen. Juden zu machen. lokalen Verkäufer hier versuchen, ein Und es gibt Darstel- bisschen Geld zu machen. 14 DEUTSCHLAND № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Ein kubanischer Jude bei seinen Glaubensbrüdern in München „Adath Israel“ – ein offizieller Gegenbesuch aus Havanna

Von Yehudit de Toledo Gruber Peter Hertz, allerdings außerhalb des Münchener Zentrums und „Besuch“ liest sich ja erst einmal sehr stellte einen Ablauf- und Kultur- einfach und heutzutage auch irgendwie plan zusammen. selbstverständlich. Doch an diesem of- Ich organisierte zwei besonde- fiziellen Besuch des Vorsitzenden der re Kidduschim in unserem Ge- einzigen jüdisch-orthodoxen Gemein- meinderestaurant „Einstein“ und de „Adath Israel“ auf Kuba, war nichts informierte auch unsere Gemein- selbstverständlich, geschweige denn ein- derabbiner Raw Brodmann und fach. Raw Horowitz, die Kulturchefin Nach unserer IKG-Mizwa im Novem- Frau Presser, unsere Religions- ber für diese hilfesuchende Gemeinde, lehrerin Frau Rychlá und erhielt als ich mit Kantor Nikola David nach sehr große Unterstützung seitens Havanna geflogen war, hatte ich nun den der Präsidentin der B´nai-Brit- Wunsch, Señor Salomón Susi Sarfati un- Loge, Frau Kaminski. Sie bat sere Stadt und unsere schöne Gemeinde mich dafür zu sorgen, dass unser „Ohel Jakob“ präsentieren zu können. Gast einen Vortag hält über Kuba Nach einem beratenden Gespräch mit und das jüdische Leben dort. Da unserer Präsidentin, Frau Dr. Charlotte Salomón Susi Sarfati nicht nur der Knobloch, und ihrem Einverständnis, Präsident von „Adath Israel“ ist, kontaktierte ich schriftlich als erstes sondern auch ein recht bekannter die deutsche Botschaft in Havanna. Ich Schriftsteller in seinem Land, war wollte wissen, wie und ob es mittlerweile er besonders prädestiniert und überhaupt möglich wäre, einen kubani- später auch bereit über sein Land schen Juden offiziell nach Deutschland zu berichten und zahlreiche Fra- einladen zu dürfen. Aber die Auflagen gen der interessierten Besucher und Bedingungen waren immer noch in den Räumlichkeiten der B´nai- dermaßen hoch, ja fast unerfüllbar, dass Brit-Loge zu beantworten. Als ich zurückschreckte. Dolmetscher stellte sich zu mei- Doch so schnell wollte ich nicht aufge- ner Entlastung der Argentinier ben und fragte in vielen Schreiben immer Daniel Salzer zur Verfügung. wieder nach, ob man nicht doch noch Mit Spannung warteten wir eine Ausnahme-Klausel finden könnte also am 15. September in der für eine Visa-Erleichterung. Und weil Ankunftshalle des Münchener ich glaubhaft darlegen konnte, dass wir Flughafens und holten Señor Susi schon seit 2005 mit der kubanischen jüdi- Sarfati ab, brachten ihn nach Va- schen Gemeinde „Adath Israel“ im Kon- terstetten in seine Wohnung und takt standen, teilte mir im Februar 2016 genossen das erste gemeinsame die deutsche Konsulin mit, dass sie eine köstliche Abendessen. Da unser „vereinfachte“ Möglichkeit einer Einla- Gast leider weder Englisch noch dung sähe, wenn ich einige Grundbedin- Deutsch beherrscht, fungierte ich gungen erfüllte: als Dolmetscherin und schenkte Als erstes eine offizielle Einladung auf ihm als erstes ein dickes Wörter- IKG-Briefpapier von unserer Präsidentin, buch. Aber die beiden, Herr Susi dazu die Kopie eines bestätigten Flugti- Sarfati und sein Gastgeber Peter ckets für den Vorsitzenden von „Adath Hertz kamen auch ohne Spanisch Israel“. Des Weiteren eine schriftliche Die Autorin Yehudit de Toledo Gruber (Mitte) und der Gast aus Kuba (zweiter von rechts) besuchten mit gut zurecht. In der nun folgenden Versicherung für das vollkommene Auf- Gemeindemitgliedern die Feier zur Einweihung einer privaten Synagoge. Woche zeigten wir Señor Susi kommen und Betreuen unseres kubani- Sarfati unsere Gemeinde, vie- schen Gastes in München sowie seinen Wir einigten uns auf die Woche vom lich nicht nur alles in Frage stellte, sondern le Sehenswürdigkeiten Münchens und vorherigen Abschluss einer Auslands- 14. bis 21. September 2016 um davor ge- auch meinte, er habe gar keine Unterlagen vor allem auch das Konzentrationslager Krankenversicherung für den Aufenthalt nügend Zeit für alle notwendigen Vorbe- mehr und wir sollten alles noch einmal in Dachau. Unsere Präsidentin lud den in Deutschland. Von beiden Seiten sollte reitungen zu haben und um die Spenden zusammenstellen und nach Havanna sen- Präsidenten von „Adath Israel“ und aus- zudem ein Schreiben präsentiert werden, sammeln zu können. Eine Freundin lieh den. Mein Schreck war groß, zumal ich es gewählte Mitglieder unserer Gemein- in welchem nachvollziehbar dargelegt mir als erstes die kompletten 1000 Euro mir nicht zusammenreimen konnte, wes- de nach dem G´ttesdienst am Kabbalat wird, was die Gründe und Wünsche un- für das Flugticket Havanna-Frankfurt- halb uns so plötzlich die Konsulin nicht Schabbat in unserem Restaurant zu seres erstmaligen Zusammentreffens hier München und wieder zurück, damit ich mehr zur Verfügung stand. Es musste ei- einem sehr festlichen, würdigen Kid- in Deutschland sein sollten. Wir einigten sofort buchen und die geforderte Bu- nen triftigen Grund geben, den ich heraus- dusch ein. Die Zeremonie gestaltete un- uns auf „einen kulturellen und religiösen chungsbestätigung an die Konsulin nach finden wollte. Per Internet recherchierte sere Lehrerin Frau Michaela Rychlá. Ein Gedanken- und Ideenaustausch“, was weiterer Höhepunkt war nicht nur der von der Visa-Abteilung der Deutschen Sonntags-Ausflug in die Berge mit dem Botschaft angenommen wurde. Außer-  Es war eine Sysyphos-Arbeit, die Auto unseres Freundes Marcel Bruck. dem teilte mir die Konsulin später mit, Wir durften zudem auch anwesend sein dass man selbst sehr am Zustandekom- Ausreise aus Kuba zu organisieren. bei der bemerkenswerten Einweihung men dieses interessanten, erstmaligen einer privaten Synagoge des Ehepaares Zusammentreffens interessiert sei und Havanna senden konnte. Den preiswer- ich lange und stieß dabei eher zufällig auf Schilling in Kiefersfelden unter der An- uns deshalb die hohen Visa-Antragskos- testen Flug bot schon im Frühjahr „Con- ein Kinderhilfsprojekt in Berlin mit dem wesenheit unserer Präsidentin, unserer ten schenken wolle. Mit dieser wunder- dor“ an, weshalb ich schon deshalb an ungewöhnlichen ungarischen Familien- Rabbiner, unseres Kantors aus Israel und baren Botschaft ging ich zu unserer Prä- einer schnellen Buchung interessiert war. namen der Konsulin. Dazu eine Telefon- vieler angereister Gäste. sidentin und bat sie um die erforderliche Außerdem recherchierte ich für Señor nummer. Ich zögerte eine Weile und rief Unser kubanischer Gast erlebte mit sei- offizielle Einladung, welche sodann auch Susi Sarfati nach dem Büro für seine Aus- dann an. Es meldete sich – die Mutter, wel- nen jüdischen deutschen Freunden hier direkt nach Havanna gesandt wurde. landskrankenversicherung in Havanna, che sich geduldig meine Sorgen und Nach- in München und Oberbayern sehr dich- Ich richtete unterdessen auf einer Mün- da ihm und „Adath Israel“ in Kuba leider fragen anhörte und mir sofort weiterhalf. te, erlebnisreiche Tage und war außeror- chener Bank ein offizielles Spenden-Kon- kein Internet zur Verfügung steht. Übri- Denn wenige Stunden später erhielt ich dentlich gerührt über unsere großzügige to ein und verfasste dazu ein erklärendes gens ist auch die Internetseite von „Adath eine private E-Mail der Konsulin und ihre Gastfreundschaft. Wir machten viele Schreiben, da ich nun sehr zügig Geld Israel“ im Internet veraltet. Die Seite Erklärung, dass sie sich während der Arbeit Fotos und brachten unseren Gast am 21. brauchte. Denn vor allem wartete die kann leider nur von einem kanadischen ein Bein gebrochen habe, aber bald wieder September zurück zum Flughafen, wo er Visa-Abteilung in Havanna auf die Bestä- Team aktualisiert werden, wofür noch in ihrem Büro sei und ich mir wegen ihrer schweren Herzens Abschied nahm. Er tigung eines Flugtickets für Salomón Susi keine Devisen vorhanden sind. Als fast muffigen Vertretung keine Sorgen machen wird viel zu berichten haben in seiner Ge- Sarfati. Mittels meines ständigen Email- alles schon perfekt schien, brach plötzlich solle. Sie habe alles schon vorbereitet. Mir meinde in Havanna, die aus 120 Familien Kontaktes mit ihm hatte ich viele wichti- der E-Mail-Kontakt mit der uns so behilf- fiel ein dicker Stein vom Herzen. Langsam besteht – und vor allem mit dazu beitra- ge Umstände, Daten und Fakten bezüg- lichen, netten Konsulin in Havanna ab. füllte sich auch das Spendenkonto, ich gen, dass unsere freundschaftlichen Kon- lich seines Besuches hier in Deutschland Statt ihrer hatte ich es jetzt mit einem organisierte mir ein kleines Unterstützer- takte nicht nur erhalten bleiben, sondern abzuklären. Vor allem den Zeitpunkt sei- wortkargen, desinteressierten und un- Team, eine nette Unterkunft für unseren noch vertieft werden. Ein großer und nes Besuches. freundlichen Vertreter zu tun, der plötz- Gast inklusive Verköstigung im Haus von wichtiger Anfang wurde nun gemacht. № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 15 DITIB: Geheuchelter Antirassismus, gelebter Antisemitismus Bei der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V.“ tun sich rassistische Abgründe auf Von Jaklin Chatschadorian

Eine der vornehmsten Aufgaben von Or-

ganisationen, die sich im gesellschaftspo- MAJA HITIJ / AFP litischen Raum bewegen, ist das Bemü- hen um das friedliche Zusammenleben der Menschen in einer Gemeinschaft trotz unterschiedlichster Identitäten und Überzeugungen. Die Annahme dieser Herausforderung wird, in Anerkennung seiner Bedeutung, vom deutschen Staat großzügig geför- dert. Unzählige Programme unterstüt- zen Vereine und Verbände in deren Ein- satz für Integration und der Bekämpfung von rassistischen Vorurteilen. Eine dieser Organisationen, die sich (auch aufgrund ihrer Größe) zum Inte- grationspartner des Staates, auf Bundes- und Landesebene, und im Besonderen auf der kommunalen Ebene entwickelt haben, ist die unter der Aufsicht des tür- kischen Staates stehende „Türkisch-Is- lamische Union der Anstalt für Religion e.V.“ (kurz: DITIB). Sie ist ein bundesweiter, über 900 Ver- eine umfassender Dachverband für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der ihr an- geschlossenen türkisch-islamischen Mo- scheegemeinden zuständig und vertritt Hannelore Kraft (zweite von rechts) beim Treffen mit DITIB-Funktionären. damit die Interessen eines beachtlichen Prozentsatzes von Muslimen in Deutsch- unverhohlen christen- und judenfeind- ren Einzelfall ausgehen. Doch es dauert und verkündet die Strafe der Vernichtung land gegenüber der Politik. lich. Sie verbreitet, dass man bei Juden nicht lange, und man findet auf den Sei- des jüdischen Staates von der Landkarte In dieser Position gestaltet sie in einigen nicht kaufen solle, dass hinter dem IS ten einzelner DITIB-Moscheen weitere, und des Einzugs der Juden in die Hölle. Bundesländern den Religionsunterricht, der Mossad stünde, dass Nicht-Muslime menschlich unerfreuliche Äußerungen. Wenn rassistische Äußerungen von wirkt im Auftrag staatlicher Behörden hässlich seien. Sie bekennt sich zur Mus- Da gibt es ein DITIB-Mitglied in Bayern Mitgliedern eines Dachverbandes in bei der Salafismusprävention mit, setzt limbrüderschaft und erklärt die Hamas ebenso wie eines aus dem Spessart, die dessen Namen veröffentlicht werden sich ein für den interreligiösen Dialog mit zum Opfer von israelischem Terrorismus. beide davor warnen, bestimmte Worte und die Vorkommnisse die Grenzen des Christen und Juden. Friedensgebete, ge- Sie führt den Valentinstag an, um darzu- in der türkischen Sprache zu benutzen, Einzelfalles überschreiten, so drängt sich meinsame Fastenbrechen und Pressemel- legen, dass Christen Ehebruch feiern und da diese auf die Abwertung der Muslime der Verdacht, dass sich hier ein Problem dungen, die islamistische Attentate welt- erweckt den Eindruck, jene Gläubige, die durch die Juden zurückzuführen seien. verbirgt bzw. verborgen gehalten wird. weit verurteilen, nicht ohne die Religion das Weihnachtsfest mitfeiern, exkommu- Eine Moschee aus einer kleinen Stadt Für letzteres spricht, dass die Äußerun- zu exkulpieren, gehören zum Standardre- nizieren zu wollen. Ein Bild, das Apos- am Neckar weist darauf hin, dass die gen ausschließlich in türkischer Sprache pertoire. taten mit dem Höllenfeuer droht, fehlt Juden und die Christen nicht zufrieden erscheinen, während der interreligiöse Schaut man jedoch genauer hin, so ver- ebenso wenig, wie der Hinweis, dass es zu stellen seien, bevor man nicht deren Dialog in sozialen Netzwerken auch in schiebt sich das Bild nicht nur um Nuan- deutscher Sprache kommuniziert wird. cen. Wie ist der interreligiöse Dialog der In Dinslaken kommt 2015 eine DITIB- Pressemeldungen, die islamistische DITIB, die Unterstützung des deutschen Moschee in die Schlagzeilen, weil nicht Staates bei Integration und Radikalisie- wenige ihrer Mitglieder nach Syrien in den Attentate weltweit verurteilen, nicht rungsprävention mit dem Schüren von sogenannten „Heiligen Krieg“ reisen. Vor Hass gegenüber Andersgläubigen zu ver- wenigen Monaten tauchen in Nordrhein- ohne die Religion zu exkulpieren, einbaren? Westfalen Schulbücher auf, die das Mär- Wie können Moscheevertreter medial tyrertum, also den Tod für die Religion, gehören zum Standardrepertoire. wirksam eine Synagoge besuchen, wenn verherrlichen und der Syndikusanwalt der andere unter ihrem Verbandsnamen ju- Vereinigung, Murat Kayman, machte vor Israel letztlich nicht mehr geben wird. Religion befolge. Auch im Süden von denfeindliche Propaganda veröffentli- wenigen Wochen auf sich aufmerksam, Kaum wacht auch hier die Öffentlich- Baden-Württemberg beantwortet eine chen? weil er gegen einen Kritiker, den Islam- keit auf, ist die Seite vom Netz. Kritische Gemeinde die, mit Blick auf die „Paläs- Wie können DITIB-Vertreter mit den wissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi, in Vertretern der evangelischen oder katho- unangemessener Weise vorgeht. lischen Kirche gemeinsam gegen Ras- Im hessischen Melsungen veröffentlicht sismus per Glockengeläut und Abend- die verbandseigene Moschee unkommen- frieden beten, wenn der dazugehörige tiert einen Auszug aus dem Koran in tür- Online-Shop bis dato ein Buch mit dem kischer Sprache. Der Text lässt kein ein- Titel „HRISTIYANLIK PROPAGAN- ziges antisemitisches Vorurteil aus. Seine DASI VE MISYONERLIK FAALIYET- Löschung ist lediglich der unerwarteten LERI“, das mit „Christliche Propaganda medialen Aufmerksamkeit im Sommer und Missionierungsinitiativen“ zu über- 2015 zu verdanken. Schnell tritt das ver- setzen ist, vertreibt? antwortliche Vorstandsmitglied zurück, Es ist höchste Zeit, sich kritisch mit der um das unangenehme Thema zu einem „Türkisch-Islamischen Union der An- Ende zu führen. stalt für Religion e.V.“ zu befassen. Die In Dresden wird die DITIB-Moschee Politik, und damit im Besonderen auch vor wenigen Tagen Opfer eines Anschla- die Parteien, sollten nicht auf die Distan- ges. Täter und Tatmotiv sind unbekannt, zierung des Verbandes vom türkischen die Polizei ermittelt. Doch für was steht Staat warten, sondern sich selbst von die- die Moschee, der die Solidarität der deut- sem Verband, dessen Verfassungsfeind- schen Gesellschaft und Politik gilt? lichkeit im Raum steht, distanzieren. Der Ein Blick auf den öffentlichen Auftritt Verfassungsschutz sollte die Vereinigung der Religionsgemeinschaft offenbart -Er sehr genau beobachten und seinem Ver- schreckendes, nicht nur über die Gemein- fassungsschutzbericht – ganz allgemein schaft selbst, sondern auch über die Gut- Kölns umstrittene DITIB-Moschee – eine größere Aufmerksamkeit verschaf- gläubigkeit der Mehrheitsgesellschaft. fen. Die Mehrheitsgesellschaft sollte sich Die DITIB-Moschee Dresden präsen- Inhalte sind nicht mehr auffindbar. tinenser“ im Raum stehende, Frage nach von ihrer Blauäugigkeit gegenüber Mig- tiert sich im Netz der sozialen Netzwerke Eigentlich will man von einem weite- der Zukunft Israels gern mit dem Koran ranten verabschieden. 16 DEUTSCHLAND № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Die geschlossene Talkshow-Gesellschaft und der Rufmord Ein offener Brief an Lamya Kaddor von Gerd Buurmann

Liebe Lamya Kaddor, gen abzustellen sonst kom ich persönlich vorbei und schlag ihnen ihren kleinen Halbglatzenschädel ein.“ unter der Überschrift „Islamkritik, die niemand braucht“ „Dich hat der Adolf damals wohl vergessen was?“ schrieben Sie Ende 2015 in der ZEIT: „Ehrlich, solteich sie mal auf offener Straße sehen „Diese Stimmungsmache, die heute Personen wie Ha- WIKIMEDIA.ORG würde ich keine Sekunde zögern ihnen ain Messer in med Abdel-Samad vertreten und früher Leute wie der den Hals zu rammen. Sieg HEIL.“ Journalist Henryk Broder, die Autorin Necla Kelek und Manchmal rufen mich diese Leute sogar an und der Schriftsteller Ralph Giordano verbreitet haben, ma- brüllen „Dreckige Judensau“, „Halt Deinen Mund“ chen Millionen Menschen in diesem Land ganz konkret und „Man sollte Dir die Zunge rausreißen“ ins Tele- das Leben schwer – manchmal sogar unerträglich.“ fon. Für diese Typen mache ich jedoch niemand an- Dem Deutschlandfunk gaben Sie jüngst ein Interview, deres verantwortlich als die Typen selbst. Sie haben in dem es heißt: sich dazu entschieden, mir zu schreiben oder mich „Die 38-Jährige sagte im Deutschlandfunk, seit anzurufen! Sie machen mir das Leben schwer! dem Erscheinen ihres Buches über die Integration von Sie aber behaupten, Hamed Abdel-Samad, Henryk Flüchtlingen vor zwei Wochen habe sie Morddrohungen Broder, Necla Kelek und Ralph Giordano „machen erhalten und so viele Hassbriefe wie noch nie – vor allem Millionen Menschen in diesem Land ganz konkret aus dem rechten Spektrum. Renommierte Journalisten das Leben schwer – manchmal sogar unerträglich.“ wie Henryk M. Broder beteiligten sich daran, Stimmung Wissen Sie, woran mich das erinnert? An Fundamen- gegen sie zu machen.“ talisten, die Kritik verbieten! Sagen Sie mal, Frau Kaddor, haben Sie noch alle Latten Sie kriminalisieren Menschen, die Kritik üben wie am Zaun? Muslime, die in der perversen und radikalsten Ausle- Sie rücken Ralph Giordano in die Ecke rechter Ge- gung des Korans Menschen kriminalisieren, weil sie walttäter? Sein ganzes Leben lang konnte er nicht in ein Karikaturen zeichnen oder den Glauben hinterfra- Gotteshaus gehen, ohne dabei an einem Polizeiwagen gen. Sie kriminalisieren Kritik und somit die Aufklä- vorbei gehen zu müssen. Sein Leben lang wurde er von rung an sich, zu deren Methodik der Zweifel gehört. rechten Gewalttätern bedroht, weil er Jude war. In den Hamed Abdel-Samad, Henryk Broder, Necla Kelek letzten Jahren seines Lebens kam noch eine massiv spür- und Ralph Giordano schlagen, schießen und treten bare Bedrohung von islamischen Gewalttätern dazu. Er Lamya Kaddor ist eine Lehrerin, muslimische Religionspädagogin, nicht. Sie öffnen lediglich ihre Münder und somit ih- war 15 als in Deutschland die Synagogen angezündet Islamwissenschaftlerin und Autorin mit syrischen Wurzeln. ren Geist. Sie treten in Kontakt mit den Menschen in wurden. ihrer Umgebung. Sie suchen den Wettstreit der Ge- Er war 18 als in Deutschland Juden vergast wurden. gentlich ein, sie mit jenen Menschen in Verbindung zu danken, nicht der Fäuste. Sie streiten sich zivilisiert Und er war 91 als er auf deutschen Straßen den Mob bringen, die Ihnen Morddrohungen zukommen las- und das obwohl ihnen selbst Gewalt angedroht und brüllen hörte: „Jude, Jude feiges Schwein, komm heraus sen? Sie bekamen und bekommen schließlich ebenfalls nicht selten sogar angetan wurde, im Falle Giordanos und kämpf allein!“ Morddrohungen! Hamed Abdel-Samed bekommt die- sogar in unvorstellbar brutaler Art und Weise, die al- Ein paar Jahre nach seinem Tod rücken Sie nun Ral- se Morddrohungen sogar von offizieller Seite einiger les übersteigt, was Sie und ich sich vorstellen können. ph Giordano in die rechte Ecke und alles nur, weil er die islamischer Unwürdenträger. Dennoch besitzt er nicht Sie kriminalisieren Kritik so wie islamische Funda- „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ die geschmacklose Frechheit zu unterstellen, Sie könn- mentalisten Karikaturisten kriminalisieren! Ich hof- kritisiert und Frauen mit Kopftuch als „menschliche ten an diesen Morddrohungen eine Mitschuld tragen, fe inständig, dass Sie diese Verteufelung von Kritik, Pinguine“ bezeichnet hatte. Seit Jahrzehnten schon wer- obwohl Sie ihn diffamieren. die das Fundament des aufgeklärten Europas und die den in Deutschland Nonnen so bezeichnet. Und wissen Es ist widerlich, Morddrohungen zu erhalten. Ich weiß Stütze der freiheitlich-demokratischen Grundord- Sie, wie die Nonnen darauf reagieren? Sie lachen! Non- wovon ich spreche. Ich habe schon einige Mails erhal- nung ist, nicht an ihre Schülerinnen und Schüler weit- nen haben nämlich Humor und sehen aus wie Pinguine! ten, die mich bedrohen, hier ein paar Auszüge: geben. Dann nämlich wundert es mich nicht, dass un- Sie rücken Henryk Broder in die Ecke rechter Ge- „Jetzt reichts. Herr Burrman, ich gebe ihnen 2 Tage ter Ihren Schülern bereits fünf für den Dschihad nach walttäter? Sein ganzes Leben lang schon weigert er sich, Zeit diese Frwechheiten und drerckigen Judenlü- Syrien gezogen sind. zur Gewalt zu greifen. Er begegnet den Menschen, die ihn hassen, mit Worten. Sie hassen ihn, weil er Jude ist, für Israel streitet, Religionen kritisiert, aufgeklärte  Muslime unterstützt oder Kritik übt. Dennoch greift Hiermit bestelle ich zum nächstmöglichen Termin die Monatszeitung Broder nicht zu Waffen und Gewalt, sondern zu Wor-  ten und Humor. Er ist Deutscher mit Migrationshinter- Coupon «Jüdische Rundschau» im Abonnement zum Preis (in Deutschland) von grund wie Sie. Bei ihm wird das jedoch nicht ständig  39 € für ein Jahr (Preis gilt für Deutschland, in anderen EU-Ländern problematisiert. Wissen Sie auch warum? Weil er dar- Abo- aus keine Lebensanschauung macht. Er jammert nicht Bestellung und Schweiz - 58 €, in Israel zum Preis von 82 €) ständig herum! Und das obwohl auch er immer an Po-  49 € für ein Jahr in einem Umschlag (Preis gilt für Deutschland) lizeiwagen vorbeigehen muss, wenn er in ein Gottes- haus geht. Henryk Broder steht tagtäglich im Zentrum  73 € für zwei Jahre (Preis gilt für Deutschland) des Hasses, der wie kein anderer Hass in Deutschland  32 € für ein Jahr als Student (nur in Deutschland, mit Nachweis). wütet und gemordet hat. Trotzdem fliegt er mit dem Flugzeug in fremde Länder, um Menschen kennenzu- Name, Vorname lernen, statt in Hochhäuser, um Menschen zu töten! Er Strasse, Hausnummer ist nämlich kein Arschloch, sondern selbstverantwort- PLZ Wohnort lich! Geburtsdatum Telefon: E-Mail: Sie rücken Necla Kelek in die Ecke rechter Gewalt- Ich bin damit einverstanden, dass mein Abonnement sich um ein weiteres Jahr verlängert, wenn ich es nicht spätestens sechs Wochen von dem täter? Sie ist eine Frau, die mit dem Islam nicht anders Ende schriftlich kündige. Mir ist bekannt, dass ich innerhalb von 14 Tagen meine Bestellung widerrufen kann. umgeht, als Ute Ranke-Heinemann mit dem Christen- tum. Kelek klagt die Sexualmoral der Religion an. Sie Datum Unterschrift  verteidigt das Recht aller Frauen auf Selbstbestimmung. Ich zahle gegen Rechnung: Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten für interne Verlagszwecke gespeichert und verarbeiten werden sowie dafür benutzt werden, um Sie wagt sich in die grausamen und brutalen Tiefen des mich über die Neuigkeiten des Verlags zu informieren. Dieses Einverständnis kann jederzeit schriftlich widerrufen werden. islamischen Frauenhasses und beschreibt die Gräuelta- ten, die dort passieren, wie sie überall geschehen, wo fun- damentalistischer Glaube über die Vernunft siegt. Kelec kämpft für muslimische Frauen und ist somit im Fokus rechter wie islamischer Gewalttäter. Jeder neuer Abonnent der Zeitung «Jüdische Rundschau» erhält Sie rücken Hamed Abdel-Sammad in die Ecke rech- einen Gutschein vom TuS-Reisebüro im Wert von ter Gewalttäter? Er ist ein Mann, der unter ständigem 50 Euro, die bei Buchung einer Reise nach Israel verrechnet werden. Personenschutz leben muss, weil ein islamisches To- desurteil über ihn verhängt wurde. Er schwebt jede Se- Füllen Sie bitte den Abo-Coupon aus, schneiden Sie ihn aus kunde seines Lebens in Lebensgefahr. Er macht nichts und schicken ihn uns per Post anderes, als reden und schreiben, aber das Verfassen einer kritischen Biografie über Mohamed reicht schon, (J. B. O., Postfach 120841, 10598 Berlin), per Fax (030/23328860) ihn in Gefahr zu bringen. oder als Scan Necla Kelek, Henryk Broder, Hamed Abdel-Samad per E-Mail an: [email protected]. und Ralph Giordano (sel. A.) schlagen sich nicht mit Fäusten wie rechte Schläger, sie schlagen sich mit Sie können die Zeitung auch auf unserer Website Worten wie zivilisierte Menschen! Was fällt Ihnen ei- www.juedische-rundschau.de abonnieren. № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU DEUTSCHLAND 17 „Wir werden immer mehr und beanspruchen Deutschland für uns“ Der SPIEGEL-Journalist Hasnain Kazim und seine Drohungen Von Jürgen Fritz die Erde Allah. Sie ist sein von ihm ein auf der Ratio, auf Fakten und empi- geschaffenes Eigentum, er also ihr rischen Belegen beruhendes Gespräch Hasnain Kazim, Jahrgang 1974, ist Eigentümer. Und Allah hat den führen möchte, muss der Muslim den- ein deutscher Journalist. Seit 2006 ist er Menschen als Verwalter über seine ken: „Achtung, er wünscht ja nur, dass für SPIEGEL ONLINE und den SPIE- Schöpfung eingesetzt. ich ungläubig werde, wie er ungläubig GEL tätig, war Südasien- und Türkei- „Wir haben die Treuhänderschaft ist. Ich muss auf der Hut sein und darf Korrespondent. Inzwischen arbeitet den Himmeln, der Erde und den mich nicht vom rechten Weg abbringen er für jenes Nachrichtenmagazin in Bergen angeboten, aber sie weiger- lassen. Er will mich ja nur zum Unglau- Wien. Hasnain Kazim hat eine indisch- ten sich, sie auf sich zu nehmen, ben verführen.“ pakistanische Abstammung, ist aber in und schreckten davor zurück. Der Die Möglichkeit, dass er selbst irren, Deutschland, in Oldenburg um genau Mensch aber nahm sie auf sich. Er dass der Gesprächspartner Recht ha- zu sein, geboren und hier aufgewach- ist frevelhaft und töricht.“ - Sure ben könnte - die sokratische Weisheit sen. Er studierte Politikwissenschaft, 33,72 -, wird von vorneherein ausgeschlos- war zeitweise Mitglied in der FDP, für Der Mensch ist also nach islami- sen. Und es wird von vorneherein ein welche er 1998 bei den Landtagswah- scher Vorstellung der Treuhänder Über- und Unterordnungsverhältnis len in Niedersachsen auch kandidierte. Allahs. Aus muslimischer Sicht postuliert. Der Andere hat nicht den Man könnte also sagen, Hasnain Kazim sind Europäer, die sich Allah nicht richtigen Glauben, er ist nicht in der müsste doch ein exzellent integriertes (vollständig) unterwerfen, schlech- Wahrheit, er verwaltet die von Allah Migrantenkind sein, wenn man so will te Treuhänder des Eigentums Al- zugewiesene Erde nicht richtig, also ein Immigrant der zweiten Generati- lahs. Sie erfüllen seinen Auftrag muss man sie ihm wegnehmen, weil sie on. Wie Hugo Müller-Vogg auf „Tichys nicht und dürfen daher jederzeit ihm ja gar nicht zusteht. Man muss die Einblick“ diese Tage berichtete,postete auch mit Gewalt abgesetzt werden. Treuhänderschaft an sich nehmen, weil nun just dieser Hasnain Kazim in den Dies ist quasi sogar ein moralisches der Nichtmuslim nun mal nicht im Sin- letzten Monaten auf Twitter folgendes: Gebot, die bösen „ungläubigen“ ne des Eigentümers handelt. 1. „AfD-Vize Gauland sagt: ‚Heute Europäer zu enteignen und ihnen Eine solche Denkweise ist meines sind wir tolerant, morgen fremd im ei- ihr Land, das ja in Wirklichkeit gar Hasnain Kazim Wissens einzigartig und kommt in sol- genen Land.‘ Meine Antwort: Gewöhn nicht das ihre ist, sondern das von chen Aussprüchen wie des SPIEGEL- dich dran, Alter!“ Allah, wegzunehmen, weil sie ja nicht besagt, dass ein jeder Mensch von Na- Korrespondenten sei es nun direkt und 2. „Gewöhn dich dran. Wir sind hier, richtig damit umgehen. Wer sich Allah tur aus ein Muslim ist. In Sure 30,30 massiv oder indirekt und nur noch la- werden immer mehr und beanspruchen nicht bedingungslos unterwirft, hat heißt es: tent zum Ausdruck. Solche Dinge sind Deutschland für uns. Ob du willst oder überhaupt keinen Anspruch, irgendet- „Richte nun dein Antlitz auf die (ein- keine Einzelfälle. Das kann man tau- nicht.“ was zu verwalten. Einen Anspruch dar- zig wahre) Religion! (Verhalte dich so) send- und millionenfach immer wieder Kurz darauf löschte Kazim den zwei- auf haben ausschließlich Muslime. als Hanif! (Das ist) die natürliche Art, hören. Diese Menschen glauben das ten Tweet und begründete das auf „Ihr (Gläubigen = Muslime) seid in der Allah die Menschen erschaffen wirklich und sie denken auch so, weil Twitter so: die beste Gemeinschaft, die unter den hat. Die Art und Weise, in der Allah man ihnen solches von klein auf immer 3. „Gelöscht, weil ihr mich vollmüllt. Menschen entstanden ist. Ihr gebietet, (die Menschen) geschaffen hat, kann wieder erzählte, es sich im Innersten Was den Inhalt angeht: ich stehe zu je- was recht ist, verbietet, was verwerflich (oder: darf?) man nicht abändern. Das ihrer Seele vollkommen festgesetzt hat dem Wort.“ ist, und glaubt an Allah.“ - Sure 3,110 ist die richtige Religion. Aber die meis- und diese Vorstellung von Generation Außerdem schrieb er der CSU nun Die Möglichkeit des Selbstirrtums, ten Menschen wissen nicht Bescheid.“ zu Generation weitergegeben wird. kürzlich einen deftigen Brief, weil diese die große sokratische Weisheit – Ich Der Islam setzt also sich selbst als Dass die tiefe Überzeugung, zu der sich für einen Vorrang für Zuwanderer weiß, dass ich nichts weiß – fehlt hier die natürliche Ur-Religion, womit die besten Gemeinschaft der Menschheit aus unserem christlich-abendländi- vollständig. Ein Irrtum oder ein Selbst- menschliche Natur selbst islamisiert zu gehören, dass man daher über alle schen Kulturkreis einsetzt. zweifel sind in dem gesamten Kons- wird. Auch in einem überlieferten Pro- anderen gebieten darf, dass aus der Un- „Gewöhn dich dran. Wir sind hier, trukt nicht vorgesehen. Und das, ob- phetenspruch (Hadith) kommt das Fit- terwerfung unter ein vorgegebenes Sys- werden immer mehr und beanspruchen schon der Begründer des Islam mehr ra-Konzept zum Ausdruck: tem dann wiederum ein Herrschafts- Deutschland für uns. Ob du willst oder als tausend Jahre nach Sokrates lebte. „Jeder (Mensch) wird im Zustand der anspruch über alle anderen abgeleitet nicht.“ Bei diesen Worten wird der Ein wird, dass eine solche Überzeugung oder Andere vielleicht ahnen, was da die durchaus ein angenehmes Gefühl zu nächsten Jahre und Jahrzehnte auf uns Selbstzweifel sind in dem gesamten erzeugen imstande ist, erscheint recht zukommt. Denn der Ton wird nochmals einleuchtend, zumal wenn einem zu- ein anderer werden, wenn die Mehrheits- Konstrukt nicht vorgesehen. Und das, gleich gesagt wird, dass dies unum- verhältnisse sich zunehmend verändern. stößliche Wahrheiten sind, die niemals Das ist überall auf der Erde so, wo Mus- obschon der Begründer des Islam mehr widerlegt werden können, was dann lime respektive Immigranten aus dem wiederum nicht nur ein Überlegen- islamischen Kulturkreis die Mehrheit als tausend Jahre nach Sokrates lebte. heits-, sondern auch noch ein absolutes stellen oder auch nur in die Nähe davon Sicherheitsgefühl erzeugt. Entspre- kommen. Wer über ein wenig Phanta- Was für ein geistiger Rückschritt! chend frech ist dann oftmals das Auf- sie verfügt, wird sich ausmalen können, treten. wie das in wenigen Jahrzehnten auch in Was für ein geistiger Rückschritt! Fitra geboren. Alsdann machen seine Diese Vorstellungen werden wir, das Deutschland klingen wird. Der Islam verkündet also sowohl in Be- Eltern aus ihm einen Juden, Christen sollten wir uns alle bewusst machen, Doch wo kommen solche Ansprüche zug auf ein spekulatives Jenseits (Trans- oder Zoroastrier.“ aus den meisten Menschen, die mit so her? Haben Sie jemals von einem Aus- zendenz, Welt 2) als auch in Bezug auf das Es sind also die widrigen soziokultu- einem Welt- und Menschenbild groß tralier, Kanadier, Peruaner oder einem tatsächlich beobachtbare Diesseits (Im- rellen Einflüsse des äußeren Milieus, geworden sind, niemals herauskrie- Koreaner auch nur annähernd Ähn- manenz, Welt 1) absolute Wahrheiten, die einen als Muslim Geborenen dann gen, wie der Fall von Hasnain Kazim liches vernommen? Nun weiß ich gar für die es weder empirisch noch logisch zu einem Juden, Christen, Polytheis- eindrucksvoll zeigt, der ja sogar in nicht, ob Hasnain Kazim ein Muslim irgendwelche Belege gibt. Und er begrün- ten, Agnostiker, Atheisten oder was Deutschland geboren und aufgewach- ist, aber es fällt schon auf, dass man sol- det die Gesetze für Welt 1 mit angebli- auch immer machen, die ihn quasi ver- sen, der beruflich bestens integriert ist. che Dinge besonders oft aus dem Mund chen Weisungen aus der rein spekulativ formen und entstellen, seine natürliche Insofern muss man Hasnain Kazim im von Menschen hört, die direkt oder in- angenommenen Welt 2. Noch schlimmer Anlage deformieren. Die Natur des Grunde dankbar sein, dass er uns die- direkt als Einwandererkinder über die aber: Er postuliert, dass all seine Aussa- Menschen wird durch eine nichtisla- se Art zu denken, diese Art der Selbst- Eltern, Großeltern aus dem islamischen gen von jeglichem Irrtum frei sind. Damit mische Umwelt mithin verdorben. Um und Fremdeinschätzung so eindrucks- Kulturkreis entstammen. Vielleicht aber ist ein rationales, offenes Gespräch dieses zu verhindern, wird dann folge- voll vor Augen geführt hat. könnte es ja mit dem islamischen Welt- auf Augenhöhe gar nicht mehr möglich. richtig vorgeschrieben: und Menschenbild zusammenhängen. Und zugleich wird behauptet, dass die „Sie wünschen, dass ihr ungläubig Zum Autor: Jürgen Fritz studierte Um zu verstehen, wo diese extreme, ja Umma, die Gemeinschaft der Muslime werdet, wie sie ungläubig sind, und Philosophie, Erziehungswissenschaft, schon impertinente Anspruchshaltung die beste Gemeinschaft sei, die je unter dass ihr ihnen gleich seid. Nehmet aber Mathematik, Physik und Geschichte herkommt, welche offensichtlich sogar den Menschen entstanden ist, woraus keinen von ihnen zum Freund, ehe sie (Lehramt). Für seine philosophische vor relativ gebildeten Leuten nicht halt- dann wiederum der Anspruch abgeleitet nicht auswanderten in Allahs Weg. Und Abschlussarbeit wurde er mit dem Mi- macht, denen man ja ein gewisses Maß wird, allen anderen zu gebieten, mithin so sie den Rücken kehren, so ergreifet chael-Raubal-Preis für hervorragende an Selbstreflexion und Selbstrelativie- ein Herrschaftsanspruch. sie und schlagt sie tot, wo immer ihr sie wissenschaftliche Leistungen ausge- rung eigentlich zutrauen sollte, kann es Zu diesem knechtischen Dasein, dem findet; und nehmet keinen von ihnen zeichnet. Inzwischen ist er als freier Au- in der Tat hilfreich sein, wenn man die absoluten Dogmatismus, der Kritikre- zum Freund oder Helfer.“ – Sure 4,89. tor tätig. 2012 erschien sein Buch „Das zu Grunde liegende Weltanschauung sistenz und dem Herrschaftsanspruch Hier haben wir nun eine astreine Im- Kartenhaus der Erkenntnis – Warum des Islam etwas genauer unter die Lupe kommt aber noch ein weiteres dazu, munisierungsstrategie. Immer wenn wir Gründe brauchen und weshalb wir nimmt. Nach diesem Weltbild gehört das sogenannte Fitra-Konzept. Dieses ein Nicht-Muslim mit einem Muslim glauben müssen“ in zweiter Auflage. 18 DEUTSCHLAND № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU „Hate Speech“ gegen Schimon Peres – wo bleiben Maas, Kahane, Schwesig und Co.? Antisemitische Hasskommentare von Deutsch-Türken auf Facebook

Von Stefan Köpitz eine spannende Informationsquelle mit geladen wurde. Ein Nutzer wünschte sich in die Tasten. Ein anderer meint: „Hoffe, relativ neutraler Berichterstattung, so ist eine Karikatur zur Einsturzkatastrophe und du krepierst, du Massenmörder. Die Hölle „Judenabschaum“, „Drecksjuden“ – das es mittlerweile zum Propagandainstru- ein anderer liefer- sind alltägliche Kommentare auf der ment der Regierung Erdoğan mutiert, das te prompt. Auf der deutschsprachigen Facebook-Seite des eine Front zu allem „Westlichen“ aufbaut. hochgeladenen staatlichen türkischen Rundfunksenders Zum Westen gehört in den Augen der Pro- Zeichnung sieht TRT. Der Sender in Ankara strahlt seine Sen- gramm-Macher natürlich auch Israel. Ger- man einen buck- dungen nicht nur auf Türkisch aus, sondern ne wird über den kleinen jüdischen Staat ligen, bärtigen, auch in den wichtigsten Weltsprachen. Auf berichtet, am liebsten dann, wenn es Ne- händereibenden Deutsch wird täglich via Kurzwelle und Sa- gatives zu vermelden gibt. Als Anfang Sep- jüdischen Bau- tellit in Richtung Europa gesendet. Beglei- tember in Tel Aviv eine Tiefgarage einstürz- herrn mit großer tend dazu bietet die deutsche Redaktion te, breitete man dies genüsslich auf der Hakennase, der eine Internetseite (www.trt.net.tr/deutsch) Facebook-Seite aus. Die Kommentare der angeblich beim und eine Facebook-Seite (www.facebook. Seitenbesucher, größtenteils Türken oder Bau der Garage com/trtdeutsch) an. Dort lassen sich lau- Türkischstämmige aus Deutschland, ließen absichtlich ge- fend neue deutschsprachige Nachrichten nicht lange auf sich warten. Auch diejeni- schlampt hat. Da- über das Leben in Erdoğans Reich und gen, die schon einiges an antisemitischen rüber prangt die dem Rest der Welt nachlesen. Hass-Tiraden gewohnt sind, konnten kaum Überschrift „Kauft War TRT DEUTSCH bis vor kurzem noch glauben, was da geschrieben und hoch- keine Garagen bei

Juden!“. Die Karikatur wartet bereits. Schmore ewig...“. Auch Sero blieb unwidersprochen K. von der Hauptschule im bayerischen Ha- und wurde von der Re- senberg muss noch seinen menschenver- daktion nicht gelöscht. achtenden Senf dazugeben: „Stirb einfach Mitte September mel- nur bitte!“. Berkay, Rejep und Ferry wün- dete TRT DEUTSCH den schen sich das ebenfalls und klicken dane- Schlaganfall von Israels ben auf „Gefällt mir“. Keiner der über 7.500

Ex-Präsident Schimon Fans der Facebook-Seite kritisiert das Ge- Peres. Kaum war die schriebene. Facebook selbst bleibt untätig. Meldung draußen, er- Diejenigen, die für das Anprangern von goss sich schon wieder Hasskommentaren „zuständig“ sind, blei- ein Schwall antisemiti- ben – wenig überraschend – in diesem scher Hasskommentare Falle untätig. Für Justizminister Heiko Maas Das besondere Bild: über die Facebook-Sei- (SPD) und Anetta Kahane von der umstrit- Laupheim, eine Kleinstadt in Oberschwaben mit rund 21.000 Einwohnern, hatte einst eine große te. Hakan, Student der tenen Amadeu-Antonio-Stiftung passt jüdische Gemeinde. RWTH Aachen, schreibt „Hate Speech“ (so nennen sie Hassreden) Es gibt dort ein großes „Museum zur Geschichte von Christen und Juden“. Der Eigentümer der beispielsweise: „Wenn von jungen Muslimen in Deutschland, die traditionsreichen, ortsansässigen Firma „Rentschler Biotechnologie“, Herr Prof. Nikolaus Rentsch- [Peres] stirbt, werde ich scheinbar gut integriert sind, nicht ins po- ler, ist Förderer und Vorsitzender des Freundeskreises des Museums. Israelische Geschäftspartner ‘nen Breakdance ma- litisch-korrekte Weltbild. Sie suchen Anti- werden von seiner Firma mit ihrer Landesflagge begrüßt. chen!“. „Bitte verrecke semitismus ungern bei jungen nationalis- du Hund!“, haut ein jun- tischen Deutsch-Türken, sondern lieber in Foto und Text: Martin Jehle ger Türke aus Hamburg der „Mitte der Gesellschaft“. № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU ISRAEL 19 Israel sollte sich an die Bedrohungen nicht gewöhnen Wir entscheiden, ob die derzeitigen Zustände „israelische Normalität“ sind oder nicht. Von Judith Bergman Angst von einem Auto gerammt oder von einem Stein ge- te ebenso achten müssen, wie auf das Risiko im Hausflur troffen zu werden, leben zu dürfen. auf einen Araber mit Messern und Schusswaffen zu treffen. Die Menschen in Israel gehen ihrem Alltag nach, ganz Die körperliche Unversehrtheit ist des Menschen Wir müssen verstehen, dass es nicht so sein muss. Solch so, als ob sich nichts Ungewöhnliches ereignet; weil Grundrecht. Nichts kann darüber stehen. Die Antwort eine zerstörerische, nicht normale Situation ist nicht zwin- wir müssen, weil wir zäh sind und weil das Leben auf die bestehende Gefährdung kann nicht sein, dass die gend. Wir haben uns diese Situation ausgesucht und ent- weitergeht. Hierin verbirgt sich ein gewaltiger Trug- internationale Gemeinschaft die Maßnahmen, die für die scheiden uns täglich neu für sie, solange wir uns erlauben, schluss. Gewährleistung der beanspruchten Sicherheit notwendig erstochen oder erschossen zu werden, von einem Auto ge- sind, möglicherweise beanstandet. Nebenbei ist zu be- rammt oder von Steinen beworfen zu werden, während wir merken, dass die internationale Gemeinschaft, bzw. die so tun, als ob all das normal wäre. sogeannnte internationale Gemeinschaft, dieser Tage bereits bewiesen hat, dass sie sich nicht um israelische Der Artikel von Judith Bergman ist zuerst erschie- Menschenleben schert. nen auf „Israel Hayom“. Die Europäische Union pumpt ununterbrochen Millionen von Euros in den „palästinensischen“ Machtapparat, ungeachtet der Tatsache, dass die- se als autoritär und undemokratisch zu qualifizie- ren ist, ihre eigenen Bürger gezielt zur Ermordung von Israelis indoktriniert, und hierzu selbst die eigenen Kinder kaltblütig missbraucht und einer Gehirnwäsche unterzieht. Die internationale Gemeinschaft interessiert sich für die israelischen Häuser, nicht aber die isra- elischen Menschenleben Die internationale Gemeinschaft interessiert sich nicht für die Israelis. Vielmehr dreht sich al- les, auffällig oft, um israelische Häuser. Endlos wird über den israelischen „Siedlungsbau“ und den Boden, auf dem die Häuser stehen, debattiert. Die jüdischen Häuser und das jüdische Gemüse bereiten dem Westen Schwierigkeiten, nicht aber die Messer und Schusswaffen oder die arabischen Terroristen, die diese Angriffswerkzeuge mit sich führen. Wie viele Jahrzehnte brauchen wir noch, um diese wichtige Lektion zu lernen? Vergangenen Dienstag wurde mindestens eine Person ermordet und mehr als ein Dutzend wur- den, in einer Reihe von Terroranschlägen quer durch Israel, verwundet. Am darauffolgenden Tag ereigneten sich zwei weitere Terroranschläge in Jerusalem. Ein Israeli wurde lebensgefährlich ver- letzt. Was gibt es da zu debattieren? Da waren ein Israel hätte die Kraft alle Bedrohungen zeitnah abzustellen. Dutzend Messerangriffe, Schießereien und Atta- cken mit Kraftfahrzeugen. Das ist nicht normal. Die Gewährung von Sicherheit für die eigenen Bür- Das ist nichts, was wir akzeptieren sollten. Das ist ger, so dass diese ohne Angst um ihre körperliche blanker Wahnsinn. Unversehrtheit oder ihr Leben, ihren täglichen Erle- Und doch bewegen sich die Menschen in Israel digungen nachgehen können, ist die vorrangige Ver- jeden Tag, als sei nichts Unnatürliches geschehen; antwortlichkeit einer jeden Regierung. weil wir müssen, weil wir zäh sind und weil das Wenn es an dieser Sicherheit grundlegend fehlt, Leben weiter geht. Hierin liegt ein großer Irrtum. reden wir nicht mehr über eine Gesellschaft, die sich Dieser Gedankengang verleiht dem Status quo eine alltäglichen Dingen widmet, sondern über einen Zu- bedrohliche Legitimität, die letztlich zur Annahme stand der Anomalie, gleich ob die Bevölkerung oder der Gefährdung als auswegloses, unvermeidbares ihre Regierung diese Deformation als solche wahr- Schicksal führt. Warum? Weil die Welt nicht erfreut nimmt oder nicht. Denn der den Staat legitimierende sein könnte, wenn unsere Regierung härtere Maß- Vertrag zwischen der Regierung und dem Bürger liegt nahmen, die den Terror von unseren Straßen wirk- in Scherben. sam ausrotten, ergreift? Wenn wir uns weniger darum sorgen, was unsere Handelspartner über unsere Sicherheitspolitik den-  Stärke ist die einzige Spra- ken, könnte das die Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen – oder auch nicht. Persönlich würde ich eine che, die Respekt erzeugt. schlechte Wirtschaftslage einer nicht normalen, verheerenden Sicherheitslage vorziehen. Israel lebt in solch einer Abnormität. Diejenigen, die Vielleicht haben sich die Jahrtausende im Exil sagen, das sei schon immer so gewesen und auch der Zu- und das Leben in politischer Abnormität (ein Le- stand fortwährenden Terrors, der seit September mehr ben ohne eigenen Staat oder die Möglichkeit der als 30 Personen das Leben und fast 400 Menschen die Selbstbestimmung, in andauernder Abhängigkeit körperliche Unversehrtheit kostete, ändere diese Beur- von Willkür und Gnade fremder Herrscher) in der teilung nicht, verstehen das Wesentliche nicht. israelischen DNS dermaßen festgesetzt, dass gar der Jene, die mit einer Unmenge an Entschuldigen patriotischste Israeli unbeabsichtigt glaubt, diese kommen, warum die Situation nicht zu ändern bzw. Sicherheitslage sei, anders als bei jeder anderen zivi- die Gefährdung nicht zu beheben sei, und die tägliche lisierten Nation dieser Erde „jüdische Normalität“. Sicherheit auf den Straßen nicht wiederherzustellen Aber das ist es nicht. Und wenn wir den Status sei, verstehen noch weniger. eines vollwertigen Staates begehren, der von den an- Aus der Perspektive des Israelis, der seinen Bür- deren Staaten der Welt respektiert wird, darf dieser gerpflichten nachkommt, also den Wehrdienst leistet Zustand nicht zur „jüdischen Normalität“ erklärt oder seine Kinder zur Ableistung entsendet, der Steu- werden. Stärke ist die einzige Sprache, die Respekt ern zahlt und sich gesetzestreu verhält, ist die Frage, erzeugt. Und Stärke bedeutet die Aufrechterhal- warum der Vertragspartner des bestehenden (staats- tung und Bewahrung fundamentaler Rechte eines theoretischen) Gesellschaftsvertrages, also der Staat, Menschen. seine Leistung, nämlich die Gewährleistung der kör- Jeder Israeli hat ein fundamentales, ihm angebo- perlichen Sicherheit, nicht liefert, die einzig entschei- renes Recht auf körperliche Unversehrtheit. Gleich- dende. wohl scheint es, als ob wir genau das vergessen hätten Es ist ein fundamentales Recht des Menschen, ohne und leichtfertig akzeptiert haben, dass wir stets nach die Angst erschossen oder erstochen zu werden, ohne die hinten schauend, auf unsere Kinder und Supermärk- 20 ISRAEL № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Gabriel Naddaf: Die eigene Identität der Aramäer Immer mehr aramäische Christen gehen zur israelischen Armee Von Oliver Vrankovic

Am 12. Mai diesen Jahres wurde dem griechisch-orthodoxen Priester Gabriel Naddaf die Ehre zuteil als erster Christ bei der Zeremonie zum israelischen Un- abhängigkeitstag eine der Fackeln zu ent- zünden. Die historische Tragweite sei ihm voll bewusst gewesen, sagt Gabriel Naddaf, der als spirituelles Oberhaupt des christlich-israelischen Rekrutie- rungsforums für sein Bemühen um die jüdisch-christliche Integration geehrt wurde.

Gabriel Naddaf ist ein arabischspre- GUEZJACK / AFP chender israelischer Aramäer grie- chisch-orthodoxen Glaubens. Eine Identifizierung als arabisch-israelischer Christ lehnt er entschieden ab. Christ- liche Araber gebe es nur in der „palästi- nensischen“ Propaganda, erklärt er. Es gehe beim Thema Identität nicht um seine persönliche Sichtweise, son- dern um die Geschichte der Christen im Mittleren Osten, erklärt Gabriel Naddaf. Und die Geschichte lasse kei- nen Zweifel daran, dass die Christen aller Kirchen im Nahen Osten Aramäer seien und keine Araber. Die fälschliche Assoziierung der Christen im Nahen Osten mit den Ara- bern gehe auf die islamische Eroberung zurück und die Jahre arabischer Herr- schaft, der sich die Christen zu unter- werfen hatten. Heute gebe es für die arabischen Christen keinen Grund sich als Minderheit der Araber zu sehen und deren feindselige Haltung zu Israel zu übernehmen. Religiös, historisch und ethnisch Der Autor Oliver Vrankovic (links) mit Gabriel Naddaf. beziehe sich die Identität der Chris- ten des Nahen Ostens auf die jüdische der rechts-zionistischen NGO „Im Osten verübt würden. orthodoxe Rat der Stadt erklärte sofort Geschichte und Kultur. Jesus selbst Tirzu“ unterstützt. Shlayan bat Gabri- Er sagt, er habe in der Zeit sehr viel nach Bekanntwerden des Kongresses, sei Jude gewesen und habe aramäisch el Naddaf ihnen als spirituelles Ober- für die Christen des Nahen Ostens ge- dass dieser nicht die Interessen der gesprochen, erklärt Naddaf. Er sei als haupt zu dienen. Das „Christliche betet und sich dann entschlossen tätig christlichen Gemeinschaft repräsentie- Kind jüdischer Eltern in der jüdischen Rekrutierungsforum“ organisierte im zu werden. Er wusste, dass er massive re. Außerdem sprach sich der Patriarch Stadt Bethlehem geboren worden. „Ihr Oktober 2012 einen Kongress in Ober- Probleme bekommen würde, doch das Theophilos III. gegen die Rekrutie- sollt nicht meinen, dass ich gekommen Nazareth, der von 120 jungen Christen Bedenken der Konsequenzen habe ihn rung von Christen für die israelischen bin, das Gesetz oder die Propheten besucht wurde. Als der angesehene nur gelähmt und schließlich beschloss Streitkräfte aus und Naddaf wurde der aufzulösen; ich bin nicht gekommen Kirchenmann Naddaf ans Rednerpult er einfach zu machen. So stellte er sich Zutritt zur griechisch-orthodoxen Ver- aufzulösen, sondern zu erfüllen“, zitiert kam, konnte niemand ahnen, welche im Oktober 2012 ans Rednerpult und kündigungskirche verwehrt. Eine breit ihn der bibelfeste Pater. Schockwellen von diesem kleinen Kon- erklärte, dass die Christen in Israel angelegte Kampagne in den arabischen Leider würden die israelischen Chris- gress ausgehen sollten. Naddaf beteu- keine Araber seien, sondern Aramäer Medien porträtierte ihn als Verräter. ten auf ihre Verbindung zum Judentum ert, dass er die Tragweite seiner Rede und als solche mit dem jüdischen Volk Die Palästinensische Autonomiebehör- kaum hingewiesen, sagt Naddaf. Die de forderte seine Absetzung aus allen Schuld gibt er den Kirchen des Nahen Ämtern. 2013 wurde sein Sohn tätlich Ostens und den christlichen Schu- Als der angesehene Kirchenmann Naddaf angegriffen. len, die die jüdische Abstammung des Arabische Knessetabgeordnete dien- Christentums außen vorlassen würden ans Rednerpult kam, konnte niemand ten der Hasskampagne gegen Gabriel und auf die Juden nur als diejenigen zu Naddaf in erster Reihe. So schrieb die sprechen kämen, die Jesus ans Kreuz ahnen, welche Schockwellen von diesem Abgeordnete Hanin Zoabi in einem genagelt hätten. Er selbst habe erst offiziellen Brief am 1. November 2012, während seines Theologiestudiums kleinen Kongress ausgehen sollten. Er wuss- dass durch Naddaf mit seinem Aufruf die Verbindung zwischen Juden- und zur Rekrutierung die christliche Jugend Christentum voll erfasst. te, dass er massive Probleme bekommen gefährde und sie von ihrem Volk ab- Gabriel Naddaf wurde 1995 in Naza- spalte und sie ihrem Feind in die Arme reth zum Priester geweiht und diente in würde, doch das Bedenken der Konsequen- führe. Die Abgeordneten Muhammad der griechisch-orthodoxen Verkündi- Barakeh und Ahmed Tibi haben die gungskirche. Später wurde er zum Spre- zen habe ihn nur gelähmt und schließlich Entlassung des Priesters gefordert. cher des Patriarchen Iraneus I. berufen. NGOs wie Mossawa – finanziert vom Naddaf begann sich innerhalb der Kir- beschloss er einfach zu machen. NIF – haben sich der Kampagne gegen che dafür einzusetzen, die Christen in Naddaf angeschlossen. Eine schwarze Israel über ihre jüdischen Wurzeln auf- Liste christlicher Führer und Aktivis- zuklären. Sein Engagement wurde vom selbst nicht abschätzen konnte. verbunden. Er rief die Christen dazu ten ging zusammen mit Bildern junger Patriarchen ausgebremst, da dieser die Der Priester begann sich im Verlauf auf ihr jüdisches Erbe anzunehmen Christen, die an Rekrutierungsveran- Angelegenheit für zu komplex und kon- des Jahres 2012 zunehmend unwohl zu und dem Staat Israel zu dienen. Er rief staltungen teilgenommen haben, durch trovers hielt. fühlen mit den Bildern der Christenver- die israelischen Christen dazu auf sich die israelfeindliche Presse. Das antizi- Im Oktober 2012 gründete der ara- folgung, die ihn im Zuge der Ereignisse für die israelischen Streitkräfte zu rek- onistische Webzine „+972“ prangerte mäische Christ Ehab Shlayan das des „Arabischen Frühlings“ erreichten rutieren. Er nutzte die Bühne, um die die Rekrutierung von Christen in die „Christliche Rekrutierungsforum“, um und dem gleichzeitigen Schweigen der Christen in Israel aufzurufen, sich ihrer israelischen Streitkräfte in mehreren mit der Lüge der arabisch-christlichen Kirchen. Er fragte sich wozu er Priester wahren Identität zu besinnen. Artikeln an. Es kam zu Übergriffen auf Identität zu brechen. Der IDF-Major geworden sei, wenn er seine Stimme Die Reaktionen ließen nicht auf sich Soldaten. und seine arabischsprechenden christ- nicht erhebe, wenn brutale Angriffe auf warten und waren extrem. Freunde Baladna und Hamleh, weitere NGOs, lichen Mitstreiter wurden dabei von die christlichen Gemeinden im Nahen entfernten sich und der griechisch- wiesen unermüdlich auf die „Bedro- № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU ISRAEL 21 hung“ durch die israelische „Teile und philis III., die er aber gleichfalls einord- Minderheiten gleiche echte und Teilha- raus, in der er theologisch begründet Herrsche“- Taktik hin, die junge „Pa- nen konnte. Er respektiere den Patriar- be und das gelte auch für die Aramäer. darlegt, warum es für Christen tabu sei, lästinenser” von ihrem nationalen und chen selbstverständlich, sagt der Pater, 2014 erlebten Gabriel Naddaf und BDS zu unterstützen. historischen Erbe” abschneiden würde. der dem Vorgänger von Theophilis III. gleichgesinnte Mitstreiter die Aner- Die Aktivitäten des christlich-israeli- Diese Gruppen fürchten also das wach- als Sprecher diente und sich mit Kir- kennung der nationalen Minderheit der schen Rekrutierungsforums umfassen sende Selbstverständnis der Christen in chendiplomatie auskennt. Der Patriarch Aramäer. Jeder orthodoxe Christ hat verschiedene Konferenzen während des Israel als Aramäer, da sich diese nicht stehe nicht nur den griechisch-orthodo- heute die Möglichkeit sich formal von ganzen Jahres, Bildungs- und Motiva- für deren Delegitimationskampagnen xen Christen in Israel vor, sondern auch der nationalen Minderheit der Araber tionsseminare, Ausflüge und ein Vor- gegen Israel einspannen ließen. Das denen in den „palästinensischen“ Ge- loszusagen und als Aramäer registrie- bereitungsprogramm für den Militär- Wohlergehen der christlichen Minder- bieten und denen in Jordanien. Außer- ren zu lassen. dienst. Jonathan, ein leitender Aktivist heit sei den vorgeblichen Menschen- dem gibt der Pater zu Bedenken, dass er Er sehe, dass die israelische Mehr- streicht zudem heraus, dass ein Schwer- rechtsaktivisten egal. Israeli sei und der Patriarch Grieche. Da heitsgesellschaft die Arme für die Ara- punkt ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit In den ersten Monaten habe er dem sei der Blickwinkel ein anderer. mäer öffne. Er erklärt dies damit, dass auf Publikationen liege. immensen Druck ganz allein aushalten Naddaf bezeichnet sich als pro-zio- die Juden verstehen würden, welche Be- Dutzende von jungen christlichen müssen, sagt Gabriel Naddaf. Dann nistisch und spricht sich für die jüdi- deutung der Kampf für die eigene Iden- Männern und Frauen aus dem ganzen kam der Tag, als er völlig überraschend sche Souveränität in Israel aus, da die- tität habe. Land kontaktieren Naddaf per E-Mail, einen Anruf des Premierministers er- se Gleichbehandlung garantiere. Im Einen vorläufigen Höhepunkt seiner um sich Rat einzuholen. Zur „Teilhabe halten habe, erinnert sich Pater Naddaf. September 2014 forderte er bei einer Arbeit erlebte Naddaf als der israelische ohne Angst zu haben“ ermutigt er sie. Netanjahu habe ihm die Zusammenar- Rede an den Menschenrechtsrat der Premierminister Benjamin Netanjahu Außerdem wird das spirituelle Ober- beit in einem gemeinsamen Forum an- UN in Genf dazu auf, die „Hexenjagd“ 2014 auf dem Weihnachtskongress des haupt des Rekrutierungsforums immer geboten. Diese Zusammenarbeit dau- auf Israel zu beenden. Dem notorisch christlich-israelischen Rekrutierungs- öfters zu Hausbesuchen eingeladen. erte ein Jahr. Entgegen weitgestreuten israelfeindlichen Gremium erklärte er, forum sprach. Im Festsaal in Nazareth Ihre Arbeit sei inzwischen so bekannt, Lügen würde christlich-israelischen dass es heute im Nahen Osten nur ein wurde Netanjahu von den 1.000 An- dass sich immer mehr Familien mit Bit- Rekrutierungsforum nicht von der Re- Land gebe, wo Christen nicht nur nicht wesenden mit stehende Ovationen be- te um ein Treffen an ihn wenden wür- gierung bezuschusst, sagt Naddaf. Um verfolgt würden, sondern wo ihnen die grüßt. den, sagt Naddaf. Wenn er an den An- Projektgelder müsse er sich wie jede an- Freiheit der Meinungsäußerung, Glau- Einer der Vorwürfe, mit denen Gab- fang seines Engagements zurückdenke, dere Organisation bewerben. bensfreiheit und Sicherheit gewährt riel Naddaf am häufigsten konfrontiert sei er selbst vom Erfolg überrascht, gibt Der wichtigste Aspekt seines Erfolges würde. Weiter erklärte er, dass Israel wird, bezieht sich auf seine Zusammen- Pater Naddaf zu. Die Zahlen, die Jona- sei die Standhaftigkeit, sagt der Kir- der einzige sichere Platz für Christen arbeit mit Politikern und NGOs aus than präsentiert, sprechen für sich: chenmann. Seine Gegner hätten damit im Nahen Osten sei. dem rechten politischen Spektrum. Da- Bis 2012 schrieben sich pro Jahr 35 gerechnet, dass er schnell unter dem Auf die Frage, ob der jüdische Staat bei, so versichert er, gehe es ihm nicht arabisch sprechende Christen für den Druck brechen würde, erinnert sich nicht nur ein sicheres, sondern auch ein um die kleine Parteienpolitik, sondern Armeedienst ein. Im Jahr, das auf den Naddaf. Tatsächlich berichtete „Elect- gutes Land für Christen sei, antwortet um das große Anliegen der Integration ersten Kongress und die Rede von Nad- ronic Intifada“ im Juni 2013 enttäuscht: er, dass er hier das Glas mehr als halb- der Aramäer in die israelische Mehr- daf folgte, rekrutierten sich 150 junge „Bisher ist Naddaf trotzig geblieben“. Er voll sehe. Trotz der Probleme, die es in heitsgesellschaft. Christen. Aufgrund von Übergriffen habe trotz des immensen Drucks gera- dem Land fraglos gebe, würde es ihm Politiker und Regierungen würden sei die Zahl im folgenden Jahr auf 115 de in den ersten Monaten nach seinem als Christen gut gehen. Er zeigt auf das wechseln, erklärt Naddaf, aber die Iden- zurückgegangen, erklärt Jonathan. Aufruf zu seiner Überzeugung gestan- große Kreuz, dass er an sich trägt und tität der Christen in Israel reiche darü- 2015 hätten sich 130 junge Christen den und sei vielen jungen Christen da- erklärt, dass er so in keinem anderen ber hinaus. rekrutiert und in diesem Jahr hofft das mit ein Vorbild. Land im Nahen Osten, und besonders Im Jahr 2015 gab er die Denkschrift christlich-israelische Rekrutierungsfo- Bitter für den Kirchenmann Naddaf nicht im Irak oder Iran auf die Stra- „Ein christlicher Wegweiser für die rums auf 200 Einschreibungen für die war die Reaktion des Patriarchen Theo- ße gehen könne. Israel biete all seinen anti-Israelische Boykottbewegung“ he- Armee und 600 für den Ersatzdienst. Liebe Leserinnen, liebe Leser, in der digitalen Welt, in der wir leben, darf unsere Redaktion sich nicht auf die gedruckte Zeitung be- schränken. Denn die Verbreitungsmöglichkeiten der Zeitung auf Papier sind beschränkt. Sie bekommt man nicht unbedingt in jedem Pressekiosk – besonders in kleineren Orten ist das problematisch. Sie wird nicht überall ins Ausland ausgeliefert, und wenn, dann mit einigen Tagen Verspätung. Eine Abo-Lieferung ins Ausland kostet zusätzlich. Aber auch wenn alle diese Schwierigkeiten auf Sie nicht zutreffen und Sie vor der Haustür einen Presseki- osk haben, wo die Zeitung regelmäßig angeboten wird, möchten Sie möglicherweise nicht immer vor die Tür gehen und in der Zeitung blättern (falls das vom Kioskbesitzer geduldet wird), bevor Sie sie kaufen. Für alle, die es bequem, schnell und ohne geografische Einschränkungen mögen, bieten wir nun eine neue Vereinfachung: Kaufen Sie jede einzelne Ausgabe der „Jüdischen Rundschau“ oder abonnieren Sie die Zeitung als e-Paper. Das bringt Ihnen nur Vorteile: • Sie können die Zeitung lesen noch bevor sie an die Kioske und zu den Abonnenten der Druck-Ausgabe kommt. • Sie können die Zeitung bzw. einzelne Artikel bequem elektronisch archivieren, ohne viel Papier zu Hause zu stapeln. • Sie können sich vor der Kaufentscheidung einen Eindruck über den Inhalt der aktuellen Ausgabe verschaffen, ohne einen kritischen Blick des Kioskbesitzers ertragen zu müssen. • Sie können die Zeitung an jedem Ort der Welt lesen, wo Sie Internet haben – ohne zeitliche Verzögerungen und ohne Aufpreis. • Sie sparen Geld – die Einzelausgabe kostet als e-Paper 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk, das Jahresabo 33 Euro statt 39 Euro für die Druckausgabe. • Und nicht zuletzt tragen Sie sogar zum Schutz der Umwelt bei. Um all diese Vorteile zu nutzen, brauchen Sie nur unsere Website www.juedische-rundschau.de zu besuchen. Ein Button für den Kauf der Zeitung als e-Paper finden Sie sowohl auf der Hauptseite (oben rechts und ganz unten im Menü „Service“) als auch hinter jedem einzelnen Artikelausschnitt in der Online-Version der Zeitung. 22 ISRAEL № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Trump überzeugt auch in Israel Ein Interview mit Marc Zell von den „Republicans Overseas“ Die JÜDISCHE RUNDSCHAU sprach mit Marc Zell, dem Vorsitzen- den der „Republican Overseas Israel“ und Vizevorsitzenden der weltweiten „Republicans Overseas“ zu dem Thema der Rolle Israels in den bevorstehenden US-Wahlen. In seiner Wohnung in der „Siedlung“ Tkoa empfängt er herzlich Jewel SAMAD / AFP und auf Deutsch zum Interview und entschuldigt sich, den Großteil doch lieber auf Hebräisch zu machen. Wir wohnen zufälligerweise nur vier Häu- ser voneinander entfernt und Marc Zell studierte u.a. Germanistik an der Uni- versität von Princeton. Während des Interviews piepst an und zu sein Lap- top und verkündet, dass ein weiterer amerikanischer Israeli sich zur Wahl eingeschrieben hat. JÜDISCHE RUNDSCHAU: Lieber Herr Zell, was sind die „Republicans Overseas Israel“? Gibt es solche Grup- pen in fast jedem Land, oder ist das et- was Besonderes hier in Israel? Marc Zell: Es gibt uns in über 60 Ländern, einschließlich Deutschland, Frankreich usw. – es gibt etwa 9 Milli- onen amerikanische Staatsbürger, die im Ausland leben und die in allen mög- lichen Ländern wohnen. Israel ist aber unter diesen Ländern auf Platz Num- mer 4 von der Anzahl der amerikani- schen Staatsbürger her, und die repub- likanische Auslandsgruppe hier ist die aktivste von allen Ländern. Wir haben in Israel auch über 100 Volontäre überall im Land, die uns jetzt im Wahlkampf besonders unter- stützen. Überall, wo viele Amerikaner leben, haben wir Ortsgruppen, in Jeru- ist, die Demokraten oder die Republi- ment war in fast jedem Satz zu hören. Aber kucken wir uns doch mal eine salem, Raanana, Kfar Shmaryahu, Kfar kaner, wird die Antwort sehr klar: Die Und genau das ist die Erklärung des zentrale Aussage von Trump in Sachen Saba, Modiin, Beit Shemesh, Beer She- Republikaner. Phänomens Donald Trump! Er hat 16 Judäa und Samaria („Siedlungen“) an - va, Judäa und Samaria, im Norden usw. Das war nicht immer so. Aber die De- Opponenten ausgeschaltet. Er kommt es ist einfach eine Revolution in Sachen Und wir haben auch Gruppen in den mokraten sind nach links gerutscht und von außen, außerhalb des politischen Position der USA! verschiedenen Strömungen, wie z.B. viele dort unterstützen Israel nicht oder Establishments und redet Klartext. Er Trump sagt, dass die „Siedlungs“- bei den Nationalreligiösen oder den sehen es als eine Art Südafrika, unter- wird als sehr authentisch wahrgenom- frage eine Angelegenheit von Israel und Ultraorthodoxen. stützen BDS usw.. Bernie Sanders z.B. men. dem jüdischen Volk sind. Fertig. Wow! Wie viele wahlberechtigte Amerika- hat Israel beschuldigt in Gasa 10.000 Und Ähnliches gilt für die Demo- Kol HaKawod. Wir haben seit fünfzig ner gibt es in Israel? „Palästinenser“ getötet zu haben, was kraten: Bernie Sanders ist auch eine Jahren von so einer Kursänderung ge- Marc Zell: Um die 400.000 amerika- einfach eine blanke Lüge ist. Und sei- Anti-Establishment-Erscheinung, die träumt! Und wir hören es und sehen es nische Staatsbürger insgesamt. Um die ne Anhänger befinden sich oft in einem mit Biegen und Brechen und nicht ganz schwarz auf weiß, dass er im Falle eines 300.000 sind wahlberechtigt. ähnlichen Spektrum - von Antizionis- sauber von Hillary und Co. noch gera- Wahlsiegs und Regierungsbildung die Und wie viele von ihnen werden repu- mus bis Antisemitismus - du kennst das deso abgefangen wurde. amerikanische Linie in Sachen Nahost- blikanisch wählen? sicherlich aus Europa. Jetzt nistet es Und daher ist es ganz und gar nicht konflikt ganz einfach umwälzen würde. Marc Zell: Die Allermeisten! Hier in sich auch in Amerika und innerhalb der sicher, was am 8. November geschehen Und er sagt: „Wir kommen nicht mit Israel haben wir eine überwältigende Demokratischen Partei ein. wird. unseren Lösungen. Wir schubsen nicht Mehrheit! Über 80%. Und das im voll- Sind die Demokraten bei diesen Wah- Mit all der Problematik von Donald einmal jemanden in eine bestimmte kommenden Gegensatz zu den Juden in len - Sie sprachen Bernie Sanders an – Trump als republikanischem Kandida- Richtung an. Wir sind nicht einmal si- den USA selbst. israelkritischer als sonst? ten: Hillary Clinton verkörpert etwas, cher, dass es Lösungen gibt.“ Alle republikanischen Juden reisen Und das spiegelt sich auch im aktu- nach Israel aus? ellen, offiziellen Wahlprogramm der Marc Zell: Nein, nein. Die meisten Viele jüdische Amerikaner wandern als Republikaner wieder, an dem ich auch Amerikaner die nach Israel einwan- mitwirken konnte, in dem einige Ände- dern, sind ursprünglich Demokraten. Demokraten nach Israel ein und werden rungen in Sachen Israel unternommen Kuck dir nur unseren Vorstand an: wurden. Es ist das pro-israelischste Außer mir waren in den USA noch alle dann zu Republikanern. Wahlprogramm in der Geschichte bei- Demokraten. Mrs. Franklin z.B. war der amerikanischer Parteien aller Zei- ursprünglich die Vorsitzende der „De- Marc Zell: Das Phänomen Sanders was bei weiten Teilen der Bevölkerung ten! mokraten außerhalb der USA“. ist interessant, weil es eine allgemeine Überdruss hervorruft. Wir saßen vor dem republikanischen Wie kommt das? Was passiert hier Entwicklung widerspiegelt: Die Bevöl- Man hört oft unter Israelis, dass Parteitag in Cleveland mit Trumps mit ihnen? kerung in den USA – aber nicht nur in Trump vielleicht gut wäre und dies und Team zusammen und haben es ge- Marc Zell: Das ist ziemlich klar. In den USA, sondern wir sahen ähnliches jenes Proisraelisches gesagt hätte, aber schafft alle Formulierungen, die Israel den USA haben die meisten Juden alle auch beim Brexit, und wir sehen es z.B. er hätte auch anderes über Israel gesagt als „Besatzer“ bezeichneten, aus dem möglichen verschiedenen Interessen gerade auch in Deutschland – ist Anti- und vielleicht ändert er sowieso nach Wahlprogramm zu streichen. Die gan- und Prioritäten: Bildung, Wirtschaft, Establishment: Die Bevölkerung hasst der Wahl seine Meinung und könnte ze Geschichte von einer „Lösung von Gesundheitsvorsorge, etc. - Israel die etablierte Politelite. dann zum Schaden von Israel han- zwei Staaten für zwei Völker“ ist raus. kommt nach Umfragen bei amerikani- Die Bevölkerung wird – außer kurz deln... Bis jetzt hatten beide Parteien eigent- schen Juden erst auf Platz 14 der wahl- vor Wahlen – übersehen, ignoriert, ver- Marc Zell: Da hat er kein Monopol. lich die gleichen Formulierungen zu beeinflussenden Themen, 14! gessen. Ihre Sorgen finden kein Gehör. (lacht) Jeder kann im Grunde seine Israel in ihren Programmen – eine Idee In Israel aber ist es ganz anders. Erst Die Politeliten kümmern sich um ihre Meinung drastisch ändern und im Fall von AIPAC, dass Israel ein überpar- einmal kommen Leute her, weil Isra- Stühle und Löhne und die Bevölkerung von Hillary zumindest haben wir be- teiliches Thema bleiben müsse. Das ist el ihnen wichtig ist und wenn sie hier leidet. Und da sagt die Bevölkerung ‚Es reits gesehen, dass es nicht nur bei The- aber Unsinn und wir beschlossen, dass leben, wird Israel zu einem der wich- reicht‘! Gestern z.B. sprach ich zu einer orie blieb, sondern sie mit Sicherheit wir etwas unternehmen müssen. tigsten Wahlinteressen. Und wenn sie Gruppe von amerikanischen Evange- ihre Meinung ändern kann. Bei Trump Trump war dafür und es wurde auch sich dann fragen, wer für Israel besser listen, und ihre Wut auf das Establish- bis jetzt nicht. einstimmig auf dem Parteitag ange- № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU ISRAEL 23 kommen, und unter tosendem Applaus. In den unklaren Staaten, wie Ok, dann träumen Sie doch mal ei- Das war einmalig. Es war sehr bewe- Ohio, Florida, Pennsylvania, nen Moment. Die Wahl ist vorbei und gend – wie ein Fest. Man berichtete Colorado könnten die israe- Trump ist der Präsident der Vereinig- mir, dass noch tagelang Kirchen in den lischen Stimmen wieder aus- ten Staaten von Amerika. Was passiert USA diese Änderung des Wahlpro- schlaggebend werden. jetzt in Bezug auf Israel? gramms in Richtung Israel gefeiert hat- Zum Verständnis: Amerika- Marc Zell: Ich denke, zum einen wird ten. Das ist die Republikanische Partei. nische Israelis stimmen jeweils sich eine Möglichkeit eröffnen den Sie lieben Israel, vor allem viele evange- in dem Bundesstaat, aus dem Iran-Deal in einen neuen Rahmen zu likale Christen, auch wenn die meisten sie kommen und haben nur dort stellen. Trump hat so etwas angekün- Juden in den USA für die Demokraten Einfluss, und nicht global als digt. Und er hat versprochen, dass das stimmen. Und wo ich auch hinging auf „Überseestimmen“ oder Ähnli- erste Land, dass er nach einem Wahl- diesem Parteitag mit meiner Kippa auf ches? sieg besuchen würde, Israel sein wird. dem Kopf und einem Anstecker einer Marc Zell: Korrekt. Ich erwarte auch, dass er die ameri- Israelfahne, wurde ich begrüßt, gefei- Könnte Trumps versprochene kanische Botschaft von Tel Aviv nach ert, umarmt, geküsst. Man muss verste- amerikanische ‘Realpolitik’ im Jerusalem verlegen werden wird. Es hen, dass vor allem für diese evangeli- Nahen Osten - wobei er uns kei- gibt seit Jahren ein gültiges Gesetz, kale Wählerschaft Israel gerade eines ne Vorschriften in Sachen ‘Frie- die amerikanische Botschaft nach der wichtigsten Themen ist. densprozess’ macht -, nicht auch Jerusalem zu verlegen, es sei denn Seit 50 Jahre haben die Amerikaner dazu führen, dass er Israel aus der Präsident schiebt es auf – Trump und die Europäer versucht uns in eine amerikanischen Interessen he- wird es nicht aufschieben... – es sei Ecke von „Zwei Staaten für zwei Völ- raus regional mehr alleine - ‘im denn Netanjahu verweigert es ihm. ker“ zu drücken. Was war das Ergebnis? Stich’ - lassen könnte, weniger (lächelt) Die Situation wurde nur schlimmer. Unterstützung etc.? Und kann Trump seiner harten Rhe- Das sind Träumereien. Trumps Linie Marc Zell: Die Demokraten torik gegenüber den islamischen Staa- sagt: „Die Seiten sind nicht an so einer behaupten, dass sie Israel ge- ten der Region gerecht werden, oder Lösung interessiert? Ok, dann sind wir rade mit einem Rekordhilfspa- wird er sich am Ende der Lobby aus hier überflüssig. Wenn sich die Seiten ket ausgestattet haben. Das ist Saudi-Arabien und Co. beugen? einigen, ok. Wir können ihnen auch Quatsch. In den Jahren davor Marc Zell: Es gibt eine neue Situa- dabei helfen, wenn sie wollen, aber an- haben wir praktisch das Gleiche tion im Nahen Osten. Die etablierten sonsten haben wir genug andere Dinge bekommen, nur etwas mehr auf- sunnitischen Regime der Region sehen in der Welt und zu Hause zu tun.“ geteilt und dazu auch noch ein JR-Autor Ulrich Becker hält einen Aufkleber mit dem Namen sich dem Iran, Syrien, Irak etc. und ISIS Das ist Trump. Und das wäre wirk- Programm für die Raketenent- „Trump“ in hebräischen Buchstaben. gegenüber und sind in keiner einfachen lich eine neue Brise, falls er gewinnen wicklung. Und jetzt haben wir Situation. Es gibt hier Platz für Kreati- sollte. dazu alle möglichen Einschränkun- Meinungen in Sachen Israel stehen au- vität in der amerikanischen Außenpo- Es gab Stimmen, die sich über Antise- gen von Obama bekommen. Und was ßer Frage. litik. Es gibt dazu in unserer Gegend mitismus in diesem Lager sorgten... sagt Trump? Wenn er gewinnt, wird Und das Team, das Trump selbst Ägypten, Israel, Jordanien, Saudi-Ara- Marc Zell: Fanatiker gibt es überall. es keinerlei Einschränkungen für Is- als eingesetzt hat, um ihn in Sachen bien, die Golfstaaten, Oman und viel- Auch in Israel. Auch in den USA. Aber rael geben, die Obama eingesetzt hat. Israel zu beraten und eine Linie aus- leicht ändert sich auf die Türkei... Antisemitismus? Echten Antisemitis- Und dieses Hilfspaket wird als erster zuarbeiten, besteht aus den Anwälten Was werden Sie machen, wenn Trump mus gibt es heute vor allem im linken gewinnt? Spektrum. Du kennst das sicher, du bist Es wurde jetzt z.B. berichtet, dass der Marc Zell (lächelt): Das wird eine aus Europa. Party werden. Wir haben schwer gear- Und was ist mit den Demokraten muslimische Terrorist, der vor einer beitet. Aber das ist zu früh – lass uns in Israel? Investieren sie auch in eine nicht darüber reden, dass bringt Eijn Wahlkampagne? Woche in einem Einkaufszentrum in HaRa [Unglück]. Marc Zell: Es gibt kaum demokra- Und wir müssen aber leider auch be- tische Vertreter in Israel. Das ist eine Washington fünf Menschen erschossen fürchten, dass die Demokraten unsau- komische Geschichte. Es gibt zwar de- bere Tricks benutzen werden. Es wurde mokratische Wähler, aber die Vertreter hat, in drei Wahlen die Demokraten jetzt z.B. berichtet, dass der muslimi- haben sich nach Unregelmäßigkeiten sche Terrorist, der vor einer Woche in ihrer Organisation hier einfach in Luft gewählt hatte, obwohl er gar kein einem Einkaufszentrum in Washing- aufgelöst. Wer heute de facto die De- ton fünf Menschen erschossen hat, in mokratischen Partei in Israel vertritt, Staatsbürger war. drei Wahlen die Demokraten gewählt hat sein Büro in Budapest. Wir sehen hatte, obwohl er gar kein Staatsbürger sie kaum. Schritt betrachtet. Was Israel braucht Jason D. Greenblatt und David Fried- war. Ich war z.B. diese Woche republika- oder noch brauchen wird, wird es be- man. Greenblatt ist orthodoxer Jude Wie kann das sein? In den USA gibt nischer Vertreter bei einer Debatte. Der kommen. Die Unterstützung für Israel [Anmerkung der Redaktion: und er- es keinen Personalausweis. Die Repu- demokratische Vertreter, den ich über ist aus seiner Sicht ein Eigeninteresse klärt pro-„Siedlungen“ eingestellt] und blikaner fordern, dass ein Ausweisdo- Jahre kannte, wurde ausgewechselt und und für Amerikaner wichtig, nicht nur Friedman ist der Sohn eines Rabbiners kument bei den Wahlurnen vorgezeigt heute haben sie ein junges Mädchen für Israel. Sie kriegen daraus genau- und Vorsitzender der „amerikanischen werden muss, dass die Staatsbürger- aus dem linksextremen Lager geholt so viel Nutzen oder mehr. Israelische Freunde von Beth El“ [Anmerkung der schaft bezeugt. Die Demokraten sind – J-Street, New Israel Fund etc., das Geheimdienstkooperation, israelische Redaktion: und schreibt regelmäßig dagegen. Es gibt in den USA 11 Millio- ist ihre Linie heute. Und wir standen Technologie… Die israelische F-16, die Kolumnen im „Siedler“medium Arutz nen illegale Einwanderer. 11 Millionen! beide auf der Bühne und wie ich sagte, F-16i(srael), ist das perfekteste, feinste 7]! Also ist Trump ganz selbstverständ- Mehr Menschen als in Israel insgesamt konnte ich sie nur bemitleiden. Sie hat- operative Flugzeug auf der Welt und sie lich für die Präsenz von Juden in Judäa leben. te einfach nichts zu sagen und ich habe bekommen von uns diese Fortschritte. und Samaria. Und so hat er sich auch Obama und Clinton versuchen gera- sie vollkommen überrannt. So ist es in Wir verbessern ihre Waffen. Und wir geäußert. de möglichst vielen illegalen Einwan- Israel. In anderen Ländern sieht es an- sind hier ihr wichtigster Verbündeter Sein Schwiegersohn ist ein orthodo- derern die Staatsbürgerschaft noch vor ders aus. in der Region. Auf uns können sie sich xer Jude und seine Tochter Ivanka kon- den Wahlen zuzusprechen. Wen wer- Und damit komme ich zur eigent- verlassen. Und der Großteil der ame- vertierte zum Judentum. den sie wohl wählen? lichen Titelfrage. So verrückt es sich rikanischen Militärhilfe muss sowieso Obama macht auch jedes Jahr ein vielleicht für Viele anhört, aber es gibt in den USA ausgegeben werden und Pessach Seder im Weißen Haus, oder JÜDISCHE RUNDSCHAU: Lieber Stimmen, die behaupten, dass die ame- schafft amerikanische Arbeitsplätze, nicht? Marc Zell, vielen Dank für das Ge- rikanischen Wähler in Israel zwischen kurbelt die Wirtschaft an etc. ... Marc Zell: (lächelt) Ja, mit J-Street. spräch. Hillary und Trump zum Zünglein an Trumps pro-israelische Position ist der Waage werden könnten... eine politische Strategie für bestimmte Marc Zell: Wir müssen hier gar nicht Wählergruppen und Interessen oder et- Die älteren Ausgaben der „Jüdischen Rundschau“ spekulieren, denn genau das ist bereits was, von dem er selbst ideologisch über- sind in der Redaktion erhältlich. bei den Wahlen im Jahre 2000 pas- zeugt ist? siert: Al Gore und Bush Junior lagen Marc Zell: Nein, warum?! Das ist Wenn Sie eine oder mehrere Ausgaben brauchen, teilen Sie Kopf an Kopf und der Bundesstaat, der etwas, an das er glaubt und auch sein die Wahl entschied, war Florida. Bush Team. Mike Pence zum Beispiel ist uns bitte auf dem Postweg (J. B. O., Postfach 12 08 41, 10598 gewann hier – und damit den ganzen Trumps Kandidat für den Posten des Berlin) mit, welche genau, an welche Adresse sie geschickt wer- Wahlkampf – durch einen Vorsprung Vizepräsidenten. Ich kenne ihn per- von 537 Stimmen. Und wie viele ame- sönlich und habe ihn vor anderthalb den sollte und legen Sie bitte als Bezahlung Briefmarken zu je rikanische Israelis aus Florida hatten in Jahren hier in Israel empfangen. Er ist 70 Cent bei: diesem Wahlkampf für Bush gestimmt? einer der größten Fans Israels. Wenn 1.500! Das heißt, wenn die Israelis Trump gewinnen sollte, würde Mike • Für eine Ausgabe – 3 Briefmarken; nicht für ihn gestimmt hätten, oder Pence eine sehr wichtige Rolle in der • Jede weitere Ausgabe – eine zusätzliche Briefmarke. weniger gestimmt hätten, oder für die neuen Administration spielen. Er ist Demokraten gestimmt hätten… okay? seit Jahren auf unserer Seite und seine 24 ISRAEL № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Ein Fliegervirtuose jenseits der Schallmauer Ein Interview mit Giora Even, Israels erfolgreichstem Kampfpiloten in den Kriegen mit Ägypten, Syrien und Jordanien Von Michael Guttmann Die erste Phase des Kurses, in der die Selektionen am stärksten Giora Even ist bis heute der legendärste sind, war für mich problemlos. In Kampfpilot der israelischen Luftstreit- der zweiten Phase wurden mir die kräfte. Mit siebzehn Abschüssen in Luft- militärische Grundausbildung kämpfen hält er den Weltrekord in der und das Fallschirm-Training er- Ära der Düsenjets und führt mit Abstand lassen, weil ich ja von dort kam. die internationale Liste der „Asse“ an. In der dritten, der Hauptphase, Als „Ass“ zählen Piloten, die mindestens wurde mir die Möglichkeit ein- fünf Düsenmaschinen im Luftkampf ab- geräumt, den Stoff von einem geschossen haben. Giora Even, das „Ass“ Vierteljahr mit acht Prüfungen der „Asse“, hat zweifellos außergewöhn- in einer Woche nachzuholen, liche Talente und herausragende Eigen- während die anderen Kursanten schaften, die ihn stets erfolgreich seine in Urlaub waren. Ich hatte alles Kämpfe bestreiten ließen. Hierzu zählen bestanden und am Ende den Kurs nicht nur seine Luftgefechte gegen Isra- mit Auszeichnung abgeschlossen. els Feinde, sondern auch eine Reihe von Der Makel meines EKG haf- Kämpfen gegen die eigene Militäradmi- tete aber immer noch an mir, nistration, insbesondere den Ärzten, die so dass ich zu einer Hubschrau- ihm den Weg zum Piloten versperrten. berstaffel abkommandiert wur- Bevor wir ihn selbst zu Wort kommen de. Das war für mich bar jeder lassen, hier seine Kurzbiographie: Giora Logik. Ein Kampfpilot, der mit Even, geboren 1938 als Giora Epstein, ist Auszeichnung abschloss, zu den der Sohn von zionistischen Einwande- Giora Even vor seinem Flugzeug mit 17 Punkten - der Zahl seiner Abschüsse. Transportfliegern? Ich kletterte rern aus Polen, die zu den Gründern des weiter bis in die höchsten Befehls- Kibbuz Negba am Rande der Negevwüs- er bei einem Mirage-3-Geschwader für In der Tat begann mein Armeedienst instanzen. Man beschloss, meine Akte te zählen. fortgeschrittene Piloten. Gerade noch mit dem linken Fuß. Meine erste Be- einem Herzspezialisten in den USA vor- Im Unabhängigkeitskrieg, gleich nach rechtzeitig, als Israel wieder militärisch werbung für die Pilotenausbildung ist zulegen. Bis dahin sollte ich bei den He- der Staatsproklamation 1948, hat der bedroht wurde, kam er zum Einsatz und versandet. Es war gerade Krieg (Suez- likopterstaffeln bleiben. Dort stellte man Kibbuz eine dominante Rolle gehabt, hatte seinen ersten Abschuss im Sechs- konflikt 1956). Niemand hatte Zeit, sich mir großzügig einen erfahrenen Piloten um den Vormarsch der ägyptischen In- Tage-Krieg. mit meiner Gesundheit zu beschäftigen. zur Seite, unter dessen Anleitung ich sehr vasorenarmee via Tel Aviv zu stoppen. In dem darauffolgenden Abnutzungs- Ich meldete mich zum Dienst beim Bo- bald Soloflieger und danach Staffelleiter Negba wurde durch mehrere Attacken krieg war er bereits stellvertretender denpersonal. Als der Lehrbetrieb wieder wurde. Der Arzt, der mir das Fliegen ver- vollkommen zerstört, aber nicht besiegt. Geschwaderkommandeur und hatte vier aufgenommen wurde, war ich nicht unter weigerte, musste sich geschlagen geben, Giora kehrte nach zwei Jahren mit den aber er hinterließ in meiner Akte den evakuierten Kindern zurück, wuchs im Ezer Weizman, damals Kommandeur der Vermerk: „Nur als Transportflieger zu- Kibbuz auf und trat, wie alle Kibbuzniki, gelassen.“ Da sich kein Kommandeur mit 1956 seinen Wehrdienst in einer Kampf- Luftwaffe, rief mich persönlich an und sagte: den Medizinern anlegen wollte, ließen einheit an. Er bestand alle Aufnahmeprü- sie mich auch nach der Rückkehr meiner fungen für die Pilotenausbildung, wurde „Hör zu du Mistkerl, der mich um den Akte aus den USA nicht zu den Kampf- aber aus gesundheitlichen Gründen nicht piloten. Mir blieb nur noch ein Weg. Ich angenommen. Trotz Proteste erfuhr er Schlaf gebracht hat. Pack Deine Sachen verweigerte das Fliegen der Helikopter. nichts über die näheren Umstände seiner Befehlsverweigerung war das nicht, denn Ablehnung. und ab mit Dir zu den Kampfjets.“ niemand kann zum Fliegen gezwungen Daraufhin meldete er sich zu den Fall- werden. Nach weiteren Untersuchun- schirmjägern, hat die Grundausbildung gen kam man zu dem eindeutigen Er- und den Lehrgang für Unteroffiziere ab- weitere Maschinen abgeschossen. Im den Bewerbern und keiner wusste genau gebnis, dass nichts dagegen spricht, dass solviert und sich für einen Spezialkurs als Kippur-Krieg diente er als Sektionschef warum. Wiederholt musste ich Gesund- ich Kampfpilot werde. Ezer Weizman, Instrukteur an der Fallschirmjägerschule im Operationsstab der Luftwaffe und heitstests machen und wurde zurückge- damals Kommandeur der Luftwaffe, gemeldet. Die folgenden Monate bis zum flog neben der Stabstätigkeit Einsätze in stellt. Nach monatelangem Warten bin rief mich persönlich an und sagte: „Hör Ende unseres Pflichtwehrdienstes 1959 der Staffel 144 für besondere Aufgaben. ich zu den Fallschirmjägern gegangen. zu du Mistkerl, der mich um den Schlaf verbrachten wir beide zusammen und In diesem schweren Krieg erzielte er Als die Ärztekommission Dich als un- gebracht hat. Pack Deine Sachen und ab kehrten jeder nach der Entlassung in sei- zwölf Abschüsse (sieben MIG-21, zwei tauglich für die Fliegerei erklärt hatte, mit Dir zu den Kampfjets.“ Damit waren nen jeweiligen Kibbuz zurück. Suchoi-7, zwei Suchoi-20 und einen MI-8 warst Du sicher deprimiert. sieben Jahre Kampf für mich zu Ende. Ich Auf Beschluss seines Kibbuz kehrte Hubschrauber). Die Armee zeichnete Durchaus nicht. Es war wie ein leich- war glücklich, wie lange nicht. Giora Even zwei Jahre später zurück zur den „verhinderten“ Kampfpiloten 1975 ter Schlag am Flügel. Mein Ziel habe ich Außenstehenden mutet das an wie ver- Fallschirmjägerschule, um die Reihen mit der Medaille für vorbildliche Leis- nicht aufgegeben. letzende Willkür einer Militärbürokra- der Armee zu stärken. Die zunehmen- tung aus. Du hast nicht nur feindliche Flugzeuge tie. den Bedrohungen Israels durch den Pan- Im August 1974 wurde er Komman- vom Himmel geholt, sondern auch Wän- Keinesfalls. Ich hatte viele Helfer unter arabismus unter Gamal Abdel Nasser deur des Mirage-3 Geschwader 117. Er de der Militärbürokratie eingerissen. den Piloten und Kommandeuren. Es war erforderte es. Er wurde Chef der Fall- schied aus der Armee als Oberstleutnant Es ist mitunter einfacher ein Flugzeug auch problemlos als Kursant oder Pilot, schirmjägerausbilder und bald auch Ver- aus, arbeitete ab 1988 als Kapitän bei El als die Administration zu bekämpfen. den Leiter der Fliegerschule oder den antwortlicher für Sprünge im freien Fall. Al und leitete parallel dazu das Reser- Aber ich habe eine wichtige Eigenschaft: Chef der Luftwaffe persönlich zu spre- Zugleich hatte er den Kampf mit den Ärz- vistengeschwader 254 aus Mirage-, Kfir- Wenn ich mir ein Ziel gesetzt habe, dann chen. Nur wenige wichen mir aus. Selbst ten wieder aufgenommen und bestand und F16-Maschinen. Sein Logbuch beim gebe ich nicht so schnell auf. Als Pilot der hartnäckige Arzt sollte Recht behal- darauf, die Ursachen seiner Ablehnung zu Militär enthält über 9.000 Flugoperati- habe ich bis zum letzten Geschoss bzw. ten, aber erst Jahre später, denn meine erfahren. Es stellte sich heraus, dass sein onen, 5.000 Flugstunden und 700 Fall- bis zum letzten Liter Treibstoff gekämpft. Herzkrankheit, ein genetisches Erbe von EKG vom Standard abwich, was ihn aber schirmsprünge. Gegen den Beschluss der Ärztekommis- meinem Vater, machte sich erst mit 72 be- in keiner Weise behinderte. 1963 gelang sion habe ich Widerspruch eingelegt. merkbar. Für medizinische Zwecke gab ihm beim dritten Anlauf, einen Piloten- Der Kampf mit den Ärzten Mein Pech war, dass die Kommission es damals noch keine Ultraschallgeräte. lehrgang zu besuchen. Mittlerweile wa- JÜDISCHE RUNDSCHAU: Giora keinen Kardiologen hatte. Mein EKG ren sieben Jahre seit seiner Rekrutierung Even, auf einen Veteranentreff der Fall- wich vom Standard ab. Damit war ich Giora Even, das Falkenauge vergangen. Dem Pilotenkurs schloss er schirmjäger hast Du uns erzählt, dass für sie aus dem Rennen. Inzwischen Es heißt: „Giora Even ist ein Virtuose der sich mit einem Vierteljahr Verspätung an Deine schwersten Kämpfe, jene gewesen war ich ein erfahrener Fallschirmjäger- Flugtechnik mit herausragenden persön- und absolvierte ihn mit Auszeichnung. waren, die Du mit den Militärärzten ge- Instrukteur, fühlte mich ausgezeichnet lichen Eigenschaften. Er hat maßgeblich Dennoch wurde er nicht einem Düsen- führt hast. Wir beide haben ein Jahr lang in der Luft, auch im freien Fall, und hatte die Geschichte der israelischen Luftwaffe kampfgeschwader, sondern einer Heliko- zusammen an der Fallschirmjägerschule niemals Krankheitsprobleme. Also ging geprägt.“ Du wurdest berühmt. ptereinheit zugeordnet. Der mittlerweile gelernt und später gelehrt. Du schienst ich zur nächsthöheren Instanz, bis ich zu Ja, durch die internationale Liste der erfahrene Soldat und mit Auszeichnung zufrieden. Auch die anderen aus unserem einem Pilotenkurs zugelassen wurde, der „Asse“, genau genommen nachdem die abschließende Kampfpilot verweigerte Jahrgang haben nicht gewusst, dass Dir schon ein Vierteljahr lief und absolvier- USA den Film „Asse der Wüste“ über den Befehl und drang mit seinem Pro- das Fliegen, Deine Leidenschaft, versagt te ihn mit Auszeichnung. Ich hatte eine meine Kameraden und mich gedreht hat- test bis zum Chef der Luftstreitkräfte blieb. Zudem hatten wir Dich als kernge- schnelle Auffassungsgabe und ein gutes ten. Der Ruhm gilt aber nicht allein mir. vor. Nachdem er endlich einem Kampge- sund in Erinnerung. Wie war Dein schwe- Gedächtnis. Israel war vom Tage seiner Gründung an schwader zugeordnet wurde, ging es mit rer Weg zur Fliegerei, der Dich sieben Dei- Meine Prüfungsergebnisse im Flieger- gezwungen sich zu verteidigen. Die Ent- Giora Even rasant bergauf. Bald landete ner besten Jahre gekostet hat? kurs lagen in der Regel bei 98 Punkten. schlossenheit „nie wieder“, hat uns nach № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU ISRAEL 25 dem Zweiten Weltkrieg geprägt. Bezo- Eine Frage noch zu den „Assen“. Den gen auf Israels Luftwaffe kann ich sagen: Kampfpiloten umgibt eine Aura der Rit- Seit der Staatsgründung 1948 hat das ter, ein ultimativer Kampf, Mann gegen

Land 25 Maschinen, unsere Feinde 687 FILES-IPPA / AFP Mann auf Leben und Tod. Welche Be- Maschinen in Luftkämpfen verloren, ein deutung haben die Luftkämpfe heute? Verhältnis von 1:27,5. Vierzig israelische Gewiss sind die Siege im Luftkampf Piloten zählen als „Asse“, davon 10 mit ein Höhepunkt für jeden Piloten. Eine über 8 Abschüssen. Die Zahl unserer Aura oder Glorifizierung sehe ich nicht. Kampfpiloten, die keine feindliche Ma- Ich selbst habe mich nie nach einem Ab- schine abgeschossen haben, ist sehr ge- schuss besonders begeistern können, wie ring. Diese Angaben beziehen sich auf vielleicht manche Kameraden, die vor ih- Luftkämpfe zwischen Düsenjets. Die rer Landung am Himmel über der Basis Verluste Ägyptens durch Zerstörung Kunststücke vorgeführt haben. Es war von Maschinen am Boden (Sechs-Tage- doch kein Sportturnier. Die Ära der Luft- Krieg) und unsere Verluste durch sow- kämpfe ist zu Ende, weil heute Raketen jetische Boden-Luft-Raketen (Kippur- und Drohnen Nahkämpfe erübrigen. Krieg) sind darin nicht enthalten. Das Für Deinen Einsatz im Kippur-Krieg, alles geschah am Nahosthimmel, der in dem Du 12 feindliche Maschinen ab- voll mit modernster Kampftechnik war. geschossen hast, davon bis zu vier in Die feindlichen Piloten hatten längst einem Einsatz, wurdest Du mit der Me- verstanden, dass sie uns in der Luft nicht daille für vorbildliche Leistungen ausge- besiegen können. Ihre Regierungen ver- zeichnet. suchten es aber immer wieder und mit Ja. immer neuer Technik. Eine große Ehre. Was hat sie für Dich bedeutet? Weltmeister im Nahkampf Nichts Besonderes. Ich habe nur mei- Was waren Deine persönlichen herausra- nen Job gemacht, wie alle Zahal-Solda- genden Eigenschaften? ten, ob Fallschirmjäger, Tankisten, Mat- Als Junge hatte ich viel gelesen über rosen oder Piloten. Wir wussten, worum Flugzeuge und Piloten, guten Umgang es ging und gaben unser Bestes, die ei- mit der Technik, hohes Reaktionsver- nen erfolgreich, die anderen weniger. mögen und kannte keine Ängste. Ich fing Skorpione und Ottern. Während Erinnerungen eines der Ausbildung zum Kampfpiloten fiel Spitzenpiloten den Instrukteuren und Kursanten mein Wenn Du die Luftwaffe und Fallschirm- außergewöhnliches Sehvermögen auf. jäger von heute mit damals vergleichst, Ich erhielt den Spitznamen „Falkenau- Ezer Weizmann mischte sich persönlich in den Fall Even ein. welche Unterschiede siehst Du? ge“, denn ich konnte feindliche Flug- Zweifellos waren für uns Eigenschaf- zeuge aus 40 km Entfernung entdecken, der israelischen Luftwaffe aus? genheit? ten, wie Schnelligkeit, Reaktionsvermö- mehr als drei Mal so früh wie andere Pi- Von Anfang an ein Typenmix: Piper, Ausrüstung und Bewaffnung sind es gen, Orientierungssinn u.ä. von großer loten. All diese Eigenschaften halfen mir Messerschmitt (aus der CSSR), Boeing nicht. Ägypten und Syrien verfügten Bedeutung. Es gab kein GPS und der ein guter Pilot zu werden. Sie verschaff- B-17, Bristol, Mosquito, Mustang, Fuga über modernste sowjetische Flugtech- Einsatz der Bordwaffen basierte auf me- ten mir bei späteren Kampfeinsätzen Magister u.a. Später Organ, Super Mis- nik in Mengen, von denen wir nur träu- chanischen Zielmethoden und persön- entscheidende Vorteile. lichem Geschick. Die Piloten von heute Im Sechs-Tage-Krieg schoss ich meine dagegen, müssen fundierte Kenntnisse erste Maschine ab. In dem darauffol- Seit 1948 hat Israel 25 Maschinen, unsere der Elektronik und Computer haben. genden Abnutzungskrieg weitere vier, Aus diesem Grunde wird jeder Pilo- davon zwei im gleichen Luftkampf. Da- Feinde 687 Maschinen in Luftkämpfen tenlehrgang mit einem Universitätsab- mit galt ich bereits als „Ass“. Unser Staat schluss in diesen Fächern abgeschlossen. war noch keine 30 Jahre alt und ständig verloren, ein Verhältnis von 1:27,5! Auch die Rolle des Fallschirmspringens in kriegerischen Auseinandersetzungen ist drastisch zurückgegangen und heute verwickelt. Der Kippur-Krieg war sehr ter, Mirage, Kfir und Nesher der Israel men konnten. Entscheidende Faktoren ein schöner Sport. verlustreich für uns. In vier Luftkämp- Aircraft Industry sowie F4-Phantom. sind die Moral, die Ausbildung und die fen schoss ich 12 Maschinen ab. Die Die Mellange der Transportmaschi- Gewissheit, dass sich Israel keine Nie- Vielen Dank, Giora, und weiterhin Ge- Kämpfe vom 19., 20. und 24. Oktober nen ist ebenso bunt. Das Rückgrat der derlage leisten kann, weil seine Existenz- sundheit und Freude am Boden im Kreis sind mir als die schwersten in Erinne- Kampffliegerverbände bilden heute F-15 bedrohung bis heute erklärtes Ziel ist. Deiner Kinder und Enkel. rung geblieben. Die Ägypter waren uns und F-16. Israels Luftstreitkräfte zählen Selbst wenn man die Waffen tauschte, haushoch an Flugzeugen überlegen. heute zu den effektivsten der Welt. der Mann im Cockpit ist das Entschei- Das Interview führte Michael Der Himmel war voller MIGs und Su- Wie erklärst Du die israelische Überle- dende. Guttmann. chois. Es gab die sogenannte Feuerwand aus sowjetischen Boden-Luft-Raketen und den Vorteil der Ägypter durch das Überraschungsmoment. Oft war ich Kampfkunstschule Mikoyan umzingelt, wo es klug gewesen wäre zu Karate, Kampfkunst, Selbstverteidigung fliehen. Die Flugleitzentrale informierte über Funk von einem bevorstehenden Kampfkunst und Nahkampf wie Systema liegen voll im Trend. Angriff auf unsere Bodentruppen. Wir Wachsende Kriminalität macht Selbstverteidigung immer wichtiger. mussten uns dem Kampf stellen. Als Der erfolgreiche Weg zur körperlichen und geistigen Stabilität beginnt wir einige Maschinen herunterholten, mit der Wahl der richtigen Kampfschule. Aram Mikoyan hat diesen Trend ergriffen andere die Flucht, doch wir verfolgten sie. Allein befreite ich mich erkannt und bietet in seiner Kampfkunstschule auf die Bedürfnisse der aus der Umzingelung und jagte nun eine Schüler abgestimmten Unterricht. Rotte von vier Suchois, äußerst schnelle Er schult den Umgang und das Verhalten in möglichen Gefahrensituatio- Maschinen, durch ein tiefes Wadi. Wir nen und stärkt zugleich das Selbstbewusstsein. Ob Manager, Hausfrau flogen auf Null, d.h. wenige Meter über oder Schüler, jeder kann in eine gefährliche Situation geraten. So bietet die den Wüstensand. Radar- und Funkkon- Kampfsportschule verschiedenste Kurse bereits ab dem 3. Lebensjahr. takte waren unterbrochen. Ich schoss Von Kinderkarate, Frauen-Selbstverteidigung bis Senioren-Selbstverteidi- Kontakt: Uhlandstraße 19 10623 Berlin eine Salve in den Sand, was den erschro- gung dienen die Kurse der Stärkung des Selbstbewusstseins, der Verbesse- Tel.: +49 (0)30 88 6281 80 ckenen Piloten vor mir zu Ausweich- rung der Konzentrationsfähigkeit und dem Stressabbau. Die Kampfkunst- eMail: [email protected] manöver veranlasste. So konnte ich ihn schule bietet auch Kurse in den Bereichen Karate, Nahkampf Systema, Weitere Informationen unter aufholen und abschießen. Mit dem glei- Kyokushinkai, Tae-Kwon-Do, Kickboxen, Thaiboxen, Boxen, MMA. www.kampfkunstschule-mikoyan.de chen Trick schoss ich alle vier ab. Durch die zahlreichen Ausweichmanöver vor Die Kampfkunstschule zeigt sich mit erfahrenen und erfolgreichen feindlichen Beschuss saß ich physisch Meistern in einer puristischen und angenehmen Unterrichtsatmosphäre ziemlich fertig in meinem Sitz gepresst. und einem qualitativ hochwertigen Equipment. Mit zitternden Knien zog mich das Bo- Im Trend liegt auch der angebotene Nahkampfstil „Systema“. Aram denpersonal aus der Maschine. Mikoyan trainierte selbst 8 Jahre beim Schöpfer des Stils und kann Als Fallschirmjäger haben wir zusam- dadurch das Original aus erster Hand wiedergeben. men Super Mister am Boden bewacht. Wir be nden uns im Herzen der City Berlin West, nur wenige Gehminuten Du hast sie u.a. Typen später geflogen. vom Kurfürstendamm, in der Uhlandstraße. Wie sah das Gesamtbild der Ausrüstung 26 ISRAEL № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Kann man Christian Neeb vom SPIEGEL alles erzählen? Die wunderliche Geschichte umSamen-Spenden arabischer Terroristen

Von Gerd Buurmann

Ein 27-jähriger „Palästinenser“, der von Israel zu 600 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, holt sich im Knast einen runter, verstaut sein Sperma in

einer Stifthülle, vermutlich, indem ASHTIYEH, AFP JAAFAR er das Ejakulat reinsaugt, steckt die- sen Stift dann in einen Schokoriegel, (woher der Gefangene den Schokorie- gel auch immer hat), wartet, bis sein fünfjähriger Sohn ihn besuchen darf, (weil nur Kinder unter sechs Jahren Terroristen in israelischen Gefängnis- sen besuchen dürfen, ohne dabei von GUEZJACK / AFP einer Glasscheibe getrennt zu sein), das Kind isst den Schokoriegel jedoch nicht, sondern verlässt das Gefängnis, gibt den Schokoriegel seiner Mutter; sie findet den Stift, geht damit in eine Klinik, lässt sich dort künstlich be- fruchten, wird schwanger, bekommt ein Kind, das wiederum, wenn es groß genug ist, aber noch keine sechs Jahre, zu seinem Vater ins Gefängnis geht, um dort einen Schokoriegel geschenkt zu bekommen, den er aber nicht isst, sondern … Das ist die abenteuerlichste Ge- schichte einer Befruchtung im Nahen Osten seit der Geschichte der Befruch- tung von Maria, die angeblich von ei- nem Heiligen Geist befruchtet worden sein soll und zwar durch ihr Ohr! Der eine wichst in einen Stift, der andere in ein Ohr. Beides sind schöne Meta- phern für den ersten Satz von Johan- nes: „Am Anfang war das Wort.“ Die JAAFAR ASHTIYEH / AFP Sache ist nur, die Worte muss man glauben! Eine „palästinensische“ Mutter in Nablus. Auf dem Bild hinter ihr inhaftierter Ehemann. Jetzt kommt das wahrhaft Unvor- stellbare. Christian Neeb interviewt rührende Tränen hinzu. Der Fotograf Leben führen, ohne Einschränkun- nicht hören könnt! Ihr habt den Teu- einen Fotografen, der eine Frau beim erzählt: gen. Und sie wollen Babys bekommen. fel zum Vater, und nach eures Vaters Spermaschmuggel begleitet haben „Ich habe viel im Mittleren Osten Nichts soll sie davon abhalten. Hana Gelüste wollt ihr tun.“ (Johannes 8, soll, schickt dieses Interview an Spie- gearbeitet. Aus meiner Erfahrung he- und die anderen sind sehr starke Frau- 43-44) gel Online und, jetzt kommt es, Spie- raus sind die Palästinenser die aufge- en, die ihrem Land eine neue Zukunft Der Evangelist im Jahr 2016 heißt gel Online bringt die Geschichte und schlossensten Menschen in diesem geben wollen.“ Christian und wer seine Geschichte zwar ohne auch nur den geringsten Teil der Welt. Künstliche Befruchtung Der Fotograf, der diese Worte nicht glauben möchte, ist gewiss eben- Zweifel an den Wahrheitsgehalt der ist dort kein Tabu.“ spricht, ist Italiener, heißt Antonio falls ein Sohn des Teufels. Ich aber Geschichte aufkommen zu lassen. Da- Zu den Männern im Gefängnis sagt Faccilongo, wurde 1979 geboren und sage Euch, ich vermute, einige Frauen bei hätte es gereicht, einmal bei Dr. der Fotograf, es seien „auch Männer lebt in Rom, dem Ort, wo heute noch in Gaza wurden schwanger, obwohl Sommer von der BRAVO nachzufra- darunter, die an Universitäten Flyer die Sache mit Maria und dem Ohr ge- ihre Männer im Gefängnis sitzen, aber gen. Dr. Sommer hätte bestimmt so anstatt sich einzugestehen, dass Le- geantwortet: ben und Lust eben weitergehen, auch Das Erfinden dieser Geschichte kann wenn der eigene Mann ein Terrorist Lieber Christian, ist und im Gefängnis sitzt, erfinden Spermien sind total empfindlich. Sie ganz einfache Geldgründe haben: die Frauen lieber Geschichten mit müssen sich gut bewegen können, um Schokoriegeln und Stiften und finden die Eizelle befruchten zu können. Dafür Kinder eines „Märtyrers“ bekommen schließlich einen katholischen Italie- haben sie eine eigene Flüssigkeit, in der ner, der diese Botschaft glaubt und da- sie überleben können. Sobald das Eja- Geld vom Staat geschenkt. raus eine „gute Nachricht“ macht, die kulat aber an der Luft ist, sterben die dann auf Spiegel Online erscheint und Spermien in nur wenigen Minuten ab. zum friedlichen Widerstand gegen is- Bestimmt hast Du dich schon einmal verteilt haben, für Treffen der Hamas, glaubt wird. Dabei wird die Sache ganz raelische Unmenschlichkeiten hoch- selbst befriedigt. Dann wirst Du gemerkt auf denen über die Rechte von Palästi- anders gelaufen sein. gewichst wird. haben, dass Dein Ejakulat am Anfang nensern gesprochen werden sollte.“ Maria wird mit einem fremden Ist Christian Neeb eigentlich nie in noch sehr fest ist, aber nach ein paar Mi- Die bösen Juden aber auch. Auf die Mann geschlafen haben und dabei den Sinn gekommen, dass jedes Kind nuten flüssig wird und dann von Deinem Frage, warum die Familien auf das schwanger geworden sein. Sie brauch- eines inhaftierten Terroristen, der von Körper runter läuft. Das passiert, wenn Wunder der Befruchtung durch Stifte te daher irgendeine Geschichte, die sie der Hamas als Märtyrer gefeiert wird, alle Spermien abgestorben sind. In einem und Schokoriegel zurückgreifen, er- ihrem Mann Josef erzählen konnte, besondere Zuwendungen und Privile- verschlossenen Behälter sind Spermi- klärt der Fotograf: um sich vor schlimmeren Konsequen- gien von arabischen Organisationen en zwar etwas länger überlebensfähig, „Alle Frauen haben mir die gleiche zen zu schützen. Gut, die Geschichte erhält? Es ist somit durchaus verständ- wenn das Sperma eng beieinander liegt, Antwort gegeben. Der erste Grund: mit dem heiligen Geist war zwar etwas lich, dass eine Frau in Gaza alles ver- weil die Flüssigkeit dann nicht so schnell Ihr Leben soll weitergehen, und die weit hergeholt, aber ihre Lage war so sucht, ihre Kinder zu Abkömmlingen eintrocknet, aber der Behälter muss ste- Israelis sollen sie davon nicht abhal- gut wie aussichtlos und verzweifelte von Märtyrern zu erklären. Christian ril und verschlossen sein. Ein Stift in ei- ten. Der zweite Grund: Sie glauben, Situationen rufen nach verzweifelten Neeb aber denkt nicht kritisch. Er ge- nem Gefängnis, in einem heißen Land, dass dieser Krieg irgendwann aufhö- Mitteln. Und wer hätte es gedacht – hört zu der Gemeinschaft der Gläubi- ist kein geeigneter Ort für Spermien. Du ren wird und ihre Männer nach Hau- die Geschichte wurde geglaubt und gen! musst Dir daher keine Sorgen machen! se kommen können. Dann wollen sie später durch Männer wie den Evan- Bestimmt wird der ganze Kram von ihnen eine Familie geben. Der dritte gelisten Johannes verbreitet, der einst Christian Neeb bald verfilmt. Mel Leider hat Christian Neeb nicht Grund: Auch für sie ist dieses Kind über Juden, die Jesus nicht als Heiland Gibson wird sich bestimmt schon die bei Dr. Sommer nachgefragt, sondern ein Teil des palästinensischen Wider- akzeptieren wollen, sagte: Rechte gesichert haben und wird die bringt die Geschichte unhinterfragt stands (…) Kein Widerstand im mili- „Warum versteht ihr denn meine Geschichte verfilmen mit Boris Becker und fügt der Wichse noch ein paar tärischen Sinn. Sie wollen einfach ihr Sprache nicht? Weil ihr mein Wort als Arzt, dem die Frauen vertrauen. № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU KULTUR 27 Eine lebenslange Suche nach dem Heim ohne Weh Das tragische Schicksal der Dichterin Mascha Kalékos und ihre besondere Beziehung zu Berlin Von Melissa Kaiser erfreuten, blieb ein ähnlicher Erfolg in Israel aus. „Berlin, wo bliebst du? Ja, wo bliebst Den wohl größten Schicksalsschlag du nur?“ Diese wehmütigen Zeilen for- erlebte die zunehmend vereinsamte Ly- mulierte Mascha Kaléko in ihrem Ge- rikerin im Jahr 1968, als ihr über alles dicht „Wiedersehen mit Berlin“. Kurz geliebter Sohn Evjatar mit 31 Jahren an vor der Reichskristallnacht emigrierte einer Bauchspeicheldrüsenentzündung sie mit ihrem Sohn und ihrem zweiten starb. Aus Sorge um ihren schwerkran- Ehemann aus Berlin nach New York. ken Mann, welcher dieser Tage in Zü- Richtig eingelebt hat sie sich dort aber rich weilte, blieb Kaléko der Beerdigung niemals. Zeit ihres Lebens ließ sie die ihres eigenen Sohnes fern, um ihrem Erinnerung an das Berlin der Vor- Mann Chemjo Vinaver beizustehen. Im kriegszeit nicht mehr los. Dabei war die Dezember 1973 stirbt auch dieser. Spä- Flucht aus dieser Stadt nicht die erste testens dieser Zeitpunkt in Mascha Ka- in ihrem Leben. Und es sollten noch lékos Leben kann als Anfang vom Ende weitere folgen. Vor allem die Flucht vor ihres Lebens bezeichnet werden. Ma- dem eigenen Leben, welche auf selbst- schas Freundin Suse Weltsch bezeichne- ironische und melancholische Weise in te die Beziehung des Ehepaares als eine ihren Gedichten wiederzufinden ist. Einheit, die mehr als Mann und Frau Kaléko wird 1907 in West-Galizien ausgemacht hätte und nicht zu trennen als Golda Malka Aufen geboren. Mit gewesen wäre. Sie formulierte unmiss- dem Ausbruch des Ersten Weltkrie- verständlich, dass Mascha das Ableben ges war ihre Familie gezwungen das ihres Mannes nicht überleben wird. Land zu verlassen. Ein neues Zuhause Tatsächlich verließ Kaléko ihre Je- fanden sie in Frankfurt am Main, wo rusalemer Wohnung mit Blick auf die Kaléko die Volkshochschule besuchte. Judäischen Berge nur noch selten. Es Ihr Vater wurde nach der gemeinsamen grenzt schon an ein Wunder, dass in ih- Flucht wohl aufgrund seiner russischen rem Nachlass eine große Mappe gefun- Staatsangehörigkeit interniert. Da Ka- den wurde, die unzählige Werke nach léko eine innige Beziehung zu ihrem dem Tod ihres Sohnes und ihres Man- Vater pflegte, dürfte die frühe jahrelan- nes enthielten. Andererseits leuchtet ge Vaterlosigkeit große Wunden hinter- ein, dass das Schreiben alleine es war, lassen haben. Gisela-Zoch-Westphal welches ihr ein bisschen von der Ein- Ein paar Jahre später zog Kaléko mit samkeit nehmen konnte. Ja, eine Heimat ihrer Mutter und ihren Geschwistern darstellte, die ihr niemals abhandenkam nach Marburg an der Lahn, wo sie nur wie so viele unzählige davor und durch zwei Jahre verbrachten. Die nächste diese sie sich ausdrücken konnte. Station im Leben Kalékos hieß schließ- Wie schon in einigen Jahren zuvor, lich Berlin. Zu dieser Zeit wurde Ma- Die Nachdenkliche: Mascha Kaléko besuchte Kaléko Berlin auf ihrer letz- schas Vater aus seiner Internierung ten Europareise im Spätsommer 1974 entlassen. des familiären Lebensunterhalts mit Wunsch nach Veränderung der Vergan- erneut. Es sollte ihre letzte Reise dort- Anfänglich fremdelte Kaléko mit Werbetexten. Nach sechs Jahren er- genheit. hin sein. Ihr Gesundheitszustand ver- dem neuen Zuhause. Über die galizi- hielt sie schließlich die amerikanische Insgesamt fand sie wenig Muße, in schlechterte sich zunehmend, bis sie sche Herkunft mochte sie nicht spre- Staatsbürgerschaft, die jedoch nichts englischer Sprache zu dichten oder 1975 in Zürich an Magenkrebs starb. chen, waren doch viele Vorurteile und an ihrem Heimweh nach Berlin ändern zu publizieren. 1960 erfolgte dann Die gewaltsame Entwurzelung, die Unannehmlichkeiten mit ihr verbun- Verbannung ins Exil und die bittere den. Mit der Zeit fand sie jedoch das Tor Konfrontation mit dem Tod des eigenen zur Berliner Gesellschaft: Die Sprache. Außerhalb Deutschlands wurde sie nie Kindes und des Mannes, formte Kalé- In einem ihrer Verse spricht sie von ih- ko zu einem Menschen, der voller Durst rer großen Liebe zum märkisch-kessen wieder richtig heimisch. auf Beständigkeit war. Diese Beständig- Ton, den sie mit der Zeit selbst zu spre- keit sollte ihr angesteuerter Hafen sein, chen begann und der ihren Gedichten ihre Heimat. Sie selbst formulierte diese einen unsterblichen Charakter verlieh. konnte. In ihrem Gedicht „Der kleine schließlich ein nächster Umzug in Ka- Sehnsucht kurz und knapp: „Zur Heimat Ab 1930 erschienen regelmäßig Ge- Unterschied“ sprach sie davon, gewiss lékos Leben - die Übersiedlung nach erkor ich mir die Liebe.“ Und Liebe, das dichte in sämtlichen Berliner Tageszei- sehr happy, jedoch nicht glücklich zu Israel. Wie bereits in den USA hatte die ist deutlich geworden, empfand sie un- tungen, nachdem ihre Arbeiten durch sein. In diesen Zeilen lässt sie wesent- Exillyrikerin erhebliche Schwierigkei- ermesslich viel. Zu nahestehenden Men- den Kritiker Monty Jacobs gefördert lich eindeutiger als in anderen Werken ten Anschluss zu finden. Im Gegensatz schen, zu Berlin und vor allem zur Spra- wurden. Die späten Zwanziger Jahre ihre unerschütterliche Liebe zur alten zu ihrem Mann lebt sie sehr isoliert in che. Und obgleich ihr Durst nach Heimat und frühen Dreißiger Jahre waren die Blütezeit Kalékos in Berlin. Sie pflegte den Umgang mit vielen verschiedenen populären Literaten und Künstlern wie beispielsweise Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz oder Else Lasker- Schüler. Das Herzstück dieser Tref- fen war das sogenannte „Romanische Café“, zu welchem sich Kaléko noch viele Jahre und Jahrzehnte später in ih- ren Werken zurücksehnt. Das lyrische Stenogrammheft, wel- ches drei Jahre nach den ersten Pu- blikationen vom Rowohlt-Verlag herausgegeben wurde, wurde ein her- ausragender Verkaufsschlager und zog viel Begeisterung auf sich. In den fol- genden Jahren erschienen „Das kleine Lesebuch für Große“ und eine Neuauf- lage des Stenogrammheftes. Dieser fast schon perfekte Aufstieg Kalékos als Lyrikerin fand mit dem Mascha-Kaléko-Park in Berlin-Hellersdorf Erstarken der Nationalsozialisten ein jähes Ende, als sie aus der Reichs- Heimat erkennen. Nicht nur geogra- Jerusalem, der Zugang zur hebräischen auf Lebenszeit nicht gestillt werden konn- schrifttumskammer ausgeschlossenphisch, sondern auch sprachlich. Zahl- Sprache blieb erschwert. Während ihre te, so kann sich die Nachwelt an dem da- wurde. In New York bestritt die einst reiche Exillyrik bezeugt das unbändige Werke in der Nachkriegszeit in Euro- raus hervorgegangenem Werkreichtum gefeierte Dichterin dann einen Teil Sehnen nach den alten Zeiten und den pa sich erneut wachsender Beliebtheit erfreuen. 28 KULTUR № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Eine jüdische Familiensaga von mehr als hundert Jahren Marcia Zuckermann ist ein großartiger literarischer Wurf gelungen Von Gerhard Haase-Hindenberg Schrecken sein. In der Tat hat sich der reale Sohn Mir ist bewusst, dass Au- von „Benno“, heute ein Professor in „Mischpoke“ heißt das Werk, das im toren die Frage nach dem London, zur Buchvorstellung einge- letzten Monat auf den Markt kam und Anteil autobiografischerfunden. Er ist mein realer Cousin und die Genrebezeichnung „Familienro- Bezüge in ihren Romanen sein Vater „Benno“ mein literarischer man“ im Untertitel trägt. Eigentlich nicht sonderlich mögen. Onkel. Der Vater jenes Gentlemans wird die Geschichte zweier Familien Nun habe ich allerdings also, den du kennengelernt hast, konn- erzählt: die der jüdischen Familie Ko- auf deiner Buchpremiere te noch nach England fliehen, während hanim und die der protestantischen einen britischen Gentleman es seinem Bruder nicht gelang, weil das Familie Hanke, deren Schicksal irgend- kennengelernt, der sich als Schiff nach Schanghai zu spät ging und wann im Laufe der Story ineinander Sohn deines Großonkels die Gestapo ihn deshalb „schnappen“ verwoben wird. Der Beginn der Hand- Benno herausstellte. Benno konnte. lung ist exakt datiert: kannte ich bereits aus dem Der Roman beginnt in einer west- Roman als ein Mitglied der preußischen Kleinstadt, in der der jü- „Zur Mittagszeit des 10. März 2012 dritten Generation der Ko- dische Sägewerksbesitzer und Möbel- ahnte niemand, dass der Untergang der hanims, der vor den Nazis fabrikant Samuel Kohanim mit seiner Familie Kohanim von nun an seinen Lauf nach England flüchtete. Vor Mischpoke lebt. Der Familienname ist nehmen sollte. Kein leiser Knacks, kein dem Hintergrund dieser die Pluralform von Kohen, also jenes haarfeiner Riss, kein eiskalter Hauch. Begegnung möchte ich nun Stammes, dessen Mitglieder in direkter Weder plötzliche Stille noch ein Schwarm doch die unbeliebte Frage Linie vom biblischen Aaron abstam- auffliegender Raben oder eine auf Punkt stellen, ob du selbst die Ich- men. In Jerusalem übten sie einst als zwölf stehengebliebene Uhr; keine Erzählerin bist, die die Ge- religiöse Autoritäten Tempeldienste schwarze Katze von links nach rechts, schichte der eigenen Misch- aus. Die Singularform existiert auch in kein Bild, das von der Wand fiel, kein zer- poke erzählt!? der Schreibweise Cohen, deren promi- sprungenes Glas, noch nicht einmal eine Der Ich-Erzählerin habe nentester Vertreter der Sänger Leonard Verwünschung wurde laut. Auch kein be- ich nur einige Aspekte mei- Cohen sein dürfte. Haben solche Hin- deutungsvoller schwarzer, mit Lineal ge- Marcia Zuckermann nes Lebens geliehen. Jeder tergründe eine Rolle gespielt, als du zogener Strich wie bei den Buddenbrocks. Schriftsteller fleddert ja deinen Protagonisten diesen Namen Nichts dergleichen, das Vorahnungen be- nicht nur die Lebensläufe anderer Leu- gegeben hast? schwören könnte. Nur eine schwindsüch- Gestatte mir zunächst eine Frage zum te, sondern schöpft auch aus sich selbst. Es ging mir darum, so viel wie mög- tige Sonne stand am Himmel und kämpf- Titel deines Romans. Im jüdischen Um- Ansonsten muss ein Krimiautor auch lich aus der Geschichte des Judentums te darum, die Eiszapfen zum Weinen zu feld wird jeder den Begriff „Mischpoke“ bringen. Das war alles. wertfrei als „Familie“ übersetzen. Die Dieser 10. März schien lediglich einer nicht-jüdische Leserschaft aber kennt Die hochgelehrten Litwaken, die sich für der üblichen Unglückstage der Familie zu Mischpoke unter Umständen nur als werden, so unvermeidlich wie zahlreich die inkorrekte Bezeichnung für unange- die einzig wahren Orthodoxen hielten, im Leben einer besseren jüdischen Familie nehme Menschen, wie ihn oft Antisemi- im ländlichen Westpreußen im 19. Jahr- ten benutzen. Wolltest du dem mit die- betrachteten die assimilierten deutschspra- hu nd e r t…“ sem Titel bewusst, quasi aufklärerisch, entgegentreten? chigen Glaubensbrüder als Apikores, Was mit dem Kindstod des Stamm- „Mischpoche“ mit kehligem „ch“ ist halters „zur Mittagszeit des 10. März wertfrei und heißt Familie und „Misch- als abtrünnige Juden, die ihnen sogar 1902“ beginnt, führt schließlich die Fa- poke“ mit „k“ gesprochen ist meinem miliengeschichte als Romanhandlung Wissen nach die jiddische Verballhor- noch verächtlicher schienen als bis in unsere Tage fort. Über vier Gene- nung und bedeutet eher so was wie rationen also. Und was da erzählt wird, „bucklige Verwandtschaft“. In der Tat reine Gojim. ist immer spannend, voller Tragik und wollte ich mit den Begriffen spielen, Komik, nicht selten ohne verschmitz- mit dem janusköpfigen Charakter von nicht jemanden erst umbringen, um zu erzählen. Die Funktionen der alten ten Humor und zuweilen selbstiro- Familie, denn Familie ist ja nicht nur über Mord und Totschlag zu schreiben. Priesterkaste, der Kohen bzw. Cohn nisch. Und doch bestand Gesprächs- blanke Idylle, sondern oft auch belas- In der Regel ist der Mörder aber auch und ähnlicher Schreibweisen sind ja in bedarf und Marcia Zuckermann stellte tend – der Ort schlimmer erster Ver- nicht der Ich-Erzähler eines Kriminal- der nicht-jüdischen Welt weitgehend sich den Fragen: letzungen. Familie kann Schutz und romans… unbekannt. Mit anderen Worten: Mein Plan war, wenn ich nun schon die Ge- schichte meiner Familie und des deut- schen Judentums erzähle, dann will ich auch tiefer bohren – den früheren Glanz kurz vor dem Untergang noch einmal aufscheinen lassen. Vielleicht bin ich ja eine der Letzten, die das in unterhaltsam-literarischer Weise noch tun kann… Marcia Zuckermann gelingt es in ei- nem einzigen Absatz des Romans fast nebenbei, die sich voneinander distan- zierenden jüdischen Milieus vorzustel- len, wie sie damals (nicht nur) jenseits der Oder in Europa noch bestanden: „Es lag auf der Hand, dass die altein- gesessenen Juden, die Krawatten-Ju- den, die Deutsch sprachen, sich rasier- ten und nach Eau de Cologne dufteten, mit den finsteren, schmuddeligen, nach Knoblauch, Schmutz und Armut stin- kenden jiddelnden Kaftan-Juden vom Weichselufer nicht das Geringste zu tun haben wollten. Man mied sich wie Aussätzige. Das beruhte auf Gegensei- tigkeit. Die hochgelehrten Litwaken, die sich für die einzig wahren Ortho- doxen hielten, als auch die eher primiti- ven, spirituell-schwärmerischen Chas- siden betrachteten die assimilierten deutschsprachigen Glaubensbrüder als Apikores, als abtrünnige Juden, die ih- nen sogar noch verächtlicher schienen № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU KULTUR 29 als reine Gojim.“ hatte, war er ein gebrochener Mann. Vor- Samuel Kohanim und seine Frau Min- erst! Aber er ist eben ein „Stehaufmänn- del haben sieben Töchtern das Leben ge- chen“ und hat sich wieder berappelt. Wie schenkt, während der ersehnte Stamm- in den dunkelsten Stunden im Lager, halter schon im Kindsbett verstirbt. Der fand er wieder Halt „im Besten des Men- gebildete Jude horcht natürlich sofort schen“, wie er immer sagte: in der Kunst! auf bei dieser kabbalistisch bedeutsa- Er leitete wieder einen eigenen Chor und men Zahl 7. Sie ist eine mystische Zahl, sang u.a. im Chor der Deutschen Oper. die für die Verbindung des Spirituellen Andere würden da vielleicht eher in die mit der Materie steht. Oder hatte dein Synagoge gehen… Urgroßvater schlicht einfach tatsäch- Du kanntest als Kind deine Großmut- lich sieben Töchter? ter Fränze noch. Inwiefern hat die jüdi- Zugegeben, auch ich konnte der mys- sche Herkunft bei der Tochter von Min- tischen Zahl 7 nicht widerstehen. Fakt del und Samuel Kohanim noch eine Rolle ist jedoch, dass meine Urgroßmutter gespielt? achtzehn (!) Kinder geboren hatte, ge- Für Fränze war Religion wohl eher mäß dem alten Reim: „Mit sechzehn eine Konvention und das Beharren auf gefreit, und jedes Jahr ein Kind, bis es dem Judentum eher ein Akt sentimenta- 24 sind“: Elf Kinder sind gestorben, da- len Eigensinns. Im Übrigen sind alle drei runter alle sechs Knaben. Das war frü- „arischen“ Ehemänner, mein Stiefgroß- her normal und heute im Zeitalter von vater Bruno, der Oberpolier Hörl, - also Verhütung und Antibiotika kaum noch der Mann ihrer besten Freundin - sowie vorstellbar. der Kofferfabrikant Dahnke, der Mann Über diese sieben Töchter, deren ver- der Cousine Else, nach 1945 gemeinsam schiedene Ehepartner und deren Nach- zum Judentum übergetreten. kommen wird die Haupthandlung er- Deinem wirklich spannend und ein- zählt. Du nimmst den Leser mit in ein fühlsam zugleich erzählenden Roman feudales Berliner Modeatelier, wie auch kommt unter anderem das Verdienst zu, ins proletarische Milieu des Arbeiterbe- sehr realistisch die verschiedenen jüdi- zirks Wedding, die Leser erfahren von schen Milieus vor der Schoah zu schil- den Verhältnissen im KZ Buchenwald, dern. Hattest du beim Schreiben eine vom Leben im mondänen Ascona und bestimmte Zielgruppe an Lesern vor Au- dem als Partisanin in Italien. Abgesehen gen? davon, dass viele detailliert geschilder- Ich bin so egozentrisch nur für mich te Situationen natürlich auch fiktiv sein zu schreiben! Nee, also im Ernst: Ich müssen, basieren aber große Teile der schreibe nur etwas, was ich selbst gern Story auf reale Begebenheiten. Wurde lesen würde. Ich glaube, das macht jeder denn in eurer Familie – im Gegensatz zu ernsthafte Schriftsteller. Für Zielgruppen vielen anderen jüdischen Familien – über zu schreiben funktioniert vielleicht im die Vergangenheit gesprochen? Bereich des Groschenromans oder der In unserer Familie wurde tatsächlich Seifenoper. Sicher habe ich auch daran ge- viel erzählt. Ich wurde ja noch vor dem dacht, dass Juden das interessieren wird. Zeitalter des Fernsehens groß. Die Müt- Andererseits finde ich es viel belangvol- ter haben die Geschichten von den Groß- ler, wenn das Buch in breiten Kreisen von müttern übernommen – so funktioniert ganz vielen jungen Menschen gelesen Oral History! Und die Geschichten fand wird, die man sonst mit Geschichte, ins- ich als Kind auch viel interessanter als besondere der jüngeren Geschichte jagen etwa Märchen. Ich habe da, genauso wie kann. Hier werden Sie geholfen… (Lacht) meine Kinder, lieber um die Geschichte Die Ich-Erzählerin in dem Roman von Zipora, unserer von Kosaken ent- „Mischpoke“ ist keineswegs weniger ego- führten Ahnfrau gebettelt. Oder um die zentrisch als deren Autorin und sie erklärt Geschichte ihres zweiten Mannes, der diese Egozentrik als eine direkte Folge mit der Kasse durchging, um in einem jener Verfolgungen, denen ihre Familie Salzfass dem falschen Messias Zwi Sab- ausgesetzt war: batei als blinder Passagier ins Heilige Ich-Erzählerin hat nicht nur die Funkti- Buchenwald. Die beiden Brüder waren „In mein Leben lasse ich nach Möglich- Land nachzureisen. Gern hörte ich auch on des „roten Fadens“, sie demonstriert Kommunisten, weshalb sie ja am höchs- keit niemanden Einblick nehmen. Das ist die Geschichte von der Millionen-Laube auch die Kontinuität des Rebellischen ten Schornstein Berlins die rote Fahne Teil meiner Sicherheitsmarotte, ein nach- meiner anderen – nicht-jüdischen – und der Solidarität mit Flüchtenden, da gehisst hatten. Walter – dein Vater – haltiger Schaden, den viele Nachkommen Großmutter … Flucht auch ein ständig wiederkehren- lebte nach dem Krieg mit dir und deiner von Verfolgten haben. So wohne ich bei- Sie erbte in den Zwanzigern mehrere des Motiv unserer Geschichte war: Von Mutter zunächst in der DDR. Der 17. spielsweise grundsätzlich nie dort, wo ich Millionen inzwischen wertloser Zarenru- Salamanca über Venedig, Odessa, Lem- Juni 1953, als auf Ost-Berlins Straßen polizeilich angemeldet bin. Keine staat- bel und tapezierte damit ihre Wohnlau- berg, Schwetz in Westpreußen nach Ber- auf Arbeiter geschossen wurde, bewirkte liche Stelle soll jemals direkt Zugriff auf be… mich haben, wie auf meinen Vater, meine Oder die Geschichte, wie mein Vater Großmutter Oda und alle verfolgten und gemeinsam mit seinem Bruder zu Be- Das ist Teil meiner Sicherheitsmarotte, ein getöteten Verwandten. Meine Häscher, ginn der Naziherrschaft die rote Fahne egal welche, müssten Umwege gehen, auf auf dem höchsten Schornstein Berlins nachhaltiger Schaden, den viele Nachkom- denen ich Warnsysteme installiert habe. aufpflanzte. Und besonders gern auch Falls ich Scherereien habe, will ich immer die der Selbstbefreiung aus dem KZ Bu- men von Verfolgten haben. So wohne ich allen einen Schritt voraus sein. Unbe- chenwald zwölf Jahre später! Das ist doch kannte Orte untersuche ich grundsätzlich alles viel interessanter und spannender beispielsweise grundsätzlich nie dort, wo ich erst einmal nach sicheren Fluchtwegen. als öde „Prinzessinnen“-Geschichten, Darum würde ich nie ein Kreuzfahrt- die nichts mit einem zu tun haben. Ja, ich polizeilich angemeldet bin. Keine staatliche schiff betreten. Das sind alles Todesfallen. wurde geradezu süchtig nach diesen Ge- In Zügen stehe ich an der Tür. Auf Fähren schichten und meine Kinder auch. Die Stelle soll jemals direkt Zugriff auf mich ha- ist mein Platz immer an der Reling, nie Enkel werden diese Geschichten nun unter Deck, im Restaurant an der Tür, im nachlesen können, damit habe ich meine ben, wie auf meinen Vater, meine Großmut- Flugzeug an den Notausgängen oder hin- Mizwa erfüllt. ten auf den sichersten Plätzen im Heck. Es gibt in deinem Roman eine Neben- ter Oda und alle verfolgten und getöteten Ein Reporterleben lang habe ich nur unter handlung, die immer mal wieder einge- Pseudonym über andere berichtet. Mein streut wird. Da wird die Ich-Erzählerin Verwandten. Ego oder gar mein Name ging niemanden in heutigen Tagen verhaftet, weil sie ei- et was an…“ ner ihr sehr ähnlich sehenden iranischen lin, London… Und schließlich von Ost- bei ihm eine Wendung im Denken und ihr In diesem letzten Punkt, treffen sich die Flüchtlingsfrau in Istanbul ihren Pass nach West-Berlin. floht in den Westen Berlins. Wie hast du Ich-Erzählerin und Marcia Zuckermann zur Einreise in die EU zur Verfügung ge- Eine der Töchter des Samuel Koha- in den Jahren nach dieser Flucht deinen oder wie immer die Romanautorin real stellt haben soll. Auch ohne diese Neben- nim ist Franziska, die der Leser später Vater erlebt? auch heißen mag. geschichte, wäre die Haupthandlung eine als deine Großmutter „Fränze“ erkennt. Was Hitler und Schoah nicht vermoch- abgeschlossene Story. Welche dramatur- Neben ihrem schon erwähnten Sohn ten, hätten die Kommunisten bei mei- „Mischpoke – Ein Familienroman“, er- gische Funktion also hat dieser Neben- Benno, der nach England fliehen konn- nem Vater fast geschafft. Nach dem Zer- schienen in der Frankfurter Verlagsan- schauplatz? te, verbrachte dessen Bruder Walter die fall seiner Welt und der Entwertung aller stalt, Die Geschichte aus der Gegenwart der Nazizeit als politischer Häftling im KZ Ideale für die er zwölf Jahre lang gelitten 445 Seiten, 24 € (e-book 15,99€) 30 KULTUR № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU „Ich halte sehr viel von Freiheit“ Ein Interview mit Jeanine Meerapfel, der jüdischen Präsidentin der Akademie der Künste von Berlin Die JÜDISCHE RUNDSCHAU traf nik des Schreibens. Als ich in Buenos die Präsidentin der Akademie der Aires als Journalistin arbeitete, belegte Künste, die Argentinierin Jeanine ich schon Kurse zum Drehbuchschrei-

Meerapfel, in ihrem Büro am Pariser ©Lieberenz ben. Diese Konstruktion fand ich span- Platz. Die gleichermaßen sympathi- nend. Denn eigentlich komme ich von sche wie auch ernsthafte und prüfende der Literatur und vom Schreiben. Filmemacherin nahm sich viel Zeit für Später hat Sie der Journalismus aber das Interview. Das Ergebnis ist ein ab- nicht mehr gereizt? wechslungsreiches Gespräch über die Ich habe ja immer wieder journalis- Vor- und Nachteile ihres Amtes, ihre tisch gearbeitet, etwa Artikel geschrie- jüdisch-deutsch-französischen Wur- ben. Außerdem habe ich auch Doku- zeln, ihre 68er-Zeit in Ulm sowie ihre mentarfilme gedreht. Das ist ja die Kulturtipps für Berlin. Übersetzung journalistischer Arbeit in eine andere Form. Aber wenn man JÜDISCHE RUNDSCHAU: Frau einmal angefangen hat, sich in Bildern Prof. Meerapfel, Sie sind seit Mai 2015 auszudrücken, ist es sehr schwer, wie- Präsidentin der Akademie der Künste, der zurück in die ausschließliche Form wie lautet Ihre bisherige Bilanz? der Sprache zu gehen. Film hat eine an- Darauf kann ich nur komplex antwor- dere Form von Komplexität und das hat ten. Denn diese Bilanz kann ja nur ein mich immer gereizt. Spiegel dessen sein, was diese Akade- Sie wurden 1943 als Kind jüdischer mie insgesamt repräsentiert. Eltern, die nach Argentinien emigriert Die Zusammenarbeit mit den insge- waren, in Buenos Aires geboren. Emp- samt 180 Angestellten ist gut. Ich fühle finden Sie sich selbst als jüdisch? mich sehr unterstützt sowohl von den Ja. Mitarbeitern als auch von den Mitglie- Also ist es ein Teil Ihrer Identität? dern. Besonders spannend sind die kre- Klar. Das ist meine Tradition. ativen Reibungen mit den Mitgliedern. Wurden Sie auch jüdisch erzogen? Auch das ist gut, das ist Teil des Jobs. Ja, aber von Reformjuden, nicht or- Was mich besonders in der letzten thodox. So nach dem Motto: Zweimal Zeit freut, ist, dass diese Akademie im Jahr in die Synagoge. Aber natürlich wirklich eine Arbeits-Akademie ist. bin ich trotzdem im Bewusstsein jüdi- Bereits bei meinem Vorgänger Klaus scher Kultur und Geschichte erzogen Staeck wurde der Versuch unternom- worden. men, dass alle sechs Sektionen der Haben Sie zu Hause auch Deutsch ge- Akademie (Bildende Kunst, Baukunst, sprochen? Musik, Literatur, Darstellende Kunst Nein. sowie Film- und Medienkunst, Anm. Gar nicht? d. Red.) miteinander arbeiten. Exemp- Nein. Ich bin mit Französisch und larisch wird das passieren bei unserem Spanisch aufgewachsen. Mein Vater neuen hochinteressanten Programm, hat Deutsch gesprochen. Nicht mit mir, das im Oktober dieses Jahres stattfindet aber ich habe ihn Deutsch sprechen ge- („Uncertain States – Künstlerisches hört, das hat mir das Lernen der Spra- Handeln in Ausnahmezuständen“, vom che später natürlich leichter gemacht. 15.10.2016 bis zum 15.1.2017, Eröff- Jeanine Meerapfel Ihre Eltern haben mit Ihrer Emigra- nung: 14.10.2016, Standort Hanseaten- tion also die deutsche Sprache aufgege- weg 10). dem Ausland. Darunter auch Israelis, das, was ich als Künstlerin repräsentie- ben? Dieses Programm ist eine Reaktion wie z. B. Micha Ullman oder der itali- re. Auch wenn es schön ist, Frau zu sein. Teilweise. Meine Mutter war Franzö- auf die großen Themen unserer Zeit, enisch-israelische Künstler Luca Lom- Ist es eigentlich schwierig, wenn man sin und hat mit mir Französisch und Spa- die da heißen Instabilität, Flucht oder bardi. Also wirklich Mitglieder aus der vordergründig Filmemacherin ist, ein nisch gesprochen. Mein Vater war Deut- Not. Wie reagieren Künstler darauf? ganzen Welt, bis hin zu Bob Dylan. so geordnetes und repräsentatives Amt scher und hat wie gesagt manchmal noch Das Programm bietet Diskussionen Bob Dylan ist Mitglied der Akademie auszufüllen? Deutsch gesprochen, aber vordergründig und Auseinandersetzungen auf unter- der Künste? Wie stellen Sie sich denn das Filme- Spanisch und Holländisch, denn meine schiedlichen Ebenen. Ja. machen vor? Das Leben als Filmema- Eltern waren vor ihrer Emigration zuletzt Es ist interessant, wenn man in die Das ist ja verrückt. cherin ist höchst komplex, ordentlich in Holland. Kultur solche Veranstaltungen mitein- (lacht.) Das wussten Sie noch nicht. und diszipliniert. Sonst kriegen Sie Das ist ja auch ein Geschenk, wenn man fließen lässt. Wenn Kunst auch prak- Nein, das ist jetzt wirklich eine Über- überhaupt nichts zusammen. Wenn mit so vielen Sprachen aufwächst. tisch arbeitet. raschung für mich. – In den Medien ist man Filme macht, muss man sich tat- So ist es. Ein großes Geschenk, wenn Ja, und sich eben auch gesellschafts- Ihre Wahl zur Präsidentin der Akade- sächlich mit hochkomplexen Organi- man als Kind schon vier, fünf Sprachen politisch engagiert. Genau das ist der mie der Künste sehr gefeiert worden, sations-Strukturen auseinandersetzen. kennt. Und dann ist es leichter, Englisch, Fall. nicht zuletzt, weil Sie die erste Frau auf Alleine bei der Beschaffung und Ver- Italienisch usw. zu lernen. Das heißt also, Sie mögen Ihre Posi- diesem Posten sind. Wie empfinden Sie waltung von Geldern. Filmemachen Mein Vater hat immer zu mir gesagt: tion? „Du musst alle Sprachen können, du musst (Lacht.) Meistens. Nicht immer. dich überall bewegen können.“ Und das Was mögen Sie daran nicht? 1 964 ging sie von Argentinien kam natürlich aus seiner Erfahrung her- Den Druck. Die Masse an Anfragen. aus. Darum wird man auch ziemlich kos- Man kann nicht allen Leuten gerecht zum Studium nach Ulm mopolitisch erzogen. werden und man muss – leider – eine Und warum sind Sie 1964 dann ausge- gewisse Unempfindlichkeit gegenüber rechnet nach Deutschland gegangen? bestimmten Dingen lernen. Ich kann das persönlich? ist ein Training im Organisieren eines Die Zufälle der Geschichte. Ich hatte ge- nicht jede E-Mail beantworten. Ich Darauf lege ich keinen Wert. Ich künstlerischen Vorgangs. hört, dass die Geschwister-Scholl-Stiftung bin es jedoch gewohnt, immer zu ant- lege darauf Wert, dass man mich auch Ein Widerspruch besteht vielleicht in Ulm die Hochschule für Gestaltung worten. Das kann ich hier nur zum Teil gewählt hat wegen der möglichen Fä- insofern, als dass ich durch mein Amt gegründet hatte. Diese Hochschule hatte wahrnehmen und das fällt mir schwer. higkeiten, die ich haben kann. Und der Präsidentin der Akademie kaum als erste Universität in Deutschland nach Ansonsten ist mein Amt ein reichhal- ich denke, dass es für die Mitglieder mehr Zeit für meine Arbeit als Filme- dem Krieg eine Filmakademie. Dozenten tiges und ich lerne sehr viel. Vor allem wichtig war, dass ich als Filmemache- macherin finde. Ich bin jedoch gerade waren Alexander Kluge und Edgar Reitz. über andere Künste. rin schon mit komplexen Strukturen dabei, mir etwas mehr Zeit dafür zu or- Ich hörte also von einer interdisziplinären Die Akademie der Künste ist ja einer- zu tun gehabt habe. Dass ich als Pro- ganisieren. Denn schließlich muss ich Schule mit dem Geist des Widerstandes seits eine wichtige Institution in Berlin, fessorin an der Kunsthochschule für auch meine eigene künstlerische Iden- der Scholl-Geschwister. Schließlich be- aber andererseits nimmt man sie als Medien in Köln auch für ein Jahr lang tität bewahren. kam ich ein Stipendium und ging nach Berliner oft gar nicht wahr. die Schule geleitet habe. Das heißt, ich Wie sind Sie selber eigentlich zum Fil- Deutschland zum Studieren. Sie ist ja nicht nur eine Berliner, son- habe schon Leitungsfunktionen im kul- memachen gekommen? Und was haben Ihre Eltern dazu gesagt? dern eine nationale und internationale turellen Bereich innegehabt. Das war ein Weg vom Journalismus Welchen Eltern gefällt es, wenn ihre Institution. Wir haben ca. 430 Mitglie- Ich sage es einmal so: Meine höchste zum Drehbuchschreiben. Mich interes- Kinder wegfliegen? Mein Vater war nicht der und von denen ist ein Großteil aus Qualität ist nicht das Frausein. Sondern sierte das Drehbuchschreiben als Tech- glücklich darüber, meine Mutter auch № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU KULTUR 31 nicht. Aber so war es nun mal. Das ist viel zu allgemein ausgedrückt. Und hat sich das irgendwann wieder ge- Es gibt hochinteressante neue deutsche legt? Filme. Es gibt großartige alte deutsche Fil- Ja, sicher. Als sie gesehen haben, wie me. Und es gibt auch langweilige deutsche glücklich ich war und wie gut ich mich Filme. Es gibt alles. entwickelt habe, fanden sie das natürlich Ich lehne es ab, wenn Leute sagen „der sehr schön. Insbesondere in der Zeit der deutsche Film“. Den gibt es nicht. Genau- Militär-Diktatur in Argentinien. Da sag- so wenig, wie es „den französischen Film“ te mein Vater: „Ich bin sehr froh, dass du oder „den israelischen Film“ gibt. Es gibt nicht in Argentinien bist.“ einige wunderbare israelische Filme und Haben Ihre Eltern Sie auch einmal in einige, die ich nicht so gut finde. Deutschland besucht? Es ist allerdings so, dass die Industrie Ja, mehrmals. und die Szene hier viel kleiner sind als In Ihre Studienzeit in Ulm fiel ja auch etwa in den USA. die Studentenbewegung. Die jüngere Gene- Bemerken Sie trotzdem bestimmte Cha- ration begann, die Naziverbrechen aufzu- rakteristika am deutschen Film? arbeiten. Hat das für Ihre Eltern ihr Bild Nein. Das ist schon wieder eine Ver- von Deutschland etwas relativiert? allgemeinerung und dem verweigere ich Das weiß ich nicht. Es kann sein. Es ist mich. Es gibt überall unterschiedliche aber nicht so, dass wir darüber viel geredet Formen des Erzählens, weil wir alle unter- hätten. Denn wenn man so weit vonein- schiedlich sind. ander entfernt wohnt, erkundigt man sich Gibt es denn Beispiele für deutsche Fil- eher nach persönlichen Dingen. me, die Ihnen gut gefallen? Für mich war das natürlich schon Sie werden sie nicht kennen. sehr bedeutend, dass ich zu einer Zeit in Verraten Sie mir trotzdem welche? Ich Deutschland ankam, als die Studenten- finde das immer inspirierend. bewegung begann. Die 68er haben mein „Fieber“ von Elfi Mikesch. „Sturm“ von Bild von Deutschland ganz besonders ge- Hans-Christian Schmid. Ich liebe auch prägt. Das führte u. a. zu meinem letzten viele Filme von Wim Wenders, darunter Film „Der deutsche Freund“ (2012), der WIKIPEDIA „Land of Plenty“ oder „Don‘t Come Kno- eine Hommage ist an eine Generation cking“. von Deutschen, die sich an den eigenen Wie nehmen Sie Berlin als kulturelle Haaren aus dem Schlamassel herausge- Stadt wahr? zogen haben. Indem sie ihre Eltern ge- Überwältigend. Ich schaffe es nicht, al- fragt haben: „Was habt ihr gemacht?“ Und les zu sehen, zu hören oder zu besuchen. zum ersten Mal ist dieses Deutschland Hier ist sehr viel los und das macht na- nach dem Krieg aufgewacht. Das hat mir türlich die Attraktivität dieser Stadt aus. sehr geholfen, Deutschland zu lieben. Ich Manchmal wünscht man sich, dass alles habe großen Respekt vor diesen jungen etwas langsamer geht, damit man mehr Menschen, die diese erste Infragestellung Dinge erleben kann. durchgezogen haben. Welche kulturellen Einrichtungen in Hatten Sie jemals Ressentiments den Berlin schätzen Sie besonders? Deutschen gegenüber? Das Kino Arsenal in der Kinemathek. So allgemein kann ich das gar nicht be- Foyer der Akademie der Künste Die Akademie der Künste natürlich antworten. Man hat nicht allgemein Res- (lacht). Insbesondere auch ihr Kino am sentiments. (Überlegt kurz.) Nein, das ist auch Ausdruck der Gesellschaft. Das Gibt es für Sie auch Tabus in der Kunst? Hanseatenweg. Den großen Saal, in dem kann ich nicht sagen. Man hat ab und zu da heißt, Kunst ist immer politisch, sei sie un- Nein. Könnte ich mir nicht vorstellen. wir Vorführungen machen. Ich mag auch und dort antisemitische Gefühle gemerkt, terhaltsam oder ernsthaft. (Überlegt kurz.) die Philharmonie wahnsinnig gern und aber dem muss man offen entgegentreten. In Deutschland trennt man ja die Unter- Ich würde natürlich immer dagegen liebe es, dorthin zu gehen. Ressentiments gehören an sich nicht zu haltung immer noch von der ernsthaften sein, wenn jemand beispielsweise rechtsra- Und welchen besonderen Tipp haben meinem Charakter. Kunst. dikale Plakat-Kunst verbreiten würde. Ich Sie für Berlin-Besucher? Das ist ja eigentlich etwas Gutes. Sie sollten sich natürlich alle unsere Aus- Wahrscheinlich. Die Trauer um das stellungen ansehen (lacht). Im Moment alles, was hier verschwunden ist, gibt es „Du musst alle Sprachen können, du musst zeigen wir zum Beispiel eine fantastische schon. Oder das Entsetzen. Ich beschäf- Ausstellung von Edmund Kuppel am tige mich tagtäglich mit der Geschichte dich überall bewegen können.“ Hanseatenweg (noch bis zum 3. Oktober, der Mitglieder, die wegmussten oder die Anm. d. Red.) über die Wahrnehmung des umgebracht wurden. Den Künstlern, die Fotografierens. An ihn haben wir gerade nicht mehr hier leben konnten. Den Bü- Ja, aber das ist ziemlich altertümlich. würde versuchen, dagegen zu kämpfen. den Käthe-Kollwitz-Preis 2016 verliehen. chern, die verbrannt wurden. Das ist alles Heute vermischen sich die Bereiche stark Aber ich halte nichts von Zensur. Ich halte Jeder, der sich für Kunst interessiert, tägliches Brot in dieser Akademie. Wir ha- miteinander und die sogenannte populäre sehr viel von Freiheit. sollte in die Akademie der Künste kom- ben hier eine sehr starke Erinnerungskul- Kultur kommt hinein in die Kunst und be- Die Qualität des deutschen Films wird men. tur. Hinter mir hängt ein Selbstporträt von fruchtet das Ernsthafte und andersherum. ja immer wieder – nicht zuletzt auch aus Max Liebermann (von 1920-33 Präsident Ich glaube nicht, dass man heute diesen den eigenen Reihen – kritisiert. Wie sehen Das Gespräch führte der Akademie, Anm. d. Red.). Er wohnte Unterschied machen kann. Sie das? Ulrike Stockmann übrigens da drüben, rechts vom Branden- burger Tor (deutet aus dem Fenster). Die Nazis haben ihn abgesetzt. Solche Schick- Sie interessieren Sich für die „Jüdische Rundschau“, möchten sie aber aus be- sale haben hier tagtäglich eine konstante Präsenz. stimmten Gründen nicht abonnieren. Deswegen haben Sie die Zeitung ab und zu Erinnern ist eine der Hauptaufgaben im Zeitungskiosk gekauft. Aber Sie laufen nicht gerne zum Zeitungskiosk oder fin- der Akademie. Wir haben eines der größ- ten interdisziplinären Archive Europas. den da die Zeitung nicht immer. Möglicherweise ist Ihre Beweglichkeit begrenzt Dort finden Sie vor allem auch Werke und Materialien der Künstler, die Deutschland oder Sie möchten es lieber bequem… unter den Nazis verlassen mussten. Bei- spielsweise den gesamten Nachlass von Walter Benjamin. Dann haben wir ein Finden Sie, dass es Aufgabe der Kunst ist, sich mit dem Erinnern zu beschäftigen? Klar. Ich habe Ihnen ja gerade erzählt, was die Künstler hier alles so machen. tolles Angebot für Sie! Also für Sie gehört das zur Kunst? Ja. Das ist ein Teil des Erbes. Sie können auf unserer Website www.juedische-rundschau.de die aktuelle Ausga- Muss Kunst politisch sein? Kunst ist politisch. Kunst ist immer et- be der „Jüdischen Rundschau“ bestellen und online bezahlen. Die Zeitung wird was, das mit der Gesellschaft zu tun hat. Wir sind keine Aliens. Das kommt alles innerhalb von 24 Stunden nach Bestellung und Bezahlung an Sie verschickt und nicht von irgendwoher. Wir sind Men- kommt direkt zu Ihnen per Post in einem neutralen Briefumschlag. schen, wir leben in Gesellschaften und drücken uns aus. Und dieser Ausdruck 32 KULTUR № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Der kuriose Erfolg von „Eis am Stiel“ Die Geschichte einer gelungenen deutsch-israelischen Kooperation von Astrid Winterfeld ohne Differenzierung und Zwischentöne. Der Ver- Haben Sie je von dem Spielfilm „m such, das delikate Thema gehört? Bestimmt! Die besonders in „pubertäre Sexualität“ mit Deutschland erfolgreiche Teenager- den grobschlächtigen Mit- Komödie mit dem Originaltitel „Es- teln des Action-Films in kimo Limon“ – benannt nach einer den Griff zu bekommen sei beliebten Eissorte in Israel – und ihre – zumindest künstlerisch sieben Fortsetzungen scheinen fest im – auf voller Breite geschei- kollektiven Bewusstsein verankert. tert. (Filmdienst 20750) Fast jedem ist sein Titel geläufig, auch Die fast einstimmige wenn er ihn mit unterschiedlichen Er- negative Einschätzung innerungen verbindet. Die einen erin- der Filmkritik schadete nern sich an einen Film ihrer Jugend, dem kommerziellen Er- der erste sexuelle Erfahrungen sowie folg des Films jedoch in das Lebensgefühl und die Musik der keinster Weise. Sowohl späten 50er Jahre abbildet. Andere auf der Berlinale als auch denken an Wiederholungen der frivo- bei der Kinoauswertung len Folgen im Nachtprogramm von war das Publikum begeis- RTL 2, die sie einfach wegzappten oder tert. Nach der Urauffüh- schmunzelnd anschauten. Nur selten rung am 1. März 1978 jedoch scheint präsent zu sein, dass es im Berliner „Zoo-Palast“ sich um eine israelische Produktion aus beschrieb das „Spandau- dem Jahre 1978 handelt, die im selben er Volksblatt“ die Stim- Jahr auch im Wettbewerbsprogramm mung: „Gäbe es noch eine der Berlinale lief und aufgrund des gro- Publikumsabstimmung ßen Erfolges mit der dritten Folge 1981 wie in den Gründerjahren fortan als deutsch-israelische Koopera- der Berlinale, dann gehör- tion produziert wurde. te Israels Wettbewerbsbei- Wir erinnern uns: Drei pubertieren- trag gewiss zu den hohen de Schulfreunde – der Draufgänger Favoriten. Riesenbeifall Momo, der schüchterne Benny und der zum Schluss für den Re- dicke Johnny, der nie ein Mädchen ab- Gisela-Zoch-Westphal gisseur und seine Haupt- bekommt – begeben sich im Tel Aviv darsteller.“ der späten 50er Jahre auf die Jagd nach Mit der Wahl seiner ersten sexuellen Erlebnissen. So unter- Hauptdarsteller Yiftach schiedlich die drei auch sind, eines ha- Katzur (Benny), Jonathan ben sie gemeinsam: ihre Leidenschaft Sagall (Momo), Zachi für hübsche Mädchen, Sex und Scha- Noy (Johnny) und der bernack. Dabei kommen sie sich in die jungen Schauspielerin Quere, verkrachen und versöhnen sich Anat Atzmon (Nili) in ih- wieder. Mal klauen sie ein Auto, um rer ersten Filmrolle setzte ihren Freundinnen zu imponieren, ver- der bereits damals erfolg- dienen sich Geld durch Gelegenheits- reiche Produzent Mena- arbeiten und messen nach, wer den hem Golan auf neue Ge- längsten Penis hat. Es geht um die erste sichter. Der Erfolg auf der Liebe und den ersten Liebeskummer, Berlinale und eine Gol- den ersten Geschlechtsverkehr, den den-Globe-Nominierung ersten Besuch bei einer Prostituierten, in der Kategorie Bester die ersten Filzläuse und was man da- Ausländischer Film 1979 gegen tun kann, die erste Schwanger- gaben ihm Recht und kur- schaft und die erste Abtreibung. Trotz belten die Karrieren der des seichten Charakters des Films hat Hauptdarsteller an. Sie der damals 35-jährige Regisseur Boaz wurden in den weiteren

Davidson Sorgfalt auf die Zeichnung WIKIPEDIA Folgen besetzt und für je- der Figuren verwendet und dadurch den waren die Filme ein eine Möglichkeit der Identifikation ge- nen die Freunde zum Militär eingezo- rem Leben machen wollen. Sprungbrett in eine erfolgreiche, wenn schaffen. Für jeden ist etwas dabei. gen werden, wird ein Bezug hergestellt. Auf diesen Film nimmt Davidson in auch unterschiedliche künstlerische Vor allem aber scheint es darum zu Vielmehr wechseln sich komische und einem Interview anlässlich der Berlinale- Karriere. gehen, die gute, alte Zeit der Endfünf- auch traurige Erfahrungen des Alltags Aufführung Bezug. Er erzählt der „Berli- Dass es 1981 ab Folge drei zu einer ziger und das Lebensgefühl jener Ju- der drei ab, die vor dem Hintergrund ner Morgenpost“ (2. März 1978), dass er deutsch-israelischen Kooperation gend in den späten siebziger Jahren neu der amerikanischen Hitparade von schon lange die Idee mit sich herumge- kam, ist der langjährigen Zusammen- zu vermarkten. Deshalb ist die Musik 1958 ablaufen. Der Regisseur Boaz Da- tragen habe seine Teenager-Zeit zu verfil- arbeit des Produzenten Menahem das bestimmende Element des Films. vidson, der Ende der sechziger Jahre an men, jedoch irgendwie habe es vorher mit Golan mit dem deutsch-jüdischen Dem Nummerncharakter der Musikti- der Londoner Filmschule studierte und der Umsetzung nie geklappt. Vielleicht Filmproduzenten Artur Brauner zu tel der amerikanischen Hitparade von verdanken. Nachdem die Bundes- 1958 entsprechend erzählen locker republik Deutschland und Israel im aneinander gereihte Episoden aus dem  Der Regisseur der Filme war Mai 1965 offizielle diplomatische Leben der Teenager: Situationen in der Beziehungen aufgenommen hatten, Schule, zu Hause oder in Gelegenheits- erst 35 Jahre alt. wurde im Mai 1971 ein Filmabkom- jobs. Der Schwerpunkt jedoch liegt auf men unterzeichnet. Ihm waren jedoch den Versuchen der Annäherung an das zahlreiche persönliche Initiativen andere Geschlecht. Dabei werden von bis heute als Regisseur, Drehbuchautor aber habe der große Erfolg von „Ameri- vorausgegangen, die auf der Zusam- den Erwachsenen abgeschaute Verhal- und Filmproduzent arbeitet, belässt can Graffiti“ mitgeholfen, dieses Projekt menarbeit jenseits staatlicher Kultur- tensmuster überzeugend vorgeführt: das politisch-soziale Umfeld jener Zeit dann doch zu realisieren. förderung beruhten. Golan, dessen sich präsentieren, das Imponiergehabe im Diffusen, so dass es wahrscheinlich Damit spricht Davidson genau jenen Leidenschaft dem Unterhaltungskino und das sich beständig wiederholende ist, dass weniger die eigene Vergangen- Punkt an, der innerhalb der Filmkritik und besonders dem Actionfilm galt, Kämmen. heit Davidsons als ein amerikanischer jener Zeit heftig thematisiert wird: Der wobei er gerne politische Stoffe nutz- Will man dem Film glauben, haben Film Modell gestanden hat: der 1973 Film sei ein fader Aufguss von „Ameri- te, fand mit Brauner einen gleichge- die israelischen Teenager der fünfziger entstandene „American Graffiti“. In can Graffiti“, habe bei François Truffauts sinnten Filmenthusiasten. So entstan- Jahre ihre amerikanischen Altersgenos- ihm erzählt George Lukas von seiner „Taschengeld“ (1976) und Louis Mal- den viele gemeinsame Produktionen. sen in Auftreten und Verhalten perfekt Jugend in einer amerikanischen Klein- les Pubertäts-Ballade „Herzflimmern“ „Eis am Stiel“ war eine von ihnen. Sie kopiert. Nur wenige Schriftzeichen wei- stadt im Sommer 1962 und sucht Ant- (1971) geklaut und erreiche trotzdem die trug dazu bei, die heute so vielfältigen sen darauf hin, dass der Film in Israel worten auf die Frage, was er und seine Originale nicht annähernd. Alles wirke deutsch-israelischen Filmbeziehun- spielt. Erst in Folge vier und fünf, in de- Freunde nach beendeter Schule aus ih- platt, grobschlächtig, oberflächlich und gen auszubauen und zu festigen. № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU GESCHICHTE 33 Jüdische Frauen in Europa: Auf der Suche nach Alternativen Zu Besuch bei der 8. „Bet Debora“-Tagung in Breslau Von Dr. Nikoline Hansen

Die mittlerweile 8. „Bet Debora“-Ta- gung europäischer Rabbinerinnen, Kantorinnen, jüdischer Aktivistinnen, Künstlerinnen und Gelehrter stand un- ter dem Motto „Jewish Women in Eu- rope: Creating Alternatives“. Vom 1.-4. September trafen sich jüdische Frauen und Männer in Breslau zum gegensei- tigen Gedankenaustausch, Feiern und um ihre Arbeitsergebnisse oder Ideen zu präsentieren. Tagungsort war unter anderem die Synagoge „Zum Weißen Storch“, die mit Hilfe der Bente-Ka- han-Stiftung innerhalb weniger Jahre zu einem lebendigen Kulturzentrum in Breslau geworden ist. Ein besonderer Tagungsort, der zeigt, dass jüdisches Leben auch in Polen wieder eine Chan- ce bekommt. Denn im 18. Jahrhundert hatte das jüdische Leben auch in Breslau eine Blütezeit erlebt, wovon nicht nur der Neubau der großen Synagogen zeugte: 1829 wurde die Synagoge „Zum Wei- ßen Storch“ eingeweiht, die schon bald zu klein war, sodass 1872 die „Neue Sy- nagoge“ der liberalen Gemeinde gebaut wurde und die alte Synagoge fortan der orthodoxen Gemeinde als Gebets- haus diente. Dank der direkten Nach- barschaft zu Wohnhäusern entging sie 1938 dem Pogrom der Nationalsozia- Synagoge „Zum Weißen Storch“ in Breslau listen, wurde allerdings enteignet und diente als Autowerkstatt sowie Lager men ist, regelmäßige Gottesdienste, zewska alias Betty Q burlesque, in dem Höhepunkt der Tagung war neben für geraubtes jüdisches Eigentum. 1996 eine koschere Küche in der Synagoge es darum ging, wie Nacktheit Frauen der gemeinsamen Kabbalat-Schabbat- wurde das ruinierte Gebäude an die sowie ein kleines koscheres Café am Stärke verleihen kann. Sie präsentierte Feier ein Konzert mit der Vorführung Gemeinde zurückgegeben und dient Platz. ihre Biographie und ihre Aktivitäten des Stummfilms „Der gelbe Schein“ seitdem auch wieder als Synagoge. Ih- Die Tagung selbst war der jüdischen überzeugend und kurzweilig – mit ei- (The Yellow Ticket), in dem Pola Ne- ren aktuellen renovierten Zustand ver- Gegenwart und Zukunft gewidmet, nem Apfel auf dem Kopf: Neben ihrem gri ein jüdisches Mädchen spielt, das dankt sie der norwegischen Musikerin insbesondere der Rolle der Frauen und Angebot der Burlesque als Kunstform zur Waise wird und nach St. Petersburg Bente Kahan, die 2005 eine Stiftung ihren Emanzipationsbestrebungen. neuen Auftrieb zu geben ermutigt sie geht, um Medizin zu studieren. Als gründete und auch mit Hilfe von Gel- Dabei waren die Vorträge der hervorra- junge Frauen, ihren Körper zu lieben – Jüdin benötigt sie dort einen „gelben dern der Europäischen Union die Sy- gend organisierten Tagung sehr unter- und Bestärkung dadurch zu erfahren, Schein“ zum Überleben in einem Bor- nagoge zu eben dem Zentrum machte, schiedlich und das einzige, was man be- indem sie ihn öffentlich präsentieren, dell, der einzige Ort, an dem das mittel- das die Tagungsteilnehmer erleben dauern konnte, war die Tatsache, dass etwa im Rahmen der weltweiten Bewe- lose Mädchen bleiben kann. Da sie sich durften. zu viele interessante parallele Veran- gung „Naked girls reading“ – ein Pro- nicht in die Prostitution zwingen lassen Als Synagoge selbst dient nun ein staltungen angeboten wurden, sodass jekt, das sie in Warschau initiiert hat. will, versucht sie Selbstmord zu bege- kleiner Raum im Seitenflügel des Ge- die Wahl oft schwerfiel, für welches Das ist sicher gerade im erzkonserva- hen. Bei ihrer Rettung stellt sich heraus, bäudes, nur zu den hohen Feiertagen Thema man sich entscheiden sollte. tiven Polen ein besonders spannendes dass sie nicht die Tochter der jüdischen wird der Gottesdienst im großen Saal Geprägt wurden die Beiträge von einer Thema, das einen Beitrag zu Emanzipa- Familie ist, in der sie aufgewachsen ist, gefeiert, in dessen zwei Galerien jetzt sondern ein Findelkind und die Toch- die Ausstellung „Zurückgewonne- ter des Professors, bei dem sie studiert. ne Geschichte“ präsentiert wird. Sie Einer der Höhepunkte war der Stummfilm Ein durchaus zweifelhaftes Happy End. wurde am 6. Mai 2010 eröffnet und Der Film wurde am 18. November 1918 dokumentiert das jüdische Leben in „Der gelbe Schein“ mit Pola Negri. in Deutschland uraufgeführt und 2011 Wroclaw, vormals Breslau und Nieder- digital restauriert. Die amerikanische schlesien, das auf eine lange Tradition Klezmergeigerin Alicia Svigals kom- zurückblicken kann: Der älteste auf- bunten Vielfalt: es gab Arbeitsgrup- tion und Liberalisierung leisten kann. ponierte eine neue Begleitmusik, die gefundene jüdische Grabstein stammt pen, die Präsentation unterschiedlicher Der Beitrag stieß nicht bei allen Teil- sie zusammen mit der Jazzpianistin aus dem Jahre 1203 und gibt Zeugnisse künstlerischer Darbietungen vom The- nehmerinnen auf Verständnis und eine Marilyn Lerner zusammen in Breslau darüber, dass sich vom 13.-15. Jahrhun- ater über Fotografie bis zur bildenden Frage, die immer wieder auch in ande- aufführte – ein großartiges Erlebnis, dert immer mehr Juden in der Gegend Kunst und Vorträge, die oft im Rahmen ren Zusammenhängen gestellt wurde, auch wenn der Film einen betroffen ansiedelten. Auf dem jüdischen Fried- eines Studiums entstanden waren und lautete: Was ist das spezifisch jüdische und nachdenklich zurücklässt – er ist hof liegen bekannte Persönlichkeiten, sich teilweise wissenschaftlich gründ- daran? und bleibt ein wichtiges Stück Zeitge- darunter beispielsweise der Historiker lich mit sehr speziellen Themen oder Hier lautete eine der Antworten das schichte. Heinrich Graetz, dessen „Geschichte Biografien befassten. Untersucht wur- Streben danach auf eigenen Beinen zu „Bet Deborah“ versteht sich als inter- der Juden von den ältesten Zeiten bis de dabei vor allem die Rolle der Frau stehen und für sich selbst Verantwor- nationales Netzwerk jüdischer Frauen, auf die Gegenwart“ nach wie vor als im Judentum, die nicht nur zentral für tung zu übernehmen. Einig waren sich die neue Wege beschreiten und eine Standardwerk der jüdischen Geschich- die Familie ist, sondern sich auch da- die Teilnehmer, dass Vergangenes be- eigene Auslegungstradition gründen te gilt. Etwas ungewöhnlich ist es al- durch auszeichnet, dass jüdische Frau- wahrt und vermittelt werden muss wie wollen. Es bietet ein Forum des Aus- lerdings schon, wie mit diesem Erbe en bereits frühzeitig in der Gesellschaft es das „Jewish Women’s Archive“ in tauschs jüdischer Frauen aller jüdischen umgegangen wird: der alte jüdische Verantwortung übernahmen – insbe- Amerika macht. Vom Interesse an his- Strömungen. Auch wenn sie ein jüdisch- Friedhof wurde kurzerhand zum Muse- sondere in sozialen und pädagogischen torischen Zeugnissen geleitet war auch feministisches Bewusstsein fördern und um erklärt, man zahlt Eintritt und das Berufen, aber auch in der Medizin. die Beschäftigung mit den Biografien die Präsenz von Frauen in den jüdischen Tragen einer Kippa ist keine Pflicht. Ein weiteres Phänomen, das die Ta- jüdischer Frauen, darunter bekannte- Gemeinden stärken möchten, waren Das jüdische Leben in Breslau steht gung aufzeigte, war das Streben der jü- re wie Edith Stein, die am 12. Oktober männliche Referenten eingeladen am wieder am Anfang einer neuen Blüte: dischen Frauen nach Selbstständigkeit 1891 in Breslau geboren wurde und de- Austausch teilzunehmen. In diesem diesen Eindruck konnte man auf dem und Unabhängigkeit, das sich auch in ren Wandel zum Katholizismus einer Sinne bot die Konferenz eine Plattform kleinen Platz vor der Synagoge gewin- der Wahl eines Berufs widerspiegelte, Erklärung bedarf oder Karla Wolff, die zum Austausch, Lernen und gemeinsa- nen, der von vielen Touristen und Stu- der dem Broterwerb diente. Dass jü- 1928 ebenfalls in Breslau geboren, die men Feiern. Breslau war dafür ein prä- denten aufgesucht wird. Die Gemeinde dische Frauen dabei auch aktuell mu- Verfolgung und Ermordung der Juden destinierter Ort und Bente Kahan eine selbst hat etwa 300 Mitglieder, es gibt tig und innovativ vorgehen, zeigte der unmittelbar erlebte und heute in Israel motivierende Gastgeberin. Ihr nächstes einen Rabbiner, der aus Israel gekom- lebhafte Vortrag der Polin Ania Cis- lebt. Projekt: Die Restauration der Mikve. 34 GESCHICHTE № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Deutschlands einziger jüdischer Außenminister Die Zerrisenheit deutscher Juden am Beispiel Walther Rathenaus Von Monty Aviel Ott Juden, die sich vor den Karren de (er kritisierte den Waffenstillstand der Antisemitinnen und An- von 1918 und forderte die Fortführung Seitdem ich politisch bin, habe ich im- tisemiten spannen lassen und des Krieges), er zum Ziel antisemitisch mer das Gefühl gehabt, dass es gewisse dabei selbst antisemitische motivierten Terrors wurde. Für rechte

Sphären gibt, in die ich als Jude nicht Ressentiments übernehmen. WIKIPEDIA Freischärler und andere Anhänger der vordringen kann, dass es Ämter gibt, Rathenau kommt aus einer Dolchstoßlegende, war er ein Teilhaber die mir gegenüber verschlossen bleiben. Generation, in der Jüdinnen dieser Verschwörung. Rathenau wurde Kann ein Jude Bundeskanzler werden? und Juden unter einem enor- nach dem Krieg aus allen politischen Könnte ein Jude als Spitzenkandidat ei- men Emanzipationsdruck Richtung angefeindet, womit er einige ner deutschen Partei eine Mehrheit auf standen, die Mauern des Ghet- Zeit brauchte, sich in der neuen Poli- sich vereinen? Ein Jude als Mitglied des tos waren gefallen, man assi- tik zurechtzufinden. Er gehörte dann Regierungskabinetts wäre auch schon milierte sich oder grenzte sich zu den Mitbegründern der Deutschen symbolisch. Das war es auch, als Walther ab, aber irgendwie musste man Demokratischen Partei und wurde zu Rathenau Außenminister wurde. Seine nun einen Umgang mit der dessen Wirtschaftssachverständigem. Ermordung war allerdings ebenso sym- nichtjüdischen Gesellschaft Im Mai 1921 holte sich Reichskanzler bolträchtig. finden. Der Zugang zu dieser Joseph Wirth, von dessen internationa- In Österreich, wo große Teile der Be- Gesellschaft bot unschätzbare len Ansehen angezogen, Rathenau als völkerung ebenso willfährig die nati- Chancen: Wissenschaft, Wirt- Wiederaufbauminister in sein Kabinett. onalsozialistische Mordmaschinerie schaft, Kunst, Kultur, Politik Im Oktober trat er dann zwar von die- mitgetragen hatten, konnte ein Jude Re- etc.. Die Schranken, welche sem Amt wieder zurück, arbeitete je- gierungschef werden. Sein Name war weiterhin fortbestanden, wa- doch weiterhin für die Regierung, bis er Bruno Kreisky und er war Mitglied der ren etwas offener und viele im Januar 1922 zum Außenminister des SPÖ. Kreisky hatte sich relativ früh vom Bereiche konnten zum ersten Kabinetts Wirth II ernannt wurde. Judentum abgewandt und bezeichnete Mal erklommen werden. Einen Rathenau wähnte sich mit dieser Er- sich nach seinem Austritt aus der jüdi- dieser Gipfel wollte Walther nennung noch lange nicht am Ziel. Er er- schen Gemeinde als Agnostiker. Für das erklimmen, um dem Berufs- zielte diverse Verhandlungserfolge und Selbstbild eine tiefgreifende Entwick- zweig seines Vaters zu entkom- errang selbst in nationalen Kreisen ein lung, aber auch für das Fremdbild? men. Er versuchte es durch die gewisses Prestige. Doch das alles sollte Ich kann an dieser Stelle nur speku- Zuwendung zur Kunst und Walter Rathenau eine Gruppe nicht davon abhalten, am lieren, dass Kreisky von manchen, trotz durch den Eintritt in eine Of- Morgen des 24. Juni 1922 gemeinsam in seines Austritts, weiterhin mit dem Ju- fiziers- oder Diplomatenkarriere, musste Bomben auf London ein Auto zu steigen und sich in Richtung dentum identifiziert wurde. Ich sehe es sich aber schlussendlich dem väterlichen Im September 1916 unterstützte Rathe- Berlin-Grunewald zu begeben. Rathe- allerdings schon als ein positives Zeichen Druck fügte, was die Übernahme der nau die Forderung deutscher Industri- nau, der aufgrund einer nächtlichen Un- für den Pluralismus eines Landes, wenn durch die AEG gegründeten Elektroche- eller danach, den kriegsbedingten Ar- terredung mit dem amerikanischen Bot- es auch Angehörige von Minderheiten mischen Werke in Bitterfeld und Rhein- beitskräftemangel durch Deportation schafter Alanson Houghton, verspätet schaffen, in hohe politische Ämter ge- felden bedeutete. belgischer Zivilisten zu kompensieren. zur Arbeit aufbrach, bemerkte ebenso wählt zu werden. Ähnlich könnte man Von nun an stieg Walther im väterli- Doch Rathenau ging in einem Schrei- wenig wie sein Fahrer, dass sie verfolgt nun auch über das Leben von Walther chen Betrieb Stück für Stück auf (seit ben an Erich Ludendorff, den General wurden. Trotz der Attentatswarnung Rathenau spekulieren. Der Name Rathe- 1904 vereinigte er mehr als 80 Aufsichts- der Obersten Heeresleitung, noch dar- gegen den Reichsaußenminister war nau wird die meisten von uns nicht zwin- ratsposten auf sich), womit er schließlich über hinaus und forderte scharfe Maß- man ohne Polizeischutz unterwegs. Das gend an Politik erinnern, sondern steht eine führende Figur in der deutschen nahmen, die sich gegen die belgische Auto, welches dem Wagen des Politi- viel mehr mit einem großen deutschen kers und Industriellen bereits seit seiner Konzern im Zusammenhang, der AEG. Villa gefolgt war, überholte dann bei Das liegt daran, dass Walthers Vater Emil „In den Jugendjahren eines jeden deutschen der Kreuzung Erdener-/Wallotstraße. der Gründer des einst weltgrößten Elekt- Dieser Überholvorgang diente dazu das rokonzerns gewesen ist. Juden gibt es einen schmerzlichen Augen- Leben des jüdischen Außenministers „In den Jugendjahren eines jeden deut- der Weimarer Republik auszuschalten. schen Juden gibt es einen schmerzlichen blick, an den er sich zeitlebens erinnert: Ein Maschinenbaustudent, ein Student Augenblick, an den er sich zeitlebens er- der Rechtswissenschaften und ein Ma- innert: wenn ihm zum ersten Male voll wenn ihm zum ersten Male voll bewußt schinenbauingenieur saßen in einem bewußt wird, daß er als Bürger zweiter offenen Mercedes-Tourenwagen. Sie Klasse in die Welt getreten ist und keine wird, daß er als Bürger zweiter Klasse zückten eine MP 18 und Handgrana- Tüchtigkeit und kein Verdienst ihn aus ten. Der Jura-Student durchsiebte den dieser Lage befreien kann.“ in die Welt getreten ist und keine Körper Rathenaus mit fünf Schüssen, Trotz dieser bitteren Einsicht, versuch- die zum Tode in kürzester Zeit führten. te Rathenau sein Leben lang diese Kluft Tüchtigkeit und kein Verdienst ihn Der Ingenieur sekundierte das Maschi- zu überwinden – was ihm freilich nicht nengewehrfeuer durch den Wurf einer gelang. Es war ein Wunschdenken, eine aus dieser Lage befreien kann.“ Handgranate. Von den Tätern, allesamt idealistische Hoffnung, die für eine ganze Mitglieder der rechtsextremen Organi- Generation stand. Die Historikerin Shul- Wirtschaft wurde und was durch die Auf- Zivilbevölkerung richten würden. Man sation „Consul“, konnte ein großer Teil amit Volkov fasste dieses Begehren zu- nahme in die „Gesellschaft der Freun- folgte schlussendlich der Forderung und der Helfer verhaftet werden, einer wurde sammen: „Sein Leben kann [...] auch so de“ (siehe Artikel „Die Gesellschaft der begann die Deportation. Das erscheint erschossen und einer richtete sich selbst. gesehen werden, dass es die Quintessenz Freunde“ in der JÜDISCHEN RUND- ebenfalls widersprüchlich, zumindest, Es fällt schwer hier ein abschließendes der deutsch-jüdischen Geschichte ent- SCHAU vom Februar 2016) gewürdigt wenn man sich mit den Schriften und Urteil zu fällen, ist doch das Alles nicht hält, nämlich den Versuch, die jüdische wurde. In der Ära des Weltkriegsbeginns Äußerungen Rathenaus zu Kriegsbeginn mehr als nur ein kleiner Ausschnitt von und die deutsche Identität miteinander in 1914 stand der Name Rathenau für Kar- beschäftigt. 1914 argumentierte er noch einem Leben mit etlichen Facetten. Es Einklang zu bringen, ohne sich je in der tellpolitik, womit sich Walther als geeig- wie ein echter Kriegskritiker. Doch seine fällt schwer einzuordnen wie sich Rathe- einen oder in der anderen zu Hause zu neter Organisator der deutschen Kriegs- Einbindung ins Kriegsministerium ließ nau selbst gesehen hat, wo er auch bereit fühlen.“ Diese Zerrissenheit scheint sich rohstoffversorgung positioniert hatte. diese Seite Rathenaus verstummen und war, neue Wege einzuschlagen, ganz nach in Rathenau zu inkarnieren. Somit wurde er nicht nur zum engsten er entwickelte sich zu einem „Falken“. So dem Brecht‘schen Motto: „Wer A sagt, Berater seines Vaters, sondern ab 1915 war die Deportation belgischer Zivilisten muss nicht auch B sagen, er kann immer Der jüdische Selbsthass durch seinen Posten als Aufsichtsrats- nicht seine einzig radikale Forderung, er noch erkennen, dass A falsch war.“ Es Die scheinbare Widersprüchlichkeit löst vorsitzender der AEG (die sich enorm an bestand ebenfalls auf einer Bombardie- ist in jedem Fall unerlässlich eine Figur sich aus dieser Perspektive auf. Gerade der Rüstungsproduktion beteiligte) auch rung Londons mit Zeppelinen. wie Rathenau kritisch zu brechen. So be- dieses Verlangen in der nichtjüdischen stark in die Kriegsplanung der Reichsre- Neben der Polemik „Höre, Israel“ ver- geisternswert es sein mag, dass ein Jude Gesellschaft anerkannt zu werden, sein gierung miteingebunden. Das lag aber öffentlichte Rathenau diverse weitere zu dieser Zeit ein solches Amt errungen Judentum, was so mancher als Stigma auch unter anderem daran, dass Wal- Schriftstücke, unter anderem in „Der hat, so sehr sollte man sich auch inhalt- betrachtet, abzuschütteln, schien nur ther der Erste war, der die mangelhafte Volkserzieher“. Dessen Verleger, der lich mit den problematischen Positionen dadurch möglich, dass man das anti- Kriegsvorbereitung aus wirtschaftlicher rechtskonservative Wilhelm Schwaner, dieser Figur auseinandersetzen. Gerade jüdische Ressentiment reproduziert. Es Perspektive kritisierte und den Auf- war bis zu seinem Tod ein enger Freund Rathenaus nationale und bellizistische ist dieser Reflex, den der Hannoversche bau eines „Rohmaterialamtes“ empfahl. Rathenaus, sowie einer von vielen Kon- Forderungen sind mehr als kritikwürdig, Professor Theodor Lessing als den „Jüdi- Kriegsminister von Falkenhayn gab dem takten ins rechts- und nationalkonser- helfen aber einen Einblick in die zer- schen Selbsthass“ benannte. Diese Pro- Industriellen recht, errichtete eine solche vative Milieu. Es ist nicht erstaunlich, rissene Seele deutscher Jüdinnen und jektion, welche bis heute bestand hat. Da Abteilung im preußischen Kriegsminis- dass trotz dieser rechten Verwicklungen Juden zu Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es immer noch viele Jüdinnen und terium und setzte Rathenau als Leiter ein. und Rathenaus bellizistischer Attitü- zu finden. № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU GESCHICHTE 35 Der kurze Traum von der jüdischen Heimat in Schlesien 1945-1948 Nach dem Krieg wollten Juden in Niederschlesien ein Autonomiegebiet gründen. Von Miriam Magall Denn es kommen baut werden, die Exponate werden auf ebenfalls ehemalige andere Pavillons verteilt. Das geschieht Im Alter von vier Jahren zieht Gabriel Judenmörder und zwei Monate nach der Ausrufung des Berger 1948 mit seinen jüdischen El- Kollaborateure, die Staates Israel. Damit signalisiert die tern aus Belgien in die damals schon in den neu besie- Sowjetunion ihre geänderte Haltung polnische Stadt Wroclaw, dem ehema- delten Gegenden gegenüber Israel und den Juden. Die ligen deutschen Breslau. Der Vater will leichter untertau- Zeit der Freizügigkeit für polnische Ju- sich aktiv am Aufbau des Sozialismus chen können, um den ist endgültig vorbei. in Polen beteiligen. Berger geht auf die einer Strafe zu ent- Ende 1949 werden alle zionistischen erste religionsfreie Schule der Stadt, gehen. Dazu zählen Parteien verboten, ihre Funktionäre die überwiegend jüdische Kinder besu- viele Ukrainer. Die in die Emigration gedrängt. Alle jüdi- chen. Seine Eltern bewegen sich prak- polnische Bevöl- schen Einrichtungen werden verstaat- tisch ausschließlich unter jüdischen kerung ist durch licht, die jüdischen Genossenschaften Freunden und Bekannten, die genau Krieg, Besatzung hören auf, jüdisch zu sein. Die Folge ist wie sie nicht religiös sind. Man spricht und den von den die geballte Auswanderung von Juden Jiddisch. Im jüdischen Klub in Wro- Deutschen öffent- nach Israel. Zwischen 1949 und 1950 claw gibt es Vorträge, Konzerte, Thea- lich verübten Mas- verlassen 30.000 Juden Polen, im Land teraufführungen und gesellige Abende senmord demorali- bleiben noch ungefähr 70.000. Jakob – veranstaltet von Juden, über Juden, siert. Hinzu kommt Egit, der Organisator des Jischuw in für Juden. seit Ende 1944 der Niederschlesien, wird zum Staatsfeind Damals ahnt Berger nicht, dass kurz Terror unter ande- erklärt, wird verhaftet, es ist die Zeit zuvor das großartige Experiment, die rem der polnischen des Slanski-Prozesses in der Tschecho- Errichtung eines jüdischen Autono- Staatssicherheit. Es slowakei, in dem von den 14 Partei- und miegebiets in Niederschlesien, geschei- herrscht kriminelle Staatsfunktionären, die meisten jüdi- tert ist. Dieser Plan, im polnischen Nie- Gewalt gegen alle, scher Herkunft, elf zum Tod verurteilt derschlesien Juden anzusiedeln, wird insbesondere gegen und hingerichtet werden. Die antisemi- in der Zeit von 1945 bis 1949 dank des die Schwächeren. tische Stimmung schwappt auch nach nachdrücklichen Bemühens von Jakob Im Sommer 1946 Polen über. Überall in Wroclaw und Egit in die Wirklichkeit umgesetzt. An- trifft eine antisemi - in anderen Städten in Niederschlesien fangs ist sein Vorgehen erfolgreich und tische Welle ganz ertönt der Ruf: „Juden nach Palästina!“ stößt in jüdischen Kreise auf eine po- Zentral- und Ost- An den Wänden heißt es: „Weg mit den sitive Resonanz. Damit soll den Juden polen. Sie gipfelt am Juden!“ Die zahlreichen Übergriffe auf eine Alternative zur Emigration nach 4. Juli 1946 in dem Juden werden, genau wie die in der Ver- Palästina, seit 1948 nach Israel, gebo- Pogrom von Kielce. gangenheit, nicht gerichtlich geahndet. ten werden. Dank des Vormarsches der der Morde an Juden in Polen nach dem Daraufhin steigt die Zahl der ausrei- Die Juden sollen zur Ausreise aus Polen Roten Armee seit Anfang 1945 verlas- Krieg bis 1947, begangen in 115 Orten, sewilligen Juden unverhofft an, sodass angeregt werden. 1956 verlassen unge- sen die meisten Deutschen fluchtartig auf 1.500 bis 2.000 Opfer geschätzt. die Zuständigen bei der Bricha, der il- fähr 50.000 Juden Polen, ihnen folgen die Ostgebiete und flüchten auf Gebiete In Reichenbach in Niederschlesien legalen Einwanderung ins damalige Pa- später weitere 20.000. Jakob Egit be- westlich der Oder/Neiße, sodass Mitte kommt es unter polnischer Flagge da- lästina unter britischem Mandat, kaum kommt von einem alten Freund, tätig 1945 kaum noch Deutsche zurückblei- gegen zu einer neuen Blüte. Die Um- wissen, wie sie sie alle über die Grenzen im Außenministerium, den Rat, er solle ben. Neben den Polen, die von den gangssprache im Jischuw, der jüdischen schmuggeln sollen. Berger spekuliert, Polen so schnell wie möglich verlassen, sowjetischen Truppen aus Ostpolen Ansiedlung, ist Jiddisch. Ende 1946 die Massenauswanderung von Juden und sorgt auch für die entsprechenden vertrieben werden, tauchen auch Juden wohnen bereits ungefähr 18.000 jü- aus Polen erfolgt möglicherweise auf Papiere für Egit, seine Frau und seine auf, größtenteils Überlebende aus den dische Menschen im Ort, die für eine sowjetische Weisung und entspricht Tochter. Von Polen geht es für die Fa- Todeslagern, nachdem die SS-Bewa- Selbstverwaltung sorgen. Es entste- damit auch dem sowjetischen außen- milie nach Wien und von dort nach Ka- cher ihre Posten aufgegeben haben und hen jüdische Schulen, Krankenhäuser, politischen Kalkül. Denn noch ist die nada, weil Clara Egit Verwandte dort ebenfalls in Richtung Westen fliehen. Waisenhäuser, und man gründet land- sowjetische Führung für eine Ansied- hat. Hier in Kanada ist Jakob Egit end- Ungefähr 5.000 bis 6.000 polnische wirtschaftliche und Handwerksgenos- lung der Juden in Palästina und gegen lich davon überzeugt: Israel ist das rich- Juden werden befreit, die Polen so senschaften. Hinzu kommen Theater, die britische Vorherrschaft im Nahen tige Land für Juden, nicht Polen. Um schnell wie möglich verlassen wollen. Zeitungen und ein Buchverlag. Es Osten. ungefähr die gleiche Zeit verlässt auch Ungefähr 1.200 beschließen dagegen, entstehen jüdische politische Partei- Nach dem Pogrom von Kielce ver- der Vater von Gabriel Berger Polen und sich in der weitgehend von ihren deut- en unterschiedlicher Ausrichtung. Die bleiben in Niederschlesien gerade ein- geht nach Deutschland, allerdings in schen Bewohnern verlassenen nieder- Synagoge dient wieder als Ort des Ge- mal 50.000 Juden, das bedeutet einen die kommunistische DDR. schlesischen Kleinstadt Reichenbach bets. Auch die traditionelle Textilin- Rückgang um 40.000 Menschen. An die ursprünglich dreieinhalb niederzulassen. Hinzu kommen weite- Millionen Juden vor dem 1. September re Juden, die im Versteck überlebt ha- 1939 erinnern heute vor allem Museen ben, ebenso wie deutsche Juden sowie Bis 1948 sammeln sich die Juden und Gedenkstätten. In Reichenbach, Rückkehrer aus der Sowjetunion, wo- das auf Polnisch Dzierzoniów heißt, hin sie sich vor den mordenden Nazis vor allem in Reichenbach. leben heute nur vier ältere Juden, in gerettet und überlebt hatten. Schon ein der weiteren Umgebung noch 24 alte Jahr später leben mehr als 12.000 Juden dustrie lebt wieder auf; hinzu kommt Die jüdischen Institutionen in Po- Frauen und Männer. Das ist der trauri- in Reichenbach. Dank der tatkräftigen ein neuer Zweig: die Elektronik in Ge- len bemühen sich danach verstärkt ge Rest der beinahe 20.000 polnischen Organisation von Jakob Egit, zwischen stalt einer Fabrik für Rundfunkgeräte. um Wiederaufbau und Stabilisierung Juden, die im Jahr 1946 hoffnungsvoll 1945 und 1948 Vorsitzender des Wo- Besonderen Wert legt das Jüdische Ko- der jüdischen Siedlungen. Eine Zeit- ein neues Leben in der Kleinstadt Rei- jwodschaftskomitees (Wojwodschaft mitee Niederschlesiens auf die beruf- lang scheint es, als habe sich die Lage chenbach beginnen. ist in Polen ein Verwaltungsbezirk, liche Bildung der Jugendlichen. Dafür entspannt. Es herrscht denn auch bald Hier nacherzählt werden lediglich die ähnlich einem Bundesland in Deutsch- ist die Institution ORT zuständig. Es wieder Normalität, könnte man mei- Eckpunkte dieses Versuchs einer neuen land) nimmt die Idee eines jüdischen werden praktische Lehrgänge ange- nen. Die Beschäftigtenzahlen im Berg- jüdischen Heimat in Niederschlesien. Autonomiegebiets in Niederschlesien boten in Schneiderei, Lederverarbei- bau, in der staatlichen Industrie, in Gabriel Berger hat sein Buch mit einer Gestalt an, was zu jenem Zeitpunkt tung, der Herstellung von Miederwa- der Landwirtschaft und in den Genos- Fülle von Details über jüdisches Leben auch von der polnischen Regierung un- ren, Schuhmacherhandwerk, Weberei, senschaften beläuft sich auf insgesamt in Polen vor, im und nach dem Zweiten terstützt wird. Ein wichtiger Faktor für Buchdruck, Friseurhandwerk, Bürs- 14.445 Menschen. Weltkrieg gespickt, die dem Leser die die Entscheidung vieler Überlebender, tenmacherei, Kosmetik, und es gibt Das Jahr 1948 bringt das Ende für Augen für ein völlig neues Verständ- sich in Niederschlesien niederzulassen, auch Kurse für Kraftfahrer und viele den Jischuw in Niederschlesien. Ein nis öffnet. Eine sehr empfehlenswerte, statt in ihre ursprünglichen Heimat- andere Richtungen. Zum ersten Mal erstes Anzeichen ist die Auflösung des höchst informative und fesselnde Lek- orte zurückzugehen, sind sicher die begegnen sich jüdische Bergarbeiter, jüdischen Pavillons für die „Ausstel- türe. zahlreichen Übergriffe überall in Polen Stahlarbeiter und Straßenbahnfahrer. lung der wiedergewonnenen Gebiete“ auf die unbeliebten Heimkehrer. Denn Hier in Niederschlesien wird aus dem (damit waren die deutschen Ostgebiete Gabriel Berger: mittlerweile sind ihre Häuser von Polen jüdischen „Luftmenschen“ ein ganz gemeint). Vierzehn Tage vor der Eröff- „Umgeben von Hass und Mitgefühl. bewohnt, die nur ungerne wieder aus- normales Volk, bestehend aus einer nung inspiziert eine staatliche Delega- Jüdische Autonomie in Polen nach der ziehen. In Nowy Targ werden 1945 fünf wachsenden Zahl jüdischer Arbeiter. tion den jüdischen Pavillon unter der Schoa 1945—1949 und die Hinter- Juden brutal ermordet, in Stettin sieben Es hört sich fast wie ein Paradies für Ju- Leitung des Chefs der kommunisti- gründe ihres Scheiterns“ jüdische Rückkehrer aus der Sowjet- den nach jenen bösen Jahren an. schen Staatssicherheit von Wroclaw Lichtig Verlag, Berlin 2016 union getötet, um nur zwei Beispiele Aber in jedem Paradies gibt es eine und seines sowjetischen Beraters. An 191 Seiten, Broschur. 14,90 Euro anzuführen. Insgesamt wird die Zahl Schlange. So auch in Niederschlesien. ihrem Ende muss der Pavillon abge- ISBN 978-3-929905-36-6 36 GESCHICHTE № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU „Kindheit in Ägypten“ Miriam Magall zur Vertreibung der Juden aus Ägypten in den 1950er Jahren

Von Valerie Herberg verwebt Miriam Magall in ihrem Ro- man „Kindheit in Ägypten“ mit einer Ägypten, Ende der 1940er Jahre: Seit dunklen Epoche in der Geschichte der der Gründung Israels macht die Re- Juden in arabischen Ländern. Inhalt- gierung den Juden im Land das Leben lich hat der Roman damit einiges zu schwer. Sie werden schikaniert, immer bieten. Die Leser lernen außerdem ne- weiter entrechtet und immer öfter Op- benbei einiges über jüdische Bräuche, fer von Gewalt. Das gilt auch für Fa- die Lebensweise der sephardischen milie Marzuk aus Kairo, die es dank Juden, die Vertreibung der Juden aus des Schmuckladens des Großvaters im arabischen Ländern ab 1948 und die Goldbasar zu Wohlstand gebracht hat. turbulenten Anfangsjahre des Staa- Unter dem täglich wachsenden Druck tes Israel. Und bekommen einen Ein- beschließen die sechs erwachsenen druck davon, was es heißt, verfolgt zu Kinder der Familie, nach und nach ih- werden und seine Heimat für immer ren Besitz zu verkaufen, das Geld ins verlassen zu müssen. Ausland zu schicken und mit ihren Fa- Den Abschiedsschmerz illustrieren milien auszuwandern. Mary Marzuk die Gedanken Marys kurz vor der Aus- zieht gemeinsam mit ihrem Mann Eli reise nach Israel: „Die Sterne würden und den Kindern Judith, Jakob und Jo- auch in Haifa riesig und zum Greifen sef – aus dessen Perspektive der Roman nahe sein. Und dazu der Mond. War größtenteils erzählt wird – nach Israel. es der Vollmond, würde er ähnliche Einige Jahre später lernt Josef dort Schatten auf den Boden werfen wie in Tamar kennen, die aus England nach Alexandria. Aber der Nil wäre nicht Israel gekommen ist. Die beiden ver- mehr da, flüsterte eine andere Stim- lieben sich und heiraten nach kurzer me. Es war die Stimme des Heimwehs, Zeit heimlich. Erst nach der Geburt des die in Mary wach wurde, in letzter Zeit ersten Kindes besucht das Paar Josefs immer häufiger.“ (S. 1164-165) Familie. Als diese mit Tamar ins Ge- Stellenweise etwas langatmig, spräch kommt, wird Mary klar, dass die nimmt zum Ende hin Fahrt auf junge Frau für sie keine Unbekannte Magall nutzt das Potenzial und die ist – was Mary schließlich veranlasst, Sprengkraft, die die Story bietet, je- einen Mord zu begehen. doch nicht vollständig: Trotz der spannenden Themen wirkt vor allem Was es heißt, verfolgt und der Mittelteil des Romans stellenwei- vertrieben zu werden se etwas langatmig. So wird die Zeit Diese tragische Familiengeschichte zwischen dem Entschluss der Familie,

Rosch ha-Schana 5777 Möge das kommende Jahr für Sie, Ihre Familien und Freunde, wie für uns alle, ein gutes und vor allem friedliches sein. Wir gratulieren den Leserinnen und Lesern der Jüdischen Rundschau wie auch allen Jüdinnen und Ägypten zu verlassen, und der tatsäch- Empfehlenswert bei Interesse Juden in Berlin recht herzlich zum Neujahrsfest. lichen Ausreise äußerst ausführlich an jüdischer Geschichte beschrieben und zieht sich für den Le- Die Figuren wirken leider teilweise höl- Schana tova! ser gefühlt sehr lange. zern und wenig natürlich. Sie erklären Ihre Fraktion DIE LINKE im  Die Leser lernen einiges über Abgeordnetenhaus von Berlin jüdische Bräuche, die Lebensweise der sephardischen Juden, die Vertreibung der Juden aus arabischen Ländern ab 1948 und die turbulenten Anfangsjahre des Staates Israel.

Josefs Reaktion, als er die Wahrheit zum Beispiel in den Dialogen immer wie- über seine Ehefrau und von dem Mord der Begriffe und Bräuche aus der jüdischen durch seine Mutter erfährt, ist der Au- Kultur, Lebensweise und Geschichte. Das torin hingegen nur wenige Abschnitte ist zwar für jene Leser hilfreich, die sich wert. Ein ausgeglicheneres Erzähl- damit nicht so gut auskennen. Es wirkt tempo wäre hier wünschenswert ge- stellenweise jedoch etwas künstlich. wesen. Bei der Auflösung am Ende Dennoch: „Kindheit in Ägypten" ist ein würde man gerne mehr über die Ge- lehrreicher Roman, der eine Epoche in der fühle der Figuren, vor allem von Josef, Geschichte der Juden beleuchtet, die au- erfahren. Die Familiengeschichte, die ßerhalb des Kreises der Betroffenen nur sich der Autorin zufolge wirklich so wenigen bekannt ist. Die Geschichte der zugetragen hat, ist zu tragisch, um sie Marzuks verleiht dem Roman zusätzliche glaubwürdig auf einigen Seiten abzu- Dramatik. Wer sich für die Vertreibung handeln. Immerhin nimmt der Roman der Juden aus Ägypten und die Grün- gegen Ende wieder Fahrt auf. Und es dungsjahre Israels interessiert, und etwas www.linksfraktion.berlin www.linksfraktion.berlin lohnt sich, bis zur Auflösung dranzu- Geduld sowie Nachsicht mit den Figuren bleiben. mitbringt, sollte „Kindheit in Ägypten“ nicht verpassen. № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU SPORT 37 Fliegen Israels Fußballer 2018 nach Russland? Israels Fußballer könnten sich erstmals seit 1970 wieder für eine Weltmeisterschaft qualifizieren Von Jerome Lombard

Gianluigi „Gigi“ Buffon ist eine Tor- hüter-Legende. Seit 15 Jahren steht der 38-Jährige für seinen Stammclub Juventus Turin zwischen den Pfosten. Vier Mal wurde er zum Welttorhüter des Jahres gewählt. Er ist Italiens Na- tionalspieler mit den meisten Länder- spieleinsätzen. Das ist die beeindru- ckende Bilanz dieses Meisters seines Faches. Wer als gegnersicher Stürmer auf Gigis Tor anrennt, weiß also genau, wen er da vor sich hat. Die Psyche ist ein wesentlicher Fak- tor im Fußball. Respekt ist entschei- dend, um den Gegenüber nicht zu un- terschätzen. Ehrfurcht hingegen lähmt die Physis. Israels Mittelfeldspieler Tal Ben Haim hatte bestimmt eine Men- ge Respekt, als er bedrängt und dicht gefolgt von vier italienischen Vertei- digern auf Gigis Kasten stürmte. Den Lupfer des Mannes von Maccabi Tel Aviv, mit viel Effet in die obere rechte Torecke geschlenzt, kann man eigent- lich nur als aufmüpfig, ja geradezu frech und so gar nicht ehrfürchtig beschrei- ben. Gigi blieb nichts Anderes übrig, als zuzuschauen, wie der Ball so ge- GUEZ,JACK AFP konnt wie präzise ins Netz segelte – ein Die israelische Nationalmannschaft beim Training in Haifa. fußballerischer Höhepunkt an diesem 5. September im Sammy-Ofer-Stadion ligisten Guangzhou R&F gegenüber projizieren, war aber nicht die originäre Israels in Europa den „Palästinensern“ von Haifa. „FIFA.com“. „(Die Spiele von damals) Idee des nordkoreanischen Stalinisten. nach wie vor stinkt. Der „palästinensi- Das Endergebnis dieses Auftaktmat- werden oft im Fernsehen übertragen Als Israel 1954 dem Asiatischen Fuß- sche“ Fußballverband strengt immer ches zur Qualifikation für die Welt- und man kann es nicht vergessen. Was ballverband (AFC) beitrat, zogen gleich wieder Initiativen an, Israel doch bitte meisterschaft 2018 in Russland mag wir machen können, ist unser Bestes mehrere muslimische Staaten ihre Mit- aus der FIFA und ihren Gremien aus- aus israelischer Sicht zwar ernüchternd geben und so viele Tore wie möglich gliedschaft zurück und erklärten, nie- zuschließen. Die zugespitzt formulierte klingen: Die Italiener gewannen 3:1. erzielen.“ mals gegen eine Nationalelf aus Israel Begründung: Juden seien keine Nation Doch nach dem Spiel ist bekanntlich antreten zu wollen. Das führte 1958 zu und dürfen weder Staat noch National- vor dem Spiel, zumal die Partie gegen Antizionismus auch im Fußball der bizarren Situation, dass Israel sei- team haben. Wer sich jetzt an den ollen die Azzuri knapper und ausgeglichener Tatsächlich waren die Voraussetzun- ne Qualifikationsgruppe für die anste- Kim Il-sung erinnert fühlt, ist mindes- war, als das Ergebnis vermuten lässt. gen 1970 gänzlich andere als heute. Und hende WM in Schweden gewann, ohne tens politisch unkorrekt. BDS-Soccer Die Israelis von Coach Elisha Levy wa- das nicht nur, weil die Teams komplett ein einziges Spiel gespielt zu haben. Da hat wie sein großer Bruder viele Gesich- ren dem Ausgleich streckenweise nä- neu aufgestellt sind und der Fußball das ganze Boykott-Spektakel der FIFA ter. her, als die Italiener dem letztendlichen sich generell technisch und institutio- peinlich und unsportlich erschien, or- Siegtreffer. Von Frust kann daher keine nell weiterentwickelt hat. Israel war als ganisierte der Weltfußballverband kur- UEFA-Mitgliedschaft als Segen Rede sein. Immerhin spielte hier der geographisch west-asiatisches Land Teil zerhand ein Playoff-Match gegen Wales, und Fluch FIFA-Weltranglisten-Dreizehnte Itali- der asiatischen Qualifikationsrunden, das Israel im Hin-und Rückspiel verlor. Auch wenn Israel heute ein festes Mit- en gegen den 98. auf der Liste, Israel. glied der europäischen Fußballgemein- Israels kommende Gegner in der schaft ist, hat der gesamte Komplex des UEFA-Qualifikationsgruppe G soll- Als Israel 1954 dem Asiatischen Fußballver- auf den Fußball projizierten Antisemi- ten durchaus zu schlagen sein. Anfang tismus neben dem politischen Skandal Oktober müssen die Blau-Weißen aus- band (AFC) beitrat, zogen gleich mehrere auch sportliche Auswirkungen: Könnte wärts gegen Mazedonien ran. Danach das israelische Team als Teil der asiati- folgen die Partien gegen Lichtenstein muslimische Staaten ihre Mitgliedschaft schen Qualifikationsrunden gegen die und Albanien. Ok, zugegeben, die am- Mannschaften der Region antreten, tierenden Weltmeister aus Spanien zurück und erklärten, niemals gegen eine so, wie es die geographische Lage ei- sind auch noch Teil der Gruppe. Aber gentlich vorschreiben würde, hätten nichtsdestotrotz: Israel, von Experten Nationalelf aus Israel antreten zu wollen. die Kicker exzellente Aussichten auf häufig als Fußballzwerg belächelt, hat regelmäßige Teilnahmen an internati- aktuell einen gut aufgestellten Kader Das führte 1958 zu der bizarren Situation, onalen Turnieren. Der israelische Fuß- mit Spielern, die in Europa und inter- ball wäre heute sicherlich auf einem an- national ihr Geld verdienen. Damit dass Israel seine Qualifikationsgruppe deren Qualitätsniveau. An Israel liegt hat das Team durchaus Chancen sich es jedenfalls nicht. Der Verband hat – wenn auch als Außenseiter – für die für die WM gewann, ohne ein einziges stets dafür plädiert, wenigstens Politik Endrunde der weltbesten National- und Sport zu trennen und sich mit den mannschaften in zwei Jahren in Russ- Spiel gespielt zu haben. Nachbarn sportlich zu messen. Antizi- land zu qualifizieren. Fans und Kicker onisten sind aber nun mal keine Sports- sind gleichermaßen heiß. Eine Qualifi- freunde. kation wäre die zweite in der fußballeri- die damals noch mit der Gruppe aus Nach 1970 begann der israelische Aber wegen dieses ganzen Schlamas- schen Geschichte des jüdischen Staats. Ozeanien zusammengelegt waren. Is- Fußballverband dann eine regelrechte sels den Kopf in den Sand zu stecken, ist Nach der Teilnahme an der WM 1970 raels Qualifikationsgegner hießen 1970 Odyssee, die über Boykotte und dem natürlich auch keine Alternative. Man in Mexiko. Damals noch mit Spielerle- Australien, Neuseeland und Rhodesien Ausschluss aus dem AFC schließlich in sollte es mit Blick auf die aktuelle Qua- gende Mordechai Spiegler – Israels his- (heutiges Zimbabwe). Nord-Korea war der Aufnahme des Verbands in Euro- lifikation mit dem Optimismus von Ka- torischer Top-Scorer mit 33 erzielten im Vorfeld zurückgetreten, da Diktator pa endete. Seit 1991 spielen israelische pitän Zahavi halten: „Wir können zei- internationalen Toren – darunter das Kim Il-sung nicht gegen Israel antreten Clubs bei europäischen Turnieren mit. gen, was wir für Fortschritte gemacht bislang einzige bei einer Weltmeister- lassen wollte. Die kommunistisch ein- 1994 wurde der israelische Verband haben. Wir sollten mit Selbstvertrauen schaft beim 1:1 gegen Schweden. gefärbte Begründung für den Boykott: Vollmitglied in der europäischen Fuß- spielen, ganz gleich gegen wen. Wir An diesen ersten großen Erfolg wol- Israel sei eine künstlich geschaffene ballgemeinschaft UEFA. Problem ge- wollen, dass unsere Fans stolz auf uns len die Spieler um Kapitän Eran Zahavi Speerspitze des Imperialismus. Juden löst? Eher umschifft. Die muslimischen und unsere Leistungen sind. Wir haben jetzt 46 Jahre später anknüpfen. „Der seien keine Nation und dürfen weder Boykott-Verbände wurden für ihren ein gutes Team und wir haben Spieler, Erfolg (Teilnahme an der WM 1970) ist Staat noch Nationalteam haben. Den an- bis heute aufrecht erhaltenen Fußball- die in Belgien, Deutschland, Holland inspirierend“, sagt der 29-jährige Mit- tisemitisch untermauerten Hass auf den Antizionismus jedenfalls nicht bestraft. und England spielen. Wir könnten un- telfeldspieler vom chinesischen Erst- jüdischen Staat auch auf den Sport zu Zumal die fußballerische Eingliederung sere Chance bekommen.“ 38 RELIGION UND TRADITION № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU Kol Nidre und die Gelübde Was hat es mit dem Brauch vor Jom Kippur auf sich? Von Mendel Itkin 2. Es muss es vor drei Richtern ge- schehen. Es gibt auf der ganzen Welt Juden, die Dennoch sagt die Mischna (Hagiga einmal im Jahr für 10 Minuten die Syn- 10a), dass dieses ganze Verfahren in der agoge betreten. Am Vorabend von Jom Luft hängt, d.h. es ist nicht sicher, ob es Kippur hören sie sich das Kol Nidre an wirklich funktioniert. Ja, Gelübde gelo- und gehen wieder. Die Melodie von Kol ben funktioniert, sie aber aufzulösen ist Nidre ist so herzzerreißend, dass sogar eine heikle Sache. Noch besser ist es gar Max Bruch, ein nichtjüdischer Kompo- keine Gelübde abzulegen. nist, die Melodie adoptierte. Aber was Aus dieser Perspektive wird die Kri- genau ist Kol Nidre? Es ist kein Gebet, tik von Rav Natronai Gaon verständ- sondern ein formeller Text, den man lich, als ob er sagte: Jedes Jahr vor Jom sagt, um sich von Gelübden zu befreien. Kippur wollt ihr alle eure Gelübde auf- Alle Gelübde, Entsagungen, Bann- lösen? Das ist Quatsch, Ihr steht nicht sprüche, Umschreibungen oder Neben- vor drei Richtern, Ihr führt im Einzel- bezeichnungen derselben, Strafen und nen nicht aus, was Ihr geloben habt und Schwüre, die wir geloben, schwören, als warum macht Ihr überhaupt Gelübde? Bann aussprechen, und als Verbot uns Doch Kol Nidre hielt aller Kritik stand auferlegen, von diesem Versöhnungsta- und verbreitete sich unaufhaltsam in al- ge bis zum nächsten Versöhnungstage, len jüdischen Gemeinden, bis Rabbi Ja- vom vergangenem Versöhnungstage bis kob Tams Vater es änderte. Rabbi Jakob zu diesem Versöhnungstage, sie alle be- Tam (1100-1171) war die größte jüdische reue ich, sie alle seien aufgelöst, erlas- Autorität des Mittelalters. Er schreibt in sen, aufgehoben, ungültig und nichtig, seinem Buch Sefer haJaschar, dass sein ohne Geltung und ohne Bestand: Un- Vater den Text von Kol Nidre änderte. sere Gelübde seien keine Gelübde, un- Anstatt „Alle Gelübde sollen aufgelöst sere Schwüre keine Schwüre. sein vom vergangen Versöhnungstage Die Anfänge von Kol Nidre sind un- bis zu diesem Versöhnungstage“ änderte bekannt. Rabbi Gaon Natronai (9. Jahr- er zu „Alle Gelübde ... von diesem Ver- hundert), Vorsteher der Jeschiwa in der söhnungstage bis zum nächsten Versöh- babylonischen Stadt Sura, erwähnt als nungstage.“ Warum hat er das gemacht? erster das Kol Nidre. Diese erste Er- Sein Gedankengang war der folgende: wähnung ist eine scharfe Verurteilung. Stünde dort „vom vergangen Versöh- Er sagt: nungstage bis zu diesem“, was hilft es „Diesen Brauch haben wir von unse- Gelübde aufzuheben, deren Fälligkeits- ren Rabbinern nicht gehört und nicht datum bereits verstrichen ist? Wenn ich gesehen.“ WIKIPEDIA verpflichtet gewesen bin ein Gelübde zu Sein Schüler und Nachfolger Rabbi erfüllen, es aber nicht getan habe, dann Amram Gaon, Herausgeber des ersten kann ich es doch nicht einfach auflösen. jüdischen Gebetbuches, verzeichnet in Das Kol Nidre, Wormser Machsor, 1272 Stattdessen ist es besser eine Bedingung seinem Gebetbuch das Kol Nidrei und auszusprechen, dass alle Gelübde, die kommentiert: ich in Zukunft geloben werde, nicht als „Die heilige Jeschiwa richtet aus, dass sagen: Ich gelobe jeden Tag zu beten, Im Talmud heißt es sogar: „Auch, wenn Gelübde gelten sollen. dieser Brauch unsinnig ist und es ver- oder jeden Schabbat in die Synagoge zu jemand sein Gelübde erfüllt, ist er ein Diese Änderung im Text wurde von boten ist ihn auszuführen.“ gehen. Eigentlich ist es eine gute Sache. Sünder“ (Ned. 77b). Auch der jüdische vielen kritisiert, sodass wir in unseren Was waren die Gründe für diese An- Der Mensch nimmt einen psychologi- Rechtskodex, der Schulchan Aruch, Gebetbüchern zwei Versionen des glei- feindung? schen Druck auf sich und verpflichtet mahnt: „Es ist nicht gut über eine Spen- chen Textes haben. Einmal vom ver- Ein Mensch, der um Gottes Beistand sich Mizwot auszuüben. Andererseits de zu geloben, wer spenden möchte, gangen bis zu diesem Versöhnungstage bittet, er möge ihm helfen seine Ziele ist niemand verpflichtet ein Gelübde möge spenden ohne Gelübde.“ Ein Ge- und gleich danach, von diesem bis zum zu erreichen oder ein Unheil von ihm nächsten Versöhnungstage. abwenden, der kann ein Gelübde able- Die gesetzliche Grundlage von Kol gen. Dann sagt er: wenn Du mich von T rotz wiederholtem rabbinischen Nidre war nicht der einzige Kritik- dieser Krankheit heilst, gelobe ich der punkt. Die Juden mussten sich im Lau- Synagoge 10.000 Euro zu spenden. Widerspruch wurde Kol Nidre fe des Mittelalters immer wieder ge- Wenn seine Heilung eintrifft, ist er ver- gen Anschuldigungen der Nichtjuden pflichtet sein Gelübde zu erfüllen. Tut sehr populär . verteidigen, dass die Juden ihr Wort er es nicht, werden, nach dem Talmud, und ihre Versprechen nicht einhalten seine jungen Kinder sterben. Die Thora abzulegen. Die Thora warnt uns sogar lübde abzulegen ist eine ernste Sache, und sie am heiligsten Fest des Jahres warnt bezüglich der Nichterfüllung: davor: die strengstens zu vermeiden gilt. Vor nichtig machten. Unter ihnen Niko- „Wenn du dem HERRN, deinem „Wenn du es aber unterlässt, etwas zu allem deshalb, weil die Aufhebung des laus Donin, ein zum Christentum kon- Gott, ein Gelübde ablegst, so sollst geloben, dann trifft dich keine Strafe.“ Gelübdes ein kompliziertes Unterfan- vertierte Jude, der seine alte Religion du es ohne Verzug erfüllen, denn der (Deut. 23,23) gen ist. schmähte. Seine Schriften führten zu HERR, dein Gott, wird es sonst von dir Für seinen Beistand fordert Gott von Man kann sich nur von einem Ge- den Disputationen von Paris 1240. Das einfordern, und es trifft dich Strafe.“ uns kein Gelübde. Dennoch deutet die- lübde befreien, wenn zur der Zeit des Ergebnis war die Verbrennung von 24 (Deut. 23,22) ser Vers an, es sei besser überhaupt kein Gelobens, die Umstände des Gelüb- Wagen, die mit dem Talmud beladen Eine andere Art von Gelübde ist eine Gelübde abzulegen, damit, bei seiner des nicht bekannt waren. Wären sie waren. Zu allen Zeiten mussten die freiwillige Verpflichtung. Jemand kann Nichterfüllung, uns keine Strafe treffe. bekannt, würde man kein Gelübde auf Rabbiner sich immer wieder rechtfer- sich nehmen. Zum Beispiel gelobt je- tigen, dass nach dem jüdischen Gesetz mand jeden Schabbat in die Synagoge nur solche Gelübde aufgelöst werden zu gehen. Dann geht er in die Synagoge können, die jemand gegenüber Gott und bemerkt, dass der Weg zu Fuß sehr abgelegt hat, aber nicht solche Gelüb- beschwerlich und anstrengender ist de, die jemand gegenüber Menschen als mit dem Auto. Jetzt denkt die Per- abgelegt hat. (Schulchan Aruch, Joreh son, dass es besser gewesen wäre kein Deah 211:4) Gelübde auf sich zu nehmen. Aber was Das Kol Nidre hat sich bis heute un- kann er tun, um der göttlichen Strafe zu nachgiebig erhalten. Viele haben ver- entgehen? Er geht in ein jüdisches Ge- sucht es abzuschaffen, unter anderem richt, schildert seine hilflose Situation Samson Raphael Hirsch, doch viele drei Richtern und wird von seinem Ge- Juden haben es so sehr ins Herz ge- lübde befreit durch ein Gelübdeaufhe- schlossen, dass sie hauptsächlich des- bungsverfahren. wegen in die Synagoge kommen. Zwei Punkte sind für das Gelüb- deaufhebungsverfahren wichtig. Mendel Itkin studiert am Rabbiner- 1. Man muss sein Gelübde kennen seminar zu Berlin und ist Autor des und Blogs Koscher.info № 10 (26) Oktober 2016 JÜDISCHE RUNDSCHAU RELIGION UND TRADITION 39 Jamim Noraim – die hohen Feiertage des Jahres Rosch HaSchana und die Feiertage des Monats Tischrej Von Rabbiner Elischa Portnoy

Es ist allen bekannt, dass wir im Herbst mit Rosch Haschana, Jom Kippur, Suk-

kot, Schmini Atzeret und Simchat Torah MANDEL NGAN; AFP viele jüdische Feste feiern. Normalerwei- se wird ein Teil davon im September ge- feiert und ein Teil im Oktober. Jedoch ist dieses Jahr anders: alle Herbst-Feiertage fallen auf den Monat Oktober. Und wenn man den Kalender anschaut und feststellt, dass es keine Woche ohne arbeitsfreie Tage gibt, dann denkt man: wow, das sind aber echt viele! Warum also gibt es so viele Feiertage innerhalb so kurzer Zeit? Was ist die Idee dahinter und was sollen wir nach dem ganzen Feiern für unser Leben mitneh- men? Rosch Haschana - kein Neues Jahr! Alle diese Feiertage werden im jüdi- schen Monat Tischrej gefeiert: am 1. und 2. Tischrej - Rosch Haschana, am 10. Das traditionelle Schofar-Blasen zum Neujahr. Tischrej - Jom Kippur, von 15. und bis 21. Tischrej - Sukkot, am 22. Tischrej - Welt war, hat G’tt ein Gefolge bekom- und nicht jedem verziehen: die Sünden Fall nicht zutreffend: die richtige Freude Schmini Atzeret und im Chutz laAretz men, das Ihn freiwillig krönen konnte. zwischen dem Menschen und seinem soll uns vom Anfang des Sukkot bis zum (außerhalb Israels) am 23. Tischrej - Sim- Es gibt einen bekannten Spruch vom Nächsten werden nur dann verziehen, Ende des Simchat Torah begleiten. Da- chat Tora. Kotzker Rebbe: „G’tt ist dort, wo du Ihm wenn der Mensch dem Geschädigten bei soll diese Freude nicht nachlassen, Da alle diese Feiertage aus dem die Tür öffnest“. den Schaden bezahlt hat und von ihm die sondern sich steigern und am letzten G’ttlichen Ursprung stammen, haben sie Und gerade deshalb ist Rosch Hascha- vollständige und aufrichtige Vergebung Festtag alle Grenzen sprengen. alle eine tiefe und mehrschichtige Bedeu- na ein Feiertag: wir entscheiden an die- bekommen hat. Erst dann kann auch G’tt tung und oft ist der Sinn und das Ziel je- sem Tag freiwillig nicht nur die Tür in dem Schädiger seine Fehler verzeihen. „Frejlech soll sein…“ des einzelnen Festes ganz anders, als wir unser Leben für G’tt zu öffnen, sondern Deshalb gibt es den bekannten Brauch, Dabei ist die Simcha (Freude) am Suk- es uns vorstellen. krönen Ihn auch zum König. Und wir sich vor Jom Kippur bei den Verwandten, kot und Schmini Atzeret ein Gebot der Das beste Beispiel dafür ist der Rosch hoffen, dass unser König nicht vergessen Freunden und Kollegen, um Entschuldi- Thora: „ Sieben Tage feiere dem G’tt dei- Haschana, das allgemein als Neujahrsfest wird, wer Ihn gekrönt hat und dass Sein gung zu bitten. Jedoch muss man aufpas- nem Herrn… und sei nur fröhlich“ steht bekannt ist. Urteil vor Gericht zu unseren Gunsten sen, dass diese Bitten aufrichtig gemeint im 5. Buch Moses (16:15). Eigentlich ist Rosch Haschana aber ausfällt. sind und nicht zur Routine werden. Doch woher soll die Freude kommen? kein Jahresbeginn: der Monat Tischrej Deshalb nannten unsere Weisen dieses Unsere Weisen geben mehrere Ant- ist der 7. Monat des jüdischen Kalenders Fest „Kopf des Jahres“: so wie vom Kopf Zeit für Freude worten auf diese Frage: erstens, wir ha- und kann deshalb schlecht als Anfang des die Richtung der Körperbewegung ab- Nach den ernsthaften und mit vielen ben die Tage des Gerichts hinter uns Jahres genannt werden. Auf jeden Fall ist hängt, so hängt von diesem Tag unsere Gebeten gefüllten Hohen Feiertagen und hoffen, dass wir alle im Buch des Le- dieser Feiertag nicht das, was wir uns all- „Bewegung“ durch die nächsten 12 Mo- kommen wir zu den fröhlichsten Festen bens eingeschrieben sind und ein gutes gemein unter “Neues Jahr” vorstellen. Jahr vor uns haben. Gut möglich, dass diese Verwechselung Zweitens, in Israel war im Tischrej von der Übersetzung „Rosch Haschana“ …sollten wir versuchen fröhlich zu sein. normalerweise schon die ganze Ernte (Kopf des Jahres) kommt. geerntet und damit die Existenz für ein Bemerkenswert ist, dass in der Thora Dafür müssen die Ehemänner an die Ge- Jahr gesichert. Das alles gab natürlich ei- dieses Fest eigentlich „Jom haTrua“ (Tag nen Grund zur Freude. des Schofar-Blasens) heißt. Rosch Ha- schenke für ihre Ehefrauen denken und die Auch wenn wir heutzutage keine Fel- schana wurde es von unseren Weisen ge- der mehr haben und keine Ernte ernten, nannt. Damit haben unsere Weisen nicht Süßigkeiten für ihre Kinder vorbereiten. sollten wir trotzdem versuchen fröhlich den Jahresbeginn gemeint, sondern die zu sein. Dafür müssen die Ehemänner viel tieferen Aspekte dieses Feiertages. Und worauf soll sich der Mann selber an die Geschenke für ihre Ehefrauen denken und die Süßigkeiten für ihre Lass G’tt rein! freuen? Auf ein besonders gutes Kinder vorbereiten. Das Rosch Haschana-Fest hat einen his- Und worauf soll sich der Mann selber torischen Ursprung: laut unseren Wei- Essen und Wein. freuen? Auf ein besonders gutes Essen sen wurde die Welt sechs Tage vor dem und Wein. Unsere Weisen sagen, dass 1. Tischrej, also am 25. Elul, von G’tt nate bis zum nächsten „Gerichtstermin“ des Jahres: Sukkot, Schmini Atzeret und es fast ein Gebot ist, am Chol haMoed erschaffen. Und wie der Thora zu ent- ab. Simchat Torah. (Halbfeiertage) jeden Tag etwas Wein nehmen ist, wurde am 6. Tag nach dem Auch diese Jomim Tovim haben ihre zu trinken, denn wie es im Psalm 104:15 Schöpfungsbeginn der erste Mensch Tag der Versöhnung einzigartigen Gebote und Bräuche. geschrieben steht: „Wein erfreut der Adam erschaffen. Auch andere Feste des Monats Tischrej Der Gesetzeskodex „Schulchan Aruch“ Herz des Menschen“. Am gleichen Tag hat er mit seiner Frau haben ihre bedeutungsvolle Besonder- empfiehlt gleich nach dem Ausgang von vom Baum der Erkenntnis gegessen und heiten. Jom Kippur mit dem Bau von der Sukka Wenn Thora zur Freude wird wurde am selben Tag auch gerichtet. Des- Der Jom Kippur, der allgemein als (Laubhütte) zu beginnen. Jedoch erreicht die Simcha ihren Hö- halb ist Rosch Haschana eigentlich der Abschluss von „Aseret Jemej T’schuva“ Damit soll ein Zeichen gesetzt werden: hepunkt erst beim letzten Feiertag: wir Tag des Gerichts (und nicht Jom Kippur, (10 Tage der Umkehr) wahrgenommen wir haben den Jom Kippur nicht „irgend- haben keinen Schofar, keine Laubhütte wie es viele denken). Und jedes Jahr wer- wird, hat eine eigene Geschichte, die mit wie überlebt“, sondern haben aufrichtige und keine „Arbaa Minim“ („Vier Ar- den alle Wesen auf dieser Welt gerichtet: Rosch Haschana nichts zu tun hat. T’schuva (Umkehr) gemacht. Wir wol- ten“) mehr. Alles, was uns noch bleibt, diejenigen, die es verdienen, werden ins Als die Juden, die mit Mosche Rabejnu len nicht zu Facebook oder Instagram ist die Thora. Buch des Lebens eingeschrieben, dieje- aus Ägypten ausgezogen sind, keine 40 übergehen, sondern gleich eine Mitzwa Und wenn es zu den Hakafot am Sim- nigen, die viel gesündigt haben, werden Tage nach dem Thora-Empfang das Gol- erfüllen. Und der Bau der Sukka für das chat Torah kommt, dann spielen bei den gleich ins Buch des Todes eingeschrieben dene Kalb erschaffen haben, war der Zorn kommende Sukkot-Fest ist eine sehr pas- Tänzen die Unterschiede keine Rolle: und bei manchen wartet G’tt noch bis G’ttes sehr groß. Und für Mosche hat es sende Gelegenheit, schließlich sind nur Reiche und Arme, Vorsitzende und ein- Jom Kippur ab. 120 Tage gedauert, um die vollständige noch vier Tage bis zum Sukkot-Anfang fache Mitglieder, Gelehrte und (noch) Warum aber fürchten wir uns nicht vor Sühne für das Volk zu bekommen. Und geblieben. nicht viel Wissende – alle vereinen sich diesem Tag, sondern nehmen ihn sogar der letzte und entscheidende Tag fiel auf Diese Promptheit zeigt auch, dass wir in einem Kreis, um mit der Thora zu tan- als Feiertag? Weil es auch einen anderen den 10. Tischrej! Deshalb hat G’tt diesen eine große Vorfreude für die restlichen zen. wichtigen Aspekt gibt: an diesem Tag Tag für alle Generationen als das Fest der Feiertage empfinden. Dann sind alle in der Liebe zur Thora wird G’tt von uns zum König der Welt Sühne und der Versöhnung gewählt. Man sagt zwar, dass die Vorfreude die vereint und allein das ist schon ein per- erklärt. Denn erst als der Mensch auf der Jedoch wird an diesem Tag nicht alles beste Freude ist, aber das ist in unserem fekter Grund zur Freunde! 40 ZU GUTER LETZT JÜDISCHE RUNDSCHAU Oktober 2016 № 10 (26) ITONENU – die Schülerzeitung der Heinz-Galinski-Schule Zu Besuch bei jüdischen Nachwuchs-Redakteuren

Von Laura Külper ausreden und warten geduldig, bis sie an der Reihe sind. Wenn jemand etwas Die betreuende Erzieherin der Schü- fragt, was sie selber fragen wollten, sind lerzeitung der Heinz-Galinski-Grund- sie nicht eingeschnappt, sondern warten schule, Britta Zickermann-Weisshaar besonders gespannt auf die Antwort, hin und ich stehen vor der Tür eines Klas- und wieder werden andere Kinder sogar senzimmers. Britta klopft und öffnet, flüsternd gelobt, wenn sie eine beson- 15 Augenpaare mustern uns neugie- ders gute Frage stellen. Es geht nicht um rig. Mit einem Lächeln holt Britta ihre Konkurrenz, Bissigkeit oder das „Sich- „Schülerzeitungsreporter“ ab, drei besserdarstellen“, sondern um aufrich- Mädchen springen freudig auf. Sie hät- tiges Interesse, das ist tatsächlich etwas, ten sich extra für heute hübsch gemacht wovon sich viele erwachsene Journalis- und seien ganz aufgeregt, immerhin ten-Kollegen gern mal eine Scheibe ab- hatten sie noch nie Besuch von einer schneiden könnten. Es ist auf jeden Fall Reporterin, erzählt mir Britta flüs- die angenehmste „Pressekonferenz“, die ternd. Wir klopfen noch an ein paar ich jemals erlebt habe. weitere Türen und so langsam wächst Die Schülerzeitung selbst ist vielsei- die Gruppe. Wir suchen unseren Weg tig und sehr liebevoll gestaltet. Die Kin- durch die verschlungenen und wunder- der dürfen ihre Themen selbst wählen, bar gestalteten Flure der Grundschule, egal ob Witze oder Interviews mit der die von oben betrachtet ein Sonnenblu- besten Freundin oder der Lieblingsleh- menmuster ergibt. rerin, kleine Geschichten oder Berich- krank waren. Banane und Apfel haben wird mir erklärt: „Ich hatte Angst, dass es Irgendwann stehen wir vor einer Tür, te von Schulfesten, alles findet seinen zusammen Birne besucht und als Birne dann niemand liest, ich wollte, dass es ein zwei Plakate kündigen an, dass wir uns Platz und die gebührende Anerken- wieder gesund war, haben sie alle zu- richtiger Hit wird, den alle lesen.“ Auch vor dem Redaktionsraum der ITONE- nung. Nun möchte ich von den Kindern sammen Gurke besucht. Dann waren das kommt mir mehr als bekannt vor. Am NU-Schülerzeitung befinden. Drinnen aber selbst ein bisschen mehr wissen, alle irgendwann wieder gesund und ge- Ende stelle ich Britta noch ein paar Fra- gibt es kleine Tischgruppen mit Lap- worüber sie gerade schreiben und wie meinsam in der Schule. gen, unter den aufmerksamen Augen der tops, der Raum ist hell und freundlich. ihnen die Arbeit bei der Zeitung gefällt. restlichen Redaktion. Wir machen eine Vorstellungsrunde, Die anderen Kinder kichern bereits die Kinder sind spürbar aufgeregt, aber JÜDISCHE RUNDSCHAU: Wor- während Maxim erzählt, die Geschich- JR: Was fasziniert dich so an der Ar- sehr konzentriert und aufgeweckt. Die über schreibst du am liebsten? te ist offensichtlich schon bekannt und beit mit der Schülerzeitung? Schülerzeitung der Heinz-Galinski- Ilona: Ich schreibe am liebsten Ge- löst große Heiterkeit aus. Ich gehe weiter Britta: Eigentlich lerne ich die Kin- Grundschule erscheint zweimal jähr- schichten. zum Tisch, an dem mehrere Mädchen zu- der dort anders kennen. Sie sind in lich, einmal im Sommer und einmal im JR: Wie lange bist du schon bei der sammensitzen. Wir unterhalten uns über den Texten anders als in ihrer Persön- Winter. Begeistert zeigen mir die Kin- Zeitung? Stars, die sie am liebsten interviewen lichkeit. Man sieht sie ja meistens nur der verschiedene Ausgaben und erklä- Otis: Also ich bin, glaub ich, seit drei würden. Die Mädchen überlegen: „Pop- tagsüber mal, aber man lernt ihre Inte- ren mir, an welchen Artikeln sie mitge- Jahren schon bei der Zeitung. stars...also zum Beispiel Ariana Grande“ ressen dann ganz anders kennen, zum wirkt haben. JR: Das ist ja schon eine ganze Wei- oder „Synchronsprecher, den Sprecher Beispiel, wenn die Zeitung fertigge- Die Schüler der 4.-6. Klasse haben le. Willst du das später denn weiterma- von Micky Maus. Es interessiert mich stellt werden muss und ich überall noch viele Fragen, kurzerhand einigen wir chen? halt, wie das geht, wenn ein Film zum mal rübergucke. Da kriege ich manch- uns auf zwei Interviewrunden, erst dür- Otis: Ich überlege schon für die Zeit Beispiel in China gedreht wird und dann mal eine richtige Gänsehaut bei dem, fen sie mir Fragen stellen, danach um- danach, aber gerade habe ich noch kei- wird das in Deutsch synchronisiert, dann was die so zusammenstellen. gekehrt. Ich bin tatsächlich überrascht, nen Entschluss gefasst. will man ja wissen, wer das dann spricht.“ wie viel Interesse die Kinder mitbrin- JR: Warum machst du das so gerne? Und worüber sie am liebsten in der Schü- Schnell wird mir klar, dass dieser kur- gen, immer wieder schießt eine Hand Otis: Weil mir generell viel im Kopf lerzeitung schreiben würden? „Wir haben ze Einblick eigentlich nicht ausreicht, in die Höhe, Fragen über Fragen. Ob rumgeht und deshalb möchte ich das zuerst überlegt, etwas über YouTube zu um das Zeitungsprojekt genauer vorzu- ich aufgeregt bin, bevor ich einen Ar- gern in die Zeitung schreiben. schreiben. Dann wollten wir aber lieber stellen. Britta erzählt mir noch viel da- tikel schreibe, ob mir das schwerfällt, JR: Von dir, Maxim, habe ich schon über eine andere App schreiben, aber rüber, wie die Schülerzeitung entstand, worüber ich am liebsten schreibe, wen gehört, dass du gern Geschichten dann habe ich gesagt, wir löschen den was sie an der Arbeit fasziniert und wie ich am liebsten mal interviewen würde schreibst. Worum geht es denn da so? Artikel und schreiben über das iPhone groß jetzt auch die Unterstützung der und ob ich schon irgendwelche Stars Maxim: Um einen Apfel, eine Gurke, 7. Aber dann haben wir es doch gelöscht Schulleitung bei diesem Projekt sei. getroffen hätte. Ein paar Fragen haben eine Banane und eine Birne. und jetzt schreiben wir ein Interview.“ Wir beschließen also, noch einen zwei- sie sich vorher bereits ausgedacht, vie- JR: Klingt ja schon mal spannend, er- Die Schwierigkeit der Themenauswahl ten Artikel zu machen, denn eins habe le kommen aber auch spontan im Ge- zähl mal mehr! ist also auch schon für junge Journalisten ich heute in der Redaktion der ITO- spräch zustande. Anders als ich es aus Maxim: Also, Banane, Birne, Apfel eine Herausforderung und nicht nur für NENU gelernt: Für einen spannenden anderen Klassenräumen kenne, lassen und Gurke waren zusammen in einer uns „alte Hasen“. Als ich frage, warum Artikel braucht man eben manchmal die kleinen Reporter andere Kinder Klasse bis eines Tages Birne und Apfel sie die Artikel immer wieder löschen, einfach mehr Zeit und Platz.

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