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Godeffroystraße Bank. Nach der weltweiten Handelskrise 1857 Blankenese, seit vor 1928, benannt nach Joh. konzentrierte er sich auf das kurz zuvor aufge- Caesar Godeffroy (1813–1885), Reeder, Kauf- nommene Südseegeschäft. Von Apia aus, der mann, Präses der Handelskammer (1845); Hauptstadt Samoas, überzog er fast den ge- Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft samten Südseeraum mit einem Netz aus über (1859–1864). 45 Handelsagenturen und Plantagen, vor al- Siehe auch: Amalie-Dietrich-Stieg lem zur Herstellung von Kopra, getrocknetem Joh. Caesar Godeffroy stammte von Hugenotten Kokosnussfleisch, aus dem Kokosöl gewonnen aus La Rochelle ab, die als Reeder und Kauf- wird. 27 große Segelschiffe, neun davon auf leute durch Handel vor allem mit Westindien der „Godeffroys Werfte Reiherstieg" in Ham- und durch Plantagenbesitz in der ehemali- burg-Wilhelmsburg gebaut, brachten die Wa- gen holländischen Sklavenkolonie Surinam zu ren nach Europa. Damit wurde er zum Wegbe- Reichtum gekommen waren. Godeffroy be- reiter der kolonialen Expansion des Deutschen suchte das Katharineum zu Lübeck, absolvier- Reichs in der Südsee. Dies ging einher mit te eine Kaufmannslehre und trat 1837 in die der Verdrängung der einheimischen kleinen väterliche Firma Joh. Ces. Godeffroy & Sohn Händler, sodass bald wenige Firmen aus Euro- ein. Nach dem Tod des Vaters baute er, unter- pa den Südseeraum beherrschten. stützt durch Familienmitglieder vor Ort, den Außer für den Handel interessierte sich Handel mit Süd- und Mittelamerika, Austra- Godeffroy für die Naturwissenschaft und wies lien, Indien und Südafrika aus, beteiligte seine Kapitäne an, so viele Naturobjekte wie sich am lukrativen Transport goldsuchender möglich von ihren Fahrten mit nach Auswanderer nach Australien und Kalifor- zu bringen. 1860 beauftragte er den Zoolo- nien. Zügig verwandelte er die Firma in ein gen Eduard Graeffe, mit dem Material ein weltweit agierendes Handelsimperium. Wahr- naturwissenschaftlich-ethnografisches Muse- zeichen des Wohlstands der Familie war das um aufzubauen, das „ Godeffroy“. Es prunkvolle weiße Landhaus an der Elbchaus- wurde eines der größten naturkundlichen Pri- see 499, das sein Großvater Cesar IV. Godef- vatmuseen weltweit. Um seine Sammlungen froy 1789 inmitten eines Parks in Dockenhu- stetig zu erweitern, sandte Godeffroy zwanzig den bei Blankenese hatte errichten lassen. Er Jahre lang Forscher in die Südsee und nach selbst ließ dort ein Hirschgehege anlegen, das Australien, unter ihnen als einzige Frau die dem Park seinen heutigen Namen gab. Naturforscherin (siehe: Ama- 1845 wurde er zum Präses der Handels- lie-Dietrich-Stieg). Von 1863 bis 1873 sammelte kammer Hamburg gewählt, 1846 zählte er zu sie in seinem Auftrag im Küstengebiet von den Gründern des Elbkupferwerks, aus dem Queensland allerdings nicht nur botanische die Norddeutsche Affinerie hervorging (heute Objekte. Sie war auch angehalten, menschli- Aurubis). Dort wurde aus den Erzen, die mit che Überreste von Verstorbenen – Schädel, Schiffen der Firma Godeffroy aus Chile und Skelette, Haut – mitzunehmen. Mit Nachdruck Australien kamen, Kupfer gewonnen. 1856 ge- schrieb Godeffroy ihr am 20. Januar 1865: hörte er zu den Gründern der Norddeutschen „Wir (...) möchten Sie nochmals bitten, nicht

Quellen: Zugriff 30.12.2014); Golf Dornseif: Kopfjäger und Grabräuber im Käthe Molsen: Godeffroy, Johann Deutsche Handelsherren in der vor- Kolonialdienst der Wissenschaften, Cäsar, in: Neue Deutsche Biogra- kolonialen Südsee, PDF-Download PDF-Download von: www.golf-dorn- phie 6 (1964), S. 494f., Onlinefas- von: www.golf-dornseif.de/artikel/ seif.de/artikel/Schutzgebiete_all- sung, URL: www.deutsche-biogra- Pazifische_Inselgebiete (letzter gemein (letzter Zugriff 30.12.2014); phie.de/pnd116695617.html (letzter Zugriff 30.12.2014); Golf Dornseif: Paul Turnbull: Ancestors, not 30 | Biographien von A bis Z

nur Skelette von dort vorkommenden großen eine Finanzhilfe ab, dann der Reichstag. Ende Säugetieren, sondern auch möglichst Skelette 1879 stellte die Firma Godeffroy ihre Zahlun- und Schädel von den Eingeborenen sowie auch gen ein, 1913 wurde sie aus dem Handelsre- deren Waffen und Geräte zu senden. Diese Sa- gister gelöscht. Das Stammhaus und das Mu- chen sind sehr wichtig für die Völkerkunde.“ seumsgebäude am Alten Wandrahm mussten Die Völkerkunde jener Zeit war von Charles um 1885 dem Bau der Speicherstadt weichen. Darwins rassistischer Abstammungstheorie Die Museumsbestände wurden verkauft: Die beeinflusst. Sie wollte durch anthropologi- ethnografisch-anthropologische Schausamm- sche Untersuchungen die vermeintliche Über- lung erwarb das Museum für Völkerkunde zu legenheit des weißen Mannes beweisen und Leipzig, die Herbarien übernahm das damals verlangte dazu große Mengen menschlichen gerade neu gegründete Naturhistorische Mu- „Materials“ aus außereuropäischen Ländern. seum in Hamburg. Während des II. Weltkriegs So bot Godeffroy alles, was er nicht für seine wurden beide Bestände zerstört. Doch durch eigenen Sammlungen brauchte, per Katalog Godeffroys weit verbreiteten Kataloghandel anderen Museen und universitären Instituten finden sich in vielen naturwissenschaftlichen zum Kauf an. Ein einträgliches Geschäft: Ein und ethnologischen Museen noch heute Ob- Schädel aus Rockhampton, Australien, etwa jekte aus seinen Beständen. Nur sehr zögerlich kostete 600 Silbergroschen. Zu seinen Kun- haben deutsche Museen mittlerweile begon- den zählten von der Berliner nen, die Herkunft der menschlichen Überreste Charité und der Direktor des Berliner Natur- in ihren Sammlungen zu erforschen – mit dem kundemuseums Wilhelm Peters. Mindestens Ziel, den Aborigines die Gebeine ihrer Vorfah- acht Skelette von Aborigines, von denen zwei ren zurückzugeben, damit diese in Würde be- namentlich bekannt waren, einen Schädel und erdigt werden können. eine präparierte Haut schickte Amalie Dietrich Text: Frauke Steinhäuser aus Australien an das Museum Godeffroy. Bei ihrer unermüdlichen Suche scheute sie auch nicht davor zurück, Gräber zu plündern. Hart- näckig hält sich das Gerücht in der indigenen Bevölkerung, das die „Angel of Black Death“ Genannte sogar die Tötung eines Mannes an- geordnet hätte, um an sein Skelett heranzu- kommen. 1878 geriet die Firma Joh. Ces. Godeffroy & Sohn in existenzielle Schwierigkeiten. Ur- sachen waren spekulative globale Geschäfte und eine dünne Kapitaldecke. Da half auch Bismarcks Intervention nicht mehr, die Unter- stützung der Firma sei eine nationale Pflicht. Erst lehnte die hamburgische Kaufmannselite

Specimens. Reflections on the 1997, www.jcu.edu.au/aff/history/ schweig, 1976, auf: www.hahn-god- Controversy over the Remains of articles/turnbull.htm (letzter Zugriff effroy.de/15.html (letzter Zugriff Aboriginal People in European 30.12.2014); Hugenotten in Ham- 30.12.2014); Matthias Glaubrecht: Scientific Collections Department burg, Stade, Altona. Tagungsschrift Der Schatz des Herrn Godeffroy, in: of History and Politics, James Cook zum Deutschen Hugenottentag Die Zeit, Nr. 34/2013 vom 23. August University of North Queensland, Hamburg, 23.–26. April 1976, Braun- 2013, www.zeit.de/2013/34/godeff- 31 | Biographien von A bis Z

roy-naturaliensammlung-naturkun- Frage der deutschen Handelsinter- Scheps: Das verkaufte Museum. demuseum-hamburg (letzter Zugriff essen in der Südsee, in: Zeitschrift Die Südsee-Unternehmungen des 30.12.2014); Matthias Glaubrecht: des Vereins für Hamburgische Ge- Handelshauses Joh. Ces. Godeffoy & Der Beutezug, in: Geo, 03 (2011), schichte, Band 81 (1995), S. 129–155; Sohn, Hamburg, und die Samm- S. 118–131; Matthias Glaubrecht: Als Helene Kranz (Hrsg.): Das Museum lungen „Museum Godeffroy“, Kel- Sammlerin in Australien. Das dunkle Godeffroy 1861–1881. Naturkunde tern-Weiler, 2005, Abhandlungen d. Geheimnis der Amalie Dietrich, und Ethnographie der Südsee, Aus- Naturwissen-schaftlichen Vereins in in: Der Tagesspiegel, 23.6.2013; st.- Kat., Hamburg, 2005; Journal Hamburg (NF) 40; Hermann Kellen- Deutsches Kolonial-Lexikon, hrsg. des Museum Godeffroy, Bd 3, Heft benz: Deutsche Plantagenbesitzer v. Heinrich Schnee, Leipzig 1920, 10, www.biodiversitylibrary.org/ und Kaufleute in Surinam vom Ende Band I, S. 300f.; Emil Krauß: Deut- item/151126#page/7/mode/1up des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhun- sche Handels- und Plantagen-Ge- (letzter Zugriff 30.12.2014); Richard derts, in: Jahrbuch für Geschichte sellschaft der Südsee-Inseln zu Hertz: Das Hamburger Seehan- von Staat, Wirtschaft und Gesell- Hamburg, www.ub.bildarchiv-dkg. delshaus J.C. Godeffroy und Sohn. schaft in Lateinamerika, 3 (1966); uni-frankfurt.de/Bildprojekt/ 1766–1879, Veröffentlichungen Gabriele Hoffmann: Das Haus an der Lexikon/php/suche_db.php?such- des Vereins für Hamburgische Ge- Elbchaussee. Die Geschichte einer name=Deutsche_Handels-_und_ schichte, Bd IV, Hamburg, 1922; Kurt Reederfamilie, 8. Aufl., München, Plantagen-Gesellschaft (letzter Zu- Schmack: J. C. Godeffroy &Sohn. 2000; Mordakte Museum, Terra-X, griff 30.12.2014); Ales Skivan: Das Kaufleute zu Hamburg, Leistung u. ZDF, www.zdf.de/terra-x/angel-of- hamburgische Handelshaus Johann Schicksal eines Welthandelshau- black-death-5413172.html (letzter Caesar Godeffroy & Sohn und die ses, Hamburg, 193, S. 282 f.; Birgit Zugriff 30.12.2014)

Das Eheleben Cesar Godeffroy‘s lassener wird, auch weitschreifiger, wird Ces- Cesar Godeffroy war verheiratet mit Emily, ar schneller und härter.“2 geb. Hanbury (1815–1894). Dazu schreibt die Über das Leben der Frauen aus den groß- Historikerin Gabriele Hoffmann: „Er hat sich bürgerlichen Hamburger Kreisen der dama- in die Frau verliebt, die seine Eltern für pas- ligen Zeit schreibt Gabriele Hoffmann: „Die send halten, und auch Emily hat sich so ver- Öffentlichkeit ehrt Frauen, die wie Emily liebt, wie ihre Eltern, der Kaufmann und eng- Godeffroy née Hanbury Ansehen und Würde lische Geschäftsträger Frederik Hanbury und ihrer Familie und Firma vertreten. Man grüßt seine Frau Anna, es sich nicht besser wün- höflich, wenn sie in ihren Equipagen durch schen könnten.“1 Das Paar bekam fünf Kin- die Straßen fahren. (…) Emmy, ihre Freundin- der. Cesar Godeffroys Part am Familienleben: nen und die Töchter gehen zu Vorträgen und „Im Herbst geht Cesar auf die Jagd – ‚mehr Konzerten, besuchen Theater, Kostümfeste, wie ich es eigentlich mit dem Familienleben Bälle. Sie besitzen Kleider aus feingestreiftem verträglich finde‘, meint seine Mutter. Cesar Taft, aus mattschimmerndem Atlas, aus da- entzieht sich seiner Frau. Ihr Alltag dreht sich maszierter Seide. (…) Die Damen sind kostbar in altgewohnten Bahnen, um Kinder und Klei- gekleidet, doch die Gespräche mit ihnen sind der. Sein Leben wird immer ereignisreicher, er für Männer oft langweilig. (…) Kriegszeiten ist angespannt und kann sich schwer auf das sind für Damen große Zeiten. Sie dürfen ihr freundlich-gleiche Leben mit kleinen Kindern Organisationstalent entfalten und mit wichti- umstellen. Während Emmy geduldiger und ge- gen Herren der Stadt verhandeln. Damen aus

Quellen: 1 Gabriele Hoffmann: Das Haus an der Elbchaussee. Die Godeffroys – Aufstieg und Niedergang einer Dynastie. Hamburg 1998, S. 78. 2 G. Hoffmann, a.a.O., S. 89. 32 | Biographien von A bis Z

mehreren Hilfsvereinen wollen einen elegan- men „die Gläubiger Schröder, Gossler, Boten, ten Basar veranstalten und Herr Streits stellt Adolph Woermann (siehe: Woermannstieg und den Eßsaal seines Hotels am Jungfernstieg zur Woermannsweg) und Etatsrat Donner (siehe: Verfügung. Vierzehn Tische reichen kaum für Donnerstraße) den Park [des Godeffroyschen alle Spenden. In der Mitte des Saals sind die Anwesens an der Elbchaussee] gegen Forde- Handarbeiten der Damen der herzoglichen Fa- rungen an die Firma Godeffroy. Sie schließen milie ausgestellt. Die Herren überbieten sich einen Vertrag mit Cesar: Er und Emmy dürfen bei der Versteigerung. (…). Dann ist der Krieg noch zehn Jahre dort bleiben. (…) Cesar und vorbei, und die Damen und ihre Töchter fallen Emmy leben von der Rente aus Emmys Kapital, in den alten beschäftigten Müßiggang zurück. das ihr erhalten geblieben ist, und Einkünften Pauline Ruperti geb. Merck, H. J. Merck & Co., aus etwas Grundbesitz, den Cesar ihr einmal [siehe: Ernst-Merck-Brücke und Ernst-Merck-Straße] geschenkt hat. (…).“4 Nach dem Tod Cesar seufste einmal: ‚Ach, daß der liebe Gott uns so Godeffroys im Jahre 1885, blieb die 70-jährige viel irdische Güter gegeben hat, daß mir alles Emmy „im Landhaus an der Elbchaussee. Die abgenommen wird und ich selbst zu wenig zu verblüffte Familie erlebte, wie sie scheinbar tun habe – ich wäre gewiß glücklicher, wenn jünger wurde, staunte über ihre Rüstigkeit. Sie wir weniger hätten!‘“3 hielt Haus und Park für ihre Enkel.“4 Später, Als die Geschäfte schlechter liefen, muss- im Alter von 76 Jahren, verkaufte sie das Haus te Emmy Godeffroy mit einem Viertel des von und den Park und zog mit ihrer Jungfer in eine ihrem Gatten bisher „bewilligten“ Haushalts- Wohnung an der Heimhuderstraße 84, zwei geldes auskommen. Jahre später in die Magdalenenstraße. Nachdem Cesar Godeffroy 1879 mit sei- ner Firma Konkurs gemacht hatte, übernah-

3 G. Hoffmann, a.a.O., S. 264ff. 4 G. Hoffmann, a.a.O., S. 418 und 420.