GIUSEPPE VERDI STIFFELIO Giuseppe Verdi: Stiffelio
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II GIUSEPPE VERDI STIFFELIO Giuseppe Verdi: Stiffelio Ein Blick ins Archivio Storico Ricordi 1 Grußwort Für ein internationales Medienunternehmen der italienischen Oper waren für uns mehr als wie Bertelsmann bilden die Ideen und die Kre- Grund genug, die vielen Tausend Partituren, ativität unserer Künstler, Autoren und Jour- Libretti, Briefe und Fotografien zu sichern nalisten das Herz unserer Wertschöpfung. und für die Nachwelt zu bewahren. Das Sie sind es, die unsere Angebote perma- Verdi-Jahr 2013 bildete für uns den Auftakt, nent neu erfinden, indem sie jeden Tag aufs die Dokumente aus dem Archivio Storico Neue Geschichten erzählen, die informieren, Ricordi in neuer Form zu präsentieren und für unterhalten und inspirieren. alle zugänglich zu machen; sei es im Rahmen In dieser Broschüre erzählen wir Ihnen von internationalen Ausstellungen, in Form die Geschichte eines musikalischen Meister- von Publikationen oder per digitaler Erfas- werks, das — von der politischen Zensur sei- sung der Exponate. Mehr noch: Seit einigen ner Zeit verschmäht — erst einhundert Jahre Jahren engagieren wir uns verstärkt in wei- nach seiner Entstehung erneut aufgeführt teren kulturhistorischen Bereichen. So hat werden konnte: Giuseppe Verdis Stiffelio. Bertelsmann die digitale Restaurierung der Wir erzählen Ihnen die Geschichte von der Stummfilmklassiker „Das Cabinet des Dr. faszinierenden Rekonstruktion einer der be- Caligari“ (Robert Wiene) und „Der müde deutendsten Opern des 19. Jahrhunderts; Tod“ (Fritz Lang) maßgeblich gefördert und und wir möchten damit die Geschichte des so ein Zeichen für den Erhalt des Filmerbes im Ricordi-Archivs erzählen, in dem sich noch digitalen Medienzeitalter gesetzt. heute Teile der Stiffelio-Partitur befinden. Auch in den kommenden Jahren werden Wie Verdi ist auch Ricordi ein Name von wir die digitale Zukunft der Medien mit- großem Klang — in Italien, in der gesamten gestalten. Parallel werden wir weiter daran Musikwelt, aber auch bei Bertelsmann. Das arbeiten, die Geschichte der Medien für Mailänder Archivio Storico Ricordi, das den künftige Generationen zu erhalten und sie Aufstieg des Musikverlags Casa Ricordi möglichst vielen Menschen zugänglich zu nahezu lückenlos dokumentiert und uns machen. In diesem Sinne freue ich mich sehr heute einzigartige Einblicke in die Welt der über Ihr Interesse und wünsche Ihnen viel Oper erlaubt, gilt als die bedeutendste Spaß bei der Lektüre! Sammlung zur italienischen Operngeschich- te in privater Hand. Bertelsmann hatte die Casa Ricordi 1994 Thomas Rabe erworben, sich später aber wieder weitge- Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann hend von dem Unternehmen getrennt. Das zugehörige Archivio Storico Ricordi verblieb indes bewusst im Konzern. Der außerge- wöhnliche Umfang der Sammlung und ihre herausragende Bedeutung für die Geschichte 3 Stiffelio: Ein Opfer der politischen und religiösen Zensur David Lawton Bis zum Jahr 1968 war Verdis sechzehnte Inszenierungen folgten. 1985 wurde ein drit- Oper Stiffelio (1850) seine am wenigsten tes Partiturmanuskript in Wien entdeckt und bekannte und am seltensten aufgeführte – für eine Inszenierung im Teatro La Fenice in und dies aus gutem Grund. Seit der Erstauf- Venedig verwendet. Wissenschaftliche Kon- führung der Oper 1850 in Triest und den ferenzen, die im Zusammenhang mit den darauffolgenden Inszenierungen in weiteren Inszenierungen in Parma und Venedig statt- italienischen Opernhäusern stieß das Libret- fanden, führten zur Veröffentlichung von to auf anhaltende Schwierigkeiten mit der zwei Monografien, die ein besseres Verständ- politischen und religiösen Zensur. Diese Hin- nis und eine höhere Wertschätzung für diese dernisse bei der Verbreitung seines Werkes vernachlässigte Oper nach sich zogen.a frustrierten Verdi zutiefst. In einem Brief vom Jedoch waren alle dieser drei vollständigen 17. Februar 1856 bat er seinen Verleger Ricor- Partiturmanuskripte problematisch. In der Ne- di, weitere Aufführungen zu verbieten und apel-Partitur fehlten ganze Passagen, und die den Verkauf des Klavierauszugs einzustellen, Wiener Partitur enthielt zahlreiche Fehler. Um da er ihn mit einem neuen Libretto überar- eine kritische Ausgabe von Stiffelio ausarbeiten beiten wolle. zu können, war das Studium von Verdis vollstän- Die Klavierauszüge der Oper hatten in diger autografer Partitur unbedingt erforderlich. italienischen Bibliotheken überlebt; jedoch Die Hälfte davon war im Archivio Storico Ricordi wurden sämtliche vollständige Partituren als Bestandteil der Aroldo-Partitur noch vorhan- und Aufführungsunterlagen aus den Ricordi den, da Verdi seinerzeit nicht alle Teile der Oper Leiharchiven während der Bombardierungen überarbeiten musste. Mailands durch die Alliierten im August 1943 1 — Vollständige autografe zerstört. Ein noch größeres Problem für die Partitur von Aroldo mit dem Rekonstruktion einer Aufführungsfassung Titel „Sinfonia“ in Verdis Handschrift oben auf der der Oper war, dass Verdi Teile der autografen Seite. Die Worte „Stiffelio“ Stiffelio-Partitur bei seiner Überarbeitung des und „M.o Verdi“ rechts sind in der Handschrift eines Werks zu Aroldo entfernte; diese galten als unbekannten Kopisten aus verloren. dem Ricordi-Verlag ge- schrieben. Dies war ursprüng- Die Entdeckung zweier vollständiger Parti- lich die erste Seite der turmanuskripte in Neapel — eines von Stiffelio, vollständigen autografen Partitur von Stiffelio. Verdi und das andere von der durch die Zensur ver- behielt die Sinfonia für stümmelten Version mit dem neuen Titel Aroldo bei und veränderte sie nur leicht. Eine seiner Guglielmo Wellingrode — führten 1968 zur Überarbeitungen für Aroldo ersten Neuinszenierung der Oper seit 1855 im ist auf dieser Seite zu sehen: Er strich den vierten Takt, Teatro Regio in Parma. Das Werk wurde ins- in dem ursprünglich nur die besondere für seine dramatische Kraft mit Flöte und Oboe spielten. Ebenso löschte er ihre Parti- 1 begeisterter Kritik aufgenommen. Weitere en im vorangehenden Takt. 4 5 Verdi entfernte jedoch in der Stiffelio- hin auch immer man die Handlung versetzen Urschrift Seiten mit von ihm nicht länger mag, man muss ihn immer zum Lutheraner gewünschten Passagen, um so für die neue und Anführer einer Sekte machen“. Musik in Aroldo Platz zu schaffen; über den Der letzte Satz zeigt, wie deutlich Verdi Verbleib dieser Seiten war nichts bekannt. den zentralen dramatischen Konflikt des 1992 fand sie die Familie Carrara-Verdi im Stücks verstanden hatte, und wie wichtig das Archiv der Villa Verdi in St. Agata und stellte für sein dramatisches und musikalisches sie für die kritische Ausgabe zur Verfügung. Konzept war. Endlich wurde es möglich, eine vollstän- Das Stück spielt im neunzehnten Jahr- dige Partitur der Oper in Verdis ursprüng- hundert in der Nähe von Salzburg und han- licher Fassung zu erstellen. Kathleen Han- delt von Stiffelio, einem verheirateten protes- sells kritische Ausgabe von Stiffelio wurde in tantischen Prediger und Anführer der Sekte der Metropolitan Opera in New York City am der Ahasverianer, und seiner Frau Lina, die 21. Oktober 1993 uraufgeführt und danach ihn mit Raffaele, der sich als Graf ausgibt, gemeinsam von der University of Chicago betrogen hat. Der zeitgenössische Hand- Press und Casa Ricordi 2003 in The Works of lungsraum — der Verdis Bedenken hinsichtlich Giuseppe Verdi, Reihe I, Band 16 veröffentlicht.b der Chorkostüme auslöste — schien dem Komponisten von untergeordneter Bedeu- Das Libretto von Stiffelio basiert auf tung; wegen des starken inneren Konflikts einem französischen Theaterstück von Émi- zwischen Stiffelios Pflichten als Pastor und le Souvestre und Eugène Bourgeois mit dem der rasenden Eifersucht durch die Untreue Titel Le pasteur, ou L’Évangile et le foyer, das seiner Frau, der den Kern der Handlung bil- 2 1849 in Paris aufgeführt wurde. Verdis Li- det, war es jedoch enorm wichtig, dass die 2— Brief von Verdi an Giovanni 3— Plakat für die Premiere von 4— Vertragsformular, datiert brettist Francesco Maria Piave, der eine Ko- Hauptfigur in Form eines protestantischen Ricordi, datiert Busseto, Stiffelio im Grande Teatro Venedig, 6. September 1857, 25. Juni 1850, in dem der Civico di Trieste am 16. No- in dem Piave die Rechte an pie von Gaetano Vestris italienischer Über- Pastors und Sektenführers erhalten blieb. Komponist der Uraufführung vember 1850, das dem Kom- seinem Libretto für Aroldo setzung (Stifellius! Dramma in cinque atti e Letztendlich bewahrten Verdi und Piave den seiner neuen Oper Stiffelio, ponisten die musikalische auf Verdi überträgt und der die er gerade für Ricordi Leitung und Inszenierung zu- Übertragung von Verdis sei quadri, Mailand, 1848) besaß, schlug zeitgenössischen Schauplatz und das Wesen komponiert, in der Herbst- schreibt. Der erhalten ge- Eigentumsrechten an Tito Verdi das Stück als möglichen Stoff für die der Rolle des Protagonisten. saison in Triest zustimmt. bliebene Schriftverkehr zeigt, Ricordi zustimmt. Piave und Der Brief beinhaltet seine dass der Librettist Piave wäh- zwei Zeugen unterzeichne- Oper vor, die dieser für die Herbstsaison 1850 Probleme mit der Zensur traten erst auf, Überlegungen zur Eignung rend der Proben auch die ten das Dokument. für Ricordi komponieren sollte. Verdi antwor- als die Proben für die Premiere in Triest der für diese Saison an- Rolle des Regisseurs übernom- gestellten Besetzung für die men hatte. Er hatte um zu- tete: „Ich kenne Stifelius [sic] nicht, schicke bereits weit fortgeschritten waren. Die Ver- Hauptrollen seiner neuen sätzliche Bezahlung für diesen mir eine Zusammenfassung“. Am 8. Mai 1850 waltung