Arnold F. Rusch AJP/PJA 5/2017

Fastlove, Outside!

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seinem Plattenlabel Sony hin. Was ist nen Wurzeln mehrfach bestätigt. Es sei passiert? rechtsmissbräuchlich, die Nichtigkeit, kam 1989 mit sei- die der Richter indes explizit verneinte, nem Image und der Vermarktung durch jetzt vorzubringen. Die Vertragsdauer Sony nicht mehr zurecht. Die Fans soll- erstaunt allerdings schon ein bisschen: ten ihn als seriösen, erwachsenen Künst- Langjährige Verträge mit jungen Künst- ler sehen: «For the first time in my care- lern mag man mit dem Interesse erklä- er, my objective was actually to narrow ren, die Investitionen der Aufbauphase my audience to some degree. […]. How- wieder hereinzuholen. Den fünfzehnjäh- ever, I was aware that my promotion of rigen Ergänzungsvertrag schlossen die ‹Faith› […] had further established my Parteien aber im Jahre 1988, als Michael public image as a young man with a pri- bereits auf viele Erfolge zurückblicken marily young female audience and that konnte.3 Einzuräumen bleibt, dass er this perception was likely to dissuade sich selbst in diesem Punkt seiner Karri- a more adult audience from listening ere darauf eingelassen hatte. to it objectively. Therefore, I decided Arnold F. Rusch* to remove my physical image from the marketing and promotion of my re- cords, […] hoping that in the long term I could reach an audience with whom I was comfortable.»1 Als Frauenschwarm Der vor wenigen Monaten verstorbene besang er in den Hits , Künstler George Michael kämpfte wie Everything she wants, Faith und Father viele seiner Genossen mit dem Platten- Figure stets detailverliebt und erfolg- label, aber auch mit der Trauer und der reich die Freuden und Herausforderun- Polizei. In den Videos und Texten zu den gen heterosexueller Beziehungen. Wenn Liedern «» und «Outside» er- er sich jetzt plötzlich in keinem Video kennt der aufmerksame Zuschauer meh- mehr zeigen wollte, wird klar, dass Sony rere juristische Auseinandersetzungen über diesen Wunsch keine grosse Freude im Leben des faszinierenden Sängers. verspürte. Michael warf Sony nebst anderen Nach dem Tod von George Michael hör- Vertragsverletzungen vor, seine neuen te ich mir oft dessen Lieder im Rahmen Alben aufgrund seines Sinneswandels eines privaten youtube-Requiems an. nicht mehr mit voller Energie zu ver- Das Video zum besonders reizvollen markten, und klagte im Februar 1992.2 Lied Fastlove hat mich dabei enorm Er erachtete den Vertrag über 15 Jahre Abb.: Da war er noch ein heterosexueller fasziniert: Michael sitzt in einem Fau- und acht Alben als nichtig, weil er einen Frauenschwarm: George Michael während 4 teuil und bedient eine futuristische vir- restraint of trade bewirke. Dies würde der Faith-Tour (1988) tual reality-Fernbedienung. Er zappt in der Schweiz als übermässige Bindung sich durch eine Auswahl möglicher im Sinne von Art. 27 Abs. 2 ZGB erfasst. Der Streit mit Sony zog sich über das Liebhaber: Es sind Männer, Frauen und Der Richter fegte 1994 die Vorbringen Urteil hinaus bis 1995 hin, als Virgin Kunstfiguren, die auf Knopfdruck lasziv jedoch allesamt vom Tisch: George­ Records und DreamWorks ihn auskauf- vor ihm tanzen. Wer genau hinsieht, er- ­Michael habe den Vertrag, der noch aus ten und einen neuen Vertrag schlos- kennt auf dem Kopfhörer eines Tänzers Wham!-Zeiten stammte, mehrfach er- sen. Die FONY-Sequenz in Fastlove den Schriftzug von Sony – doch halt, da gänzt und nach Auseinandersetzungen im Jahre 1996 war also ein Foul nach steht nicht Sony, sondern FONY drauf! neu verhandelt, gestützt darauf Vor- dem Schlusspfiff. Das Lied hat ansons- Dieses product placement, auf das Sony schüsse verlangt und damit auch in sei- ten nichts mit Sony zu tun. Michael sicher gerne verzichtet hätte, weist auf den Streit zwischen George Michael und 3 Dieser Gedanke bei Alan Coulthard, Geor- 1 Panayiotou and others v. En- ge Michael v Sony Music – A Challenge­ to tertainment (UK) Ltd, Chancery Division, Artistic Freedom? The Modern Law Re- The Independent, 24 June 1994, A 100 und view, Vol. 58, September 1995, 731 ff., 741. * Arnold F. Rusch, Prof. Dr. iur., LL.M., B 65. 4 Bildquelle: Special Collections, University Rechtsanwalt, Universität Freiburg i. Ue. 2 Panayiotou v. Sony (FN 1), A 137 f. of Houston Libraries. Zu guter Letzt/En fin de compte AJP/PJA 5/2017

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singt darin vielmehr von seiner Lust auf wird im Porno-Stil von einer schwe- sind. Das Gesetz schützt Polizisten vor schnellen und anonymen Sex, um die disch aussehenden Blondine verführt, Klagen, weil sie sonst nicht beherzt han- Trauer über den Tod seines Freundes die sich kurz vor dem Kuss in eine alte deln und viel Zeit vor Gericht vertrö- Anselmo Feleppa zu bewältigen: «Had Polizistin verwandelt. deln. Mit der gleichen Begründung soll- some bad luck/so fastlove is all that I’ve Die juristische Auseinandersetzung te man die Klagen der Polizisten gegen got on my mind […]. I miss my baby, oh drehte sich um die Frage, ob Michaels Bürger nicht zulassen, weil dies ebenso yeah/so why don’t we make a little room Äusserungen über den Polizisten als viel Zeit frisst und bei den Bürgern wie in my BMW babe/searching for some Meinungen und Werturteile durchgin- ein Maulkorb wirkt. Es wäre deshalb peace of mind/hey, I’ll help you find it.» gen oder schon Tatsachen enthielten, die richtig gewesen, Michaels private Ver- Seinem verstorbenen Freund hat er das vom Tatbestand der Persönlichkeitsver- teidigung als Meinung durchgehen zu ganze Album gewidmet, doch fiel das letzung oder Verleumdung erfasst sind.7 lassen,12 doch endete der Prozess nach damals praktisch niemandem auf. Die Tatsachenqualität der sehr konkre- der Rückweisung aufgrund einer For- Die reale Suche nach ganz besonders ten Vorwürfe liess sich ernsthaft kaum malität ohnehin. schneller Liebe führte George Michael bestreiten.8 Michael stützte sich auch Das Zwangsouting hatte schliesslich im Jahre 1998 in eine öffentliche Her- vergebens auf das kalifornische litiga- auch sein Gutes, denn dadurch erhielt rentoilette in Beverly Hills. Dort wartete tion privilege für Aussagen im Rahmen George Michael das ersehnte authen- allerdings nicht ein Liebhaber, sondern eines Prozesses: Seine Aussagen in den tische Image. Davon singt er im Lied, ein Polizist auf ihn. Die Festnahme und Medien erfolgten erst nach Beendigung das folgerichtig Freedom heisst: «I think Anklage wegen lewd or dissolute con- des Verfahrens. Vor dem Strafrichter there’s something you should know/I duct führte zum öffentlichen Outing des akzeptierte er alle Vorwürfe ohne jede think it’s time I told you so/There’s so- Künstlers. Als Strafe musste er nebst Einschränkung.9 Zuerst staunte ich über mething deep inside of me/There’s some- einer Busse 80 Stunden gemeinnützige dieses Privileg und glaubte sofort an one else I’ve got to be!» Arbeit leisten und sich einer psychologi- einen Freibrief für alle möglichen Ak- schen Behandlung unterziehen.5 tionen im Rahmen einer grassierenden ­Michael verarbeitete das ganze Dra- litigation PR, doch gehören bösartige ma im Lied Outside: «I think I’m done Prozessführung und Prozessführung via with the sofa/I think I’m done with the Medien klar nicht dazu.10 hall/I think I’m done with the kitchen Dieses Privileg existiert auch in der table, baby/Let’s go outside, in the Schweiz: Was man sachbezogen und sunshine/I know you want to, but you nicht wider besseres Wissen vor Gericht can’t say yeah.» Im Video sieht man sagt, ist durch Art. 14 StGB gedeckt. Paare, die draussen Sex haben. Dazu Beim subsidiär anwendbaren Entlas- tanzt Michael in Polizeiuniform zusam- tungsbeweis gemäss Art. 173 Ziff. 2 men mit weiteren Polizistinnen in einer StGB gehen die Gerichte für Prozess- Herrentoilette. aussagen von einem geringeren Sorg- Das Video und seine Auftritte nach faltsmassstab aus.11 Man kann sich in dem Vorfall brachten ihm gleich eine beiden Rechtsordnungen also nicht alles weitere Klage ein, diesmal vom verhaf- erlauben, bloss weil man einen Prozess tenden Polizisten. Michael hatte diesen angestrengt hat. Bei genauer Betrach- in den Medien stets als agent provoca- tung zeigt sich aber, dass Michaels Ver- teur dargestellt: «There’s a man stan- halten im Strafprozess und seine Aus- ding there, six feet two, great-looking, sagen in den Medien zwei Paar Schuhe and waving his dick about and staring at me. At a time like that, you don’t think, ‹There’s Karl Malden›.»6 Karl Malden 7 Zu dieser Abgrenzung in der Schweiz siehe spielte Lt. Stone in The Streets of San BSK ZGB I-Meili, Art. 28 N 43, in: Hein- rich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas Francisco. Das Video zu Outside weist Geiser (Hrsg.), ZGB I, Basler Kommentar, eher diskret auf die Falle hin: Ein Mann 5. A., Basel 2014. 8 Rodriguez v. Panayiotou (FN 5), 987 f. 9 Rodriguez v. Panayiotou (FN 5), 989. 5 Marcelo Rodriguez v. Georgios Kyriacos 10 Vgl. Rothman v. Jackson, 49 Cal. App. 4th Panayiotou, 314 F.3d 979, 982. 1134, 1148 f. 6 Zitat nach Rodriguez v. Panayiotou (FN 5), 11 BGer, 6B_549/2010, 12.11.2010, E. 2.5; 12 Rodriguez v. Panayiotou (FN 5), 990 (dis- 982. BGE 116 IV 205 E. 3b. sent).