Untere Eiseehöhle, Giswil OW

Vers. 1.2 public (18. Dez. 2017, M. Trüssel) SGH-Archiv-Nr. OW3/10 (24481)

Geographische Lage

Eisee/Arnihaaggen, politische Gemeinde: CH-6074 Giswil OW

Koordinaten (ab Orthofoto von Swisstopo, map.geo.admin.ch, 2017, Datenabgleich bei Feldbegehung durch M. Trüssel): CH1903+ ca. 2'648 … / 1'182 … WGS 84 ca. 46.79…, 8.06…

Eingangshöhe (ab Orthofoto von Swisstopo, map.geo.admin.ch, 2017, Datenabgleich bei Feldbegehung durch M. Trüssel): ca. 20.. m ü.M.

Gesamtlänge: ca. 15 m; Höhendifferenz: ca. +2 m (grob geschätzt, M. Trüssel, 28. Sept. 2017, noch nicht vermessen)

Blick aus dem Eingang der Unteren Eiseehöhle mit Blick über Glaubenbielen und weiter zur Randkette im Entlebuch. Alle Fotos: 28. September 2017, M. Trüssel.

Anmarsch

Der Anmarsch erfolgt (ohne Autofahrbewilligung für die Alpstrassen) via (2266 m ü.M. Bergstation), das entweder mit der Dampfeisenbahn von der Berner Seite oder mit der Gondelbahn von der

Höhlenbeschreibung Untere Eiseehöhle – NeKO, © M. Trüssel 1 Entlebucher Seite erreichbar ist. Von dort führt ein Wanderweg bis zum etwa 400 Höhenmeter tiefer liegenden Eisee (1895 m ü.M.) hinunter.

Die detaillierten Koordinaten und die Zugangsbeschreibung befinden sich in den Höhlenarchiven der Stiftung Naturerbe Karst und Höhlen (NeKO), der Höhlenforscher-Gemeinschaft (HGU) und der Schweizerischen Gesellschaft für Höhlenforschung (SGH).

Geografische und orthofotografische Geländeübersicht samt Markierung der Unteren Eiseehöhle. Quelle: https://map.geo.admin.ch, 2017.

Blick vom Eisee-Anstieg über die weiten Geröllhalden zur Nordflanke des Arnihaaggens hinauf samt Eingangssituation der drei bislang bekannten Höhlen.

Höhlenbeschreibung Untere Eiseehöhle – NeKO, © M. Trüssel 2

Forschungsgeschichte

Historisches Die benachbarte Obere Eiseehöhle ist aufgrund von Hinweisen in der Literatur und durch Abbauspuren in dieser Höhle nachweisbar seit langem bekannt. Da die Untere Eiseehöhle ähnlich gut zugänglich und der Höhleneingang ebenso offensichtlich ist, kann davon ausgegangen werden, dass auch diese Höhle bei den Einheimischen bekannt war. Da aber weder Mondmilch noch andere Sinterformen oder andere Mineralien auffindbar waren, blieb sie wohl unerwähnt.

28. September 2017 Martin Trüssel, Stiftung Naturerbe Karst und Höhlen (NeKO) und Höhlenforscher-Gemeinschaft Unterwalden (HGU), , besichtigt die Höhle, nimmt Biologiebeobachtungen vor (Pflanzen und Tiere) und erstellt eine erste Fotodokumentation. Auf der Tagestour nimmt auch Armin Lauber, Einzelmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Höhlenforschung, Wolhusen, teil, jedoch ohne Höhlenbesuch.

Höhlenbeschreibung

Der gross, dreieckige Höhleneingang liegt wenige Meter über dem Felswandfuss. Der recht geräumige Höhlengang zieht sich leicht ansteigend, schräg zur Felswand in den Berg hinein. Auf der rechten Gangseite hat sich entlang eines markanten Bruches eine Bodenspalte gebildet, die etwas seitlich versetzt bis zum Höhlenausgang führt. Die gradlinige Gangfortsetzung wird von einem massiven Blockversturz abrupt beendet.

Der Eingang in die Untere Eiseehöhle befindet sich 4 bis 5 m über dem Felswandfuss. Er ist auf der Ostseite entlang eines Bruchs angelegt.

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Oberhalb des kurzen Felsaufstiegs öffnet sich der geräumige, dreieckig ausgebildete Höhleneingang.

Im Endversturz ist bei Sommerklima kalter Höhlenwind spürbar (siehe Rubrik «Höhlenbewetterung»). Dies ist ein Indiz, dass die Untere Eiseehöhle mit der Oberen Eiseehöhle genetisch verbunden ist. Da die beiden Höhlen noch nicht vermessen sind, ist die Länge des Versturzes zwischen den beiden Höhlen noch nicht bekannt. Es dürfte sich aber höchstens um einige Meter handeln.

Blick vom Höhleninnern in Richtung Ausgang. In der ganzen Unteren Eiseehöhle dominiert durch Frostsprengung verursachter Blockschutt.

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Befahrungseinrichtungen

Der etwa 4 bis 5 m hohe Aufstieg zum Höhleneingang lässt sich im Klufteinschnitt ohne Seil bewältigen. Minimale Kletterkenntnisse sind dafür aber nötig. In der Höhle selbst ist keine Ausrüstung nötig.

Geologie

Gemäss den GeoCover-Vektordaten von Swisstopo (map.geo.admin.ch) befindet sich die Höhle im Drusberg- Member (Tierwis-Formation), wobei die für das Drusberg-Member typischen Kalk-Mergel-Wechsellagerungen in der Felswand fehlen, aber unterhalb des Wandfusses im Bereich der ausgedehnten Geröllhalde typus- entsprechend auftreten.

Das Gestein im Bereich der Höhle hat einen hohen Anteil an Kalk, sodass der Eindruck des Vorhandenseins von «Unterem Schrattenkalk» entsteht. Möglicherweise ist hier noch am östlichen Fuss der Nordflanke des Arnihaaggens im innersten Kern einer Falte, deren äusserer Mantel aus Helvetischem Kieselkalk und einwärts aus dem Drusberg-Member. besteht, noch «Unterer Schrattenkalk» in kleiner Mächtigkeit erhalten geblieben. So konnten sich entlang des Drusberg-Members, das mit den Mergel-Zwischenlagen als Wasserstauer wirkt, in diesem Bereich Karströhren bilden.

Geologischer Schnitt von Norden (links) nach Süden durch das Gebiet Stäfeli, Eisee und Arnihaaggen. Darstellung (inkl. aktualisierter Nomenklatur): M. Trüssel (nach MICHEL, 1921)

Morphologie

In der gesamten Höhle dominiert Frostsprengung, was zu einem entsprechenden kastenförmigen Gangprofil geführt hat. Wenn der Eindruck nicht trügt, ist die Höhle mehrheitlich unter vadosen Bedingungen (frei fliessendes Wasser) entstanden. Eine primäre phreatische Phase (Druckfliessen) ist aber nicht auszuschliessen.

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Das Höhlenende besteht aus einem massiven Blockversturz. Wie weit die unterbrochene Verbindung zur benachbarten Oberen Eiseehöhle ist, konnte noch nicht abgeklärt werden (Stand: Nov. 2017).

Sedimente

Klastische Sedimente: Wenige Schritte vom Höhleneingang bis ans Höhlenende dominiert grosses Blockwerk (Frostsprengung).

Chemische Sedimente: Durch die starke Verwitterung sind allfällig vorhandene Sinterbildungen verschwunden. Am Höhleneingang (bereits dem vollen Tageslicht ausgesetzt) befindet sich unmittelbar an der Abstiegskante zum Felswandfuss noch eine etwa 3 mm dicke Wandsinterlage, die belegt, dass die Höhle vor der Gebirgserosion weitergeführt hat und dass wohl auch im Innern Höhlensinter vorhanden war.

Alte Wandsinterrelikte am Tageslicht durchfluteten Höhleneingang.

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Hydrologie

Die Höhle scheint mehrheitlich trocken zu sein. Nicht auszuschliessen ist ein kleiner Wasserlauf, der bei Regen und Schneeschmelze im tiefen Bodeneinschnitt bis zum Felswandfuss hinausläuft und dort im Lockergestein sogleich versickert.

Höhlenbewetterung

Anlässlich der bislang einzigen Höhlenbegehung per Ende September 2017 bei relativ hohen Aussentemperaturen (Nullgrad auf über 3000 m ü.M.) lässt sich beim Blockversturz ein schwacher, aber trotzdem gut wahrnehmbarer Gegenwind feststellen (abfliessende Kaltluft). Wahrscheinlich besteht eine direkte Verbindung zur benachbarten Oberen Eiseehöhle, deren Eingang am höchsten Punkt dieses - abgesehen vom Blockversturz - durchgängigen Höhlenverlaufs.

Die massive Frostsprengung in der Unteren Eiseehöhle könnte ein Hinweis sein, dass im Winter die kalte Aussenluft von der Oberen Eiseehöhle angesogen wird (Kamineffekt) und deshalb auf den ersten 10 bis 20 m die Wände gefrieren (und im Laufe des Frühjahrs wieder auftauen.

Biologie

Pflanzen: Im sonnenabgewandten, nach Norden ausgerichtete, aber grossen Höhleneingang haben einige Farne und eine Reihe von Moosen ihren Lebensraum gefunden.

Laub- und Lebermoose (Bryophyta und Marchantiophyta): An den Höhlenwänden haben sich grössere Moos-«Bärte» und auf dem z.T. mit Feinsedimenten bedeckten Boden flächige Moospolster gebildet. Aufgrund von Fotos hat der Moosspezialist Markus Meier eine «Fernbestimmung» vorgenommen. Gesichert ist der Nachweis des Brunnen-Lebermooses (Marchantia polymorpha cv. ssp. montivagans). Dazu schreibt er: «Es ist dank den runden Brutkörper-Bechern unverwechselbar.»

Das Brunnen-Lebermoos (Marchantia polymorpha)

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Aufgrund dieses Fotos dürften mindestens zwölf Mossarten auf einer Fläche von rund 20 x 30 cm im Höhleneingang vorhanden sein. Markus Meier hat in den Textblasen die einzelnen (vermuteten) Arten eingetragen (in alphabetischer Reihenfolge): Bryum, Encalypta, Fissidens, Mesoptychia (Leiocolea) collaris, Mnium, Pohlia, Preudoleske(ell)a, Scapania und drei oder vier weitere, aber nicht bestimmbare Arten.

Farne (Polypodiopsida) In einigen Felsspalten gedeiht das Zerbrechliche Blasenfarn (Cystopteris fragilis). Es kommt verbreitet in den Höhenstufen von kollin bis alpin im Kalk in Felsen und im Felsschutt vor.

In den Felsritzen des Höhleneingangs gedeiht das Zerbrechliche Blasenfarn (Cystopteris fragilis).

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Tiere: Zweiflügler (Diptera) Auffallend sind hier das massenhafte Vorhandensein von rund 2 mm grossen Fliegen, wie sie auch in einzelnen Höhlen der Alpenrandkette schon beobachtet worden sind (Fliegenloch am Pilatus, Alpnach, sowie Edisloch und Nachbarloch, beide in der Äbnistetteflue, Hasle LU). Es handelt sich um einen jahreszeitlichen Zyklus dieser Insekten, die ab dem Frühsommer sich rasch vermehren und im Spätherbst wieder sterben. Bei der bislang einzigen Höhlenbesichtigung in der Unteren Eiseehöhle von Ende September 2017 waren alle Individuen bereits tot. Zum Vergleich: In der benachbarten Oberen Eiseehöhle und im ebenfalls nahegelegenen Steinschlagloch konnten keine dieser Insekten festgestellt werden.

Zahlreiche, per Ende September 2017 tote Fliegen an der Höhlenwand, etwa 10 m vom Höhleneingang entfernt. Warum sich diese Insektenart nur in bestimmten Höhlen massenhaft aufhält, ist noch ungeklärt.

Im Edisloch wurden diese kleinen Fliegen vom Entomologen Gerhard Bächli untersucht (Dez. 2017): Seine Bestimmung von in Alkohol konservierten Präparaten hat ergeben, dass es sich bei diesen kleinen Fliegen um Dungfliegen (Aasfliegen) der Familie Sphaeroceridae handelt. Dazu vom Insektenspezialsiten André Mégroz folgende Beschreibung: «Diese Diptera-Familie besteht aus ca. 250 Arten, in Europa ca. 130 Arten. Die Dungfliegen sind klein, unscheinbar und meist dunkel gefärbt. Von allen anderen Zweiflüglern unterscheiden sie sich durch die verkürzten und verbreiterten Basalglieder der Hinterbeine; Flügel bei manchen Arten ganz oder teilweise reduziert. Die Weibchen legen die Eier in faulendes organisches Material; einige Gattungen haben sich auf die Besiedlung des Kots von Haustieren spezialisiert. So besteht ein Viertel aller Insekten in einem Kuhfladen aus Vertretern der Sphaeroceridae, die sich durch dessen Wärme auch im Spätwinter entwickeln können. Häufig ist bei uns die Art Sphaerocera curvipes in Mistbeetkästen; Sphaerocera subsultans kommt in Nestern von Kleinsäugern und Vögeln vor. Arten der Gattung Ceroptera halten sich auf dem Körper von Pillendrehern der Gattung Scarabaeus auf, um ihre Eier an dessen Kotpillen zu legen.»

Archäozoologie

Es konnten keine Tierknochen gefunden werden. Das überrascht nicht, da die Höhle keine Tierfalle ist und für «Felsenkletterer» problemlos erreicht werden kann. Zudem ist die Höhle im Winter für Tierarten mit Winterschlaf oder Winterruhe zu kalt (siehe Rubrik «Höhlenbewetterung»). So sind auch keine Knochenreste von Bär und Co. zu erwarten.

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Literatur

MICHEL, F. (1921): Geologische Karte des Brienzer-Grates, 1:50’000

JOST-STAUFFER, M. (1993): Geologische Untersuchungen im Helvetikum des östlichen Brienzerseegrates. Diplomarbeit. Fachbereichsbibliothek des geologischen Instituts der Universität Bern

SWISSTOPO (2017): Landeskarte 1:25'000, Orthofoto und GeoCover-Vektor-Datensätze, https://map.geo.admin.ch, Wabern

TRÜSSEL, M. (2017): Tourenberichte vom 28. September 2017. In «Tätigkeitsbericht 2017», Alpnach, unpubl.

ZEMP, F., SCHNYDER N., DANNER, E. (2016): Moosflora des Kantons Luzern. Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Luzern, Band 40. Hrsg.: Natur-Museum Luzern und Naturforschende Gesellschaft Luzern.

Dank

– Niklaus Künzle, Oberhelfenschwil, Facebook-Gruppe «Pflanzenbestimmung / Botanik-Gemeinschaft» für die Unterstützung bei der Bestimmung der Farnart.

– Armin Lauber, Einzelmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Höhlenforschung (SGH), Wolhusen, für seine jahreszeitlich ausgelegten Feld- und Fototouren zwischen Brienzer Rothorn und der Karstquelle «Emmensprung» zum Wiederauffinden der Eiseehöhle bzw. des Arnilochs und für seine Recherchen bei alteingesessenen Entlebuchern.

– Markus K. Meier, flora + fauna consult, Zürich, www.flora-fauna.ch, für die Moos-Fotobeurteilung.

– Benno Schwizer, Geologe, Morges, für die geologischen Inputs aufgrund seiner kursorischen Feldbegehungen im Eisee-Gebiet. (Kontaktadresse per Dez. 2017: Benno Schwizer, Les bergers de la Giottaz 24, 1110 Morges, Tel. 079 442 47 87.)

Kontakt

Martin Trüssel, Rosenrain 1, CH-6055 Alpnach, www.neko.ch, www.hgu.ch

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