2015 89. Jahresbericht Alpengarten Milchweisser Mannsschild (Androsace lactea)

Inklusive Blütenstand wird die Art bis 15 cm hoch. Die kahlen, lineal-lanzett- lichen, ganzrandigen Blätter sind in mehreren, locker stehenden Rosetten angeordnet. Die weissen Blüten haben einen gelben Schlund und stehen in einem doldigen Blütenstand. Der Milchweisse Mannsschild blüht im Juni und Juli. Er besiedelt Felsspalten und Felsbänder, seltener auch sehr felsige, steile Rasen in Höhen zwischen 600 und 2000 m. Er kommt ausschliesslich in Kalkge- bieten vor und ist in der Schweiz am häufigsten im Jura zu finden. Fundstellen ausserhalb der Alpen sind als Reliktstandorte der Eiszeit anzusehen. 1

Inhaltsverzeichnis

89. Jahresbericht Das Jahr im Alpengarten 2 Alpengarten Schynige Platte 2015

Redaktion: Forschung 5 Hans Zurbuchen Auswirkungen verschiedener Bewirtschaftungsmethoden Markus Fischer Peter Wenger auf die Pflanzendiversität 5 Verpflanzungsexperiment mit Arten der Gelben Seggen Gestaltung, Litho (Carex flava) 6 und Satz: Der Zottige Klappertopf kann die Diversität bildmodus GmbH 3852 Ringgenbeg in Wiesen erhöhen 7 Publikationsaktivitäten 7 Druck: Sutter Druck AG Exkursionen der Gärtnerinnen 2015 8 Fotos: Sibylle Hunziker Hans Zurbuchen Die Schätze der Alpen 12 Steffen Boch Adrian Möhl Mit Leib und Seele 14 Christine Föhr Nico Heer Jeannine Zurbuchen Jahresrechnung 2015 16 Gartenteam Vorstand und Personal 2015 18 ISSN 1664-6576

Wir begrüssen als neue Mitglieder 19

Wissenswertes über den Alpengarten 20 2

Das Jahr im Alpengarten

Autoren: Wetter, Arbeiten, Ereignisse Steffen Boch Christine Föhr Ein erster Rundgang durch den Alpengarten am 19. Mai ver- Markus Fischer deutlichte, dass der Frühling in diesem Jahr bereits früher als sonst gekommen war: Es lag kaum noch Schnee und die Vegetation war deshalb bereits weit entwickelt. Dieser Trend sollte sich auch im weiteren Verlauf des Jahres fortsetzen. Nachdem die Wege von Schneeresten befreit, altes Pflanzen- material vom Vorjahr weggeräumt und das Haus einem gründlichen Frühjahrsputz unterzogen worden war, öffnete die Saison trotz kurzfristigem Kälteeinbruch (Jahrestiefstwert am 21. Mai mit -3 -4 °C) mit einigen dem Wetter trotzenden englischen und indischen Besuchern.

Am 4. Juni entgleiste eine Lok, weshalb der Zugbetrieb für den Rest des Tages eingestellt werden musste. Die auf der Schynigen Platte festsitzenden Besucher wurden per Bus und Heli ins Tal befördert. Die Temperaturen stiegen seit der Eröffnung täglich und erreichten Anfang Juni bereits die 20-°C-Marke, was den restlichen Schnee schmelzen und viele Pflanzen spriessen liess. Am 7. Juni blühten bereits 62 ver- schiedene Pflanzenarten, darunter besonders viele Kochsche und Frühlings-Enziane. Ebenso konnten viele Arten aus der Anzucht bereits früh im Garten ausgepflanzt werden. Nach ein paar Nebeltagen fand die Jahreshauptversammlung des Alpengartenvereins bei schönem Wetter am 27. Juni in gewohnt guter Stimmung unter freiem Himmel im Garten

Temperaturmaxima und -minima Sommer 2015 Alpengarten Schynige Platte 3

statt. Die folgenden Wochen zeichneten sich vor allem durch Am 30. August spielten Hitze und Trockenheit aus, mit einem Hitzerekord von 28 °C am 40 Alphornbläser auf der 4. Juli. Darunter litten neben den Bahngleisen, die sich wegen Schynige Platte der Hitze sogar leicht verbogen und dadurch den Bahnbetrieb kurzzeitig stoppten, vor allem die frisch ausgepflanzten Arten sowie jene auf Fels und Geröll. Es musste fleissig gegossen werden und die Regenwasserspeicher waren schon bald ge- leert. Viele Pflanzen blühten zudem ausgesprochen kurz und setzten sehr früh Samen an. Einige wärmeliebende Arten profitierten von den hohen Temperaturen, z. B. blühten die Pfingstrose und die Wollköpfige Kratzdistel zum ersten Mal in diesem Sommer.

Auch die wechselwarmen Vertreter erfreuten sich an der Wärme: Neben Aspisvipern in allen Altersklassen und einer Kreuzotter wurde in diesem Jahr auch wieder eine Schling- natter im Garten gesichtet. Positiv wirkte sich dieser Ausnahme­ sommer auch auf die Besucherzahlen aus, welche am 3. August Wollköpfige Kratzdistel mit 2100 Personen in einem Rekordtag für dieses Jahr gipfelten. Cirsium eriophorum Am 30. August kam es noch zu einem eindrucksvollen Spek- takel, als 40 Alphornbläser gleichzeitig spielten. 4

Der September brachte schliesslich wieder kühlere Tempera- turen und auch etwas mehr Niederschläge. Am 23. September fiel auf der Schynigen Platte schon der erste Schnee. Es wurden noch die in dieser Jahreszeit anfallenden Aufgaben wie Mahd, Einsaat der gesammelten Samen und Reparaturarbeiten er- ledigt und der Garten winterfest gemacht. Am 27. Oktober war der letzte Arbeitstag im Alpengarten und alle machten sich auf ins Tal.

Insgesamt blicken wir wieder auf ein erfolgreiches Jahr 2015 zurück. Die Anzahl der Führungen (73) und der an diesen teil- nehmenden Besucher (798) konnte im Vergleich zu den ver- gangenen Jahren weiter gesteigert werden. Einen hohen Anteil an der Gesamtanzahl der Führungen hatten wieder die zahl- Gemeine Pfingstrose reichen japanischen Besucher (28 Führungen mit 352 Personen), (Paeonia officinalis) was den guten internationalen Ruf des Alpengartens unter- streicht. Die Diversität im Garten konnte wieder durch Neu- pflanzungen erhöht und dadurch die Sammlung weiter aus- gebaut werden. Damit dies auch im Jahr 2016 weitergeführt werden kann, wurden 306 Töpfe mit 124 Pflanzenarten in der Anzucht angesät, darunter auch etliche Arten, die noch nicht im Garten vorhanden sind. Insgesamt wurden Samen von 207 Pflanzenarten im Rahmen des internationalen Samen- austausches verschickt und somit der Austausch mit anderen Gärten gepflegt. Mit insgesamt 43 Tagen in den Monaten Alpengartenteam 2015: Juni, Juli und August, an denen die Temperaturen über 20 °C Brigitte Kimmig, Elsbeth Honegger, Jasmin Senn, kletterten, war das Jahr 2015 eines der wärmsten seit unseren Esther und Paul Brunner Aufzeichnungen. 5

Forschung

Auswirkungen verschiedener Bewirtschaftungsmethoden Autoren: Steffen Boch auf die Pflanzendiversität Christine Föhr Wegen eines Diversitätsverlusts auf den Wiesenflächen des Stefan Blaser Alpengartens in den vergangenen Jahrzehnten wurde in einem Markus Fischer wissenschaftlichen Experiment der Einfluss verschiedener Be- Uni Bern wirtschaftungsmethoden auf die Pflanzenvielfalt untersucht.

Einer der sechs Standorte im Alpengarten mit den fünf unterschiedlich bewirtschafteten Dauerflächen, auf denen die Veränderungen der Vegetation und der Pflanzendiversität dokumentiert wurden

Sechs Jahre lang wurden deshalb jährlich an sechs Standorten im Alpengarten fünf verschiedene Bewirtschaftungsmethoden durchgeführt und die Veränderungen der Vegetation und der Pflanzendiversität dokumentiert (vgl. Jahresbericht 2010, 2012, 2013). Die traditionell im Alpenraum angewandte Bewirtschaf- tung einer herbstlichen Mahd mit der Sense, kombiniert mit dem Abrechen der Biomasse und der Streu, hatte einen signifi- kant positiven Effekt auf die Pflanzendiversität. Die vier anderen Bewirtschaftungsmethoden (keine Bewirtschaftung, Mahd im Herbst ohne rechen, rechen im Frühjahr ohne Mahd, Mahd und rechen im Frühjahr) unterschieden sich hingegen nicht voneinander in ihrem Effekt auf die Diversität. Aufgrund der Ergebnisse unseres Langzeitexperiments empfehlen wir des- Stefan Blaser erfasst halb, in Zukunft die traditionelle Bewirtschaftungsmethode Pflanzen auf einer zum Erhalt und zur Förderung der Diversität auf den Wiesen Untersuchungsfläche des Alpengartens weiterzuführen. 6

Verpflanzungsexperiment mit Arten der Gelben Seggen Autoren: (Carex flava) Lisanna Schmidt Wie im letzten Jahr erwähnt, ist die Schynige Platte neben den Bernhard Schmid beiden Tieflandorten Zürich und Tartu der dritte Versuchs- Markus Fischer Unis Tartu, Zürich, Bern standort für unseren Versuch mit nahe verwandten und mitei- nander hybridisierenden Arten der Carex flava Gruppe. Beim Aufziehen der je 600 Pflanzen aus Estland und der Schweiz in jedem der drei Gärten zeigte sich, dass sich die Unterarten in allen Gärten unterscheiden, wenn auch weniger stark als im Feld, und dass die morphologischen Unterschiede zwischen verschiedenen Herkünften für die häufige Unterart Carex flava sensu stricto weniger ausgeprägt sind als für die weniger häufige UnterartCarex viridula. Diese experimentellen Er- gebnisse konnten wir nun auch durch molekulare Untersu- chungen bestätigen. Dies zeigt, dass es gerechtfertigt ist, die beiden Unterarten zu unterscheiden, obwohl sie hybridisieren können, und es zeigt, dass der Gen-Austausch durch Hybridi-

Individuen der sierung nicht so stark ist, dass sich die regionale Differenzie- Gelben Seggen rung der häufigerenCarex flavasensu stricto und der weniger (Carex flava Gruppe) häufigenCarex viridula aneinander angleichen würde. 7

Der Zottige Klappertopf kann die Diversität in Wiesen Studierende erfassen erhöhen Pflanzen der In 47 extensiven Wiesen um Bern, auf der Schynigen Platte Untersuchungsflächen auf der Schynigen Platte und im Wallis untersuchten Studierende der Uni Bern Auswir- kungen des Halbparasiten Rhinanthus alectorolophus (Zottiger Autoren: Klappertopf) auf die Produktivität und die funktionelle Zu- Steffen Boch sammensetzung der Vegetation entlang eines Rhinanthus- Nico Heer Dichtegradienten. Bei einer Rhinanthus-Dichte von 31% war Fabian Klimmek Christoph Zwahlen die Artenzahl am höchsten und der Ertrag nur um ein Viertel Markus Fischer reduziert. Ab einer Rhinanthus-Dichte von 60% sank die Artenzahl jedoch unter den Wert von Flächen ohne Rhinanthus. Als Generalist parasitiert Rhinanthus vor allem häufige und dominante Pflanzen, wodurch er deren Konkurrenzstärke mindert und indirekt die Koexistenz von konkurrenzschwä- cheren Arten fördert. Der Rückgang der Artenvielfalt bei hohen Rhinanthus-Dichten zeigt jedoch, dass dieser Ausgleichsme- chanismus nur bis zu einem gewissen Grad wirkt und dass darüber hinaus die Schwächung subdominanter Arten über- handnimmt, wodurch diese ausgeschlossen werden können. Daher ist die Regulierung der Rhinanthus-Dichte nötig, z. B. durch eine frühe Mahd besonders dichter Rhinanthus-Be- stände vor der Samenreife, um die Artenvielfalt in Wiesen zu maximieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Rhinanthus in land- wirtschaftlichen Biodiversitätsförderflächen einen Beitrag zur Diversitätserhöhung in weniger ertragsorientierten Wiesen leisten kann. Zottiger Klappertopf Publikationsaktivitäten (Rhinanthus Gugger S, Kesselring H, Stöcklin J, Hamann E (2015) Lower alectorolophus) plasticity exhibited by high- versus mid-elevation species in their phenological responses to manipulated temperature and drought. Annals of Botany 116: 953-962. 8

Exkursionen der Gärtnerinnen 2015 Gantrischgebiet am 31. Juli und Wallis am 21. August

Autoren: Gantrischgebiet Jasmin Senn Der heisse, trockene Sommer 2015 warf viele Fragen auf, auch Elsbeth Honegger in Bezug auf die Samenbildung von Pflanzen. Findet bei dieser Brigitte Kimmig Adrian Möhl Trockenheit eine normale Befruchtung statt? Reifen die Samen Steffen Boch aus? Wann ist wo der günstigste Zeitpunkt für eine Samen- sammel-Exkursion? Viele Pflanzen verblühten bis zu 3 Wochen früher als in den vergangenen Jahren. So packten wir spontan unsere Samentüten, Notizblöcke und Bücher ein und reisten mit unserem Botaniker Adi Möhl bereits Ende Juli ins Gant­ rischgebiet. Bei der Gantrischhütte starteten wir in Richtung Gantrischseeli (1578 m), wo Adi für uns bereits eine Überra- schung bereithielt. Entlang des Bachlaufs fanden wir einige wenige Exemplare des seltenen Pyrenäen-Löffelkrauts Coch( - learia pyrenaica). Die Art gilt in der Schweiz als gefährdet und kommt nur noch an wenigen Standorten vor. Leider ist der Bestand an diesem Standort extrem zurückgegangen, was wahrscheinlich nicht nur auf die extreme Sommertrockenheit zurückzuführen ist. Auch das Ableiten der Bäche und die intensive Beweidung könnten Ursachen sein. Weiter oben, auf Panoramablick vom Gantrischgebiet aufs ca. 1850 m, entdeckten wir an den Osthängen des Chummli- Oberland spitzes, einige wenige Samenstände des Orangeroten Greis- 9

Adrian Möhl und Jasmin Senn auf dem Gantrischgipfel

krauts (Tephroseris capitata). Leider waren die meisten Samen bereits ausgeflogen. Dafür gab es noch einiges zu entdecken an den darüber liegenden Kalkfelsen.

Doch unser Ziel war der Gantrischgipfel, und so wanderten wir durch Borstgrasweiden und Rostseggenhalden direkt zum Pass zwischen Schibespitz und Gantrisch. Unterwegs füllten Schweizer Spitzkiel sich unsere Samentüten zunehmend. Auf der Krete zum (Oxytropis helvetica) Gantrischgipfel entdeckten wir viele dicke Samenstände des Gewöhnlichen Haller-Spitzkiels (Oxytropis halleri). Das Gipfel- plateau auf 2167 m machte einen sehr üppigen Eindruck, zu Hunderten blühte der blaue Eisenhut (Aconitum napellus aggr.). Es sah nach einer Schafweide aus. Leider lag auch sehr viel Abfall vom wilden Campieren herum.

Im unteren Teil blühten im hohen Gras zu unserem Erstaunen massenhaft Gelbe Alpen-Stiefmütterchen (Viola lutea). Zum Teil fanden wir bereits reife Samenkapseln. Plötzlich entdeckten wir überraschend viele Samenstände vom hoch gewachsenen Orangeroten Greiskraut, diesmal sogar im perfekten Sammel- stadium. Zweifellos der Höhepunkt des Tages! Über den Lei- terenpass wanderten wir hinunter nach Obernünene und zur Wasserscheide, wo uns der Bus nach Thurnen zurückbrachte. 10

Zermatt, Unteres Rothorn (Wallis) Die Pflanzenvielfalt in der Umgebung von Zermatt ist sehr gross und unser Botaniker Adi Möhl berichtete uns von sehr seltenen Pflanzenarten, weshalb wir uns entschieden, auf das Untere Rothorn zu fahren, wo wir vorher noch nie eine Exkursion durchgeführt hatten. Mit grosser Hoffnung auf einen wunderschönen Tag fuhren wir drei Gärtnerinnen mit Adi in der Matternhor-Gotthard-Bahn nach Zermatt und weiter mit der U-Bahn und Seilbahn bis auf das Untere Rot­ Gelbes Alpen- horn. Rundherum wunderschöne Berge und im Sonnenschein Stiefmütterchen leuchtende Gletscher, nur über uns war eine Wolke und ein (Viola lutea) starker, kalter Wind wehte. Mit Daunenjacke und Kappe fanden wir direkt neben der Bahnstation unsere ersten Samen der Mont-Cenis-Glockenblume (Campanula cenisia). Die Skipisten-­ Landschaft dort oben sieht sehr kahl und unnatürlich aus. Doch ausgerechnet hier fand Adi Samen des Schweizer Samensuche vor dem Spitzkiels (Oxytropis helvetica), eine Art, die wir noch nicht «Horu» im Alpengarten haben. 11

Der Weg führte uns in Richtung Furggji. Adi wies uns genau an, worauf wir achten sollten, um die seltenen Pflanzenarten zu finden. Im Schieferstein-Moränengelände traversierten wir einen steileren Hang, um zum letzten Fundort der Schnee-Edel- raute (Artemisia nivalis) zu gelangen. Wir konnten es kaum erwarten, eine Pflanze zu finden, welche weltweit nur dort vorkommt. Ein Juhee-Schrei ertönte von Adi, als er die Art ent- deckte. Einige Exemplare hatten sogar reife Samen. Die stark aromatisch duftende Pflanze ist glänzend grün, vollständig kahl und hat dunkelrot überlaufene Stängel. Hier ist sie also Jasmin Senn im grossen zu Hause, zwischen 3000 und 3400 m! Bestand von Viola lutea

Mit aufmerksamen Samensammler-Augen wanderten wir durch die Tufterchumme talwärts. Kurz vor Tufteren kamen wir an einem grösseren Bestand der Hallers Primel (Primula halleri) und des Karpaten-Katzenpfötchens (Antennaria car- patica) vorbei. In den schönen Blaugrashalden und Borstgras- rasen fanden wir noch einige Pflanzenarten, die auf unserer Neuzugänger-Liste standen oder deren Population wir im Alpengarten noch vergrössern wollten. Auf den letzten Metern vor Zermatt fanden wir weitere spannende Pflanzen, wie den Zurückgebogenen Igelsame (Lappula deflexa). Wir freuen uns jetzt schon über die grosse Diversitäts-Bereicherung und hoffen auf eine gute Keimung der Samen im Alpengarten!

Schnee-Edelraute (Artemisia nivalis) 12

Die Schätze der Alpen Autorin: Der botanische Alpengarten Schynige Platte zeigt mehr Sibylle Hunziker als 600 Pflanzenarten. Für viele davon trägt die Schweiz eine besondere Verantwortung, weil ein Grossteil ihrer Verbreitungsgebiete in den Schweizer Alpen liegen.

Im Juli, wenn nach dem kurzen, aber intensiven Bergfrühling auch auf 2000 Metern über Meer der Hochsommer beginnt, blühen im Alpengarten gegen 300 Pflanzenarten auf einmal. In der bunten Pracht gehen so kleine, zierliche Blüten wie der Kurzstängelige Mannsschild (Androsace brevis) fast unter. Die Gärtnerinnen sind allerdings besonders stolz, wenn sie das rosa blühende Polsterpflänzchen zeigen können, gehört es doch zu den ganz seltenen Alpenpflanzen. Natürlicherweise kommt es nur auf ganz wenigen Alpengipfeln an der Grenze zwischen der Schweiz und Italien vor. Weil ein Teil der wenigen Standorte auf Schweizer Boden liegt, trägt das Land eine hohe Verantwortung für den Schutz dieses Mannsschilds. Westlicher Alpenmohn Sogar noch schwerer wiegt die Verantwortung der Schweiz (Papaver occidentale) für Arten wie den Westlichen Alpenmohn (Papaver occidentale), Hallers Margerite (Leucanthemum halleri) oder die Ausge- schnittene Glockenblume (Campanula excisa), deren Verbrei- tungsgebiete grösstenteils in den Schweizer Alpen liegen.

Raritäten auf einsamen Gipfeln Ein Grossteil aller Pflanzenarten, für deren Erhaltung die Schweizer Bestände eine besonders wichtige Rolle spielen, sind Alpenpflanzen. Das ist kein Zufall, denn ähnlich wie Inseln sind die Alpengipfel isolierte Standorte mit speziellen Lebens- bedingungen. In dieser Abgeschiedenheit sind Arten, die es sonst nirgends gibt («endemische Arten») entstanden, oder sie haben auf den kargen Gipfeln überlebt, als ihre Artgenossen in tieferen Lagen nach den Eiszeiten von anderen Pflanzen verdrängt wurden. Weil die Schweiz im Herzen der Alpen liegt und viele besondere Habitate aufweist, sind hier auch viele dieser besonderen Pflanzenbestände zu finden. Zu den besonderen Lebensräumen gehören viele Alpengipfel. Ausgeschnittene Dort nimmt die Biodiversität mit dem Klimawandel sogar zu, Glockenblume weil zusätzliche Arten in höhere Regionen «steigen» – aller- (Campanula excisa) dings handelt es sich dabei vor allem um häufige «Allerwelts- arten». Man vermutet deshalb, dass die ursprünglichen Be- wohner dieser Zone durch den Klimawandel mit der Zeit unter 13

Druck kommen könnten; Forscher des Eidgenössischen Insti- Im Alpen­garten gehören tuts für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) gehen dieser Fra- die Blaudisteln (Eryngium ge deshalb in einer umfassenden Studie vieler Gipfel nach. alpinum) zusammen mit anderen Hochstauden zu den letzten Blumen Bedrohte Schönheit des Herbstes In subalpinen Lagen sind Pflanzen bisher vor allem durch veränderte Landnutzung bedroht – so etwa die Blaudistel (Eryngium alpinum), die in der Schweiz zwischen 1400 und 2100 Metern über Meer vorkommt. Während die Gartenvari- ante der dekorativen Blume, die in Mitteleuropa schon seit dem 16. Jahrhundert als Zierpflanze kultiviert wird, heute in zahllosen Hausgärten gedeiht, sind die natürlichen Vorkom- men sehr selten. Die bedeutendsten Bestände wachsen in Frankreich und in der Schweiz, doch sie sind wegen der Über- nutzung vieler Standorte stark rückläufig. Die Kombination von Bedrohung und hoher internationaler Verantwortung führt dazu, dass die Blaudistel zu den prioritären Arten des Schweizer Artenschutzes gehört. Umfassende Informationen zum Schutzstatus und zur Ver- Kurzstängeliger breitung einer Pflanze gibt das nationale Daten- und Informa- Mannsschild tionszentrum Info Flora: www.infoflora.ch (Androsace brevis) 14

Mit Leib und Seele Autor: Peter Wenger Im Alpengarten stehen die Pflanzen im Rampenlicht. Doch damit sie zu ihrem blühenden Auftritt kommen, braucht es Menschen, die mit Leib und Seele hinter der Idee Alpengarten stehen: Unser Gartenteam, die Mitarbeiter bei der Schynige Platte-Bahn, die Gastgeber im Hotel, die Sennen und ihre Familien auf Iselten. Sie alle wechseln ihre vertraute Umgebung im Tal mit all den Annehmlichkeiten, die unsere globale Ge- sellschaft zu bieten hat, mit dem besonderen Rhythmus der Bergwelt: kurz, intensiv, aufregend, voller Überraschungen.

Unsere Gärtnerinnen und Gärtner haben die Saison stets im Griff. Vielen Dank Jasmin Senn, Brigitte Kimmig, Elsbeth Honegger, Esther und Paul Brunner, und all jenen, die ihre Arbeit mit Rat und Tat unterstützt haben. Für Brigitte Kimmig galt es, Abschied von der Alpengartenfamilie zu nehmen. Ihre unkomplizierte Art, ihr heiteres Wesen, hat viel zum guten Geist im Team beigetragen. Ihr fröhliches Lachen wird uns noch lange in den Ohren klingen. Herzlichen Dank für die wunderbare Zeit. Brigitte Kimmig arbeitete von 2011 bis Ein grosses Dankeschön verdienen unsere Partner, die Schynige 2015 im Alpengarten Platte-Bahn, das Berghotel und die Bergschaft Iselten. Hinter all Schynige Platte diesen Betrieben stehen Menschen, die nicht zuerst auf die Uhr schauen, wenn es gilt, gemeinsame Lösungen zu suchen. Das Gleiche gilt für die Freundinnen und Freunde im Vorstand, schön, dass ihr eure kostbare Zeit dem Alpengarten widmet. 15

Ueli Bettler, Ehrenmitglied Ueli Bettler – ein junger Schulmeister, voll im Saft – kam den älteren, gestandenen Vorstandsherren vor mehr als 40 Jahren wie gelegen. Ihn konnten sie als Sekretär für alles einspannen, was mit Papier zu tun hatte. Seitenlage Protokolle galt es wortgetreu auf Wachsmatrizen zu tippen, mit dem Umdrucker zu vervielfältigen und postwendend zu verteilen. Als gewiefter Reiseleiter verstand er es, den Vorstand auf interessanten und spannenden Exkursionen an Orte und Werke mit kulturellem oder historischem Hintergrund zu begleiten. Der Jahresbericht – mit Ueli Bettler als Redaktor – entwickelte sich zur eigentlichen Chronik des Alpengartens. Es gelang ihm stets, die unterschiedlichen Texte und Beiträge der zahlreichen Autoren zu einem Gemeinschaftswerk zu formen. Ueli Bettlers Flair für Grafik kam hier voll zur Geltung. Und erst recht als Künstler hinterlässt Ueli Bettler bleibende Spuren. Seine standhaften, mit viel Gefühl und einer feinen Spur Humor gestalteten Skulpturen schaffen einen Kontrast zur vergänglichen, aufblühenden Natur im Alpengarten. Wie als Künstler verstand es Ueli Bettler auch als Mensch, Brücken zu schlagen und im Stillen vermittelnd im Hintergrund Wogen zu glätten.

Zum Dank für seine grossen Verdienste ernannte ihn die Alpen- gartenfamilie an der Hauptversammlung 2015 mit grossem Applaus zum Ehrenmitglied.

Oben: Ueli Bettler an der Hauptversammlung 2012

Mitte: Skulpturen von Ueli Bettler empfangen die Besucher im Eingangsbereich zum Alpengarten

Unten: Ausblick vom Alpengarten Richtung Osten 16

Jahresrechnung 2015

Interlaken, 14. März 2016 Betriebsrechnung Der Kassier: Ueli Stähli 31.12.15 31.12.14 Eintrittsgelder 109’564.35 119’208.60 Führungen 3’070.00 3’445.00 Ertrag Warenverkauf 28’502.35 21’432.95 Beiträge / Spenden 25’373.60 15’749.15 Kostenbeitrag Kanton Bern 5’000.00 5’000.00 Zinsen / Wertschriftenerfolg 3’190.60 9’526.30 Ertrag aus Dr. Werner Schmid-Stiftung 77’523.20 79’289.30 Total Ertrag 252’224.10 253’651.30

Löhne / Entschädigungen 139’811.60 136’967.10 Sozialversicherungen 20’643.35 19’342.85 Garten 32’441.95 16’379.80 Ausstellung 1’072.75 Gebäude / Archiv 10’693.00 10’258.75 Werbung / Drucksachen 24’447.16 17’675.94 Verwaltungskosten, Diverses 22’946.85 28’257.25 Abschreibungen 22’999.00 Total Aufwand 250’983.91 252’953.44

Gewinn 1’240.19 697.86 17

Bilanz per 31. Dezember , 14. März 2016 Der Kassier: Ueli Stähli 2015 2014 Aktiven Postfinance 23’827.92 10’052.07 Bank EKI Vereinskonto 19’053.53 59’735.19 Bank EKI Anlagesparkonto 87’718.50 87’579.85 Bank EKI Steinbockkonto 356’975.30 356’011.10 Wertschriften 166’095.00 167’706.00 Debitor Verrechnungssteuer 1’446.70 2’110.85 Debitoren 35’648.90 5’289.30 Warenbestand 1.00 1.00 Wohn- und Studiengebäude 20’000.00 20’000.00 Bergrecht 1.00 1.00 Gartenanlage / Mobiliar 1.00 1.00 Shop 1.00 1.00 710’769.85 708’488.36

2015 2014 Passiven Kreditoren 560.40 480.90 Eigenkapital 710’209.45 708’007.46 710’769.85 708’488.36 18

Vorstand und Personal 2015

Präsident Peter Wenger, Beatenbergstrasse 23, 3800 Unterseen Vizepräsident Hans Boss, Aenderbergstrasse 44, 3800 Matten Sekretär Heinrich Mühlemann, Rütistrasse 18A, 3800 Matten Finanzen Ueli Stähli, Allmendstrasse 36, 3800 Interlaken Protokollführerin Nicole Liniger, Mühlenenfeldweg 14, 3812 Wissenschaftliche Leitung Prof. Dr. Markus Fischer, Alpenstrasse 5, 3006 Bern Andreas Grünig, Obere Kehlstrasse 4, 5400 Baden Marketing Hans Zurbuchen, Hauptstrasse 269, 3852 Ringgenberg Gartenbau Rudolf Zaugg, Burgdorfstrasse 52, 3510 Konolfingen Dr. Schmid-Stiftung Doris Predl Zbinden, Beatriceweg 9, 3600 Thun Hans Ringgenberg, Rütistrasse 22, 3800 Matten Peter Wenger, Beatenbergstrasse 23, 3800 Unterseen Beisitzer Prof. Dr. Otto Hegg, Landorfstrasse 55, 3098 Köniz Revisoren Martin Grunder, Nordstrasse 15, 3806 Bönigen Daniel Mühlemann, Campingstrasse 7, 3806 Bönigen Personal Paul Brunner seit 1995 Esther Brunner seit 2006 Jasmin Senn, leitende Gärtnerin seit 2007 Brigitte Kimmig seit 2011 Elsbeth Honegger seit 2013 Larissa Hofer ab 2016 Adresse Alpengarten Schynige Platte, 3800 Interlaken Telefon 033 828 73 76 www.alpengarten.ch, [email protected]

Eiger, Mönch und im Abendlicht 19

Wir begrüssen als neue Mitglieder Heinrich Mühlemann

Dauermitglied (mindestens Fr. 400.–) Kollektivmitglieder Patrick Kuss, D-Freiburg Schynige Platte-Bahn, Interlaken Fr. 1000.– Adrian Möhl, Bern Bank EKI Genossenschaft, Interlaken Fr. 300.– Hotel Schweizerhof AG, Grindelwald Fr. 100.– Kollektivmitglieder (mindestens Fr. 50.–) Verena Bettler Suter und Freiwillige Beiträge/Spenden Heinz Suter-Bettler, Muri b. Bern Burgergemeinde Interlaken Fr. 100.— Sutter Druck AG, Grindelwald Margrit Frey, Bremgarten b. Bern Fr. 100.— Gärtnerei Schwitter AG, Inwil Fr. 100.— Mit jährlichem Beitrag (mindestens Fr. 20.–) Susanne Grunder-Jauslin, Interlaken Fr. 100.— Mengia Artho, Spiez Ernst Herzog, Wilderswil Fr. 100.— Daniel Balmer, Wilderswil René Hess-Hahn, Koppigen Fr. 100.— Susanne Beck, Basel W. Rusterholz Baumschulen AG, Oberrieden Fr. 200.— Markus Borter, Goldswil Rolf A. Stähli, Biel Fr. 200.— Marianne Geiser, Riggisberg Werner Michel, Wilderswil Nicole Mühlemann, Interlaken Mitgliederbewegung Robert Ritschard, Ittigen Margrit Ryser, Thun Eintritte Aglaja Sauser, Unterseen Mitglieder mit einmaligem Beitrag 2 Silvan Zumstein, Leissigen Kollektivmitglieder 2 Jeannine Zurbuchen, Ringgenberg Mitglieder mit jährlichem Beitrag 12 16 Erhöhte Jahresbeiträge Verstorben Mitglieder mit einmaligem Beitrag 1 Einzelmitglieder Charlotte Althaus-Rytz, Bern Fr. 100.— Kollektivmitglieder 1 Beat Bossard, Fr. 100.— Mitglieder mit jährlichem Beitrag 6 Urs Ehrsam, Sissach Fr. 100.— 8 Eschmann Pflanzen, Emmen Fr. 100.— Prof. Dr. U. Gisi, Wenslingen Fr. 200.— Austritte Grosse Apotheke Dr. G. Bichsel AG, Interlaken Fr. 100.— Mitglieder mit einmaligem Beitrag 7 Peter und Eva Hodel, Thun Fr. 150.— Mitglieder mit jährlichem Beitrag 32 Hospental-Kägi AG, Untersiggenthal Fr. 100.— 39 Iris Koepke, Matten b. I. Fr. 100.— Thomas Liechti, Münsingen Fr. 100.— Mitgliederbestand 31.12.2014 31.12.2015 Peter Michel, Bönigen Fr. 100.— Mitglieder mit einmaligem Beitrag 175 169 Nyffenegger Gartenbau AG, Köniz Fr. 100.— Mitglieder mit jährlichem Beitrag 385 359 Dr. Jürg Rieben, Bern Fr. 100.— Kollektivmitglieder 39 40 Margrit Ryser, Thun Fr. 100.— Peter Stauss, D-Herxheim Fr. 102.— 599 568 Hans-Ruedi Stoll, Thalwil Fr. 200.— Monika von Arx, Grindelwald Fr. 100.— Der Verein Alpengarten Schynige Platte hat noch viele weitere freiwillige Beiträge und erhöhte Jahresbeiträge Nachlass erhalten, für die wir uns herzlich bedanken. Dr. Heinz Grütter Fr. 10‘000.— Unser Spendenkonto: PC-Konto 30-6348-8 20

Wissenswertes über den Alpengarten

Floristische Zahlen Zahl der in der Schweiz oberhalb der Waldgrenze wild wachsenden Blütenpflanzen ca. 900 Entsprechende Zahl für das Berner Oberland ca. 700 Entsprechende Zahl im Umgelände des Gartens ca. 450 Im Alpengarten vorhandene Blütenpflanzen und Farne ca. 600

Lage 1950 bis 2000 m ü. M., Süd- bis Südostexposition

Fläche Alpengarten 8323 m2 Lüdiweide ca. 2000 m2

Klima Schneefreie Zeit: ca. 165 Tage = 4 – 4½ Monate Anfang Juni bis Mitte Oktober Temperaturen: Mittlere Jahrestemperatur + 1 °C Mittlere Temperatur während der Vegetationszeit + 8,5 °C Niederschläge: Jahresmittel zwischen 1600 und 2000 mm

Besucher Die Schynige Platte-Bahn (SPB) führte 2015 insgesamt 94’772 Fahrgäste auf die Schynige Platte

Geschichtliches 1893 Eröffnung der Schynige Platte-Bahn 1927 Gründung des Vereins Alpengarten Schynige Platte 1928 Erste Anlagen und Einpflanzungen im Garten 1929 Eröffnung des Gartens für Besucher 1931 Einweihung des Wohn- und Studiengebäudes 1932 Erster alpin-botanischer Kurs 1983/84 Wohn- und Studiengebäude renoviert und erweitert 1985 Eröffnung der permanenten Ausstellung 1989 – 92 Umstellung der Etikettierung von Porzellan auf Kunststoff 1994 Videoanlage im Ausstellungsraum 2001 Neugestaltung der Eingangspartie: Kunst am Bau, Keramik von U. Bettler 2002 Jubiläum 75 Jahre Alpengarten Schynige Platte 2003 Talseitige Stützmauer erneuert 2003 Heilpflanzengarten erneuert 2006 Errichten von Steinschlagnetzen 2007 Alpengartenpflegewerk eingeführt 2009 Neubau «Lädeli» ab 2011 Erneuerung Urgesteinsfeld 2012 Neubau Kläranlage 2014 Besuch des japanischen Kronprinzen Naruhito Gewöhnlicher Berg-Hahnenfuss (Ranunculus montanus)

Die Art hat glänzende, 3-teilige, meist spärlich behaarte grundständige Blät- ter, deren seitliche Abschnitte wenig eingeschnitten sind. Die Stängelblätter sind hingegen 3- bis 7-teilig. Der Gewöhnliche Berg-Hahnenfuss blüht von Mai bis August. Er bevorzugt frische, nährstoffreiche Wiesen und Weiden, kommt aber auch in Schutthalden, lichten Wäldern und Schneetälchen vor. Im Alpen- raum ist er in subalpinen bis alpinen Lagen verbreitet. Alpengarten Schynige Platte 3800 Interlaken Telefon 033 828 73 76 www.alpengarten.ch