Talentdiagnose im Skisprunglauf unter besonderer Berücksichtigung des relativen Alterseffekts (RAE) Eine Untersuchung am Beispiel der Nationalkader des Österreichischen

Skiverbands (ÖSV) und des Schigymnasium Stams

Daniel Lackner, BSc BSc Matrikelnummer: 00822435/ Studienkennzahl: C 066 825 [email protected]

Masterarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science (MSc)

Eingereicht an der Leopold-Franzens-Universität Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft Institut für Sportwissenschaft

Betreuer: ao. Univ.-Prof. Ing. Mag. Dr. Christian Raschner Ass.-Prof. Mag. Lisa Steidl-Müller, BSc PhD

Innsbruck, Oktober 2019

I

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister-/Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

______Datum Unterschrift

II

Danksagung

Ich möchte an dieser Stelle all jenen danken, die mich auf dem Weg durch mein Studium unterstützt haben. Ein großes Dankeschön gilt dabei meinen Eltern, die mir auf meinem gesamten Weg allseits zur Seite gestanden sind.

Für die Unterstützung beim Verfassen meiner Masterarbeit möchte ich mich ganz herzlich bei meinen Kollegen aus den Ausbildungszentren Geri und Hannes sowie bei meinen Stamser Kollegen Harry, Christoph und Erle für ein allzeit offenes Ohr und wertvolle Inputs bedanken.

Vor allem danke ich meiner Freundin Carina, die mich mit viel Geduld und Ausdauer immer unterstützt.

Ein besonderer Dank gilt meinen Betreuern ao. Univ.-Prof. Ing. Mag. Dr. Christian Raschner und Ass.-Prof. Mag. Lisa Steidl-Müller, BSc PhD für die hervorragende wissenschaftliche Betreuung und guten Ratschläge bei der Erstellung dieser Arbeit.

Danke!

III

Inhaltsverzeichnis

Abstract ...... 1

Zusammenfassung ...... 2

1 Einleitung ...... 3

2 Talent im Sport ...... 5

2.1 Definition Talent ...... 5

2.2 Begriffe in der Talentforschung ...... 6

2.3 Talentdiagnose ...... 8

2.3.1 Forschung zur Talentdiagnose ...... 11

2.3.2 Herausforderungen in der Talentdiagnose ...... 13

2.3.3 Lösungsversuche für Probleme der Talentdiagnose ...... 17

3 Der relative Alterseffekt (RAE) ...... 20

3.1 Definition RAE ...... 20

3.2 Mechanismen ...... 20

3.3 Determinanten ...... 22

3.4. Auswirkungen und Relevanz des RAE ...... 25

4 Talent im Skispringen ...... 26

4.1 Das österreichische Nachwuchsförderprogramm ...... 26

4.1.1 Nachwuchsrekrutierung in Österreich ...... 27

4.1.2 Kinder- und Schülertraining im Verein und Landesskiverband ...... 28

4.1.3 Anschlusstraining in den Ausbildungszentren ...... 30

4.2 Der RAE in der Sportart Skispringen ...... 31

5. Empirische Erhebung ...... 35

5.1 Zielsetzung und Aufgabenstellung ...... 35

5.2 Methodik ...... 36

5.2.1 Hypothesen ...... 36

5.2.2 Stichprobe ...... 39

IV

5.2.3 Datenerhebung ...... 40

5.2.4 Statistische Auswertung ...... 40

6 Ergebnisse ...... 42

6.1 ÖSV-Nationalkader ...... 42

6.2 Ausbildungszentren mit Schwerpunkt Skispringen in Österreich ...... 47

7 Diskussion ...... 51

7.1 Limitationen ...... 61

7.2 Mögliche Lösungsansätze ...... 62

7.2.1 Rotierender Stichtag ...... 62

7.2.2 Kleinere Altersgruppen ...... 65

7.2.3 Berücksichtigung der biologischen Reife ...... 65

7.2.4 Normalisierung auf anthropometrische Merkmale ...... 67

7.2.5 Leistungsklassen ...... 68

7.2.6 Weitere Möglichkeiten ...... 69

8 Fazit und Ausblick ...... 71

Literaturverzeichnis ...... 73

Abbildungsverzeichnis ...... 82

Tabellenverzeichnis ...... 83

Abkürzungsverzeichnis ...... 84

Anhang ...... 85

1

Abstract

INTRODUCTION: The relative age effect (RAE) is one of many problems that make a valid talent diagnosis difficult. An RAE exists if the months of birth of selected athletes deviate from an equal distribution of the normal population to the extent that those born early in the selection year are over-represented. This problem has already been proven in many sports. In , there is only little research, partly confirming an RAE and partly not. The aim of this work was to evaluate a) whether an RAE exists in the ÖSV ski jumping squads (Nationalteam, A-, B-, C-Kader), b) whether the selection related to the entrance exams for Austrian boarding schools for ski jumping result in or favor an RAE, and c) whether the age distribution changes in the course of the further career of the students accepted at the Schigymnasium Stams due to the nomination for an ÖSV squad.

METHODS: For the evaluation, an RAE was assessed with the birth data of 124 male ÖSV ski jumping squad athletes in the period between 2001 and 2019 as well as the birth data of 147 male students who participated in the entrance exams of the Austrian boarding schools for ski jumping (Eisenerz, Saalfelden, Stams) during 2010 and 2019. For the statistical analysis, the Chi-square test was used. The level of significance was set at p ≤ .05.

RESULTS: There was no statistically significant RAE in the ÖSV ski jumping squads over the entire observation period. However, for the single years 2009, 2010, 2011, and 2012 a statistically significant RAE could be observed. Analyzing the different ÖSV squads, a significant RAE for the entire observation period could be determined only in the Nationalteam (highest ÖSV squad). Concerning the entrance exams of the Austrian boarding schools for ski jumping, no significant RAE could be proven—neither for the participants at the entrance exam nor for the accepted students compared with the students who took part in the exam. When considering the further career development of students who were accepted at the Schigymnasium Stams between 2010 and 2016 and managed to get nominated for an ÖSV squad, no significant RAE could be proven.

DISCUSSION: Although no significant RAE was observed among the members of the ÖSV squads overall, an over-representation of those born in the first quarter (29.8%) compared to those born in the fourth quarter (20.2%) has become evident in the descriptive analysis over the entire observation period. High competitive pressure for the nomination to the ÖSV squad, high school demands, and the difficult transition from the “Schüler” to the “Jugend” category could be reasons for this difference. For the future, the RAE should continue to be observed in ski jumping and (junior) coaches should be better informed about the existence of this phenomenon. As a preventative measure, an RAE could be counteracted by thoughtfully considering the biological maturity status of the athletes, competition classes with a rotating cut-off date, or competitive categories for national competitions.

KEYWORDS: talent, talent diagnosis, relative age effect, ski jumping.

2

Zusammenfassung

EINLEITUNG: Der relative Alterseffekt (RAE) ist eines von vielen Problemen, die eine valide Talentdiagnose erschweren. Von einem RAE spricht man, wenn die Geburtsmonate von selektionierten Sportlern und Sportlerinnen von einer Gleichverteilung der Gesamtbevölkerung dahingehend abweichen, dass früh im Selektionsjahr Geborene überrepräsentiert sind. Dieses Problem konnte bereits bei vielen Sportarten nachgewiesen werden. Im Skispringen ist die nur Forschungslage sehr dünn; teilweise wird die Existenz eines RAE bestätigt und teilweise nicht. Das Ziel dieser Arbeit war zu evaluieren, ob a) ein RAE in den österreichischen Skisprung- Nationalkadern (Nationalteam, A-, B-, C-Kader) besteht, b) die Selektion bei der Aufnahme in ein österreichisches Skisprung-Ausbildungszentrum einen RAE hervorruft bzw. begünstigt, und c) sich die Altersquartals-Verteilung im Laufe der Karriere durch die Selektion bei der Aufnahme in die verschiedenen ÖSV-Kader verändert.

METHODIK: Für die Auswertung wurden die Geburtsdaten von 124 männlichen ÖSV- Kaderathleten im Zeitraum zwischen 2001 und 2019 sowie die Geburtsdaten von 147 männlichen Schülern, die im Zeitraum von 2010 bis 2019 zur Aufnahmeprüfung in den Ausbildungszentren für Skisprunglauf (Eisenerz, Saalfelden, Stams) antraten, auf einen RAE untersucht. Für die statistische Analyse wurde der Chi-Quadrat Test verwendet. Das Signifikanzniveau wurde auf p ≤ 0,05 festgelegt.

ERGEBNISSE: Über den gesamten Beobachtungszeitraum wurde für die ÖSV-Kaderathleten kein statistisch signifikanter RAE festgestellt. In den Einzeljahren 2009, 2010, 2011 und 2012 hingegen konnte ein statistisch signifikanter RAE nachgewiesen werden. Außerdem ergab die Untersuchung der einzelnen Kaderstufen einen statistisch signifikanten RAE im Nationalteam – und zwar über den gesamten Beobachtungszeitraum. In Bezug auf die Aufnahme in eines der Ausbildungszentren wurde weder bei den Aufnahmeprüfungs-Kandidaten noch bei den aufgenommenen Schülern ein signifikanter RAE im Vergleich zu den angetretenen Schülern nachgewiesen. Auch bei der Betrachtung des weiteren sportlichen Karriereverlaufs der zwischen 2010 und 2016 im Schigymnasium Stams aufgenommenen Schüler, die später einen ÖSV-Kaderstatus erreichten, konnte kein signifikanter RAE belegt werden.

DISKUSSION: Obwohl bei den ÖSV-Kaderathleten insgesamt kein signifikanter RAE beobachtet wurde, ist bei deskriptiver Betrachtung des gesamten Beobachtungszeitraums eine Überrepräsentation der im ersten Quartal Geborenen (29,8 %) gegenüber der im vierten Quartal Geborenen (20,2 %) erkennbar. Hoher Konkurrenzdruck bei der Aufnahme in den ÖSV-Kader, hohe schulische Beanspruchung und der schwierige Umstieg von der Schüler- in die Jugendklasse könnten Gründe für diesen Unterschied sein. Für die Zukunft sollte der RAE im Skispringen weiter beobachtet werden, und die (Nachwuchs-)Trainer sollten besser über die Existenz dieses Phänomens informiert werden. Präventiv könnte dem RAE durch bessere Berücksichtigung der biologischen Reife der Sportler, die Einführung von Wettkampfklassen mit rotierendem Stichtag oder ein Leistungsklassenprinzip bei nationalen Wettkämpfen entgegengewirkt werden.

KEYWORDS: Talent, Talentdiagnose, Relativer Alterseffekt, Skispringen.

3

1 Einleitung

Die Talentdiagnose ist in den meisten Sportarten und Verbänden ein entscheidender Faktor, um langfristig Erfolg zu gewährleisten. Da bei vielen aktiven Sportlern und Sportlerinnen in einer Sportart nicht für alle eine optimale Förderung gewährleistet werden kann, müssen Talente erkannt und dementsprechend gefördert werden. Dadurch können sich Spitzenathleten und - athletinnen zu neuen Leistungsträgern und -trägerinnen im Sport entwickeln.

Auch in der Sparte Skisprunglauf, die im Österreichischen Skiverband (ÖSV) einen hohen Stellenwert genießt, müssen ständig neue Talente gewonnen, gefördert und an die Weltspitze herangeführt werden, damit die hohen Ansprüche der Gesellschaft, Funktionäre, Trainer und Trainerinnen sowie der Sportler und Sportlerinnen selbst langfristig erfüllt werden können.

Die systematische Förderung im Skispringen hat bereits eine lange Tradition und beginnt bei der Rekrutierung von Sportlern und Sportlerinnen aus den Schulen, damit diese die Möglichkeit bekommen, im Verein Sport zu betreiben. Weiterführend geht es über die Landesskiverbandskader zu den Ausbildungszentren mit Schwerpunkt Skisprunglauf, die für die österreichischen Nachwuchstalente eine wichtige Station in ihrer Karriere darstellen. Von dort führt die Karriereleiter weiter in die Nationalkader des ÖSV – optimaler Weise vom Nachwuchskader bis in die Nationalmannschaft – und hin zum Sieger bzw. zur Siegerin bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.

Doch oft hört man im Umfeld des österreichischen Skisprungsports, dass es bei bestimmten Jahrgängen ein „Loch“ gibt, oder dass im Moment „nichts von unten nachkommt“. Die Online Sportzeitung LAOLA1.at titelte zum Beispiel nach einem schlechten Abschneiden der Österreichischen Weltcup-Skispringer beim Neujahrsskispringen 2018 in Garmisch-Patenkirchen „ÖSV-Skispringern droht Flaute im Nachwuchs“ (Kulovits, 2018). Die Ursachen solcher Probleme sind nicht immer klar und können aus verschiedenen Gründen auftreten. Eine mögliche

4

Begründung ist die immer geringer werdende Gesamtanzahl an Athleten1 im Kinder- und Schülerbereich. Vielleicht liegt das Problem auch im Know-how- Transfer ins Ausland durch die Abwanderung österreichischer Spitzenskisprungtrainer. Ein wesentlicher Grund könnte aber auch ein nicht optimal funktionierendes Talentfördersystem für den österreichischen Skisprungnachwuchs sein.

Als einen „systematischen Fehler“ im Fördersystem bezeichnen Lames et al. (2008) den relativen Alterseffekt (RAE). Was man darunter versteht, und warum dieser Effekt ein so großes Problem für die Talentdiagnose und Nachwuchssportförderung darstellt, wird in dieser Arbeit herausgearbeitet.

Weiterführend wird analysiert, ob auch in der Sparte Skisprunglauf der österreichischen Nationalkader sowie in den Ausbildungszentren für Skispringer (vor allem im Schigymnasium Stams) ein relativer Alterseffekt zu finden ist, und – wenn ja – welche Möglichkeiten es gibt, um diese Problematik in Zukunft in den Griff zu bekommen.

1 Dies betrifft nicht die weiblichen Skispringerinnen.

5

2 Talent im Sport

2.1 Definition Talent

„Als Talent wird eine Person aufgefasst, die sich noch in der Entwicklung zu ihrer individuellen Höchstleistung in einer Sportart befindet und von der eine künftige Entwicklung besonders hoher Leistungsfähigkeit und hoher Erfolge im Spitzensport erwartet wird.“ (Güllich, 2013, S. 628)

Dies ist eine von vielen Definitionen von sportlichem Talent; darüber hinaus wird der Talentbegriff häufig aufgegliedert. Eine durchaus sinnvolle Aufgliederung verwenden zum Beispiel Hohmann und Carl (2002): Sie unterscheiden zwischen dem „engen“ und „weiten“ Talentbegriff.

Der enge Talentbegriff kennzeichnet ein Talent, welches besonders durch seine sportlichen Leistungen im Nachwuchs hervorsticht. Es wird erwartet, dass eine hohe Leistungsfähigkeit im Nachwuchsalter auch einer hohen Leistungsfähigkeit im Erwachsenenalter entspricht. Der weite Talentbegriff schließt neben der sportlichen Leistung noch die Persönlichkeit, Merkmale des Trainings sowie das materielle und soziale Umfeld mit ein. Diese Faktoren können sich positiv auf die weitere Entwicklung des Talents auswirken. (Hohmann & Carl, 2002)

Eine weitere Unterscheidung nahm Joch (2001) mit der Differenzierung zwischen einem „statischen“ und „dynamischen“ Talentbegriff vor. Beim statischen Talentbegriff wird das Talent durch eine einmalige Betrachtung definiert, beim dynamischen Talentbegriff wird das Talent durch mehrere Betrachtungen zu verschiedenen Zeitpunkten bestimmt.

Eine Verbindung der Talentbegriffe „eng“ und „weit“ mit „statisch“ und „dynamisch“ ist in der Sportwissenschaft üblich und wird in Tabelle 1 dargestellt (Conzelmann et al., 2018).

6

Tabelle 1: Definitorische Schwerpunkte der vier unterschiedlichen Talentbegriffe

Eng Weit Statisch Person mit auf einen bestimmten Person mit körperlich-motorischen und Entwicklungsabschnitt psychischen Dispositionen, die bei bezogenen günstigen Umweltbedingungen überdurchschnittlichen spätere Höchstleistung erlauben Leistungsresultaten Kriterium: Ergebnisse bei komplexen Kriterium: Wettkampfleistung im Talenttests (Einmaldiagnostik) Kindes-/Jugendalter

Dynamisch Person mit auf den Person mit überdurchschnittlichen Entwicklungsverlauf bezogenen Veränderungswerten in relevanten überdurchschnittlichen Dispositionen bei positiven Leistungszuwachsraten Entwicklungsbedingungen Kriterium: Leistungsentwicklung Kriterium: Dynamisches Testen von im Kindes- und Jugendalter Leistungsdaten unter Berücksichtigung personaler und nicht personaler Rahmenbedingungen

Notiz: Tabelle in Anlehnung an: Hohmann & Carl, 2002; in Conzelmann et al., 2018, S. 91.

2.2 Begriffe in der Talentforschung

Güllich (2013) differenziert im Prozess von der Talentsuche bis hin zur Talentförderung mehrere Stationen, die in folgender Reihenfolge durchlaufen werden:

1. Talentsuche

Unter Talentsuche versteht man die Suche nach Talenten im Sport, von welchen man ein hohes künftiges Leistungs- und Erfolgspotential erwartet. Diese sind noch nicht in der betreffenden Sportart aktiv. (Güllich, 2013)

7

2. Talentsichtung

Die Talentsichtung beschreibt die Maßnahme zur Sichtung von jungen Sportlern und Sportlerinnen für die weiterführende Talentdiagnose (Güllich, 2013).

3. Talentdiagnose (Talenterkennung, Talentidentifikation)

An diesem Punkt muss eine Unterscheidung zwischen jungen Sportlern und Sportlerinnen mit geringerem und mit höherem Potential bezüglich der zukünftigen sportlichen Leistungen und Erfolge getroffen werden. Bestandteil der Talentdiagnose ist auch die Talentprognose, die eine Vorhersage über die Entwicklung der sportlichen Leistungsfähigkeit trifft. (Hohmann, 2009)

4. Talentauswahl (Talentselektion)

Die Talentauswahl beschreibt die Auswahl der Athleten und Athletinnen, die auf Grundlage der Talentdiagnose in ein Talentförderprogramm aufgenommen werden sollten (Conzelmann et al., 2018).

5. Talentrekrutierung

Bei der Talentrekrutierung handelt es sich um die Aufnahme der Talente in ein Förderprogramm (Güllich, 2013).

6. Talentförderung

Die Talentförderung umfasst die Gesamtheit aller Strukturen und Maßnahmen, welche Athleten und Athletinnen im Kindes- und Jugendalter zukommen; sie dienen zur Beeinflussung der Verhaltensweisen, die positive Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit zukünftiger langfristiger Erfolge im Spitzensport haben (Emrich & Güllich, 2005).

8

Da die Förderung von Talenten mit hohen Kosten verbunden ist und nicht für alle Sportler und Sportlerinnen gewährleistet werden kann, ist für das Funktionieren der Talentförderung eine valide Talentdiagnose entscheidend (Conzelmann et al., 2018; Güllich, 2013). Daher wird diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

2.3 Talentdiagnose

Bei der Talentdiagnose geht es um das frühzeitige Vorhersagen der sportlichen Entwicklung des Athleten bzw. der Athletin. Die Sportler und Sportlerinnen mit den höchsten langfristigen Erfolgschancen sind auf Basis von Unterschieden zum Diagnosezeitpunkt von denen mit niedrigeren Erfolgschancen zu unterscheiden. (Güllich, 2013)

In der Talentforschung wird dabei von einem Person-Umwelt-Konzept (siehe Abbildung 1) ausgegangen. Das Potential, das die Person mitbringt, entfaltet sich durch Spielen, Üben, Trainieren und Wettkämpfe und resultiert schließlich in der individuellen Spitzenleistung. Einen wesentlichen Einfluss auf die Potentialentfaltung haben die sogenannten Moderatoren: Sie werden gegliedert in nicht sportmotorische Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Motivation, Stressbewältigungsstrategien etc.) und in Merkmale des materialen und sozialen Umfelds (z.B. Trainerstab, Verein, Schule, Familie etc.). (Güllich, 2013)

9

Abbildung 1: Person-Umwelt-Konzept der Talententwicklung im Sport (adaptiert in Anlehnung an Heller et al., 2005; in Güllich, 2013, S. 630)

Darüber hinaus sind für die Talentdiagnose im Kindes- und Jugendalter verschiedene Merkmale relevant; die wichtigsten werden im Folgenden in Anlehnung an Güllich (2013) beschrieben.

Körperbau

Unterschiede im Körperbau ergeben sich durch die genetische Veranlagung und durch eine beschleunigte oder verzögerte Entwicklung. Im Kindes- und Jugendalter beeinflussen Unterschiede in Körpergröße und -gewicht zwar die Leistung; im Erwachsenenalter sind sie aber nicht mehr leistungsdifferenzierend. Trotzdem sind sportartspezifische Unterschiede, wie in einer Übersicht von Güllich (2007) dargestellt, erkennbar. So weisen Turnerinnen eine geringere Körpergröße, geringeres Körpergewicht, kürzere Extremitäten und einen verminderten Körperfettanteil auf, wohingegen Kinder und Jugendliche in den Sportarten Schwimmen, Handball, Volleyball und zahlreichen anderen Sportarten durch überdurchschnittliche Körpergröße und unterdurchschnittlichen BMI gekennzeichnet sind. (Güllich, 2007)

10

Sportmotorische Leistung und Wettkampferfolge

Die Annahme, dass eine hohe Leistung im Nachwuchsalter und ein hohes Entwicklungstempo auch zu besseren Leistungen im Erwachsenalter führen, ist für die meisten Sportarten nicht gültig. Güllich (2007) stellte fest, dass auch bei Berücksichtigung der sportmotorischen Fähigkeiten Voraussagen über spätere Leistungen anhand der Leistungen im Nachwuchsalter nicht über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren getätigt werden können. Güllich und Emrich (2014) zeigten in ihrer Studie über deutsche Olympiasportler, dass die Leistungen im Jugendalter nicht mit den Leistungen im Erwachsenalter korrelieren. Der sportmotorischen Leistung und der Bestimmung von Talenten widmen sich auch Lidor et al. (2009): Sie führen an, dass die Verwendung von sportmotorischen Fitnesstests insbesondere in der frühen sportlichen Entwicklung und vor der Pubertät für die Talentdiagnose und -selektion nicht zu empfehlen ist.

Moderatoren des Trainings- und Wettkampfprozesses

Vor allem die Merkmale des Trainingsprozesses und des Athletenumfeldes wurden für die Talentdiagnose bis dato noch wenig berücksichtigt, spielen aber in der Entwicklung der Talente eine entscheidende Rolle und sind in diesem Bereich auch Bestandteil der sportwissenschaftlichen Forschung (Güllich, 2013). So wird zum Beispiel dem verantwortlichen Trainerteam sowie dem Trainingsalter und - umfang eine entscheidende Rolle zugeschrieben. Auch das Elternhaus und dessen positive Einstellung zum Sport, Freunde im Sport, die Sportkultur der Mannschaft sowie psychologische Faktoren wie Motivation (vor allem intrinsische Motivation), Bereitschaft zur harten Arbeit, Freude am Sport, Kreativität, Erfolgsorientierung, mentale Stärke und Selbstvertrauen sowie Techniken zur Angstregulation und Leistungsdruckverarbeitung sind wichtige Komponenten in der Entwicklung von Talenten. (Conzelmann et al., 2018; Güllich, 2007; Güllich, 2013; Issurin, 2017; Williams & Reilly, 2000)

11

2.3.1 Forschung zur Talentdiagnose

Als bis dato beste Möglichkeit der Talentdiagnose haben sich multivariate Ansätze herausgestellt, bei denen neben grundlegenden sportmotorischen Fertigkeiten, sportartspezifischen Fähigkeiten und Wettkampfleistungen auch psychische und persönlichkeitsorientierte Faktoren miteinbezogen werden (Abbott & Collins, 2004; Güllich, 2013). Zum Beispiel zeigten Schneider et al. (1993), dass durch das Miteinbeziehen von psychologischen Merkmalen und Aspekten des sozialen Umfelds zusätzlich zu allgemeinen sportmotorischen und sportartspezifischen Tests die Vorhersagegenauigkeit der Weltranglistenposition im Tennis verbessert werden konnte. Die frühzeitige Erkennung von Talenten im Einzelfall ist aber selbst mit den besten wissenschaftlichen Verfahren bis dato mit großen Fehlern behaftet und kann zu Fehleinschätzungen führen (Güllich, 2013).

Die Ursachen für Fehler in der Talentdiagnose und -entwicklung werden von Güllich (2013) wie folgt zusammengefasst:

„Bisherige traditionelle Verfahren können der Komplexität der vielfältigen Einflussgrößen der Person, der Umwelt und ihrer Wechselbeziehungen untereinander sowie mit der Leistungsentwicklung, deren unterschiedlicher Variation innerhalb der einzelnen Sportler über die Zeit sowie der Tatsache, dass zwischen vielen „Talentmerkmalen“ und der Leistungsentwicklung keine einfachen Je-desto-Beziehungen, sondern nonlineare Beziehungen bestehen, nur unzureichend Rechnung tragen.“ (Güllich, 2013, S. 635)

In Abbildung 2 werden die Komplexität der Talentforschung und das enge Zusammenspiel zwischen Talentdiagnose und Talentförderung dargestellt. Die Darstellung zeigt, dass die Talentforschung in einem integrativen Rahmenmodell weitere Fortschritte bringen könnte. Dazu sind nach Hohmann (2009) vermehrt inter- und multidisziplinäre Konzepte, die zugleich dynamisch bzw. als

12

Längsschnittstudien angelegt sein sollten, notwendig; so können die Einzelbereiche der Talentforschung bestmöglich verbunden werden.

Johnston et al. (2018) kamen in einem aktuellen Review zur Talentidentifikation im Sport jedoch zu der Erkenntnis, dass die bisherige Forschung sehr einseitig war und viele Variablen bis dato noch nicht berücksichtigt wurden. Vaeyens et al. (2008) raten wegen der speziellen Anforderungen jeder einzelnen Sportart von einem allgemeinen Talentidentifikationsmodell ab und bevorzugen zur Talentidentifikation sportartspezifischere und individuellere Methoden, zum Beispiel unter Berücksichtigung der körperlichen Entwicklung und des Trainingsalters.

Abbildung 2: Rahmenmodell der spitzensportorientierten und wissenschaftlich begleiteten Talententwicklung mit den Ankerpunkten initiale, juvenile und finale sportliche Leistung als Stationen der Talentdiagnose und Talentförderung (Hohmann, 2009, S. 15)

13

2.3.2 Herausforderungen in der Talentdiagnose

Viele Faktoren wirken sich auf die Leistungen im Kindes- und Jugendalter aus und stellen die Talentdiagnose damit vor große Herausforderungen. Insbesondere gilt es, die folgenden Aspekte zu beachten.

Kompensationsmöglichkeiten

In vielen Sportarten können Leistungsunterschiede besonders im Jugendalter durch andere Fähigkeiten und Fertigkeiten kompensiert werden. So können zum Beispiel geringere Kraft oder fehlende Schnelligkeit in vielen Sportarten durch eine bessere Technik kompensiert werden. Das Problem dabei ist, dass sich die unterschiedlichen Leistungsmerkmale auch von Person zu Person unterschiedlich stark und individuell entwickeln, und dies die Vorhersage erschwert. Typischerweise wechseln sich in der Entwicklung eines Athleten bzw. einer Athletin Phasen des Leistungsrückgangs, der Leistungsstagnation und der Leistungssteigerung ab. (Güllich, 2013)

Validitätsverschiebung

Ein weiteres Problem ergibt sich durch die mit dem Alter einhergehende Verschiebung der leistungsbestimmenden Faktoren. Beispielsweise kann die Körpergröße im Jugendalter ein leistungsbestimmender Faktor sein, der im Hochleistungsalter seine Bedeutung verliert. In diesem Fall wird von Merkmalsstabilität (Emrich & Güllich, 2005; Güllich, 201;) oder Positionsstabilität des Merkmals (Conzelmann et al., 2018) gesprochen; diese muss gegeben sein, um eine valide Vorhersagbarkeit zu gewährleisten. Auch psychische Fertigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale können sich im Laufe der Zeit ändern und sind darum in diesem Kontext zu beachten (Güllich, 2013).

14

Umwelteinflüsse

Die Einflüsse der Umwelt auf Athleten und Athletinnen sind in der Talententwicklung ein stark beforschtes Themengebiet, jedoch für die Talentdiagnose sehr schwer greifbar. Zu berücksichtigen sind zum Beispiel soziale und kulturelle Aspekte. So spielt der Stellenwert, den eine Sportart in einem Land einnimmt, eine große Rolle. Eishockey in Kanada, Fußball in Brasilien oder der Laufsport in Kenia sind Beispiele dafür, dass Länder, in denen die jeweilige Sportart hohes Ansehen genießt, auch regelmäßig Spitzenathleten und - athletinnen sowie Spitzenleistungen in dieser Disziplin hervorbringen (Horton, 2012). Außerdem ist die Größe der Stadt, in welcher Athleten und Athletinnen aufwachsen, laut Côté et al. (2006) ein entscheidender Faktor: Sie untersuchten verschiedene Sportarten in den USA und fanden heraus, dass unverhältnismäßig viele Profisportler und Profisportlerinnen aus Städten mit weniger als 500.000 Einwohnern und unverhältnismäßig wenige aus Städten mit über 500.000 Einwohnern oder auch aus Städten mit weniger als 1.000 Einwohnern stammten.

Eine große Rolle wird dem Elternhaus und dem familiären Umfeld zugeschrieben. So sind Kinder von aktiven oder ehemals im Sport aktiven Eltern und Kinder, die Freunde im Sport haben, überrepräsentiert. Außerdem sind Kinder aus höheren sozioökonomischen Schichten und mit höherer Bildung häufiger im Sport anzufinden. (Güllich, 2013)

Zudem kommt auch den Trainern und Trainerinnen (späterer) Spitzenathleten und -athletinnen in den Kindesjahren eine wichtige Bedeutung zu: Sie werden in einer Zusammenfassung wissenschaftlicher Studien zur Talentförderung von Emrich und Güllich (2005) aus retrospektiver Sicht als „[…] besonders enthusiastisch, engagiert, belohnend, ermutigend, die Kindesaktivität verstärkend sowie Spaß, Freude und freies Spiel unterstützend […]“ (S. 83) beschrieben. In späteren Jahren kam es in vielen Fällen zu einem Trainerwechsel, welcher „[…] als besonders zielorientiert führend, perfektionistisch und extrem qualitätsfordernd […]“ (Emrich & Güllich, 2005, S. 83) dargestellt wird.

Ein Problem für die Talentdiagnose entsteht dann, wenn es zu unerwarteten Änderungen im Umfeld kommt. Beispielsweise können ein Vereins- oder Trainerwechsel, unerwartete Leistungsstagnationen oder Leistungssprünge,

15 veränderte schulische Beanspruchungen oder Veränderungen im sozialen Umfeld (zum Beispiel Trennung der Eltern) die Entwicklung eines Talents maßgeblich beeinflussen. (Güllich, 2013)

Frühzeitige Spezialisierung und Trainingsalter

Emrich und Güllich (2005) stellten fest, dass ein frühzeitiger Einstieg in die Spezialsportart mit altersmäßig hohen Trainingsumfängen die Chancen für die Aufnahme in ein Fördersystem im Kindes- und Jugendalter erhöht. Insgesamt wird die Frage der frühzeitigen Spezialisierung jedoch sehr kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite stehen Ford et al. (2009), die eine frühe Spezialisierung auf die Hauptsportart als beste Lösung für eine hohe Leistung im Erwachsenenalter ansehen. Auf der anderen Seite zeigten Côté et al. (2009), dass eine breite, sportartübergreifende Förderung im Kindes- und Jugendalter für spätere Erfolge zielführend ist. Diese Annahme unterstützen auch Moesch et al. (2011), die herausfanden, dass sich Eliteathleten und -athletinnen in c-g-s2 Sportarten später spezialisierten als ihre weniger erfolgreichen Kontrahenten und Kontrahentinnen.

Drop-Out

Als Drop-Out wird der Ausstieg aus dem leistungssportlichen Engagement in einer Sportart bezeichnet. Dies ist meist viel mehr ein langfristig vorbereiteter, bedachter Prozess als ein abruptes Ereignis. Laut Güllich (2013) ist der Ausstieg eine Folge der Partizipationsdauer in einer Sportart. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Drop-Out bei Sportlern bzw. Sportlerinnen steigt, je länger sie in der Sportart aktiv sind. Das bedeutet auch, dass ein früher Einstieg in eine Sportart einen frühen Ausstieg begünstigt. (Güllich, 2013)

Laut Joch (2001) ist der Drop-Out vor allem ein gesellschaftliches Problem. Gründe sind zum Beispiel andere Freizeitinteressen, fehlende Motivation oder das

2 c-g-s steht für Zentimeter (c), Gramm (g) und Sekunden (s) und bezeichnet Sportarten, die in diesen Einheiten gemessen werden.

16

Bevorzugen einer beruflichen oder schulischen Ausbildung. Aus Athletenperspektive sind die Hauptfaktoren für einen Drop-Out häufig Verletzungen, Trainerkonflikte und Zeitmangel für andere Interessen bzw. eine Kombination dieser Faktoren (Emrich & Güllich, 2005). Als Bindungsfaktoren im Leistungssport haben sich angenehme Begleiterscheinungen wie emotionale Bindung oder das Zusammensein mit Freunden, die Freude am Sport und an der Leistung, persönliche Investitionen (Zeit, Anstrengung) und ein geringer sozialer Druck herausgestellt (Emrich & Güllich, 2005).

Der Drop-Out kann im weiteren Sinne aber auch positive Auswirkungen haben: So engagieren sich mehr als die Hälfte der Drop-Outs wieder im Sport und leisten somit einen Beitrag für den Sport. Zusätzlich werden Athleten und Athletinnen durch Sport zur Mündigkeit und Selbstbestimmung erzogen. Auch das Interesse am Wohl des Sportlers bzw. der Sportlerin kann für einen Drop-Out verantwortlich sein. Ein weiterer Faktor ist, dass die Mittelmäßigen, die zu schwach sind um sich bis an die Spitze durchzusetzen, aber zu stark, um ihre Motivation und Ambition zum sportlichen Erfolg aufzugeben, häufig am längsten im Fördersystem verweilen und so wertvolle Plätze besetzen. Dieses „Mittelmaß“ verbraucht eine große Menge an Ressourcen, die anderswertig genützt werden könnten (Emrich & Güllich, 2005; Güllich, 2013; Joch, 2001).

Verletzungen

Verletzungen bringen mehrere Probleme mit sich: Einerseits kann es sein, dass Verletzungen – wie bereits erwähnt – das Ende einer Sportkarriere (Drop-Out) bedeuten. Andererseits kann durch eine oder mehrere Verletzungen die Entwicklung des Sportlers bzw. der Sportlerin durch den Verlust an Trainingszeit beeinträchtigt wird (Steidl-Müller et al., 2019).

Kalendarisches Alter und biologische Reifung

Auch kalendarische Altersunterschiede und beschleunigte (Akzeleration) bzw. verzögerte (Retardation) biologische Reifung beeinflussen die Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen. Im Erwachsenenalter verlieren aber sowohl ein

17 biologischer Reifungsvorteil als auch ein kalendarischer Altersvorteil ihren Einfluss auf die sportliche Leistung. (Güllich, 2013)

Kapitel 3 dieser Arbeit beschäftigt sich genauer mit der Problematik der relativen Altersunterschiede im Sport.

2.3.3 Lösungsversuche für Probleme der Talentdiagnose

Um den oben erwähnten Herausforderungen und anderen Problemen in der Talentdiagnose entgegenzuwirken, wurden in der Literatur verschiedene Ansätze und Konzepte vorgestellt. Die wichtigsten von ihnen werden im Folgenden näher beschrieben.

Schwellenkonzept

Üblicherweise wird die tatsächliche Rangfolge herangezogen, um ein Talent zu identifizieren; beim Schwellenkonzept hingegen werden Mindestanforderungen an die verschiedenen Talentmerkmale gestellt. Dadurch ist es möglich, eine größere Bandbreite an Variablen zu berücksichtigen. Das Problem besteht aber in den relativ unterschiedlichen Leistungsmerkmalsausprägungen im Nachwuchsalter, die dazu führen, dass die Schwelle sehr nieder angesetzt werden müsste. Befinden sich zu viele Athleten oder Athletinnen über dem Schwellenwert, verbessert diese Methode das System der Talentselektion nicht. (Güllich, 2013; Hohmann, 2009)

Unscharfe Talentdiagnose

Die unscharfe Talentdiagnose sollte jene Talente, welche die größte Wahrscheinlichkeit besitzen, im Erwachsenenalter Spitzenleistungen zu erbringen, am meisten fördern, die anderen aber dabei nicht komplett vernachlässigen. Nichtsdestotrotz muss auch bei dieser Methode eine Auswahl für eine Fördergruppe getroffen werden, was wiederum das grundlegende Problem der Talentselektion nicht verhindert. (Güllich, 2013)

18

Personorientierung

Bei dieser Methode nach Conzelmann et al. (2018) soll der Fokus weg von der Suche nach Talentmerkmalen (Variablen) und hin zur Suche nach Talenten (Personen) gehen. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass eine Erklärung der sportlichen Leistung unterschiedlicher Sportlerinnen und Sportler durch das gleiche Talentmodell nicht nötig wäre. Die Personorientierung geht von einer Person als funktionierendes Ganzes aus und beachtet, dass die individuelle Entwicklung in vielfältiger Wechselwirkung mit der Umwelt geschieht. Die Umsetzbarkeit der Methode der Ganzheitlichkeit ist jedoch kaum möglich. Darum wird als Lösungsvorschlag das Person-Umwelt-Konzept herangezogen und in verschiedene Subsysteme aufgegliedert, die in Wechselwirkung zueinander betrachtet werden sollten. Für die Umsetzung werden verschiedene Profile zu verschiedenen Entwicklungszeitpunkten beachtet. Dabei wird versucht, die Wahrscheinlichkeit der Entwicklungswege in den unterschiedlichen Profilen zu bestimmen. Ein Beispiel dafür ist der Schweizer Nachwuchsfußball, anhand dessen unterschiedliche motivationale Ausprägung mit dem personorienierten Ansatz untersucht wurden: Es stellte sich heraus, dass sich im Alter von 12 Jahren der eigene Antrieb zum Fußballspielen, die Suche nach dem Erfolg und der Anspruch, sich selbst und sich im Vergleich zur Konkurrenz zu verbessern, günstig auf die mittelfristige Leistungsentwicklung auswirken. Damit konnten zumindest schon Teilantworten eines komplexen Zusammenspiels geliefert werden. (Conzelmann et al., 2018)

Zeitlich begrenzte Vorhersage

Bei der zeitlich begrenzten Vorhersage erfolgt die Talentauswahl nur für einen kurzen Zeitraum oder eine bestimmte Trainingsetappe. Doch auch bei dieser Methode kann nicht garantiert werden, dass alle Talente erkannt werden. Außerdem könnte eine Talentförderung über kurze Zeit den selektionierten Athleten und Athletinnen eventuell einen Vorteil verschaffen und nicht selektionierte Talente würden es im nächsten Selektionszeitraum schwerer haben, sich zu qualifizieren. (Güllich, 2013)

19

Da sich das Erkennen und Fördern von Talenten als schwierig gestaltet und viele verschiedene, teilweise unbeeinflussbare oder auch unbeachtete Variablen die sportliche Leistungsentwicklung beeinflussen können, ist es für das Funktionieren des Fördersystems umso wichtiger, die wenigen bekannten und beeinflussbaren Variablen zu berücksichtigen. Eine der bekannten und teilweise auch beeinflussbaren Variablen ist der relative Alterseffekt. Dieser ist nach Steidl-Müller et al. (2019) neben der Verletzungsproblematik eine der zwei Hauptherausforderungen für die Talentdiagnose im alpinen Jugendskirennlauf und wird in dieser Arbeit nun auch für die Sportart Skispringen untersucht.

20

3 Der relative Alterseffekt (RAE)

3.1 Definition RAE

„Ein relativer Alterseffekt (RAE) liegt vor, wenn die Verteilung der Geburtsmonate selektierter Sportler von der Gleichverteilung der Normalpopulation dahingehend abweicht, dass eine Überrepräsentation von im ersten Quartal nach dem jeweiligen Selektionsstichtag geborenen Sportlern besteht.“ (Müller et al., 2012, S. 5)

3.2 Mechanismen

Um mehr Fairness im Sport zu schaffen, werden Kinder und Jugendliche bei Wettkämpfen in Altersklassen eingeteilt. Diese erstrecken sich typischerweise über ein bis zwei Kalenderjahre und sollen den vorhandenen Altersunterschied ausgleichen. Doch genau diese gut gemeinte Vorgangsweise provoziert den sogenannten Relative Age Effect (RAE) (Baker et al., 2010) oder auf Deutsch den relativen Alterseffekt. Für früh im Selektionsjahr geborene ergeben sich im Wesentlichen zwei Vorteile: ein Alters- und ein Entwicklungsvorsprung (Helsen et al. 2005; Lames et al., 2008).

Altersvorsprung

Ist der Stichtag am 1. Jänner, ist eine am 1.1. geborene Person im Gegensatz zu einer am 31.12. geborenen Person um 12 Monate minus einen Tag älter. Das bedeutet bei einem 10-jährigen Kind einen Lebenszeitvorsprung von bis zu 10 Prozent. Dieser Vorsprung führt zu einem wesentlich erweiterten Erfahrungshorizont und wird als Altersvorsprung bezeichnet. (Lames et al., 2008)

21

Entwicklungsvorsprung

Neben dem Altersvorsprung steigt mit den zusätzlichen Monaten an Lebenszeit auch die Wahrscheinlichkeit, dass ältere Athleten und Athletinnen auch körperlich und geistig weiter entwickelt sind, als jüngere. Das biologische Alter ist dabei ganz klar vom RAE abzugrenzen, kann diesen aber wesentlich beeinflussen. (Lames et al., 2008; Musch & Grondin, 2001)

Müller et al. (2017a) konnten in ihrer Studie feststellen, dass relativ jüngere Spätentwickler in den Sportarten Ski Alpin und Fußball auf nationalem Spitzenniveau kaum repräsentiert sind. Ebenfalls dem Fußball widmeten sich Johnson et al. (2017): Ihre Studie an englischen Elite-Fußballakademien zeigte, dass der biologische Reifegrad von Athleten einen etwa zehn Mal stärkeren Einfluss auf die Selektion hat als der RAE. Interessante Ergebnisse ergab auch die Studie von Deprez et al. (2013), die bei relativ jüngeren Jugendfußballspielern einen hohen Prozentsatz an früh entwickelten Athleten und bei den relativ älteren Spielern eine große Anzahl an spät entwickelten Athleten fanden; dies weist darauf hin, dass relativ jüngere Athleten nur dann eine Chance haben, selektioniert zu werden, wenn sie früh entwickelt sind.

Helsen et al. (2005) beschrieben die Vorteile des Alters- und Entwicklungsvorsprungs in einem dynamischen Modell, das sich wie ein „Teufelskreis“ (siehe Abbildung 3) verhält. Die erhöhte Leistungsfähigkeit erzeugt ein positives Feedback durch Eltern, Trainer bzw. Trainerinnen, Bekannte usw., was bei Athleten bzw. Athletinnen zu einer größeren Motivation führt. Außerdem werden leistungsfähige Athleten und Athletinnen eher entdeckt und erhalten dementsprechende Förderungsmaßnahmen, was wiederum zu einer Leistungssteigerung führt. Güllich (2007) merkt an, dass Sportler bzw. Sportlerinnen, die für besondere Trainings- und Förderungsmaßnahmen ausgewählt wurden, auch in späteren Jahren eine höhere Leistung bringen als solche, die nicht ausgewählt wurden.

22

Abbildung 3: Teufelskreis (leicht modifiziert nach Lames et al., 2008, S. 5)

3.3 Determinanten

Die Mechanismen, die dem RAE zugrunde liegen, sind primär durch den Faktor „früher geboren“ bedingt. Hinzu kommen verschiedene Determinanten, die in verschiedener Weise Einfluss auf den RAE haben, und im Folgenden erläutert werden.

Selektionsniveau

Selektion ist eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen eines RAE. Werden alle Athleten bzw. Athletinnen in einen Kader aufgenommen (zum Beispiel weil nicht mehr Kandidaten bzw. Kandidatinnen vorhanden sind), kann kein RAE erwartet werden. Das hat zur Folge, dass mit zunehmendem Selektionsdruck ein größerer RAE angenommen werden kann. Besonders deutlich wird dies zum

23

Beispiel, wenn man Regionalkader, Landeskader und Bundeskader des gleichen Jahrgangs vergleicht. (Lames et al., 2008)

So konnten Müller et al. (2015a) herausfinden, dass im Kids-Cup (7 bis 11 Jahre) beim alpinen Skirennlauf die an den nationalen Finalrennen teilnehmenden Kinder einen signifikant stärkeren RAE aufwiesen als die Teilnehmer bzw. Teilnehmerinnen der regionalen Rennen.

Alter

Es gibt zwei Zeitabschnitte, in denen der RAE besonders wesentlich hervortritt: zum einen in noch sehr jungen Jahren, wenn die relativen Altersunterschiede verhältnismäßig größer ausfallen, und zum anderen in der Pubertät, wenn die Entwicklungsunterschiede besonders groß sein können (Güllich, 2007; Musch & Grondin, 2001).

In Hinblick auf diese Erkenntnis könnte angenommen werden, dass der RAE mit zunehmendem Alter, besonders nach der Pubertät, geringer ausfallen müsste. Oft werden diese Zusammenhänge aber durch Mechanismen, wie in Abbildung 3 dargestellt, verschleiert, und es kommt zu einem Nachwirken bis ins Erwachsenenalter (Lames et al., 2008). Hinzu kommt, dass die ersten Selektionsentscheidungen meist im Kindes- und Jugendalter getroffen werden – genau dann, wenn der Unterscheid zwischen biologischem und chronologischem Alter am größten ist (Güllich, 2007).

Geschlecht

Lames et al. (2008) beschrieben mehrere Gründe, warum der RAE bei Frauen weniger stark ausgeprägt ist als bei Männern: zum einen schwächt die früher einsetzende und abgeschlossene Pubertät den RAE ab, da viele Selektionszeitpunkte erst danach stattfinden, und zum anderen sind viele weibliche Varianten von Sportarten nicht so körperbetont.

Trotzdem konnte ein RAE auch bei Frauen festgestellt werden, beispielsweise im Fußball (Romann & Fuchslocher, 2013), Skilanglauf (Baker et al., 2014), im

24 alpinen Skirennlauf (Müller et al., 2012), bei den Youth Olympic Games 2012 (Raschner et al., 2005) oder im Schweizer Sportförderungssystem (Romann et al., 2018). Der RAE war jedoch fast immer weniger stark ausgeprägt als in der männlichen Vergleichsgruppe.

Sportart

Da in den vergangenen Jahren viel zum RAE geforscht wurde, konnte eine signifikante Ungleichverteilung der Altersquartale bereits in vielen Sportarten festgestellt werden. Beispiele findet man vor allem bei Teamsportarten wie Fußball (Cobley et al., 2008; Helsen et al., 2005; Romann et al., 2018; Romann & Fuchslocher, 2013;), Basketball (Delorme et al., 2011; Nakata & Sakamoto, 2011; Romann et al., 2018), Eishockey (Delorme et al., 2009; Romann et al., 2018, Turnnidge et al., 2014), Handball (Schorer et al., 2009) oder Volleyball (Nakata & Sakamoto, 2011; Romann et al., 2018). Aber auch bei Individualsportarten wie Schwimmen (Cobley et al., 2019; Romann et al., 2018), Ski Alpin (Müller et al. 2012; Müller et al., 2015a; Romann et al., 2018;) oder Tennis (Edgar & O’Donoghue, 2005; Romann et al., 2018) konnte bereits ein RAE nachgewiesen werden.

Vor allem jene Sportarten, bei denen die körperliche Leistungsfähigkeit ein ausschlaggebender Faktor ist, sind von einem RAE betroffen. Dies gilt besonders für Sportarten mit spezifischen Anforderungen an die Körpergröße (z.B. Volleyball) oder mit großen Kraftanforderungen. Darüber hinaus sind Sportarten, in denen es um das Messen in direkten Zweikämpfen geht, anfälliger für die Entstehung eines RAE. (Lames et al., 2008)

Im Gegensatz dazu wurde in manchen Sportarten kein RAE oder sogar ein umgekehrter RAE gefunden. Dies trifft besonders auf sogenannte kompositorische Sportarten wie Turnen zu (Lames et al., 2008). Auch bei Sportarten, bei denen ein geringeres Körpergewicht von Vorteil ist, wie bei Pferderennen, konnte ein inverser RAE nachgewiesen werden (Nakata & Sakamoto, 2011).

Außerdem merkten Musch und Grondin (2001) an, dass ein RAE insbesondere bei populären Sportarten auftritt, in denen die Zahl der potenziellen Bewerber und

25

Bewerberinnen für einen Kader besonders groß ist und den Selektionsdruck erhöht. So ergab sich zum Beispiel für Volleyball in Kanada, eine dortzulande weniger populäre Sportart ein kleinerer RAE als für die Nationalsportart Eishockey (Grondin et al., 1984; zitiert in Musch & Grondin, 2001).

3.4. Auswirkungen und Relevanz des RAE

Das Vorhandensein eines RAE in einer Sportart ist ein Zeichen für einen systematischen Selektionsfehler, durch den begabte junge Athleten und Athletinnen zugunsten relativ älterer übergangen werden. Dadurch wird die Effektivität von Talentförderprogrammen in Frage gestellt. Die bereits genannten Mechanismen und Determinanten führen schließlich dazu, dass nicht nur das Talent selbst, sondern auch der Geburtsmonat einen entscheidenden Einfluss auf die sportliche Entwicklung hat. (Baker et al., 2010; Lames et al., 2008)

Darüber hinaus können andere Faktoren, wie die biologische Entwicklung, den RAE beeinflussen bzw. verstärken (Deprez et al., 2013; Johnson et al., 2017; Müller et al., 2017a). Auch psychologische Faktoren, wie das Entstehen von Motivationsproblemen durch schlechte Wettkampfleistungen, können zu einem frühen Ausstieg aus der Sportart führen und so den RAE verstärken. Diesbezüglich konnten Delorme et al. (2011) bei 9 bis 15 Jahre alten Basketballspielern und -spielerinnen, die früh aus dem Sport ausgestiegen sind, eine Überrepräsentation des vierten Quartals und eine Unterrepräsentation der ersten zwei Quartale eruieren.

26

4 Talent im Skispringen

4.1 Das österreichische Nachwuchsförderprogramm

Skispringen hat in Österreich eine lange Tradition und erfreut sich großer Beliebtheit bei seinen Fans und dem Publikum. Damit die Sportart für die Masse interessant bleibt, ist im Endeffekt der Erfolg der heimischen Weltcupskispringer und –skispringerinnen entscheidend. Staudacher et al. (2006) stellten fest, dass nur ein wirksames Nachwuchsförderungssystem langfristig diese Erfolge bringen kann. Abbildung 4 zeigt anhand des in Österreich implementierten Modells wie ein solches Nachwuchsförderungssystem konkret aussehen kann.

Wie in Abbildung 4 ersichtlich, bilden die Eltern und Vereine die Basis des Nachwuchsförderungssystems. Die erste Herausforderung besteht darin, Kinder für die Sportart Skispringen zu begeistern; danach folgt die Grundausbildung in den Vereinen und Landesskiverbänden. Dort werden die Skispringer und Skispringerinnen unter anderem auf die Aufnahmeprüfung für eines der drei Ausbildungszentren (Stams, Saalfelden und Eisenerz) vorbereitet. Von dort an führt der Weg idealerweise in den ÖSV-Kader und weiter an die Weltspitze.

27

Abbildung 4: Strukturelle und inhaltliche Darstellung des Fördersystems „Skispringen in Österreich“ (private Darstellung von H. Haim3 in Anlehnung an Staudacher et al., 2006, S. 172)

4.1.1 Nachwuchsrekrutierung in Österreich

Traditionell sind in Österreich die jeweiligen Vereine dafür verantwortlich, Kinder für ihre Vereine zu gewinnen. Aktuell gibt es in Österreich 31 aktive Vereine (ÖSV, 2018a), die junge Skispringer und Skispringerinnen ausbilden.

Eine schon lange praktizierte Methode sind sogenannte „Guglhupfspringen“. Bei diesen Wettkämpfen dürfen alle Kinder an den Start gehen, die Skispringen ausprobieren möchten. Es wird mit Alpinmaterial auf einer 5- bis 10-Meter-

3 Mag. Harald Haim ist Nachwuchsreferent für Sprunglauf im Österreichischen Skiverband, Vorsitzender des FIS Subkomitees „Youth and Children“ Sprunglauf und sportlicher Leiter im Schigymnasium Stams.

28

Schanze gesprungen und jeder Teilnehmer bzw. jede Teilnehmerin erhält als Preis einen Guglhupf (Kuchen).

In Anlehnung an diese „Guglhupfspringen“ gibt es seit 2007 den „Goldi Talente Cup“. ist Schirmherr dieser Veranstaltungen. Ziel ist es, 6- bis 10-jährige Kinder für den Skisprungsport zu begeistern und an die in ihrer Heimatumgebung tätigen Skisprungvereine weiterzuleiten.

Zusätzlich besuchen viele Vereine die Schulen in ihrem Einzugsgebiet und versuchen dort im Rahmen einer Turnstunde, die Sportart Skispringen vorzustellen und mit verschiedenen Spielen, Sprungformen und Skisprungimitationen die Freude am und Begeisterung fürs Skispringen zu wecken. Am Ende werden Kontaktdaten inklusive Einladung zu einem Probetraining an die Kinder weitergegeben. Seit 2018 gibt es eine Initiative des ÖSV mit einem eigenen Nachwuchsprojektleiter, der den Vereinen in der Nachwuchsrekrutierung in Schulen unterstützend zur Seite steht.

4.1.2 Kinder- und Schülertraining im Verein und Landesskiverband

Im Gegensatz zu Breitensportarten wird Skispringen ab dem Einstieg in die Sportart eigentlich nur als Leistungssport oder zumindest als leistungsorientierter Sport durchgeführt. Gründe dafür sind die hohen Kosten für die Infrastruktur der Skisprunganlagen, die relativ hohen Kosten für das Skisprungmaterial und nicht zuletzt auch das große Verletzungsrisiko bei nicht fachgerechter Anleitung und Aufsicht der jungen Skispringer und Skispringerinnen. Das optimale Alter, um mit dem Skispringen zu beginnen, liegt zwischen 6 und 10 Jahren. Der Grund für dieses Altersfenster ist, dass die Wettkampfschanzen mit steigendem Alter immer größer werden: So müssen Athleten und Athletinnen in der Lage sein, ab 10 Jahren 60-Meter-Schanzen und ab 14 Jahren 90-Meter-Schanzen zu bewältigen, um regulär in ihrer Altersklasse an den Start gehen zu können. Die Einstiegsschanzengröße liegt bei 5 bis 20 m. Würde ein Kind nun erst mit 13 Jahren mit dem Skispringen beginnen, müsste es bereits nach einem Jahr Training eine 90-Meter-Schanze meistern können. Zum Vergleich: das sind

29 sogenannte „Normalschanzen“, auf denen auch Wettkämpfe im Weltcup, bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen ausgetragen werden (FIS, 2019).

Das Kinder- und Schülertraining wird im Skispringen in den Vereinen und Landesskiverbänden durchgeführt. Neue Mittelschulen (NMS) mit Schwerpunkt Skispringen gibt es aktuell nicht flächendeckend. In Eisenerz, Saalfelden, Schladming und Tschagguns wird in den NMS der Schwerpunkt nordische Kombination bzw. Skispringen angeboten. Diese Schulen können aber nur einen geringen Anteil4 der Skispringer und Skispringerinnen in Österreich ausbilden. Insgesamt gab es in der Saison 2018/19 in Österreich 394 Athleten und 79 Athletinnen, die an regionalen, nationalen oder internationalen Wettkämpfen im Skispringen und/oder der nordischen Kombination teilgenommen haben; davon waren 275 Athleten und 57 Athletinnen zwischen 7 und 15 Jahre alt. (H. Haim, persönliche Kommunikation, Juni 2019)

Ziel in diesem Alter ist es, eine breit gefächerte sportliche Grundausbildung anzubieten, und in der Sportart Skispringen einen Grundsprung zu erlernen, bei dem das Hauptaugenmerk auf die Themen Symmetrie im Anlauf und Flug, Balance beim Absprung und Telemarklandung gelegt werden sollte. Außerdem wird Kindern empfohlen, sowohl im Skispringen als auch in der nordischen Kombination Trainings und Wettkämpfe zu absolvieren, um eine breitere Basisausbildung zu gewährleisten. Oft fällt die Entscheidung für Skispringen oder nordische Kombination erst im Alter von etwa 14 Jahren beim Eintritt in ein Ausbildungszentrum. Die Vorbereitung auf die Aufnahme in eines der drei Ausbildungszentren für Sprunglauf zählt zu den wichtigsten Aufgaben in der Arbeit mit jungen Skispringern und Skispringerinnen.

4 Eisenerz: 10, Saalfelden: 10, Schladming: 5 und Tschagguns: 3 Schüler und Schülerinnen

30

4.1.3 Anschlusstraining in den Ausbildungszentren

Laut Staudacher et al. (2006) bestimmen die Qualität und der Umfang des Trainings wesentlich den sportlichen Erfolg. Mit der zunehmenden Belastung durch Ausbildung und Sport mit steigendem Alter ist es ohne die Ausbildungszentren kaum möglich, den Sportlern und Sportlerinnen die bestmögliche Förderung zukommen zu lassen.

Einen entscheidenden Schritt in der Karriere eines Skispringers oder einer Skispringerin stellt darum die Aufnahme in eines der drei Ausbildungszentren für Skispringen dar; diese erfolgt im Normalfall im Alter von 14 Jahren. Das Schigymnasium Stams mit der Handelsschule und dem Gymnasium, das Schigymnasium Saalfelden mit dem Gymnasium und das Nordische Ausbildungszentrum (NAZ) in Eisenerz mit der Berufslehre stehen im Skispringen aktuell zur Wahl. Das Schigymnasium Stams hat dabei die längste Tradition und existiert bereits seit 1967 (die Sparte Sprunglauf seit 1970). Zahlreiche Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sprechen für die hervorragende Arbeit dieser Institution.

Wie in Abbildung 4 zu erkennen ist, wird in den Ausbildungszentren großer Wert auf die körperliche und geistige Entwicklung der Sportler und Sportlerinnen im Alter von 14 bis 18 bzw. 19 Jahren gelegt. Die Vorbereitung auf das Leben als Hochleistungssportler bzw. -sportlerin inklusive präventivem Bewegungstraining, das in enger Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten und Universitäten erfolgt, steht dabei an oberster Stelle. Auch erste Erfahrungen im Mentaltraining und in der Wettkampfmaterialoptimierung werden bereits in diesem Alter gemacht. Im Schuljahr 2018/19 hatten 47 österreichische Skispringer und 8 österreichische Skispringerinnen einen Platz in einem der Ausbildungszenten. Im Vergleich zu den ca. 350 Sportlern und Sportlerinnen, die in vergleichbaren Ausbildungszentren einen der begehrten Plätze in der Sparte Ski Alpin einnahmen (Staudacher et al., 2006), ist das eine sehr geringe Anzahl.

Diese begrenzte Anzahl an Athleten und Athletinnen im Skispringen stellt den österreichischen Skisprungsport vor eine besonders schwierige Aufgabe. Die fachkundige und sorgsame Auswahl der richtigen Talente hat darum einen äußerst hohen Stellenwert.

31

4.2 Der RAE in der Sportart Skispringen

Eine eindeutige Aussage darüber, wie stark ein RAE in der Sportart Skispringen ausgeprägt sein könnte, ist schwierig, da für diese Sportart ein sehr komplexes und vielschichtiges Anforderungsprofil (siehe Abbildung 5) besteht.

Besonders im Kinder- und Schüleralter spielen auf Grund der kleineren Schanzengrößen körperliche Vorteile in den Bereichen Kraft und Schnelligkeit eine bedeutende Rolle. Diese körperlichen Vorteile können im Nachwuchsbereich (noch) nicht durch eine feine Technik oder besseres Skisprungmaterial aufgewogen werden.

Abbildung 5: Komponenten der sportlichen Leistung im Skispringen (Strickner, 2016, S. 11)

Im Erwachsenenbereich könnte die Tatsache, dass es sich beim Skispringen um eine technisch anspruchsvolle Sportart handelt, für eine weniger starke Ausprägung des RAE sprechen. Baker et al. (2014) konnten jedoch einen

32 signifikanten RAE bei männlichen Skispringern, die in der FIS-Datenbank registriert sind, nachweisen. Müller et al. (2012) untersuchten die Sportart Ski Alpin nach Disziplinen aufgeteilt auf einen RAE hin und konnten sowohl bei den Technik- als auch bei den Speedspezialisten sowie bei den Allroundern einen signifikanten RAE nachweisen, was auf die Komplexität des RAE hindeutet.

Eine weitere Determinante des RAE im Skispringen ist die Popularität der Sportart. Skispringen ist in Österreich sehr beliebt, jedoch findet man im Vergleich zu Sportarten wie Ski Alpin oder Fußball eine viel geringere Anzahl an aktiven Sportler und Sportlerinnen. Diese Tatsache könnte zu einer Abschwächung des RAE beitragen.

Vor allem auf Grund der geringen Anzahl an aktiven Skispringern und Skispringerinnen wäre es wichtig, auf das Vorhandensein eines möglichen RAE zu achten, damit keine Talente unentdeckt bzw. ungefördert bleiben. Bei einer ausbleibenden Förderung entsteht das Problem, dass der RAE sogar einen doppelten Auswahlfehler verursacht, da zum Teil weniger talentierte Sportler oder Sportlerinnen gefördert werden, die es aber trotzdem nicht an die absolute Weltspitze schaffen und damit Ressourcen verbrauchen, während hoch Talentierten diese Förderung verwehrt wird. (Lames et al., 2008)

Ein weiterer Umstand, der einen relativen Alterseffekt begünstigen könnte, ist die Tatsache, dass Skispringen nicht als Hobby-, sondern nur als leistungsorientierter Sport existiert, und darum schon sehr früh klar ist, dass mit 14 bzw. 15 Jahren der Schritt in ein Ausbildungszentrum mit Schwerpunkt Skisprunglauf gelingen muss, um bestmögliche Chancen auf internationalen Erfolg zu haben. Dies wird anhand der im Zuge dieser Arbeit erhobenen Daten deutlich: Sie zeigen, dass in den letzten 19 Jahren (2001 bis 2019) nur 3,2 % der ÖSV-Kadermitglieder kein Ausbildungszentrum besuchten bzw. besucht hatten. Keiner von ihnen schaffte es bis in die Nationalmannschaft.

Hinzu kommt, dass der Selektionszeitpunkt mit 14 bzw. 15 Jahren den RAE betreffend relativ ungünstig liegt. Cobley et al. (2009) beschrieben, dass eine Selektion zum Zeitpunkt der mittleren bis späten Pubertät (15 bis 18 Jahre) sehr anfällig für einen RAE ist. In Anlehnung daran stellten Müller et al. (2015c) für

33 diese Altersgruppe in der Sparte Ski Alpin einen signifikanten RAE bei der Aufnahme in ein Skiinternat in Österreich fest.

Zu unterscheiden sind die unterschiedlichen Aufnahmekriterien für ein Ausbildungszentrum mit Schwerpunkt Skisprunglauf und die Kriterien zur Aufnahme in einen ÖSV-Skisprungkader. Während für die Aufnahme in den ÖSV- Kader nur die Ergebnisse aus Skisprungwettkämpfen entscheidend sind, werden bei der Aufnahme in die Ausbildungszentren zusätzlich zu einem Skisprungwettkampf auch sportmotorische und psychologische Tests sowie anthropometrische Messungen durchgeführt und für die Auswahl berücksichtigt. Eine Übersicht dazu ist in Tabelle 2 dargestellt. (H. Haim, persönliche Kommunikation, Juni 2019)

In seiner Analyse der Aufnahmeprüfungen am Schigymnasium Stams (von 1984 bis 2014) konnte Strickner (2016) bei den durchgeführten sportmotorischen Tests und anthropometrischen Messungen keine signifikanten Unterschiede in der relativen Altersquartals-Verteilung feststellen. Diese Ergebnisse stimmen mit jenen von Müller et al. (2015c) überein: Sie widmeten sich dem alpinen Skirennlauf und fanden bei den in einem Skiinternat in Österreich durchgeführten Leistungstests (Alter 10 bis 13 Jahre) keine signifikanten Unterschiede in der Altersquartals- Verteilung. Dies zeigt, dass die Kandidaten und Kandidatinnen aus dem vierten relativen Altersquartal bereits das gleiche oder sogar ein höheres Level aufzeigen müssen, um selektioniert zu werden.

34

Tabelle 2: Anforderungen für die Aufnahme an einem Ausbildungszentrum bzw. im ÖSV-Kader

Tests Messungen

Skisprungwettkampf, Standweitsprung, Schigymnasium Körpergröße, CMJ, SJ, Hürden-Bumerang, Hindernislauf, Stams Gewicht Turnen, Sit-and-Reach

Skisprungwettkampf, Standweitsprung, Schigymnasium Körpergröße, Ausbildungs- CMJ, SJ, Hürden-Bumerang, 20m-Sprint, Saalfelden Gewicht zentrum 3000m-Lauf, Slackline, psychologische Test

Skisprungwettkampf, Standweitsprung, CMJ, SJ, Hürden-Bumerang, 3er-Hopp Körpergröße, NAZ Eisenerz einbeinig, 5er-Hopp, diverse Mobilitätstests, Gewicht Geschicklichkeitsparcours

Wettkampfergebnisse - 3 Teilergebnisse notwendig (keine vollständige Auflistung, vereinfachte Darstellung)

Nachwuchs- Austria-Cup Top 3; Alpencup Top 15; FIS-Cup Top 15 kader (C-Kader)

ÖM Jugend/Junioren Sieger; Alpencup Top 6; FIS-Cup Top B-Kader ÖSV-Kader 5; COC Top 15; JWM Einzel Top 15, JWM Team Top 3 A-Kader COC Sieger; JWM Einzel Top 6; WC Top 25

National- WC Top 10; Nur ein Ergebnis notwendig bei: WM, SFWM, mannschaft OS Einzel Top 6 bzw. Team Top 3; WC Gesamt Top 15

Notiz: NAZ = Nordisches Ausbildungszentrum; CMJ = Counter Movement Jump; SJ = Squat Jump; ÖM = Österreichische Meisterschaft; COC = Continental Cup; JWM = Junioren Weltmeisterschaft; WC = Weltcup; WM = Weltmeisterschaft; SFWM = Skiflug Weltmeisterschaft; OS = Olympische Spiele; Informationen zu Ausbildungszentren erhalten von: H. Haim, G. Percht und J. M. Wenninger (persönliche Kommunikation, Juni 2019); Informationen zu ÖSV-Kader entnommen aus: Protokoll Herbstsportwartetagung (internes Dokument, Oktober 2018).

35

5. Empirische Erhebung

5.1 Zielsetzung und Aufgabenstellung

Studien zum RAE im Skispringen gibt es bisher nur sehr wenige. Interessant ist jene von Baker et al. (2014), die einen signifikanten RAE im Skispringen nachweisen konnten. Sie untersuchten alle in der FIS Datenbank registrierten Sportler und Sportlerinnen mit der Einschränkung, dass sie 1970 oder später geboren sein mussten, und kamen zu dem Ergebnis, dass 32,3 % der männlichen Skispringer im ersten relativen Altersquartal geboren sind und nur 18,9 % im vierten Quartal. Für die weiblichen Skispringerinnen konnten Baker et al. (2014) jedoch keinen RAE feststellen. Aufgrund der eher geringen Anzahl an Skispringerinnen im ÖSV-Kader und in den Ausbildungszentren konzentriert sich diese Arbeit nur auf die Skispringer.

In ihrer Untersuchung zu den Olympischen Jugendspielen in Innsbruck 2012 fanden Rascher et al. (2012) einen RAE in der Kategorie technische Sportarten, in der die Disziplin Skispringen inkludiert war. Der RAE war dabei aber schwächer ausgeprägt als bei Kraft- und Ausdauersportarten. In ihrer Analyse des Schweizer Sportförderungssystems konnten Romann et al. (2018) keinen statistisch signifikanten RAE im Skispringen bei allen Teilnehmern ab 7 Jahren nachweisen (Q1: 33,8 %; Q2: 13,5 %; Q3: 24,3 %; Q4: 28,4 %).

Strickner (2016) konnte in seiner Diplomarbeit bei den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung des Schigymnasium Stams einen RAE feststellen, nicht aber bei den aufgenommenen Schülern. Da in Österreich neben dem Schigymnasium Stams auch das Schigymnasium Saalfelden bzw. das NAZ Eisenerz Skispringer im selben Alter (zwischen 14 und 15 Jahren) für ihre Ausbildung selektieren, blieb ein nicht unwesentlicher Teil des österreichischen Skisprungnachwuchses unbeobachtet. Darüber hinaus ist bis dato unklar, ob ein RAE auch in der österreichischen Skisprungelite, nach der Zeit in den Ausbildungszentren, existiert.

Deshalb war das das Ziel dieser Arbeit, zu evaluieren, ob a) ein RAE in den österreichischen Skisprung-Nationalkadern (Nationalteam, A-, B-, C-Kader) besteht, b) die Selektion bei der Aufnahme in ein österreichisches Skisprung-

36

Ausbildungszentrum einen RAE hervorruft bzw. begünstigt, und c) sich die Altersquartals-Verteilung im Laufe der Karriere durch die Selektion bei der Aufnahme in die verschiedenen ÖSV-Kader verändert.

5.2 Methodik

5.2.1 Hypothesen

Aufbauend auf die Zielsetzung wurden folgende Hypothesen formuliert:

Zu den ÖSV-Kadern:

Hypothese1:

H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und den ÖSV-Kadern in der Disziplin Skisprunglauf.

H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und den ÖSV-Kadern in der Disziplin Skisprunglauf.

Hypothese 2:

H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und dem Nachwuchskader des ÖSV in der Disziplin Skisprunglauf.

H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und dem Nachwuchskader des ÖSV in der Disziplin Skisprunglauf.

37

Hypothese 3:

H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und Athleten, die in der Disziplin Skisprunglauf mindestens den B-Kader des ÖSV erreichten.

H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und Athleten die in der Disziplin Skisprunglauf mindestens den B-Kader des ÖSV erreichten.

Zur Aufnahmeprüfung an den österreichischen Ausbildungszentren für Skisprunglauf:

Hypothese 4:

H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung des Schigymnasium Stams in der Sparte Skisprunglauf.

H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung des Schigymnasium Stams in der Sparte Skisprunglauf.

Hypothese 5:

H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und allen Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung an den österreichischen Ausbildungszentren für die Disziplin Skisprunglauf.

H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen der Gesamtbevölkerung und allen Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung an den österreichischen Ausbildungszentren für die Disziplin Skisprunglauf.

38

Hypothese 6:

H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung und den aufgenommenen Sportlern in der Sparte Skisprunglauf des Schigymnasium Stams.

H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung und den aufgenommenen Sportlern in der Sparte Skisprunglauf des Schigymnasium Stams.

Hypothese 7:

H0: Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung und den an den österreichischen Ausbildungszentren aufgenommenen Sportlern für die Disziplin Skisprunglauf.

H1: Es gibt einen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals- Verteilung zwischen den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung und den an den österreichischen Ausbildungszentren aufgenommenen Sportlern für die Disziplin Skisprunglauf.

Hypothese 8:

H0: Es gibt in der Sparte Skisprunglauf des Schigymnasium Stams keinen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals-Verteilung zwischen den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung und jenen Athleten, die später einen ÖSV- Kaderstatus erreichen.

H1: Es gibt in der Sparte Skisprunglauf des Schigymnasium Stams einen signifikanten Unterschied in der relativen Altersquartals-Verteilung zwischen den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung und jenen Athleten, die später einen ÖSV- Kaderstatus erreichen.

39

5.2.2 Stichprobe

ÖSV-Kader

Insgesamt wurden die Daten von 124 männlichen Skispringern, die in den Jahren 2001 bis 2019 mindestens für ein Jahr in einen ÖSV-Kader aufgenommen worden waren, erfasst.

Inkludiert sind auch Athleten, die im Sommer einen „Sternchenstatus“ hatten; das bedeutet, dass sie im Sommer mindestens ein Kaderergebnis erbringen mussten, um auch im Winter im Kader zu verbleiben. Nicht berücksichtigt wurden Athleten mit Stützpunktkaderstatus.

Durchliefen Athleten im Laufe ihrer Karriere mehrere Kaderstufen, so wurden sie in der Gesamtstichprobe nur einmal berücksichtigt und ihre im Beobachtungszeitraum höchste erreichte Kaderstufe wurde für die Detailanalyse herangezogen. In der Auswertung der einzelnen Kader kamen sie in jeder Kaderstufe vor, die sie mindestens einmal erreichen konnten.

Ausbildungszentren mit Schwerpunkt Skisprunglauf

Insgesamt wurden Daten von 203 männlichen Sportlern (inkl. Mehrfachantritte), die im Zeitraum zwischen 2010 und 2019 die Aufnahmeprüfung an einer der drei Ausbildungszentren absolvierten, gesammelt. Für die Analyse berücksichtigt wurde jeweils nur der erste Antritt im Regelschulalter (Stichtag 1. September) für die neunte Schulstufe; insgesamt ergibt sich eine Gesamtzahl von 147 Sportlern.

Für alle Ausbildungszentren gemeinsam (NAZ Eisenerz, Schigymnasium Saalfelden und Schigymnasium Stams) wurden die Daten im Zeitraum von 2014 bis 2019 analysiert. Dabei erfüllten 32 Bewerber für das NAZ Eisenerz, 39 Bewerber für das Schigymnasium Saalfelden und 69 Bewerber für das Schigymnasium Stams alle Kriterien für die Analyse. Insgesamt traten in diesem Zeitraum 88 verschiedene Sportler an mindestens einem Ausbildungszentrum zur Aufnahmeprüfung an. Absolvierten Athleten die Aufnahmeprüfung an mehreren Ausbildungszentren, so wurden sie nur einmal berücksichtigt.

40

Für das Schigymnasium Stams wurden eine separate Analyse der Daten der Jahre 2010 bis 2019 durchgeführt. Insgesamt absolvierten in diesem Zeitraum 169 Sportler die Aufnahmeprüfung; für 128 von ihnen war es der erste Antritt im Regelschulalter, der folglich für die Analyse berücksichtigt wurde.

Für die Analyse des weiteren sportlichen Karriereverlaufs der zur Aufnahmeprüfung am Schigymnasium Stams angetretenen Sportler wurde der Zeitraum von 2010 bis 2016 gewählt. Dies ergibt sich durch die Annahme, dass Schüler, welche erst 2017, 2018 bzw. 2019 aufgenommen wurden, nur sehr geringe Chancen bzw. noch keine Möglichkeit für eine Aufnahme in einen ÖSV- Kader hatten.

5.2.3 Datenerhebung

Zur Datenerhebung wurden ÖSV-Kaderlisten sowie Daten zu Aufnahmeprüfungen an den drei österreichischen Ausbildungszentren für Skispringen herangezogen. Die Kaderlisten inklusive Geburtsdaten der Sportler wurden vom Österreichischen Skiverband übermittelt. Die Teilnehmerlisten der Aufnahmeprüfungen inklusive den aufgenommenen Athleten und deren Geburtsdaten wurden von den jeweiligen Spartenleitern der Ausbildungszentren zur Verfügung gestellt.

5.2.4 Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mit SPSS 25 für Windows (SPSS Inc, Chicago, Illinois, USA). Die Effektstärke wurde mit dem Programm G*Power Version 3.1.9.4 für Mac berechnet (Universität Düsseldorf, Deutschland), und die Klassifizierung erfolgte nach Cohen (1988) (siehe Tabelle 3). Die Erstellung der Diagramme und Tabellen wurde mit Microsoft Excel für Mac Version 16.16.10 durchgeführt.

41

Tabelle 3: Klassifizierung der Effektstärke w

Effektstärke Bedeutung != 0,1 kleiner Effekt != 0,3 mittlerer Effekt != 0,5 starker Effekt

Notiz: Effektstärken zwischen zwei Grenzen bezeichnet man als klein bis mittel bzw. mittel bis stark; Klassifizierung der Effektstärke übernommen von Cohen (1988).

Für die Auswertung der Altersquartals-Verteilung wurde der Chi-Quadrat Test verwendet. Dabei wurde wie in vergleichbaren Studien (Baker et al., 2014; Lames et al., 2008) eine Gleichverteilung der Quartale (siehe Tabelle 4) angenommen. Die durchschnittliche Geburtenrate in Österreich in den letzten 13 Jahren (2006 bis 2018) war annähernd gleichverteilt (Quartal 1: 24,1 %; Quartal 2: 24,6 %; Quartal 3: 26,8 %; Quartal 4: 24,5 %) (Statistik Austria, 2019).

Tabelle 4: Einteilung der Geburtsmonate in Quartale und erwartete Gleichverteilung

erwartete Verteilung Geburtsmonate [%] Quartal 1 Jänner, Februar, März 25,0 Quartal 2 April, Mai, Juni 25,0 Quartal 3 Juli, August, September 25,0

Quartal 4 Oktober, November, Dezember 25,0

Wie von Lames et al. (2008) empfohlen, wurde für die Berechnung der Monatsverteilung folgende Soll-Verteilung angenommen: Jänner (8,49 %), Februar (7,67 %), März (8,49 %), April (8,22 %), Mai (8,49 %), Juni (8,22 %), Juli (8,49 %), August (8,49 %), September (8,22 %), Oktober (8,49 %), November (8,22 %) und Dezember (8,49 %).

Wenn beim Chi-Quadrat Test nicht von einer Gleichverteilung ausgegangen wurde, wird dies explizit erwähnt. Das Signifikanzniveau wurde auf p ≤ 0,05 festgelegt; in Diagrammen wurden signifikante Ergebnisse mit * gekennzeichnet.

42

6 Ergebnisse

Eine tabellarische Darstellung aller Ergebnisse ist im Anhang A und B zu finden.

6.1 ÖSV-Nationalkader

Insgesamt waren in den letzten 19 Jahren 124 verschiedene Athleten in einem ÖSV-Kader. In Abbildung 6 ist eine Tendenz zur Überrepräsentation des ersten Quartals (29,8 %) gegenüber des vierten Quartals (20,2 %) erkennbar. Der Chi- Quadrat Test ergab aber einen nicht signifikanten Unterschied zur Gesamtbevölkerung (χ2(3, N = 124) = 2,85; p = 0,461; w = 0,144). Die Nullhypothese (Hypothese 1) muss darum angenommen und die Alternativhypothese verworfen werden.

Relative Altersquartals-Verteilung im ÖSV-Kader von 2001 bis 2019 (n = 124) 50

40

30

20 Häufigkeit [%]

10

0 Quartal 1 Quartal 2 Quartal 3 Quartal 4 Relatives Altersquartal

Abbildung 6: Relative Altersquartals-Verteilung aller ÖSV-Kaderathleten von 2001 bis 2019

Bei Betrachtung der einzelnen Monate (in Abbildung 7 dargestellt) ist zu erkennen, dass die letzten vier Monate des Selektionszeitraumes unter der erwarteten

43

Monatsverteilung liegen, doch auch diesbezüglich ergab der Chi-Quadrat Test keinen signifikanten Unterschied zwischen der erwarteten Monatsverteilung und der Monatsverteilung unter den ÖSV-Kaderathleten (χ2(11, N = 124) = 7,73; p = 0,737; w = 0,250).

Relative Geburtsmonats-Verteilung im ÖSV-Kader von 2001 bis 2019 (n = 124) 14

12

10

8

6

Häufigkeit [%] 4

2

0

Mai Juli März April Juni Jänner Februar August Oktober September November Dezember ÖSV-Kader erwartete Verteilung

Abbildung 7: Relative Geburtsmonats-Verteilung aller ÖSV-Kaderathleten von 2001 bis 2019

Überprüft man alle Jahre von 2001 bis 2019 einzeln (siehe Abbildung 8), so zeigt sich für die Jahre 2009 (χ2(3, N = 29) = 7,83; p = 0,050; w = 0,520), 2010 (χ2(3, N = 25) = 13,56; p = 0,004; w = 0,736), 2011 (χ2(3, N = 29) = 10,59; p = 0,014, w = 0,604) und 2012 (χ2(3, N = 26) = 13,69; p = 0,003; w = 0,726) ein statistisch signifikanter RAE. Eine tabellarische Darstellung der Ergebnisse der einzelnen Jahre ist im Anhang B zu finden.

44

Entwicklung der relativen Altersquartals-Verteilung im ÖSV- Kader von 2001 bis 2019 100

90

80

70

60

50 Q4 Q3 40 Q2 Häufigkeit [%] Q1 30

20

10

0

2001 (n 2002= 26) (n 2003= 28) (n 2004= 31) (n 2005= 30) (n 2006= 23) (n 2007= 26) (n 2008= 24) (n 2009= 27) (n=29)2010 * (n=25)2011 * (n=29)2012 * (n=26)2013 * (n 2014= 31) (n 2015= 31) (n 2016= 27) (n 2017= 30) (n 2018= 30) (n 2019= 29) (n = 32)

Abbildung 8: Darstellung der Einzeljahre im Beobachtungszeitraum von 2001 bis 2019; Kumulierte Darstellung der Quartale 1 bis 4 (Q1 bis Q4). Signifikante RAE sind mit * gekennzeichnet.

Vergleicht man den Erfolg der einzelnen Athleten gemessen an ihrem höchsten erreichten Kaderstatus, so wird (wie in Abbildung 9 dargestellt) ersichtlich, dass Sportler, die mindestens den B-Kader erreichten und somit internationale Spitzenergebnisse erzielten, vorwiegend in der ersten Jahreshälfte geboren sind. Es ergeben sich jedoch weder für die Nachwuchskaderathleten (C-Kaderathleten) (χ2(3, N = 51) = 2,26; p = 0,521; w = 0,200), noch für die international erfolgreichen Athleten (χ2(3, N = 73) = 5,30; p = 0,151; w = 0,270) statistisch signifikante Abweichungen in der relativen Altersquartals-Verteilung gegenüber der Gesamtbevölkerung. Die Nullhypothesen (Hypothese 2 und Hypothese 3) müssen darum angenommen und die Alternativhypothesen verworfen werden.

45

Relative Altersquartals-Verteilung im ÖSV-Kader von 2001 bis 2019 (n = 124) 50

40

30

20 Haufigkeit [%] 10

0 Quartal 1 Quartal 2 Quartal 3 Quartal 4 Relatives Altersquartal

Nachwuchskader (n = 51) mind. B-Kader (n = 73)

Abbildung 9: Relative Altersquartals-Verteilung im ÖSV-Kader von 2001 bis 2019 aufgeteilt nach Athleten, die nationale Erfolge erreichten (Nachwuchskader), und Athleten, die international erfolgreich waren (mind. B-Kaderstatus)

Werden die Athleten nach dem höchsten in ihrer Karriere (bis jetzt) erreichten Kaderstatus sortiert (siehe Abbildung 10), so ergibt sich nur für den höchsten Kaderstatus (Nationalteam) ein signifikanter RAE (χ2(3, N = 25) = 9,08; p = 0,028; w = 0,603), nicht aber für die Nachwuchskader (χ2(3, N = 51) = 2,26; p = 0,521; w = 0,200), B-Kaderathleten (χ2(3, N = 28) = 2,00; p = 0,572; w = 0,267) und A- Kaderathleten (χ2(3, N = 20) = 2,00; p = 0,572; w = 0,316).

46

Relative Altersquartals-Verteilung im ÖSV-Kader von 2001 bis 2019 (n = 124) 50

40

30

20 Häufigkeit [%] 10

0 Quartal 1 Quartal 2 Quartal 3 Quartal 4 Relatives Altersquartal

Nachwuchskader (n = 31) B-Kader (n = 28) A-Kader (n = 20) Nationalteam (n = 25) *

Abbildung 10: Relative Altersquartals-Verteilung aufgeteilt nach der höchsten Kaderzugehörigkeit; Signifikante Abweichung von der Normalbevölkerung ist mit * gekennzeichnet.

Bei genauerer Betrachtung der Kaderathleten, welche im Schigymnasium Stams ihre Ausbildung absolvierten bzw. aktuell im Schigymnasium Stams zur Schule gehen (siehe Abbildung 11), ergibt sich im Zeitraum von 2001 bis 2019 bei den Nachwuchskaderathleten kein signifikanter RAE (χ2(3, N = 31) = 5,77; p = 0,123; w = 0,432); bei den Sportlern, die in ihrer Karriere mindestens den B-Kader erreichten, konnte ein signifikanter RAE mit mittlerem bis starkem Effekt beobachtet werden (χ2(3, N = 59) = 9,14; p = 0,028; w = 0,394).

47

Relative Altersquartals-Verteilung der Stamser ÖSV- Athleten von 2001 bis 2019 (n = 90) 50

40

30

20 Häufigkeit [%] 10

0 Quartal 1 Quartal 2 Quartal 3 Quartal 4 Relatives Altersquartal

Nachwuchskader (n = 31) mind. B-Kader (n = 59) *

Abbildung 11: Relative Altersquartals-Verteilung der Stamser Schüler im ÖSV-Kader von 2001 bis 2019 aufgeteilt nach Athleten, die nationale Erfolge erreichten (Nachwuchskader), und Athleten, die international erfolgreich waren (mind. B-Kaderstatus); Signifikante Abweichung von der Gesamtbevölkerung ist mit * gekennzeichnet.

6.2 Ausbildungszentren mit Schwerpunkt Skispringen in Österreich

Betrachtet man die Altersquartals-Verteilung beim Antreten zur Aufnahmeprüfung, so ergibt sich am Schigymnasium Stams weder für den Beobachtungszeitraum der letzten zehn Jahre (2010 bis 2019) (χ2(3, N = 128) = 4,69; p = 0,196; w = 0,191), noch für den Beobachtungszeitraum der letzten sechs Jahre (2014 bis 2019) (χ2(3, N = 69) = 3,99; p = 0,263; w = 0,240) ein signifikanter RAE. Die Nullhypothese (Hypothese 4) muss deshalb angenommen und die Alternativhypothese verworfen werden.

Auch bei Untersuchung aller drei Ausbildungszentren für Sprunglauf in Österreich (Schigymnasium Stams, Schigymnasium Saalfelden, NAZ Eisenerz) gemeinsam konnte bei den Athleten, die zur Aufnahmeprüfung angetreten sind, kein signifikanter RAE, aufgezeigt werden (χ2(3, N = 88) = 5,73; p = 0,126; w = 0,255).

48

Die Nullhypothese (Hypothese 5) muss deshalb angenommen und die Alternativhypothese verworfen werden.

Insgesamt schafften es von 2014 bis 2019 67,0 % der angetretenen Sportler, in einem der drei Ausbildungszentren aufgenommen zu werden. Analysiert man die Altersquartals-Verteilung vor und nach der Aufnahmeprüfung (Abbildung 12), so ist zu erkennen, dass es bei Betrachtung aller Ausbildungszentren gemeinsam annähernd keine Änderung (χ2(3, N = 59) = 0,06; p = 0,997; w = 0,031) gibt. Die Nullhypothese (Hypothese 7) muss darum angenommen und die Alternativhypothese verworfen werden.

Wenn nur die zur Aufnahmeprüfung am Schigymnasium Stams angetretenen und aufgenommenen Schüler betrachtet werden, so steigt der Anteil der im 1. Quartal Geborenen von 27,5 % bei der Aufnahmeprüfung auf 44,8 % bei der Aufnahme (siehe Abbildung 12). Eine Änderung in der relativen Altersquartals-Verteilung hinsichtlich der aufgenommenen Schüler gegenüber den angetretenen Schülern ist jedoch nicht signifikant (χ2(3, N = 29) = 4,73; p = 0,193; w = 0,401). Die Nullhypothese (Hypothese 6) muss deshalb angenommen und die Alternativhypothese verworfen werden. Generell wurden im Schigymnasium Stams in der Sparte Sprunglauf knapp über 40 % der angetretenen Sportler aufgenommen (2010 bis 2019: 40,6 %; 2014 bis 2019: 42,0 %).

49

Relative Altersquartals-Verteilung vor und nach der Aufnahmeprüfung von 2014 bis 2019 50

40

30

20 Häufigkeit [%]

10

0 Quartal 1 Quartal 2 Quartal 3 Quartal 4 Relatives Altersquartal

angetreten - ALLE Ausbildungszentren (n = 88) aufgenommen - ALLE Ausbildungszentren (n = 59) angetreten - Schigymnasium Stams (n = 69) aufgenommen - Schigymnasium Stams (n = 29)

Abbildung 12: Relative Altersquartals-Verteilung vor und nach der Aufnahmeprüfung an allen Ausbildungszentren zusammengefasst und am Schigymnasium Stams

Interessant ist auch die Betrachtung des sportlichen Karriereverlaufs der Athleten, die von 2010 bis 2016 die Aufnahmeprüfung am Schigymnasium Stams absolvierten (siehe Abbildung 13): In diesem Zeitraum wurden 38,3 % der angetretenen Schüler aufgenommen. Von den aufgenommenen Sportlern erreichten 63,9 % mindestens den ÖSV-Nachwuchskader und 10,6 % konnten einen B-Kaderstatus oder höher erreichen. Die relative Altersquartals-Verteilung der zur Aufnahmeprüfung angetretenen Athleten unterschied sich im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (χ2(3, N = 94) = 1,23; p = 0,745; w = 0,115) nicht signifikant; auch der Vergleich zwischen angetretenen und aufgenommenen Sportlern (χ2(3, N = 36) = 4,94; p = 0,176; w = 0,371) ergab hinsichtlich der Altersquartals- Verteilung keine signifikanten Unterschiede.

Die nächste Untersuchung galt den Nachwuchskaderathleten im Vergleich zu den angetretenen bzw. aufgenommenen Sportlern: Die Altersquartals-Verteilung der Nachwuchskaderathleten unterschied sich weder im Vergleich zu den zur Aufnahmeprüfung angetretenen Athleten (χ2(3, N = 23) = 2,07; p = 0,559; w =

50

0,300), noch im Vergleich zu den aufgenommenen Sportlern (χ2(3, N = 23) = 2,77; p = 0,964; w = 0,110) signifikant voneinander. Die Nullhypothese (Hypothese 8) muss darum angenommen und die Alternativhypothese verworfen werden. Eine statistische Analyse der B-Kaderathleten mittels Chi-Quadrat Test konnte aufgrund der kleinen Stichprobe (N=10) nicht durchgeführt werden.

Relative Altersquartals-Verteilung nach Kaderstufen am Schigymnasium Stams von 2010 bis 2016 50

40

30

20 Häufigkeit [%]

10

0 Quartal 1 Quartal 2 Quartal 3 Quartal 4 Relatives Altersquartal

angetreten (n = 94) aufgenommen (n = 36) Nachwuchskader (n = 23) mind. B-Kader (n = 10)

Abbildung 13: Altersquartals-Verteilung am Schigymnasium Stams, aufgeteilt nach erreichtem Kaderstatus und zur Aufnahmeprüfung angetretenen bzw. aufgenommenen Athleten

51

7 Diskussion

Diese Arbeit untersuchte den RAE im Skispringen. Ein Ziel dabei war zu evaluieren, ob in den Nationalkadern der Sparte Sprunglauf des ÖSV ein RAE besteht. Die Ergebnisse für den Zeitraum von 2010 bis 2019 zeigen keinen signifikanten RAE, wenngleich bei deskriptiver Analyse ein deutlicher Unterschied in der Häufigkeit zwischen den im ersten relativen Altersquartal Geborenen (29,8 %) und den im dem vierten relativen Quartal Geborenen (20,2 %) besteht. Diese Ergebnisse stimmen mit der Studie von Romann et al. (2018) überein, die im Schweizer Talententwicklungsprogramm bei den männlichen Skispringern zwischen 7 und 20 Jahren keinen RAE feststellen konnten. Sie untersuchten jedoch nur das Jahr 2014 und lieferten damit eine Momentaufnahme eines Einzeljahres, wohingegen diese Studie einen Beobachtungszeitraum von 19 Jahren anwendete.

Darüber hinaus wurden in der vorliegenden Studie auch die Einzeljahre analysiert: Die genauere Betrachtung zeigte einen signifikanten RAE in den einzelnen Jahren von 2009 bis 2012 mit starkem Effekt. Eine mögliche Erklärung für das Ergebnis in diesen Jahren könnte mit den großen Erfolgen der österreichischen Skispringer zu dieser Zeit (siehe Tabelle 5) zusammenhängen. Nicht nur die österreichischen Weltcupskispringer waren in der sogenannten „Ära der Superadler“ sehr erfolgreich; auch im Continental Cup, bei den Juniorenweltmeisterschaften und im Alpencup konnte kaum jemand mit den Österreichern mithalten. Dies könnte durch die besonders starke Weltcupmannschaft begünstig worden sein. Die Tatsache, dass es nur eine begrenzte Anzahl von sechs bis sieben Startplätzen im Weltcup gibt, erhöht auch die Konkurrenz im Continental Cup (sieben bis acht Startplätze) und weiterführend im Alpencup (15 Startplätze). Musch und Grondin (2001) stellten fest, dass Konkurrenz eine Grundvoraussetzung für einen RAE ist. Das heißt folglich: Je stärker die Plätze umkämpft sind, desto stärker könnte auch der RAE ausgeprägt sein. Da die Startplätze im Weltcup von sehr starken Skispringern besetzt waren, setzte sich die Konkurrenz bis in die untersten Ligen fort. Springer, die in anderen Jahren oder bei anderen Nationen bereits in der höheren Liga starten würden, waren gezwungen, in einer niedrigeren Liga anzutreten, was jungen Nachwuchssportlern die Chance auf einen internationalen

52

Startplatz erschwerte und somit möglicherweise auch zur Verstärkung des RAE beigetragen hat.

Tabelle 5: Sieger auf den wichtigsten Wettkampfebenen5 im Skispringen (ohne Skifliegen) im Zeitraum zwischen 2000/01 und 2018/19

Weltmeisterschaften oder Junioren Olympische Spiele Weltmeisterschaften Saison Nationen- wertung Weltcup Gesamtsieger 4-Schanzen- Tournee Sieger COC Gesamtsieger Alpencup Gesamtsieger Normal- schanze Groß- schanze Team (Groß- schanze) Einzel Team

Ryoyu Ryoyu Markus Clemens Thomas Aasen 18/19 Polen David Kubacki Deutschland Deutschland David Haagen Kobayashi Kobayashi Eisenbichler Aigner Markeng Andreas Sandro 17/18 Norwegen Kamil Stoch Kamil Stoch Norwegen Marius Lindvik Marius Lindvik Deutschland Wellinger Hauswirth Clemens 16/17 Polen Kamil Stoch Stefan Kraft Stefan Kraft Polen Viktor Polasek Slowenien Ziga Jelar Aigner

15/16 Norwegen Peter Prevc Tom Hilde David Siegel Deutschland Jonathan Siegel Johann Andre Simon 14/15 Deutschland Stefan Kraft Severin Freund Norwegen Anze Semenic Norwegen Forfang Greiderer Thomas Manuel Patrick 13/14 Österreich Kamil Stoch Kamil Stoch Kamil Stoch Deutschland Jakub Wolny Polen Diethart Fettner Streitler Gregor Gregor 12/13 Norwegen Kamil Stoch Österreich Anze Semenic Jaka Hvala Slowenien Cene Prevc Schlierenzauer Schlierenzauer Gregor Andreas 11/12 * Österreich Anders Bardal Nejc Dezman Norwegen Anze Lanisek Schlierenzauer Stjernen Thomas Thomas Thomas Gregor Vladimir Thomas 10/11 * Österreich Österreich Rok Zima Österreich Morgenstern Morgenstern Morgenstern Schlierenzauer Zografski Lackner Simon Andreas Simon Simon David Michael Thomas 09/10 * Österreich Österreich Österreich Ammann Kofler Ammann Ammann Unterberger Hayböck Diethart Gregor Wolfgang Wolfgang Stefan 08/09 * Österreich Andreas Küttel Österreich Lukas Müller Österreich Lukas Müller Schlierenzauer Loitzl Loitzl Thurnbichler Thomas Stefan David 07/08 Österreich Deutschland Morgenstern Thurnbichler Unterberger Anders Simon Balthasar Roman 06/07 Österreich Adam Malysz Adam Malysz Österreich Slowenien Mitja Meznar Jacobsen Ammann Schneider Koudelka Janne Ahonen/ Thomas Gregor Mario 05/06 Österreich Lars Bystoel Österreich Anders Bardal Österreich Jakub Janda Morgenstern Schlierenzauer Innauer 04/05 Österreich Janne Ahonen Janne Ahonen Rok Benkovic Janne Ahonen Finnland Anders Bardal Joonas Ikonen Slowenien Arthur Pauli Sigurd Olav Magne Mateusz 03/04 Norwegen Janne Ahonen Österreich Tobias Bogner Pettersen Doennem Rutkowski Stefan Thomas 02/03 Österreich Adam Malysz Janne Ahonen Adam Malysz Adam Malysz Deutschland Österreich Rok Urbanc Thurnbichler Morgenstern Sven Simon Simon Michale Janne Maximilan 01/02 Deutschland Adam Malysz Deutschland Finnland Hannawald Ammann Ammann Neumayer Happonen Mechler Veli-Matti 00/01 Finnland Adam Malysz Adam Malysz Adam Malysz Deutschland Akseli Lajunen Finnland Jörg Ritzerfeld Lindström Notiz: Erfolge der österreichischen Skispringer sind fett markiert; Sieger bei den Olympischen Spielen sind kursiv geschrieben; Saisonen, nach denen in den Nationalkadern ein RAE besteht, sind mit * gekennzeichnet; Resultate abgerufen von: www.fis-ski.com.

5 Seit der Saison 2005/2006 gibt es den FIS-Cup als weitere Wettkampfserie, die sich als „3. Liga“ unter dem Continental Cup einfügt. Da sich diese Wettkampfserie erst in den letzten Jahren etablierte und die Qualität des Starterfeldes sehr stark schwankt, wird er in dieser Tabelle nicht angeführt.

53

Als zusätzlicher Aspekt ist zu beachten, dass die FIS nach der Saison 2005/06 das Alterslimit für die Juniorenweltmeisterschaften im Skispringen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren um je ein Jahr angehoben hat (insgesamt von 18 auf 20 Jahre); damit einher geht auch eine Anhebung des Alterslimits im Alpencup (gleiche Altersklasse wie bei der Juniorenweltmeisterschaft). Dies könnte in den Jahren danach eine stärkere Konkurrenz im Alpencup und bei der Juniorenweltmeisterschaft verursacht haben: Da die Sportler auf dieser Wettkampfebene nun länger startberechtigt waren, kam es zu einem größeren Pool an potentiellen Athleten, jedoch standen gleich viele Startplätze zur Verfügung.

Andererseits könnte diese Maßnahme der FIS langfristig in Hinblick auf den RAE auch positiv gesehen werden. Durch die Verschiebung der Altersgrenze von 18 auf 20 Jahre haben die Athleten mehr Zeit, sich zu entwickeln, und die Chance, dass sich die biologischen Altersunterschiede, die während der Pubertät sehr groß ausfallen können, auf ähnlichem Niveau einpendeln, steigt. Strickner (2016) untersuchte in seiner Diplomarbeit die Top 10 der Juniorenweltmeisterschaften im Skispringen von 2010 bis 2016 auf einen RAE und konnte dabei keinen signifikanten Unterschied in der Altersquartals-Verteilung eruieren; allerdings gibt er zu bedenken, dass die Unterrepräsentation der im 4. Quartal Geborenen mit 15 % auf einen Selektionsfehler, der im Nachwuchsbereich erfolgte, hinweisen könnte. Steidl-Müller et al. (2019) stellten in ihrem Review-Artikel fest, dass im alpinen Skirennlauf auf allen Ebenen ein RAE aufritt, der aber im Nachwuchs- bzw. Jugendbereich stärker ausgeprägt ist, was auf eine Abschwächung des RAE nach der Pubertät hindeutet.

Somit galt ein weiteres Ziel dieser Arbeit der Frage, ob bereits bei der Aufnahmeprüfung in ein Ausbildungszentrum, die im Alter von 14 bzw. 15 Jahren erfolgt, ein RAE besteht, bzw. ob der Selektionsprozess durch die Aufnahme einen RAE begünstigt. Da die Ausbildungszentren speziell im Skispringen in Österreich eine Schlüsselrolle im Nachwuchsfördersystem spielen, ist es wichtig, Fehler bei der Talentselektion in diesem Alter bestmöglich zu vermeiden.

54

Die Ergebnisse zeigten, dass sich weder am Schigymnasium Stams über den Beobachtungszeitraum der letzten zehn Jahre (2010 bis 2019), noch an allen drei Ausbildungszentren gemeinsam für den Beobachtungszeitraum der letzten sechs Jahre (2014 bis 2019) ein signifikanter RAE beim Antreten zur Aufnahmeprüfung ergab. Diese Resultate stimmen nicht mit der vergleichbaren Untersuchung der Aufnahmeprüfung am Schigymnasium Stams von Strickner (2016) überein. Er wies im Beobachtungszeitraum von 1984 bis 2014 einen signifikanten RAE bei der Aufnahmeprüfung am Schigymnasium Stams nach. Der festgestellte kleine bis mittlere Effekt (w = 0,21) ist jedoch vergleichbar mit den in dieser Studie untersuchten Effekten (Stams, 2010 bis 2019: w = 0,19; alle Ausbildungszentren: 2014 bis 2019: w = 0,24), die womöglich aufgrund der kleineren Stichprobe nicht signifikant waren. Möglicherweise kommen die unterschiedlichen Ergebnisse aber auch dadurch zustande, dass in den letzten Jahren der RAE nicht mehr so stark ausgeprägt war wie in den Jahren von 1984 bis 2010; diese Annahme wurde aber nicht genau untersucht und bleibt darum nur Spekulation.

Nach der Aufnahme in ein Ausbildungszentrum stellt die Aufnahme in den ÖSV- Kader bis hin zur Qualifikation für die ÖSV-Nationalmannschaft den weiterführenden Selektionsprozess im Laufe einer Skisprungkarriere dar. Ein weiteres Ziel dieser Studie war es somit, den RAE in diesen Entwicklungsstufen zu beobachten.

Durch die Selektion bei der Aufnahme in die Ausbildungszentren wurde der RAE nicht verstärkt bzw. verursacht. Bei der Betrachtung aller Ausbildungszentren gesamt hat die Aufnahmeprüfung keinen Effekt auf die Altersquartals-Verteilung (w = 0,031). Betrachtet man nur die im selben Beobachtungszeitraum am Schigymnasium Stams aufgenommenen Sportler, ergibt sich zwar keine signifikante Änderung in der Altersquartals-Verteilung, allerdings kristallisiert sich ein interessanter Aspekt heraus: Durchschnittlich schafften zwischen 2014 und 2019 42 % der angetretenen Sportler die Aufnahmeprüfung am Schigymnasium Stams. Von den angetretenen, im ersten Quartal geborenen Athleten wurden 68,4 % aufgenommen, bei den im vierten Quartal geborenen, angetretenen Athleten waren es jedoch nur 25 %. Dieses Phänomen könnte durch die stärkere Konkurrenz bei der Aufnahmeprüfung am Schigymnasium Stams erklärbar sein. Der Prozentsatz der Aufnahmen ins Schigymnasium Stams liegt im Zeitraum von

55

2014 bis 2019 bei 42 % der Angetretenen und bei allen Ausbildungszentren gemeinsam bei 67 %. Interessanterweise ist hier kein Unterschied mehr zwischen dem ersten und vierten Geburtsquartal erkennbar: Insgesamt wurden 68 % der angetretenen im ersten Quartal geborenen Athleten und 64,2 % der angetretenen im vierten Quartal geborenen Athleten aufgenommen.

Insgesamt kann gesagt werden, dass im Skispringen in Österreich durch die notwendige Selektion bei der Aufnahme in die Ausbildungszentren im Alter von 14 bzw. 15 Jahren kein relativer Alterseffekt begünstigt wird. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Strickner (2016), der keinen signifikanten Unterschied in der Altersquartals-Verteilung vor und nach der Aufnahmeprüfung im Skispringen am Schigymnasium Stams feststellen konnte, sowie Müller et al. (2015d), die sich der Sparte Ski Alpin widmeten.

Zusätzlich ist zu bedenken, dass durch unterschiedliche Stichtage in den Schulklassen (1.9.) und in den Wettkampfklassen (1.1.) eine Verfälschung der Ergebnisse auftreten könnte. Die Sportler des vierten Quartals und im September Geborene sind bei der Aufnahmeprüfung die relativ ältesten Kandidaten und könnten in diesem Fall von einem RAE profitieren. Müller et al. (2015c) zeigten, dass Alpin-Skifahrer, die im vierten relativen Altersquartal geboren sind, den Nachteil im Selektionsprozess bei der Aufnahmeprüfung ausgleichen können, wenn sie trotz ihres jüngeren relativen Alters gleiche oder bessere Leistungsfähigkeit aufzeigen als Sportler des ersten Altersquartals. Zu ähnlichen Schlüssen kam auch Strickner (2016), der bei der Aufnahmeprüfung am Schigymnasium Stams in den körperlichen Leistungstests und den anthropometrischen Charakteristika keine signifikanten Unterschiede zwischen den Athleten aus den vier Quartalen feststellen konnte.

Ein möglicherweise entscheidender Nachteil für die im September bis Dezember Geborenen ergibt sich aber erst nach der bestandenen Aufnahmeprüfung. Diese Athleten müssen bereits in ihrem ersten Jahr im Ausbildungszentrum in der Jugendklasse an den Start gehen, während ihre jüngeren Mitschüler (Jänner- bis August-Geborene) noch ein Jahr in der Klasse Schüler 2 starten dürfen (Wettkampfübersicht siehe Abbildung 14). Vor allem der Wechsel von der mittleren Schanze (HS 50 m bis 84 m) auf die Normalschanze (HS 85 m bis 109 m), der zwischen der Schüler- und Jugendklasse stattfindet, gestaltet sich dabei

56 als schwierig. Durch die Gruppenzusammensetzung und die große Altersspanne (10 bis 14 Jahre) in den Landesskiverbänden ist ein Training auf Normalschanzen kaum möglich, und deshalb werden die Skispringer meist erst in den Ausbildungszentren intensiver auf das Springen auf größeren Schanzen vorbereitet. Außerdem können Athleten, die noch in der Schülerklasse starten, eine umfangreichere Basisausbildung durch weniger Wettkampfstress genießen. Dies könnte sich auf den langfristigen Verlauf ihrer Karriere positiv auswirken.

Wettkämpfe Saison 19/20 (alt) Saison 19/20 (neu)

Allg. Kl 1999 und ä. Allg. Kl 1999 und ä. Weltcup/COC 2000 2000

2001 2001 Junioren

Junioren 2002 2002

2003 2003 JWM und Alpencup und JWM YOG Jugend 2 Jugend

2004 2004 Jugend

OPA OPA Youth Jugend 1

2005 2005

2006 2006 Schüler 2 Schüler 2 Schüler

OPA OPA Children 2007 2007

2008 2008 Schüler 1 Schüler 1 Schüler

2009 2009 FIS Youth Cup Youth FIS

2010 2010 Kinder 2 Kinder 2

2011 2011

2012 2012 Kinder Vier-Schanzen-Tournee Kinder Kinder 1 Kinder 1

Abbildung 14: Wettkampfübersicht und entsprechende Wettkampfklasseneinteilung für die Saison 2019/20 vor (alt) bzw. nach (neu) der Reglementänderung; FIS = internationaler Skiverband; OPA = Vereinigung der Alpenländer; YOG = Olympische Jungendspiele; JWM = Junioren Weltmeisterschaft; Allg. Kl. = Allgemeine Klasse; (Eigene Darstellung, Informationen entnommen aus: OPA, 2019; ÖSV, 2018b; ÖSV, 2019)

57

Eine mögliche Lösung für dieses Problem könnte die Anpassung des Stichtages für die Einteilung der Wettkampfklassen an den Schulstichtag sein

Allg. Kl Allg. 1999 und älter (Beispiel siehe Abbildung 15). Langfristig ist 2000 dieses Modell ist jedoch nicht im Stande, einen

2001 RAE zu verhindern, weil das Problem eines fixen

Junioren Stichtages nur verschoben werden würde (Baker 2002 1.1.-31.8. et al., 2010). Bei der Sportwartefrühlingstagung 2002 1.9.-31.12. 2003 für die Saison 2019/20 lehnte der ÖSV aufgrund der seiner Meinung nach unübersichtlichen Jugend 2004 1.1.-31.8.

2004 1.9.-31.12. Klasseneinteilung diesen Vorschlag ab und 2005 entschied sich für eine Kompromisslösung mit 2006 1.1.-31.8. einer zusätzlichen Jugendklasse (siehe Schüler 2 Schüler 2006 1.9.-31.12. Abbildung 14: „Saison 19/20 (neu)“), um den 2007 Druck beim Umstieg von der Schüler- in die 2008 Jugendklasse zu verringern. Außerdem könnte Schüler 1 Schüler

2009 die einjährige Klasse im Gegensatz zur zweijährigen Klasse einen RAE entschärfen; 2010

Kinder 2 Kinder auch die Juniorenklasse wurde von drei Jahre 2011 auf zwei Jahre gekürzt. Hierzu relevant sind die Ergebnisse von Raschner et al. (2012): In ihrer 2012

Kinder 1 Kinder Studie zum RAE bei den Youth Olympic Games

Abbildung 15: Modell zur in Innsbruck 2012 untersuchten sie die Wettkampfklasseneinteilung Quartalsverteilung der Teilnehmer und mit Stichtag 1.9. für die Saison Teilnehmerinnen mit dem Ergebnis, dass 2019/20; (eigene Darstellung) prozentual gesehen die meisten von ihnen im ersten Quartal des ersten Selektionsjahres und die wenigsten im vierten Quartal des zweiten Selektionsjahres geboren waren.

Ein weiterer möglicher Nachteil, der in diese Studie relevant sein könnte, ergibt sich für Schüler, die im Juni, Juli oder August geboren sind. Diese sind im Vergleich zu ihren Mitschülern in derselben Schulstufe die Jüngsten. Auch bei den schulischen Leistungen konnte in diversen Studien ein RAE nachgewiesen werden (z.B. Navarro et al., 2015). So entsteht womöglich ein vermehrter

58

Lernaufwand für das positive Absolvieren des Schuljahres. Der sehr straffe Zeitplan in den Ausbildungszentren, in denen Schule, Sport und Internat bestmöglich kombiniert werden müssen, ist eine enorme Beanspruchung. Abbildung 16 zeigt, dass der Tagesablauf sehr strukturiert und durchgeplant ist.

Abbildung 16: Tagesablauf eines normalen Schul-/Trainingstages am Schigymnasium Stams (https://www.schigymnasium-stams.at/internat/internatsleben.html)

Aufgrund der begrenzten zeitlichen und auch mentalen Ressourcen könnte sich ein größerer Lernaufwand mitunter negativ auf den Trainingsalltag und die Regeneration auswirken. Dieser durch schlechte schulische Leistungen verursachte Stress in Kombination mit weniger Schlaf durch den eventuell notwendigen größeren Lernaufwand könnte die körperliche Leistungsentwicklung verschlechtern (Watson, 2017). Als eine Art Warnsignal in diesem Zusammenhang dient die Studie von Teubert et al. (2006): Im Zuge ihrer Analyse des Fördersystems in Nordrhein-Westfalen erfolgte eine Befragung von Schülern, die ergab, dass schlechter werdende schulische Leistungen ein Grund für das Beenden der Leistungssportkarriere sind.

59

Mitunter sind die verschiedenen Vor- bzw. Nachteile der einzelnen Geburtsmonate, die sich auch nach der Aufnahme in ein Ausbildungszentrum ergeben, auch eine Erklärung dafür, dass zwischen den am Schigymnasium Stams aufgenommenen Schülern und den späteren ÖSV- Nachwuchskaderathleten (im Zeitraum von 2010 bis 2016) kein statistisch signifikanter Unterschied in der Altersquartals-Verteilung erkennbar ist.

Nicht nur den zur Aufnahmeprüfung angetretenen Athleten, sondern allen ÖSV- Kadermitgliedern von 2001 bis 2019 widmet sich das nächste Interessensgebiet dieser Studie. So bestand ein wichtiges Ziel dieser Arbeit darin, die unterschiedlichen ÖSV-Kader auf einen RAE zu untersuchen. Die Analyse der ÖSV-Kaderstufen zeigte jeweils keinen signifikanten RAE im Nachwuchs-, B- und A-Kader im Zeitraum von 2001 bis 2019. Bei den 25 Skispringern, welche in diesem Zeitraum für mindestens eine Saison einen Nationalmannschaftsstatus erreichten, ergab sich jedoch ein signifikanter RAE mit starkem Effekt (w = 0,603). Betrachtet man in diesem Zeitraum nur die Schüler, die das Schigymnasium Stams besuchten oder noch aktuell besuchen6, so zeigt sich ein signifikanter RAE bei jenen Schülern, die mindestens einen ÖSV-B-Kaderstatus erreichen konnten; bei jenen, die maximal den Nachwuchskader erreichten, ist hingegen kein signifikanter RAE ersichtlich. Diese Ergebnisse stimmen zum Beispiel mit Lames et al. (2008) überein, die im deutschen Eishockey eine stärkere Ausprägung des RAE in den nationalen Auswahlligen der U16 bis U18 im Vergleich zur deutschen Nachwuchsliga feststellten. Zu erwähnen ist auch die Studie von Edgar und O’Dongue (2005): Im Gegensatz zu den Ergebnissen der vorliegenden Studie stellten sie im Elitetennis einen RAE schon im Nachwuchsbereich fest, der später auch im Erwachsenenbereich beobachtet werden konnte.

Viele Studien belegten jedoch, dass es im Erwachsenenbereich meist zu einer Abschwächung des RAE oder sogar zu einem inversen RAE kommt. So fanden López de Subijana und Lorenzo (2018) heraus, dass der RAE im Profifußball und

6 72,6 % aller Kadermitglieder von 2001 bis 2019 waren Schüler des Schigymnasium Stams

60

Profibasketball in Spanien weniger stark ausgeprägt ist als im Nachwuchs. Delorme et al. (2009) fanden in den französischen Eliteligen diverser Sportarten (Fußball, Handball, Volleyball, Rugby, Basketball) keinen RAE. Bei der Betrachtung der Wettkampfleistung von Elitemännern in der Sportart Ski Alpin wiesen Bjerke et al. (2017) einen inversen RAE nach: Die relativ jüngeren Athleten holten dabei zusammen mehr Weltcuppunkte als die relativ älteren Eliteskifahrer. Ford und Williams (2011) belegten in ihrer Studie über Fußball, Eishockey, Baseball und Football, dass die wertvollsten Spieler einer Mannschaft oft spät im Selektionsjahr geboren sind.

Übereinstimmungen mit den Studien von Ford und Williams (2011) bzw. Bjerke et al. (2017) wurden bei Betrachtung des Werdegangs der Athleten im Schigymnasium Stams im untersuchten Zeitraum von 2010 bis 2016 erkennbar. Obwohl aufgrund der kleinen Stichprobe kein Chi-Quadrat Test durchgeführt wurde, deuten die Daten darauf hin, dass mehr spät im Selektionsjahr geborene Schüler den Sprung in den Erwachsenenkader schafften als früher geborene (Q1: 20 %; Q2: 20 %; Q3: 20 %; Q4: 40 %). Zu einer ähnlichen relativen Altersquartals- Verteilung, jedoch ebenfalls mit einer sehr kleinen Stichprobe (n = 10), kamen Romann et al. (2018), die unter anderem die Skispringer des Schweizer Nationalkaders untersuchten: 20 % der Schweizer Nationalkaderathleten im Jahr 2014 waren im ersten relativen Altersquartal, jedoch 40 % im vierten relativen Altersquartal geboren.

Das komplexe Anforderungsprofil der Sportart Skispringen ist womöglich eine Erklärung für diese Ergebnisse. Explosivität beim Absprung, muskuläre Koordination und eine effiziente Skisprungtechnik sowie mechanische und aerodynamische Faktoren und Aufwind sind entscheidende Determinanten für einen gelungenen Skisprung (Schwameder, 2008). Doch vor allem auf Großschanzen und Skiflugschanzen, wo alle Weltcup- und der Großteil der Continentalcupbewerbe ausgetragen werden, haben kleinere und leichtere Skispringer einen Vorteil gegenüber schwereren Athleten (Schmölzer & Müller, 2002). Obwohl mit der Einführung des Body Mass Index für die Skilängenberechnung gegen die Gewichtsproblematik von Skispringern vorgegangen wurde, geht der Trend auch in den letzten Jahren weiter zu leichteren Skispringern (Virmavirta & Kivekäs, 2019). Relevant ist dies im

61

Zusammenhang mit dieser Arbeit insofern, als dass Skispringer, die im Schüler- und Jugendalter von einem muskulöseren Körperbau und ihrer stärkeren Absprungkraft profitieren, diesen Vorteil auf den Großschanzen nicht mehr ausspielen können.

7.1 Limitationen

Eine der größten Limitationen der vorliegenden Studie sind die kurzen Beobachtungszeiträume und die damit verbundenen kleinen Stichprobe. Die ausgewerteten Effektstärken deuten darauf hin, dass bei einer größeren Stichprobe signifikante RAEs im österreichischen Skisprunglauf vorliegen könnten. Da es in Österreich nur eine sehr überschaubare Anzahl an Skispringern gibt, bedarf es weiterer Studien, welche die Talentdiagnose über einen längeren Zeitraum untersuchen. Dabei sollte für die Auswertung außerdem auch die genaue Geburtenverteilung der Jahrgänge in der Gesamtbevölkerung herangezogen werden, wenngleich diese nicht weit von einer Gleichverteilung in den Quartalen abweicht.

Hinsichtlich der Aufnahmeprüfungen an den Ausbildungszentren wurden nur männliche Schüler im Regelschulalter und damit verbunden auch nur deren jeweils erster Antritt in die Analyse miteinbezogen. Schüler, die die Aufnahmeprüfung erst beim zweiten Antritt positiv absolvierten, wurden nicht berücksichtigt. Dies stellt eine gravierende Schwäche der Studie dar, weil einige Athleten, die beim zweiten Antritt die Aufnahme schafften, trotzdem später einen ÖSV-Kaderstatus erreichen konnten. Diese wurden aufgrund der Vergleichbarkeit aber auch in der weiterführenden Statistik nicht berücksichtigt. Vor allem Spätentwickler, die bei der Aufnahmeprüfung noch nicht die Voraussetzungen zur Aufnahme erfüllt hatten, könnten in diesem Fall nicht berücksichtigt worden sein. Darüber hinaus wurde ein Kandidat, der verfrüht eingeschult worden war, in der Studie nicht berücksichtigt.

Eine weitere Limitation ergibt sich durch den Faktor Zeit. So erstreckte sich der Zeitraum der Untersuchung des erreichten Kaderstatus von Absolventen und

62

Schülern am Schigymnasium Stams von 2010 bis 2016. Vor allem junge Spätentwickler, welche die Aufnahmeprüfung erst 2016 oder wenige Jahre zuvor absolvierten, erreichen vielleicht erst in den kommenden Jahren zum ersten Mal einen ÖSV-Kaderstatus; ihr sportlicher Karriereverlauf war zum Zeitpunkt der Untersuchung oft noch nicht abgeschlossen.

Obwohl es einige Limitationen gibt und die Ergebnisse dieser Studie statistisch teilweise nicht signifikant sind oder teilweise auch widersprüchlich ausfallen, ist doch eine Tendenz erkennbar, die für das Vorhandensein eines RAE im Skispringen spricht. Deshalb sollte der RAE auf jeden Fall vermehrt Aufmerksamkeit bekommen. Dies dürfte notwendig sein, um als Skisprungnation Österreich auch langfristig und nachhaltig erfolgreich zu sein.

7.2 Mögliche Lösungsansätze

In vielen Studien wurde bereits versucht, Lösungsansätze zur Vermeidung eines RAE zu entwickeln und zu evaluieren. Einige vielversprechende Methoden und ihre Umsetzbarkeit im Skispringen werden im folgenden Abschnitt diskutiert. Dabei weisen Hurley et al. (2001) und Baker et al. (2010) vor allem auf die Unterstützung und Bereitschaft zu Veränderung der verschiedenen Sportverbände hin, die unbedingt notwendig sind, um den RAE langfristig zu minimieren und dadurch mehr Fairness im Sport zu erreichen.

7.2.1 Rotierender Stichtag

Eine Idee, um das Grundproblem des RAE – den fixen Selektionsstichtag – zu beseitigen, indem dieser Stichtag systematisch geändert wird, wurde von Hurley et al. (2001) für das kanadische Minor Eishockey vorgestellt und „Relative Age Fair Cycle System“ genannt. Bei diesem Konzept wird das Kalenderjahr in vier Quartale unterteilt. Der Stichtag verschiebt sich dabei nach dem ersten, zweiten und dritten Jahr um drei Monate (ein Quartal) nach vor, bleibt dann ein Jahr gleich, und verschiebt sich in den nächsten drei Jahren jeweils wieder um drei Monate

63 pro Jahr zurück. Bei der achtjährigen Ausbildung eines kanadischen Eishockeyspielers würde somit jeder zweimal den Vorteil des relativ Älteren in der Altersklasse genießen. (Hurley et al., 2001)

Für Müller et al. (2012) ist dieses Konzept auch für den alpinen Skilauf eine interessante Lösung. In einer Expertenbefragung wird dieses System generell als gut bewertet, und fast die Hälfte der Befragten denken, dass dieses Konzept realisierbar wäre, wenn es auch von der FIS mitgetragen werden würde. (Müller et al., 2012)

Im Skispringen ist die Altersklasseneinteilung etwas anders und eine Altersklasse erstreckt sich über mindestens zwei Jahre. Eine exemplarische Anpassung des Konzepts von Hurley et al. (2001) an die Altersklassen im Skisprunglauf in Österreich (Stand Saison 2018/19) für die Saisonen 2019/20 bis 2026/27 ist in Tabelle 6 dargestellt. Exemplarisch sind die Athleten bzw. Athletinnen des ersten Geburtsquartals des Jahrgangs 2009 (in der Saison 19/20 die relativ Ältesten in der Klasse Kinder 2) und des vierten Geburtsquartals des Jahrgangs 2008 (in der Saison 19/20 die relativ Jüngsten in der Klasse Kinder 2) hervorgehoben. Man kann erkennen, dass durch die Rotation des Stichtages für beide Beispiele in den folgenden acht Jahren jeweils einmal der Vorteil des/der relativ Ältesten und einmal der Nachteil des/der relativ Jüngsten besteht.

Eine durchaus sinnvolle Möglichkeit wäre, den rotierenden Stichtag in den Klassen Kinder 2 bis Jugend einzuführen. Ab der Juniorenklasse (17/18 Jahre) wäre der Stichtag dann wieder der 1. Jänner, was in diesem Fall auch angepasst an den Stichtag für Qualifikationen für internationale Wettkämpfe der OPA und der FIS (Alpencup und Juniorenweltmeisterschaft) wäre. In Konsequenz könnte die Klasse Kinder 1 zum Beispiel zur Gänze wegfallen, um für die jüngsten Skispringer und Skispringerinnen noch mehr den Spaß am Sport und weniger den Wettkampfgedanken in den Vordergrund zu rücken.

Die Klassen Kinder 2 bis Jugend erstecken sich über einen Zeitraum von acht Jahren, was damit ähnlich dem von Hurley et al. (2001) vorgeschlagenen System ist. Durch die zweijährigen Klassen würde jeder Skispringer und jede Skispringerin in dieser Zeit einmal den Vorteil des/der relativ Ältesten erleben.

64

Die Möglichkeit des rotierenden Stichtags erscheint die Sinnvollste, um einen RAE im Skispringen zu reduzieren. Bis jetzt ist eine Implementierung dieses Konzepts jedoch meistens an den durchführenden Sportverbänden gescheitert.

Tabelle 6: Konzept des rotierenden Stichtages beginnend mit der Saison 2019/20 nach dem alten Altersklassenreglement

Saison: 19/20 20/21 21/22 22/23 23/24 24/25 25/26 26/27

1999 1 2006 1 1999 2 2000 1 2005 1 2006 2

Allg. Kl 1999 3 2000 2 2001 1 2004 1 2005 2 2006 3 1999 4 2000 3 2001 2 2002 1 2003 1 2004 2 2005 3 2006 4 2000 1 2000 4 2001 3 2002 2 2003 2 2004 3 2005 4 2007 1 2000 2 2001 1 2001 4 2002 3 2003 3 2004 4 2006 1 2007 2 2000 3 2001 2 2002 1 2002 4 2003 4 2005 1 2006 2 2007 3 2000 4 2001 3 2002 2 2003 1 2004 1 2005 2 2006 3 2007 4 2001 1 2001 4 2002 3 2003 2 2004 2 2005 3 2006 4 2008 1 2001 2 2002 1 2002 4 2003 3 2004 3 2005 4 2007 1 2008 2 2001 3 2002 2 2003 1 2003 4 2004 4 2006 1 2007 2 2008 3 2001 4 2002 3 2003 2 2004 1 2005 1 2006 2 2007 3 2008 4 Junioren 2002 1 2002 4 2003 3 2004 2 2005 2 2006 3 2007 4 2009 1 2002 2 2003 1 2003 4 2004 3 2005 3 2006 4 2008 1 2009 2 2002 3 2003 2 2004 1 2004 4 2005 4 2007 1 2008 2 2009 3 2002 4 2003 3 2004 2 2005 1 2006 1 2007 2 2008 3 2009 4 2003 1 2003 4 2004 3 2005 2 2006 2 2007 3 2008 4 2010 1 2003 2 2004 1 2004 4 2005 3 2006 3 2007 4 2009 1 2010 2 2003 3 2004 2 2005 1 2005 4 2006 4 2008 1 2009 2 2010 3 2003 4 2004 3 2005 2 2006 1 2007 1 2008 2 2009 3 2010 4 2004 1 2004 4 2005 3 2006 2 2007 2 2008 3 2009 4 2011 1

Jugend 2004 2 2005 1 2005 4 2006 3 2007 3 2008 4 2010 1 2011 2 2004 3 2005 2 2006 1 2006 4 2007 4 2009 1 2010 2 2011 3 2004 4 2005 3 2006 2 2007 1 2008 1 2009 2 2010 3 2011 4 2005 1 2005 4 2006 3 2007 2 2008 2 2009 3 2010 4 2012 1 2005 2 2006 1 2006 4 2007 3 2008 3 2009 4 2011 1 2012 2 2005 3 2006 2 2007 1 2007 4 2008 4 2010 1 2011 2 2012 3 2005 4 2006 3 2007 2 2008 1 2009 1 2010 2 2011 3 2012 4 2006 1 2006 4 2007 3 2008 2 2009 2 2010 3 2011 4 2013 1 2006 2 2007 1 2007 4 2008 3 2009 3 2010 4 2012 1 2013 2 Schüler 2 Schüler 2006 3 2007 2 2008 1 2008 4 2009 4 2011 1 2012 2 2013 3 2006 4 2007 3 2008 2 2009 1 2010 1 2011 2 2012 3 2013 4 2007 1 2007 4 2008 3 2009 2 2010 2 2011 3 2012 4 2014 1 2007 2 2008 1 2008 4 2009 3 2010 3 2011 4 2013 1 2014 2 2007 3 2008 2 2009 1 2009 4 2010 4 2012 1 2013 2 2014 3 2007 4 2008 3 2009 2 2010 1 2011 1 2012 2 2013 3 2014 4 2008 1 2008 4 2009 3 2010 2 2011 2 2012 3 2013 4 2015 1 2008 2 2009 1 2009 4 2010 3 2011 3 2012 4 2014 1 2015 2 Schüler 1 Schüler 2008 3 2009 2 2010 1 2010 4 2011 4 2013 1 2014 2 2015 3 2008 4 2009 3 2010 2 2011 1 2012 1 2013 2 2014 3 2015 4 2009 1 2009 4 2010 3 2011 2 2012 2 2013 3 2014 4 2016 1 2009 2 2010 1 2010 4 2011 3 2012 3 2013 4 2015 1 2016 2 2009 3 2010 2 2011 1 2011 4 2012 4 2014 1 2015 2 2016 3 2009 4 2010 3 2011 2 2012 1 2013 1 2014 2 2015 3 2016 4 2010 1 2010 4 2011 3 2012 2 2013 2 2014 3 2015 4 2017 1 2010 2 2011 1 2011 4 2012 3 2013 3 2014 4 2016 1 2017 2 Kinder 2 2010 3 2011 2 2012 1 2012 4 2013 4 2015 1 2016 2 2017 3 2010 4 2011 3 2012 2 2013 1 2014 1 2015 2 2016 3 2017 4 2011 1 2011 4 2012 3 2013 2 2014 2 2015 3 2016 4 2018 1 2011 2 2012 1 2012 4 2013 3 2014 3 2015 4 2017 1 2018 2 2011 3 2012 2 2013 1 2013 4 2014 4 2016 1 2017 2 2018 3 2011 4 2012 3 2013 2 2014 1 2015 1 2016 2 2017 3 2018 4 2012 1 2012 4 2013 3 2014 2 2015 2 2016 3 2017 4 2019 1 2012 2 2013 1 2013 4 2014 3 2015 3 2016 4 2018 1 2019 2 Kinder 1 2012 3 2013 2 2014 1 2014 4 2015 4 2017 1 2018 1 2019 3 2012 4 2013 3 2014 2 2015 1 2016 1 2017 2 2018 2 2019 4 Notiz: Die Zahlen 1 bis 4 neben den Jahrgängen stellen die Geburtsquartale dar; Allg. Kl. = Allgemeine Klasse; Exemplarische hervorgehoben (dicker Rahmen) sind die im ersten Quartal des Jahrgangs 2009 und die im vierten Quartal des Jahrgangs 2010 Geborenen; Darstellung in Anlehnung an Hurley et al. (2001, S. 71).

65

7.2.2 Kleinere Altersgruppen

Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung des RAE wäre die Einführung von kleineren Altersgruppen und somit eine Reduktion der Spanne zwischen dem/der kalendarisch ältesten und jüngsten Athleten/Athletin. Während Hurley et al. (2001) finden, dass diese Möglichkeit auf jeden Fall Berücksichtigung verdient, geben Helsen et al. (2012) zu bedenken, dass diese Methode nur dazu führen würde, dass mehrere Personen in einer Altersgruppe den Vorteil des/der relativ Älteren haben.

Im Skispringen in Österreich hätte dieser Lösungsansatz durch die zweijährigen Altersklassen zwar viel Potential, aufgrund der geringen Anzahl an Athleten und Athletinnen würden die Wettkampfklassen jedoch sehr klein werden. In der Saison 2018/19 wären zum Beispiel bei halbjährigen Klassen in der Klasse des 2. Halbjahres 2003 teilweise nur drei Athleten am Start gewesen. 7

Mit der aktuellen Umstrukturierung der Altersklasseneinteilung für die Saison 2019/20 (siehe Abbildung 14) und der Einführung der einjährigen Klasse Jugend 1 wird zumindest ein kleiner Schritt in diese Richtung gemacht. Ob dies bereits zu einer Reduktion des RAE führt, bedarf in den kommenden Jahren weiterführender Analysen. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass das einmalige Umstellen auf eine einjährige Klasse bereits einen Effekt hat.

7.2.3 Berücksichtigung der biologischen Reife

Ein Punkt, über den in der Literatur schon viel diskutiert, der aber in den bisher genannten Lösungsvorschlägen noch nicht beachtet wurde, ist, dass vor allem in der Pubertät der sehr unterschiedlich ablaufende biologische Reifungsprozess einen großen Einfluss auf den relativen Altersunterschied der Athleten und Athletinnen hat. Zum Beispiel konnten Johnson et al. (2017) in den englischen Fußballakademien feststellen, dass der biologische Reifegrad eines Athleten

7 Daten entnommen aus den Austriacup-Ergebnislisten, einsehbar unter www.auc-service.at.

66 einen in etwa zehn Mal stärkeren Einfluss auf die Selektion hat als das relative Alter.

Als „Goldstandard“ zum Bestimmen des biologischen Entwicklungsstandes gilt das Handwurzelröntgen. Diese Methode ist aber in ihrer praktischen Anwendung nur eingeschränkt umsetzbar, da sie hohe Kosten verursacht sowie spezielle Ausrüstung und medizinische Expertise zur Auswertung erfordert. Außerdem kommt es zu einer zusätzlichen Strahlenbelastung für den Körper. (Müller et al., 2015b)

Müller et al. (2015b) haben in ihrer Studie bei 10- bis 13-jährigen Kindern versucht, die Validität der von Mirwald et al. (2002) entwickelten APHV-Methode (age at peak height velocity) zur Bestimmung des biologischen Entwicklungsstandes nachzuweisen. Ermittelt wird dabei jenes Alter, bei dem das individuell größte Körperwachstum stattfindet. Es handelt sich dabei um eine nicht- invasive und schnell durchzuführende Methode, die die Parameter chronologisches Alter, Körpergröße, Körpergewicht, Sitzgröße und die daraus berechnete Beinlänge heranzieht. Diese Methode weist bei 10- bis 13- Jährigen eine hohe Korrelation mit den Ergebnissen des Handwurzelröntgens auf. (Müller et al., 2015b)

Müller et al. (2015b) empfehlen deshalb, diese Messung im Talentselektionsprozess zu verwenden, um retardierte Athleten und Athletinnen nicht zu benachteiligen; dies könnte zur Minimierung des RAE in vielen Sportarten beitragen. Auch bei den International Children’s Winter Games 2016 konnte mit Hilfe des APHV festgestellt werden, dass sich relativ jüngere Athleten und Athletinnen nur für die Children’s Games qualifizieren konnten, wenn sie früh entwickelt waren (Müller et. al., 2017b).

Eine eigene8 exemplarische Untersuchung von fünf Skispringern des Jahrgangs 2002 bei der Aufnahme ins Schigymnasium Stams im September 2016 zeigte einen berechneten maturity offset, sozusagen die Zeit vor bzw. nach dem größten individuellen Wachstumsschub, von 0,1 bis -1,8 Jahren und ein daraus

8 Die Daten wurden zu Beginn des Schuljahres 2016/2017 für eigene Zwecke erhoben.

67 berechnetes APHV von 14,4 bis 16,3 Jahren. Der Unterschied von fast zwei Jahren zeigt, dass eine Berücksichtigung des biologischen Entwicklungsstandes im Skispringen eine wichtige und auf jeden Fall zu beachtende Komponente in der Talentselektion in Österreich darstellen sollte. Auch eine Erhebung des APHV im Rahmen der Aufnahmeprüfung an den Ausbildungszentren für Skispringen würde zu einer objektiveren Talentselektion beitragen.

7.2.4 Normalisierung auf anthropometrische Merkmale

Eine Normalisierung der Ergebnisse auf die anthropometrischen Merkmale der Athleten und Athletinnen wäre eine weitere Möglichkeit, um auch die unterschiedlich schnelle Entwicklung der Sportler und Sportlerinnen zu berücksichtigen. Gorski et al. (2016) untersuchten jugendliche Alpin-Skifahrer bei den Schweizer Athletiktests (Swiss Ski Power Test) auf einen RAE und stellten fest, dass durch eine Normalisierung der Ergebnisse auf das Körpergewicht der RAE bei fast allen Testungen abgeschwächt wird. Auch eine Normalisierung auf die Körpergröße zeigte Wirkung, war jedoch nicht so effektiv wie die Normalisierung auf das Körpergewicht.

Im Skispringen würde eine Normalisierung auf das Körpergewicht vor allem im Kinder- und Schülerbereich Wirkung zeigen, da auf den kleineren Schanzen die Absprungkraft wichtiger ist als ein geringes Körpergewicht. Diese Vorgehensweise könnte den weiteren Vorteil bieten, dass Athleten und Athletinnen, die von Natur aus eher ein geringeres Körpergewicht haben, diesen Vorteil aber erst im späteren Verlauf ihrer Karriere nützen können, nicht schon vorzeitig durch Misserfolge im Wettkampf ausscheiden. Nichtsdestotrotz würde diese Methode einen Skisprungwettkampf sehr unübersichtlich und schwer nachvollziehbar machen, da neben der Sprungweite, den Haltungsnoten und eventuellen Wind- bzw. Anlauflängen-Kompensationspunkten auch noch Punkte zum Ausgleich des Körpergewichts hinzukommen würden. Dies könnte den Charakter des Wettkampfes bei dem jene gewinnen, die am schönsten und weitesten springen, zerstören.

68

Vor allem aber bei den sportmotorischen Testungen bei den Aufnahmeprüfungen in den Ausbildungszentren könnte eine Normalisierung der Ergebnisse durch das Einbeziehen anthropometrischer Merkmale Sinn machen und wäre darum auch zu empfehlen, um auch in Zukunft einen RAE zu vermeiden.

7.2.5 Leistungsklassen

Ein weiterer interessanter Aspekt, der sich möglicherweise positiv gegen das Auftreten eines RAE auswirken könnte, konnte von Albuquerque et al. (2012) im Taekwondo beobachtet werden. Sie konnten im olympischen Taekwondo keinen RAE erkennen und argumentierten dies mit ihrem speziellen Wettkampfsystem, das neben den schon angesprochenen Gewichtsklassen eine Einteilung in unterschiedliche Leistungsklassen (Gürtel-Niveau) vorsieht.

Im Skispringen wird in Norwegen auf nationaler Ebene im NorgesCup (NC) schon seit mehreren Jahren ein Wettkampfsystem mit Leistungsklassen gewählt. Eine detaillierte Beschreibung der Teilnahmeregeln ist unter www.skiforbundet.no/hopp/sesonginformasjon/4-konica-minolta-nc/ zu finden.

Der NorgesCup wird als Entwicklungs- und Lernwettkampfserie gesehen. Teilnahmeberechtigt sind prinzipiell Skispringer und Skispringerinnen ab 16 Jahren, 15-Jährige dürfen mit einer Ausnahmegenehmigung durch das Trainerteam starten. Im NC gibt es vier Leistungsklassen: NC-Elite, NC-A, NC-B und NC-C, wobei NC-Elite die höchste Kategorie und NC-C die niedrigste darstellt. Vor jeder Periode9 wird eine neue Rangliste für die Startberechtigung erstellt, bei der alle Skispringer und Skispringerinnen, welche in der letzten Periode bereits Punkte bei internationalen Wettkämpfen der FIS erobern konnten, für die Eliteklasse startberechtigt sind; die nächsten 30 Athletinnen und Athleten bilden die A-Klasse, die darauffolgenden 30 die B-Klasse und die restlichen Skispringer und Skispringerinnen die C-Klasse.

9 Es gibt im NorgesCup zwei Perioden: Sommer und Winter.

69

Die Top 3 in ihrer Klasse an einem Wettkampfwochenende sind bei den darauffolgenden Wettkämpfen in der nächst höheren Klasse startberechtigt und können, um den Druck zu vermeiden, in der aktuellen Periode auch nicht mehr absteigen. Es werden aber die Trainerteams dazu ermutigt, die Springer und Springerinnen für die für sie passende Klasse zu melden; dies muss nicht unbedingt die höchste Klasse sein, für die sie qualifiziert sind. Ein ähnliches System wäre auch im Austriacup10 problemlos umsetzbar. Auch eine Ausweitung auf jüngere Jahrgänge, um schon im Schüleralter einem RAE entgegenzuwirken, wäre denkbar.

Einen weiterer möglicher Vorteil dieses Systems wäre, dass Skispringen mit seinen Wettkämpfen nicht nur als Leistungssport existieren könnte. Zum einen hätten Kinder und Jugendliche so mehr der Spaß an der Sportart selbst und das tolle Gefühl durch weite Sprünge würde im Vordergrund stehen; zum anderen wäre Skispringen auch für schon etwas ältere Hobbyskispringer und - skispringerinnen möglich. Unter Umständen könnten so auch Spätentwickler, die Skispringen nicht unbedingt als Leistungssport betreiben, aber doch begeisterte Skispringer und Skispringerinnen sind, später entdeckt werden. Ein Paradebeispiel dafür ist der norwegische Vierschanzentourneesieger Anders Jacobsen, der schon als Klempner arbeitete und Skispringen als Hobby betrieb, bevor er mit 21 Jahren bei seinem ersten Weltcupskispringen starten durfte und im Jahr darauf die Vierschanzentournee für sich entschied.

Ob dieses System im Skispringen jedoch einen RAE verhindert oder reduziert, wurde bis jetzt noch nicht untersucht.

7.2.6 Weitere Möglichkeiten

In vielen Studien wurde darauf hingewiesen, dass das Bewusstsein für die Existenz eines RAE im Sport der erste wichtige Schritt gegen den RAE selbst sei

10 Der Austriacup ist die nationale Skisprungwettkampfserie in Österreich.

70

(z.B. Baker et al., 2010; Cobley et al., 2009). Romann et al. (2018) stellen in ihrer breit angelegten Studie über den RAE in der Schweiz aber fest, dass, trotz der Implementierung von präventiven Maßnahmen (Aufklärung der Trainer bzw. Trainerinnen und Verbände, Bonuspunkte für durch den RAE benachteiligte Sportler und Sportlerinnen) im Schweizer Talentförderungsprogramm im Jahr 2008 der RAE nicht reduziert wurde. Mann und van Ginneken (2017) belegten in ihrer Studie im Fußball, dass durch das Präsentieren des relativen Alters der Sportler über ihre Trikotnummern (Nummerierung nach dem relativen Alter) der RAE reduziert werden konnte. In Österreich besteht noch Aufklärungsbedarf, und der RAE sollte allen Trainern und Trainerinnen, die sich mit der Entwicklung von Talenten beschäftigen, bewusst sein. Zusätzlich könnte durch das Hervorheben der Geburtsdaten auf den Ergebnislisten eventuell einem Auswahlfehler bei Wettkampfbeschickungen vorgebeugt werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre die generelle Verschiebung von Talentselektionsprozessen auf einen Zeitpunkt nach der Pubertät, wenn die Entwicklungsunterschiede nicht mehr so groß sind (Baker et al., 2010; Hurley et al., 2001). Im Skispringen lassen sich die Talentselektionsprozesse aufgrund der begrenzten Plätze in den Ausbildungszentren jedoch nicht weiter hinauszögern. Es konnte aber gezeigt werden, dass in den letzten Jahren durch die Selektion in allen Ausbildungszentren der RAE nicht verstärkt wurde und darum besteht in dieser Hinsicht wahrscheinlich auch kein Handlungsbedarf.

Die Einführung von Quoten, wodurch Früh- und Spätgeborene die gleiche Anzahl an Startplätzen erhalten sollten, wurde zum Beispiel von Raschner et al. (2012) für die YOG vorgeschlagen: Bei den YOG dürfen nur ein bis zwei Athleten pro Nation, Geschlecht und Disziplin starten, wodurch ein sehr großer Konkurrenzdruck entsteht, der wiederum einen RAE hervorruft. Diesem könnte durch entsprechende Quoten entgegengewirkt werden. Im Skispringen in Österreich erscheint die Einführung von Quoten nicht notwendig, da beinahe alle Skispringer und Skispringerinnen, welche die bei nationalen Wettkämpfen erforderliche Schanzengröße meistern können, auch startberechtigt sind. Eine Berücksichtigung für die Beschickung von internationalen Wettkämpfen, zum Beispiel für den Alpencup, wäre jedoch eine Überlegung wert.

71

8 Fazit und Ausblick

Die Talentdiagnose stellt die Wissenschaft und auch die Praxis vor große Herausforderungen, und darum wird das Auswählen der richtigen, förderungswürdigen Talente nach wie vor ein wichtiger Forschungsbereich der Sportwissenschaft bleiben. Der relative Alterseffekt ist dabei eines der am häufigsten untersuchten Probleme, das die Sportlandschaft nachweislich beeinflusst, und bereits in einer Vielzahl von unterschiedlichen Team- und Individualsportarten nachgewiesen werden konnte.

Obwohl ein statistisch signifikanter RAE im Skispringen in dieser Arbeit nur in vereinzelten Jahren und in den höchsten Kaderstufen nachgewiesen werden konnte, stellt diese Thematik die verantwortlichen Trainer und Trainerinnen sowie Funktionäre vor große Herausforderungen. In der Forschung existieren bereits viele Lösungsversuche, welche einen RAE nachweislich reduzieren können, jedoch scheitern diese oft an ihrer Umsetzbarkeit oder bereits zuvor an bürokratischen Hürden. In dieser Arbeit wurde herausgearbeitet, dass sich auch für die Sportart Skispringen eine Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten anbieten würden. Allen voran, würde sich das Einführen eines rotierenden Stichtages für die Klassen Kinder 2 bis Jugend (Altersspanne 9 bzw. 10 Jahre bis 16 bzw. 17 Jahre) eignen. Wichtig dabei wären jedoch die längerfristige Umsetzung über einen Zeitraum von mindestens acht Jahren (entspricht einem vollen Zyklus) und wissenschaftliche Begleitung, um die Auswirkungen dieser Methode zu evaluieren.

Außerdem könnte ein Wettkampfsystem mit Leistungsklassen nach norwegischem Beispiel für die Sportart Skispringen von Vorteil sein, weil dadurch vor allem der in den höheren ÖSV-Kadern signifikante RAE durch eine längere Entwicklungszeit reduziert werden könnte.

Auch bei der schwierigen, aber unumgänglichen Selektion bei der Aufnahme in die Ausbildungszentren mit Schwerpunkt Skisprunglauf muss zukünftig auf einen etwaig auftretenden RAE geachtet werden. Obwohl bei der Aufnahme an allen Ausbildungszentren im Beobachtungszeitraum kein RAE nachgewiesen werden konnte, ist es wichtig, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Eine Berücksichtigung der biologischen Reife und der anthropometrischen Merkmale der zu den

72

Aufnahmeprüfungen antretenden Sportler und Sportlerinnen könnte zu einer besseren Einschätzung der Entwicklungsfähigkeit der Athleten und Athletinnen beitragen. Vor allem am Schigymnasium Stams, wo die Konkurrenz am stärksten ist und die Aufnahmeprüfung eher dazu neigt, Frühgeborene zu bevorzugen, sollte dies beachtet werden.

Als erster, einfacher und besonders wichtiger Schritt sollte aber bei allen verantwortlichen Trainern und Trainerinnen, Funktionären und auch den Eltern das Bewusstsein für die Existenz und die Auswirkungen des RAE geschaffen werden. Wichtig ist, dass verantwortungsbewusst gehandelt wird und der RAE nicht unterschätzt wird, wenngleich bei der Talentdiagnose und weiterführenden Talentförderung noch sehr viele andere, teilweise unbekannte und unvorhersehbare Variablen einen Einfluss haben.

73

Literaturverzeichnis

Abbott, A., & Collins, D. (2004). Eliminating the dichotomy between theory and practice in talent identification and development: considering the role of psychology. Journal of Sports Sciences, 22(5), 395-408. https://doi.org/10.1080/02640410410001675324

Albuquerque, M. R., Lage, G. M., Costa, V. T. D., Ferreira, R. M., Penna, E. M., Moraes, L. C. C. D. A., & Malloy-Diniz, L. F. (2012). Relative age effect in Olympic taekwondo athletes. Perceptual and Motor Skills, 114(2), 461-468. https://doi.org/10.2466/05.25.PMS.114.2.461-468

Baker, J., Janning, C., Wong, H., Cobley, S., & Schorer, J. (2014). Variations in relative age effects in individual sports: Skiing, figure skating and gymnastics. European Journal of Sport Science, 14(sup1), 183-190. https://doi.org/10.1080/17461391.2012.671369

Baker, J., Schorer, J., & Cobley, S. (2010). Relative age effects: An inevitable consequence of elite sport? Sportwissenschaft, 40(1), 26-30. https://doi.org/10.1007/s12662-009-0095-2

Bjerke, Ø., Pedersen, A. V., Aune, T. K., & Lorås, H. (2017). An Inverse Relative Age Effect in Male Alpine Skiers at the Absolute Top Level. Frontiers in Psychology, 8. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2017.01210

Conzelmann, A., Zibung, M., & Zuber, C. (2018). Talente finden und fördern im Sport. In Ritz A. & Thom N. (Hrsg.). Talent Management (3. Aufl., S. 87-104). Wiesbaden: Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19100-9_5

Cobley, S., Abbott, S., Eisenhuth, J., Salter, J., McGregor, D., & Romann, M. (2019). Removing relative age effects from youth swimming: The development and testing of corrective adjustment procedures. Journal of Science and Medicine in Sport, 22(6), 735-740. https://doi.org/10.1016/j.jsams.2018.12.013

Cobley, S., Baker, J., Wattie, N., & McKenna, J. (2009). Annual Age-Grouping and Athlete Development: A Meta-Analytical Review of Relative Age Effects in Sport. Sports Medicine, 39(3), 235-256. https://doi.org/10.2165/00007256-200939030- 00005

74

Cobley, S. P., Schorer, J., & Baker, J. (2008). Relative age effects in professional German soccer: A historical analysis. Journal of Sports Sciences, 26(14), 1531- 1538. https://doi.org/10.1080/02640410802298250

Cohen, J. (1988). Statistical Power for the Behavioural Sciences. Hilsdale. NY: Lawrence Erlbaum.

Côté, J., Macdonald, D. J., Baker, J., & Abernethy, B. (2006). When “where” is more important than “when”: Birthplace and birthdate effects on the achievement of sporting expertise. Journal of Sports Sciences, 24(10), 1065-1073.

Côté, J., Horton, S., MacDonald, D., & Wilkes, S. (2009). The benefits of sampling sports during childhood. Physical & Health Education Journal, 74(4), 6-11.

Delorme, N., Boiché, J., & Raspaud, M. (2009). The Relative Age Effect in Elite Sport: The French Case. Research Quarterly for Exercise and Sport, 80(2), 336-344. https://doi.org/10.1080/02701367.2009.10599568

Delorme, N., Chalabaev, A., & Raspaud, M. (2011). Relative age is associated with sport dropout: evidence from youth categories of French basketball. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 21(1), 120-128. https://doi.org/10.1080/02701367.2009.10599568

Deprez, D., Coutts, A. J., Fransen, J., Deconinck, F., Lenoir, M., Vaeyens, R., & Philippaerts, R. (2013). Relative age, biological maturation and anaerobic characteristics in elite youth soccer players. International Journal of Sports Medicine, 34(10), 897-903. https://dx.doi.org/ 10.1055/s-0032-1333262

Edgar, S., & O’Donoghue, P. (2005). Season of birth distribution of elite tennis players. Journal of Sports Sciences, 23(10), 1013-1020. https://doi.org/10.1080/02640410400021468

Emrich, E., & Güllich, A. (2005). Zur „Produktion“ sportlichen Erfolgs. Organisationsstrukturen, Förderbedingungen und Planungsannahmen in kritischer Analyse. Köln: Strauß.

75

FIS (2019). Internationale Wettkampfordnung (IWO). Zugriff unter: https://assets.fis- ski.com/image/upload/v1569218837/fis- prod/assets/IWO_Skispringen_2019_clean.pdf (letzter Zugriff am 24. Oktober 2019)

Ford, P., Ward, P., Hodges, N. J., & Williams, M. (2009). The role of deliberate practice and play in career progression in sport: The early engagement hypothesis. High Ability Studies, 20, 65-75. https://doi.org/10.1080/13598130902860721

Ford, P. R., & Williams, M. A. (2011). No relative age effect in the birth dates of award- winning athletes in male professional team sports. Research Quarterly for Exercise and Sport, 82(3), 570-573. https://doi.org/10.1080/02701367.2011.10599790

Gorski, T., Rosser, T., Hoppeler, H., & Vogt, M. (2016). Relative Age Effect in Young Swiss Alpine Skiers from 2004 to 2011. International Journal of Sports Physiology and Performance, 11(4), 455-463. https://doi.org/10.1123/ijspp.2014-0418

Güllich, A. (2007). Training – Förderung – Erfolg. Steuerungsannahmen und empirische Befunde. Habilitationsschrift. Saarbrücken: Universität des Saarlandes.

Güllich A. (2013) Talente im Sport. In Güllich, A., & Krüger, M. (Hrsg.). Sport: Das Lehrbuch für das Sportstudium, (S. 623-653). Berlin Heidelberg: Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-642-37546-0_17

Güllich, A., & Emrich, E. (2014). Considering long-term sustainability in the development of world class success. European Journal of Sport Science, 14(sup1), 383-397. https://doi.org/10.1080/17461391.2012.706320

Heller, K. A., Perleth, C., & Lim, T. K. (2005). The Munich Model of giftedness designed to identify and promote gifted students. In R.J. Sternberg & J.E. Davidson (Eds.). Conceptions of Giftedness (2nd ed., pp. 147-170). New York, NY: Cambridge University Press.

Helsen, W. F., Baker, J., Michiels, S., Schorer, J., Van Winckel, J., & Williams, A. M. (2012). The relative age effect in European professional soccer: Did ten years of research make any difference?. Journal of Sports Sciences, 30(15), 1665-1671. https://doi.org/10.1080/02640414.2012.721929

76

Helsen, W. F., van Winckel, J., & Williams, A. M. (2005). The relative age effect in youth soccer across Europe. Journal of Sports Sciences, 23(6), 629-636. https://doi.org/10.1080/02640410400021310

Hohmann, A. (2009). Zur Entwicklung sportlicher Talente an sportbetonten Schulen. In G. Neumann (Hrsg.). Talentdiagnose und Talentprognose im Nachwuchsleistungssport / [Bundesinstitut für Sportwissenschaft] (S. 13-27). Köln: Sportverlag Strauß.

Hohmann, A., & Carl, K. (2002). Zum Stand der sportwissenschaftlichen Talentforschung. In A. Hohmann, D. Wick & K. Carl (Hrsg.). Talent im Sport (S. 3- 30). Schorndorf: Hofmann.

Horton, S. (2012). Environmental influences on early development in sports experts. In J. Baker, S. Cobley & J. Schorer (Hrsg.). Talent Identification and Development in Sport (S. 59-70). London: Routledge.

Hurley, W., Lior, D., & Tracze, S. (2001). A proposal to reduce the age discrimination in Canadian minor hockey. Canadian Public Policy/Analyse de Politiques, 65-75.

Issurin, V. B. (2017). Evidence-based prerequisites and precursors of athletic talent: a review. Sports Medicine, 47(10), 1993-2010. https://doi.org/10.1007/s40279-017- 0740-0

Joch, W. (2001). Das sportliche Talent: Talenterkennung – Talentförderung - Talentperspektiven. Aachen: Meyer & Meyer.

Johnson, A., Farooq, A., & Whiteley, R. (2017). Skeletal maturation status is more strongly associated with academy selection than birth quarter. Science and Medicine in Football, 1(2), 157-163. https://doi.org/10.1080/24733938.2017.1283434

Johnston, K., Wattie, N., Schorer, J., & Baker, J. (2018). Talent Identification in Sport: A Systematic Review. Sports Medicine, 48(1), 97-109. https://doi.org/10.1007/s40279-017-0803-2

Lames, M., Augste, C., Dreckmann, C., Görsdorf, K., & Schimanski, M. (2008). Der „Relative Age Effect“ (RAE): neue Hausaufgaben für den Sport. Leistungssport, 37(6), 4-9.

77

Lidor, R., Côté, J., & Hackfort, D. (2009). ISSP position stand: To test or not to test? The use of physical skill tests in talent detection and in early phases of sport development. International Journal of Sport and Exercise Psychology, 7(2), 131- 146. https://doi.org/10.1080/1612197X.2009.9671896

López de Subijana, C., & Lorenzo, J. (2018). Relative Age Effect and Long-Term Success in the Spanish Soccer and Basketball National Teams. Journal of Human Kinetics, 65(1), 197-204. https://doi.org/10.2478/hukin-2018-0027

Kulovits, D. (2018). ÖSV-Skispringern droht Flaute im Nachwuchs. Zugriff unter: https://www.laola1.at/de/red/wintersport/skispringen/oesv-skispringern-droht- flaute-im-nachwuchs/ (letzter Zugriff am 29. Juni 2019)

Mann, D. L., & van Ginneken, P. J. M. A. (2017). Age-ordered shirt numbering reduces the selection bias associated with the relative age effect. Journal of Sports Sciences, 35(8), 784-790. https://doi.org/10.1080/02640414.2016.1189588

Mirwald, R. L., Baxter-Jones, A. D., Bailey, D. A., & Beunen, G. P. (2002). An assessment of maturity from anthropometric measurements. Medicine and Science in Sports and Exercise, 34(4), 689-694.

Moesch, K., Elbe, A. M., Hauge, M. L., & Wikman, J. M. (2011). Late specialization: the key to success in centimeters, grams, or seconds (cgs) sports. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 21(6), e282-e290. https://doi.org/10.1111/j.1600-0838.2010.01280.x

Müller, L. , Gonaus, C., Perner, C., Müller, E., & Raschner, C. (2017a). Maturity status influences the relative age effect in national top level youth alpine ski racing and soccer. PloS One, 12(7), e0181810. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0181810

Müller, L., Hildebrandt, C., & Raschner, C. (2015a). The relative age effect and the influence on performance in youth alpine ski racing. Journal of Sports Science & Medicine, 14(1), 16-22.

Müller, L., Hildebrandt, C., & Raschner, C. (2017b). The Role of a Relative Age Effect in the 7th International Children's Winter Games 2016 and the Influence of Biological Maturity Status on Selection. Journal of Sports Science & Medicine, 16(2), 195-202.

78

Müller, L., Müller, E., Hildebrandt, C., Kapelari, K., & Raschner, C. (2015b). Die Erhebung des biologischen Entwicklungsstandes für die Talentselektion – welche Methode eignet sich? Sportverletzung · Sportschaden, 29(01), 56-63. https://doi.org/10.1055/s-0034-1399043

Müller, L., Müller, E., Hildebrandt, C., Kornexl, E., & Raschner, C. (2015c). Influential factors on the relative age effect in alpine ski racing. PloS One, 10(8), e0134744. doi:10.1371/journal.pone.0134744

Müller, L., Müller, E., Kornexl, E., & Raschner, C. (2015d). The relationship between physical motor skills, gender and relative age effects in young Austrian alpine ski racers. International Journal of Sports Science & Coaching, 10(1), 69-85. https://doi.org/10.1260/1747-9541.10.1.69

Müller, L., Raschner, C., Kornexl, E., Hildebrandt, C., Bacik, M., Kröll, J., & Müller, E. (2012). Zum Relativen Alterseffekt im internationalen alpinen Skirennlauf. Leistungssport, 42(1), 5-12.

Musch, J., & Grondin, S. (2001). Unequal competition as an impediment to personal development: A review of the relative age effect in sport. Developmental Review, 21(2), 147-167.

Nakata, H., & Sakamoto, K. (2011). Relative Age Effect in Japanese Male Athletes. Perceptual and Motor Skills, 113(2), 570- 574.xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx https://doi.org/10.2466/05.10.11.PMS.113.5.570-574

Navarro, J.-J., García-Rubio, J., & Olivares, P. R. (2015). The Relative Age Effect and Its Influence on Academic Performance. PloS One, 10(10), e0141895. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0141895

OPA (2019). Reglement für die OPA Skisprung und Nordische Kombination. Zugriff unter: http://opa-alpencup.com/wp-content/uploads/2019/10/OPA-Reglement- deutsch.pdf (letzter Zugriff am 24. Oktober 2019)

ÖSV (2018a). Vereine und Ansprechpartner. Zugriff unter: https://www.oesv.at/news/vereine-und-ansprechpartner/ (letzter Zugriff am 29. Juni 2019)

79

ÖSV (2018b). Durchführungsbestimmungen Austria-Cup Skisprung (AUCSP) und Austria-Cup Nordische Kombination (AUCNK). Zugriff unter: https://osv-prd-forge- dapi.azurewebsites.net/v2/documents/download/de-de/2018-19-auc- durchfuhrungsbestimmungen-update-20-11-2018 (letzter Zugriff am 24. Oktober 2019)

ÖSV (2019a). Durchführungsbestimmungen Austria-Cup Skisprung (AUCSP) und Austria-Cup Nordische Kombination (AUCNK). Zugriff unter: http://www.austriacup.com/wp-content/uploads/2018/06/2019-20_AUC- Durchführungsbestimmungen_Vorschlag_09.08.2019.pdf (letzter Zugriff am 24. Oktober 2019)

ÖSV (2019b). ÖWO Nordisch. Zugriff unter: https://osv-prd-forge- dapi.azurewebsites.net/v2/documents/download/de-de/owo-nordisch-2015-16-rot- 2019-20 (letzter Zugriff am 24. Oktober 2019)

Raschner, C., Müller, L., & Hildebrandt, C. (2012). The role of a relative age effect in the first winter Youth Olympic Games in 2012. British Journal of Sports Medicine, 46(15), 1038-1043. https://doi.org/10.1136/bjsports-2012-091535

Romann, M., & Fuchslocher, J. (2013). Influences of player nationality, playing position, and height on relative age effects at women's under-17 FIFA World Cup. Journal of Sports Sciences, 31(1), 32-40. https://doi.org/10.1080/02640414.2012.718442

Romann, M., Rössler, R., Javet, M., & Faude, O. (2018). Relative age effects in Swiss talent development – a nationwide analysis of all sports. Journal of Sports Sciences, 36(17), 2025-2031. https://doi.org/10.1080/02640414.2018.1432964

Schmölzer, B., & Müller, W. (2002). The importance of being light: aerodynamic forces and weight in ski jumping. Journal of Biomechanics, 35(8), 1059-1069.

Schneider, W., Bös, K., & Rieder, H. (1993): Leistungsprognose bei jugendlichen Spitzensportlern. In J. Beckmann, H. Strang & E. Hahn (Hrsg.). Aufmerksamkeit und Energetisierung – Facetten von Konzentration und Leistung (S. 277-301). Göttingen: Hogrefe.

80

Schorer, J., Cobley, S., Büsch, D., Bräutigam, H., & Baker, J. (2009). Influences of competition level, gender, player nationality, career stage and playing position on relative age effects. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 19(5), 720-730. https://doi.org/10.1111/j.1600-0838.2008.00838.x

Seidel, I. (2011). Trends in der Talentforschung und Talentförderung. Leistungssport, 41, 19-23.

Statistik Austria (2019). Lebendgeborene seit 2006 nach Ereignismonaten und Bundesländern. Zugriff unter: http://www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelect ionMethod=LatestReleased&dDocName=024809 (letzter Zugriff am 21. Mai 2019).

Staudacher, A., Hotter, B., Kasberger, G., & Nachbauer, W. (2006). Effektivität österreichische Nachwuchssportförderung im Skisport am Beispiel des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) und der Internatsschule für Skisportler Stams (Tirol). In E. Thöni, M.P. Büch, & E. Kornexl (Hrsg.). Effektivität und Effizienz öffentlicher Sportförderung – Sportökonomie 8, (S. 171-181). Schorndorf: Hofmann Verlag.

Steidl-Müller, L., Hildebrandt, C., Raschner, C., & Müller, E. (2019). Challenges of talent development in alpine ski racing: a narrative review. Journal of Sports Sciences, 37(6), 601-612. https://doi.org/10.1080/02640414.2018.1513355

Strickner, C. (2016). Talentdiagnose und Talentförderung im österreichischen Skispringen am Beispiel der Internatsschule für Skisportler Stams (nicht veröffentlichte Diplomarbeit). Universität Innsbruck, Institut für Sportwissenschaft, Innsbruck.

Teubert, H., Borggrefe, C., Cachay, K., & Thiel, A. (2006). Spitzensport und Schule. Möglichkeiten und Grenzen struktureller Kopplung in der Nachwuchsförderung. Schorndorf: Hofmann.

Turnnidge, J., Hancock, D. J., & Côté, J. (2014). The influence of birth date and place of development on youth sport participation: Contextual factors and sport participation. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 24(2), 461- 468. https://doi.org/10.1111/sms.12002

81

Vaeyens, R., Lenoir, M., Williams, A. M., & Philippaerts, R. M. (2008). Talent identification and development programmes in sport. Sports Medicine, 38(9), 703- 714.

Virmavirta, M., & Kivekäs, J. (2019). Is it still important to be light in ski jumping?. Sports Biomechanics, 1-12. https://doi.org/10.1080/14763141.2018.1556326

Watson, A. M. (2017). Sleep and athletic performance. Current Sports Medicine Reports, 16(6), 413-418. https://doi.org/10.1249/JSR.0000000000000418

Williams, A. M., & Reilly, T. (2000). Talent identification and development in soccer. Journal of Sports Sciences, 18(9), 657-667. https://doi.org/10.1080/02640410050120041 www.fis-ski.com (letzter Zugriff am 6. Juli 2019) www.schigymnasium-stams.at/internat/internatsleben.html (letzter Zugriff am 10. Juli 2019) www.skiforbundet.no/hopp/sesonginformasjon/4-konica-minolta-nc (letzter Zugriff am 29 Juni 2019)

82

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Person-Umwelt-Konzept der Talententwicklung im Sport 9

Abbildung 2: Rahmenmodell der spitzensportorientierten und wissenschaftlich begleiteten Talententwicklung mit den Ankerpunkten initiale, juvenile und finale sportliche Leistung als Stationen der Talentdiagnose und Talentförderung. 12

Abbildung 3: Teufelskreis 22

Abbildung 4: Strukturelle und inhaltliche Darstellung des Fördersystems „Skispringen in Österreich“ 27

Abbildung 5: Komponenten der sportlichen Leistung im Skispringen 31

Abbildung 6: Relative Altersquartals-Verteilung aller ÖSV-Kaderathleten von 2001 bis 2019 42

Abbildung 7: Relative Geburtsmonats-Verteilung aller ÖSV-Kaderathleten von 2001 bis 2019 43

Abbildung 8: Darstellung der Einzeljahre im Beobachtungszeitraum von 2001 bis 2019 44

Abbildung 9: Relative Altersquartals-Verteilung im ÖSV-Kader von 2001 bis 2019 aufgeteilt nach Athleten, die nationale Erfolge erreichten (Nachwuchskader), und Athleten, die international erfolgreich waren (mind. B-Kaderstatus) 45

Abbildung 10: Relative Altersquartals-Verteilung aufgeteilt nach der höchsten Kaderzugehörigkeit 46

Abbildung 11: Relative Altersquartals-Verteilung der Stamser Schüler im ÖSV-Kader von 2001 bis 2019 aufgeteilt nach Athleten, die nationale Erfolge erreichten und Athleten, die international erfolgreich waren 47

Abbildung 12: Relative Altersquartals-Verteilung vor und nach der Aufnahmeprüfung an allen Ausbildungszentren zusammengefasst und am Schigymnasium Stams 49

83

Abbildung 13: Relative Altersquartals-Verteilung am Schigymnasium Stams, aufgeteilt nach erreichtem Kaderstatus und zur Aufnahmeprüfung angetretenen bzw. aufgenommenen Athleten 50

Abbildung 14: Wettkampfübersicht und entsprechende Wettkampfklassen- einteilung für die Saison 2019/20 vor (alt) bzw. nach (neu) der Reglementänderung 56

Abbildung 15: Modell zur Wettkampfklasseneinteilung mit Stichtag 1.9. für die Saison 2019/20 57

Abbildung 16: Tagesablauf eines normalen Schul-/Trainingstages am Schigymnasium Stams 58

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Definitorische Schwerpunkte der vier unterschiedlichen Talent- begriffe 6

Tabelle 2: Anforderungen für die Aufnahme an einem Ausbildungszentrum bzw. im ÖSV-Kader 34

Tabelle 3: Klassifizierung der Effektstärke w 41

Tabelle 4: Einteilung der Geburtsmonate in Quartale und erwartete Gleichverteilung 41

Tabelle 5: Sieger auf den wichtigsten Wettkampfebenen im Skispringen (ohne Skifliegen) im Zeitraum zwischen 2000/01 und 2018/19 52

Tabelle 6: Konzept des rotierender Stichtages beginnend mit der Saison 2019/20 nach dem alten Altersklassenreglement 64

84

Abkürzungsverzeichnis

AZ Ausbildungszentrum bzw. beziehungsweise

COC Continentalcup (zweite Wettkampfserie im Skispringen nach dem Weltcup)

FIS Internationaler Skiverband

HS Hillsize (Maß für die Größe von Skisprungschanzen)

JWM Junioren Weltmeisterschaft

NAZ Nordisches Ausbildungszentrum (Eisenerz)

NC NorgesCup (nationale Skisprungwettkampfserie in Norwegen)

OPA Vereinigung der Alpenländer (Skisport)

ÖSV Österreichischer Skiverband

Q1 – Q4 relatives Altersquartal 1 bis 4

RAE Relativer Alterseffekt

YOG Youth Olympic Games (Olympische Jugendspiele)

85

Anhang

Anhang A: Tabellarische Darstellung der Ergebnisse der Aufnahmeprüfung an den Ausbildungszentren

Zeitraum AZ Kader erwartete Verteilung N Q1 [N] Q2 [N] Q3 [N] Q4 [N] Q1 [%] Q2 [%] Q3 [%] Q4 [%] !2 df p " Prozent Stams Alle Gleichverteilung 128 32 27 42 27 25,0% 21,1% 32,8% 21,1% 4,69 3 0,196 0,191 2010-2019 Stams Aufgenommen Aufnahme 52 19 9 13 11 36,5% 17,3% 25,0% 21,2% 4,09 3 0,251 0,280 40,6% Stams Alle Gleichverteilung 69 19 15 23 12 27,5% 21,7% 33,3% 17,4% 3,99 3 0,263 0,240 Stams Aufgenommen Aufnahme 29 13 6 7 3 44,8% 20,7% 24,1% 10,3% 4,73 3 0,193 0,401 42,0% 2014-2019 Alle Alle Gleichverteilung 88 25 20 29 14 28,4% 22,7% 33,0% 15,9% 5,73 3 0,126 0,255 Alle Aufgenommen Aufnahme 59 17 14 19 9 28,8% 23,7% 32,2% 15,3% 0,06 3 0,997 0,031 67,0% Stams Alle Gleichverteilung 94 23 21 28 22 24,5% 22,3% 29,8% 23,4% 1,23 3 0,745 0,115 Stams Aufgenommen Aufnahme 36 14 5 8 9 38,9% 13,9% 22,2% 25,0% 4,94 3 0,176 0,371 38,3% 2010-2016 Stams Nachwuchs Aufnahme 23 8 3 6 6 34,8% 13,0% 26,1% 26,1% 2,07 3 0,559 0,300 24,5% Stams Nachwuchs Aufgenommen 23 8 3 6 6 34,8% 13,0% 26,1% 26,1% 2,77 3 0,964 0,110 63,9% Stams mind. B-Kader Aufnahme 10 2 2 2 4 20,0% 20,0% 20,0% 40,0% nicht genügend Daten 10,6%

Notiz: AZ = Ausbildungszentrum; die erwartete Verteilung bezieht sich auf den Qui-Quadrat Test (Gleichverteilung à Gleichverteilung über die 4 Quartale; Aufnahme à Quartalsverteilung bei den Teilnehmern an der Aufnahmeprüfung; Aufgenommen à Quartalsverteilung bei den aufgenommenen Schülern); Q1 bis Q4 stellen die Geburtsquartale 1 (Jänner, Februar, März), 2 (April, Mai, Juni), 3 (Juli, August, September) und 4 (Oktober, November, Dezember) dar; die Spalte Prozent gibt die prozentuelle Anzahl der aufgenommenen Athleten an.

86

Anhang B: Tabellarische Darstellung der Ergebnisse der ÖSV-Kader

Zeitraum AZ Kader erwartete Verteilung N Q1 [N] Q2 [N] Q3 [N] Q4 [N] Q1 [%] Q2 [%] Q3 [%] Q4 [%] !2 df p " Prozent Alle Alle Gleichverteilung 124 37 33 29 25 29,8% 26,6% 23,4% 20,2% 2,58 3 0,461 0,144 2001-2019 Alle Alle Monatsverteilung 124 7,73 11 0,737 0,250 2001 Alle Alle Gleichverteilung 26 10 8 2 6 38,5% 30,8% 7,7% 23,1% 5,39 3 0,146 0,455 2002 Alle Alle Gleichverteilung 28 8 8 7 5 28,6% 28,6% 25,0% 17,9% 0,86 3 0,836 0,175 2003 Alle Alle Gleichverteilung 31 8 10 5 8 25,8% 32,3% 16,1% 25,8% 1,65 3 0,649 0,230 2004 Alle Alle Gleichverteilung 30 9 10 4 7 30,0% 33,3% 13,3% 23,3% 2,80 3 0,423 0,306 2005 Alle Alle Gleichverteilung 23 6 8 4 5 26,1% 34,8% 17,4% 21,7% 1,52 3 0,677 0,257 2006 Alle Alle Gleichverteilung 26 8 9 4 5 30,8% 34,6% 15,4% 19,2% 2,62 3 0,455 0,317 2007 Alle Alle Gleichverteilung 23 8 7 3 5 34,8% 30,4% 13,0% 21,7% 2,57 3 0,464 0,334 2008 Alle Alle Gleichverteilung 27 11 8 4 4 40,7% 29,6% 14,8% 14,8% 5,15 3 0,161 0,437 2009 Alle Alle Gleichverteilung 29 11 11 3 4 37,9% 37,9% 10,3% 13,8% 7,83 3 0,050 0,520 2010 Alle Alle Gleichverteilung 25 13 8 2 2 52,0% 32,0% 8,0% 8,0% 13,56 3 0,004 0,736 2011 Alle Alle Gleichverteilung 29 13 10 3 3 44,8% 34,5% 10,3% 10,3% 10,59 3 0,014 0,604 2012 Alle Alle Gleichverteilung 26 14 7 2 3 53,8% 26,9% 7,7% 11,5% 13,69 3 0,003 0,726 2013 Alle Alle Gleichverteilung 31 12 11 4 4 38,7% 35,5% 12,9% 12,9% 7,32 3 0,062 0,486 2014 Alle Alle Gleichverteilung 31 11 12 4 4 35,5% 38,7% 12,9% 12,9% 7,32 3 0,062 0,486 2015 Alle Alle Gleichverteilung 27 9 7 6 5 33,3% 25,9% 22,2% 18,5% 1,30 3 0,730 0,219 2016 Alle Alle Gleichverteilung 30 10 9 6 5 33,3% 30,0% 20,0% 16,7% 2,27 3 0,519 0,275 2017 Alle Alle Gleichverteilung 30 8 11 5 6 26,7% 36,7% 16,7% 20,0% 2,80 3 0,423 0,306 2018 Alle Alle Gleichverteilung 29 9 9 3 8 31,0% 31,0% 10,3% 27,6% 3,41 3 0,332 0,343 2019 Alle Alle Gleichverteilung 32 9 9 8 6 28,1% 28,1% 25,0% 18,8% 0,75 3 0,861 0,153 Alle Nachwuchs Gleichverteilung 51 13 11 17 10 25,5% 21,6% 33,3% 19,6% 2,26 3 0,521 0,200 41,1% Alle mind. B Gleichverteilung 73 24 22 12 15 32,9% 30,1% 16,4% 20,5% 5,30 3 0,151 0,270 58,9% Alle max. B Gleichverteilung 28 8 9 7 4 28,6% 32,1% 25,0% 14,3% 2,00 3 0,572 0,267 22,6% Alle max. A Gleichverteilung 20 4 6 3 7 20,0% 30,0% 15,0% 35,0% 2,00 3 0,572 0,316 16,1% 2001-2019 Alle Nationalteam Gleichverteilung 25 12 7 2 4 48,0% 28,0% 8,0% 16,0% 9,08 3 0,028 0,603 20,2% Stams Alle Gleichverteilung 90 28 25 21 16 31,1% 27,8% 23,3% 17,8% 3,60 3 0,308 0,200 72,6% Stams Nachwuchs Gleichverteilung 31 8 4 13 6 25,8% 12,9% 41,9% 19,4% 5,77 3 0,123 0,432 34,4% Stams mind. B Gleichverteilung 59 20 21 8 10 33,9% 35,6% 13,6% 16,9% 9,14 3 0,028 0,394 65,6%

Notiz: AZ = Ausbildungszentrum; die erwartete Verteilung bezieht sich auf den Qui-Quadrat Test (Gleichverteilung à Gleichverteilung über die 4 Quartale); Q1 bis Q4 stellen die Geburtsquartale 1 (Jänner, Februar, März), 2 (April, Mai, Juni), 3 (Juli, August, September) und 4 (Oktober, November, Dezember) dar; die Spalte Prozent gibt den prozentualen Anteil in Bezug auf alle 124 Kaderathleten an.