Heimatwelt

Mit Beiträgen von Gemeinde Gemeindearchiv Geschichtsverein Weimar

Heft Nr. 43/2008

Herausgeber Gemeindevorstand der Gemeinde Weimar ()

1 Inhalt

Alte Kirche – 20 Jahre voller Leben Kultur- und Förderverein Alte Kirche Niederweimar e.V. von Ulla Vaupel ...... 3

Das Schicksal einer deutschen Flugzeugbesatzung am 6.Dezember 1944 von Hans Schneider ...... 8

Die Neue Schule in Niederweimar von 1863, hier: Streit mit der Gemeinde von Hans Schneider ...... 10

Die Elektrifizierung unserer Dörfer von Hans Schneider ...... 13

11 Jahre Soldat, Krieg und Gefangenschaft von Hans Schneider ...... 15

Ein „Häuslebauer“ in den dreißiger Jahren! von Hans Schneider ...... 18

Hochwasser und Deiche um Roth von Otto Weimar ...... 20

Das Runddorf Niederweimar anno 1717/1747 von Heinrich Eidam ...... 22

Die Rechtsformel des Judeneids im Schenkisch Eigen von Siegfried Becker ...... 25

Kleine Mitteilungen (zusammengestellt von Siegfried Becker)

Wandernder Zinngießer 1835 in Niederwalgern ...... 9

Nachricht über eine ältere Glocke in Roth ...... 9

Zwangsumsiedlung jüdischer Familien, Nachtrag ...... 24

Ein Hofschreiner in Haddamshausen ...... 35

2

Alte Kirche - 20 Jahre voller Leben Kultur- und Förderverein Alte Kirche Niederweimar e.V.

von Ulla Vaupel

18. Mai 1988 – im Gemeindezentrum in Besucher kamen zu dieser Ausstellung und Niederweimar treffen sich 25 interessierte und damit nach vielen Jahren wieder einmal in ihre engagierte Bürger aus dem „alten Dorf“ und Alte Kirche. „vom Weinberg“, um den in vielen Vor- Für ein Kulturprogramm im nächsten Jahr gesprächen geplanten Verein zur Erhaltung war alle Kreativität gefragt. Wir waren ja und neuen Nutzung der Alten Kirche zu buchstäblich „arm wie eine Kirchenmaus“, gründen. wollten aber doch so gerne Leben in die Alte Alle sind sich einig – diese vom Verfall Kirche einziehen lassen. Immer wieder die bedrohte Kirche im alten Dorfkern kann nur Frage “wer könnte eine Ausstellung, ein erhalten werden, wenn neues Leben in die Konzert oder was auch immer gestalten“ und Mauern dieses ehemaligen Gotteshauses natürlich „es darf aber nichts kosten“. einzieht. Wir alle haben die Hoffnung, dass Nach Möglichkeit sollten die Veranstal- damit auch das Einwerfen der Butzenscheiben tungen Geld einbringen – es fehlte noch an so in den Fenstern zur Lindenstraße ein Ende hat. vielem. Stühle hatten wir von der Kirchen- Ein „belebtes“ Haus wird respektiert. Unsere gemeinde als Dauerleihgabe erhalten, aber es Hoffnung hat uns nicht getrogen – nie wieder fehlten noch Lampen und Tische und .. und .. wurde an unserer Alten Kirche irgendetwas Einer der ersten wegweisenden Beschlüsse zerstört. Ganz im Gegenteil – es wurde des Vorstandes war, dass für die Veran- aufgebaut, neu gestaltet und vor allem mit staltungen in der Alten Kirche kein Eintritt Leben gefüllt. genommen werden sollte. Wir wollten allen Der neu gewählte Vorstand unter dem Menschen ermöglichen, unsere Veranstal- Vorsitz von Dr. Joachim Lehmann, der zweiten tungen zu besuchen und darauf vertrauen, dass Vorsitzenden Karin Bellof, dem Rechnungs- jeder Gast uns nach seinen Möglichkeiten mit führer Otto Faul und der Schriftführerin Ulla einer Spende unterstützt. Dieser Beschluss Vaupel sah sich vor einem Riesenberg von steht bis heute und wir haben sehr gute Erfah- Anforderungen und Problemen. rungen damit gemacht. Unser Spendentopf ist Die Aufgaben mussten aufgeteilt werden – bisweilen sehr gut gefüllt, so dass durch die Dr. Lehmann bemühte sich intensiv Mischkalkulation – hier müssen wir aus gemeinsam mit der Kirchengemeinde und der eigenen Mitteln mitfinanzieren dort bleibt politischen Gemeinde um die Finanzierung der etwas übrig – es über all die Jahre gelungen ist, Maßnahmen zur Erhaltung und Sicherung der ein interessantes Kulturprogramm zusammen Bausubstanz. Otto Faul hatte die wohl zu stellen. schwierigste Aufgabe zu bewältigen – er Doch zurück ins Jahr 1989 – am 27. März musste unsere zunächst nicht vorhandenen 1989 wurde die erste vom Verein organisierte finanziellen Mittel verwalten und Ausstellung gezeigt. Frau Ilse Müller aus Möglichkeiten finden, Geld zu beschaffen. Um Niederweimar präsentierte mit ihren Kurs- die Verwirklichung der Vision von einer frauen Spitzenhäkelarbeiten und viele lebendigen Alten Kirche kümmerten sich interessierte Gäste haben diese Ausstellung Karin Bellof und Ulla Vaupel. besucht. Zur 850-Jahr-Feier von Niederweimar im Im Mai stellte Dr. André Manecke seine September 1988 wurde die Alte Kirche zum Pastellzeichnungen zum ersten mal in unserer ersten Mal für eine Ausstellung genutzt. Die Alten Kirche aus - er ist in all den Jahren gerne Gemeinde Weimar hatte Fotografien wiedergekommen und hat bis heute viele Male zusammengestellt, die das Dorf um die seine Bilder in der besonderen Atmosphäre der Jahrhundertwende zeigte. Alten Kirche gezeigt. Alte Geräte aus Bauernhäusern und Die Idee, im wunderschönen Kirchgarten Handwerksbetrieben waren zusammen getra- ein Fest zu feiern, wurde zunächst aus dem gen worden und sogar eine komplette Gedanken geboren, dass wir schlicht Geld Schuhmacherwerkstatt aufgebaut. Viele einnehmen wollten, um den finanziellen 3 Rahmen für die kulturellen Angebote zu Ausstellung in unserer Alten Kirche. Und - wer schaffen. Nach nun 20 Jahren hat sich unser einmal als Künstler bei uns zu Gast war, jährliches Kirchgartenfest zu einem festen möchte gerne wiederkommen, weil sie die Bestandteil im gemeindlichen Leben ent- Atmosphäre und die Nähe zum Publikum wickelt. Hier treffen sich Menschen aus dem genießen. alten Dorf und Neubürger, um bei frischen Wir freuen uns aber ganz besonders, wenn Waffeln, Wein und Brezeln und einem wir heimische Künstler bei uns zu Gast haben. Kulturprogramm den Kirchgarten und seine Stellvertretend für viele andere soll der Familie besondere Ausstrahlung zu genießen und Hering gedankt werden, die uns seit Gründung miteinander ins Gespräch zu kommen. des Vereins immer wieder in unterschied- Im September 1989 konnten wir zum ersten lichsten „Besetzungen“ unvergessene Konzerte Mal zu einem Kammermusikabend einladen. schenkt. Frau Hering organisiert und leitet ein Das Mitglied unseres Vereins, Frau Hannelore „offenes Singen im Advent“, für das sie Ganßauge, hat diesen Abend mit ihren inzwischen MusikerInnen aus Weimar zu Flötenschülern gestaltet. einem kleinen Orchester zusammen gebracht Im November hatten wir ein ganz hat. besonderes Projekt geplant und organisiert Es gibt in Weimar und im Landkreis so “Die Dritte Welt – aus der Nähe betrachtet“, viele musische Menschen, die es verdient mit Filmen, Musik, einer Ausstellung und haben, sich einem breiten Publikum zu einem Bazar. Doch daraus wurde leider nichts präsentieren, seien es Musiker verschiedener – uns fiel buchstäblich „die Decke auf den Stilrichtungen, Chöre, Maler, Bildhauer oder Kopf“. Ein Teil des Dachstuhls hatte sich Schriftsteller. Gerne würden wir allen diese gesenkt, war eingebrochen und hatte den frisch Möglichkeit geben, aber unsere Kapazitäten renovierten Kirchenraum mit Schutt und Staub sind beschränkt, leisten wir doch unsere Arbeit gefüllt. ehrenamtlich, so dass wir leider nicht alle Während der Wintermonate wurden die Anregungen und Bewerbungen berücksich- Schäden beseitigt und im April 1990 die neue tigen können. Kultursaison mit Ausstellungen, Konzerten In den Anfangsjahren konnten wir von und dem Kirchgartenfest eröffnet. Wieder April bis November zu 5 bis 6 Veranstaltungen hatten wir oft und lange zusammen gesessen, einladen, heute sind es 12 bis 14 Konzerte, um nach Möglichkeiten zu suchen, Künstler in Ausstellungen, Lesungen, ein ganz besonderer unsere alte Kirche einzuladen. Nachmittag für Kinder und natürlich unser Die ersten beiden Jahresprogramme hat Kirchgartenfest, zu denen wir viele Gäste Karin Bellof mit der Hand geschrieben, wir begrüßen können. haben sie kopiert und verteilt. Waren es damals Auch die Zahl der Mitglieder unseres etwa 200 Programme, die wir so erstellt haben, Vereins nahm zu – noch im Jahr seiner sind es heute über 1.000, die wir drucken Gründung stieg sie auf 51 Mitglieder. Heute lassen. hat der Verein über 100 Mitglieder, die mit Der Besuch unserer Veranstaltungen einem festen Jahresbeitrag die Grundlage für steigerte sich kontinuierlich. Es sprach sich die kulturellen Veranstaltungen legen. Der herum, dass die Konzerte und Ausstellungen in Verein freut sich über jedes neue Mitglied, das der besonderen Atmosphäre der Alten Kirche seine Arbeit unterstützt. einen eigenen Reiz haben. Auch die durchaus Was aber wären wir ohne unseren vorhandenen Bedenken, ob denn die „Neubür- Kirchgarten – eingebettet in hohe Mauern, ger vom Weinberg“ mit der alten Dorfkirche blüht es in ihm von Frühling bis Herbst dank auch sorgsam umgehen würden oder ob jetzt der liebevollen Pflege von Frau Hilde Brusius, Discomusik und Partys hier Einzug halten Frau Esther Göttel, Frau Hanna Schünemann werden, konnten im Laufe der Jahre zerstreut und Frau Hanna Rinke. Er ist nicht nur der werden. wunderschöne Rahmen für unser Kirchgarten- Mussten wir in den ersten Jahren nach fest, in den Konzertpausen genießen die Gäste geeigneten Künstlern suchen, fällt heute die hier gerne ein Glas Sekt oder Saft und oft Auswahl zunehmend schwer. Wohl auch durch genug können sie sich nur schwer wieder das neue Medium Internet und unsere Präsenz losreißen. dort, bewerben sich Musiker, Schauspieler und Dieser Garten war früher von den bildende Künstler aus ganz Deutschland um Geistlichen und den Küsterinnen bewirt- ein Engagement oder die Möglichkeit einer schaftet worden. Hier wuchs Gemüse und

4 trocknete Wäsche. Während der Arbeiten des Ein Vorstand allein aber kann die internationalen Bauordens waren die Zelte für vielfältigen Arbeiten rund um die die jungen Leute aufgebaut, in denen sie Veranstaltungen nicht leisten. Es gab und gibt übernachtet haben. so viele helfende Hände, die gerne die Unter der Leitung von Pfarrer Rieß wurde verschiedensten Aufgaben übernehmen und der Garten neu gestaltet. Sandsteinmauern ohne die der Verein nicht hätte bestehen grenzen nun die Beete ein und vor den können. Ihnen allen sei von Herzen gedankt. Nachbargebäuden und Scheunenwänden sind 1995 wurde die Alte Kirche für eine Gitter für Kletterpflanzen angebracht. Hier symbolische Mark an die politische Gemeinde ranken und blühen Hopfen, Clematis, Efeu und „verkauft“, die mit dem Verein einen Wein. An die Sandsteinmauern der Kirche Nutzungsvertrag abschloss und uns das schmiegen sich rote und weiße Rosenbüsche. alleinige Nutzungsrecht übertrug. Unsere Zunächst war in die Mitte des Gartens ein Veranstaltungen und die damit verbundene Kastanienbaum gepflanzt worden, der später neue Lebendigkeit unserer Alten Kirche wurde durch einen kleinen Apfelbaum ersetzt wurde, und wird auch über die Grenzen unserer der aber auch weichen musste. Gemeinde hinaus wahrgenommen. Frau Irmgard Bott vom Arbeitskreis Sichtbarer Ausdruck dafür war die dörfliche Kultur war maßgeblich an der Verleihung des Otto-Ubbelohde-Preises 2001 heilkundlichen und ökologischen Gestaltung an unseren Verein. Diesen Preis verleiht der des Gartens beteiligt. Heute wachsen hier viele Landkreis - jährlich für Heil- und Gewürzpflanzen neben Pflanzen und besondere Leistungen in den Bereichen Kräutern, die Insekten, Schmetterlinge und Denkmalpflege, Heimatkunst, Heimatge- Fledermäuse anziehen. Aber auch Brenn- schichte, Pflege des heimischen Brauchtums nesseln und Disteln dürfen im Garten in und der Beschäftigung mit dem Werk Otto Maßen gedeihen. Handgeschriebene weiße Ubbelohdes. Aus 56 Vorschlägen wurde unser Porzellanschilder, die Frau Margarete Verein einstimmig durch die Jury und den Freudenstein liebevoll gemalt hat, verraten den Kreisausschuss für diese Auszeichnung Namen der Pflanzen. Der Kirchgarten wird ausgewählt. In einer kleinen Feierstunde im nach der standesamtlichen Trauung gern als Kreishaus überreichte Herrn Landrat Robert Foto-Kulisse genutzt und das Brautpaar und Fischbach unserem Verein die Ehrenurkunde. seine Gäste genießen hier einen kleinen Wie sehr haben wir uns über diese Aner- Sektempfang. kennung unserer ehrenamtlichen Arbeit Im Vorstand hatte es 1990 eine gefreut. Sie hat uns Mut gemacht, weiter Veränderung gegeben, Dr. Lehmann konnte motiviert und kreativ die vielfältigen Aufgaben aus Zeitgründen die Funktion des 1. rund um die Alte Kirche anzugehen. Das Vorsitzenden nicht mehr übernehmen. Als Landesamt für Denkmalpflege hat uns im neue Vorsitzende wurde Ulla Vaupel und der Rahmen des Tages des offenen Denkmals 2007 übrige Vorstand wiedergewählt. als ein gelungenes Beispiel für die lebendige Karin Bellof schied 1992 aus dem Vorstand Nutzung einer denkmalgeschützten alten aus, weil sie nicht mehr in Weimar wohnte. Kirche vorgestellt. Zweite Vorsitzende wurde Frau Wiltrud Im Jahr 2004 zeichnete sich noch einmal Lambinet-Potthoff, die 2006 in das Amt der eine Wende in der Nutzungsgeschichte der Rechnungsführerin wechselte und ihr Amt an Alten Kirche ab. Beim Besuch unseres Frau Hanna Schünemann abgab. Unser lang- Kirchgartenfestes war ein junges Paar von der jähriger Rechnungsführer Otto Faul verstarb romantischen Kirche und dem verwunschenen am 20.01.2006. Er hat 18 Jahre lang die Kirchgarten so angetan, dass sie beim Standes- Finanzen unseres Vereins verwaltet und darauf amt nachfragte, ob denn die Möglichkeit für geachtet, dass „seine Damen“ im Vorstand eine standesamtliche Trauung in der Alten sorgsam mit den beschränkten Mitteln Kirche bestehe. Die Standesbeamtin der umgingen. Gemeinde Weimar, Frau Rita Rohrbach, nahm Frau Lambinet-Potthoff ist 2008 aus dem diese Anregung auf und gab sie an den Vorstand ausgeschieden und hat ihr Amt an Vorstand unseres Vereins weiter. Herrn Thomas Golze übergeben. Frau Sie war Auslöser für intensive Gespräche Lambinet-Potthoff hat unseren Verein in den und Abwägungen unter den Mitgliedern und 16 Jahren ihrer Vorstandsarbeit wesentlich im Vorstand. Auch im Kirchenvorstand wurde mitgeprägt, dafür sei ihr herzlich gedankt. darüber beraten. Das Ergebnis des regen

5 Gedankenaustausches war, dass keine eine Küche einrichten. Für all diese Hilfe sind Einwände gegen eine solche Nutzung wir sehr dankbar. bestehen, denn die Kirche ist entwidmet und Dankbar und ein wenig stolz blicken wir seit über 30 Jahren hat es in ihr keine sakralen auf die vergangenen 20 Jahre zurück und Handlungen mehr gegeben. hoffen, dass es auch in den kommenden Jahre Die Gemeindevertretung der Gemeinde Menschen geben wird, die bereit sind, einen Weimar widmete im März 2005 die Alte Teil ihrer freien Zeit in den Dienst des Kirche der Öffentlichkeit und gestattete die Gemeinwohls zu stellen, unsere Alte Kirche zu Durchführung von standesamtlichen Ehe- betreuen und mit Leben zu füllen. Ist es nicht schließungen. Brautpaare können nun wählen, ein wunderbarer „Lohn“ für diese ehren- ob sie im Rathaus oder in der Alte Kirche amtliche Arbeit, wenn ein Gast sagt „wissen getraut werden wollen. Sie eigentlich, wie viel Freude sie den Gemeinsam mit Frau Rohrbach mussten Menschen machen?“ nun alle Vorbereitungen getroffen werden, um Zu unserem 20-jährigen Vereinsjubiläum in der Alten Kirche einen schönen und wollen wir unseren Mitgliedern und Freunden würdigen Rahmen zu schaffen. Da galt es ein eine ganz besondere Freude mit einer großen Tischtuch und Stuhlkissenbezüge nähen zu Jubiläums-Gala machen. Am Samstag, 23. lassen, Kerzenhalter, ein Blumengesteck und August 2008, 20.00 Uhr garantieren im Musik- eine kleine Musikanlage zu kaufen. und Kulturhaus in Niederwalgern echte Stars Rechtzeitig zur ersten Trauung im Mai einen höchst unterhaltsamen Abend mit 2005 war alles bereit, die Sonne begleitete Kabarett, Musik und Zauberei. Der welt- dieses besondere Ereignis und die Presse hat berühmte Klarinettist Rolf Kühn und die darüber ausführlich berichtet. Seither haben wunderbare Sängerin Brenda Boykin aus San sich in der Alten Kirche mehr als 50 Francisco entführen in die Welt des Jazz, Soul Brautpaare trauen lassen. und Spiritual. Neben der Gestaltung und Durchführung Kerstin Brix ist in der Oper genauso eines anspruchsvollen Kulturprogramms in den zuhause wie in der Operette und im Musical – vergangenen 20 Jahren hat sich der Verein sie verzaubert mit der ganzen Bandbreite Ihres auch um die Erhaltung und Sicherung der Könnens. Die Vollblut-Kabarettisten Michael Bausubstanz unserer Alten Kirche bemüht. Frowin und Martin Maier-Bode versprechen Eine „Alte Dame“, wie Pfarrer Wild die Alte viele Pointen und führen spielend und singend Kirche einmal liebevoll genannt hat, braucht durch den Abend. Zauberkünstler Tomani viel Pflege und es fallen immer wieder auch verblüfft mit den schönsten Mirakeln der Baumaßnahmen an – so müssen die Fenster, klassischen Zauberkunst. Jochen Kilian leitet Türen oder Fußböden saniert und gestrichen die Gala-Band, die den Abend musikalisch oder der Dachstuhl stabilisiert werden. begleitet. Dazu gibt’s eine Tombola mit tollen Immer haben wir auf offene Ohren der Gewinnen! evangelischen Landeskirche und der Mit dem Erlös dieses Abends wollen wir politischen Gemeinde zählen können. die Jugendarbeit in der Gemeinde Weimar Finanzielle Unterstützungen dieser Gremien, unterstützen und nehmen deshalb des Landesamtes für Regionalentwicklung, der ausnahmsweise 20,00 € Eintritt. Karten gibt es Denkmalpflege und eigene Mittel haben es im Vorverkauf bei der Gemeindeverwaltung in möglich gemacht, ein Klavier zu kaufen, das Niederweimar, der Tourist-Information in wir in den ersten Jahren bei Bedarf aus dem Marburg und im Internet unter Gemeindezentrum in die Alte Kirche www.Alte-Kirche-Niederweimar.de. transportieren mussten. Wir konnten Lampen, Wir freuen uns auf viele Geburtstagsgäste und Tische, Stühle, Geschirr und Stellwände eine weiterhin so lebendige Alte Kirche. beschaffen und in der ehemaligen Sakristei

6

7 Das Schicksal einer deutschen Flugzeugbesatzung am 6. Dezember 1944

von Hans Schneider

Der nachfolgende Bericht fügt sich besinnlich deutsches Kampfflugzeug des Typs Me 110 und angemessen in die Zeit des handelte, das zur Abwehr bei dem Luftangriff Volkstrauertages und des Totensonntags. auf die Stadt eingesetzt war. Bei Am frühen Abend des 6, Dezember 1944 diesem Absturz kam der Bordfunker, Theo erhellte sich plötzlich der Himmel über Neudeck, ums Leben. Er wurde etwa 60 Meter Niederweimar. Nicht nur über unserem Ort, neben dem Flugzeugwrack mit sichtbaren sondern auch das gesamte , soweit man Verletzungen gefunden und auf einer Trage zu sehen konnte, war taghell. Die Christbäume, dem Schreinermeister Johann Grebe zur so wurden die Leuchtkörper damals genannt, Einsargung gebracht. (Siehe auch die die feindlichen Flugzeuge gesetzt hatten, Polizeibericht vom 7.12.1944). verwandelten die Nacht zum Tag. Der Flugzeugführer, Karl Möller aus Bei der Bevölkerung kam eine große Frankfurt, konnte sich mit dem Fallschirm Unruhe auf, obwohl man sich an die retten, landete verletzt auf den Lahnwiesen bei nächtlichen Fliegerangriffe schon gewöhnt und wurde in die hatte. Viele Menschen verließen ihre Häuser, Universitätsklinik Marburg eingeliefert. Er um Schutz in den Schluchten des nahen kam nach Genesung wieder zum Einsatz und Weinberges oder im Wald zu suchen. ist von da aus verschollen. Welchen Grund hatte die Beleuchtung? Diese Der Bordschütze, Willi Brüsecke aus Frage stellten sich die Leute. Es herrschte die Bochum, hatte das Flugzeug in großer Höhe Annahme, die Main-Weser-Bahn wird verlassen, nachdem sein Bein durch einen angegriffen. Dem war nicht so. Stattdessen Treffer schwer verletzt war. Er landete mit hörte man Einschläge der Bombardements, die, dem Fallschirm in Beltershausen und kam von wie sich dann heraus stellte , auf die Stadt dort ebenso in die Universitätsklinik nach Gießen niedergingen. Es war der größte Marburg. Flugzeugpilot Möller und Luftangriff, den die Stadt Gießen erfahren Bordschütze Brüseke trafen sich dort wieder. musste. Die gesamte Altstadt wurde vernichtet. Herr Brüseke lebte nach Kriegsende als Die deutsche Luftabwehr hatte wohl zu dieser Fotograf in Bochum. Zeit der großen feindlichen Übermacht nicht Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung mehr viel entgegenzusetzen. Die wenigen und bei Anwesenheit einer Ehrenkompanie Verteidiger wurden schon bald außer Gefecht der Wehrmacht wurde der gefallene Soldat, gesetzt. Theo Neudeck, am 11. Dezember 1944 um 9 Und so wurde, nachdem die roten Fackeln Uhr vormittags auf dem Friedhof in zu erlöschen begannen, ein rotes feuriges Niederweimar beigesetzt. Objekt gesichtet. Es war ein brennendes Es wurde damals erzählt, und heute von den Flugzeug, das auf unseren Ort zuraste. Ich älteren Einwohnern noch bestätigt, dass die habe den Anblick als damals 10-jähriger noch Flugzeugbesatzung versucht habe, ihre in Erinnerung. Von den Schluchten des brennende Maschine noch über das Dorf Weinberges konnte man dieses Geschehen gut hinwegzulenken, um eine Katastrophe zu beobachten. Glücklicherweise versank das vermeiden. Hierdurch muss die Restbesatzung abstürzende Flugzeug in dem aufgeweichten des Flugzeuges zu spät abgesprungen sein, und Ackerboden am Rande des Ortes auf Keßlers Theo Neudeck sein Leben verloren haben. Acker unterhalb der Bahnlinie nahe der Der Absturz der Maschine in den alten Wohnsiedlung Huteweg. Und das Dorf blieb landwirtschaftlich orientierten Ortskern mit so von einer Katastrophe verschont. den zu dieser Zeit gefüllten Scheunen hätte für Die durch den Luftschutzbeauftragten, das Dorf verheerende Folgen gehabt. Lehrer Paul Panse, noch in der Nacht Der Verstorbene ruht nun seit 63 Jahren als eingeleitete Suchaktion durch Angehörige des einziger deutscher nicht einheimischer Soldat Volkssturmes und sonstige Personen ergab, auf dem Friedhof Niederweimar. Sein Grab dass es sich bei dem Flugzeug um ein wird liebevoll gepflegt.

8 Quellen und Auskünfte: abgestürzten Flugzeug von damals zu suchen. Die Willi Brüseke, Bochum Männer der Initiative „Fliegerschicksale über Hessen“ Kurt Gerlach, Niederweimar und Mitglieder des technischen Hilfswerkes sowie der Johann Grebe, Niederweimar Kampfmittelräumdienst konnten Teile der Maschine Georg Fleck, Niederweimar bergen. Neben vielen Kleinteilen vom Flugzeug kamen Konrad Baum, Ronhausen ein Motorblock, eine Propellernabe, ein Fahrwerk und Polizeibericht vom 7.12.1944 an den Landrat Waffen ans Tageslicht. Die Angehörigen des hier tödlich und viele noch lebende Zeitzeugen verletzten Theo Neudeck wurden von den Funden durch den Verfasser des Berichtes informiert. Siehe auch den Anmerkung: Bericht in der Oberhessischen Presse vom 13. Nov. 2007. Die archäologischen Untersuchungen in Verbindung mit dem laufenden Kiesabbau unterhalb der Bahnlinie waren Grund dafür, im November 2007, erneut nach dem

Kleine Mitteilungen

Wandernder Zinngießer 1835 in Niederwalgern Auch hier wird deutlich, was Höck und Opfermann Im Marburger Universitätsmuseum ist im Frühjahr schon für das 17. und 18. Jahrhundert heraus- 2008 als Begleitpublikation zur Sonderausstellung gearbeitet haben: dass bei allen punktuellen ein gehaltvoller Katalog zu Gebrauchsgerät aus Anlässen der Diffamierung und Denunziation, bei Zinn vom 16. bis zum 19. Jahrhundert erschienen. allen Vorurteilen und Ressentiments die Ausstellung und Katalog seien wärmstens Mehrheitsbevölkerung auf dem Land gegenüber empfohlen. Autor und Ausstellungsmacher Dirk den Sinti auch eine tolerante Haltung einzunehmen Bauer hatte schon 1970 eine Ausstellung zu kirch- vermochten. lichem Zinngerät im Marburger Land erarbeitet und Literatur: Bauer, Dirk: Kirchliches Zinngerät aus dem in dem sorgfältigen Katalog die große Bedeutung Kreise Marburg. Ausstellungskatalog des Marburger Marburger Zinngießerwerkstätten des 17. und 18. Universitätsmuseums. Marburg 1970. - ders., und Katja Jahrhunderts für die Herstellung der Vasa sacra Wehry: Zinn. Gebrauchsgerät des 16. bis 19. Jahr- hunderts aus einer Privatsammlung. Ausstellungskatalog (des liturgischen Geräts zum Gebrauch beim des Marburger Universitätsmuseums. Marburg 2008. - Abendmahl) in den oberhessischen Kirchen Höck, Alfred: Recht auch für Zigeuner? Ein Kapitel unterstreichen können. Diese zentrale Bedeutung Minderheitenforschung nach hessischen Archivalien. In: Marburgs für die Zinnwarenherstellung änderte sich Das Recht der kleinen Leute. Beiträge zur Rechtlichen im 19. Jahrhundert mit einer Zunahme des Volkskunde. Fs. für Karl-S. Kramer, hrsg. von Konrad ambulanten Gewerbes, das sicherlich auch im Köstlin und Kai-D. Sievers. Berlin 1976, S. 77-88. - Zusammenhang der Massenverelendung im Opfermann, Ulrich Friedrich: „Seye kein Ziegeuner, Vormärz, des sog. Pauperismus, gesehen werden sondern kayserlicher Cornet.“ Sinti im 17. und 18. muss, der die Menschen zwang, nach neuen Jahrhundert. Eine Untersuchung anhand archivalischer Quellen. Berlin 2007. (S.B.) Einkommensmöglichkeiten zu suchen. Dass unter diesem Wandergewerbe auch Zinngießer waren, die Nachricht über eine ältere Glocke in Roth ihre Waren in den Dörfern der Marburger Das Glockeninventar von 1912 (Pfarrarchiv Landschaft feilboten, zeigt ein Eintrag im Fronhausen, Akten, Mappe 33) weist in Roth zwei Kirchenbuch Niederwalgern (KB Niederwalgern, Glocken nach, die kleine 1755, die große 1843 Taufbuch 1830-1900); am 12. April 1835 wurde in gegossen; letztere wurde im 1. Weltkrieg Niederwalgern Anna Juliane, die Tochter des eingeschmolzen und 1924 durch eine neue ersetzt. Zinngießers Georg Vulpius aus Frankenau und Diese wiederum wurde im 2. Weltkrieg eingezogen seiner Frau Margarethe geb. Dort, getauft. Sie und 1950 ersetzt (vgl. 700 Jahre Roth, S. 158ff). befanden sich auf der Durchreise. Solche Doch schon bevor die barocke Haube von 1697 auf ambulanten Handwerker warben nicht nur Kunden den Turm gesetzt wurde, hatte das Kirchlein eine in einem weiten Einzugsgebiet, sondern mögen neue Glocke erhalten. 1673 vermerkte der auch untereinander und zu anderen mobilen Fronhäuser Pfarrer im Kirchenbuch das Begräbnis Gruppen Beziehungen (heute würden wir sagen: der Elsbeth, Johann Hettgens S[elig]. Wittwe, obiit Netzwerke) unterhalten haben. Darauf deutet auch [starb] d. 19. 9br. [Novembris] begraben die Wahl der Taufpaten hin; dazu waren gebeten Dom[inica, Sonntag]: 26. [post, nach] Trin[itatis]. worden Anna Juliane Steinbach aus und der d. 23.9br. Nota: dieser fraw sel[ig]. Ward vff Zigeuner Dietrich Christian aus Schröck. Sinti dießmahl mit der Neuwe Glocken in d. rhöder waren schon seit der frühen Neuzeit oft Kirche zum Erstenmahl geleutet, welche 73. Rthlr. katholischer Konfession, was auch hier wohl gekostet (KB Fronhausen 1 (1624-1705), Sterbe- angenommen werden darf. Für das Sakrament der register 1673-11-19). (S.B.) Taufe und die Patenwahl spielte dies keine Rolle.

9

Die Neue Schule in Niederweimar von 1863 Ein Streit mit der Gemeinde Gisselberg

von Hans Schneider

Das Aufzeigen der Geschehnisse über dringend nötig. Die Erweiterung erfolgte im Streitigkeiten zwischen den Gemeinden Jahr 1830. Gisselberg und Niederweimar bezüglich Der Anbau an das noch erhaltene Wohnhaus Neubau einer Schule in Niederweimar im Jahr ist heute noch sichtbar. Ein Abtritt war noch 1863 setzt voraus, dass einige Informationen nicht vorhanden. Er wurde im Jahr 1844 über das Schulwesen in unseren Dörfern aus geschaffen. Es war ein Häuschen mit dem Beitrag des Chronisten Herbert Kosog, in Strohdach. Für den heutigen Leser ist es kaum Heimatheft Nr. 20 des Jahres 1986 in vorstellbar, dass eine so notwendige Erinnerung gerufen werden. Einrichtung bis dahin fehlte. Mag sich jeder Vor der Reformation gab es noch keine seine Gedanken darüber machen, wohin die Dorfschulen. In der Homberger Synode des Kinder gingen. Jahres 1526 beschlossen die Kirchenvertreter, Die Kinderzahl stieg weiter an, so dass im Marburgern Land Schulen einzurichten. Es erneut wieder Raumnotstand eintrat, trotz dauerte noch viele Jahrzehnte, bis hiervon Anbau im Jahr 1830. Die Behörden befassten Wirklichkeit wurde. Im Jahr 1621 wird sich schon mit dem Vorgang. Sie bewerteten erstmals ein Lehrer in Oberweimar als den Zustand als „erbärmlich“, denn nach Muttergemeinde des Kirchspiels Oberweimar, Ansicht des Schulamtes reichte das aufgeführt. Aus diesen Akten des Kirchspiels Platzangebot nur für ca. 50 bis 60 Kinder. Zu lässt sich lesen, dass alle Kinder der Dörfer des dieser Zeit wurden 103 Kinder, davon 29 aus Kirchspiels Oberweimar auch dort eingeschult Gisselberg, gezählt. Es reiften auf dem waren. Die Filialkirchen, so auch schnellsten Wege Planungen für einen Neubau. Niederweimar, strebten die Selbstständigkeit Über den Standort gab es schwierige im Schulwesen an. Im Jahr 1666 wird ein Verhandlungen. Man einigte sich schließlich Schulmeister in Niederweimar erwähnt. Noch auf das damals außerhalb des Dorfes liegende gab es kein Schulgebäude. Wie in den Grundstück, am heutigen Huteweg 4. Nachbargemeinden geschehen, wird auch hier Nun ging es um die Finanzierung des vermutet, dass die Kinder reihum in Neubaues, die einen Streit mit Gisselberg Privathäusern unterrichtet wurden, und das auslöste und damit beginnt diese Schilderung, auch nur vorerst in den Wintermonaten. Die Fakten hierzu wurden aus den Im Jahr 1805 wird erstmal von einem vorliegenden noch unbearbeiteten Schulhaus in Niederweimar gesprochen, das Forschungsergebnissen des Chronisten Herbert den 27 Vollbürgern von Niederweimar Kosog, entnommen. . gehörte. (Der Begriff Vollbürger geht bis in Niederweimar wollte, dass sich Gisselberg das 14.Jahrhundert zurück und sagt aus, dass an den Kosten des Neubaues der Schule in es sich um Landeigentümer im Dorf handelt, Niederweimar beteiligen sollte, weil ein die eigene Zugtiere zum Bewirtschaften der Schulverband zwischen den beiden Gemeinden Felder besaßen). Diese Vollbürger waren auch bestand. Dies wurde von Gisselberg abgelehnt, für die Unterhaltung des Gebäudes zuständig. die Gemeinde bot aber an, für jedes Kind eine Ab diesem Jahr wurden auch Rechnungen für Mark im Jahr zu zahlen. Hiermit war Unterhaltung des Gebäudes gefunden. Niederweimar wiederum nicht einverstanden Das Schulhaus muss aber älter sein, denn und verlangte den Beitrag, der Gisselberg, als im Jahr 1771 wurden 20 Kinder aus zum Kirchspiel Oberweimar gehörend, an die Niederweimar und Gisselberg, im Jahr 1799 = Schule in Oberweimar zu zahlen hat. Die 49 und im Jahr 1827= 72 Kinder gezählt, die Kirche in Oberweimar als Mutterkirche war hier eingeschult waren. Der Schulraum war für also hier mit einbezogen. Es bestanden schier die Anzahl der Schüler bei weitem nicht unüberwindbare Differenzen, so heißt es. ausreichend. Ein Anbau an das Gebäude wurde Verhandlungen zogen sich hin. Keiner wollte zur Lösung beitragen. Beide Seiten

10 ließen es auf einen Rechtstreit ankommen. An Inzwischen wurde die Polizei eingeschaltet. den bestehenden Rechtsverhältnissen im Sie musste aber den Kindern sagen, dass sie Kirchspiel Oberweimar wurden keine bis zur Klärung der Sache nach Oberweimar in Änderungen in Erwägung gezogen. Die die Schule gehen müssen. Verhandlungen waren festgefahren. Bürgermeister Gerhard von Gisselberg Inzwischen hat Niederweimar die neue Schule wehrte sich mit Schreiben vom 14.8.1876 ohne die Hilfe von Gisselberg erbaut und gegen das Vorgehen von Niederweimar und finanziert. Es kommt zur Klage, die Gisselberg stellt Antrag auf Einschulung ihrer Kinder verliert. Die Kinder von Gisselberg müssen nach Niederweimar mit der Begründung, dass nach Oberweimar zur Schule gehen. In der sie schon über 100 Jahre zum Schulverband Begründung wird angegeben, dass alle Kinder Niederweimar gehören und auch bereit sind, der Gemeinden des Kirchspiels Oberweimar die bisher geleisteten Unterhaltungskosten früher nach Oberweimar gingen und an dieser weiter zu zahlen. Der Weg nach Oberweimar Rechtslage habe sich bisher nichts geändert. mit rd. 4,5 km sei für die Kinder unzumutbar Wenn eine Filialgemeinde, wie Niederweimar, schon wegen der Gesundheit der Kinder. Es eine eigene Schule unterhält, dann ist das ihre kann aber nicht sein, dass Gisselberg den Sache. vollen Beitrag weiterhin nach Oberweimar zu Mit dem Unterricht in der neuen Schule zu zahlen hat, wogegen die Filialkirchen nur den Niederweimar wurde am 31.8.1863 begonnen. halben Beitragaufbringen müssen. (Beitrag Die Gemeinde Gisselberg und die Eltern der richtet sich nach dem Steueraufkommen). Kinder bestanden trotz des verlorenen Gisselberg sollte so behandelt werden, als Rechtstreits darauf, ihre Nachkommen in gehöre sie zur Filialkirche in Niederweimar“. Niederweimar einzuschulen und waren trotzig In weiteren Schreiben heißt es: „Da der vor der neuen Schule in Niederweimar Weg von Gisselberg nach Oberweimar doppelt erschienen. Niederweimar machte von ihrem so lang ist wie nach Niederweimar gab es viele Hausrecht Gebrauch und wies die Kinder samt Schulversäumnisse und Schulstrafen für die Eltern von Gisselberg ab mit der Begründung: Kinder“. „Ihr gehört nach Oberweimar“. Bürgermeister Im Ergebnis bleibt bis hierher festzustellen, Heuser und die Einwohnerschaft von dass es sich nur um den Beitrag handelt, der Niederweimar drohten den Eltern und den von Gisselberg an die Mutterkirche in Kinder, wiesen sie ab und verfolgten sie bis an Oberweimar, also an die dortige Schule, zu die Gemarkungsgrenze, also weit weg vom zahlen war. Für Gisselberg bedeutete das eine Dorf. Der Bürgermeister, die Gemeinde- Doppelbelastung. behörde sowie 18 Einwohner von Nieder- Der Landrat ermahnt Niederweimar, die weimar beteiligten sich an diesem Geschehen. Widerstände der Einwohnerschaft zu „Ihr könnt wieder kommen, wenn euere unterbinden. Bei Androhung einer Strafe von Gemeinde mit Niederweimar abgerechnet hat.“ 100 Mark für den Bürgermeister und 50 Mark Der Gemeinderat (Unterschrift). für jeden Einwohner, der sich der Einschulung der Kinder von Gisselberg widersetzt: Er erwarte Gehorsam und bedauere, das es die sonst so gut bezeugten Einwohner von Niederweimar insbesondere die Gemeinde- behörde offenbar falschem Rathsgehorsam folgen. Noch weiterer Schriftwechsel in der Sache wurde festgestellt, in dem es hin und her ging. Einige Kinder von Gisselberg besuchten die Schulen in Cappel und , weil der Fußweg nach Oberweimar einfach zu weit war. Aufgrund der Situation erwog Gisselberg im Jahr 1877 den Bau eines eigenen Schulhauses. Dieses Bestreben wurde wegen der geringen Schülerzahl durch den Landrat abgelehnt. Jetzt greift die Landesregierung kategorisch Nach der Zeichnung könnte man sich bildlich vorstellen, wie die Kinder mit ihren Eltern von Gisselberg durch die ein. und ordnet die Zuteilung Gisselberg nach Niederweimarer abgewiesen worden sind. Niederweimar ab dem 1.10.1877 an. Über die

11 Verpflichtungen, die Gisselberg gegenüber der Niederweimar zahlte eine Ablösesumme an Schule Oberweimar hat, wird später Gisselberg für gemeinschaftliches Vermögen entschieden. in Höhe von 5.000,--DM. Nun war ein Machtwort gesprochen. Damit endet eine nach vorliegenden Akten Dennoch widerspricht Niederweimar diesem rd. 200-jährige Schulgeschichte zwischen den Erlass wie folgt: „Die Unterzeichneten, der Gemeinden Niederweimar und Gisselberg. Ortsvorstand und der Gemeinderath zu Das im Jahr 1863 errichtete Schulhaus am Niederweimar Namens der hiesigen Gemeinde Huteweg 4, wurde im Jahr 1913 durch ein legen hierdurch fürchterlichst Protest ein gegen neues Schulegebäude in der Herborner Straße die zu Cassel angeordnete Einweisung der ersetzt. Es war jedoch bis zum Jahr 1961 Schulkinder von Gisselberg in das Schulhaus schulischen Zwecken vorbehalten. Erst in der Gemeinde Niederweimar. den 22.10. diesem Jahr erfolgte die Endwidmung als 1877. Unterschrift: Bürgermeister Heuser, der Schulhaus. Trotzdem fand die „Alte Schule“ in Gemeinderath Staubitz und Schnabel. all den Jahren von 1913 an bis zum Verkauf im In weiteren Schreiben der Gemeinde Jahr 1999 als Gemeindehaus vielerlei Niederweimar wurde darauf hingewiesen, dass Verwendung, zuletzt als Gemeindeverwal- die Kinder von Gisselberg bisher nur geduldet tungsgebäude. waren. Dieser Satz lässt den Schluss zu, dass Im Jahr 1960 beseitigte die Gemeinde den diese Kinder nach Fertigstellung der Schule in Schul- u. Ziehbrunnen auf dem alten Schulhof. Niederweimar im Herbst 1863 bis zum Erlass der Regierung vom 1.10.1877, doch die Schule in Niederweimar, zumindest teilweise, besucht haben. Niederweimar konnte gegen den Erlass der Landesregierung nun nichts mehr unternehmen. Sie musste die Schüler von Gisselberg aufnehmen. Aber noch immer gab es keine verbindliche Regelung. Mühsam wurde ein Vergleich auf Drängen des Landrates hinsichtlich der Auseinandersetzung ausgearbeitet, dem dann wiederum Gisselberg nicht zustimmte. „Der Landrat ist verzweifelt“, so heißt es in den Akten. Eine Einigkeit kam dann doch letzten Endes zu Stande. Der Frieden zwischen den beiden Gemeinden war nach rd. 15 Jahren wieder eingekehrt. Niederweimar und Gisselberg sind seit 1877 wieder in einem Schulverband geeint. Inzwischen konnte auch Einigkeit zwischen Gisselberg und der Mutterkirche Oberweimar erzielt werden. Es heißt hier: „Gisselberg hat die Ablösungen an Brot und Korn an den Im Bild Bürgermeister Gerlach und Karl Hartmann bei Schullehrer Oberweimar vollzogen“. Damit den Abbrucharbeiten. Herr Hartmann hat in den Nachkriegsjahren vielfache Tätigkeiten für die damalige entfiel die Doppelbelastung für Gisselberg. Gemeinde Niederweimar ausgeführt, die heute durch den Der Schulverband zwischen den beiden Gemeindebauhof erledigt werden. Gemeinden existierte bis zum Jahr 1947, also noch 70 Jahre. (Als Verfasser dieses Berichtes Quellen: und Schüler dieser Zeit, sind mir die Gemeindearchiv Weimar Aufzeichnungen durch den Chronisten Herbert Kosog, Mitschüler von Gisselberg noch gegenwärtig). die er aus den Akten im Staatsarchiv Marburg Am 1.März 1947 wurde in Gisselberg ein entnommen hat und die noch unbearbeitet vorliegen. eigener Schulraum hergerichtet. Ab jetzt bleibt den dortigen Schülern der tägliche Fußmarsch nach Niederweimar erspart. Eine neue Schule wurde im Jahr 1950 in Gisselberg errichtet. Durch notariellen Vertrag vom 25.Nov. 1950 wurde der Schulverband endgültig aufgelöst.

12 Die Elektrifizierung unserer Dörfer

von Hans Schneider

Die unsichtbare Energie der „Elektrische Strom“ nahm vor rund 90 Jahren Einzug in unsere Dörfer. Es war eine bedeutsame Errungenschaft, die eine Umwälzung in der Industrie, des Gewerbes, der Landwirtschaft und auch im Privaten zum Nutzen aller mit sich brachte. Erstmals wurde in Deutschland im Jahr 1885 von dem Elektrizitätswerk Berlin aus seinem Kraftwerk Strom der Öffentlichkeit angeboten. Im Jahr 1905 erfolgte die erste Strom- erzeugung in Marburg. Per Vertrag mit dem Landkreis Marburg im Jahr 1914 wurde geregelt, dass die Stadt Marburg auch die Umlandgemeinden im Kreis mit Strom versorgen kann. Das Bild wurde etwa im Jahr 1916 in Roth Im gleichen Jahr noch wurden die ersten aufgenommen. Es handelt sich um den Montagetrupp, der die Installation des Stromnetzes dort vornahm. Vorne Verträge zwischen der Stadt Marburg mit rechts liegend Georg Weimar, der am 12.Sept. 1918 Dörfern der heutigen Gemeinde Weimar gefallen ist. Die Inschrift in dem Kreis des gezeigten Bild abgeschlossen. Aus diesen im Gemeindearchiv (schlecht zu erkennen) trägt die Bezeichnung: „Roth, Weimar liegenden Dokumenten geht hervor, Hochspannung Vorsicht Lebensgefahr“. dass nicht alle Dörfer gleichzeitig den Stromanschluss erhielten. So trägt z.B. der Gemessen an den damaligen Einkünften der Stromlieferungsvertrag für Niederwalgern das Bevölkerung waren die Strombezugskosten Datum 10.November 1914, der Vertrag für sehr hoch. So werden 45 Pfennig für die Niederweimar das Datum 19.Februar 1915, der Kilowattstunde Strom bei der Beleuchtung und Vertrag für Stedebach das Datum 5. Januar für Kraftzwecke 12 bis 20 Pfennig berechnet. 1921, der Vertrag für Allna das Datum 8. Der Zeitzeuge Heinrich Eidam, Nieder- April 1927 und der Vertrag für Weiershausen weimar, geb. im Jahr 1909, berichtet dem das Datum 22.Februar 1927. Soweit Verfasser dieses Berichtes, dass er sich noch ersichtlich, wurden alle heutigen Ortsteile von an die Montagetrupps, die das Leitungsnetz der Stadt Marburg mit Strom versorgt. herstellten, erinnern kann. So schilderte er: Die Kosten für die Einrichtung der „Die Leitung kam von Gisselberg, nördlich an Ortsnetze übernahm die Stadt Marburg als Niederweimar vorbei (das heute bestehende Stromlieferant. Nur die Gemeinde Stedebach Neubaugebiet war noch nicht vorhanden) und ließ ihr Leitungsnetz bei der Hessen- führte zu dem Gittermast am Haddamshäuser Nassauischen Elektrizitätsgesellschaft Weg. Von da aus wurden zuerst die Leitungen herstellen und hat es auch selbst finanziert. auf den Dächern in der „Vorstadt“(das Den Aufwand für die Hausanschlüsse hatten Straßenteil der heutigen Herborner Str. die Anlieger zu tragen. Für die Straßen- zwischen der Einmündung des Huteweges und beleuchtungseinrichtung hatten die der Kreuzung Ampelanlage) montiert. Erst Gemeinden selbst aufzukommen. danach kam das alte Dorf an die Reihe. Nicht Aus den vorliegenden Verträgen ist zu alle bekamen gleich einen Hausanschluss, entnehmen, dass zwischen den ersten sondern nur diejenigen, die zuerst bezahlen angeschlossenen Gemeinde Niederwalgern und konnten. So kam es vor, dass einige noch Jahre Niederweimar und den letzten angeschlossenen auf die Energie „Strom“ warten mussten.“ Gemeinden Allna und Weiershausen eine Auf meine Frage nach Unfällen und Zeitspanne von über 13 Jahren liegt. Die ähnlichen antwortete Herr Eidam, dass ihm Bewohner dieser beiden Orte mussten also 13 Unfälle nicht bekannt geworden seien. Aber Jahre länger auf die neue „Kraft“ warten. die Leute seien sehr vorsichtig und ängstlich

13 gewesen. Sie wären auch hinreichend manche Hilfskraft konnte nun verzichtet aufgeklärt worden. Dieses wird durch ein werden.“ Soweit der Zeitzeuge Eidam. Rundschreiben an alle Gemeinden im Der zuvor von Heinrich Eidam zitierte Landkreis durch den Vorsitzenden des Gittermast wurde in den späteren Jahren durch „Sektionsvorstandes“ vom Jan. 1927 bestätigt. ein massives Häuschen ersetzt, das Es sei auf die Behandlung von Personen „Lichthäuschen“, wie hier von Heinrich Ehlich hingewiesen worden, die infolge von gezeichnet. In vielen Dörfern stieß man nun Einwirkungen des elektrischen Stromes zu auf diese kleinen und hohen Bauwerke, in Schaden kommen könnten, und wie diesen denen Transformatoren untergebracht sind. Die Menschen geholfen werden könne. „Lichthäuschen“ erfüllen heute noch teilweise „Weil der Strom so teuer war, installierten ihren Zweck, wie hier in Niederweimar. die meisten Leute zunächst nur die wichtigsten Versorgten die Stadtwerke Marburg bis Aufenthaltsräume, wie Küche und zum Ende des Jahres 1929 die Dörfer und Wohnzimmer. Erst Jahre später wurden auch heutigen Ortsteile von Weimar mit Strom, so die anderen Räume oder Stallungen hat nun die Elektrizität Aktiengesellschaft angeschlossen, so Herr Eidam. Anfangs betrug Mitteldeutschland (EAM) durch Verträge die die Leistungskraft nur 220 Volt. Man hatte also Lieferungen übernommen. Die EAM war also nur das Licht. Kraftstrom für Motoren wurde ab dem 1.Januar 1930 der Ansprechpartner und erst Jahre später zugeschaltet. Die neue Kraft Stromlieferant für unsere Dörfer. Auch die „Elektrizität“ führte in der Landwirtschaft und Leitungsnetze innerhalb der Gemeinden gingen in dem Handwerk zu großen Erleichterungen. in das Eigentum der EAM über. Im Jahr 2005 Schwere Arbeiten, die bis dahin durch wurde die EAM von dem Energiekonzern Muskelkraft ausgeführt werden mussten, E.ON Mitte, übernommen, der nun die Energie erledigten nun Maschinen und Motore. Auf in unsere Dörfer liefert. .

14

11 Jahre Soldat, Krieg und Gefangenschaft

von Hans Schneider

Für den Geschichtsverein Weimar erzählt Herr Hans Schneider: Heiner, erzähl doch mal von Heinrich Eidam, Taubenweg 4, Weimar- Deinen Kinder- und Jugendjahren! Niederweimar, seine Lebenserinnerungen dem Herr Eidam: Ich bin am 30.Dez. 1909 im Unterzeichner. Das Gespräch fand am 28. Febr. Haus meiner Eltern, Am Graben Nr. 4, in 2000 in seinem Haus in Niederweimar, statt. Es Niederweimar geboren. Als ich ca. ein Jahr alt wurde im Dialekt geführt und auf einem war, reiste meine Mutter für über zwei Jahre zu Tonträger aufgenommen, der im dem Fürst Tiri Orige in Sankt Petersburg, Gemeindearchiv aufbewahrt wird. So bleibt den Russland, als Amme für eins seiner Kinder .Sie nachfolgenden Generationen die heutige erhielt dafür monatlich 200 Silbermark. Das war dörfliche Mundart erhalten. viel Geld zur damaligen Zeit. Mein Vater ist am Herr Eidam wurde im Jahr 1909 in 25.Mai 1916 auf der Höhe 304 bei Verdun, Niederweimar geboren. In den letzten Jahren Frankreich, gefallen. Die monatliche lebte er bei seinem Sohn in Todenhausen. Im Unterstützung betrug 27 Mark. Das war Sommer 2007 verstarb er im 98.Lebensjahr Mit allerdings zu wenig, um uns Kinder seiner Zustimmung bringen wir das im Jahre durchzukriegen. Meine Mutter hatte das Nähen 2000 geführte Gespräch in verkürzter Form, erlernt und konnte sich so ein Zubrot verdienen. dessen Inhalt sich überwiegend auf die Zeiten Als der Krieg 1918 zu Ende ging, befand sich des Krieges und der Gefangenschaft bezieht. Die das ganze Dorf voller Fahrzeuge und Geschütze nachfolgenden Zeilen hat er noch zu lesen sowie Pferde der zurückziehenden Truppen. Für bekommen. uns Jungen waren dies besondere Ereignisse. Wir betätigten uns auch mal an den Wehrmachtsgeräten und erhielten dann eine Tracht Prügel. Ich muss dir noch etwas lustiges erzählen. Überall im Feld liefen herrenlose Pferde von den Soldaten herum. Viele Bewohner machten sich daran, einen Gaul einzufangen, obwohl die meisten dafür keine Verwendung hatten. So auch der „Spatzenhannes“ (Spitzname des Nachbarn) Er hatte natürlich keinen Stall und auch sonst keine Unterstellmöglichkeit. Es gelang ihm, den Gaul über die wenigen Stufen in den Keller zu führen. So weit so gut. Aber der Gaul ging nicht mehr heraus. Sofern er beim Herausgehen mit dem Kopf gegen die Kellerdecke stieß, hievte er zurück. Auch mit Hilfe der Nachbarn, mein Großvater war auch dabei, konnte das Tier nicht mehr ins Freie gebracht werden. Wir Kinder hatten natürlich großen Spaß an der Geschichte. Die alten Herrschaften machten nicht lange Federlesen und erschossen das Tier im Keller. Es gab mächtig viel Wurst. Ich weiß Heinrich Eidam beim Spaziergang vor dem noch genau, die war nach dem Räuchern so hart, Friedhof Niederweimar im Frühjahr 2000 dass man damit hätte einen totschlagen können.

15 (Ein dörflicher Ausdruck, der jedoch nicht so ein Bayer, war ein großer Drecksack. Er hat uns gemeint ist) sehr geschliffen. Nach dem die Ausbildung bei der Wehrmacht abgeschlossen war, ging ich meinem zivilen Beruf wieder nach. Am 1. Sept. 1939 hatte der II Weltkrieg begonnen. Ich wurde nicht sofort einberufen, da das Unternehmen, in dem ich tätig war, Rüstungsgüter herstellte. Als Frankreich besetzt war, erhielt ich doch den Stellungsbefehl. Ich kam zur Artillerieeinheit, die nach Bordeaux am Golf von Biscaya, Frankreich, verlegt wurde. Für die Geschütze waren jeweils sechs Pferde vorgesehen. Als ausgebildeter Hufschmied hatte ich dort viel zu tun. Motorisierte Verbände gab es erst im Jahr 1943. Dort am Golf von Biscaya lagen wir etwa ein halbes Jahr. Hier wurde die Division zusammengestellt, die dann nach Das Pferd wurde in den Keller geleitet, Russland verlegt wurde. (Herr Eidam zählte hier aber man brachte es nicht mehr heraus alle größeren Orte und Städte auf, durch die die In unserem Dorf gab es zwei Schafherden, die Division gezogen war.) Die Türme von am Weinberg und im Eichelgarten (Eichenwald) Stalingrad waren bereits sichtbar, da bekamen abwechselnd weideten. In den letzten zwei wir den Befehl, nach Süden über die Karpaten Schuljahren musste ich den beiden Schäfern nach Rumänien aufzubrechen. Hier hatten wir täglich das Mittagessen bringen. großes Glück. Was im Kessel von Stalingrad Hans Schneider: Heiner, könnt Ihr noch etwas geschehen ist, ist hinreichend bekannt. (Auch über den damaligen Zustand des Weinberges hier zählte Herr Eidam die Städte auf, durch die erzählen? ihre Division gekommen ist.) In Rumänien Herr Eidam: Der gesamte Weinberg bestand konnten wir nicht lange bleiben, sondern aus Buschwerk und Tannenzeug. Bei der im mussten nach Ungarn weiter ziehen. Hier wurde Herbst stattfindenden Treibjagd kamen immer die Einheit neu zusammengestellt, und wir viele Hasen zur Strecke. Wir Burschen waren die bekamen neue Geschütze. Die Gefallenen Treiber und erhielten dafür ein gutes wurden durch junge neue Soldaten ersetzt, die Mittagessen. Einmal, bei der Jagd schrie einer, gerade von ihrer Ausbildung kamen. es war der „Henninroure“ (Bekannter mit roten Nun erschien die Nachricht, dass der Russe Haaren). Er hatte eine Portion Schrotkugeln am Duklapass (Übergang der Karpaten zischen abbekommen. Es war aber nicht schlimm. Wie Tschechien und Polen) durchgebrochen war. Wir sich herausstelle, hatte ein Jäger einen Stein mit schlugen die Russen zwar zurück, aber von da einem Hasen verwechselt, von dem einige aus ging es stets in Richtung Westen. (Auch hier Schrotkugeln scheinbar abgeglitten waren, die wieder eine Aufzählung der durchzogenen den Betroffenen leicht erwischt hatten. Städte.) Ein Großeinsatz fand bei Breslau mit Hans Schneider: Ein großer Abschnitt in hohen Verlusten, auch bei der Zivilbevölkerung, Euerem Leben sind wohl die Kriegsjahre! statt. Unsere Geschütze standen denen des Herr Eidam: Ja das stimmt. Im Jahr 1936 kam Gegners auf der anderen Straßenseite gegenüber. ich nach Friedberg zur militärischen Ausbildung. Wir konnten uns direkt ansehen. Als die Grundausbildung abgeschlossen war, Hans Schneider: Was war dann? musste ich mit zwei weiteren Kameraden, die Herr Eidam: Bei der Stadt Olmitz war unsere auch das Schmiedehandwerk und den letzte Feuerstellung in 1945. Hier ließ uns der Hufbeschlag erlernt hatten, uns zur Kommandeur Schmidt zusammen-kommen und Weiterbildung bei der Veterinärabteilung in sagte wörtlich: „So Kameraden der Krieg ist Grünberg melden. Dort wurde uns auch das vorbei, seht zu wie ihr nach Hause kommt, ich Reiten ohne Sattel beigebracht. Der Ausbilder, kann euch nicht mehr helfen. “ Da standen wir

16 nun da in der Tschechei. Jeder versuchte sich sind verreckt wie das Vieh. Die Toten hat man abzusetzen. Ich bin mit meinem Gaul Tag und einfach aus dem Zug geworfen. Nacht in Richtung Westen geritten. Es sickerte die Nachricht durch, wer mit einer Waffe angetroffen wird, der wird sogleich erschossen. Darauf hin habe ich meine Pistole und meinen Revolver weggeworfen. Bei Portograd ? haben mich und andere deutsche Soldaten die Russen gefangen genommen. In einer Gärtnerei mussten wir mit 10 Gefangenen arbeiten. Ich sah zwei Tschechische Polizisten mit zwei Weibern die Straße herkommen. Auf einmal tauchten zwei russische Offiziere auf und nahmen sich der Tschechischen Weiber an. Diese schrieen so laut, dass man es in der ganzen Straße hören konnte. Was mit den Frauen geworden ist, kann ich nicht sagen. Der Gärtner, Zug in Richtung Sibirien. Gezeichnet nach ein Tscheche, habe gesagt:, „Den Hund haben Abbildungen russischer Lokomotiven wir fortgejagt und den Wolf haben wir bekommen“. Wir bekamen nichts zu essen, Im Wald und in einem Kohlebergwerk mussten hatten also furchtbaren Hunger. Ich erwischte in wir arbeiten. Nach ca. eineinhalb Jahren lebten den Behausungen der Gärtnerei eine Glucke mit von den 1.720 Gefangenen noch 56 Männerchen. Eiern. Ohne zu überlegen habe ich mir Eier Als nur noch diese wenigen übrig waren, wurden geschnappt und sie verzehrt Dass hier kleine wir zusammen mit anderen Gefangenen, die von Küken kurz vor dem Schlüpfen standen, merkte sonst wo herkamen, zusammen ca. 4.000 ich erst beim Schlucken. Der Hunger war zu Menschen, nach Süden in die Nähe vom groß. Baikalsee verlegt. Auch hier hieß es wieder Hans Schneider: Wie ging es weiter? schaffen in einem 180 Meter tiefen Bergwerk. Herr Eidam: Von hieraus wurden wir in ein Eines Tages waren Wasser-pumpen defekt. Einer Lager bei Auschwitz gebracht. Nach ca. drei kam zu mir und sagt: „Heiner, du bist doch Wochen ging es weiter nach Sibirien. Mit Schlosser und kennst dich aus mit diesem jeweils 90 Gefangenen staken wir in einem Werk.“ Ich wollte erst nicht danach sehen. Ich russischen Waggon. Durch ein Ofenrohr in dem habe mich dann doch gemeldet und die Pumpen Wagen konnte die Notdurft nach außen repariert. Es waren deutsche Pumpen, die ich verrichtet werden. Es war ein großer Zug, der von meinem Beruf her kannte. Die Russen hatten von zwei Lokomotiven, eine vorne und eine keine Ahnung. Nun sollte ich weitere dieser hinten, gezogen wurde. Der Zug fuhr nicht Geräte in Ordnung bringen. Dieses habe ich schnell, die Lokomotiven wurden mit Holz wegen dem kleinen Lohn abgelehnt. Darauf hin geheizt. Plötzlich fielen Schüsse, es krachte an sollte ich eingesperrt werden. Aber dadurch allen Seiten. „Was war geschehen?“ fragten wir waren die Pumpen nicht wieder hergestellt. Man uns. Zwei Waggons waren nur mit Polen belegt. hat das eingesehen, und ich bekam einen Diese hatten Fußbodenbretter aus den Wagen höheren Lohn und habe nun meine Arbeit gehebelt, waren bei dem langsamen Fahren nach fortgesetzt. unten ausgestiegen und in den angrenzenden Eines Tages mussten wir Gefangenen Wald geflüchtet. Wie viele dort zu Tode antreten. Ich musste hervortreten und mich im gekommen sind kann ich nicht sagen. Bürolager melden. Dort saß ein Russe, der mich Mit 1.720 Gefangenen kamen wir in einem auf russisch nach meiner Familie und nach Gefangenlager in Sibirien fast am Polarkreis an. anderen Dingen meiner Heimat fragte. Ich Es ist nicht bekannt, wie hoch die Zahl derer konnte ihn verstehen. Auf einmal zog er aus war, die auf der dreiwöchigen Fahrt gestorben seiner Schublade einen Brief mit einem Bild sind. Nein, sie sind nicht gestorben, sondern sie meiner Frau und den Kindern. Wie mir da zu

17 mute war kannst du dir ja denken, mir stockte (Heinrich Eidam) hätte arbeiten dürfen. Dadurch der Atem … Auf meine Frage, woher er dieses wäre er von der schweren Arbeit im Bergwerk Bild habe, sagte er, dass die ganze Lagerpost vor verschont geblieben. der Verteilung erst von dem Lagerchef In diesem Lager am Baikalsee wurde ich bis kontrolliert wird. zum September 1949 festgehalten. Dann kam die Plötzlich sprach er deutsch mit mir. Er Nachricht, dass wir heimreisen durften. Diese beherrschte die deutsche Sprache fast perfekt. Er Heimreise dauerte mehrere Wochen. In Bad- kannte auch die Marburger Tracht, denn er hatte Hersfeld angekommen, nahmen mich die in Marburg studiert und wohnte in Amerikaner in Empfang und brachten mich nach Sichertshausen. Täglich sei er mit dem Zug von Frankfurt. Hier musste ich von meinen Fronhausen nach Marburg gefahren. Er kannte Tätigkeiten in der Gefangenschaft berichten und sogar einzelne Personen von Nieder-weimar, wie auch mitteilen, wo militärische Einrichtungen z.B. den Ratz (Spitznamen für Ludwig Sauer). und Fabriken für Rüstungs-zwecke standen. Er hat mich nach so vielem gefragt und hat mir Ich war der letzte Kriegsgefangene aus gesagt, wenn mich etwas drückt sollte ich mich Niederweimar, der Ende 1949 in die Heimat an ihn wenden. zurückkehrte. Es folgen noch weitere Bemerkungen, auf die Schließlich kann ich sagen, dass ich durch hier verzichtet wird. Der Tonträger im Archiv meine Tätigkeit als Leiter der Schlosser- Gruppe hält das Gespräch im Einzelnen fest. in den letzten Jahren mir einiges leisten konnte. Hans Schneider: Dies muss doch ein Ich habe drei Koffer voller Waren mit nach bedrückender Tag gewesen sein. Hause nehmen können. Es waren Kaffee, Herr Eidam: Das kannst du glauben. Aber Zigaretten Bekleidungswaren und Sonstiges. Die von nun ab ging es mir besser. Ich wurde Mitnahme von Geld oder Zeitungen war Vorarbeiter in einer eigens eingerichteten verboten. Öffnen durfte ich die Koffer erst in der Werkstatt. Mir wurden 49 Soldaten, die das Heimat. Trotz allem, was an Schrecklichem Schlosser- oder das Schmiedehandwerk erlernt geschehen ist, habe ich in diesen Jahren viel hatten, unterstellt. Ich konnte mir die Mitarbeiter Glück gehabt. sogar selbst aussuchen. Wir fertigten vielerlei Diese Schilderungen lassen erahnen, was Geräte und auch Maschinen an. Ich konnte mir Herr Eidam und so viele andere seiner auch einen Gefangenen zum Reinigen meiner Kameraden in diesen Zeiten erdulden mussten. Baracke und zum Mittagessen holen bestimmen. Wie eingangs erwähnt, wird das Tonband mit Der Zufall wollte es, dass ich einen Pfarrer traf, dem gesamten Interview aus dem Jahr 2000 im der in Holzhausen- Hünstein beheimatet war. Gemeindearchiv aufbewahrt. Der Pfarrer hat mich später in der Heimat öfter besucht. Er sei dankbar gewesen, dass er für ihn

Ein „Häuslebauer“ in den dreißiger Jahren!

von Hans Schneider

Der Leser dieses Berichtes wird zunächst davon für den Häuslebauer gab, die ein Bauen ausgehen, dass die Errichtung eines Eigenheimes erschwerten, wenn auch aus anderen Gründen. in jener Zeit in genehmigungspflichtiger- und Dem Geschichtsverein Weimar liegen planerischer Hinsicht einfacher und Unterlagen eines Bauinteressenten aus dem Jahr problemloser gewesen ist. Aus den 1935 vor, die es interessant erscheinen lassen, sie nachfolgenden Zeilen ist allerdings zu zu dokumentieren. entnehmen, dass es auch damals schon Probleme

18 Im Jahr 1935 war sich ein hiesiger dieses Gerichtes wies die Entscheidung des Bauwilliger mit einem Landwirt über den Anerbengerichtes von Marburg zurück und Erwerb eines Baugrundstücks einig geworden. erteilte die Zustimmung zu dem beabsichtigten Der Kaufpreis sollte 1,--RM pro Quadratmeter Landverkauf einschließlich des Kaufpreises für betragen. Die Verschuldung des Bauern zwang das Baustück an den Siedler. Das Gericht vertrat ihn wohl zur Veräußerung einer Teilfläche die Auffassung, dass gerade bei Siedlern das seines Landes. Land gut sein müsse, damit diese in Krisen- und Sind es heute die langwierigen Bauleit- und Arbeitslosenzeiten Rückhalt für die notwendigen Genehmigungsverfahren, bis die Möglichkeit für Haushaltsbedürfnisse hätten. Der Kaufpreis sei den ersten Spatenstich gegeben ist, so standen in für „kleine Leute“, die sehr rechnen müßten, jener Zeit andere Hindernisse im Weg. Über die angemessen, damit nicht im vorhinein dem Veräußerung eines Grundstücks eines Bauern für Siedler „das Grab gegraben“ werde. Die eine Siedlungsstelle, wie es dort beschrieben Entschuldung des bäuerlichen Betriebes dürfe steht, hatte das „Anerbengericht“ zu entscheiden. nicht durch übermäßige Belastung eines Dieses Marburger Gericht kam zu der Eigenheimes erkauft werden. Auch unterliege Entscheidung, einem Verkauf nicht die Gemarkung der Gemeinde nicht dem zuzustimmen, weil es sich um „ungewöhnlich“ Wohnsiedlungsgesetz. Der Errichtung einer dort gutes Kulturland handelte, dieses nur 10 Minuten geplanten Siedlerstelle stehe daher nichts mehr vom derzeitigen Bauernhof entfernt lagt, die im Wege. Bewirtschaftung vom Hof aus ohne Die Baugenehmigung war hierdurch quasi Schwierigkeiten erfolgen konnte und der erteilt. Die Auflage zur Tilgung der Schulden Kaufpreis von 1,- RM pro Quadratmeter zu des Bauern mit dem Verkaufserlös entsprach der gering sei. grundsätzlichen Stellung des Reichserbhof- Der Kreisbauernführer, der hier ebenso die gerichtes. Zustimmung erteilen musste, war der Aus der Schilderung dieses Vorgangs ist zu Auffassung, dass mit dem Verkauf dieses entnehmen, dass ein Bauwilliger auch zur Grundstücks die Existenz des Betriebes nicht damaligen Zeit schon mit vielen Unannehm- gefährdet sei, jedoch sollte das Grundstück nicht lichkeiten konfrontiert wurde, und dass der an einen Siedler, sondern an einen vorhandenen Landwirtschaft als Grundlage für die Volks- oder entstehenden Erbhof verkauft werden. Er ernährung mehr Bedeutung als heute beige- führte u.a. an, dass durch die zu erwartende messen wurde. Hühnerhaltung des Siedlers die benachbarten Anzumerken ist noch, dass die gesamten landwirtschaftlichen Flächen Nachteile erhalten Baukosten für das errichtete zweigeschossige könnten. Wohnhaus 13.000,- RM betrugen. Gemessen an Der Bauer und Verkäufer wandte sich darauf den damaligen Stundenlöhnen von 60-80 hin mit Hilfe seines Rechtsbeistandes an das Pfennig pro Stunde war das Bauen eines „Landeserbhofgericht“ in Celle. Der I. Senat Wohnhauses ebenso teuer wie heute.

19 Hochwasser und Deiche um Roth

von Otto Weimar

In der Lahnaue liegt das Dorf Roth, Ortsteil der Die Lahn zwischen Roth und Bellnhausen Gemeinde Weimar. Der alte Ortskern, der im wird begradigt und die Lahnschleifen oberhalb Überschwemmungsgebiet der Lahn liegt, hat in von Bellnhausen werden durchstochen. Durch seiner 700 Jahre alten Geschichte schon immer die Begradigung des Flussbettes kann das gegen die Überschwemmungen der Lahn der Wasser schneller abfließen und der Lahnspiegel gekämpft. sinkt. Somit ist Roth und auch Argenstein vom Im Folgenden soll ein kleiner geschichtlicher Hochwasser entlastet. Rückblick auf einige der wichtigsten Hochwasser gegeben werden, die zu den Hochwasserschutzmaßnahmen führten, welche heute das Lahntal prägen. Geschichtlicher Rückblick: 1643 schreibt Pfarrer Stoll im Kirchenbuch Fronhausen: „Zum sonderlichen Andenken meiner Nachkommen habe ich aufzeichnen sollen und wollen, was in Anno 1643, den 3, 4, und 5. Tag im Januar, eine schreckliche und unerhörte Flut und Wassernot im Land und sonderlich auf der Löhn (heute Lahn) gewesen.“ 5. Januar: Die Lahn bringt soviel Hoch- wasser, dass Hans Pfeffers Sohn mit seinem Fischerkahn schräg über den ganzen „Grauen See“ bis Fronhausen fahren kann. 1801 – 27. November: Die Lahn steigt sehr schnell an und es kommt zu verheerenden Überschwemmungen. 1829 und 1837 wüten Feuersbrünste, während Roth unter Wasser steht. 1920 – 12. Januar: Das ganze Dorf wird überflutet – Markierungen hierzu findet man noch heute an verschiedenen Gebäuden in Roth. 1925 steht Roth wieder einmal unter Wasser. In seiner Not ruft der damalige Bürgermeister Pfeffer den Landrat Schwebel an, er solle sich die Wasserschäden im Dorf ansehen. Der Als Antriebsmaschine für die Loren auf den Schienen Landrat verspricht Hilfe und setzt sie auch diente ein mit Holz und Kohle betriebener Dampfkessel. Im durch: Das südliche Lahntal wird zum Bild zu sehen sind Adam Hettche aus Roth, Adam Bruder Notstandsgebiet erklärt. So können bei den aus Niederwalgern und Konrad Sauer aus Roth. geplanten Baumaßnahmen die zahlreichen Arbeitslosen beschäftigt werden. 1930 fangen die Arbeiten um Roth an. Die Lahn 1926 erfolgt die Planung durch die preußische wird ausgebaggert und verbreitert, der tote Kulturbauabteilung in Marburg. Nach Prüfung Lahnarm zugeschüttet und mit dem Deichbau durch die Bezirksregierung in Kassel wird die angefangen. Planung durch das Ministerium für 1931 wird die Lache tiefer gelegt, denn sie Landwirtschaft, Domänen und Forsten in Berlin soll die neue Flutmulde werden. Im gleichen am 12. Januar 1929 genehmigt. Jahr erfolgt der Deichbau von Roth bis

20 Argenstein. Der Deich soll das Feld, die 1997 wird eine Betonmauer um die Mühle Ackerflächen, vor dem Hochwasser schützen. Nau in Roth vervollständigt, damit die Mühle in 1932 wird mit dem Uferbau und der Zukunft hochwasserfrei ist und das Wasser nicht Eindeichung in der Gemarkung Wolfshausen weiter ins Dorf eindringen kann. Die begonnen. Maueranlage soll sich auch bei einem so 1933 wird in Argenstein mit dem Deichbau genannten „Jahrhunderthochwasser“ bewähren. begonnen. 2007: Am 19. Januar gibt es wieder Nachdem diese Baumaßnahmen insgesamt Hochwasseralarm, der Deich zwischen Lahn- abgeschlossen sind, fühlen sich die Einwohner brücke und Mühle ist nicht mehr stabil. Die sicherer und besser gegen das Hochwasser Feuerwehren der Gemeinde Weimar und das geschützt. Aber noch immer stehen die Mühle in THW sichern den 50m langen Deich mit ca. Roth und die tieferen, nicht wasserdichten Keller 2000 Sandsäcken. der alten Bauernhäuser bei größeren Fluten unter Am Freitag, den 10. August 2007 ereignet Wasser, denn das höhere Grundwasser drückt in sich ein Sommerhochwasser. Der Fest Festplatz die Keller. an der Straße nach Wenkbach – es soll an diesem Doch die Menschen in Roth und Argenstein Wochenende Kirmes sein – steht 80cm unter können damit umgehen. Wasser. Das Zelt ist schon aufgebaut und 1946 gibt es wieder ein Hochwasser, bei dem eingeräumt und muss sehr schnell von der das tiefer gelegene alte Dorf überflutet wird. Burschen- und Mädchenschaft, den Feuerwehren Von den örtlichen Zeitungen wird es als der Gemeinde Weimar und vielen freiwilligen „Jahrhunderthochwasser“ bezeichnet. Das Helfern geräumt werden. Auch die Wagen der Wasser drückt von der Mühle her ins Dorf. Schausteller müssen aus dem Wasser gezogen Entlastung gibt es, als ein Deich gegenüber dem werden. Nur das Karussell kann nicht so schnell Sägewerk Eidam bricht (Februar 1946 laut abgebaut werden. Es muss, zusammen mit dem Marburger Zeitung) und das Wasser sich im Feld Kirmeszelt, im Wasser zurückgelassen werden. bis nach Niederwalgern ausdehnen kann. Wie sieht die Zukunft aus? Hochwasser gibt es 1984 am 7. und 8. Februar werden bei einem jedes Jahr, mal größer, mal kleiner. Die Rother weiteren „Jahrhunderthochwasser“ weite und auch die Argensteiner haben sich daran Landstriche im Kreis überflutet. Es wird gewöhnt. Von Kindesbeinen an lernen sie, mit Katastrophenalarm ausgelöst. Roth und der Lahn und dem Wasser umzugehen. Von der Argenstein geraten in Bedrängnis, denn die Gemeinde sind Planungen in Arbeit, die Deiche sind nicht mehr in Ordnung. Sie sind an Hochwasserdeiche zu erhöhen oder auch zu verschiedenen Stellen durchlässig und müssen verbreitern. Doch einen totalen Hochwasser- mit Sandsäcken verstärkt werden. schutz kann es nicht geben, auch wenn die Am 30. und 31. Mai im selben Jahr kommt es Deiche noch so gut gepflegt werden. Es bleibt zu einem Sommerhochwasser. Die Wiesen immer ein „Restrisiko.“ Nach dem neuesten werden vor der Heuernte überschwemmt. Stand sollen im Lahntal Hochwasserpolder Nach diesen beiden Hochwassern werden die geschaffen werden. Diese Maßnahmen werden Deiche (Dämme) überprüft. Verschiedene vom Land Hessen als „Kommunaler Deiche sind zu niedrig, der Deich an der Hochwasserschutz“ gefördert. Was der Klima- Dammstraße in Roth ist durchlässig. Im Sommer wandel uns in Zukunft bringt, müssen wir 1986 werden alle Deiche um das Dorf auf eine abwarten. Angst vor Hochwasser haben wir in einheitliche Höhe gebracht und da, wo es nötig Roth und Argenstein nicht, denn das Lahntal ist ist, auch verstärkt. An der Dammstraße wird der breit und das Wasser kann sich ausdehnen. alte Deich durch einen neuen ersetzt.

21 Das Runddorf Niederweimar anno 1717 / 1747

von Heinrich Eidam

Niederweimar ist auf der ältesten und ersten von hier gelegen, und hat eine eigene Kirche, Karte von 1717 noch eindeutig als Runddorf worinnen alle 4 Wochen gepredigt wird. Das Jus erkennbar. Wann die kreisförmig mit Wall und patronatus, wie bei der Mutterkirche Ober Gräben bewehrte bäuerliche Siedlung, mit Weymar, haben die Schenck von Schweinsberg. breiter, gerader Dorfstrasse, einer Kapelle mit Kirchen- und freie Castengüter: Der hiesige vermutlich rechteckigem Friedhof, in der Allna- Casten hat hier 2 Güter, von denen eines Anton Niederung gegründet wurde ist mit Bestimmtheit Saiur (?), das andere Johann Heinrich Lemmer nicht zu sagen. Man vermutet (Görich ZHG in Leihe hat. 1954/55: 216-222), dass das Runddorf offenbar Pfarrhaus und Güter: Bei dieser Gemeinde eigens als vorgeschobener südlicher Verkehrs- befindet sich kein Pfarrhaus, da der Pfarrer zu knoten der Burgstadt Marburg angelegt wurde. Oberweimar, allwo die Mutterkirche, wohnt, Das Dorf, 1358 Wymar an der Straze genannt, wohl aber ein Pfarrgut. wurde erst 1268 eindeutig nachgewiesen. Die Schulhaus und Güter: Daselbst ist kein Regierung der Landgrafschaft Hessen-Kassel Schulhaus, weil der Schulmeister zu veranlasste etwa um 1710 die Kataster- Oberweymar wohnet, und bekommt derselbe vermessung aller Orte und Gemarkungen und die von den Kindern so von Christtag bis Pfingsten Erstellung der ersten genauen Katasterkarten. in die Schule gehen von jedem wöchentlich 6 Diese Arbeiten wurden nach dem 7jährigen hlr. Die Gemeinde selbst aber hat einen Krieg (1737/1740) fortgesetzt. Nach der Partenschulmeister für ihre Kinder, so 7 rt. von Vermessung wurden “Lager-, Stück- und denen die Kinder haben und 1 rt. aus der Steuerbücher” mit sehr genauen Beschreibungen Gemeinde, nebst dem freien Tisch und Logie gefertigt. Vorangestellt wurde jeweils eine bekommt, und derjenige der läutet bekommt Spezielle Vorbeschreibung der Dorfschaft - hier auch von der Gemeinde 1 rt. der Dorfschaft Nieder Weymar Gerichts Gemeindsgebräuche: Diese bestehen in 1 Reitzberg. Da diese sehr umfangreich ist, und in Kirche, 2 Backhäuser wobei in 1 eine Stube und über 40 Paragraphen alles bis ins kleinste eine Küche, so der Gemeindekuhhirte, wenn festgehalten ist, sollen hier nur die wichtigsten derselbe kein eigen Haus hat, bewohnt, das Positionen wiedergegeben werden, diese zum andere ist unbewohnbar, sowie ein Teil auch noch gekürzt. Gemeindehaus so der Schäfer bewohnt. Auch hat Situation anno 1747: Dieses Dorf liegt 11/2 die Gemeinde noch Wiesen und Garten, sowie Stunden von der Stadt Marburg und grenzt Hude und Waldung. gegen Morgen an Ronhausen, gegen Mittag an Waldung und Mast: Dieses Dorf hat an Waldung Rötchen, gegen Abend an Niederwalgern und 530 ar, worinnen es Buchen- und Eichelmaste gegen Mitternacht an Haddamshausen. gibt. - Hude und Weidegerechtigkeit: Hude hat Bäche und Brunnen: Am Dorf her fließt ein Bach die Gemeinde in ihren Waldungen und wenn die Alna genannt, hält etwas Weißfische auch ... Feld und Wiesen leer. Die Herden und Zugtiere und Hechte. 2 Gemeinde Schwengelbrunnen sind bestehen gegenwärtig in 40 Pferden, 22 Ochsen, allhier, an privaten Brunnen so auf den Höfen 96 Kühen, 295 Schafen. vorhanden, sind 12. Passage Hierdurch geht die Anzahl der Häuser und Menschen: Die Rheinfelser reitende Post nach Wetzlar und bei Gemeinde besteht aus 26 Haus- und Hofreiten kleinem Wasser benutzen die Fuhrleute von und 10 einfachen Häusern, darinnen wohnen: 42 Gießen her diese Straße, auch die von Cöln Männer, 43 Weiber, 34 Söhne, 50 Töchter, 26 kommende und durch das Gericht Lohr gehende Knechte, 23 Mägde also in Summa 218 Straße. Menschen. Kirche und Jus patronatus: Nieder Weymar ist Hantierung und Gewerbetreibende: Unter ein Filial von Ober Weymar welches ¼ Stunde voriger Anzahl Menschen sind: 2 Wirte, 1

22 Wagner, 2 Branntweinbrenner, 4 Leinweber, 3 Mühlen: Keine Mühlen sind bei dieser Gemeinde Schmiede, 4 Schneider, 7 Tagelöhner und sondern dieselben müssen ihre Früchte auf der Tagelöhnerinnen, 1 Zimmermann. herrschaftlichen Nähe Mühle, woran sie Herrschschaftliche- und Dorfbedienten: 1 gebannt, mahlen. Accissor (Steuereinnehmer), 1 Zöllner, 1 Zehnte: Die hiesigen Ländereien 10ten zur 11 Unterschultheis, 1 Landgrenadier, 2 Garbe, teils in die Pfarrei Oberweimar, teils Außschößer, 3 Nebenmänner, 2 Gerichts- denen von Schenk zu Schweinsberg, wie auch zur schöffen, 1 Bauermeister, 2 Feuerläufer, 2 12ten Garbe in den hiesigen Niederweimar Schäfer, 2 Hirten so zugleich Nachtwächter sind, Zehnten, wovon die Universität Gießen 3/12 Teil 1 Schütze, 1 Schulmeister, 1 Opfermann. und weiter 5 Berechtigte Anteile bekommen.

Gemarkungskarte Niederweimar Anno 1717 / 1747 von J. Rudolphe, Geometer (StAMR). Die Straße vom Runddorf nach links oben führt nach Fronhausen

23 Ort: Der Ort hat eine runde Gestalt, hat ein Gemeindehaus, ist mit Gräben umschlossen. Bau der Häuser: Mehrstöckig, Haus und Stallung getrennt. Häuser sind teils mit Stroh teils mit Ziegel teils mit Schieferstein gedeckt (20 Strohdächer). Dorfstraße ist gepflastert und reinlich. Brunnen, an der Zahl 19, sind gut. Eine Brücke welche über die Allna führt. Die Feldmark wird durch das Flüßchen Allna und durch die Mainweserbahn durchschnitten. 100 Jahre später - Niederweimar Amts Es sind Stein-Lehm-und Sandbrüche vorhanden. Marburg, 1859 - zum Vergleich: Über den Stand Vieh-Bestand: 47 Pferde, 18 Ochsen, 129 Kühe, und die Situation des Dorfes Niederweimar um 229 Schafe in 2 Haufen. diese Zeit informiert ein amtlicher Fragebogen. Feuerspritze: An der befindlichen Feuerspritze Die Antworten übermitteln, wenn auch in nehmen 13 Gemeinden Anteil. knapper Form, einen umfassenden Überblick Handwerker: 2 Schmiede, 2 Wagner, 4 über die weitere Entwicklung der Gemeinde und Schreiner, 3 Schuh-macher, 5 Schneider, 12 erlauben interessante Einblicke in die damalige, Leinweber, 4 Metzger (nicht ausschl.), 1 veränderte und verbesserte Struktur des Ortes: Krämer, 2 Wirtshäuser. Nächste Stadt: Marburg, Landratsamt: Das Dorf Niederweimar hat sich danach, in Entfernung 11/2 Std. Post- oder Eisenbahn- den rund 100 Jahren zwischen 1747 und 1859, station: Entfernung 11/2 Stunden, Seelen im Ort: sehr gut weiter entwickelt und vergrößerte sich 441 (1855), Familien im Ort: 71. in dieser Zeit um das Doppelte. Bewohner: Zeichnen sich aus durch Fleiß, Sparsamkeit, Ordnungsliebe, sie sind im Literatur: Görich, Willi: Die Marburger Süd-Nordstraßen und das allgemeinen wohlgestaltet und mit melodischer Runddorf Niederweimar. In: Zeitschrift des Vereins für Stimme begabt. hessische Geschichte und Landeskunde 65/66, 1954/55, S. Kirche: Die Kirche liegt mitten im Dorf, mit 216-222 einem Turm mit Glocke und Uhr. In dem siebenjährigen Krieg 1758 wurde dieselbe stark verwüstet, und 1762-1768 neu aufgebaut. Es ist eine Tochterkirche der Pfarrei Oberweimar und wird in Niederweimar nur vierwöchentlich an Kleine Mitteilung einem Werktag Gottesdienst gehalten. Schule: Ein Schulhaus. Das Schulhaus ist sehr Im letzten Heft der Heimatwelt wurde über die beschränkt und durchaus nicht ausreichend für Zwangsumsiedlung jüdischer Familien nach Roth und die Schülerzahl und überhaupt eine sehr Fronhausen berichtet. Dazu ein Nachtrag: Für den in Hatzbach geborenen, 1937 nach Mardorf und 1939 beschränkte und unangemessene Wohnung für nach Roth gezogenen Gustav Wertheim ist in der einen Lehrer. Die Zahl der Schüler beträgt 97, in Akte zum Entschädigungsverfahren der Erben Vor- und Nachmittagsschule unter einem Lehrer 1961/62 auch seine Unterkunft in Roth angegeben geteilt. (Stadtarchiv Amöneburg, Mardorf: Jüdische Armenversorgung: Seit 1856 besteht ein Angelegenheiten). Der Bürgermeister in Mardorf Armenverein. Die Zahl derjenigen, die teilte am 5.10.1961 dem Kasseler Büro des Notars Dr. Unterstützung erhalten beträgt 48. H. Kugelmann in Tel Aviv mit, Gustav Wertheim sei Todtenhof: Der Todtenhof liegt außer dem Ort am 6.5.1939 nach Roth a. d. Lahn bei Höchster und ist seit einigen Jahren angelegt worden, verzogen. Er wohnte also bei Hermann Herz Höchster wurden die Todten vorher auf den Friedhof nach in der Hauptstraße (Blüms), dessen zweite Frau Bertha Höchster, eine geborene Wertheim, aus Hatz- Oberweimar gebracht. bach stammte. Die Eheleute Höchster wurden am 8. Wohnhäuser: 62 (1855), liegen im Garten. Dezember 1941 von Roth ins Ghetto Riga deportiert.

24 Die Rechtsformel des Judeneids im Schenkisch Eigen

von Siegfried Becker

Adonai ewiger allmechtiger Gott, ein Schöpfer bezeugen sollen, dass der Schwur abgelegt veber alle Melachim, der du Himmel vnd Erden wurde; die drei Juden sind durch Kapuzen und vnd Alles, was darin oder darvf ist, gemacht vnd Abzeichen gekennzeichnet. Festzuhalten ist, dass geschaffen hast, so beginnt der Judeneid im der schwörende Jude auf dem Fußboden und Schenkischen Amtsprotokoll von 1641. Diese nicht auf einem Gegenstand kniet und die für die jüdische Bevölkerung im Schenken- Schwurhand (freilich seitenverkehrt) auf einem Städtchen Schweinsberg ebenso wie in den Buch mit hebräischen Schriftzeichen liegt (und Dörfern des Schenkisch Eigen bindende Formel nicht auf der Thora, die wir in einem profanen soll hier Abend Gegenstand einer kultur- und Raum auch nicht erwarten dürfen). rechtsgeschichtlichen Betrachtung sein. Wir können sie gewissermaßen als Kondensat einer Rechtspraxis verstehen, in der die Spannungen zwischen Schutz und Ausgrenzung, zwischen gemeinsamen Wurzeln des Glaubens an denselben Gott und dem ökonomischen und religiösen Konkurrieren von Juden und Christen in der frühneuzeitlichen Gesellschaft ihren Ausdruck fanden. Damit versuchen wir uns der frühesten aktenmäßig für unsere Dörfer fassbaren Zeit in der Geschichte der jüdischen Landgemeinden zu nähern. Die Quellen dazu sind wortkarg; umso mehr müssen wir dem schriftlich fixierten Judeneid unser Interesse widmen. Unter dem Begriff Judeneid wurden meist von christlichen Amtspersonen schriftlich fixierte Formeln verstanden (zur Definition vgl. Mutius, Judeneid), die einem durch Eides- zeremonie ritualisierten Schwur die Gewähr der wahrheitsgemäßen Aussage geben sollten. Die

Eidesleistung wurde verlangt, wenn Juden in Erste lateinisch verfasste und mit den Be- Rechtsstreitigkeiten mit Christen den Beweis griffen sacramentum Hebraeorum, juramentum führen mussten. Ihr ging in den meisten Fällen Judaeorum oder more judaico bezeichnete eine Zeremonie voraus, deren Schilderung in der Judeneide sind bereits aus byzantinischer Zeit Regel den Eidesformeln vorangestellt wurde. Ein überliefert. Schon der erste überlieferte, durch in der Literatur immer wieder abgebildeter, aus einen Renegaten veranlasste byzantinische Eid dem von Ulrich Tenngler verfassten und 1509 in enthält die drei auch für die späteren Judeneide Augsburg erschienenen "Laienspiegel" entnom- typischen Abschnitte, in die der Schwurteil mener Holzschnitt zeigt die Zeremonie eines gegliedert ist – die Bestimmung des Wesens Judeneides. Ein geschlossener Raum mit Gottes, der Beweis seiner Allmacht, zumeist Richterstuhl verdeutlicht, dass der Eid nicht in nach Wundern aus dem Pentateuch, und drittens einer Synagoge, sondern in einem Gerichtssaal die bedingte Selbstverfluchung, meistens geleistet wird; der Richter ist nicht nur durch ebenfalls mit Beispielen aus dem Alten seinen Platz, sondern auch durch einen Testament mehr oder weniger reichhaltig belegt. Richterstab ausgewiesen. Der den Eid leistende Schon im Früh- und Hochmittelalter mehrten Jude wird von zwei Eideshelfern begleitet, die

25 sich die Judeneidformeln. Sie wurden während historische theologische und pastoraltheolo- des gesamten Mittelalters rege angewendet und gische Abhandlungen zum Eid in den christ- häufigen inhaltlichen und stilistischen Verän- lichen Konfessionen vgl. Huber 1823). Zu derungen unterworfen, auf deren Entwicklung Beginn des 20. Jahrhunderts setzten sich auch hier nicht eingegangen werden kann (vgl. dazu Germanisten wie Karl Müllenhoff mit dem die unten angegebene Literatur). Judeneid auseinander, später dann Guido Kisch Die außerordentliche Vielzahl der überliefer- und Gerhard Eis. In dieser philologischen ten Judeneidformeln lässt grundsätzlich das tiefe Tradition hat 1973 Volker Zimmermann mit Misstrauen erkennen, das von der christlichen seiner Dissertation zur Entwicklung des Mehrheit der jüdischen Minderheit entgegen- Judeneides den ersten Versuch eines die gebracht und im Spott gegen die Juden in Schrift historischen Epochen weit umfassenden und bildender Kunst immer wieder verarbeitet Gesamtüberblicks gewagt. Auch wenn er in wurde. Das aus der verkürzten und ethno- jüngeren Studien mehrfach wegen seines zentrischen christlichen Sicht unlösbare exemplarischen und additiven, einzelne Texte Dilemma, dem schwörenden Juden die Wahrheit nacheinander behandelnden und nicht synoptisch zuzutrauen, der seinen Eid doch nicht auf die analysierenden Vorgehens heftig kritisiert Evangelien des Neuen Testaments als dem für wurde, ja ihm auch Fehlbeurteilungen und nicht Christen allein gültigen Rechtsmaßstab ablegte, erkannte Tradierungswege nachgewiesen werden ist schon in den philosophischen Texten der konnten, so ist mit dieser Arbeit doch ein Scholastik immer wieder reflektiert worden und gewisses Fundament der Judeneidforschung für hat Eingang auch in Exempelerzählungen die neuere interdisziplinäre Auseinandersetzung gefunden, die etwa den bereits antiken Krokodil- mit dem Thema gelegt worden. Einen Überblick schluss weitertradierten: Ein Krokodil hatte einer zu den älteren Arbeiten gab dann 1981 Walter Frau ihr Kind geraubt und versprach es ihr Röll mit durchaus kritischer Position. zurückzugeben, wenn sie ihm darüber die Wahr- In der Rechtswissenschaft lag ein Schwer- heit sagen würde. Die Frau nahm dies an und punkt der Judeneid-Forschung im „Dritten sagte, du gibst mir das Kind nicht wieder. Reich“, was noch wissenschaftsgeschichtlich In diesem Exempel wird für uns heute in untersucht werden müsste, zumal sich hier Ana- bedrückender Weise die merkwürdige Verkeh- logien zu Himmlers Hexenkartothek nicht rung der Perspektiven erkennbar, in der sich die ausschließen lassen. Erst in den achtziger Jahren christliche Mehrheit in der Rolle der Frau und begann eine neue quellenkritische Beschäftigung damit in der Opferrolle sah, der Minderheit je- mit den Eidesformeln; 1983 veröffentlichte doch, die in ihren Rechten und Existenz- Sabine Frey ihre rechtswissenschaftliche bedingungen ganz erheblichen Einschränkungen Untersuchung zum Rechtsschutz der Juden unterworfen war, die Rolle des gefräßigen gegen Ausweisungen, die den rechtlichen Krokodils und damit die Absicht der Vorteils- Kontext der Judengemeinden anhand der nahme im Prozess der Wahrheitsfindung zuwies. Verfahren am Reichskammergericht und vor Dieses Problem der Reflexion komplexer dem Reichshofrat behandelt hat. 1999 erschien rechtlicher und philosophischer Fragen hat Christine Magins Untersuchung zum Status der sicherlich dazu beigetragen, dass gerade zum Juden in spätmittelalterlichen Rechts-büchern. Judeneid eine große Zahl von Forschungs- So wie neuerdings die Rechtswissenschaft arbeiten vorliegt und auch die Forschungs- zunehmend einen Cultural Turn vollzieht und geschichte weit zurückreicht. Erste Studien Recht als kulturellen Faktor begreift (vgl. Losch entstanden bereits im 18. Jahrhundert, zunächst 2006), der in einem weitaus größeren Zusam- seitens der Theologie, nicht nur aufgrund der menhang von Religion, Moral, gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem anderen Glauben, und kulturellen Normen betrachtet werden muss, sondern auch aufgrund der religionswissen- beginnen sich auch die Kulturwissenschaften schaftlichen und moraltheologischen Reflexion wieder intensiver mit Rechtsnormen und Rechts- des Eides als einer symbolischen Handlung, die auffassungen in ihren Auswirkungen auf das ja immanent die Möglichkeit der Lüge voraus- Handeln von Menschen zu beschäftigen. Wenn setzt (dazu Lederer 1959; als Beispiel für wir Rechtspraxis in Geschichte und Gegenwart

26 auch als Ausdruck von Machtverhältnissen in modernen Rechtswissenschaft vermehrt Auf- der Gesellschaft, als Manifestationen kollektiver merksamkeit erfuhren. Schempf hat sehr schön Bewusstseinsprozesse von machtausübenden dargelegt, dass der Gegenstand der Rechtlichen Mehrheiten gegenüber Minderheiten verstehen, Volkskunde (die Beziehungen zwischen Recht dann wird deutlich, dass historische Rechts- und Kultur nämlich) zwei Perspektiven denkmäler, wie es die Judeneide sind (Volker voraussetzt, auf die Rechtsanschauungen und Zimmermann hat sie unter Berufung auf Gerhard Rechtsüberlieferungen zunächst, indem sie das Eis sogar zu den ältesten, kleineren Denkmälern Nach- und Weiterleben älterer und die Ent- gezählt, die die Rechtsliteratur in deutscher stehung neuer Rechtsvorstellungen untersucht, Sprache überliefert hat), auch Gegenstand der dann aber auch auf die Integration des Rechts als ethnologischen Forschung sein können und sein einer Kulturerscheinung in die Normen und sollten. Rechtliche Volkskunde als Teildisziplin Wertauffassungen der Alltagskultur. Doch der Europäischen Ethnologie ist bisher sicher gerade am Begriff der Norm werden auch nicht durch einen gewaltigen Output an unterschiedliche Positionen der Disziplinen Forschungsliteratur hervorgetreten, doch ist in deutlich. So unterscheidet sich die sozialwissen- diesem Forschungsfeld mit einer beachtlichen schaftliche Auffassung der Normen (als sozialen Kontinuität und Solidität gearbeitet worden (vgl. Handlungsmustern und Verhaltensforderungen) Schempf 2000 und 2001). Freilich sind es vom juristischen Normbegriff, der die von oben wenige, aber profilierte Vertreter unseres Faches erlassenen, sanktionierten und auch garantierten wie Karl Sigismund Kramer oder Leopold Gebote und Verbote darunter versteht. Wenn Schmidt gewesen, die Augenmerk für das aber durch Rechtsprechung Normen gesetzt, Rechtliche in der Kultur fanden, ja ihm sogar erlassen, verordnet werden, die für das einen gewissen Schwerpunkt im Kanon des Alltagsleben von Individuen oder Kollektiven Faches zugestehen wollten (Kramer 1974); doch geltende Rechtspraxis und damit alltägliches hat Herbert Schempf, selbst Jurist und derzeit Handeln und Verhalten regulierende Funktion gewiß exponiertester Kenner von Forschungs- erlangen, dann muss eine Rechtliche Volkskunde stand und Methoden der Rechtlichen Volks- an den Judeneiden als Quellen des gesetzten kunde, ganz richtig darauf hingewiesen, dass sie Rechtes unmittelbares Interesse finden. ihrer Entstehung nach eine Disziplin der Die alte, wohl schon aus thüringischem Rechtswissenschaft, speziell der Rechtsge- Ministerialengeschlecht hervorgegangene Fami- schichte, ist, in der Auffassung, einzelne Rechts- lie der Schenken zu Schweinsberg besaß im 14. sätze in ihrem historischen Wandel mit Hilfe und 15. Jahrhundert mit den ihnen eng ver- volkskundlicher Erkenntnisse und Deutungsan- wandten Vögten der Essenschen Immunität sätze besser erklären zu können, insbesondere Fronhausen zusammen mit den von Weiters- unter Heranziehung derjenigen Quellen, mit hausen genannt Kalb in unverteiltem Lehen der denen auch die Volkskunde arbeitet. Grafen von Nassau-Saarbrücken das aus einer Für die Betrachtung der historischen alten Zent hervorgegangene Gericht Reizberg Judeneide müsste daher umgekehrt gelten, sich mit 18 Dörfern und Höfen südlich und südwest- mit volkskundlich-hermeneutischen Ansätzen lich von Marburg (vgl. Eckhardt 1953). Aus den von der Rechtsprechung produzierten diesen Gerichtsrechten der Schenken im Quellen zu nähern. In der Volkskunde selbst war Reizberg haben sich wohl die späteren Patro- es der Paradigmenwechsel hin zu einer natsrechte über die Pfarreien des Gerichts, kritischen Sozialwissenschaft in den frühen insbesondere über die Mutterkirche in siebziger Jahren, der einige Untersuchungen zum Oberweimar, ergeben, die sie noch heute Recht und zur Rechtsauffassung im Zusammen- innehaben (hierin ist uns dann das späte hang gesellschaftlicher und kultureller Ord- Mittelalter doch noch erstaunlich nahe!). nungssysteme, zur gesellschaftlichen Bedingt- In Schweinsberg selbst, wo der Burgsitz zu und Bezogenheit des Rechts hervorbrachte Beginn des 13. Jahrhunderts durch den Mar- (Scharfe 1970; Köstlin/Sievers 1974) und damit burger Burgmann und landgräflichen Amtmann Berührungspunkte zur Rechtssoziologie und in Grünberg Guntram Vogt errichtet wurde Rechtsethnologie fand, die auch seitens der (seine Nachfahren nannten sich dann 'von

27 Schweinsberg'), ist bereits im frühen 14. Nehum. Sie ernährten sich offensichtlich vom Jahrhundert (1332) ein kaiserliches Privileg zur Handel, was aus einer Strafe hervorgeht, die Ansiedlung von vier Juden belegt (zur Nehum Judt zu zahlen hatte, weil er dem Junker Verleihung von Judenschutzprivilegien durch Johann Eberhart kein Tuback schicken wollte den Kaiser vgl. Battenberg 2000). Quellen- (vgl. Höck 1982). nachweise für eine tatsächliche Anwesenheit von Im sogenannten Schenkisch Eigen oder auch Juden liegen jedoch erst für das späte 16. bloß Eigen, also den aus der Essenschen Jahrhundert vor. Zu Martini 1594 stellten die Immunität Fronhausen ausgegliederten Dörfern Schenken einen Schutzbrief aus für Manasse und Roth, Wenkbach und Argenstein, waren die Gomprecht, über deren Schicksal und Nach- Schenken im alleinigen Besitz aller Gerichts- kommen bisher nichts bekannt ist; Alfred Höck barkeit (also auch der Hals- oder Hochgerichts- hat angenommen, dass sie wenig später bereits barkeit); 1481 wurde ihnen durch Landgraf wegzogen, als sie 1611 zum Besuch christlicher Heinrich ausdrücklich versprochen, sie in der Predigten (der sog. „Judenpredigten“) Ausübung der Gerechtsame in keiner Weise zu gezwungen wurden. Darin müssen wir unter behindern. 1535 wurde unwidersprochen ein anderen Motiven wohl auch das intensive Halsgericht über einen in Roth verübten Bemühen seitens Kirche und Obrigkeit sehen, Totschlag unter Beteiligung der Gerichts- die Konversion von Proselyten anzuregen: ein schöffen von Schweinsberg und des Gerichts im 17. und 18. Jahrhundert zunehmender Reizberg durch den schenkischen Schultheiß des Assimilationsdruck, der ganz gewiss auch Eigens in Schweinsberg gehegt. Seit Beginn des Auswirkungen auf die rechtliche Situation der 17. Jahrhunderts aber machten ihnen die jüdischen Bevölkerung hatte. Jedenfalls waren hessischen Landgrafen die peinlichen Fälle (also nach der Schenkschen Bau-Rechnung 1614/15 die Urteile über Leben und Tod) im Eigen die zuerste erwähnten Juden schon nicht mehr streitig; doch erst 1779/80 verzichteten die anwesend, denn damals zahlten Schutzgeld je 8 Schenken endgültig auf alle Hochgerichtsbarkeit. Gulden 4 ½ Albus Moisch Jude der altt, Eleasar Da im Eigen Nachweise der Ansiedlung von Jude, Moisch Jude der jünger und 6 Gulden Juden 1611 zu finden sind, ist zumindest die Frohmuht Jüdin (eine auffällige Fehldeutung des Vermutung naheliegend, dass die in dieser Zeit Namens Fromet). In der Rechnung 1617 (bis in Schweinsberg nicht mehr genannten Juden ins 1621) sind nur Moisch d. Ä., Moisch d. J. und Eigen gezogen sein könnten, vielleicht, um dem Frommuth Jüdin eingetragen; Eleasar scheint Zwang zum Besuch der christlichen Predigten zu Ende 1617 weggezogen zu sein, nachdem er entgehen. In den folgenden Jahrzehnten lassen wegen etlicher nicht bezeichneter Vergehen hohe sich dann häufiger Belege finden; so ist in der Geldstrafe hatte zahlen müssen. 1622 sind Schenkschen Bau-Rechnung von 1630 von zwei Moisch Judt und Frohmuth Jüdin genannt, im Juden im Eygen die Rede, weil sie Schutzgeld nächsten Jahr außerdem Jacoff (die drei dann zahlten; 1634 ist dann aber nur noch Moisch auch 1626, 27). Im Jahre 1628 hatte Caiphas Jude zum Rodt genannt, der jedoch 1635 schon Judt 10 Gulden Einzugsgeld erlegt: Schutzgeld davongezogen war. In der Rechnung von 1666, zahlten nun Jocoff Judt, Mosch Juden wittib und also nach dem Dreißigjährigen Krieg, ist dann Fromuthen Sohn. Ob dieser Nehum hieß, ist nur wieder eine Einnahme an Schutzgeld von vier zu erwägen, denn 1629 zahlten Schutzgeld: Familien eingetragen: Nathan, Wolf Bonfang, Jecoff Judt, Caiphas Judt, Moischen wittib und Bonfang David, Israel. Sie sind auch 1668 noch Nehum Judt, dessen Frau aus Biedenkopf 5 genannt, während 1670 Nathan Jud in Roth, Gulden Einzugsgeld bezahlt hatte. Im Jahr 1633 Wolf Bonfang aber in Wenkbach erwähnt sind: sind dann schutzgeldzahlend mit ihren Familien Auswirkungen des den Juden nicht zugestan- eingetragen: Caiphas, Simon, Joseph, Jecoff und denen Rechts auf Wohnsitz.

28

Schweinsberg. Radierung von Otto Ubbelohde, 1921

Wie für die Schweinsberger Juden, hatte auch hat damit die Formeln des Judeneids durchaus für die jüdische Bevölkerung im Eigen die positiv gewertet, was erkennen lässt, dass er Rechtsformel des Judeneids bei gerichtlichen einen gewissen Überblick über die spätmittel- Auseinandersetzungen Gültigkeit. Schon 1874 alterliche Entwicklung der Eidesformeln und die brachte der nicht nur in der Schweinsberger humanistischen und römischrechtlichen Ein- Geschichte, sondern auch in den Dörfern des flüsse in der frühen Neuzeit besessen haben alten Gerichts Reizberg, in denen die Schenken muss. Inhaber der Patronatsrechte waren, bestens Doch schauen wir uns die Eidesformeln bewanderte Schweinsberger Pfarrer Carl Sippell genauer an. Als Einleitung steht die von einem einen sprachlich leicht geglätteten Abdruck der Christen gesprochene Aufforderung, das Judeneidformel in einer Johann Georg Estor zum Gesetzbuch, auf das der Eid geschworen werden 100. Todestag gewidmeten Gedenkschrift. Estor, soll, als wahre, d.h. dem jüdischen Glauben der juristisch ebenso wie rechtshistorisch und gemäße Schrift anzuerkennen: Jud, ich beschwer kulturgeschichtlich gebildete Gelehrte und dich bei dem einigen, allmächtigen Gott, daß du Kanzler der Universität in Marburg, war 1699 in wahrhaftig sagest vnd bezeugest, daß dieß das Schweinsberg geboren; doch schon zwischen Gesetzbuch, darauf ein Jud einen Eid bei 1573 und 1644 waren Angehörige der Familie höchster Wahrheit schweren könne, sei. Das Hester/Esther als Schenkische Bauschreiber in Auflegen der Hand hatte zunächst nach Schweinsberg ansässig. Hierin muss dann auch jüdischem Recht auf die Thora zu erfolgen und das Motiv Sippells gesehen werden, die hätte daher in der Synagoge geschehen müssen. Judeneidformel in die Estorsche Gedenkschrift Da wir keine Hinweise darauf finden, dass außer aufzunehmen – in der Absicht, die Beziehungen der Schrift ein weiterer Gegenstand, etwa das von Estors Vorfahren zur Rechtspflege in große Tallith, also der nach jüdischem Brauch Schweinsberg anzudeuten und aufzuzeigen, „mit zum Gebet angelegte Mantel, berührt werden welchem Ernst und in welchem Geist diese musste, worin die dem Eid zugewiesene Rechtspflege damals gehandhabt wurde“. Sippell besondere Form der Gottesverehrung zum

29 Ausdruck gebracht werden sollte, kann mit aufmerksam gemacht. Zum einen hat er Sicherheit angenommen werden, dass der Eid vielleicht auf mögliche Vorbilder und damit auf nicht mehr in der Synagoge abgelegt werden Tradierungswege hinweisen wollen. Zum musste. Das war bereits im Spätmittelalter üblich anderen war ihm offensichtlich bewusst, dass in geworden. So wird seit dem späten 15. den Formulierungen dieses Eids bereits Jahrhundert in den Eidesformeln immer wieder Bemühungen um Versachlichung durch kleinere deutlich, dass ein Judenbuch (also ein Codex mit Korrekturen, vor allem aber durch den Verzicht hebräischen Schriftzeichen und nicht die im auf die zutiefst diskriminierenden Aaron hakodesch verwahrten Schriftrollen der mittelalterlichen Vorgaben zur Eideszeremonie Thora) bei Gericht vorhanden war. Es dürfte zu erkennen sind, was sich seit Beginn der meist die in hebräischer Sprache geschriebenen frühen Neuzeit abzeichnete. Insbesondere mag er zehn Gebote enthalten haben. geahnt haben, dass ein mögliches Vorbild für Der zweite Abschnitt der Formel enthält die den Schenkschen Judeneid in Tennglers Aufforderung zum Auflegen der Hand: Nun so "Laienspiegel" von 1509 gesehen werden kann. lege deine Hand vf die Wort: Lo sisso etschäm Ulrich Tenngler, um 1440 geboren, hatte als Adonai. Das sind die Anfangsworte des zweiten Schreiber und Landvogt in Diensten des Herzogs Gebotes "Du sollst den Namen des Herrn". Die von Bayern gestanden; seinen "Laienspiegel" Verwendung des hebräischen Adonai, das Plural verfasste er als juristisches Hilfsmittel für zum jiddischen Wort adojni für 'mein Herr' ist, finanzstarke Bürger und mit Verwaltungs- war der heiligen Bezeichnung für Gott aufgaben betraute Laien. Darin finden sich zwei vorbehalten, die von Juden nur mit bedecktem formae, also Formulare zur Abfassung von Haupt im feierlichen Gebet benutzt wurde, um Judeneiden, sowie der eingangs gezeigte die Majestät Gottes hervorzuheben und ihn von Holzschnitt mit der Schwurszene. irdischen Herren zu unterscheiden (vgl. Rosten Im ersten Eidesformular Tennglers finden wir 2003). Wie das Bilderverbot im jüdischen dann tatsächlich die Formel des Schenkschen Glauben die Abbildung Gottes untersagte, waren Judeneids wieder: Lo. sissa. etschen. Adonay. die vier hebräischen Buchstaben des eloecha. lasthaff / Ki. Adonay etc. Zimmermann, Gottesnamens JHWH (im Deutschen meist der diesen starken hebräischen Einfluss in den Jahwe oder Jahve) dem Pentateuch (den fünf frühneuzeitlichen Eidesformeln auf Reuchlin Büchern Mose), den Schriftrollen der Thora zurückführen wollte, ist von Walter Röll vorbehalten und durften außerhalb des alten widerlegt worden. Er konnte vielmehr die Tempels in Jerusalem nicht genannt werden. Tennglerschen formae wie auch den Judeneid Adonai war also die höchste außerhalb des des Reichskammergerichts von 1538 auf die Gottesdienstes mögliche Bezeichnung Gottes; im Judeneid-Vorschriften der freien Reichsstadt gewöhnlichen Gespräch wurde das Kryptonym Nürnberg zurückführen. Die weite Verbreitung Adoschem verwendet. und durchaus belegbare Rezeption von Adonai als Gottesname war schon im Tennglers Formularen hat im 16. Jahr-hundert zu Mittelalter gut bekannt und lässt sich in den einer Ablösung der älteren Schwabenspiegel- Judeneiden seit dem 10. Jahrhundert finden, in Formulare und damit auch zu einer spätmittelalterlichen Formeln dann meist in Versachlichung der Judeneid-Formeln geführt. Varianten der Wendung also helff mir der war Als dritter Abschnitt der Formel folgt die Gott Adonay. Daher ist in der Verwendung des Aufforderung zum Nachsprechen des Eides: vnd Gottesnamens noch kein Anhaltspunkt für das sprich mir nach. Hier wird also nochmals Alter des Schenkschen Judeneids gegeben. Doch deutlich, dass die Eidesformel von einem das Alter der Eidesformel lässt sich durchaus Christen vorgesprochen wurde, wobei bereits bestimmen. Schon Sippell bemerkte, als er den dieses Verlangen des Eides eine Härte bedeutete, Judeneid in die Gedenkschrift Estors aufnahm, da es bei vns Juddenn nit gebrauchlich ist, jn das Schriftstück stamme unverkennbar aus dem solchenn fellen so leichtlich Eyde zwthuon, wie 16. Jahrhundert, sei aber erst 1641 aufgezeichnet es in einer anderen Quelle heißt. Erst die worden. Der gelehrte Theologe hat damit auf nachfolgenden Abschnitte waren dann von dem zwei Aspekte der Schenkschen Eidesformel schwörenden Juden nachzusprechen. Wir finden

30 darin jedoch keine Anweisung für die ab, ehe mit dem Judeneid in der 'Neuen Ausführung der Zeremonie; insbesondere wird Reformation der Stadt Nürnberg' von 1479/84 vollkommen verzichtet auf erniedrigende, inmitten einer anhaltenden Judenfeindschaft in demütigende Handlungsanweisungen und der Nürnberger Bevölkerung eine Formel Requisiten, wie sie in der judenfeindlichen geprägt wurde, die weite Verbreitung fand. Formel des erweiterten Schwabenspiegels Bemerkenswert ist (und dies hatte eingeführt und in den daran angelehnten späteren offensichtlich schon Sippell zum Anlass seiner Eidesformeln des Spätmittelalters tradiert Wertung genommen), dass in der Schenkschen wurden: die Eidesleistung auf dem Requisit der Rechtsformel kein Rückfall in die diskrimi- Schweinshaut, auf der der schwörende Jude nierenden Bestandteile der Zeremonie enthalten stehen oder knien musste. Die zutiefst diskrimi- ist, und dies, obwohl wir uns zur Zeit der nierende Absicht dieser Requisitforderung lässt Niederschrift der Formel inmitten einer sich oft mittelbar oder unmittelbar mit juden- Krisensituation ungeheuren Ausmaßes befinden feindlichen Tendenzen in Städten oder und damit die potentielle Gefährdung der Territorien in Verbindung bringen, etwa in der jüdischen Bevölkerung durch Anschuldigungen Aufnahme dieser Formel im Kontext der letzten und Ausschreitungen evident war. Es sollte noch Judenvertreibung in Augsburg von 1438 (dazu sieben Jahre dauern, ehe der große Krieg des 17. Schmidt 1976). Jahrhunderts zu Ende ging und Kirchenglocken In diesen diskriminierenden Passagen nicht die Nachricht vom Frieden zu Münster und weniger Judeneide ist zudem wenn nicht eine Osnabrück ins Land trugen. Und erst sechs Jahre Intention, so aber doch eine mögliche Funktio- zuvor war der Schrecken des Mittelalters nalisierung von Judeneiden erkennen: durch das zurückgekehrt: der Schwarze Tod hatte in dem Verbot, ein zünftiges Handwerk oder Landwirt- von Kriegsheeren verwüsteten und ausgehunger- schaft betreiben zu dürfen, war die jüdische ten Land gewütet; die Pest, einer der Auslöser Bevölkerung auf Handel und Geldverleih ange- für die Judenpogrome von 1349, war wieder wiesen - eine stetige Quelle für Konkurrenzneid, aufgetreten. Wir müssen diese Krisen- für Verfolgungen und Ausweisungen, mit denen erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges mit- sich die christlichen Schuldner ihrer Gläubiger denken, wenn wir nach dem Kontext für die auf unrechtmäßigem Wege zu entledigen Niederschrift des Schenkschen Judeneides suchten. Solche Konflikte eskalierten in Krisen- fragen. Sie mögen beigetragen haben zu zeiten wie den Finanzkrisen in der Geld- Rechtsprozessen, die einen Bedarf nach der wirtschaft oder den Pestepidemien, unter denen Abfassung einer Eidesformel begründeten. besonders der Schwarze Tod des Jahres 1349 Doch sie haben offensichtlich nicht dazu geführt, wegen des Vorwurfs der Brunnenvergiftung zu die Versachlichung durch die Formulare des 16. Pogromen führte, die Tilemann Elhen in seiner Jahrhunderts aufzuheben oder zu durchbrechen. Limburger Chronik als judenslacht bezeichnet Immerhin ist sie so als Dokument für die hat (vgl. Wyss 1883). In den ersten Jahrzehnten Tradierung römischer und humanistisch des 14. Jahrhunderts fanden in vielen Städten geprägter Rechtsauffassungen zu werten. Pogrome statt; schon 1298 fielen ihnen allein in Der vierte Abschnitt der Formel lautet: Nürnberg 628 Juden zum Opfer, und im Pestjahr Adonai, ewiger, allmächtiger Gott, ein Schöpfer 1349 wurden dort nicht nur etliche Judenhäuser über alle Melachim [eig. melóchim, Könige, vom und die Synagoge niedergelegt, sondern auch hebr. mélech, König], der du Himmel vnd Erden 562 nicht geflohene Juden grausig zu Tode vnd Alles, was darin oder darvf ist, gemacht vnd gebracht, nämlich verbrannt. Röll hat die geschaffen hast, ich schwere bei dir, daß ich die während dieser Jahrzehnte in den Nürnberger Wahrheit, so viel mir wißentlich in dieser ganzen Judeneiden durch Anlehnung an den Schwaben- Sache ist, sagen will, vnd keinerlei falsch Betrug spiegel erfolgte Verschärfung der alten oder Vnwahrheit darinnen gebrauchen oder sachlichen Formel aus dem 13. Jahrhundert auch einmischen. Dass hier Adonai, der ewige, aufgezeigt; in den späteren Formeln des 15. allmächtige Gott, als Schöpfer über alle Könige Jahrhunderts zeichnete sich dann zunächst die gestellt wird (eine Formel, die wir in den alte Tendenz einer sachlicheren Formel wieder überlieferten Judeneiden eher selten finden), ist

31 wohl nicht nur als Ehrbezeugung gegenüber Gott enthalten sein mit diskriminierenden Formeln zu sehen. Es ist vielleicht zugleich die Betonung der ritualisierten Selbstverfluchung durch das der ausschließlichen Gültigkeit des Gottes- symbolische Bespucken der Genitalien. Darauf gesetzes über alle Loyalitäten gegenüber ist hier also immerhin verzichtet worden. weltlichen Fürsten hinweg. Damit war sicherlich Zum Schluss steht noch einmal die nicht der Kaiser als oberster Schutzherr der Gottesanrufung: Also hilf mir das Alles vnd Jdes Juden intendiert, der mit der Verleihung der der wahre Gott Adonai. Hier ist also die Judenregalien längst seine alleinigen Kompe- Eingangsformel der älteren Judeneide aufge- tenzen abgetreten und seit der Reformation mit nommen und als abschließende, alles dem Territorialisierungs- und Konfessionali- bestätigende Formel ans Ende gestellt. sierungsprozess ohnehin an Macht verloren Nun muss nach diesen stark komprimierten hatte. Vielmehr werden wir darin möglicher- Erörterungen zur Formelhaftigkeit des Judeneids weise einen im Schenkischen Herrschaftsbereich zum Schluss noch die Frage nach den konkreten zum Ausdruck gebrachten Reflex des im 16. und Anlässen, den Umständen und Auswirkungen frühen 17. Jahrhundert schwelenden Konflikts einer Eidesleistung gestellt werden. Sie muss als zwischen den hessischen Landgrafen und der Ausblick und zugleich als Aufgabe für die althessischen Ritterschaft um Interessen der weitere Forschungsarbeit, insbesondere auch für Ständepolitik und Kirchenzucht sehen dürfen, die lokal- und regionalgeschichtliche der erst 1655, also vierzehn Jahre nach der Forschungsarbeit hier vor Ort stehen bleiben. Niederschrift des Judeneids, beigelegt wurde. Denn bis jetzt habe ich leider noch keinen Beleg Dass diese Annahme gerade hinsichtlich der für das Ablegen eines Eides in den Dörfern des Schutzherrschaft gegenüber den Juden nicht Eigens oder in der Stadt Schweinsberg selbst ganz abwegig ist, lässt sich aus dem hundert auffinden können. Zu prüfen wäre vielleicht Jahre später im Kontext der hessischen anhand der erhaltenen Archivalien, inwieweit Judenstättigkeit aufflammenden Konflikt wir (wie oben ja bereits angedeutet) Motive zur zwischen Schenken und Landgrafen um den Formulierung eines Judeneides nicht allein in der Judenschutz und die Erhebung der Schutzgelder rechtlichen Regelung des Schutzverhältnisses, im Eigen ablesen: ein Rechtskonflikt, der sich sondern zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den (und vielleicht vor allem) in den Bestrebungen Versuchen zur Aneignung der sehen dürfen, die jüdische Bevölkerung zum Hochgerichtsbarkeit im Eigen abzeichnete. Besuch christlicher Predigten zu zwingen. Zur Als fünfter Abschnitt der Eidesformel steht Prüfung der Ernsthaftigkeit von Konversionen, dann die fast immer übliche bedingte die nun im 17. und 18. Jahrhundert mit einer in Selbstverfluchung: Vnd wo ich vnrecht schwere, erhöhter liturgischer Feierlichkeit zum Ausdruck so will ich ewiglichen vermalledeit vnd verflucht gebrachten Assimilationsabsicht intendiert war, sein, vnd soll mich verzehren das Feuer, das mag die Eidesformel angelegt gewesen sein. Sodom vnd Gomorra vbergieng, vnd auch alle Dass sie formuliert wurde und damit sicherlich Flüch, die in der Thora vnd Gesetz Mosis verfaßt auch zur Anwendung kam, mag wenigstens als vnd begriffen sind, Vnd [will, daß] mich die Erde Indiz für Krisen- und Konfliktsituationen verschlinge wie Datan vnd Abiram, vnd daß ich gewertet werden können, für Situationen mithin, zur Salzsäulen stehen bliebe zu einem ewigen in denen einzelne Juden oder auch die jüdische Zeichen, wie Loths Weib, vnd dann auch, daß Bevölkerung insgesamt Vorwürfen und meine Frau eine Witfrau werd vnd meine Kinder Anschuldigungen ausgesetzt waren. Sie mussten arme Waisen. Das mag aus heutiger Sicht hart in den daraus folgenden gerichtlichen Prozessen klingen (und wird von den Betroffenen gewiss nicht immer unterlegen sein. Ich will dafür als auch so empfunden worden sein), doch fehlen Bildbeleg der Rechtsabsicht einer neutralen der Schenkischen Eidesformel immerhin die in Urteilsfindung durch Indizien und Beweise älteren Quellen oft enthaltenen Bezüge auf das einen Holzschnitt heranziehen, mit dem eine zu Buch der Strafen, häufig auch auf die sieben Beginn des 16. Jahrhunderts in Straßburg ägyptischen Plagen. Darin konnte sogar eine erschienene, Thomas Murner zugeschriebene bedingte Verfluchung der Nachkommenschaft Versdichtung illustriert war.

32 heranziehen, der aber doch eindrücklich die Härte der Ahndung eines Eidbruches zu erkennen gibt. Am 18. Februar 1734 notierte Philipp Zaunschliffer, Amtmann des Büchertals bei Hanau im Gerichtsprotokoll: Ist dem Juden Jacob Meyern von Ober-Asphe, Hochfürstlich Hessen-Darmstädtischer Jurisdiction, aus hiesiger Neustadt herüber geliefert und auf hiesiger Hochgräflicher Regierung Verordnung ein kurzer Criminalprozeß durch eine Session formiret und von dem Landgericht darauf erkannt, auch von Hochgräflicher Regierung sofort confirmiret worden, daß ihm wegen seiner eingestandenen, auch actenkündig überwiesenen Brechung der Urfehde die zwei vordersten Finger seiner rechten Hand durch den Nachrichter [Scharfrichter, Henker] abzu- schlagen und hernacher derselbe derer beiden Städte sowohl, als derer gesamten Hochgräf- lichen Landen mit der Verwarnung abermal zu verweisen seie, daß bei wiederholter Betretung, Es ging darin um die Schändung eines denen Kreisschlüssen gemäß, gegen ihn mit der Marienbildes, deretwegen fünf Juden Strafe des Todes verfahren werden solle, welches angeschuldigt wurden. Ein Schmied, der die sogleich an ihm exequiret [vollstreckt] worden. vermeintliche Tat bezeugen wollte und den (vgl. Bro[ckhusen] 1955). Die Bezeichnung der neben ihm stehenden, durch Kopfbedeckung und "Hochgräflichen Lande" Hanau bezog sich auf Gewand gekennzeichneten Juden bezichtigte, das Territorium von Johann Reinhard, dem zeigt in dieser Abbildung den Vorfall einem letzten Grafen von Hanau; das Ereignis fand Grafen an. Doch der Graf lehnt es ab, einen zwei Jahre vor dessen Tod statt. Der Jude Jacob kurzen Prozess zu machen; die Verdachtsgründe Meyer war in der Neustadt Hanaus ertappt seien nicht ausreichend und dem Juden, der seine worden, wo er sich trotz der Urfehde, d.h. des Unschuld beschwor, dürfe das Recht nicht eidlichen Versprechens, sich für erlittene Haft verweigert werden: Wie wol er ist ein iud und Strafe nicht rächen und das Hanauer Land geboren / noch můß im recht nit syn verloren / künftig meiden zu wollen, wieder aufgehalten ich můß im recht gedyen lon (vgl. Güde 1981). hatte. Welch drakonische Maß-nahmen nicht Tatsächlich hat Sabine Frey in ihrer Arbeit über dieses aus heutiger Sicht belanglose Vergehen den Rechtsschutz der Juden gegen (wieder nach Hanau gekommen zu sein), Ausweisungen im 16. Jahrhundert anhand von sondern der Eidbruch (also die Brechung der Verfahren am Reichskammergericht und vor Urfehde) über die erlittenen Schmerzen und die dem Reichshofrat die weitgehend neutrale körperliche Schädigung hinaus nach sich zog, Position der Rechtsinstanzen aufzeigen können; wird deutlich, wenn wir berücksichtigen, dass doch ist fraglich, ob solche die Interessen des mit den abgeschlagenen beiden Fingern der Kaisers als Schutzherrn der Juden rechten Hand ein Verlust der beiden implizierenden Verfahren in der Rechtspraxis Schwurfinger verbunden und damit der so der Territorien und Adelsherrschaften folgenschwer Verurteilte für alle Zeiten gleichermaßen gültig waren. gezeichnet, seiner Zeugnisfähigkeit und Ich will als Beispiel für die massiven Ehrbarkeit verlustig gegangen war. Konsequenzen, die das Schwören des Eides für Abschließend sei noch ein Ausblick auf das Angehörige des ökonomisch marginalisierten Ende der Judeneide angemerkt. Zwar verloren Landjudentums bedeutete, einen Beleg aus die alten Formeln des Spätmittelalters und der späterer Zeit und aus einem anderem Territorium frühen Neuzeit, insbesondere die vom

33 Schwabenspiegel beeinflussten, im 18. Jahr- Gensicke, Hellmuth: Zur Limburger Chronik. In: hundert durch die Einflüsse der Aufklärung Nassauische Annalen 73, 1962, S. 263-267. - Graus, Frantisek: Pest - Geißler - Judenmorde. Das 14. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung und wurden durch als Krisenzeit. Göttingen 1987, S. 155ff. - Güde, Wilhelm: neuere Instruktionen ersetzt, doch konnte Röll Die rechtliche Stellung der Juden in den Schriften deutscher auf eine noch 1787 ausgefertigte Verordnung für Juristen des 16. und 17. Jahrhunderts. Sigmaringen 1981. - das Königreich Böhmen hinweisen, die Höck, Alfred: Notizen über die Schweinsberger Juden. In: Eidesformeln der Reichskammergerichtsordnung Schweinsberg 650 Jahre Stadt. Marburg 1982, S. 88-94. - Lederer, J.: Eid. In: Lexikon für Theologie und Kirche. 2. von 1538 einzuhalten. Erst die Emanzipations- Aufl., Bd. 3, Freiburg 1959, Sp. 727-731. - Huber, Fridolin: bestrebungen haben am Ende des 18. und zu Leitfaden zu dem christlichen Unterricht über den Eid, zum Beginn des 19. Jahrhunderts mit ihrer politischen Gebrauch bei der pfarramtlichen Belehrung vor der und intellektuellen Fundierung in einer Ablegung der Eide. Konstanz 1823. - Kisch, Guido: Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden in umfangreichen jüdischen Literatur zu einer Deutschland während des Mittelalters. Zürich 1955, darin nachhaltigen Argumentation der Betroffenen die Beiträge: Studien zur Geschichte des Judeneides im geführt, die Resonanz im aufgeklärten Mittelalter, S. 137-165; Ein süddeutscher Judeneid aus dem Bürgertum fand. Formal wurden die Judeneide 14. Jahrhundert, S. 166-171; Nürnberger Judeneide, S. 172- zwischen 1813 (in Baden) und 1869 (in Preußen) 184; Jüdisches Recht und Judenrecht, S. 187-198. – Klein, Jürgen: Johann Georg Estor (1699-1773). Professor der abgeschafft und damit Gleichstellung vor dem Rechte und Kanzler der Universität zu Marburg: ein Gesetz erreicht. Mit den aufflammenden hessischer Polyhistor im Zeitalter der Aufklärung. In: Agitationen des Antisemitismus aber sah sich die Hessische Heimat 23, 1973, H. 4, S. 125-130. - Köstlin, jüdische Bevölkerung jetzt neuen Anfeindungen Konrad, und Kai Detlev Sievers (Hrsg.): Das Recht der kleinen Leute. Beiträge zur Rechtlichen Volkskunde. Fs. für und Diskriminierungen durch völkische Karl-Sigismund Kramer. Berlin 1976. - Kramer, Karl- Ideologen ausgesetzt. Otto Böckel, der nun auch Sigismund: Grundriß einer rechtlichen Volkskunde. in unseren Dörfern im Lahntal seine Volkslieder Göttingen 1974. - Losch, Bernhard: Kulturfaktor Recht. zu sammeln begann, ist erschreckendes Beispiel Grundwerte, Leitbilder, Normen. Eine Einführung. Wien- für diese Wegbereiter der Verfolgung und Köln-Weimar 2006. - Magin, Christine: „Wie es umb der iuden recht stet.“ Der Status der Juden in Vernichtung. Darüber soll in einem späteren spätmittelalterlichen Rechtsbüchern. 1999. - Mitteilungen Beitrag berichtet werden. aus dem Frhrl. Schenck zu Schweinsbergschen Samtarchiv, 1950ff. - Mutius, H.-G. von: Judeneid (iuramentum Quellen und Literatur: Iudaeorum – more Iudaico). In: dtv-Lexikon des StAMR 340 Schenck zu Schweinsberg, Samtarchiv Abt. 22 Mittelalters, Bd. 5, Sp.789f. - Petersdorff, Friedrich von: (Judensachen), Nr. 3. – ebd., Nr. 10, Bau-Rechnung 1614- Schen(c)k zu Schweinsberg. In: NDB 22, Berlin 2005, S. 15. - Löwenstein, Uta: Quellen zur Geschichte der Juden im 674-676. - Röll, Walter: Zu den Judeneiden an der Schwelle Hessischen Staatsarchiv Marburg 1267-1600. Wiesbaden zur Neuzeit. In: Haverkamp, Alfred (Hrsg.): Zur Geschichte 1989. - Battenberg, Friedrich: Schutzjuden. In: HRG IV, der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der Sp. 1535-1541. – ders.: Das europäische Zeitalter der frühen Neuzeit. (= Monographien zur Geschichte des Juden, Bd. 1. 2. Aufl. Darmstadt 2000. – ders.: Mittelalters, 24) Stuttgart 1981, S. 163-204. - Rosten, Leo: Judenordnungen der frühen Neuzeit in Hessen. In: Jiddisch. Eine kleine Enzyklopädie. 2. Aufl. München Neunhundert Jahre Geschichte der Juden in Hessen. 2003, S.39-43. - Scharfe, Martin: Zum Rügebrauch. In: Beiträge zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Hessische Blätter für Volkskunde 61, 1970, S. 45-68. - Leben. (= Schriften der Kommission für die Geschichte der Schempf, Herbert: Rechtliche Volkskunde. In: Brednich, Juden in Hessen, VI) Wiesbaden 1983, S. 83-122. - Becker, Rolf W. (Hrsg.): Grundriß der Volkskunde. Einführung in H.: Familiensoziologische Untersuchungen hessischer die Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie. 3. Aufl. Ganerbenfamilien des 14. bis 17. Jahrhunderts. 1982. - Berlin 2001, S. 423-443. - Schmidt, Rolf: Judeneide in Bro[ckhusen, Hans Joachim von]: "Kurzer Augsburg und Regensburg. In: Zeitschrift der Savigny- Criminalprozeß". Strafe eines oberhessischen Juden in Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abt., 93, Hanau 1734. In: Hessenland (Beilage der Oberhessischen 1976, S. 322-339. - Seib, Gerhard: Der Grabstein Johann Presse), 2. Jg., Folge 36, 24.9.1955. - Eckhardt, Karl Georg Estors in Schweinsberg. Ein Werk des Marburg August: Die Schenken zu Schweinsberg. In: Hessisches Bildhauers Johann Philipp Friedrich Sommer. In: ebd., S. Jahrbuch für Landesgeschichte 3, 1953, S. 96-149. - 131-133. - Sippell, Carl: Johann Georg Estor, Kanzler der Eckhardt, Wilhelm A.: Johann Georg Estor. In: Universität Marburg, geboren am 8. Juni 1699, gestorben Schweinsberg 650 Jahre Stadt. Marburg 1982, S. 95-100. - am 25. October 1773. Zur Erneuerung seines Gedächtnisses Eis, Gerhard: Mittelalterliche Fachliteratur. Stuttgart 1967. - bei der 100jährigen Wiederkehr seines Todestages. Mit Fink, A.: Limburger Chronik. In: HRG 2, Berlin 1978, Sp. einem Anhang enthaltend rechtsgeschichtliche Mitteilungen 2029-2036. - Frey, Sabine: Rechtsschutz der Juden gegen und Idiotismen aus Estors Heimat. (Ein Supplement zu Ausweisungen im 16. Jahrhundert. (= Rechtshistorische Vilmars Idiotikon). Marburg 1874. - Stamm, Irmgard, und Reihe, 30) Frankfurt a.M.-Bern-New York 1983. - Walter Dehnert: Schweinsberg. Aus der Geschichte einer

34 Landstadt und Adelsherrschaft in Oberhessen. Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen 1998. - Zimmermann, Volker: Die Volkskunde, 18, 2000, S. 27-42. - Wyss, Arthur (Hrsg.): Entwicklung des Judeneids. Untersuchungen und Texte zur Die Limburger Chronik des Tilemann Elhen aus rechtlichen und sozialen Stellung der Juden im Mittelalter. Wolfhagen. (= Monumenta Germaniae Historica, IV, 1) (= Europäische Hochschulschriften, Reihe I, 56) Hannover 1883, S. 38f. Frankfurt/M. 1973. - ders.: Zum Stand der rechtlichen Volkskunde in Europa. In: Carlen, Louis (Hrsg.):

Kleine Mitteilung

Ein Hofschreiner in Haddamshausen Noch immer wissen wir, obwohl gerade Rumpf Wie viele Truhen und Schränke in qualitätvoller uns zahlreiche Aufmaßzeichnungen von Türen, Schnitz- und Intarsienarbeit aus dem 18. und 19. Truhen und Schränken, Betten und Treppengeländern Jahrhundert mögen noch in den Häusern des übermittelt hat, wenig über das ländliche Kirchspiels Oberweimar erhalten sein? Nicht selten Schreinergewerbe des 17. und frühen 18. tragen sie die Initialen oder sogar den Namen der Jahrhunderts, also jener Generation von Meistern, die Braut, mit deren Aussteuer das kostbare Möbelstück Lehrherren von Ortmüller und Heck, Werner und einst in die Familie kam. Andere, oft nicht weniger Gombert waren oder Anregungen gaben aus ihrem aufwändige Schreinerarbeiten an und in den Häusern reichen Erfahrungsschatz der Formen, Motive und sind längst verschwunden. Vom Wetter ausgebleicht Techniken. Nicht gering schätzen dürfen wir die und ausgewaschen, fielen Haustüren oder Fenster Einflüsse von Gesellenwandern, Ausbildung und Renovierungsarbeiten und modischem Stilwandel Erfahrungsaneignung der Handwerker, die oft weit in zum Opfer. Europa unterwegs gewesen waren und meist für Dabei ist gerade das Allnabergland einst bekannt verschiedene Stände gearbeitet hatten, auf die gewesen für die Qualität der Holzarbeiten. Karl materielle Kultur der Region. Rumpf hat die Beobachtung mitgeteilt, dass die Ein schönes Beispiel für diese Einflüsse einer reichsten Schmuckformen nicht in wohlhabenderen hohen Mobilität im Gewerbe der frühen Neuzeit auf Landschaften wie der Schwalm oder dem die Wohnkultur findet sich im Kirchenbuch anzutreffen waren, sondern in Oberweimar (KB 1660-1763). Am 30. Januar 1752 ärmeren Regionen wie dem Hinterland und im kargen starb in Haddamshausen, erst 56 Jahre alt, nach einem Bergland westlich von Marburg entstanden sind. 17 Wochen ausgestandenen harten Kalten Fieber der Schmuckfreudigkeit und besonderes handwerkliches Schreinermeister Johann Nicolaus Hassel. Er wurde Können, die bis ins Einzelne liebevoll ausgetüftelte am darauffolgenden Tag auf dem Kirchhof in Schnitz- und Einlegearbeit sah er als Ausdruck einer Oberweimar bestattet. Geboren am 24. September Begeisterung und Freude am Werk, die seit vielen 1695 in Dingelstedt bei Halberstadt (am Huy, wie es Generationen aus der Landschaft herausgewachsen auf heutigen Karten heißt; im Brandenburgischen, sei. Er meinte darin Belege einer eigenständigen wie im Sterbeeintrag steht). Seine Eltern Nicolaus bäuerlichen Kultur zu erkennen, die sich von der und Margretha Hassel schickten ihn anno 1711 in die Stadt unterschied und eine spezifische Note Lehre. In Halberstadt hat er das Schreiner Handwerck entwickelt hatte. Seine Auffassung versuchte Rumpf zu lernen angefangen, u. da er nach ausgestandenen an Arbeiten aus den Werkstätten von Johann Debus Lehr-Jahren loßgesprochen worden, auch einige zeit Ortmüller aus Damshausen, Johannes Heck aus f. d. Handwerck in d. Fremdte gereiset. Er hatte also Friedensdorf, Johannes Werner aus Kombach, sein Gesellenstück gefertigt und war auf Nikolaus Werner aus Sterzhausen und Johann Georg Wanderschaft gegangen. Dieses Gesellenwandern hat Gombert aus Mudersbach aufzuzeigen, die in den gerade im Bereich der Möbelschreinerei zu einer Beständen des Marburger Universitätsmuseums weiten europäischen Verbreitung von Ornamenten überliefert sind. Diese tatsächlich herausragenden, und Schmuckformen beigetragen. Besonders Kreativität und handwerkliches Geschick eindrücklich lässt sich dies an den Brettstühlen verbindenden Schreinermeister haben in der zweiten aufzeigen, die erst im 16. Jahrhunderts als Hälfte des 18. oder im frühen 19. Jahrhundert gewöhnliches Inventar der Stuben aufgekommen gearbeitet. Doch woher haben sie Anregungen waren. Denn bis zum ausgehenden Mittelalter erhalten, welche Einflüsse und Verbindungen gab es bildeten selbst in vornehmen Wohnungen Wandbank zwischen den barocken Schnitz- und Einlegearbeiten und Sitztruhe das übliche Ruhemöbel; erst in in den Dörfern und der Möbelherstellung für die Renaissance und Barock gehörte der bewegliche Fürstenhöfe und Patrizierhäuser der Reichsstädte? Stuhl mit vier meist achtkantigen oder kannelierten

35 Beinen und einem als Rückenlehne eingesteckten Kunden aus wohlhabenderen Bauernfamilien, für Bohlstück zur Ausstattung der Stuben. Seine rasche Rentmeister und andere höhere Beamte in den Verbreitung macht den Bedarf solch beweglichen Dörfern des Allnaberglandes gearbeitet haben. Vom Sitzmöbels in der zunehmend ritualisierten höfischen Dekorstil der Zeit (der durchaus vergleichbar ist mit Festkultur der frühen Neuzeit sehr schön deutlich. spätbarockem Mobiliar in dem 1736 neu gestalteten Die Rückenlehne des Brettstuhls bot Gelegenheit für Erbacher Schloss) und der kunstfertigen ornamentale Ausgestaltung und Bemalung; handwerklichen Gestaltung her könnte er die von Musterschablonen, die durch Handel oder Rumpf gezeichnete Truhe aus Haddamshausen Gesellenwanderung vermittelt wurden, trugen zu hergestellt haben, doch ist ihm sonst im Fundus des einer Verbreitung der Motive im mitteleuropäischen Marburger Universitätsmuseums leider kein Raum bei, die Rumpf dann für die Brettstühle im Möbelstück zuzuschreiben. Ich würde mich daher ländlichen Bereich festgehalten hat. Im 18. und 19. freuen über Hinweise aus dem Kirchspiel, wo noch Jahrhundert waren es meist reichhaltige Konturen mit (möglichst datierte) Möbel aus der Zeit zwischen Flachschnitzerei, in den hessischen Territorien oft mit 1730 und 1750 in den Familien erhalten sind. den Motiven des doppelten Schwans und Pelikans als Literaturhinweise: Rumpf, Karl: Handwerkskunst am christlichen Symbolen (der Schwan als Luthermotiv, hessischen Bauernhaus. 2. Aufl. Marburg 1983. - ders.: der Pelikan als Christussymbol). Doch bot sich die Hessische Bauernstühle, Brettstühle. In: Hessenland 49, Symmetrie der Stuhllehne und das doppelte Vogelbild 1938, H. 11/12, S. 268-272. - ders.: Die Treppe im Marburger Bürgerhaus. In: Zs. des Vereins für hessische auch geradezu an für das Motiv des Doppeladlers, das Geschichte und Landeskunde 72, 1961, S. 161-169. - ders.: in den verschiedensten Varianten bis in die Hessische Haustüren des 16. und 17. Jahrhunderts. In: ebd., Küstenregionen an Nord- und Ostsee verbreitet 73, 1962, S. 93-102. - ders.: Bauernmöbel - Oberhessische wurde. Schränke. In: Hessische Blätter für Volkskunde 59, 1968, S. Wie nahe noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts 57-86. - Leinweber, Ulf (Hrsg.): Karl Rumpf (1885-1968). höfische, städtisch-bürgerliche und bäuerliche Kultur Alte Handwerkskunst in dokumentarischen Zeichnungen. hinsichtlich der handwerklichen Gestaltung des Kassel 1989. - Simon, Gustav: Die Geschichte der Mobiliars beieinander lagen, wird am Beispiel der Dynasten und Grafen zu Erbach und ihres Landes. 1857/58, beruflichen Tätigkeit Johann Nicolaus Hassels ND Frankfurt/M. 1983. - Schürmann, Thomas (Hrsg.): Historische Wohnkultur in Norddeutschland. Erfahrungs- deutlich, der nach Ablauf seiner Wanderzeit als berichte zur Dokumentation ländlicher Möbel. (= Beiträge Geselle darauf als Hoff-Schreiner beÿ d. Hf. zur Geschichte und Kultur des Elbe-Weser-Raumes, 1) [Hochfürstlichen] Grafen von Erbach einige zeit Stade 2001. gestanden hat. Leider ist das Samtarchiv der Grafen zu Erbach-Erbach, das als Depositum im Staatsarchiv Darmstadt eingelagert war, beim Luftangriff auf Darmstadt im September 1944 vollständig verbrannt, so dass Hassels Tätigkeit am Erbachschen Hof archivalisch kaum nachzuweisen sein dürfte. Über das zeitgenössische Leben am Hofe gibt lediglich die noch aus den Quellen erschlossene Arbeit von Gustav Simon Auskunft. Ob eventuell noch signierte Arbeiten Hassels im Erbacher Schloss erhalten sind, habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können. Aus dem Sterbeeintrag wissen wir aber, dass er sich binnen solcher zeit [...] ehel. trauen lassen hat, denn am 5. November 1722 heiratete er (wohl in Erbach) seine Braut Anna Naumann, die aus Elnhausen kam. Das Paar muss wohl noch einige Zeit in Erbach geblieben sein, wo ihm zwei Kinder geboren wurden. Dann aber zog Hassel mit seinem Eheweib von Erbach nach Elnhausen, wo er sich daselbst eine geraume Zeit aufgehalten hat, ehe er mit der Familie von da aber nach Hadembshausen gezogen ist. Hier hat er ganz gewiss nicht oder doch nicht ausschließlich für das Marburger Bürgertum gearbeitet; in den Zunftakten der landgräflich hessischen Gewerberepositur habe ich ihn bisher Seitenstollentruhe aus Haddamshausen, 1. Hälfte 18. jedenfalls nicht gefunden. Wohl eher wird er für Jahrhundert; Zeichnung von Karl Rumpf 1944

36